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Das Rollenspiel >> Das Umland >> Der Baum am Smaragdstrand
(Thema begonnen von: Niniane am 09. Nov. 2003, 12:26 Uhr)

Titel: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 09. Nov. 2003, 12:26 Uhr
Am verborgensten und am weitesten entfernten Teil des Strandes der Weltenstadt, dort, wo schon der mächtige, alte Wald beginnt und bis ans Seeufer heranreicht, liegt abgeschieden und gut verborgen der Smaragdstrand; die Klarheit und Tiefe des Wassers hier haben ihm diesen Namen eingetragen. Ein kleiner, klarer Wildbach, der sich über mehrere sanft abgestufte Felsterassen aus dem Wald herausschlängelt, fließt mit süßem Lied hier den See. Die Felsen sind weiß wie Schnee und vom Wasser glatt und glänzend poliert und bilden einen wundervollen Gegensatz zu den blaugrünen Tiefen des Ildorel. Die Bäume hier in dieser Gegend sind älter und höher, der ganze Wald scheint wilder und ungebändigter als anderswo. Direkt am Ufer des Sees steht ein uralter Baum auf dem weiten Rund einer Lichtung, die dicht mit Smaragdgras und Rainfarn bewachsen ist. Der Durchmesser dieses erhabenen Riesen beträgt sicherlich fünfzehn Schritt im Stamm, seine mannshohen Wurzelstränge senken sich in strahlenförmig ringsum in den Boden. Zwischen zweien von ihnen am Fuß des borkigen Giganten führt eine niedrige, breite Treppe aus Baumschwämmen, die jedoch fast völlig von Moos überwachsen sind, zu einer runden Eingangstür aus hellem Holz. Die Tür sitzt so tief in der Rinde, als sei der Baum um sie herumgewachsen. Ein geschwungenens Vordach erstreckt sich über der Tür, das direkt aus der Borke herauswächst und links und rechts davon hängen etwa auf Kopfhöhe zwei silberne Laternen. Weiter oben im Stamm sind auf verschiedenen Ebenen Fenster, Alkoven und sogar ein Balkon in das Holz des Baumes geschnitzt und über jedes blattförmige Fenster wölbt sich eine Gaube aus der Rinde, schlingen sich geschnitzte Holzsäulen und auf den breiten Simsen wachsen Orchideen und blühendes Moos.
Auf dem hellen Holz der runden Eingangstür steht unter einem silbernen Türklopfer in Form eines Blätterkranzes  in feurigen, verschlungenen Lettern:

Lambe, Ijon, îr arasamre

Im Inneren des Baumriesen  findet sich hinter der Eingangstür eine runde Diele, von der mehrere Türen abgehen und eine Treppe, die im Bogen zu den oberen Räumen führ. Im Erdgeschoss befinden sich mehrere verschiedene Räume -  ein Esszimmer in dem zerbrechliche Orchideen blühen und dahinter eine behagliche Küche mit zwei kleinen Vorratskammern, ein Kaminzimmer, ein Abtritt und zwei Gästeräume auf der Südseite des Stammes. Im Keller finden sich mehrere Vorratsräume, eine Waffen und Schatzkammer, zwei Gänge und zahllose Geheimnisse.
Der Hauptraum dieses Baumhauses jedoch liegt direkt unterhalb der mächtigen, ausladenden Krone, ein weiter Raum, der die ganze Breite des Stammes einnimmt, halb geteilt durch einen weißregenumrankten Bogen. Der vordere Raum dient Niniane als Schlafgemach, der hintere als Botanikum mit angrenzendem Lesezimmer, das vor Büchern und getrockneten Pflanzen überquillt und als Raum, in dem verletzte oder kranke Tiere eine Bleibe finden können. In der Mitte des Schlafgemachs ist eine Feuerstelle, fest ummauert und mit einem eisernen Dreifuß versehen. Dahinter ist eine kunstvoll aus der dicken Rinde herausgearbeitete runde Lagerstatt, ein Nest aus daunenfeinen Kissen und spinnwebzarten Decken. Alle Möbel im Inneren des Baumes sind aus hellem, sandgescheuerten Holz, zumeist von elbischer Machart und einzigartig in ihrer verschlungenen Fremdartigkeit. Schnitzereien verzieren die Wände, Wandteppiche aus Seidengarn erzählen Geschichten von lang vergangenen Tagen, Kissen und Decken aus weichen Pelzen schaffen Behaglichkeit und stets riecht es nach einer Mischung aus Sandelholz und Pflaumenblüten. Dieses Haus kann nur betreten, wer als Freund hierherkommt. Hier wohnt Niniane, halbelfische Waldläuferin und Protektorin der Umlande...  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 09. Nov. 2003, 12:29 Uhr
Niniane mustert die Ankömmlinge einen Moment überrascht, obwohl das in ihren Augen wohl schwer zu erkennen ist, dann lächelt sie, obwohl sie Lyns Worte nicht verstehen kann. Seine Sprache klingt wie nichts, was sie je gehört hat, aber daß er sich an Morgana richtet, ist auch für sie zu erkennen. Hinter ihm jedoch betritt eine Windelbin ihr Haus. Eine Rhaskeda'ya... Sie wirft Arwen einen Blick zu, doch die Elbin ist bereits in Trance verfallen und so wendet sie sich wieder um. "Khel Dar. Willkommen in meinem Haus. Ihr stört nicht, aber vielleicht gehen wir besser ins Esszimmer hinüber... Arwen braucht noch Ruhe."  Ihr Lächeln bekommt etwas entschuldigendes. Sie nimmt die Karaffe mit Sommerwein und ihren Kelch, und führt ihre Gäste dann aus dem Kaminzimmer eine Tür weiter in das Esszimmer hinüber, wo sie sie bittet, am Tisch Platz zu nehmen. Die Fenster sind geöffnet und die Orchideen nicken im sanften Abendwind, aber merkwürdigerweise ist es nicht kalt. Sie holt einen weiteren Kelch für die Windelbin, schenkt ihr Sommerwein ein und sieht dann Lyn an, sich an seine Essgewohnheiten  erinnernd.
"Möchtet Ihr Sommerwein? Blut habe ich leider nicht." Ihr letzter Satz klingt so selbstverständlich, daß deutlich wird, daß sie sich über die Nahrungsgewohnheiten von Morganas Gefährten keinerlei weitere Gedanken gemacht hat. Mag sie sie vielleicht seltsam finden, es war eben so und sie weiß inzwischen, daß von Lyn keinerlei Dunkelheit ausgeht. "Was hat Euch hergeführt? Es ist doch nichts geschehen, oder?" Sie blickt von der Windelbin zu Morganas Gefährten und dann zu Morgana.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Lyn am 09. Nov. 2003, 13:23 Uhr
Beim Verlassen des Raumes wirft Lyn Arwen noch einen Blick zu. Für einen Moment ist er versucht anzubieten zumindest die Wunden in ihrem Gesicht mit seiner Heilmagie zu behandeln. Verwirft diese Überlegung aber dann. Morgana hätte schon etwas gesagt, wenn es nötig wäre. Zudem scheint sie zu schlafen was sicher ein Segen für sie ist. Wer weiss was sie hat durchmachen müssen.

Im Esszimmer angekommen atmet Lyn wohlig den Duft der Orchideen ein ehe er sich zu den anderen an den Tisch sitzt. Kelche werden ausgeteilt und mit einer roten Flüssigkeit aufgefüllt. Als der Vathyrn an der Reihe ist spricht ihn die Hausherrin an. Im Gegensatz zu ihrer Rede im Vorraum kann er sie nun über seinen Sprachstein verstehen.
"Ich fürchte, ich vertrage keinen Wein" antwortet er. "Aber macht euch deswen keine Umstände. Geschehen ist nichts, wir sind nur gekommen um unsere Hilfe anzubieten. Morgana hatte mir erzählt, das es wohl zu einen Kampf mit den Falken kommen würde und als ich hörte, dass sie hierher zu einen Notfall gerufen worden war, nahm ich an, das es wohl Verletzte gegeben hatte. Ich hoffe doch die Auseinandersetzung ist gut verlaufen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Schilama am 09. Nov. 2003, 17:24 Uhr
Schilama weiss jetzt mit Sicherheit, wer die goldäugige Elbin ist, denn selbige heißt sie in "ihrem" Haus wilkommen und Schilama weiss schon des längeren, dass dieseses "Haus" einer gewissen Niniane gehört, also kann die goldäugige Elbin folglich nur Niniane sein. Als sie den Raum verlassen, schaut Schilama noch kurz mit besorgtem Blick zur ruhenden Arwen, ehe sie den anderen folgt. Dass das Esszimmer trotz der offenen Fenster nicht kalt ist wundert Schilama ein wenig, wieder Magie? Bei dem Anblick der im Wind schwankenden Orchideen ändert sich ihr verwunderter Gesichtsaudruck allerdings wieder in ein Lächeln und sie nimmt am Tisch Platz. Den Kelch mit Sommerwein nimmt sie nach einem kurzen Zögern entgegen, ein Glas wird mich schon nicht zum Torkeln bringen und ihr Lächeln wird dabei etwas schief, denn das letzte Mal hatte sie Wein getrunken, als Leuana gestorben war.

Schilama will Ninianes Frage gerade beantworten, als Lyn ihr zuvor kommt, was sie lächelnd zur Kenntnis nimmt. Da sie Lyns Worten nicht folgen kann, wendet sie sich kurzerhand an Morgana: "Ein gewisser Galrin war in deiner Abwesenheit in der Kate und da sein Arm schon ganz gut aussah, bin ich seiner Bitte gefolgt, ihm die Fäden zu ziehen. Unter anderem hat er aber nach einem Schwert gefragt mit dem du etwas über ein...", wie hat er es genannt? Ah ja!, "...Wesen herausfinden wolltest." Schilama nimmt gerade einen kleinen Schluck aus ihrem Kelch, schließlich ist sie es nicht gewohnt und hat auch noch etwas vor, als ihr einfällt, woher sie den Namen Niniane noch kennt. Bei dem Gedanken verschluckt sie sich, aber mehr als ein-zwei Huster sind es nicht, bis sie sich davon wieder erholt hat, "Entschuldigung".    

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Jock am 09. Nov. 2003, 18:24 Uhr
Während Jock so schnell geht, wie gerade möglich, ohne über den unebenen Boden zu stolpern, fragt er sich ernsthaft was Leute bei einem Diamantenstrauch zu suchen haben. Er hat noch nie davon gehört, dass es so etwas überhaupt gibt. Um nicht noch verwirrter zu werden, als er bereits ist, schiebt er den Gedanken, an den Strauch bis auf weiteres beiseite.
Er hofft, dass er bald ankommen wird, wo auch immer, und er nicht mehr so lange braucht, denn wer weiß wie es Meister Nibrir nun geht. Natürlich kann er längst bereits wieder zur Besinnung gekommen sein und seine Ohnmacht hat sich als harmlos herausgestellt. Doch genauso gut kann sich sein Zustand verschlechtert haben und diese Möglichkeit lässt Jock schneller ausschreiten. Eine Sekunde später bereut er dies schon, denn sein Fuß verfängt sich in einer mit totem Laub und Unkraut heimtückisch getarnten Wurzel. Wild mit den Armen rudernd versucht er hektisch sein Gleichgewicht wieder zu erlangen und im letzten Moment kann er sich an einen herunterhängenden Zweig festhalten und verhindern das er Bekanntschaft mit dem Boden macht.
"Verdammt! Das ist ja lebensgefährlich hier." Herzhaft fluchend, um über seinen Schrecken hinweg zukommen sieht sich Jock nun sorgfältig den Weg zu seinen Füßen an, bevor er weitergeht, diesmal beträchtlich vorsichtiger, als vorher.
"Da frag ich mich ja echt, was jemanden dazu bewegt zu irgendeinem Diamantenstrauch zu gehen. Ich wette, dass der Weg dorthin bereits Todesopfer gefordert hat." Brummend geht er weiter und hält Ausschau nach Diamanten und Smaragden. Denn so langsam müsste er ja endlich da sein.
Als Stadtmensch sieht Jock den Wald als wilde und gefährliche Wildnis und er nimmt sich vor, nur noch im äußersten Notfall je wieder einen Fuß hineinzusetzen. Natürlich weiß er selbst, das er ein klein wenig übertreibt, doch das ist ihm im Moment herzlich egal. Ohne dass es ihm richtig bewusst wird, steht Jock plötzlich einem gigantischen Baum gegenüber, den er erst gar nicht als solchen erkennt. Denn solche großen Bäume hat er noch nie gesehen, also gibt es sie auch nicht. Doch dann muss er sich doch eingestehen das, das da vor ihm ein Baum ist. Bewundernd schaut er den Stamm hinauf und versucht die Krone des Baumes zu erkennen, doch gelingt ihm das nicht. Dafür bräuchte er wohl die Augen eines Adlers.
"Puh, das ist wirklich ein großer, alter Baum!" Doch lange hält er sich mit dem Starren nicht auf, sondern sieht sich suchend um.
Der Baum ist ja schön und gut, doch wo soll nun Morgana sein. Denn wenn dies nicht der Platz des Diamantenstrauches ist, dann weiß ich ja auch nicht.
Seine Umgebung bewundert Jock nur kurz und konzentriert sich dann ganz auf sein derzeitiges Problem, die Heilerin zu finden. Langsam umrundet er den mächtigen Stamm des Baumes und trifft dann plötzlich auf Stufen, die den Baum hinauf zu einer Tür führen, die Jock ebenfalls erst auf dem Zweiten Blick als solche erkennt. Verwirrt kratz sich Jock am Kopf.
"Ich habe ja schon mal gehört, dass es Leute geben soll, die auf Baumhäusern leben sollen, aber ich weiß ja nicht, ob das hier so etwas darstellen soll. Verrückt!"
Skeptisch begutachtet er die breiten Stufen. Soll er nun da rauf gehen und sich zum Deppen machen, dass er einen Baum nach Morgana absucht und auf ihm herumklettert, oder soll er unverrichteter Dinge abziehen?
Er entschließt sich, sich zum Affen zu machen und  sich die Treppe hinauf zu wagen, denn der Gedanke ohne Morgana in die Schneiderei zurück zu kehren und Nibrir die Hilfe zu versagen, bringt er nicht über sich. Also steigt er vorsichtig die Stufen hinauf und klopft zaghaft an die Tür.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 09. Nov. 2003, 19:41 Uhr
Niniane ist ein wenig seltsam zumute, als sie Lyns Stimme in ihrem Kopf hört, seine fremdartige Sprache jedoch mit ihren Ohren, und ein wenig ist es, wie ein sehr merkwürdiges Senden - aber sie versteht ihn sehr gut. "Oh... nun, wenn ich Euch irgendetwas anderes anbieten kann, so sagt es nur."  Als er die Falken erwähnt, verhärtet sich ihre Miene. Gut verlaufen...? Arwen wurde vergiftet, Caewlin ist fast verblutet. Fünfzehn Elbenkrieger sind tot und ich habe einen Verräter verbrannt.... Doch sie kann Lyn seine Frage nicht zum Vorwurf machen, also nickt sie nur. "Wir haben Verletzte, ja, aber Falcon und Arwen sind gerettet. Ihre Peiniger sind tot. Morgana hat sich der Verwundeten bereits angenommen... sie brauchen einfach Ruhe und Zeit, um zu genesen." Von den magischen Heilkräften Lyns hat sie durch Cron erfahren - Morgana hatte es ihm gegenüber erwähnt - aber obwohl sie viel Magie in dem Gefährten der Heilerin spüren kann... sie kann nicht sagen, ob es Arwen oder Caewlin recht wäre, durch Zauberkraft berührt zu werden. Zumindest bei Caewlin ist sie sich sehr sicher, daß er Lyn eher den Kopf abreißen würde, als sich von einem Magier anfassen oder gar heilen zu lassen. "Vielen Dank, für das Angebot Eurer Hilfe, Imras, doch ich kann das nicht für die Verwundeten entscheiden."

Sie lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und nippt an ihrem Weinkelch. Der goldene Sommerwein funkelt im Schein der Kerzen und duftenden Öllampen und sie beobachtet die Windelbin, als diese sich an Morgana wendet und den Namen Galrin erwähnt.  Die Art, wie vorsichtig die Elbin von ihrem Wein trinkt, läßt sie lächeln - doch noch bevor Morgana etwas erwidern kann, klopft es erneut an der Tür. Ihr Baum zittert leise und sie wendet den Kopf. Noch mehr Besuch?
"Entschuldigt mich..." Diesmal steht sie auf, um die Tür zu öffnen, und als sie es tut, steht im Schein der silbernen Laternen ein Junge vor ihr. Nein, kein Junge mehr... Er mustert den Baum mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis, als könne er sich nicht entscheiden, ob er ihn wundervoll oder unheimlich finden soll. "Khel Dar, Menschenkind. Ich bin Niniane... was kann ich für dich tun?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Jock am 09. Nov. 2003, 20:27 Uhr
Während Jock wartet, das jemand die merkwürdige Tür öffnet, sieht er sich genau um und entdeckt schließlich seltsame Schriftzeichen auf dem Holz der Tür, die er aber nicht entziffern kann. Nicht das diesmal seine holprigen Lesekünste schuld sind, sondern das die Worte in einer für ihn fremden Sprache gefasst sind. Bevor er sich jedoch Kopfschmerzen einhandeln kann, in dem Bemühen die Worte zu verstehen, wird mit einem Male die Tür geöffnet und er fährt ein klein wenig erschrocken zurück. Denn wenn er ehrlich ist, hat er eigentlich nicht erwartet, dass der Baum bewohnt ist.
Ist er wohl doch, so wie es aussieht. Sachen gibt’s, denkt er als ihm eine Frau aufmacht, die noch seltsamer ist als der Baum. Und ihre Begrüßungsworte irritieren ihn nun vollkommen.
Kehle? Versteh ich nicht. Sie meint wohl Kellen? Oh….
"Ähm, entschuldigt bitte, aber ich glaub da liegt ein Missverständnis vor. Ich verkaufe keine Kellen, sondern bin auf der Suche nach Morgana der Heilerin. Ich habe einem Pergament an der Tür der Kräuterkate entnommen, das sie hier zu finden ist?!"
Falls ich hier überhaupt richtig bin…..Ohje ohje, da fällt mir ein, vielleicht waren die seltsamen Worte die die Dame gesprochen hat ja ein Begrüßungsritual, wie es bei einigen Völkern vorkommt, glaub ich. Muss ich jetzt dasselbe tun?
Jock macht Anstallten, die Worte nachzusprechen, die die seltsame Frau vor ihm gesagt hatte, doch bringt er nur "Kelle" zustande, und das kann wohl nicht richtig sein. Deswegen lässt er es vorsichtshalber ganz bleiben und rettet sich in einem unsicheren und verlegenen Räuspern.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 09. Nov. 2003, 20:51 Uhr
Niniane starrt den jungen Mann vor ihr einen Moment lang völlig verständnislos und nicht gelinde verwirrt von seinem plötzlichen Gerede über Kellen und deren Ankauf an, bis ihr dämmert, was wohl zu seiner Annahme geführt hat. Lachen steigt in ihrer Kehle auf und ihre Nase kräuselt sich belustigt. "Nein, keine Kellen," kichert sie. "Khel Dar ist elbisch und bedeutet soviel wie "Guten Tag". Wenn du Morgana, die Heilerin suchst, sie ist allerdings hier." Sie tritt einen Schritt beiseite und lächelt dem Fremden aufmunternd zu - und bemüht sich dabei sehr, es nicht wie ein raubtierhaftes Katzengrinsen wirken zu lassen. "Komm herein und rede selbst mit ihr, sie ist im Esszimmer."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 09. Nov. 2003, 21:11 Uhr
Morgana ist ein wenig überrascht, als sie Lyn und Schilama das Zimmer betreten sieht, doch die Überraschung in ihrem Gesicht wandelt sich schnell zu einem liebevollen Lächeln, das sie Lyn zuwirft und auch Schilama grüsst sie mit einem kurzen freundlichen Nicken. Als alle am Tisch sitzen und Niniane mit Lyn redet, was Morgana allerdings nicht versteht, wendet sich Schilama an sie und erzählt Morgana, das Galrin in der Kate war und nach dem Schwert gefragt hat. Morgana sieht wie Ninianes Blick zu ihnen schweift und einen interessierten Ausdruck annimmt. Morgana will Schilama gerade antworten, als es an der Tür klopft und Niniane aufsteht, um die Tür zu öffnen.

Als Niniane das Esszimmer verlassen hat, wendet sich Morgana wieder Schilama zu. " Ja, ich habe Niniane von dem Schwert erzählt, aber wir sind noch nicht dazu gekommen, weiter darüber zu sprechen, da ihr gerade in dem Moment angekommen seid. Ich hätte das Schwert mitnehmen sollen, als ich nach hierher aufbrach, aber daran habe ich in dem Moment nicht gedacht." Morgana lächelt Schilama noch einmal kurz zu und wendet sich dann an ihren Gefährten. Sie greift nach seiner Hand und blickt ihm in die grünen Augen."Und dir geht es wirklich besser? Ich habe gar nicht bemerkt, das ich schon zwei Tage hier bin, die Zeit hier ist wie im Fluge vergangen. Entschuldige, das ich Lupin nicht mit einer Nachricht zu euch geschickt habe, aber das habe ich ehrlich gesagt, bei dem ganzen, was hier zu tun war, vergessen." Ihr Blick ist ein wenig entschuldigend, als sie ihn von Lyn abwendet und die letzten Worte auch an Schilama richtet.

Das der neue Besuch hierher gekommen ist, um sie selber zu suchen, bekommt Morgana durch das Gespräch nicht mit und auch nicht, das es Jock ist, der an der Tür geklopft hat.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Jock am 09. Nov. 2003, 21:34 Uhr
Als die Frau ihm belustigt erklärt das "Kehl Dar" eine elbische Begrüßung ist, geht Jock ein Licht auf und seine Augen leuchten kurz auf. Ihm wird nun endlich klar, das die Frau vor ihm eine Elbin ist, was er eigentlich auch an ihren Ohren hätte erkennen  müssen. Und das der merkwürdige Baum  also die Behausung der Elbin ist.
Na dann geht ja hier alles mehr oder minder mit rechten Dingen zu. Diese Elben haben ja so einen ausgeprägten Naturfimmel. Schilama ist ja genau so, wenn ich mich richtig erinnere und sie wohnt ja ebenfalls auf einem Baum, wenn auch nicht in einen. Jock nickt der Elbin dankend zu, als sie ihn hinein bittet und den Weg in das Esszimmer des Baumes weißt. Er ist erleichtert, das Morgana hier ist und er sie endlich gefunden hat. Jedoch ist ihm nicht ganz wohl mitten in einem Baum herumzulaufen. Doch bemüht er sich, sich nichts anmerken zu lassen und betritt das Esszimmer. Dort sieht er zu seinem Erstaunen nur bekannte Gesichter, Schilama, die ihm gerade erst durch seine Gedanken gegangen ist. Der merkwürdige Lyn, aus dem Jock nie ganz schlau wird und schließlich Morgana. Er grüßt alle mit einem freundlichen Nicken und den Worten: "Hallo, es freut mich euch wieder zu sehen."
Doch ohne sich lange mit Begrüßungsfloskeln aufzuhalten kommt er sofort zu seinem Anliegen und wendet sich direkt an Morgana.
"Morgana, Meister Nibrir hatte in der Schneiderei einen Zusammenbruch und ist vor meinen Aufbruch hierher auch nicht wieder zur Besinnung gekommen. Eure Hilfe wird also gebraucht, falls es was Ernstes ist."  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Lyn am 09. Nov. 2003, 21:36 Uhr
Lyn bemerkt wie sich Ninanes Züge beim Erwähnen der Falken verhärten. Vielleicht hätte ich das besser nicht ansprechen sollen. Der Kampf war wohl doch verlsutreicher als geplant. Ihr anschließender Bericht läßt aber darauf schließen das der Kampf insgesamt abere wohl doch ein Sieg war und die Gefangenen befreit werden konnten. Ihr Schlußbemerkung, sie könne nicht für die Verwundeteten entscheiden ob seine Hilfe angenommen würde verwirrt ihn dann aber doch etwas. Warum sollte jemand eine schnelle Heilung ablehnen wollen? Aber vielleicht meint sie ja auch, dass sie ruhen und sie nicht entscheiden kann ob es gut ist sie zu wecken?

Doch noch bevor er das Thema vertiefen kann unterbricht ein Klopfen an der Tür die Unterhaltung. Die Hausherrin verläßt den Raum. Morgana wechselt noch ein paar Worte mit Schilama ehe sie seine Hand nimmt, was Lyn mit einem warmen Lächeln quittiert.
"Ja, ich fühle mich schon wieder richtig gesund" antwortet er seiner Gefährtin. "Ich habe in den beiden Tagen fast nur geschlafen, dass hat mir gut getan. Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, dich mit all der Arbeit alleine gelassen zu haben. Mit meiner Hilfe wäre sicher manches schneller gegangen. Aber jetzt bin ich ja da um dir, wenn auch erst nachträglich, zu helfen."

Kaum hat Lyn die Worte ausgesprochen, tritt auch schon ein junger Mann in den Raum, offensichtlich derjenige, der zulezt an die Tür geklopft hat. Er begrüßt alle Anwesenden mit einem Nicken und freundlichen Worten ehe er sich Morgana zuwendet. Ein Notfall, wie sich herausstellt, hat ihn zu ihr geführt. Na, da bin ich ja wohl gerade rechtzeigig gekommen. Eine Stunde später und ich hätte Morgana verpaßt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 09. Nov. 2003, 21:58 Uhr
"Ich habe es auch ganz gut alleine geschafft, das musste ich ja bevor ich dich getrofen hatte auch." Morgana zwinkert Lyn ein wenig belustigt zu , doch ehe sie noch etwas sagen kann, dass es eigentlich nichts mehr Wichtiges zu tun gibt, ausser der weiteren Pflege der Verletzten, erscheint Jock im Esszimmer und begrüsst sie. Morgana nickt ihm kurz zu und lächelt. Doch ihr Gesicht wird schnell wieder ernst, als Jock schnell zur Sache kommt und berichtet, das Nibrir in der Schneiderei zusammengebrochen ist.
Morgana wechslet einen schnellen Blick mit Niniane. "Ich denke ich sollte aufbrechen und zur Schneiderei gehen. Ich komme wieder zum Baum, wenn es Nibrir wieder gut geht. Arwen braucht jetzt nur noch viel Ruhe, ich lasse für sie und Caewlin noch Medizin hier." Morgana holt aus einem der Beutel an ihrem Gürtel, ein kleines Leinensäckchen und überreicht es Niniane. "Brüht ihnen davon Tee auf , den sie trinken sollen und morgen müssten Caewlins Verbände gewechselt werden und auch die von Arwen. Vieleicht bin ich ja bis dahin zurück, aber ihr wisst ja auch, wie  es gemacht wird." Ein warmes freundliches Lächeln liegt auf ihrem Gesicht. Morgana weiss das Niniane sicherlich schon mehr Verletzte verbunden hat, als Morgana in ihrem Leben und deshalb macht sie sich auch nicht wirklich Gedanken, den Baum verlassen zu müssen.

Ihr Blick wandet von der Protektorin weg, hin zu Lyn und Schilama. "Wollt ihr mich begleiten?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Schilama am 09. Nov. 2003, 22:58 Uhr
Schilama lauscht zwar den Worten von Morgana, ist mit ihrer Aufmerksamkeit aber nicht wirklich bei der Sache. Niniane.. Niniane vom Haus der Tanzenden Winde? Nein, wieso sollte sie denn hier sein? Anderseits, wieso nicht? Solche und ähnliche Gedanken schwirren ihr jetzt im Kopf herum, aber Morganas Worte hat sie trotzdem noch gut genug verstanden um antworten zu können. "Ich denke es ist auch nicht so schlimm wenn Galrin es nicht gleich wiederbekommt, er schien sich nur informieren zu wollen. Ich wusste leider nicht, dass du das Schwert zu... Niniane bringen wolltest, sonst hätte ich es mitgebracht." Als Morgana die Worte an Lyn richtet, doch am Ende auch mit an sie, sagt sie: "Das ist nicht so schlimm. Lyn hat das Ganze sowieso verschlafen", dabei lächelt sie Lyn kurz an, "und ich.. nunja, ich habe mir ein wenig Sorgen gemacht, ob mein Hengst Destrefin dich nicht doch noch abgeworfen hat."

Bevor Morgana auf ihre Worte hätte reagieren können, kommt Jock durch die Tür, der sich nicht lange mit Begrüßungsfloskeln aufhält. Ich hätte auf Lyn höhren sollen und in der Kräuterkate bleiben sollen! Schilama hat zwar die Nachricht geschrieben, damit jemand bei einem Notfall weiss, wo Hilfe zu finden ist, aber wenn sie da gewesen wäre, wäre es viel schneller gegangen. Sie hatte eben gehoft, dass sich die Kate wenigstens in diesem Punkt etwas geändert hätte, nein nein, ein Notfall nach dem anderen, denkt sie und muss trotz dem Ernst der Sache grinsen. Als Morgana fragt, ob sie sie begleiten will, gibt sie nur ein knappes, "ja", zur Antwort. Dann blickt sie zu Lyn, denn sie zwar für gesund genug gehalten hat, damit er hier herkommen kann, aber ein Dauerlauf zurück in die Stadt und bis zur Schneiderei? ..

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 09. Nov. 2003, 23:33 Uhr
Niniane führt den jungen Mann in ihr Esszimmer zu den anderen und bleibt hinter ihm im Durchgang zum Vorraum stehen. "Ich kenne den Schneidermeister..." meint Niniane leise und nachdenklich, als er schließlich sein Anliegen vorgebracht hat.
Zusammengebrochen...? War er etwa krank? Als sie Nibrir zuletzt gesehen hatte, hatte er einen sehr lebendigen Eindruck auf sie gemacht. Und sie weiß noch, wie angenehm sie es empfunden hatte, einem Schneidermeister zu begegnen, der ein ruhiger und freundlicher Mann war - und nichts von Meister Dornenbeutels aufreibender Art an sich gehabt hatte. Sie nickt Morgana zu und lauscht den Anweisungen der Heilerin. "Macht Euch keine Gedanken. Cron, Calyra und ich, wir kümmern uns um Eure Sorgenkinder." Einem Impuls folgend legt sie ihre Wange zum Abschied an die der Heilerin. "Kommt noch einmal her, sobald Ihr könnt. Nicht wegen den Verwundeten...sondern wegen mir. Ihr wißt warum. " Ihr Blick trifft den der Elbin, die sich sofort bereit erklärt, Morgana zu begleiten und über etwas lächelt, das Niniane nicht nachvollziehen, aber wohl erraten kann: den Umstand, daß Morgana als Heilerin oftmals wohl von einem Ende der Stadt zum anderen hetzte, um all ihren Schützlingen helfen zu können. Und als ihrer Gehilfin, geht es ihr wohl nicht anders...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Lyn am 09. Nov. 2003, 23:38 Uhr
Nibrir? Das ist doch der Schneider den wir auf den Inarifest kennengelernt und auf Sommerfest getroffen haben? überlegt Lyn.
Doch noch bevor er seine Gedankengänge vertiefen kann wird von ihm eine Entscheidung abverlangt. Soll er mitgehen oder bleiben?

Die Verwundeten sind gut versorgt und schlafen anscheinend auch alle. Sollte seine Hilfe erwünscht sein, so wird sie am nächsten Tag sicher auch noch genügen. So fällt ihm die Entscheidung leicht.
"Ja, ich komme auch mit" verkünndet er seiner Gefährtin.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 10. Nov. 2003, 00:10 Uhr
Diesmal ist Morgana nicht mehr so sehr überrascht als Niniane ihre Wange zum Abschied an ihre legt, leise, so dass es die anderen nicht verstehen, spricht Morgana."Ich werde auf jeden Fall noch einmal hierher kommen und nach euch sehen." Dann blickt sie Niniane in die goldenen Augen und ein verschwörerisches Lächeln liegt auf dem Gesicht der Heilerin.

Schilama und Lyn wollen Morgana begleiten und so richtet sich die Heilerin nun an die Beiden."Dann lasst uns keine Zeit verlieren." Sie wirft noch einen Blick auf Jock, der alles schweigend verfolgt hat, sie ist sich nicht sicher, ob er mit ihnen kommen will, aber daran kann sie sich jetzt nicht stören. Morgana hatte schon oft mit Nibrir gesprochen und er ist für sie einer der besten Schneidermeister, die sie kennengelernt hat, und so will sie so schnell wie möglich zu ihm. Rasch sieht sie noch nach, ob sie alles in ihren Beuteln hat, nickt Niniane noch einmal zum Abschied zu und geht dann in die runde Diele und zur Tür, die sich diesmal wieder wie von Geisterhand für sie öffnet.

Als sie draussen stehen, umfängt leichter Nebel sie, der vom Ildorel heraufweht und es ist kalt, der Mond steht fahl am Himmel und wird manchmal von eilig dahinziehenden Wolken verdeckt. Sie wendet sich in Richtung Stadt und geht mit eiligen Schritten den Starnd entlang, das Schilamas Hengst hier steht, daran denkt sie nicht mehr. Lupin kommt aus dem Unterholz zu ihnen. Er hatte sich die meiste Zeit in den Wald verdrückt, da Akira und er noch keine wirkliche Freundschaft geschlossen hatten, aber nun wo seine Herrin anscheinend den Baum verlässt, schliesst er sich ihnen an und trottet neben Morgana her.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Jock am 10. Nov. 2003, 00:47 Uhr
Als Morgana, Schilama und Lyn gemeinsam aus dem Esszimmer gehen und den Baum verlassen, bleibt Jock einige Herzschläge lang verwirrt zurück, beeilt sich aber dann den dreien zu folgen. Da niemand nach seiner Meinung und seinen Plänen gefragt hat, ob er sich ihnen anschließt, tut er dies eben ohne um Erlaubnis zu fragen. Schließlich ist er nicht den langen Weg hier her gekommen, um nun, nachdem er Morgana alarmiert hat, wieder seiner alleinigen Wege zu gehen. Schließlich interessiert es ihn ebenfalls was dem Schneidermeister genau fehlt und ob er wieder auf die Beine kommt. Und, was er nicht zu vergessen hat, seine neue Kleidung braucht er auch noch, ohne die er nicht bei seiner neuen Arbeit anfangen kann. Und diese wollte er ja eigentlich heute nur bei der Scheiderei abholen, um sich dann sofort bei der Bäckerei zur Arbeit zu melden.
Was ich heute eigentlich so alles wollte, und dann ist alles anders gekommen. Hätte ich das gewusst…
Also geht er den anderen rasch nach und verabschiedet sich höfflich bei der Elbin mit einem Lächeln und den Worten "Auf Wiedersehen", bevor auch er den Baum verlässt und Morgana, Schilama und Lyn hinterher eilt, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 10. Nov. 2003, 22:08 Uhr
Die Sonne sinkt bereits, als Calyra mit Brynden Caewlins Zimmer verläßt. Ihr Sohn ist unruhig und quengelig und so viel es auch in Ninianes Räumen zu entdecken geben mag - ihm fehlt seine gewohnte Umgebung und etwas zum Spielen. Am Mittag, als Caewlin versucht hatte, aufzustehen und sich am Bettrand aufgesetzt hatte, war er einfach wieder umgekippt und sie hatte bange Minuten gebraucht, um ihn wieder zur Besinnung zu bringen. Brynden war aufgewacht und hatte geweint und in ihrer Verzweiflung und mitten im Bemühen, ihr Kind zu beruhigen, hatte sie Caewlin schließlich schlicht verboten, noch einmal zu versuchen, das Lager zu verlassen - und zu ihrem Erstaunen hatte er auf sie gehört.

Sie ist bei ihm geblieben, auch als er wieder eingeschlafen war, und hatte den ganzen Nachmittag an seinem Bett verbracht, während Brynden durch Ninianes Gästegemach gekrabbelt war und überall versucht hatte, sich hochzuziehen. Sie hatte mit ihrem Sohn gespielt und festgestellt, daß sie unbedingt noch einige Dinge für ihn von Zuhause benötigt, wenn Caewlin noch länger in Ninianes Baum bleiben muß... und es sieht nicht danach aus, als könne er überhaupt aufstehen. Er hat zuviel Blut verloren, hat Niniane gesagt... Sie hat die Wunde noch nicht gesehen, aber auch wenn sie von Heilkunst nicht viel versteht, sie weiß, daß eine der Blutbahnen durch den Körper verletzt worden sein muß. Einige Male hatte sie an Caewlins Verband geschnuppert, so wie das Morgana manchmal bei Wunden tat, doch ihr war kein ungewöhnlicher oder übler Geruch aufgefallen. Als der Abend heraufgezogen war, hatte es mehrmals geklopft an Ninianes Baum, sie hatte fremde Stimmen gehört und offenbar hatte irgendjemand Morgana fortgerufen zu einem Notfall, doch dann war es still geworden und in dieser Stille geht sie nun mit Brynden aus dem Zimmer, durchquert den Vorraum und findet Arwen in tiefer Trance in einem der Sessel vor dem Kamin vor. Sie setzt Brynden auf den Boden, legt Holz nach und geht dann mit ihrem Sohn in Richtung Küche auf der Suche nach Niniane oder Cron. Wenn Caewlin aufwacht, wird er sich in den heißen Quellen waschen wollen und ohne Crons Hilfe bringe ich ihn nie dorthin... und vielleicht kann Niniane solange auf Brynden achten, bis ich einige Dinge von Zuhause geholt habe...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 10. Nov. 2003, 23:12 Uhr
Niniane hatte sie alle verabschiedet - Morgana, Lyn und die Windelbin, von der sie noch nicht einmal den Namen erfahren hatte - und einen Moment lang war sie allein in der Stille des dunklen, runden Vorraumes zurückgeblieben, als die Tür hinter ihnen ins Schloß gefallen war. Merkwürdig leer kommt ihr der Baum nun vor, obwohl sie Cron in der Küche hören kann, Calyras leise Stimme von den Gästezimmern her an ihr Ohr dringt und sie weiß, daß Arwen im Kaminzimmer ruht.

Langsam geht sie hinüber, sieht nach der Elbin und steckt vorsichtig die Decke um Arwens Schultern fest. Ganz sacht berühren ihre Finger Arwens Haut und sie spürt ein Prickeln in den Fingerspitzen, wie immer, wenn sie auf eine ähnlich magische Aura wie ihre eigene trifft. Sie ist Priesterin wie ich es war... vergiß das nicht...
Einen Moment betrachtet sie die Elbin in Trance, dann kehrt sie leise ins Esszimmer zurück. Nach einer Weile kommt auch Cron aus der Küche herüber und sie erzählt ihm von dem überraschenden Besuch für Morgana und daß die Heilerin zu einem Notfall gerufen worden war. "Du hättest den Jungen an der Tür sehen sollen - murmelte ganz verwirrt etwas von Kellen und sah aus, als wolle er jeden Moment vor mir davonlaufen..." diesmal ist ihr Grinsen sehr katzenhaft und in Crons Augen glitzert es belustigt.

Sie räumt die beinahe unberührten Kelche der anderen fort und teilt ihren eigenen mit Cron, der sich neben sie auf einen der hochlehnigen Stühle hat fallen lassen. "Arwen ruht, aber ich glaube, sie ist nun wirklich auf dem Weg der Besserung.... Morgana hat mir für sie und Caewlin Medizin hier gelassen, die ich ihnen aufbrühen muss und morgen müssen die Verbände gewechselt werden." Ihre Gedanken wandern zu Arwen und dem Medaillon... und dem Fluch, der noch immer auf ihr liegt und einen Moment ist sie versucht, Cron davon zu erzählen, aber dann läßt sie es sein. Das ist Arwens Sache... auch wenn ich weiß, daß er trotz Dämonen und Finsternis bereit wäre, zu helfen. Sie hört das Geräusch leiser Schritte, Bryndens mißmutiges Quengeln und wendet den Kopf, gerade als Calyra, ihren Sohn auf die Hüften gestützt im Arm, hereinkommt, und lächelt die Bardin an. "Khel Anar, Calyra. Schläft Caewlin wieder?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 12. Nov. 2003, 18:50 Uhr
Ohne nachzudenken streicht er ihr eine Strähne weinroten Haares aus der Stirn und seine Finger verfangen sich in weiteren, als er sie zur Seite schiebt. Ihre Haut ist weich wie Samt und doch glatt und kühl wie Seide. Er weiß, wie Ninianes Anblick auf ihn gewirkt hatte, als er die Halbelbin zum ersten Mal gesehen hatte...Ganz so vom Donner gerührt wie ich war der Junge wohl nicht... Der Gedanke läßt ihn grinsen. Er nimmt den Kelch, den sie ihm reicht und trinkt einen Schluck. Der Geschmack nach Sommer explodiert in seinem Mund, nach blühenden Wiesen, goldener Sonne, Wärme und Süße und fremdartigen, milden Gewürzen. Nach all der Anspannung der letzten Tage, der Sorge um die Verwundeten und dem Nachhall des Erlebten in Wegesend, stellt sich die Erleichterung, wieder zu Hause zu sein, nur langsam ein, aber er ist froh darum. "Hat uns der Alltag wieder..? Ich hoffe doch... wir brauchen Wintervorräte, Nan. Die Pferde brauchen einen Stall." Und du trägst mein Kind. Seine Hand liegt noch immer an ihrem Hals, als Calyra hereinkommt und Niniane den Kopf dreht, aber er nimmt sie nicht fort. Unter seinen Fingerspitzen kann er Ninianes Puls fühlen, ein gleichmässiges, sanftes Pochen. Er lächelt Calyra flüchtig zu, als die Bardin sich zu ihnen setzt und Niniane ihr ebenfalls einen Kelch Sommerwein einschenkt, dann mustert er Brynden. Caewlins Sohn... ich habe noch nie ein Kind gesehen, daß seinem Vater so verdammt ähnlich sah... Der Kleine fängt seinen Blick auf und sieht ihn aus großen Augen an. Cron lächelt ganz unbewußt und nach einer eingehenden, mißtrauischen Musterung lächelt Brynden zurück. Die winzige Nase kräuselt sich leicht, als er niesen muß, doch dann ist das glatte, warme und glänzende Holz der Tischplatte mit seiner verschlungenen Maserung interessanter als alles andere.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Phelan am 12. Nov. 2003, 20:43 Uhr
Es ist bereits später Abend, als Phelan zwischen den Bäumen die sanften Lichter des Baumes erkennt. Die Stute schnaubt erschlöpft, immerhin waren sie den ganzen Tag draussen gewesen und nicht einmal Phelan selbst ahnt, wie weit er sich von Talyra entfernt hat. Schlechtes Gewissen plagt ihn, während er vom Pferd steigt, Sattel und Zaum abnimmt und das Pferd mit Stroh trockenreibt. Doch immerhin kommt er nicht mit leeren Händen zurück: Drei Kaninchen baumeln am Genick zusammengebunden an einem dünnen Seil. Eine klägliche Ausbeute für einen Tag Abwesenheit. Und eine noch kläglichere Entschuldigung. denkt er, während der Baum sich vor ihm von selbst öffnet.

Er findet Niniane, Calyra und Cron in der Küche vor und grinst verlegen. "Es sieht so aus, als hätte ich den Weg zurück gefunden." Entschuldigend hält er die drei Karnickel hoch, während Brynden, der kleine Sohn Calyras und Caewlins neugierig danach greift, obwohl er viel zu weit entfernt ist um sie zu erreichen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 12. Nov. 2003, 22:47 Uhr
Calyra hatte sich zu den beiden gesellt, dankbar einen Kelch mit Sommerwein angenommen und Niniane dann gebeten, auf Brynden zu achten, solange sie fort wäre, um einige Dinge von Zuhause zu holen. Caewlin konnte unmöglich aufstehen - er würde einfach noch einige Tage hier bleiben müssen, bis er wieder kräftig genug war. Sie hatte erzählt, was geschehen war, als er versucht hatte, aufzustehen und Ninianes heiße Quellen aufzusuchen und Cron hatte ihr spontan seine Hilfe angeboten, sie hatte gar nicht fragen müssen. Sie hatte ihren Wein geleert und Brynden dann Ninianes Obhut überlassen, erleichtert, daß die Waldläuferin ihn nehmen würde. Gerade, als sie sich zum Aufbruch fertig gemacht hatte, war Phelan mit drei fetten Kaninchen von der Jagd zurückgekehrt und sie war lächelnd an dem Waldläufer vorbeigeschlüpft.

Es hatte nicht lange gedauert, am Strand entlang nach Hause zu reiten, dort das Gesinde zu unterrichten, was eigentlich geschehen war und einige Sachen zusammenzupacken. Sie hatte Dalla geheißen, einen der üblichen Vorratskörbe zu packen, während sie selbst frische Kleidung für Caewlin und sich selbst, sowie Windeln und Spielsachen für Brynden zusammengesucht hatte. Während sie in ihrem Schlafgemach, Bryndens Zimmer und den Wäschekammern hin und hergeeilt war, hatte sie den Mägden Anweisungen für die nächsten Tage gegeben und nach kaum einer halben Stunde, war sie bereit, wieder zu Ninianes Baum zurückzukehren.

Die Nacht ist kalt und sternenklar, als sie zurückreitet und ihr Atem dampft als weiße Wölkchen in die Luft. Halbmond ist schwer beladen mit zwei ledernen Wäschesäcken, einem Weidenschließkorb und Caewlins schwerem, mit Zobelpelzen gefütterten Winterumhang, doch der Weg ist nicht weit und so ist der Ritt nur kurz. Als sie am Baum ankommt, bringt sie ihr Gepäck ins Innere, versorgt rasch ihr Pferd und eilt dann in die Wärme des Bauminneren. Brynden schläft bereits - Niniane hatte ihn an Caewlins Seite gebettet und auch Caewlin ist noch nicht wieder aufgewacht. Sie verstaut die mitgebrachten Kleider, überreicht der Waldläuferin den Schließkorb, der Gläser mit Eingemachtem und Marmeladen, mit Dörrobst, geräuchertem Schinken und Würsten und zwei Laibe frischen Brotes enthält und sieht nach ihrem Sohn. Er schläft tief und fest, dicht an seinen Vater gekuschelt.
Sie hilft Niniane noch, die Kaninchen, die Phelan geschossen hatte, abzubalgen, auszunehmen und für eine Mahlzeit vorzubereiten und geht der Waldläuferin zur Hand mit dem Aufwasch, doch dann zieht auch sie sich zurück. Sie hatte in der letzten Nacht kaum Schlaf bekommen und ist müde. Cron sieht noch nach den Pferden, Phelan und Niniane bringen die ruhende Arwen nach oben und langsam verlöschen die Laternen in der Krone des Baumes. Ruhe kehrt ein und nur der Nachtwind raschelt noch in den immergrünen Blättern und knarrt leise im Geäst.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 15. Nov. 2003, 23:22 Uhr
Die nächsten Tage vergehen fahl und nebelkalt. Caewlin schläft viel und kann seinen Arm nicht recht gebrauchen, aber langsam kommt er wieder zu Kräften. Cron und Phelan besorgen das Jagen und bringen fast täglich Beute in den Baum: fette Moorhühner, Forellen aus dem nahen Bach, Kaninchen, einmal einen jungen Rehbock. Calyra und Niniane hatten ihm und wohl auch Arwen Morganas Tränke zubereitet, und dafür gesorgt, daß sie das bittere Gebräu auch tranken,  und die Waldläuferin hatte täglich seine Verbände gewechselt.

Caewlin sieht Arwen kein einziges Mal, aber er weiß, daß sie irgendwo oben in Ninianes Schlafgemach liegt und wohl die meiste Zeit schläft, so wie er selbst. Calyra, die mit Brynden öfters nach ihr sieht, erzählt ihm, daß es auch ihr langsam besser gehe. Irgendwann im Laufe des dritten Tages nach ihrer Rückkehr war Caewlin zum ersten Mal wieder aufgestanden, ohne daß ihm sofort schwarz vor Augen geworden war, und Cron hatte ihm zu Ninianes heißen Quellen geholfen. Er hatte ein langes Bad genommen und endlich all den Schmutz und Dreck, das alte Blut und den Schweiß von Wegesend abgewaschen, und obwohl er liebend gern völlig im dampfenden Wasser untergetaucht wäre, Calyra hatte ihm eingeschärft, daß seine Wunde nicht nass werden dürfe und streng darauf geachtet. Er war fast den ganzen Tag aufgewesen, hatte mit den anderen am Tisch gegessen und nicht den ganzen Tag verschlafen - und als die Sonne gesunken war, hatte sich zum ersten Mal in Ruhe seine Beute angesehen und Calyra gezeigt, wofür er den eisernen Preis bezahlt hatte.
Sie hatte die glänzenden Kettenhemden aus Wahrsilber angesehen und mit den Fingern über das schimmernde Metall gestrichen - und er hatte an ihren großen Augen gesehen, daß sie eine sehr gute Vorstellung davon hatte, welchen Wert allein eines solcher Kettenhemden besitzen mußte.

Als die Sonne jetzt sinkt, sitzt er mit dem Rücken an das warme Innere des Baumstammes gelehnt auf dem runden Lager und hält Brynden mit dem unverletzten linken Arm. Sein Sohn hat den Kopf auf seine Schulter gelegt und schläft schon fast. Calyra sitzt im Schneidersitz neben ihm und näht eine Naht in einem von Bryndens Leibchen. "Ich will, daß mir Sol aus zweien dieser Kettenhemden eines macht... wenn das möglich ist."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 15. Nov. 2003, 23:30 Uhr
Sie blickt von ihrer Näharbeit auf. Draußen geht die Sonne unter und schickt ihre letzten, rotgoldenen Strahlen wie lange, schimmernde Finger durch die Fenster herein. In den Kohlebecken glost es rot und neben dem Bett spenden zwei Bienenwachskerzen Licht. Das Holz bekommt einen rötlichen Glanz und die weißen Pelze funkelnd weißgoldene Säume. "Ein neuer Schmied hat sich in Talyra niedergelassen, am Marktplatz, " erwidert sie. "Meister Taran. Nachdem was man auf dem Markt so über ihn hört, soll er bereits einen guten Ruf haben." Sie macht ein paar weitere Stiche und vernäht dann den Faden. "So... es ist wieder heil. Niniane hat eine magische Nadel... sie hat sie mir gezeigt," erzählt sie lächelnd und kann die Verwunderung in ihrer Stimme immer noch nicht ganz verbergen. "Aber ich habe mir doch lieber eine ganz gewöhnliche ausgeborgt. Niniane sagt, sie sei eine ganz fürchterliche Näherin, und Cron habe ihr die Nadel geschenkt, damit sie Fal..." sie bricht ab und ihr Blick trifft den Caewlins. "Warum ist er nur einfach fortgegangen, Caewlin?  Ich verstehe das nicht. Er kann doch Arwen nicht... einfach allein lassen. Nicht nach all dem."
Caewlin bewegt sich vorsichtig - seine rechte Schulter ist immer noch dick und straff eingebunden - und legt Brynden neben sich. Er ist an der Schulter seines Vaters eingeschlafen. Sie tauscht ein Lächeln mit Caelwin und steht dann auf, um Wäschestücke und Nähzeug fortzuräumen. Als sie zum Bett zurückkehrt, deckt sie Brynden mit den weichen Pelzdecken zu und reicht Caewlin dann  Morganas Medizin. Der Trank ist dunkel wie Mooreiche, zähflüssig wie Sirup und hat einen eigentümlichen Geruch nach fremden Kräutern - aber er hilft ausgezeichnet und so verzieht Caewlin sein Gesicht zwar zu einem mißmutigen Grinsen, aber er leert den Becher ohne zu Murren. Sie klettert neben ihm auf das Lager, kuschelt sich dicht an ihn und bettet vorsichtig ihren Kopf an seine linke, unverletzte Schulter. Ihre Gedanken sind bei Arwen und sie fragt sich mit Entsetzen, wie sie sich fühlen würde, wenn Caewlin sie so verlassen hätte. Ich würde sterben vor Schmerz... "Ich glaube, nichts, was sie in diesem Keller erlebt hat, war so verletztend wie das..." murmelt sie leise.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 17. Nov. 2003, 13:55 Uhr
Die Sonne steht knapp über dem Horizont, auch wenn sich das unter den herbstlichen Morgennebeln nur als eine sanfte flieder-goldenen Färbung der Wolken erkennen lässt. Ein kalter, nasser Wind kommt über den See und begleitet Gildin, einen deiner Begleiter und den Knecht Gerion nun schon, seit sie das Ulmenanwesen durch eine Pforte hinunter zum Strand verlassen haben. Und verfolgt sie auch noch als sie den Waldsaum erreichen und der Knecht sie auf seiner kleinen braunen Stute auf einem schmalen Saumpfad zwischen die Baume des Larisgrüns führt. Es herrscht Stille im Wald, nur wenige Vögel sind schon mit ihrem Morgenlied zu hören, und auch nur wenige andere Tiere huschen durch das Unterholz oder sind raschelnd im goldenen Laub zu hören, das sich am Fuss der Bäume sammelt. Aber Gildin hat an diesem Morgen keinen Blick für die Schönheit und das Farbenspiel der Natur, mit dem sie sich inden Winter verabschiedet. Zu sehr sind seine Gedanken in der Sorge um seine Schwester verfangen und in der bangen Hoffnung, seine Nachrichten würde sie noch rechtzeitig erreichen, ehe die schlimmsten Befürchtungen seines Vaters sich bewahrheiten würden.

Nach einer Weile erreichen sie eine Lichtung, die dicht mit Smaragdgras und Farnen bestanden ist, und aus deren Boden sich ein Baum von beeindruckenden Ausmaßen erhebt. Sein Pferd scheint sein bewunderndes Erstaunen zu spüren, denn es verlangsamt seinen Schritt, kommt fast zum Stehen, ehe es der braunen Stute wieder folgt, die sich unbeirrt dem Baum nähert.

Allerdings steigt der Knecht Gerion nicht vom Pferd, sondern deutet nur aus respektvollem Abstand auf den Baum. "Das ist der Baum von Shura Niniane." Dann wendet er das Pferd und macht sich wortlos auf den Rückweg zum Anwesen und lässt die beiden Elben zurück. Ob der frühen Stunde zögert Gildin für einen kurzen Moment, ehe er vom Pferd steigt und es bei seinem Begleiter lässt. Alleine nähert er sich dem ungewöhnlichen Baum , steigt über die Stufen, die aus dem Baum herausgewachsenen zu sein scheinen bis hoch zur Tür und klopft.

Reglos und äußerlich ruhig steht er dort. Ein Elb, dem nur wenige die Anspannung und Sorge ansehen würde, die ihn umklammert hält, und die ihn seine Hand so fest um das Heft seines Schwertes schließen lässt, dass die Knöchel weiß hervor treten..
Der Wind frischt auf, und auch wenn er hier im Schutz des großen Baumes nicht so kalt und feucht zu sein scheitn wie auf seinem Weg hierher, so spürt Gildin ihn doch auf seiner Haut, spürt ihn, wie er an seinem Mantel zu zerren scheint, an seinem Waffenrock. Und Sorge und Unruhe scheinen den Elben zu umgeben wie der Herbstnebel den Wald an diesem Morgen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 17. Nov. 2003, 20:55 Uhr
Der nächste Morgen ist kalt, feucht und weiß. Nebel liegt wie ein dickes Tuch über der Lichtung und dem See und hält sich hartnäckig zwischen den Bäumen, selbst als die Sonne höher steigt. Niniane war, nachdem ihre nun schon übliche Morgenübelkeit verklungen war, im Wald gewesen, hatte verschiedene Wildwechsel kontrolliert, den Liedern der Vögel und geduldig dem unruhigen, langsamen Flüstern der Bäume gelauscht... kaum etwas, was in ihrem Wald vor sich geht, bleibt ihr auf Dauer verborgen.
Als sie in den Baum zurückgekehrt war, hatten alle bereits gefrühstückt, doch für sie steht Rosinenbrot und heißer Tee bereit. Calyra bereitet bereits ein Mittagsmahl vor und rumort in der Küche, Phelan ist  mit dem Balg des Rehbocks beschäftigt, den er vor zwei Tagen geschossen hatte, und bearbeitet die Lederseite nun geduldig mit dem Schaber, um alle Haut und Blutgefäße zu entfernen und Cron ist bei Caewlin. Sie frühstückt und geht dann zu ihnen hinüber, um Caewlin seine Medizin zu bringen und die Verbände zu wechseln. Brynden krabbelt über den Boden und verfolgt begeistert quietschend Shugorn, der flatternd vor ihm hertrippelt, immer gerade soweit entfernt, um vor den kleinen, neugierigen Fingern sicher zu sein. Akira liegt vor dem Bett, starr wie eine Sphinx, und beobachtet das Spiel mit wachsamen Augen. Sie reicht Caewlin den Becher mit dem bitteren Trank und anschließend einen Schluch Wasser, damit der Sturmender den üblen Geschmack loswerden kann. Dann löst sie vorsichtig seinen Verband und besieht sich die Wunde. Cron späht über ihre Schulter, um ebenfalls einen Blick darauf zu werfen und Caewlin schnaubt ungehalten, als er seine Schulter betrachtet. Vom Schlüsselbein bis zur Achsel ist ein langer, roter Riss, zusammengehalten von Morganas feinen Stichen. Sie betastet vorsichtig das noch wunde, rote Fleisch, aber die Haut fühlt sich nicht mehr heiß an. Die Verletzung ist sauber und scheint auch gut zu heilen. Schon am Morgen, bevor sie in den Wald gegangen war, hatte sie Calyra gebeten, einen Aufguß aus Ringelblumen zu bereiten und Beinwurz zu einem sämigen Brei zu zerstampfen. Das vermischt hat einen zähflüssige, grüngelbliche Paste ergeben, die sie nun auf  die Wunde streicht. Darüber kommt eine Kompresse aus weichem, saugfähigem Leder und schließlich wieder ein dicker Verband. Als sie Caewlins Blick bemerkt, lächelt sie. "Ich bin nicht Morgana... du wirst mit einer zweitklassigen Kräuterhexe als Heilfrowe vorlieb nehmen müssen, Caewlin."  Sie bindet die Enden des Verbandslinnens fest und macht einen glatten Knoten, der Caewlin nicht allzusehr stören dürfte. Cron, der ein Stück zur Seite gerückt war, um ihr Platz zu machen, schenkt ihr ein schiefes, aber liebevolles Grinsen und gerade, als sie aufsteht, um nach oben zu Arwen zu gehen, und sich auch um deren Verletzungen zu kümmern, klopft es an der Tür und sie wendet den Kopf als lausche sie. "Das ist nicht Morgana..."  
Sie achtet nicht auf Crons und Caewlins fragende Mienen, sondern geht zur Tür und öffnet selbst.
"Gildin!"
Durch ihre Augen geht ein metallisches Glitzern, als sie Arwens Bruder auf ihrer Türschwelle vorfindet, das hochelbisch schmale Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den schrägen Topasaugen einer Katze voller Sorge. Einen Moment malt sich Überraschung auf ihren Zügen, doch dann dämmern ihr die Zusammenhänge, die Gildin Lyrisdor, Tianrivo Morgensterns Sohn und Arwens Bruder aus Lomirion fort nach Talyra und zu ihrem Baum getrieben haben mögen. Und die kaum beherrschten Gefühle von Verwirrung, Sorge, Angst und drängender Warnung des Elben vor ihr, tun ihr übriges, um sie klar sehen zu lassen. "Eure Warnung kommt zu spät, Sternenwächter." Sie tritt einen halben Schritt beiseite und eine tanzende Fingerbewegung bittet den Elben wortlos herein. "Nein, Arwen ist am Leben und es geht ihr den Umständen entsprechend gut." Beantwortet sie das stumme Flehen in Gildins Augen, als dieser ihren Baum betritt. "Die Verräter sind tot... aber kommt herein und wir sehen gemeinsam nach Arwen. Und dann werde ich Euch alles erzählen..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 17. Nov. 2003, 21:11 Uhr
Morganas Zeitgefühl ist ziemlich durcheinander und es kommt ihr vor, das sie länger weg war, als sie animmt, sie führt es auf die weniger geruhsamen Nächte der letzten Zeit zurück, wo oft die Nacht zum Tag und der Tag zur Nacht wurde.

Nachdem die Sonne höher gestiegen ist, hat sich leichter Nebel auf dem Ildorel gebildet, der nun wie Rauchfahnen über den Strand treibt und die Luft feucht macht. Ninianes Baum ist schon in Sichtweite und Morgana beschleunigt ihre Schritte ein wenig. Tropfen, die sich von Nebel an den grösseren Steine am Strand gebildet haben, funkeln in den Sonnenstrahlen, die durch den Nebel ihren Weg finden. Lupin läuft vorraus und bleibt hechelnd an der mossbewachsenen Treppe stehen und wartet das seine Herrin ankommt.

Morgana streicht ihm kurz durchs Fell, ehe sie die Treppen hinauf zur Tür steigt. Wieder einmal ist sie nicht sicher, ob der Baum ihr Eintritt gewährt oder sie klopfen soll. Unschlüssig bleibt sie einen Moment stehen, eingefangen von der seltsamen Aura, die diesen alten Baumriesen umgibt, und in der sie sich jedesmal sicher und geborgen fühlt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 17. Nov. 2003, 21:56 Uhr
Es dauert nicht lange, bis sich die Tür vor ihm öffnet, und Gildin der Protektorin gegenüber steht. Und die Überraschung im Gesicht der Halbelbin, die sich ganzkurz zeigt, spiegelt sich auch in seinen Augen wieder.Doch fast sofort hat seine immer drängender werdende Sorge sie wieder verdrängt. Voller Respekt neigt er den Kopf vor Niniane, ehe er ihrer Einladung den Baum zu betreten folgt. Ihre Worte, dass seine Warnung zu spät komme, lassen sein Herz für einige Schläge aussetzen. Nein, Götter lasst das nicht geschehen sein, das nicht...

Er braucht einen Moment, bis der Sinn der weiteren Worte von Niniane zu ihm durchdringt, dass seine Schwester am Leben ist. Unverhohlene Erleichterung steht ihm ins Gesicht geschrieben, als sich die Tür hinter ihm schließt und er der Waldläuferin über die Stufen im Inneren des Baumes nach oben folgt. Für einen Moment scheint es ihm, als würde der Baum ihm beruhigend auf die Schulter klopfen, so wie sein Vater es manchmal tut, doch dann ist der Augenblick vorbei, und Gildin ist sich nicht sicher, ob das nun Einbildung war oder nicht.

Oben angelangt, öffnet sie nur die Tür und lässt ihn an sich vorbei in den Raum treten. Doch das was er sieht, ist alles andere als dazu geeignet, dass sich seine Sorge legt. Seine Schwester liegt in einem runden Bett, das aus dem Baum selbst herausgewachsen zu sein scheint, auf weißen Kissen und eingehüllt in Decken aus Spinnenseide und weiße Felle, die sie warm halten. Ihr Gesicht ist blass, fast durchscheinend, und ihre schwarzen Haare, die sich auf Decken und Kissen ausgebreitet haben, lassen ihre Haut und sie selber so zerbrechlich wirken wie Porzellan.
Leise tritt er einige Schritte näher heran, sie hat die Augen geschlossen, und er kann spüren, dass sie in tiefer Trance ruht. Aber er sieht auch die Verletzungen in ihrem Gesicht, die verschorfte Lippe, die schon langsam zu heilen beginnt. Ihr Auge, das zwar nicht mehr geschwollen ist, aber dessen blaue-violette Verfärbung sich erst ganz am Rand langsam grün und gelb zu färben beginnt. Und die Spuren, die eine Männerfaust auf ihrem Unterkiefer hinterließ. Und ihm kommt die Ahnung, dass die Worte >.. und es geht ihr den Umständen entsprechend gut ..<  bedeuten, dass das was er sieht noch nicht die ganze Wahrheit ist.

Es fällt ihm schwer, aber er wendet sich wieder ab, tritt zurück auf die Treppe und sieht Niniane an. "Ein Botenrabe wurde mir vorausgeschickt, doch er kam nie hier in Talyra an... " Er fährt sich mit der Hand über das Gesicht, und für einen Moment meint er die Müdigkeit der letzten Tage im Sattel zu spüren. "Was ist passiert, Lady Niniane? Und wo ist Falcon?"

Schweigend bedeutet sie ihm, ihr nach unten zu folgen und schließt die Tür zu Arwens Zimmer hinter ihm. Sie führt ihn zurück nach unten, wo er sich erstmal seines Mantels, der Handschuhe und seines Schwertes entledigt, die er kurzerhand an einem der sich dort befindenden Efeublätterhaken hängt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 17. Nov. 2003, 22:08 Uhr
Calyra hat die beiden Elben und Arwens Knecht Gerion schon von den Küchenfenstern aus durch den Nebel auf die Lichtung reiten sehen, und auf das Klopfen nur gewartet. Der Knecht war beinahe sofort wieder zurückgeritten, doch einer der Elben ist bei den Pferden geblieben, und hat sie ein wenig fort von den anderen in die Nähe der Feuerstelle und aus Calyras Blickfeld geführt. Doch der Elb ist kaum zur Tür herein und hat ein paar leise Worte mit der Waldläuferin gewechselt, als es erneut klopft. Die beiden Hände tief in einer Schüssel mit weichem, kühlem Fleischteig vergraben, hebt sie den Kopf und lauscht. Vielleicht der andere Elb...
Da Niniane eben mit dem hochgewachsenen Elben - Calyra ist sich nicht sicher, ihn auf Arwens Hochzeit gesehen zu haben - die Treppen in die oberen Räume hinaufgestiegen ist, und niemand anderes Anstalten macht, zu öffnen, geht sie zur Tür. Phelan spannt gerade sein Fell in den Gerbrahmen und kann nicht loslassen, und zum Gästezimmer ist die Tür geschlossen, weswegen Cron wohl das Klopfen nicht gehört hatte. Sie selbst hat die Hände voller Fleischpastetenteig und öffnet deshalb mit dem Ellenbogen. "Oh... Morgana, kommt doch herein. Niniane und ein fremder Elb sind gerade oben bei Arwen und Cron ist bei Caewlin...." Lupin drängelt sich mit freundlichem Schwanzwedeln an ihr vorbei in die Wärme des Baumes und inspiziert schnüffelnd die Räume - und sie hält entschuldigend die fleischteigbeschmierten Finger in die Höhe. "Ich bin eben in der Küche beschäftigt, wie Ihr seht. Kommt, rasch, es ist eiskalt." Sie läßt die Heilerin eintreten und schiebt die Tür wieder zu, sperrt Kälte und Nebeldunst aus. "Wollt Ihr Tee? Ein wenig ist noch da... oder ich setze einfach neuen auf."
Wie die letzten Tage im Baum vergangen sind, ist rasch erzählt, während Morgana ihren Umhang ablegt und Lupin wieder zu sich ruft, und gerade als sie endet, kommt Niniane in Begleitung des Elben die Treppe herab.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 18. Nov. 2003, 21:14 Uhr
Niniane begrüßt Morgana mit einem kurzen Lächeln, das die mitfühlende Sorge für ihren elbischen Gast nicht wirklich aus ihren Augen vertreibt und führt Gildin dann ins Kaminzimmer, wo sie ungestört mit ihm sprechen kann. Über dem Feuer hängt ein gußeiserner Wasserkessel und zunächst bereitet sie nach elbischem Zeremoniell mit ruhigen, anmutigen Handbewegungen Tee und reicht ihm eine dampfende Schale aus milchiger Jade, geformt wie ein gewölbtes Blatt. Sie lauscht schweigend dem, was er aus den fernen Elbenlanden, vom Hof in Lomirion und über die Flucht der Falken zu berichten hat, und erzählt ihm dann ihrerseits, was sich im Larisgrün und in Wegesend zugetragen hatte. Ihre Unterhaltung ist leise und ernst, und noch mehr als ihre gesprochenen Worte, wirken ihre Gedanken - zeigen Gildin das ganze Ausmaß des Geschehens in den Bildern der noch so frischen Erinnerung.  Niniane hält kaum etwas zurück und so erfährt Arwens Bruder von fast allem, was in jenem Gasthaus geschehen war, sieht, hört, riecht und fühlt fast alles, was auch Niniane dort erlebt hatte.
Als sie schließlich endet und der Strom ihrer Gedanken mit ihren Worten verstummt, leert sie  ihre Teeschale und sieht Gildin schweigend in die Augen. "Ja, ich habe ihn verbrannt. Seine Asche und die all jener, die ihm in Untergang und Verderben gefolgt sind,  hat der Wind verstreut."  Sie sieht auf ihre Hände, als stünden sie immer noch in Flammen. Ich habe ihn verbrannt und ein Teil von mir hat es genossen...
Dann hebt sie den Blick und antwortet auf eine weitere, unausgesprochenen Gedanken Gildins: "Nein, Lyrisdor , Ihr schuldet uns nichts, weder mir, noch einem meiner Gefährten. Arwen und auch Falcon, so geistesverwirrt er sein mag, sie sind unsere Freunde. Sie hätten für einen von uns, ganz gleich wen, genau dasselbe getan. "

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 19. Nov. 2003, 12:56 Uhr
Schweigend folgt er Niniane die Treppe hinunter, die zwei Menschenfrauen, die dort ste-hen, grüsst er nur geistesabwesend mit einem Neigen des Kopfes, und findet sich nur wenige Augenblicke später in einem Kaminzimmer wieder. Das Knacken des Holzes in den Flammen und das leise Simmern von Wassers in einem Kessel, so beruhigend diese Geräusche sonst auch sein mögen, sie schaffen es nicht, die Unruhe zu besänftigen, die noch immer in Gildin herrscht. Erst als Niniane beginnt Tee zu bereiten, als ihre Hände sich in den alten, zeremoniellen Gesten bewegen, findet er langsam den Gleichmut wieder und kann seine Sorge zumindest zügeln. Arwen lebt... alles andere ist in diesem Moment nur von nachrangiger Bedeutung für ihn. Er würde seinem Vater nicht berichten müssen, dass er seine Schwester nur noch tot vorgefunden hatte.

Er nimmt die blattförmige Schale die Niniane ihm reicht mit beiden Händen entgegen und hebt sie bis auf Augenhöhe, ehe er ihr nach alter Sitte mit dem Neigen des Kopfes für den Tee und das Zeremoniell dankt, und den ersten Schluck von dem Tee nimmt. Für einen Moment liegt Schweigen über dem Raum, lässt das Knacken des Holzes im Feuer fast überlaut wirken, während sie beide ihre Aufmerksamkeit dem Tee widmen, der Wärme, dem Duft und dem Aroma hinterher spüren.

Er bricht das Schweigen nach einiger Zeit und berichtet, das was sich in den Elbenlanden und in Lomirion ereignet hat. Und wie die Verräter entkommen konnten, wenn auch nicht, ohne Spuren zu hinterlassen, Spuren, die Tianrivo das Schlimmste fürchten ließen. Ein Rabe war mit Botschaft und Warnung nach Talyra geschickt worden. Zur gleichen Zeit hatte Gildin sich mit einigen seiner Männer auf den Weg zu seiner Schwester gemacht. Nur um dann zu erfahren, dass der Rabe nie die Stadt erreicht hatte und seine Schwester seit Tagen im Wald verschwunden war.
Nur leise sind die Worte, die die Halbelbe dann spricht, und ernst ist ihre Stimme. Aber noch eindringlicher als alle ihre Worte sind die Bilder und Empfindungen der Erinnerung, die sie mit ihm teilt. Erinnerungen, die ihn an dem teilhaben lassen, was sich in diesem Gasthaus ereignet hat. Als sie ihm berichtet, wie sehr Arwen und auch Falcon verletzt waren, als sie sie fanden, kommt ein fauchender Laut über seine Lippen.

"Sechmeths Tränen... Gift... Diese ehrlosen Verräter sollen froh sein, dass sie in eurem Feuer starb-" Er bricht ab, als er den seltsamen Gesichtsaudruck der Waldläuferin be-merkt. "Verzeiht, Mylady... Aber wenn ich ihrer habhaft geworden wäre... Ich hätte ihnen bei lebendigem Leib die Haut in Streifen abgezogen." Ein kalter Glanz liegt in seinen Augen und seine Züge verhärten sich für einen Moment, als er das sagt, und für eine Weile legt sich wieder Schweigen über das Zimmer.

Gildin leert die Teeschale und sieht Niniane schweigend an, ein müdes Lächeln zeigt sich kurz, als sie meint, er schulde weder ihr noch den anderen Gefährten etwas. Aber auch wenn er das anders sieht, er sagt nichts dazu, wie könnte er ihr auch widersprechen, sie ist vom Hause Relavendis, vom Blute Goldauge Thaylons. Er deutet nur auf die Schale mit einem gelblich grünen Brei, die einen angenehmen Duft nach Kräutern verströmt und die Leinenbinden daneben.

"Ihr wolltet zu Arwen um ihren Verband zu erneuern. Ich möchte zu ihr, lasst mich das bitte tun, Mylady."

Mit einem knappen Nicken, das von einem fast katzenhaften Lächeln begleitet wird, gibt sie ihm das Einverständnis, und so erhebt er sich und verlässt den Raum dann mit der Schüssel und den Leinenbinden. Während er die Treppe wieder nach oben steigt, hört er gedämpfte Stimmen: die beiden Frauen, die vorhin in der Diele standen, und auch zwei Männerstimmen, die sich in der rauhen Sprache Normands unterhalten.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 19. Nov. 2003, 21:00 Uhr
Morgana folgt Calyra in die Küche und hört ihr aufmerksam zu, was während ihrer Abwesenheit alles passiert ist. Dankbar nimmt sie die Schale Tee entgegen, die Calyra ihr reicht und trinkt einen grossen Schluck des warmen Tees.

"Ich bin eigentlich nur zurück gekommen, um mir Arwen und Caewlin noch einmal anzusehen. Ich war seit Tagen nicht mehr zu Hause und dort liegt sicherlich schon eine dicke Schicht Staub auf allen Möbeln." Ein leichtes Grinsen zieht über Morganas Gesicht. Niniane betritt kurz die Küche, begrüsst sie, und geht dann mit einem fremden Elben ins Kaminzimmer. Morgana wirft Calyra einen fragenden Blick zu, Niniane wirkte besorgt. "Ist etwas mit Arwen nicht in Ordnung oder mit Arwens Kind?" Das ist der erste Gedanke, der Morgana durch den Kopf schiesst, doch als Calyra den Kopf schüttelt, beruhigt sich Morgana wieder, Niniane hätte es ihr auch sicherlich direkt gesagt, wenn etwas mit Arwen nicht in Ordnung wäre. Vielleicht ist der fremde Elbe Verwandtschaft von Arwen, grübelt Morgana noch, ehe sie sich wieder Calyra zuwendet, die ihre Hände mittlerweile vom Fleischpastetenteig befreit hat.

"Schläft Caewlin? Ich würde mir seine Wunde gerne einmal ansehen, vieleicht kann ich ja schon die Fäden ziehen, dann kann er auch nach Hause, wenn er sich kräftig genug fühlt." Ein warmes Lächeln huscht über Morganas Gesicht. Lupin hat sich dicht an den Herd gelegt und geniesst sichtlich die Wärme, wobei er Calyra allerdings keinen Moment aus den Augen lässt, da er das köstliche Essen riecht, welches Calyra gerade zubereitet.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 19. Nov. 2003, 21:19 Uhr
Niniane hatte zu Gildins Bitte nur genickt und als der Hochelb das Kaminzimmer verläßt, um nach oben zu seiner Schwester zu gehen, räumt sie Teeschalen und Utensilien auf ein glänzendes Holztablett und trägt es in die Küche. Sie kommt hinzu, als Morgana sich mit Calyra unterhält und umgeht lächelnd Lupin, der mit hypnotischem Blick auf die Bardin starrt, die gerade den Fleischteig in den Schmortopf schichtet, Gemüse darüber gibt und mit Wein und Brühe aufgießt. "Ich sehe, daß ich einen Knochen oder etwas ähnliches für dich finde valenon Virin," meint sie mitleidig und fast verschwörerisch zu dem Wolf, der sich demonstrativ die Lefzen leckt und die gelben Augen keine Sekunde von Calyra nimmt. In der Speisekammer findet sie die Reste der gestrigen Kaninchen und stellt sie Lupin in einer hölzernen Schale auf den Boden. Während Lupin sich über sein Fressen hermacht, richtet Niniane sich auf und wendet sich an Morgana wie Calyra gleichermaßen. "Der Elb ist Gildin Lyrisdor... Gildin Sternenwächter, Arwens Bruder. Sie haben wohl aus Lomirion eine Warnung geschickt, daß die Abtrünnigen entkommen wären, aber der Rabe hat Arwen nie erreicht... und so kam sie ahnungslos nach Wegesend. Er ist jetzt oben bei ihr. Und Caewlin ist wach... oder jedenfalls war er es vorhin noch. Cron ist bei ihm. Brynden spielt "Hasch Mich" mit Shugorn," fügt sie grinsend hinzu.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 19. Nov. 2003, 21:20 Uhr
Fast von alleine und völlig lautlos öffnet sich die Tür zu dem Gemach, in dem Arwen noch immer in tiefer Trance ruht. Mit kaum hörbaren Schritten nähert Gildin sich dem Bett, legt Leinenbinden und Schale auf dem kleinen Zedernholztisch daneben ab. Es tut ihm in der Seele weh, seine Schweste so zu sehen. Nach dem, was Niniane ihm erzählt hat, ihn hat sehen lassen, hat sie überall am Körper ähnliche Spuren davongetragen wie die, die er in ihrem Gesicht sehen kann, dazu noch die Stichwunde von dem vergifteten Dolch die nur langsam heilt. Stumm dankt er den Zwölf und ihren Archonen, dass der Nordmann das Gegengift rechtzeitig besorgen konnte und Arwen nicht den Weg in Sithechs Hallen angetreten hat.

Vorsichtig setzt er sich an den Rand des Bettes und nimmt behutsam ihre Hand in seine. "Arwen... Lorsylla... kleine Schwester..." Und während er sie leise bei ihrem Namen ruft, berührt er sie sanft im Geiste. Sie ist weit entfernt von ihm, und lange dauert es, bis er sie erreicht. Er kann spüren, wie ihr Geist sich fast dagegen wehrt, aus der Trance in die wache Welt zurück zu kehren. Das Flattern ihrer Lider, der Atem, der plötzlich tiefer geht, langsam erwacht Arwen neben ihm. Doch auf das, was dann passiert, ist er nicht vorbereitet. Alles was Niniane ihm berichtet hatte, hat ihn nicht mit dem rechnen lassen was geschieht.

In dem Moment, als Arwen die Augen aufschlägt, ihn ansieht und im ersten Moment nicht erkennt, zuckt sie vor ihm zurück, rafft ängstlich eine der Decke an sich und Angst lodert wie eine panische Flamme in ihren Augen. Wie erstarrt sitzt Gildin da, sieht sie nur an und streckt die Hände leicht zur Seite, abwartend.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 19. Nov. 2003, 22:07 Uhr
Es ist Arwen unmöglich zu sagen, wieviel Zeit vergeht, während ihr Geist sich in tiefe Trance zurückgezogen hat. Nur unwirklich bekommt sie mit, dass Phelan sie aus dem Kaminzimmer wieder nach oben in Ninianes Gemach und das runde Bett bringt. Manchmal ist sie kurz wach, aber ihre Sinne sind wie verschleiert. Nur dumpf erahnt sie, wie freundliche Hände ihr den Verband wechseln, der die Stichwunde an ihrer Seite bedeckt, wie kühlende Salben aufgetragen und mit sauberem Leinen verbunden werden. Doch ehe sie es richtig wahrnehmen kann, hat die Erschöpfung sie wieder überwältigt und in die Tiefen der Trance gezogen. Ihr fehlt die Kraft um die Augen zu öffnen. Sie ist zu schwach um zu reden, und sie leidet unter einem quälend brennenden Durst. Ihre Kehle scheint so ausgetrocknet wie die weiten Wüsten Azuriens. Jemand flößt ihr löffelweise Flüssigkeit ein, und sie schluckt es dankbar. Manchmal glaubt sie das leise Spiel von Falcons Flöte zu hören, und weiss doch tief in ihrem Innersten, dass Falcon sie verlassen hat und es nur eine Einbildung ist, die das Lied der Vögel ihr vorgaukelt.

Arwen spürt, wenn jemand bei ihr ist, sie spürt es und sie hört vertraute Stimmen. Irgendwann ist sie dann auch in der Lage, die Stimmen zu unterscheiden und den Sinn der Worte zu erfassen, die sie hört, auch wenn es ihr nicht wirklich gelingt zu erwachen. Oft gleitet sie zwischendurch wieder in ein dumpfes Nichts ab und taucht erst später wieder auf wenn schon jemand anderes bei ihr ist. Doch das macht nichts. Nichts ist wirklich von Bedeutung.

Und dann dringt eine leise Stimme zu ihrem Bewusstsein vor, eine Stimme, die sie kennt, eine seltsam vertraute Stimme, die sie zurück ruft in die wache Welt. Eine Stimme, die sie kennt, auch wenn sie nicht weiss woher. Nur Widerwillig gibt ihr Geist dem Ruf nach, denn zu erwachen bedeutet in die Welt zurückzukehren, wo Erinnerungen und Schmerzen auf sie warten. Aber dann kann sie sich nicht mehr gegen das Erwachen wehren und schlägt die Augen auf.

Neben ihr sitzt ein Mann, und erschrocken zuckt sie vor ihm zurück, rafft die Decke aus Mäusefellen an sich und schlingt ängstlich ihre Arme um sich. Es dauert einige bange Herzschläge, in denen nackte Angst durch ihre Adern pulsiert, bis sie den Elben neben sich erkennt, der sie mit zärtlicher Sorge ansieht und abwartend die Hände zur Seite gestreckt hat, als sie vor ihm zurückgezuckt ist.

"Gildin!"

Schlagartig fällt alle Angst von ihr ab, ein Gefühl, dass ihr an der Seite ihres Bruders nichts mehr geschehen könne erfasst sie. Sie schiebt die Decke zur Seite, die sie eben noch wie zum Schutz an sich gerafft hatte und flüchtet sich regelrecht in die Arme ihres Bruders.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 19. Nov. 2003, 22:45 Uhr
"Zweitklassige Kräuterhexe, das ich nicht lache..." hatte er geschnaubt, als Niniane an die Tür gegangen war. Nur einen Moment später hören Cron und er den melodischen Singsang von Elbenstimmen und den Klang leichter Schritte die Treppe hinauf. Eine Weile schwiegen sie und beobachten grinsend Brynden, der die Rabenjagd nicht aufgeben will, bis Shugorn sich krächzend und flatternd auf dem Fußende des Bettes in Sicherheit bringt, doch dann richtet sich sein Blick auf den Tronjer. Cron sieht immer noch Brynden an, der den Raben nicht aus den Augen läßt,  und um seinen Mund liegt ein beinahe sanftes Lächeln. Caewlin sieht ihn genauer an... als Niniane noch hier gewesen war, und seine Schulter neu verbunden hatte, hatte die Luft im Raum zwischen ihr und Cron geglüht, als schürten sie beide einen unsichtbaren Hochofen...
Caewlin weiß, daß Cron Niniane ins Sturmtal begleitet und sie zurückgebracht hatte - und seitdem an ihrer Seite in diesem Baum lebte. Sie hat die Inarinacht mit ihm verbracht... teilt er ihr Bett seitdem? Ist sie seine Geliebte? Zum ersten Mal, seit er die Waldläuferin kennt, versucht Caewlin Niniane mit den Augen eines Mannes zu sehen. Gewiß, Niniane war schön - aber ihre Schönheit war für ihn immer die einer Göttin gewesen,  nicht die einer Frau aus Fleisch und Blut. Sie wirkt fremd, unnahbar, anders, uralt und mächtig und ganz und gar ... nicht wie ein Wesen, das ein Mann besitzen könnte. Er muss verrückt geworden sein. Er ist ein Nordmann. Und sie ist nicht irgendeine Elbin...
"Ist sie deine Geliebte?" Er fragt geradeheraus. Wie eine Katze um den heißen Brei zu schleichen war noch nie seine Art. Er braucht die Antwort nicht abzuwarten - er kann sie in Crons Augen sehen. "Wo soll das hinführen? Willst du sie überreden, irgendwann mit dir in den Norden zu gehen? Willst du sie mit nach Tronje nehmen  in die Burg deines Vaters und sie deiner Sippe vorstellen?" Er verschränkt die Arme vor der Brust und sein Blick kreuzt den Crons.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 19. Nov. 2003, 23:08 Uhr
Die nächste Reaktion seiner Schwester überrascht Gildin fast noch mehr als ihr erstes erschrecktes Zurückweichen vor ihm. Wie alle anderen auch, kennt er seine Schwester seit ihren Kindertagen nur als stets kühl und beherrscht, nie zuvor hatte er es erlebt, dass sich in ihrem Gesicht Gefühle so überdeutlich abzeichnen und sie so offen und heftig auf etwas oder jemanden reagiert. Und so braucht er einen Augenblick, ehe er seine Arme und seine Schwester schließt und sie fest an sich zieht. Ihr Prellungen und Blutergüsse, die Wunden vergisst er in diesem Moment vollkommen. Und für einige Zeit ist außer einem selbst ihm völlig unverständlichen elbischen Gestammel seiner Schwester kein Laut zu hören, und er hält Arwen einfach nur fest bis sie sich beruhigt hat.

"Schsch.... es ist vorbei, Arwen, es ist vorbei und du bist in Sicherheit." Er hält sie im Arm wie ein kleines Kind und streicht ihr beruhigend über die Haare, die ihr lang und offen über den Rücke fallen, bis sie sich wieder von ihm löst und sich in den Kissen und Decken zurücksetzt. Mit einem Lächeln, das seine Sorge nicht ganz verbergen kann, wischt er ihr behutsam eine Träne von der Wange.

"Als ich kam, wollte Lady Niniane gerade zu dir, um den Verband zu wechseln... Und nun bin ich hier, um das für sie zu tun." Er stockt, als er die plötzliche Unsicherheit seiner Schwester bemerkt, als Schamesröte ihre Wangen färbt und ihr Blick dem seinen ausweicht. "Arwen, was ist denn? Warum- ...? Du bist meine Schwester, es gibt nichts auf der Welt, dessen du dich vor mir schämen bräuchtest.... Komm, lass mich dir helfen."

Nur zögernd lässt Arwen sich von ihm aus dem Bett hoch helfen, damit er ihr aus dem Unterkleid helfen und den alten Verband lösen kann. Die Wundränder, ein langer gezackter Riss, der von den Rippen über dem Herzen bis zu ihrer Seite reicht, haben sich schon zusammengezogen, und das Fleisch darunter scheint auch langsam zusammenzuwachsen. Auch die blauroten Striemen, die letzten Spuren des Giftes verblassen bereits. Vorsichtig trägt er die von Niniane angemischte Paste auf, bedeckt sie mit einer ledernen Kompresse und bedeckt das ganze dann mit Leinenbinden. Während er seiner Schwester einen festen Verband anlegt, wandern seine Augen über die zahlreichen Prellungen und Blutergüsse und die Abschürfungen. Abschürfungen, die sich auch auf dem Rücke seiner Schwester finden, und die ihn stutzen lassen. Schweigend knotet er die Enden ders Verbandes fest und hilft Arwen wieder in ihr Unterkleid. Eine dunkle Ahnung beschleicht ihn, als er die dunkle Prellung an ihrem Unterkiefer wieder ansieht. Eine Ahnung, die er schon bei dem Bericht von Niniane gehabt hatte, dass sie ihm nicht alles erzählt hatte, dass da noch mehr geschehen ist So groß wie eine Männerfaust... nein... nicht das... nicht das auch noch... Ihr Götter, hat sie denn nicht schon genug gelitten in ihrem Leben? Behutsam streicht er mit den Fingerspitzen über die verfärbte Haut an ihrem Kiefer und um ihr Auge herum. Seine Stimme ist leise und rauh, als er wieder das Wort ergreift.

"In diesen Kellern ist mehr geschehen, als Lady Niniane mir erzählt hat, nicht wahr?"

In seinen Augen kann Arwen sehen, dass er vielleicht nicht weiss, aber zumindest ahnt, was in Wegesend noch geschehen ist.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 19. Nov. 2003, 23:35 Uhr
Bei den Worten ihres Bruders  will Arwen sich von ihm abwenden, doch er hält sie an den Schultern fest, hält ihren Blick mit seinem fest. Sie kann ihm ansehen, dass er es ahnt, dass er es aber nicht wahrhaben will, dass er sich ebenso verzweifelt wie sie selbst wünscht, es sei nicht wahr. Aber sie weiss, dass es die bittere Wahrheit ist. Sie will ihm antworten, will ihm erzählen, was dort in den Kellern geschah, aber sie bringt kein Wort heraus. Ihre Stimme versagt ihr den Dienst, so als könne das Schweigen ungeschehen machen, was nicht ungeschehen zu machen ist.

Und so öffnet Arwen schließlcih zögernd die Mauer, die sie um die Erinnerungen an die Stunden in der Dunkelheit des Kellers errichtet hat, der Schutzwall, der sie davor bewahrte wahnsinnig zu werden. Stück für Stück öffnet sie ihrem Bruder ihren Geist ein wenig mehr, lässt Bilder und Erinnerungen im Geist Gildins erwachen, schwarze, kalte Bilder voller Grausamkeit und Hohn: Kalmirs Übergriffe auf sie, Falcons Qualen die sie mit ansehen musste, die entsetzliche Wahl vor die Kalmir sie stellte, der Moment als man sie viel zu früh von Falcon fort riss und ihn in die Schatten zerrte... und wie Falcon sich mit einem Blick ohne jedes Gefühl für sie war von ihr abwandte und das Gasthaus verließ.  

Unter der Wucht der Erinnerungen fängt Arwen an zu zittern. Angst und Verzweiflung, Schmerz und Wut, Resignation und Hilflosigkeit, all das kommt wieder in Arwen hoch. Tränen steigen heiß und bitter in ihr hoch, schnüren ihr die Kehle zu und lassen sie abgehackt nach Luft schnappen, bis sie ihren Weg gesucht und gefunden haben. Ihr Körper bebt, als sie ihr Gesicht in den Händen verbirgt, sich ihre ganze Verzweiflung schließlich in heißen Tränen Bahn bricht und sie sich nicht mehr auf den Beinen halten kann. Kraftlos lässt sie sich in die Kissen und Decken des Bettes zurückfallen und rollt sich weinend zusammen wie eine verwundete Katze, die sich in ihrem Nest vor der Welt verstecken will.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 20. Nov. 2003, 14:19 Uhr
Die Bilder und Empfindungen, mit denen seine Schwester ihn an dem teilhaben lässt, was in diesen unsäglichen Kellern geschehen ist, lassen Gildin erstarren. Zu unvorstellbar ist es für ihn. Die Falken hatten ihre Ehre schon lange aufgegeben gehabt, als sie alle Eide brachen, die sie je geschworen hatten. Aber dass sie so weit gesunken waren, dass ihr Hass so grenzenlos war, dass sie zu solchen Dingen fähig waren, verschlägt ihm den Atem. Jetzt erstrecht erscheint ihm der schnelle Tod Kalmirs unter den Fängen des Hundes viel zu kurz und gnädig. Wut steigt in ihm auf und lässt sein Blut kochen, Wut auf die Falken und ihre Taten, auf das Schicksal, dass so etwas zuließ. Und Wut auf Falcon, seinen Freund aus Jugendtagen, dass er Arwen einfach verließ, als sie ihn am dringendsten brauchte.

Schweigend setzt er sich zu seiner Schwester und zieht eine der Decken über ihren Rücken damit sie nicht auskühlt. Sie bebt und zittert unter seiner Hand, und die Tränen wollen einfach nicht versiegen. Behutsam fasst er sie an den Schultern und zieht sie an sich, hält sie in seinen Armen und kann doch nicht mehr für sie tun, als ihr stummen Halt zu bieten. Kein Wort, das er sagen könnte, würde ihren Schmerz und ihre Verzweiflung lindern können. Der einzige, der das gekonnt hätte, hatte sich feige aus dem Staub gemacht. Falcon, verflucht... DICH hätte sie gebraucht, deine Nähe, nicht mich.... wenn Du nicht schon halb tot wärst, sollte man dich windelweich prügeln...
Ihm ist nur zu bewusst, dass alleine Falcons Anwesenheit bei ihrem Erwachen, eine Umarmung oder zärtliche Berührung von ihm genügt hätte, um es Arwen zu erleichtern das Erlittene zu ertragen und mit den Erinnerungen leben zu lernen. Aber so hatte er mit seiner feigen Flucht alles nur noch schlimmer gemacht, den Schmerz und die Verzweiflung nur noch größer werden lassen.

Nachund nach versiegen die Tränen und beruhigt sich der Atem seiner Schwester, während er sie noch immer in den Armen hält. Sie liegt so reglos, dass er für einen Moment meint, sie wäre wieder in Trance hinüber geglitten, doch dann richtet sie sich etwas mühsam auf und wischt sich fast verschämt die letzten Tränen aus dem Gesicht. Mit einem leichten Lächeln nimmt er ein Stück von dem Verbandsleinen und taucht es in einen Krug mit Wasser, der neben dem Bett steht, um ihr die Tränen aus dem Gesicht zu waschen. Doch so blass wie sie ist, lassen die geröteten Augen leicht erkennen, dass sie geweint hat. Auch ansonsten ist ihr nur zu leicht anzusehen, wie müde und erschöpft sie ist.

"Leg dich wieder hin und ruh dich aus, Arwen. Ich werde sehen, ob ich etwas zu essen für dich bekommen kann. Und ein Schluck Gewürzwein sollte dir auch gut tun."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 20. Nov. 2003, 15:30 Uhr
"NEIN! ... Keinen Wein!" Hält Arwen ihren Bruder zurück. "Keinen Wein, bitte, oder wenn, dann nur wenn er mit Wasser versetzt ist... Es wäre nicht gut... Ich ... ich erwarte ein Kind, Gildin. Da wäre es nicht gut, wenn ich Wein trinke."

Ganz kurz zeigt sich so etwas wie ein zaghaftes Lächeln in Arwens Augen, das aber fast sofort wieder verschwunden ist, als sie ihre Augen vor ihrem Bruder niederschlägt, der sich unterdessen vom Rand des Bettes erhoben hat und vor ihr steht.

"Etwas zu essen wäre gut, ich habe Hunger." Zum ersten Mal seit Wochen habe ich wirklich Hunger, und ich musste auch noch nicht spucken heute. Mühsam setzt sie sich richtig auf und setzt sich an den Rand des Bettes. "Aber ich möchte nicht noch länger hier liegen, Gildin. Ich habe viele Tage geruht." Sie greift nach einem weitfallenden Kleid aus weichem grünen Tuch, das am Ende des Bettes liegt und streift es über. "Bitte hilf mir nach unten, zu den anderen, alleine werde ich das noch nicht schaffen."


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 20. Nov. 2003, 18:45 Uhr
Götter, sie sagt das so beiläufig... als sei es das unwichtigste der Welt...

"Ein Kind? Arwen! Du erwartest ein Kind?!... Und das sagst du erst jetzt? So nebenbei, als sei es nicht von Bedeutung?"

Fast wäre er vor seiner Schwester auf die Knie gefallen. Den Elben wurden nur noch so selten Kinder geboren, und in ihrer Familie hatte wegen des Fluches niemand auch nur zu hoffen gewagt, dass überhaupt je ein Kind würde geboren werden. Und nun trägt seine Schwester, Amithras Erbin, ein Kind unter den Herzen. Gildin kann es kaum fassen. Und wenn er an seinen Vater denkt, wenn er daran denkt, seinem Vater diese Nachricht überbringen zu können - für einen Augenblick verblassen aller Schrecken alle Sorge hinter der Freude über das Kind das Arwen erwartet.

Es dauert etwas, bis er sich gefangen hat, und sie den Weg nach unten antreten. Einen Arm um ihre Schultern gelegt, mit der anderen Hand ihren Arm haltend, stützt er sie auf dem Weg die Stufen hinunter. Es geht nur langsam, Schritt für Schritt und Stufe für Stufe. Aber Arwen versichert ihm, dass es bei weitem nicht so mühsam für sie sei, wie vor einigen Tagen, als sie diesen Weg mit der Heilerin ging um zu den heißen Quellen Ninianes zu gelangen. Und trotzdem, als sie am Fuß der Treppe angelangen, geht ihr Atem schnell und er kann ihr ansehen, wie sehr es sie angestrengt hat.

Seinen Vorschlag, sie solle kurz hier warten, sich auf eine der Stufen setzen, damit er schnell den Reiter der ihn begleitet hat, zurück zum Anwesen schicken kann, will sie aber nicht hören. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln quittiert er es, dass sie ihn nach draußen begleiten will, nach ihrem Pferd sehen will. Er kennt den Starrsinn, den seine Schwester zu Zeiten an den Tag legt, und so gibt er ohne Diskussion nach und legt ihr seinen Mantel um die Schultern.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 20. Nov. 2003, 19:00 Uhr
Einen Moment starrt Cron Caewlin nur an und glaubt nicht, was er hört - aber dann beginnt er leise zu lachen. Er steht auf, sammelt Brynden vom Boden auf und reicht das Baby seinem Vater. Er macht zwei Schritte auf die Tür zu, bleibt dann aber stehen.  "Caewlin..." er schüttelt den Kopf. "Ich weiß, warum du versuchst, mich zu warnen, aber... dazu ist es zu spät. Es war schon zu spät, als ich Niniane nach dem Sommerturnier aus der Sänfte steigen sah, verstehst du? Das alles, was du gesagt hast, weiß ich... aber aufzuhören sie zu lieben wäre wie aufzuhören zu atmen. Ich könnte nicht, selbst wenn ich wollte." Er wendet sich zum Gehen und an der Tür hält er noch einmal inne, dreht sich halb um.

"Die meisten Menschen, die ich kenne, streben nach Macht - und wenn sie sie haben, wissen sie nichts damit anzufangen. Du nicht. Für dich war immer klar, daß du irgendwann mit Calyra nach Sturmende zurückkehren wirst...Daß du irgendwann den Platz deines Vaters einnehmen und als Sturmlord herrschen wirst. Und was für ein Lord wirst du werden - mit Calyra an deiner Seite. Du bist der geborene Anführer, Caew, und das weißt du auch." Ein Grinsen, halb säuerlich, halb voller Erinnerung an ihre Zeit im Haus der Knaben und auf der Mauer vertieft seine Mundwinkel, doch seine Augen bleiben ernst. "Aber hast du je daran gedacht, daß ich das gar nicht will? Nach Norden zurückkehren, meine ich. Ich will Niniane nicht... nicht an Herd und Burg fesseln, Caewlin - abgesehen davon würde sie soetwas niemals erlauben und  glaub mir - kein Mann der Welt zwingt diese Frau zu etwas, daß sie nicht will. Ich bin damals auch nicht in den Süden gekommen, um mir hier ein Eheweib zu suchen. Ich habe überhaupt nichts gesucht, aber ich habe etwas gefunden." Sein Blick trifft den Caewlins und er antwortet auf die unausgesprochene Frage. "Ja, sie. Und alles was ich will, ist hier leben. Einfach leben Caewlin." An ihrer Seite. "Zum Teufel mit dem Norden und den geheimen Verhandlungen mit den Elben - wir werden schon nicht gleich einen neuen Krieg mit den Schönen heraufbeschwören." Sein Grinsen wird jungenhafter und der Ernst in seinen Augen weicht echter Belustigung. "Laß dir wegen uns keine grauen Haare wachsen, Caewlin." Er sieht die fragend hochgezogenen Augenbrauen des Sturmenders und schüttelt seufzend den Kopf. "Mach dir keine Sorgen."
Damit verläßt er den Raum und Caewlin, aber es gelingt ihm nicht ganz, seine Worte - und die Gedanken dahinter - abzuschütteln. In der Küche findet er Morgana, Calyra und Niniane und kann nicht anders, als seine Arme um sie zu legen.  Er nickt Morgana zur Begrüßung zu. "Ich hoffe, Euer Notfall hat es gut überstanden," meint er zur Heilfrowe gewandt. "Caewlin jedenfalls geht es gut. Er ist schon wieder fast der alte." Seine letzten, trockenen Worte sind auf sein Gespräch mit dem Sturmender gemünzt - doch davon wissen die Frauen nichts und er hat nicht die Absicht, jetzt davon anzufangen. Er will nicht einmal darüber nachdenken.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 20. Nov. 2003, 19:02 Uhr
Draußen am Fuß des Baumes angekommen, bleibt Arwen jedoch an den Stamm des Baumes gelehnt zurück und wartet, während ihr Bruder schnell einige Worte mit seinem Begleiter wechselt und der daraufhin die Lichtung verlässt. Dann kehrt er zu Arwen zurück und stützt sie auf dem Weg um die übermannshohen Wurzeln des Baumes herum zur seeabgewandten Seite des Baumes, dorthin, wo die Pferde sich befinden. Sie ist froh, Gildin bei sich zu wissen, sich auf ihn stützen zu können. Denn obohl sie es niemals zugeben würde, selbst vor ihm nicht, der Weg die Treppe hinunter hat sie erschöpft. Aber sie will zu ihrem Pferd, unbedingt.

Sie sind noch nicht ganz da, als sich ihnen schnaubend und leise wiehernd ihr Grauschimmel nähert, den stolzen Kopf hoch erhoben und die Ohren gespitzt schaut Shur sie aus klugen Augen an. Mit knurrenden Lauten, so als wolle er zu ihr sprechen, reibt er seinen Kopf so heftig an der Schulter Arwens, dass er sie umgeworfen hätte, wenn Gildin nicht hinter ihr gestanden und sie gehalten hätte. Mit leisen geflüsterten Worten im Singsang des Hochelbischen beruhigt sie den Hengst, während ihre Hand sachte über seine Stirn und die lange Nase streicht, über feine, harte Knochen unter seidigem Fell und samtweiche Nüstern. Sie legt die Arme um den Hals des Pferdes und vergräbt ihr Gesicht in der langen Mähne und dem weichen Fell des geschwungenen Halses von Shur.

Wie lange sie so dasteht, weiss sie nicht, doch dann berührt Gildin sie an der Schulter und deutet wortlos auf einen azurianischen Rapphengst, der sich ihnen nähert. Den Kopf gesenkt und nur leise Schnaubend, scheint er zu fragen, wo sein Herr ist, warum sein Reiter nicht zu ihm kommt.

"Das ist Shunja, ... Falcons Pferd, er ... er war nicht... in der Lage ihn zu reiten, als er ging."

Ihre Stimme ist rauh als sie spricht, es fällt ihr noch immer schwer, die Bilder der Erinnerung an sich heran zu lassen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 20. Nov. 2003, 19:06 Uhr
"Ich habe zehn Männer in meiner Begleitung. Wenn du willst, brechen wir morgen auf und suchen nach ihm."

Es fällt Gildin schwer diesen Vorschlag zu machen, denn im Moment würde er diesen Templer lieber grün und blau schlagen, als ihn suchen zu gehen. Zu sehr kocht noch die Wut über ihn in seinem Blut. Aber Arwen ist seine Schwester, er würde alles für sie tun. Und wenn sie will, dass er ihr ihren Mann heil zurück bringt, würde er auch das tun. Allerdings nicht, ohne dann später ein ernstes Wort mit ihm zu reden.

Es dauert, ehe er eine Antwort bekommt. Arwen hat ihr Gesicht wieder an den Hals ihres Pferdes gelehnt und sieht ihn nicht an. Und so schweigt auch er.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 20. Nov. 2003, 19:21 Uhr
Sie hört Gildins Worte, seinen Vorschlag, nach Falcon zu suchen. Und ihr erster Reflex ist es ihn genau darum zu bitten, doch dann zögert sie, seinen Blick vor Augen, mit dem er sich in Wegesend von ihr abgewand hatte, und eine einzelne Träne löst sich aus ihrem Auge und rinnt über die hohen Wangenknochen herab.

"Nein," ihre Stimme ist leise und heiser. "Nein, ich will nicht, dass ihr nach ihm sucht. Er will nicht gefunden werden, und ich werde nicht nach ihm suchen." Sie wendet sich um und sieht ihren Bruder an. Und auch wenn ihr Gesicht fast unbewegt ist, das silbrige Schimmern ihrer Augen verrät den Aufruhr der Gefühle, der in Arwen tobt als sie weiterspricht. Als sie es irgendwie schafft Worte für etwas zu finden, was sie mehr verletzt hat als es eine Waffe je könnte.

"Nachdem, was in diesem Keller passiert ist,... was ... was Kalmir-" sie muss abbrechen, denn für einen Augenblick schnürt ihr die Erinnerung die Luft ab. Anukis, Göttin, gib mir die Kraft... "Ich habe versucht, Falcon weitere Folter zu ersparen. Er wollte nicht, dass ich das tue, dass ich auf Kalmirs "Handel" eingehe. Und wenn er es gekonnt hätte, dann hätte er es mir verboten. Er hatte alle Hoffnung aufgegeben und... und wollte, dass wir unserem Leben selber ein Ende setzen, gemeinsam... Um den AnCus ihre Rache zu nehmen... Aber ich konnte das nicht, ich konnte ihm diesen Wunsch einfach nicht erfüllen."

Hochaufgerichtet steht Arwen neben ihrem Pferd, hält sich mit der Hand an seinem Widerrist fest, doch ihre Haltung wirkt seltsam starr und ihr Gesicht ist zu einer Maske der Beherrschung erstarrt. Mit einer Strenge, die sie nur sich selber gegenüber an den Tag legt, zwingt sie sich dazu, auszusprechen, was ihr innerlich fast das Herz zerreisst.

"Da ihm nach all dem meine Gegenwart anscheinend so sehr zuwider ist, dass er lieber sein Leben riskiert in dem er mehr tot als lebendig in den Wald flüchtet, als dort zu bleiben wo er heilkundige Hilfe hätte erhalten können... Dann werde ich den Platz an seiner Seite aufgeben, damiter sich eine andere Gefährtin wählen kann, eine die frei von alten Flüchen ist und deren Ehre unangetastet ist." Tränen sammeln sich in ihren Augen. "Ich werde Vater bitten die Ehe anullieren zu lassen und mich wieder in das Haus des Sternenadlers aufzunehmen, mit meinem Kind."

Sie sieht die unausgesprochene Frage in Gildins Augen.

"Ich habe ihn geliebt, ja. Dreitausend Zwölfmonde lang haben wir uns geliebt und einander die Treue gehalten. Und allen Schlägen des Schicksals zum Trotz haben wir die Gelübde miteinander abgelegt. Ich habe ihn geliebt, und ich wäre für ihn gestorben... Er ist der Vater meines Kindes, und ein Teil von mir liebt ihn wohl noch immer. Aber diesmal als er mich verließ, als er mich zum vierten Mal verließ, da ist irgendetwas zerbrochen... Manchmal heißt jemanden zu lieben, ihn aufzugeben."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 20. Nov. 2003, 20:23 Uhr
Schweigend hört Gildin seiner Schwester zu, und für einen kurzen Moment glaubt er seinen Ohren nicht trauen zu können, als Arwen sagt, sie wolle die Ehe mit dem Templer anullieren lassen. Er weiss nicht, was er dazu sagen soll, und vermutlich kann man dazu auch gar nichts sagen. Und so nickt er einfach nur schweigend und tritt näher an sie heran.

"Es wird kühl, Arwen, lass uns zurück in den Baum gehen. Du solltest dich ausruhen, etwas essen und etwas trinken."

Er streckt ihr die Hand entgegen um sie nach drinnen zu bringen, doch sie reagiert nicht, hält sich noch immer an ihrem Pferd fest. Erst auf den zweiten Blick bemerkt er, dass die Hand, mit der sie sich in der Mähne am Widerrist des Pferdes festhält zittert, dass sie am Ende ihrer Kraft ist und vermutlich die Beine unter ihr nachgeben würden, wenn sie ihre Hand vom Hals des Pferdes lösen würde.

"Lorsylla, warum bist du immer so hart gegen dich selbst? Warum kannst du dir selber keine Schwäche zugestehen?" flüstert er an ihrem Ohr, als er an sie heran tritt und sie kurzerhand hochhebt wie ein kleines Kind. Mit Schrecken stellt er fest, dass sie leichter ist, als sie es bei ihrer Größe sein sollte, als er sie zurück zur Tür des Baumes trägt, die sich wie von selbst vor ihm öffnet um sie einzulassen in eine Wärme, die schwach nach Verbenen und Orchideen riecht.

Wenn es wirklich das ist, was Du willst, Arwen, dann werde ich Lady Niniane bitten, noch hier das Schreiben gegenzusiegeln, mit dem deine Ehe aufgehoben wird.

Vater wird toben, und der Hohe König und So'Tar nicht minder... über Falcon wird ein Gewittersturm hereinbrechen, wenn Arwen die Ehe anullieren lässt und bekannt wird, warum sie das tut...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 20. Nov. 2003, 21:19 Uhr
Als Niniane erwähnt das der Fremde Arwens Bruder ist nickt Morgana nur kurz, aber das Lächeln auf ihrem Gesicht sagt, das dies für Arwen wahrscheinlich eine bessere Medizin ist, als alle Kräuter die Morgana zur Verfügung stehen. Lupin macht sich über den Rest Kanninchen her, das Niniane ihm auf einem Holzteller serviert. Kurz darauf kommt Cron in die Küche und berichtet das Caewlin schon wieder fast der Alte ist. Crons Gesichtsausdruck dabei kann sie nicht richtig deuten und Cron sagt auch nichts weiter dazu. Auf die Frage nach dem Notfall antwortet Morgana: "Ich weiss zwar nicht, was den Schneidermeister in Ohmacht fallen lies, aber nun geht es ihm wieder gut. Dann werde ich mal nach der Wunde von Caewlin sehen und wenn Cron sagt das er schon ganz der Alte ist, dann kann er auch nach Hause gehen." Die letzten Worte richtet Morgana mit einem Zwinkern an Calyra. Morgana verlässt die Küche, Lupin lässt sich nur kurz von seinem Essen ablenken und wirft Morgana nur einen kurzen Blick zu ehe er den nächsten Happen Kanninchen in seinem Maul verschwinden lässt.

Leise klopft sie an Caewlins Tür und tritt dann ein. Caewlin ist im Bett und Brynden versucht gerade auf ihm hochzukrabbeln. Ein sanftes breites Lächeln zieht über Morganas Gesicht, als sie die Beiden so im Spiel vertieft sieht und sie denkt kurz an ihr eigenes Kind, das in ihr wächst. Doch sie schiebt diese Gedanken bei Seite und tritt an Caewlins Bett. "Es ist schön euch so munter und wach zu sehen, Caewlin. Ich würde mir gerne eure Wunde ansehen, wenn euer kleiner Wildfang mich lässt." Ein kleines Schmunzeln liegt auf Morganas Gesicht, als sie Brynden von seinem Vater herunterholt und auf den Boden setzt, wo Brynden sofort versucht sich an dem Bett hochzuziehen um wieder zu seinem Vater zu kommen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 20. Nov. 2003, 22:10 Uhr
Niniane lehnt sich an Cron und schenkt ihm ein kurzes Lächeln, aber sein merkwürdiger Tonfall läßt sie sich in seinem Arm halb umdrehen. Etwas nachdenkliches liegt in seinen Augen und sie fragt sich, worüber er mit Caewlin gesprochen haben mag - doch dann ist es verschwunden und er lächelt. "Laß mich nach Arwen und Gildin sehen. Ich glaube, sie sind eben hinausgegangen."
Sie löst sich aus seinem Arm und folgt Morgana, die zu Caewlin hinübergeht, doch Cron bleibt nicht in der Küche zurück, sondern begleitet sie. Als sie durch Esszimmer und Vorraum zur Tür gehen,  bringt Gildin Arwen eben herein. "Bringt sie ins Kaminzimmer, Sternenwächter," meint sie leise. Gildin trägt Arwen die wenigen, kurzen Meter in den Raum hinter ihnen und sie folgen ihm. Cron schürt das Feuer nach, während sie selbst die Mäusepelzdecke um Arwens Schultern legt, nachdem ihr Bruder sie in einem der Sessel abgesetzt hatte. "Es ist schön, dich wieder wach und fast auf eigenen Beinen zu sehen, min Ija. Das Essen wird bald fertig sein. Bist du hungrig? Möchtest du ein wenig Quellwasser oder etwas anderes?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 20. Nov. 2003, 22:39 Uhr
Im Vorraum treffen sie auf Niniane und Cron, und Gildin bringt sie in das Kaminzimmer. Obwohl es im Baum eigentlich nie wirklich kühl wird, heizt Cron noch nach, dass die Funken der Holzscheite in der heißen Luft nach oben steigen wie winzige Glühwürmchen. Nach der Kälte draußen bei den Pferden beginnen Arwens Wangen in der Wärme zu glühen und zaubern so zumindest für kurze Zeit Farbe in ihr blasses Gesicht.

"Min Caris, Niniane...  Oh ja, ich habe Hunger. Wie lange habe ich geruht? Zwei Tage? Drei Tage? Ich weiss es gar nicht." Sie zieht die Decke aus Mäusepelzen weiter um ihre Schultern. "Etwas Wasser reicht vollkommen. Und hör bitte nicht auf meinen Bruder, der meint ich sollte etwas Wein trinken." Kurz huscht so etwas wie ein Lächeln durch ihre Augen, als sie ihren Bruder ansieht, der sich in einem der anderen Sessel an ihrer Seite niedergelassen hat, und sich ob des vertrauten Umgangstones zwischen ihr, der Waldläuferin und dem Nordmann scheinbar nicht sicher ist, wie er sich verhalten soll. "Aber das war, ehe er von meinem Kind wusste."

Ernst tritt fast schlagartig in ihre Stimme, als sie Cron und Niniane wieder ansieht.

"Wie geht es Caewlin?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 21. Nov. 2003, 07:41 Uhr
Cron starrt in Glut, Flammen und Asche, als er langsam Holz nachlegt und das heruntergebrannte Feuer wieder hell auflodern läßt. Er hatte dem Elben kurz zugenickt, als der hereingekommen war und meint, eine gewisse Familienähnlichkeit in den eckigen Zügen zu finden - aber eher zu Tianrivo Morgenstern, den er auf der Hochzeit gesehen hatte, als zu Arwen. Niniane hat einmal gesagt, sie sähe wie ihre Mutter aus... Niniane unterhält sich leise mit Arwen und erst als die Elbin nach Caewlin fragt, dreht er sich, noch immer in der Hocke vor dem offenen Feuer, halb um.  Er sieht Arwen an und findet aufrichtige Sorge in ihren grauen Augen.  "Caewlin geht es wieder gut.... aber er hat viel Blut verloren, beinahe zuviel. Die letzten Tage war er sehr schwach." Er legt einen letzten Scheit ins Feuer und steht dann auf. "Morgana ist gerade zu ihm gegangen, will vielleicht die Fäden ziehen. Sie hat seine Schulter genäht, dort wo ihn Ka... der Speer getroffen hat." Er schluckt den Namen, der ihm bereits auf der Zunge lag, wieder hinunter... Arwen scheint das Erlebte zwar nicht zu verdrängen, und sich selbst den bittersten Erfahrungen auch zu stellen, aber man mußte sie ja nicht auch noch daran erinnern. "Er wird nachher bestimmt mit uns essen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 21. Nov. 2003, 15:54 Uhr
Betroffen senkt Arwen den Blick, als Cron Caewlins Zustand beschreibt. Eises Kälte kriecht plötzlich durch ihr Innerstes, als Cron mitten in einem Wort abbricht, und sie doch weiss, was er sagen wollte, welcher Name ihm auf den Lippen gelegen hat. Nur ein Mann hatte einen Speer als Waffe geführt.

Warum müssen immer andere meinetwegen leiden? In meiner Nähe zu sein, mir helfen zu wollen, scheint nur Leid zu bringen, egal wem... Wenigstens scheint er schon wieder soweit hergestellt zu sein, dass er auf ist und mit den anderen essen kann. Götter, das hätte ich mir nie verziehen, wenn es ihn das Leben gekostet hätte. Der Preis wäre zu hoch gewesen.

"Wenn Morgana grade bei ihm ist... dann sollte ich wohl besser warten, ehe ich zu ihm gehe." Sie schüttelt leicht den Kopf, als Gildin sich erheben will. "Nein, Gildin, das muss ich alleine tun. Caewlin... er ist ein Freund. Auch wenn unser Oheim toben würde, wenn er hören könnte, dass ich einen Normander Sturmlord einen Freund nenne; Caewlin gehört zu meinen Freunden. Und er hat dort in Wegesend viel für mich gewagt, und dabei einen hohen Preis gezahlt." Ihre Stimme wird leiser, je länger sie spricht. "Wie alle anderen auch."

Ihr letztes Wort ist schon eine Weile verklungen, als sie den Kopf hebt und erst Cron und dann Niniane ansieht.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 21. Nov. 2003, 18:34 Uhr
Hör auf, Arwen. Wenn es um Freunde geht, die Hilfe brauchen, darf nicht von Verpflichtungen die Rede sein. So etwas kann man nicht vergelten und das soll auch gar nicht sein. Wir haben es gern getan und würden es jederzeit wieder tun, und keiner von uns hat auch nur einen Gedanken dabei an irgendwelche Schuldigkeiten verschwendet....

Sie bringt der Elbin einen hohen Kelch mit frischem, kühlem Quellwasser und ein wenig klare Brühe mit geröstetem Fladenbrot aus der Küche, damit sie vor dem Hauptmahl schon etwas leichtes in den Magen bekommt, schließlich hatte sie seit Tagen außer stärkenden Kräutertränken so gut wie nichts zu sich genommen.  Der Geruch von backender Fleischpastete und bratendem Gemüse mit feinen Gewürzen zieht durch den Baum und auch ihr eigener Magen meldet sich knurrend zu Wort. "Werdet Ihr länger bleiben, Gildin?" Wendet sie sich an den Hochelben.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 21. Nov. 2003, 19:22 Uhr
Es klopft an der Tür und halb erwartet er noch einmal Cron, der seinen Worten noch mehr hinzufügen würde oder ihn mit diesem hintergründigen Grinsen bitten würde, sich gefälligst aus seinen Angelegenheiten herauszuhalten, doch es ist Morgana, die eintritt. Brynden hält sich an seiner Hand und dem Armstumpf fest und stellt sich laut glucksend immer wieder auf die Füße. So oft er ihn auch hinsetzt, er kommt sofort wieder hoch und scheint sich dabei ausgezeichnet zu amüsieren: seine Augen strahlen und er grinst über das ganze, kleine Gesicht. Er nickt Morgana zu und schenkt der Heilfrowe ein verzogenes, halbes Lächeln. "Wie Ihr seht, ist mein Sohn der Meinung, meine Schulter brauche keine Ruhe mehr," schnaubt er. Die Heilerin tritt näher und setzt Brynden auf den Boden, doch das bremst seine Versuche, auf eigenen Füßen zu stehen kaum. Er zieht sich an den Pelzdecken hoch, plumpst auf seinen Hosenboden, blickt sich verwundert um und steht wieder auf. Caewlin beißt sich auf die Lippen, um ein Lachen zu unterdrücken, aber seine Augen glitzern belustigt. Morgana nimmt den Umschlag ab, den Niniane ihm am Morgen gemacht hatte und wäscht die getrocknete Kräuterpaste ab, wofür er nicht undankbar ist. Je trockener der Breiumschlag geworden war, desto mehr hatte er gejuckt. Die Heilfrowe betastet seine gesamte Schulter mit kühlen, erfahrenen Fingern, die ihm kaum Schmerzen verursachen. "Davon, daß jemand eine Wunde wie einen Riß in einem Hemd näht habe ich noch nie gehört," meint er und versucht, etwas von seiner Schulter zu sehen. Morgana dreht seinen Kopf sanft, jedoch nachdrücklich auf die andere Seite, um ihn aus dem Weg zu haben und er sieht mit unbußfertigem Grinsen, aber folgsam die Wand an. "Und? Könnt Ihr die Fäden herausziehen?"
Die Heilerin zupft hier und da einem Faden, was schmerzhafter ist, als er gedacht hatte und ihn die Zähne zusammenbeißen läßt. Haut hat sich daran festgesetzt und wird mit hochgezogen. "Ich dachte", knurrt er, aber sein Lächeln straft die harten Worte Lügen, "ihr wolltet die Fäden ziehen und mir nicht noch ein Loch in die Schulter reißen..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 21. Nov. 2003, 20:55 Uhr
Schweigend folgt Gildin den Worten seiner Schwester, und er glaubt zu verstehen, was sie meint. Vater hat anscheinend Recht, hier in dieser Stadt könnte sich der Anfang finden lassen für einen Frieden mit den Menschenreichen, für ein friedliches Nebeneinander aus dem ein Miteinander werden kann... auch mit Normand.

"Ich weiss noch nicht, wie lange ich bleiben werde. Eigentlich hatte ich nur einige Tage bleiben wollen. So lange bis für die Sicherheit von Arwen und – " er verkneift sich gerade noch den Namen des Templers, "bis für die Sicherheit des Ulmenanwesens und Arwens gesorgt wäre. Dann hatte ich mit jenen Männern, die nicht zum Schutz hier bleiben sollten zurückkehren wollen nach Lomirion." Sein Blick wandert zu seiner Schwester, die vorsichtig die Brühe löffelt, die Niniane ihr gebracht hat. "Aber nun sieht das alles etwas anders aus. Ich werde wohl etwas länger bleiben, bis es Arwen besser geht und ich sie nach Vinyamar zurückbringen kann."

Auch wenn er mit Arwen noch nicht darüber gesprochen hat. Nach den Worten seiner Schwester vorhin bei den Pferden ist er sich nicht sicher, ob sie so schnell zurück zum Anwesen will, wo sie alles an ihren verschwundenen Gemahl erinnern würde. Und er fragt sich, ob sie das wirklich ernst gemeint hat, dass sie die Ehe anullieren lassen will. Zu lange hatte es gedauert, bis sie die Ehe mit dem Templer hatte schließen können, zuviel hatten sie umeinander ertragen. Aber dieses Thema hier, in Gegenwart des Nordmannes anzusprechen, das will er auch nicht.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 21. Nov. 2003, 21:22 Uhr
Oh, es geht mir auch nicht um Schuldigkeiten und Verpflichtungen... Aber ich verdanke Caewlin mehr als nur mein Leben... ER hat ihn bezahlen lassen. Es waren SEIN Morgenstern und SEIN Hund, die ihn gerichtet haben.

Arwens Gesicht bekommt einen harten Zug um die Augen, als sie den Löffel zur Seite legt und Niniane ansieht. Einen harten Zug, der sich mit einer seltsamen Mischung aus Dankbarkeit und Vertrauen abwechselt, der in Arwens Augen spielt. Nur nebenbei bekommt sie Gildins Antwort auf die Frage der Waldläuferin mit.

"Wachen dalassen?" Sie sieht ihren Bruder fast entgeistert an. "Ich will nicht, dass du deine Männer hier lässt. Ich will keine Wachen um mich haben. Sie sind tot, Gildin, sie sind alle tot!" Ihre Stimme hatte etwas heftiges bekommen, was man sonst nie an der Elbin erlebt. "Es gibt keinen Grund mehr, Wachen hier zu lassen. Ich will einfach nur in Ruhe und Frieden hier leben, ohne Wachen, einfach nur mein eigenes Leben leben und das Anwesen führen. Ist das denn zu viel verlangt?" Und dann, fast flüsternd "Ich will doch nur in Frieden leben."

Wie zum Schutz zieht sie die Decke fester um ihre Schultern und schlingt ihre Arme um sich. Sie sieht niemanden im Raum mehr an, nur ihre Gedanken wandern.

Niniane... darf ich dich um etwas bitten? Langsam hebt sie den Kopf wieder, doch ihr Blick nimmt nur die Halbelbe ihre gegenüber wahr, weder ihren Bruder noch Cron. Silbrige Tränen lassen ihre Augen schwimmen, aber sie schafft es irgendwie, sie zurückzuhalten. Wenn... wenn ich meine Ehe anullieren will... würdest... kannst du die Urkunde dann gegenzeichnen und besiegeln?

Und wie zur Erklärung lässt sie die fast die selben Worte im Geiste folgen, mit denen sie auch ihrem Bruder schon zu erklären versucht hatte, warum sie das tun will.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 21. Nov. 2003, 21:22 Uhr
Bei Caewlins letzten Worten kann Morgana ihr Lachen nicht mehr zurückhalten und es steigt glucksend ihre Kehle herauf. Immer noch ein wenig lachend antwortet sie Caewlin. "Keine Angst Caewlin, ich werde euch kein grösseres Loch in die Schulter reissen. Durch den Brei ist auch die Haut recht trocken geworden, ich reibe jetzt erst einmal ein wenig fettige Salbe darauf und dann zieh ich die Fäden. Die Wunde ist gut verheilt, wie fühlt ihr euch sonst, noch immer schwach? Habt ihr schon versucht aufzustehen?" Abrupt bricht Morgana ab und grinst breit, als sie Caewlins Gesicht sieht. "Ich rede manchmal zuviel nicht wahr?"

Dann greift sie in einen der Beutel an ihrem Gürtel und holt ein Tiegelchen heraus, das mit Schmalz gefüllt ist, in den einige Kräuter eingearbeitet sind. Die Kräuter betäuben die Stellen leicht, auf die sie die Salbe aufträgt und nachdem die Haut weich geworden ist, nimmt sie eine feine kleine Schere aus einem Beutel und beginnt damit die Fäden zu durchtrennen und mit vorsichtigen Bewegungen aus dem Fleisch zu ziehen. Caewlin verzieht ein wenig das Gesicht, gibt aber keinen Ton von sich. Morgana unterbricht ihre Arbeit kurz, als Brynden sich an ihrem Kleid hochzieht und sie Caewlin mit der Schere verletzen könnte. Sie legt die Schere beiseite, nimmt Brynden vom Boden auf und setzt in auf der anderen Seite des Bettes wieder ab. Kaum das Brynden wieder Boden unter seinen Beinchen hat, krabbelt er wieder auf das Bett zu und zieht sich an den Felldecken hoch, um seinen Vater sehen zu können.

Morgana geht wieder auf die andere Seite des Bettes , nimmt die Schere wieder zur Hand und löst die restlichen Fäden. Nachdem sie fertig ist, wischt sie die aufgetragene Salbe vorsichtig mit einem Tuch ab und trägt eine andere Salbe auf, damit sich die kleinen Punkte, die die Fäden hinterlassen haben, auch noch verheilen. "Die Haut wird an dieser Stelle noch eine Weile spannen, reibt sie immer gut mit einer fettigen Salbe ein, dann legt sich das schnell. Calyra hat Fleischpasteten gemacht, was meint ihr wollt ihr mit den anderen an einem Tisch essen oder euer Mahl lieber alleine hier im Zimmer einnehmen." Ein Zwinkern ihrer Augen begleitet ihre Worte und sie ist sich sicher, das Caewlin liebend gerne mit den anderen essen möchte.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 21. Nov. 2003, 22:09 Uhr

"Nein, ich kann aufstehen. Ich kann aufstehen, es geht mir gut." Sein Magen knurrt so laut, daß er sicher ist, die Heilfrowe kann es hören. " Und Ihr redet nicht zuviel." Er erinnert sich an jene verhängnisvolle Nacht, als Raven und der Spaßmacher ihn mehr tot als lebendig aus den Kanälen in die Badehäuser geschleppt hatten. Irgendjemand hatte Morgana geholt, das weiß er noch, und sie hatte sich den schwärenden Armstumpf angesehen. Seine Worte fallen ihm ein. >Nehmt mir nur ein Stück von meinem Arm ab und Ihr könnt mir die andere Hand auch gleich abhacken, weil ich Euch sonst damit erwürgen werde...<   Morgana hat mich inzwischen schon mehr als einmal wieder zusammengeflickt... und sie hat Cal beigestanden, als mein Sohn zur Welt kam. Er sieht Brynden zu, der sich mit wackeligen Schritten am Bettrand entlangschiebt, während Morgana seine Schulter einreibt und erinnert sich an jene endlose Nacht im Julemond des letzten Winters. Völlig erschöpft und verwundet waren sie durch Ninianes Keller aus den alten Gängen und Tunneln unter der Stadt entkommen und ausgerechnet diese Nacht hatte Brynden sich ausgesucht, um zur Welt zu kommen. Dreizehn lange Stunden hatte er kaum gewagt zu atmen und hilflos mit ansehen müssen, wie Calyra sich geschunden und geschunden hatte. Ihre Schreie werde ich nie vergessen... Als die Heilfrau mit seiner Wunde fertig ist und einen neuen, leichten Verband angelegt hat, steht er auf und angelt nach einem Hemd. Er schlüpft hinein, zieht die Bänder über der Brust zu und nimmt dann Brynden hoch. "Gehen wir etwas essen. Du bist auch hungrig, ich weiß es." Kleine Hände legen sich vertrauensvoll um seinen Arm und eine kleine Nase stupst an seine Schulter. "Dein Magen knurrt genauso laut wie meiner, ich kann ihn hören."  Er folgt Morgana in die Küche, wo sie Calyra finden, die in den Schränken nach Tellern und Besteck sucht und die Heilfrowe geht ihr zur Hand, um den Tisch zu decken. Sein Blick fällt auf die Teller. Himmel... ist alles Geschirr in diesem seltsamen Haus pflanzenartig?

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 21. Nov. 2003, 22:43 Uhr
Niniane kniet sich zu Arwen und sieht die Elbin ernst und aufmerksam an, forscht in ihren Augen. Oh, Arwen, bist du sicher? Ich weiß, du würdest eine solche Bitte nicht leichtfertig äußern, aber... Falcon und du ihr seid schon so lange miteinander verbunden... Der Schmerz in Arwens Augen läßt ihre Gedanken verstummen und eine lange Weile sieht sie die Elbin nur schweigend an. In dem Augenblick, als Falcon sie in Wegesend zurückgelassen hatte, scheint etwas in Arwen zerbrochen, rasch und für immer.  Manche Wunden sind wohl so tief, daß man sie nicht heilen kann....und manche Wege scheint man nur bis zum bitteren Ende gehen zu können. Ihre Gedanken wandern zu Falcon und der Templer tut ihr unendlich leid - aber sie kann Arwens Schmerz verstehen. Vielleicht waren sie nie füreinander bestimmt. Nicht auf diese Weise...ach Götter! Mögen die Falken auch tot sein, noch über ihr Ende hinaus bringen sie nichts als Schmerz und Leid. Freut dich das, Tyalo? Ich denke schon. Ich denke, du sitzt in Sithechs Hallen und lachst.
"Wenn du es wirklich willst, werde ich deine Zeugin sein." Hört sie sich selbst sagen und ihre Stimme klingt in ihren Ohren, als käme sie vom Grund eines tiefen Brunnens. Ihr Blick geht ins Feuer und die tanzenden Flammen verschwimmen vor ihren Augen. Ein kalter Hauch läßt sie frösteln, obwohl keines der Fenster geöffnet ist. Ist das eine Vorbote kommender Ereignisse? Oder nur ein Vorgeschmack auf den nahenden Winter? Das leise Klappern von Geschirr dringt an ihr Ohr und reißt sie aus ihren melancholischen Gedanken. "Ich glaube, das Essen ist bereit," murmelt sie und steht auf.  "Kommt, gehen wir hinüber zu den anderen. Ich bin hungrig, und ihr seid es auch. Gildin, gebt uns die Ehre und speist mit uns." Sie schenkt Arwens Bruder ein schwaches Lächeln, aber in ihren Augen spiegeln sich noch immer ihre düsteren Gedanken.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 21. Nov. 2003, 23:17 Uhr
Als sie ihn mit Brynden hereinkommen sieht, blickt sie fast verwirrt auf, aber dann breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie strahlt ihn an. "Caewlin!" Er sieht auf sie hinunter, streicht eine silberne Haarsträhne von ihrer Nase und sie lehnt sich an ihn, spürt im nächsten Augenblick seinen Arm um ihre Schulter. Sie legt ihre Wange an seine Brust und schlingt die Arme um seine Taille. Für einen langen Augenblick ist jedes Essen und alle Tische der Welt vergessen. "Ist die Wunde gut verheilt? Hat Morgana die Fäden gezogen?" Sie blickt zu ihm auf, so gewöhnt an seine Größe, daß sie ganz unbewußt weiß, wie weit sie den Kopf zurücklegen muß, um in sein Gesicht sehen zu können. Bryndens Fingerchen verfangen sich in ihren Haaren - wie immer genießt er es, von der luftigen Höhe von Caewlins Arm aus auf sie hinunterzusehen. Er nickt und sie  tritt nur widerwillig einen kleinen Schritt zurück, ohne ihn dabei wirklich loszulassen. Dort, wo eben noch sein Arm ihren Nacken berührt hatte, prickelt ihre Haut. "Können wir nach Hause gehen? Bald... heute noch?" Sie sieht zu ihm hoch und nimmt ihm Brynden ab, setzt ihren Sohn seitlich auf ihre Hüfte. "Ninianes Baum ist wundervoll und... und wenn du noch nicht kräftig genug bist, dann bleiben wir noch hier, aber ich möchte nach Hause Caewlin. Brynden braucht seine vertraute Umgebung und  ich... ich.. will..." Ich will mit dir allein sein. Ich will wieder in unserem eigenen Bett schlafen. Ich will...
Sie senkt den Blick und sieht auf seine Beine und Füße hinab, bis er ihr Gesicht anhebt. Das Glitzern in seinen Augen läßt ihr Herz schneller schlagen. "Ja..." flüstert sie und Röte überzieht ihre Wangen und ihre Nase. "Ja...das ist auch ein... ein Grund."  

Morgana, die den Tisch aufgedeckt hatte, kommt wieder in die Küche und Calyra ist plötzlich froh, daß Caewlins breiter Rücken jede Sicht auf sie verdeckt. Die Heilerin hätte ihr all ihre Gefühle von ihrer Nasenspitze ablesen können, und dieser Gedanke läßt sie noch mehr erröten. Ihre Wangen glühen, als wäre sie zu nahe am Feuer gesessen und plötzlich fällt ihr ein, daß all diese Elben ja in ihren Gedanken lesen könnten wie in einem offenen Buch. Oh je... oh nein... was mache ich nur... ach du lieber Himmel... Am liebsten wäre sie jetzt in einem Mäuseloch verschwunden, wenn nur irgendwo eines zur Hand gewesen wäre. Angestrengt mustert sie die glänzenden Bodenfliesen, während Morgana sich hinter ihnen am Herd zu schaffen macht und die Fleischpastete aus dem Ofen holt, bevor diese noch anbrennt. Sie beißt sich auf die Zunge. "Ich helfe besser Morgana." Sie reicht Caewlin Brynden zurück und dreht sich beinahe abrupt um und von ihm weg. Sie nimmt das Gemüse vom Feuer, füllt es in bereitgestellte Schüsseln und hört in ihrem Rücken Caewlins leises, dunkles Lachen, als er sich umdreht und mit Brynden ins Esszimmer hinübergeht.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 21. Nov. 2003, 23:37 Uhr
Morgana lächelt still vor sich hin, als sie die Küche wieder betritt und sich daran macht die Pastete aus dem Ofen zu holen. Die Stimmung, die in der Küche herrschte war zu eindeutig, doch es stört sie keineswegs und sie kann es Calyra gut nachempfinden. Geruhsame Stunden und traute Zweisamkeit hatte sie mit Lyn auch schon seit einiger Zeit nicht mehr genossen, es gab immer etwas zu tun und da war es nicht leicht ein paar Momente für sich alleine zu haben.

Sie ist so in ihren eigenen Gedanken versunken, das sie die heisse Form fast ohne Schutz angefasst hätte,rechtzeitig zieht sie ihre Finger noch zurück, ehe sie sich verbrennen kann und nimmt zwei grobe Leinenlappen um die Form anzufassen. Calyra kümmert sich inzwischen um das Gemüse auf dem Herd und noch immer liegt eine leichte Röte auf ihrem Gesicht. Ein leises Lachen ist von Caewlin zu hören, während er mit Brynden die Küche verlässt. Morgana tritt zu Calyra an den Herd. "Kommt, lasst uns das Essen ins Esszimmer bringen, ihr wart zu lange in der warmen Küche, eure Wangen glühen ja schon durch die Hitze vom Herd." Fast hätte Morgana Calyra zugezwinkert, aber sie will die Bardin nicht noch mehr in Verlegenheit bringen und so lässt sie es. Morgana greift nach den Pasteten , die sie auf einem grossen reich verzierten hözernen Tablett aufgereiht hat, und geht so beladen ins Esszimmer zu den anderen. Lupin, obwohl er eigentlich von dem Kanninchen satt sein müsste, folgt ihr auf Schritt und Tritt in der Hoffnung, das Morgana doch vielleicht eine klitzekleine Pastete fallen lässt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 22. Nov. 2003, 09:33 Uhr
Kein Wort kommt über seine Lippen, als er zusieht, wie Niniane sich zu seiner Schwester kniet. Er kann spüren, wie Gedanken zwischen den beiden Frauen hin und her wandern, auch wenn er sie nicht versteht. Sein Blick wandert im Raum umher, über Möbel in geschwungenen Formen, die aussehen, als seien sie so gewachsen, über die dunklen Blätter der Orchideen, die sich sacht in der warmen Luft des Kamins wiegen und aus dem Fenster hinaus, das die Form eines Blattes zu haben scheint.

Als er die Worte hört, die die Halbelbin spricht, weiss er, welche Gedanken zwischen den beiden Elbinnen ausgetauscht wurden, und der Klang ihrer Stimme passt zu dem dumpfen Gefühl, dass sich in seiner Brust ausbreitet wie die dunklen Wolken eines Hagelsturmes. Anukis, steh deiner Dienerin bei... gib ihr die Kraft das alles durchzustehen... Und hilf mir, das alles unserem Vater beizubringen.

"Die Ehre mit den Freunden meiner Schwester zu speisen, liegt ganz bei mir."

Der Duft frischer Fleischpasteten und von Gemüse zieht bereits mehr als deutlich durch den Baum, und macht ihm deutlich bewusst, dass er seit Tagen nicht mehr als die knappe Reisekost zu sich genommen hat. Und auch am heutigen Morgen waren es nur wenige Bissen gewesen.

Gildin erhebt sich aus seinem Sessel und geht zu seiner Schwester um sie wieder hochzuheben und in das Esszimmer zu tragen. Doch in dem ihr eigenen Strenge gegen sich selbst, hat sie bereits die Decke zur Seite geschoben und stemmt sich mühsam aus dem Sessel hoch. Er kennt sie, also versucht er gar nicht erst, es ihr auszureden selber gehen zu wollen, sondern tritt nur an ihre Seite und stützt sie auf dem kurzen Weg hinüber in das andere Zimmer. Der Tisch ist bereits gedeckt, und die zwei Frauen, die er vorhin kurz in der Diele sah, tragen Teller und Platten mit den Pasteten und dem Gemüse auf den Tisch. Ein Mann steht bereits in dem Zimmer, groß, größer als ein Mann sein sollte, mit einer auffälligen Narbe im Gesicht, langen Haaren und nur noch einer Hand. Das einschüchternde Bild eines Normanders, wäre da nicht das sanfte, halbe Lächeln, mit dem er auf das Kind in seinem Arm blickt.

Das muss dieser Caewlin sein, von dem Arwen sprach, der Nordlord, der Kalmir tötete

"Copria." grüsst er ihn , und die Worte sind ebenso respektvoll wie die Art in der er den Kopf neigt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 22. Nov. 2003, 14:48 Uhr
Morganas Worte sind sanft und die Heilerin liefert eine nachgerade perfekte Ausrede für ihr glühendes Gesicht gleich mit, doch da ist etwas Verschmitztes in ihrem Tonfall, das verrät, daß Morgana ganz genau weiß, woran sie eben gedacht hat. Sie senkt den Blick und beißt sich mit ihren Zähnen auf die Lippen, aber ihre Augen strahlen. Caewlins Lachen verursacht ein flaues Gefühl im Magen. "Ja, ahm...die... die Hitze vom...Herd." Sie sieht Morgana nicht mehr an, als sie ihr folgt, um das Gemüse ebenfalls ins Esszimmer zu tragen, und auch niemanden von den anderen, die sich nun um Ninianes großen Tisch versammeln. Erst als der Hochelb, Arwens Bruder, wie sie inzwischen weiß, Caewlin aufmerksam mustert und dann den Kopf neigt, blickt sie auf und irgendwie gelingt ihr sogar ein schüchternes Lächeln. Obwohl sie schon so lange mit Niniane, Arwen und auch Falcon befreundet ist, und auf der Hochzeit so viele Elben gesehen hatte, fühlt sie sich in ihrer Gegenwart immer noch ein wenig befangen. Sie decken den Tisch fertig auf und alle setzen sich. Morgana scheucht Lupin hinaus, der sich mit deutlich beleidigtem Gesicht, aber fügsam, zu Akira verzieht, die im Vorraum wo es kühler ist, einen Platz gefunden hat. Sie selbst sitzt zwischen Caewlin und Morgana,und nimmt Brynden auf ihren Schoß, während Niniane und die Heilerin das Essen verteilen. Es geht wenig förmlich zu - sie sind alle unter Freunden, und auch Gildin wird ohne Zögern mit in die vertraute Gemeinschaft einbezogen. Sommerwein und kühles Bier stehen bereit, Fleischpastete, gebackene Kartoffeln, geschmorte Pilze und in Butter gebratenes Gemüse, sowie frisches Brot. Jeder nimmt sich, reicht Brotkörbe und Schüsseln herum und sie füttert Brynden, während Caewlin ißt. Inzwischen ißt ihr Sohn fast alles am Tisch mit, es muß nur klein genug zerdrückt oder weich sein - seine ersten Zähne lassen immer noch auf sich warten. Mit halbem Ohr folgt sie den leisen Tischgesprächen um sie her, aber alles, woran sie denken kann, ist Caewlins Wärme neben ihr, auch wenn sie sich noch so sehr bemüht, sich auf anderes zu konzentrieren.  Ach, verflixt... denk an geschmorte Pilze... an diesen Gedanken klebt wenigstens kein Leim! Verstohlen mustert sie die anderen, vor allem Gildin, um sich irgendwie abzulenken. Der Elb ißt langsam, fast bedächtig und manchmal betrachtet er eine Speise lange, bevor er sie zum Mund führt - aber auch, wenn ihm das Menschenessen fremd erscheinen mag, es scheint ihm doch zu munden.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 22. Nov. 2003, 16:11 Uhr
Draußen ist es neblig- trüb und düster, als gehe der Tag schon bald wieder zu Ende, doch im Inneren des Baumes ist es warm und ein Dutzend schlanker Bienenwachskerzen spendet ihnen warmes, goldenes Licht. Leise Gespräche und Unterhaltungen gehen während sie essen hin und her und Niniane leert hungrig zwei Teller.

Mag in den letzten Wochen das Morgenmahl wegen ihrer ständigen Übelkeit auch meist ausgefallen sein, zur Mittagszeit hatte sich stets ihr Hunger gemeldet. Noch war sie schlank und man sieht ihr nichts an, aber das würde sich bald ändern. Ich habe bereits zugenommen... Manche ihrer Kleider spannen inzwischen deutlich über der Brust und auch nicht jedes Mieder läßt sich mehr schnüren. Sie bemerkt mit zufriedenem Lächeln, daß auch auf Arwens Wangen ein wenig Farbe zurückkehrt. Ihr Blick wandert über die Gesichter ihrer Freunde hinweg, als sie ihren Teller von sich schiebt und sich ein wenig zurücklehnt.

Cron neben ihr ißt noch und bricht mit seinen großen, dunklen Händen Brot. Arwen und Gildin auf ihrer anderen Seite unterhalten sich leise. Caewlin nimmt Calyra das Baby ab, damit auch die Bardin essen kann. Sie sitzen so dicht nebeneinander, daß sie sich fortwährend berühren,  und Morgana neben ihnen beendet wie sie gerade ihr Mahl und sieht sie an. "Wieder einmal habt Ihr uns geholfen," meint sie leise und lächelt die Heilerin an. "Ich weiß nicht, was wir täten, wenn wir Euch nicht hätten, Morgana."


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 22. Nov. 2003, 21:32 Uhr
Während des Essens wechselt Arwen leise Worte mit ihrem Bruder. Dass sie dabei mehrfach zwischen dem Shidar und der Gemeinsprache hin und her wechselt, bemerkt sie gar nicht. Sie will nicht mit ihm streiten, zu froh ist sie, dass er in ihrer Nähe ist. Aber seine Worte über die Dauer seines Aufenthaltes und die Wachen, die er bei ihr lassen will, oder soll, lassen ihr einfach keine Ruhe.

"Bitte, Gildin, ich will nicht streiten." Sie nimmt sich noch etwas von dem Brot, dass ihr Bruder ihr reicht. "Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du hier bist, und wie gerne ich dich länger hier in Talyra wüsste... Aber Vater muss erfahren, was sich hier ereignet hat. Und ich will nicht, dass er das alles von irgendeinem Boten erfährt, sei es nun Adler, Rabe oder Reiter. Ich möchte, dass er es von Dir erfährt" Sie legt ihre Hand kurz auf seine ehe sie weiterspricht. "Ich weiss, niemand ist gerne der Bote, der solche Botschaften überbringt. Aber wenn es ihm jemand sagt, und erfahren muss er es, muss er es bald, dann solltest du es sein. Erkläre du ihm, was geschehen ist, warum ich meine Ehe lösen lassen werde und in sein Haus zurückkehre... Und dass der Segen Carsais auf mir liegt, dass ich ein Kind erwarte."

Eine fast flehende Bitte liegt in ihrem Blick, als sie ihren Bruder ansieht. Und eine Weile liegt Schweigen zwischen ihnen. Doch es ist kein lastendes Schweigen, denn ihr Bruder hat mit einem Blick seiner Augen ihrer Bitte zugestimmt. Auch wenn sie ihm ansehen kann, wie ungern er diesen Gang antreten wird. Für einige Augenblicke wandern ihre Blicke über die an diesem Tisch zum Essen versammelten Freunde, und um Arwens Mund spielt für einen kurzen Moment so etwas wie ein Lächeln. Zaghaft nur, und das nicht nur, weil ihre Lippe noch immer nicht ganz verheilt ist.

"Und was die Wachen angeht,... Bitte nimm sie mit zurück nach Lomirion. Ich weiss, Vater hat es gut gemeint, aber...  Es gibt keinen Grund mehr, sie hier bei mir zu lassen, Gildin. Der einzige Grund, den es gab, verging im Feuer und der Wind hat die Reste der Asche verweht."

Arwen schiebt ihren Teller ein Stück von sich weg. Nach den letzten Tagen, in dene sie außer Kräutertränken nichts zu sich genommen, und der Brühe, die Niniane ihr vorhin gebracht hatte, ist ihr Magen mit fester Nahrung fast überfordert. Es ist nur ein kleines Stück von der Pastete, einige geschmorte Pilze und ein Stückchen Brot, was sie ißt. Und mit Erleichterung lehnt sie sich auf ihrem Stuhl zurück und legt ihre Hand unbewusst auf ihren Leib, dorthin, wo in ihr das Kind wächst. Und mir ist nicht übel geworden, Thrandar hatte recht, es legt sich irgendwann...

Gedankenverloren spielt sie mit dem Wasserglas, als sie überlegt, ob sie die Waldläuferin noch heute um ein Stück Pergament bitten soll, um die Urkunde aufzusetzen, mit der sie ihre Ehe für nichtig erklären würde. Dann könnte Gildin schon in wenigen Tagen aufbrechen und das Papier ihrem Vater mit nach Lomirion nehmen. Auch wenn man ihrden Inhalt ihrer Gedanken nicht am Gesicht ablesen kann, so ist doch leicht zu erkennen, dass es keine fröhlichen Gedanken sind, die Arwen beschäftigen. Den Gleichmut, der sonst ihre Gefühle und Gedanken aus ihrem Gesicht heraus hielt und ihr Gesicht oft unnahbar wirken ließ, den hat sie verloren.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 23. Nov. 2003, 12:53 Uhr
Leichte Röte steigt in Morganas Gesicht, als die letzten Worte der Protektorin gesprochen sind. "Ich mache nur meine Arbeit, wie alle anderen auch, die hier versammelt sind und wenn ihr mich nicht hättet, gäbe es sicherlich jemanden anderes, der meine Arbeit machen würde." Bei ihren letzten Worten liegt ein leichtes Schmunzeln auf Morganas Gesicht. Arwen hat das Essen über mit ihrem Bruder gesprochen, doch davon hat Morgana nicht viel mitbekommen, da Arwen immer wieder ins elbische abgeglitten ist, was Morgana nicht versteht. Als Arwen sich allerings zurücklehnt, ist ihr Gesicht ernst und traurig, gerade so als hätte sie einen schwerwiegenden Entschluss gefasst. Was immer es auch sein mag, es ist ihr nicht leicht gefallen , sich so zu entscheiden

Nachdem Calyra als Letze mit dem Essen fertig ist, hilft Morgana beim Abtragen des Geschirrs. Sie würde sich gerne noch einmal Arwens Verletzungen ansehen und dann den Weg nach Hause antreten. Sie weiss nicht wie es Lyn geht, der als sie ihn bei Nibrir verliess, noch nicht ganz erholt zu sein schien. Ein wenig macht sie sich Sorgen um ihn.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 23. Nov. 2003, 14:49 Uhr
Nachdem das Essen beendet ist, und sich nach und nach alle von ihren Plätzen erheben, erhebt auch Arwen sich von ihrem Stuhl. Sie spürt, wie ihre Beine etwas zittern, wie die wenigen Kräfte, die sie in den letzten Tagen zurückgewonnen hat, sich langsam erschöpfen. Aber es gibt da noch etwas, das ihr allen Worten Ninianes und Crons zum Trotz auf der Seele brennt.

Während Morgana und Calyra damit beschäftigt sind, das Geschirr aus dem Esszimmer in die angrenzende Küche zu bringen, ist Caewlin mit seinem Sohn wieder auf dem Arm an eines der Fenster getreten und beobachtet abwechselns seinen Sohn, der immerwieder versucht nach den Orchideenblüten zu greifen, die das Fenster umrahmen, und die treibenden Herbstnebel, die vom Ildorel bis zur Lichtung herauf ziehen.
Arwen löst sich von ihrem Bruder, der ihr beim Aufstehen geholfen hat, und geht zu dem Nordmann hinüber. Immer an der Wand des Raumes aus lebendigem Holz entlang wo sie sich jederzeit abstüt-zen könnte, sind ihre Schritte langsam und vorsichtig. Sie sieht Caewlin an, und in seinem Blick meint sie das selbe zu sehen, wie schon in Wegesend, sie sollte irgendwo sitzen und sich schonen und nicht hier herumlaufen.

Und dann steht sie vor ihm, sieht ihm in die Augen, und weiss nicht recht, wie sie anfangen soll. "Caewlin, es... ich..." Es gelingt ihr einfach nicht, die Worte zu finden, um auszudrücken, wieviel es ihr bedeutet, was er für sie getan und riskiert hat. Sie muss ihren Blick für einen Moment abwenden und sieht dabei seinen Sohn an. Das Kind, dass so überdeutlich an seinen Vater erinnert, und das um ihretwillen eben diesen Vater fast verloren hätte. Mühsam reisst sie ihren Blick von dem Kind los und sieht Caewlin wieder an. Und in seinen Augen kann sie sehen, dass er sie versteht, dass er weiss was sie sagen will, und dass man unter Freunden darüber keine Worte zu verlieren braucht. Und so kommt mit einer entschuldigenden Geste nur ein einziges leises Wort über ihre Lippen. "Danke."

Sie stehen noch einen Moment beieinander, als das Geschirrklappern aus der Küche verstummt und Morgana bei ihnen erscheint. Mit sanfter Bestimmtheit führt die Heilerin Arwen zurück nach oben in Ninianes Gemach, hilft ihr die Treppe nach oben, damit sie sich dort in Ruhe nochmal die Wunde an ihrer Seite ansehen kann.
Schweigend beobachtet Arwen, wie die Heilerin mit behutsamen Händen ihr aus Kleid und Unterkleid hilft und dann den Verband löst, den ihr Bruder ihr erst am Morgen angelegt hatte. Erleichtert registriert sie, dass Morgana lächelt und zufrieden nickt, nachdem sie die angetrocknete Kräuterpaste abgewaschen hat. Raschhat sie mit kühlen Händen eine grünliche Salbe aufgetragen, die einen angenehmen Geruch nach Frühling und Kräutern verströmt und die Wunde mit einem frischen Verband abgedeckt. Nachdem sie Arwen geholfen hat sich wieder anzukleiden, hält die sie zurück, ehe sie sich zusammen wieder auf den Weg zur Treppe und nach unten machen.

"Morgana, was ich gerne wissen möchte... Das Gift, Sechmeths Tränen... Was ist mit meinem Kind?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 23. Nov. 2003, 19:19 Uhr
Die Wunde von Arwen ist gut geheilt und auch ihre Lippe hat mittlerweile wieder normale Ausmasse angenommen, und nur noch leicht grünlich gelb schimmernde Flecken zeugen von den Prellungen und Verletzungen. Was allerdings Arwens Seele angeht, so wird die Heilung wahrscheinlich länger dauern, aber da kann Morgana selber nicht viel tun.

Morgana will gerade wieder nach unten gehen und sich von den Anderen verabschieden, immer mehr bedrängt von dem Gefühl, das sie zur Kate zurück sollte, als Arwen sie zurückhält und nach dem ungeborenen Kind fragt. Morgana dreht sich zu Arwen herum und ihr Blick ist ernst. "Ich werde es euch nicht mit Sicherheit sagen können, aber ich kann versuchen seine Aura zu fühlen." Morgana tritt an Arwen heran und legt ganz sacht ihre Hand auf Arwens Unterleib. Sie schliesst die Augen für einen Moment und öffnet sie dann wieder, die Augen nun auf einen Punkt auf Arwens Körper fixiert. Die Aura die Arwen selber umgibt, vermischt sich mit der des Kindes und es ist nicht leicht die Aura des Kindes klar zu sehen. Nach einigen Momenten nimmt Morgana die Hand weg und blickt Arwen an.

"Ich glaube ich kann euch beruhigen, soweit ich die Aura des Kindes sehen und spüren kann ist es in Ordnung. Kommt aber bitte zu mir, wenn ihr das Gefühl habt etwas stimmt nicht oder ist anders, als es sein sollte. Aber ich glaube nicht, dass das Gift dem Kind geschadet hat." Ein warmes Lächeln zieht über ihr Gesicht und sie hofft Arwen, damit wenigstens eine Sorge abgenommen zu haben, die auf Arwens Herz lastet wie ein dunkler Schimmer.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 23. Nov. 2003, 19:19 Uhr

Brynden ist nach dem Essen, satt, warm und zufrieden, auf seinem Arm sehr still geworden und es dauert nicht lang, bis er anfängt zu gähnen und seinen Kopf an Caewlins Schulter zu legen. Er lehnt sich auf dem Stuhl zurück, findet eine bequemere Position und läßt seinen Blick über die Tafel schweifen. An Arwens Gesicht bleibt er hängen. Mehr als die verheilenden Prellungen und die verkrustete, aufgeplatzte Lippe berührt ihn der Ausdruck in ihren Augen. Sie sieht traurig aus. Verloren. Etwas an der scheinbar ganz belanglosen Geste, mit der sie ihre Hand auf ihren Leib legt, etwas in der Art, wie sich die Haut über ihren hohen Wangen spannt und ihr Blick, der sich für Augenblicke nur nach Innen richtet, lassen ihn genauer hinsehen. Er kennt diesen Blick. Sie ist schwanger.
Morgana und Calyra räumen ab, als Niniane die Tafel aufhebt und er zieht sich mit dem müden Brynden an eines der tiefgesetzten, runden Fenster zurück und sieht hinaus. Es dauert nicht lange, bis er am gleichmässigen, ruhigen Atmen seins Sohnes hören kann, daß dieser schläft. Seine Gedanken wandern zu Falcon und angesichts von Arwens Verlorenheit steigt Wut auf den Templer in ihm hoch. Falcon du Narr! Welcher Dämon der Hölle hat dich geritten, sie allein zu lassen und einfach zu verschwinden? Nach allem, was sie erlitten hat und noch dazu in ihrem Zustand? Er kann nicht sagen, was er mit dem Anukistempler anstellen würde, hätte er ihn jetzt vor sich. Warum war Falcon nicht nach Vinyamar geritten? Warum war er nicht hierher gekommen? Wo war er jetzt? Daß der Templer sich die Schuld an den Vorfällen gibt, ist ein Gedanke, den er zwar nicht begreifen, aber noch irgendwie nachvollziehen kann. Daß er aber jetzt ohne auch nur ein Wort nicht nur von Arwen, sondern von ihnen allen fernbleibt, als wären sie fremd und gingen ihn nichts an, daß kann und will er beim besten Willen nicht verstehen. Er ist so in Gedanken, daß er Arwen erst bemerkt, als sie ihn schon fast erreicht hat. Er sieht die Mühe, die es die Elbin kostet, sich auch nur zu bewegen und schüttelt fast unmerklich den Kopf. Sie sollte überhaupt nicht herumlaufen... Er will schon den Mund öffnen, um ihr etwas in dieser Richtung zu sagen, als sie ihn so bedeutsam ansieht, daß er schweigt. Sie ringt sichtlich mit den Worten und das läßt ihn fast lächeln, aber dann schüttelt er nur den Kopf. Sie muss ihm nichts erklären, nichts sagen und nicht danken - auch wenn sie es schließlich doch tut. Als Morgana aus der Küche kommt, und Arwen nach oben bringt, tritt auch Calyra zu ihnen. Einen Moment sehen sie beide der Elbin nach, tauschen dann einen Blick und er legt seinen freien Arm um Calyras Schultern. "Gehen wir nach Hause."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 23. Nov. 2003, 21:22 Uhr
"Caewlin, sie tut mir so leid," flüstert sie, als Morgana Arwen nach oben bringt. Sie lehnt sich an ihn und sieht zu ihm hoch. "Ja... gehen wir nach Hause. Ich muss nur unsere Sachen zusammenpacken und die Pferde satteln. Behälst du Brynden so lange für mich?" Er nickt und sie geht zu Niniane, Cron und Gildin Lyrisdor hinüber, die noch am Tisch sitzen. "Wir werden nach Hause zurückkehren, Niniane. Ich möchte nur noch einmal... nun ja, danke sagen." Sie sieht der Waldläuferin in die Augen, die wie aus geschmolzenem Gold scheinen und lächelt. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wenn Ihr irgendetwas braucht... oder wir irgendetwas für Euch tun können, dann laßt es mich wissen." Niniane nickt nur, Cron erwidert ihr Lächeln und der Elb mustert sie aus ausdruckslosen Katzenaugen, doch sie meint, daß er leicht den Kopf neigt. Nervös unter diesem alterslosen Blick nickt auch sie und verläßt dann das Esszimmer, um Caewlins, Bryndens und ihre eigenen Sachen zusammenzupacken. Sie hatte einiges von Zuhause geholt, und so füllen sich die Satteltaschen Halbmonds und des Grauen zusehends schon allein mit ihren Kleidern, mit Windeln und Spielzeug. Dazu kommt noch das, was Caewlin als Beute mit aus Wegesend zurückgebracht hatte, seine Schlafpelze, Rüstung, Waffen und alles, was er damals mit genommen hatte. Ein kleiner Berg wächst an und sie fragt sich verzweifelt, wie sie das alles nur auf zwei Pferde laden soll, bis sie sich kopfschüttelnd sagt, daß sie das kurze Stück den Strand hinunter bis zu ihnen nach Hause ja nicht unbedingt reiten mußten. Sie geht hinaus und sattelt die Pferde, die beide geduldig in der herbstlichen Kälte schnauben. Allein der Sattel des Grauen ist so schwer, daß sie ihn nur mit Mühe und halb auf eine der Wurzeln kletternd auf den Rücken des riesigen Pferdes bringt. Als sie ihn endlich oben hat, und alle Gurte festgezurrt sind, glänzt ihr Gesicht vor Schweiß. "Du Elefant von einem Pferd!" Sie klopft ihm den Hals und wirft die Zügel über seine Kruppe. Sie hat noch nie einen Elefanten gesehen, aber sie hat Geschichten gehört und in allen heißt es, sie wären riesengroß - und grau. Über ihren gedanklichen Vergleich grinsend trägt sie all ihr Gepäck und die schweren Satteltaschen nach draußen, beläd die Pferde und kehrt dann in den Baum zurück, um Caewlin und Brynden zu holen. Sie legt ihren pelzgefütterten Winterumhang an, hüllt Brynden in seine Kapuze aus Vielfraßfell und eine weiche, warme Pelzdecke und wartet, bis auch Caewlin sich angekleidet hat... und dann kommt der Moment des Abschieds. Dieser Baum war ihnen schon mehr als einmal Zuflucht, hier kam ihr Sohn zur Welt und Ninianes Haus würde vermutlich für alle Zeit das heimeligste sein, das sie sich nur denken kann. Sie stehen im Durchgang zum Esszimmer und nehmen Abschied von Niniane, Cron und Arwens Bruder, die sich alle erhoben haben, um sie zur Tür zu bringen. "Richtet Morgana und Arwen unsere Grüße aus, und der Heilfrowe gebt bitte das." Calyra nestelt einen kleinen Lederbeutel von ihrem Gürtel, gleich neben den Schlüsseln des Seehauses. Er enthält klingendes Silber - auch eine Heilerin kann nicht nur vom Dank ihrer Schützlinge leben. Sie umarmt Niniane, vorsichtig, da sie den schlafenden Brynden im Arm hält, neigt vor dem Elben den Kopf und strahlt Cron an, der sie ebenfalls kurz in den Arm nimmt. "Besucht uns bald im Seehaus. Auch Arwen und Morgana sind jederzeit willkommen - oder Ihr, Gildin, wann immer Ihr in der Stadt seid." Ihre Zunge verhaspelt sich mit dem fremdartigen Namen und sie ist sich keineswegs sicher, ihn richtig ausgesprochen zu haben, aber sie sieht ihn lächeln. Sie nicken allen nocheinmal zu und Niniane bringt sie noch zur Tür - und dann verlassen sie endgültig den Baum der Waldläuferin. Calyra winkt noch einmal, Caewlin nimmt den Grauen und Halbmond am Zügel, und sie verlassen langsam die Lichtung über die kurze Böschung in Richtung Strand hinab.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 23. Nov. 2003, 21:24 Uhr
Das, was die Heilerin ihr über das Kind sagt, lässt auf Arwens Gesicht zum ersten Mal seit Tagen ein ehrliches Lächeln erscheinen, ein erleichtertes Lächeln. Wenn dem Kind nun auch noch etwas zugestoßen wäre, das hätte sie nie ertragen.
Zusammen mit Morgana macht sie sich auf den mühsamen Weg, die Treppe wieder hinunter zu den anderen. Anders als vorhin mit ihrem Bruder ist sie nun fast am Ende ihrer Kräfte, und es geht nur mühsam und sehr langsam. So wie an jenem Tag, als sie aus dem eisigen Schlaf des Giftes erwacht war und Morgana ihr hinaus zuden heißen Quellen geholfen hatte. Als sie endlich unten am Fuß der Treppe angekommen sind, kann sie spüren, wie ein leiser Schauer die Heilerin durchläuft und die sie fast entschuldigens ansieht, als sie Arwens Arm loslässt und nach ihrem Mantel greift. Die Frau murmelt etwas von "da stimmt was nicht" und "ich habe ein ungutes Gefühl" und verschwindet überraschend plötzlich mit einem hastigen Gruß aus der Tür, die sich lautlos für sie öffnet.

Alleine schafft Arwen irgendwie die restlichen Schritte in das Kaminzimmer und dort bis zu dem Sessel, wo sie vorhin auch schon gesessen hatte. Erschöpft lässt sie sich in den Kissen nieder und zieht die Pelzdecke an sich. Es dauert nicht lange, bis ihr Bruder bei ihr erscheint und sie besorgt ansieht. Es braucht keine Worte zwischen ihnen, sie weiss, was er meint.

"Ich weiss, Gildin. Ich werde mich auch zur Ruhe legen. Aber nicht jetzt, gleich, jetzt muss ich erst noch etwas erledigen. Kannst du bitte Niniane holen und sie um Pergament und Tinte bitten? Und um Siegelwachs? Sie wird es bezeugen und besiegeln, dass... dass-"

Arwens Stimme bricht ab, aber ihr Bruder weiss auch so, was sie meint, sie kann es an seinen Augen sehen als er kknapp nickt und in das Nebenzimmer geht, wo Ninianes Stimme zu hören ist. Es dauert nicht lange, bis er mit ihr zurückkehrt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 23. Nov. 2003, 22:24 Uhr
Niniane bringt Calyra und Caewlin noch zur Tür und sieht ihnen nach, bis sie die Lichtung verlassen haben. Auch Morgana verabschiedet sich reichlich überstürzt und hastig, murmelt noch etwas von "muss zur Kate" und ist auch schon fort, ehe Niniane noch irgendetwas sagen kann, außer "Khel Dar". Sie kann ihr gerade noch Calyras Silber in die Hand drücken, da ist die Heilfrau auch schon zur Tür hinaus. Eigenartige Ruhe herrscht mit einem Mal in ihrem Baum, und sie atmet einmal tief ein, als Gildin zu ihr tritt. Er muss nichts sagen - sie kann an seinen Augen sehen, was er möchte und von wem die Bitte kommt. "Natürlich... ich werde alles vorbereiten. Bitte wartet im Kaminzimmer auf mich, es wird nicht lange dauern."
Nachdenklich geht sie nach oben, tritt an ihren Schreibtisch im Botanikum und setzt seufzend das Schreiben auf. Ihr ist alles andere als Wohl dabei, aber sie muß Arwens Wunsch akzeptieren. Es ist ihr Recht, so zu handeln und sie weiß, daß die Hochelbin diesen Plan nicht aus einer Laune heraus gefaßt hat.
Die Feder kratzt schabend über das feine Pergament und Niniane verbietet sich jedes Urteil. Arwen ist ihr eine gute Freundin geworden, Falcon hatte ihr einen Eid geschworen und...
Das Schreiben ist fertig. Sie streut Löschsand darüber, sucht Schreibfedern, Siegewachs und Siegel und eine Phiole mit Tinte so rot wie Blut. Einen Moment starrt sie noch auf die Urkunde, die Arwens und Falcons Ehe annulieren würde, als habe sie niemals existiert, dann nimmt sie alles mit sich hinunter und kehrt zu den beiden ins Kaminzimmer zurück. "Ich habe alles hier. Es ist aufgesetzt und bereit.  Der Brautpreis geht vollständig an Falcon zurück, die Brautgabe an Tianrivo Morgenstern oder an dich. Arwen... du mußt nur noch mit roter Tinte unterzeichnen - wenn es dein Wunsch ist... ebenso wie Gildin und ich selbst als Zeugen." Sie legt der Elbin die Urkunde vor, damit diese sich das Schreiben in Ruhe durchlesen kann und zieht sich an die Fenster zurück. Hier wachsen keine Orchideen, doch seidene Teppiche schmücken die Wände... nur Niniane hat keine Augen für ihre Schönheit oder die Geschichten, die sie in verschlungenen Bildern erzählen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 23. Nov. 2003, 23:03 Uhr
Niniane ist schon bald zusammen mit Gildin bei ihr zurück im Kaminzimmer, mit der aufgesetzten Urkunde, Federn, Tinte und Siegel. Ein Kloss sitzt in Arwens Hals und schnürt ihr die Luft ab, und Tränen lassen ihre Augen silbrig glänzen. Eine Weile kann sie die Tränen auch zurückhalten, doch dann reicht die Kraft nicht mehr, kann sie gegen sich selbst nicht so hart sein, wie es früher oft war. Wortlos greift sie nach Feder und Tinte, und während ihr stumme Tränen über die Wangen rinnen, setzt in den verschnörkelten Runen, Punkten und Linien ihren Namen unter die Urkunde und reicht sie ihrem Bruder und Niniane weiter, die beide ihre Namen dazu setzen und ihre Ringe in das weiche Wachs der Siegel drücken.

"Mein Vater soll entscheiden, was mit der Brautgabe wird, ob er sie zurückholt oder sie bei mir lässt." Sie sieht den Blick Ninianes, und muss den ihren kurz abwenden, ehe sie dem Blick aus honiggoldenen Augen standhalten kann. "Manche Träume sollten Träume bleiben, sie sind von den Göttern nicht dazu bestimm, wahr zu werden. Und wenn sie es doch werden, bringt es nur Leid und Trauer," flüstert sie, und es kostet sie alle Kraft, nicht in krampfhaftes Weinen auszubrechen, als sie den schmalen silbernen Siegelring mit dem Stern vom Finger zieht, den sie bis zu diesem Augenblick noch immer getragen hat.

Sie müde und erschöpft, nicht nur körperlich. Und als sie Gildin den Ring reicht, hält der ihre Hand fest und sieht sie prüfend und besorgt an. Ohne sie weiter zu fragen oder auf ihren schwachen Proteste einzugehen wickelt er sie in eine Decke und hebt sie hoch. Mit sanfter aber bestimmter Stimme erklärt er Arwen, dass er sie jetzt nach oben bringen würde, wo sie ruhen solle. Und dass er nach Vinyamar zurückkehren würde. Er würde am nächsten Morgen wiederkommen und sie dann auch zurück zum Ulmenanwesen bringen; heute sei sie dazu noch zu schwach.

Wie Recht ihr Bruder hat, bekommt Arwen schon nicht mehr mit, denn noch ehe er die oberste Stufe der Treppe erreicht hat, ist sie in Trance hinüber geglitten, holt sich ihr Körper die Ruhe die er braucht. Gildin bettet sie in die Decken und Kissen un dkehrt schon bald zu Niniane zurück, die noch immer die Urkunde in Händen hält. Er verabschiedet sich von ihr und dem Nordmann während er Schwert und Mantel wieder anlegt, und dann verlässt auch er den Baum um zu Pferde zum Ulmenanwesen zurückzukehren.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 24. Nov. 2003, 09:48 Uhr
Während Niniane und die beiden Elben sich ins Kaminzimmer zurückziehen, geht Cron nach draußen, um die Pferde zu versorgen. Er gibt neues Heu in die Raufen, füllt die Tränken und striegelt ihnen den gröbsten Dreck aus dem Fell. Auch als er fertig ist, bleibt noch zwischen den warmen, großen Pferdeleibern in der Kälte draußen und beobachtet nachdenklich, wie sein Atem als weiße Dunstwolken aufsteigt. Es ist düster, neblig und grau und so dunkel, als dämmere es bereits. Donner reibt seinen Kopf an seiner Schulter und sucht in den Taschen seiner Tunnika nach trockenem Brot oder anderen Leckereien, doch er hat nichts bei sich und zeigt dem Hengst seine leeren Hände. "Sei nicht so verfressen."  Es ist leer geworden im Baum, seltsam ruhig nach all dem Trubel der letzten Tage - zumindest Brynden hatte immer irgendjemanden beschäftigt gehalten und auch Arwen würde bald nach Vinyamar zurückkehren. Als Gildin, ihr Bruder, den Baum verläßt und sein Pferd holt, das etwas abseits von den anderen angepflockt war, hebt Cron die Hand zum Gruß und der Elb erwidert den Abschied auf gleiche Weise. Nur das Pferd von Morganas Gehilfin, Shur und Shunja, Arwens grauer Hengst und Falcons Rappe sind nun neben Donner, Phelans kleinem Pferd und Anarvendis, Ninianes Jagdstute, noch hier. Wo der Waldläufer abgeblieben war kann er beim besten Willen nicht sagen. Wahrscheinlich ist er wieder jagen...
Er kehrt in den Baum zurück und findet eine sehr stille Niniane im Kaminzimmer. Noch immer hält sie einen Bogen Pergament in der Hand. Er ist mit schwarzer Tinte in elbischer Schrift geschrieben, mit roter Unterzeichnet und trägt dicke, rote Siegel. In einem erkennt er den Adler der Mitarlyrs, das andere zeigt eine flammende Sonne über Horn und Schild. Sein Blick wird fragend und Niniane erklärt ihm leise, daß Arwen die Ehe mit Falcon hatte annulieren lassen. Er tritt an den Kamin und legt ein Scheit Holz nach - mehr um irgendetwas zu tun, als daß es nötig gewesen wäre. "Das geht... einfach so?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 24. Nov. 2003, 10:42 Uhr
"Nach elbischem Recht kann eine Ehe innerhalb des ersten Jahreslaufes jederzeit aufgelöst werden...." murmelt sie. Sie rollt das Pergament auf und schiebt es in ein Lederrohr, das sie sorgsam verschließt und ebenfalls versiegelt. "Ich lege es für Arwen zu ihren Sachen nach oben... Sie will morgen nach Hause, nach Vinyamar gehen." Sie sieht ihn an und weiß, daß er das gleiche denkt, wie sie selbst: es würde still werden in ihrem Baum. Caewlin und Calyra waren bereits aufgebrochen, Arwen würde morgen gehen. Nur Phelan blieb ihr Gast, doch den Waldläufer bekommen sie kaum zu Gesicht. "Wir sollten Wintervorräte besorgen in den nächsten Tagen und uns darum kümmern, daß die Pferde einen Stall bekommen."  Vielleicht haben wir dann wieder ein wenig mehr Zeit... Zeit innezuhalten und alles Geschehene zu betrachten... Sie setzt sich vor das wärmende Feuer auf die weichen Felle am Boden. "Wer ist eigentlich dieser Galrin, den Morgana erwähnt hat? Du scheinst ihn zu kennen."
Cron setzt sich zu ihr und erzählt ihr von dem Schiffsbauer Galrin Ragnarsson aus Corwyness und seinem Windschiff... und davon, daß er anscheinend nun in Talyra wieder eines gebaut hatte. Eine ganze Weile bleiben sie vor dem Feuer sitzen und sie lehnt sich an ihn, während sie sich unterhalten. Der Rest des Nachmittag vergeht mit alltäglichen Arbeiten: dem Leeren der Kohlebecken, dem Hacken von Feuerholz, Aufräumen, Auslüften und Saubermachen. Die alte Mogbar, die mit ihrem kleinen Ponywägelchen alle Woche einmal herauskommt, um Ninianes Wäsche abzuholen und die frische zu bringen, erscheint wie immer pünktlich und ist hocherfreut, diesmal jemanden anzutreffen (und weniger erfreut über das viele eingetrocknete Blut in den dreckigen Hemden und Leinenverbänden, aber derlei ist sie von dieser seltsamen Elbin ja schon fast gewohnt). Sie hält einen kleinen Schwatz mit der Waldläuferin und Niniane erfährt den neuesten Klatsch und Tratsch, der in Talyra gerade die Runde macht. Vieles von dem, was sie hört, belustigt sie, anderes ist eher beunruhigend - sie gibt nicht viel auf die Gerüchte, allesamt aufgebauschte Geschichten - aber manchmal enthalten sie auch ein Körnchen Wahrheit und auf die kommt es ihr an.  Soso, denkt sie bei sich, als die Wäscherin mit zwei Säcken voller Schmutzwäsche und einem Beutel klingelnder Kupferlinge auf ihrem kleinen Wagen davonzuckelt. Borgil wollte also Ukko erwürgen und Shamil arbeitet jetzt für den Zwerg. Olyvar wird gegen die Narge ziehen und Ieras hat etwas mit diesem Schmiedemädel... Kaa... Kee..., nein Kea war ihr Name. Ein Faun ist in der Stadt gesehen worden, die Roßsteins haben zwei Waisenkinder aufgenommen, dieser Ragnarsson hat tatsächlich ein fliegendes Schiff gebaut und Morholdrim ist wieder in der Stadt... wenn DAS keine Neuigkeiten sind... Mit einem amüsierten Katzenlächeln kehrt sie in den Baum zurück, während der schiefergraue Spätnachmittag draußen inzwischen einem frühen Abend entgegendunkelt. Cron sieht noch einmal nach den Pferden, sie selbst nach Arwen, die in tiefer Trance oben ruht und dann gehen auch sie beide zur Ruhe - in dem nun frei gewordenen Gästezimmer neben Phelans Raum, in dem Caewlin und Calyra geschlafen hatten.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Olyvar von Tarascon am 25. Nov. 2003, 22:37 Uhr

Vier Raben haben ihren Schlag hoch im Branturm der Steinfaust verlassen und überbringen mit raschem Flügelschlag Olyvars Botschaft: die Bitte, zu einer Unterredung in die Steinfaust zu kommen. Einer fliegt nach Norden in Richtung Smaragdstrand, zwei machen sich ins Seeviertel auf und einer dreht nach Süden ab, dorthin, wo das Langhaus und die Werft des Schiffbauers liegen. Der Rabe, der in den Norden geflogen war, hält direkt auf den mächtigen Baum der Protektorin des Larisgrüns zu und flattert krächzend in seine gewaltige Krone auf der Suche nach einem offenen Fenster, das ihm Einlaß gewähre. Auch seine Botschaft ist eine Ladung Olyvars zur Beratung am morgigen Tag in der Steinfaust - doch sie geht an Lady Niniane und Cron von Tronje.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Falcon am 25. Nov. 2003, 23:06 Uhr
Obwohl der Weg nicht weit ist, von den mächtigen Mauern der Stadt bis zum Baum der Waldläuferin erscheint es Falcon als einer der schwersten Wege die er jemals gegangen ist. Immer wieder huschen Bilder von Arwen durch seinen Geist, wie sie gemeinsam diesen Weg gegangen sind. Nur um dann wieder zu verschwimmen oder zu entwischen um einen Schatten zu Platz zu machen der meist die Gestalt eines hochgewachsen Elben mit Speer hat. Irgendwann ist dann aber auch dieser Spuk vorbei und er erreicht den mächtigen Baum der Protektorin, keine Schreckensbilder drängen sich in seinem Kopf, sobald er die Lichtung betritt sind sie wie fortgeweht. Wie gebannt schaut er auf den Baum, unfähig den Weg zu ende zu gehen, unfähig ihr unter die Augen zu treten um zu klären wozu klären er gekommen ist.  Niniane….Niniane ganz behutsam und vorsichtig sendet er seine Gedanken aus, weiß noch nicht mal ob sie wirklich in der Nähe ist. Kurz meint er eine ihm sehr vertraute Präsenz zu spüren Ein Platz wo sie sicher ist, ein Platz wo sie Ruhe und Erholung findet kommen ihm die Worte des Priesters in den Kopf, und plötzlich wird es ihm Schlagartig klar Sie ist hier, seine Frau ist im Baum bei Niniane
Unruhig blickt er sich um, sucht Schutz unter einem nahen Baum und verbirgt sich im Schatten.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 26. Nov. 2003, 22:53 Uhr
Niniane erwacht in der Dunkelheit der Nacht und der Wärme von Crons Armen. Was war das...? Falcon? Hier?
Leise und vorsichtig, um ihren schlafenden Gefährten nicht zu wecken, verläßt sie das Bett, schlingt ihr Haar im Nacken zu einem lockeren Knoten und schlüpft in Crons Hemd - es ist das einzige Kleidungsstück, das griffbereit liegt und reicht ihr ohnehin fast bis an die Knie. Sie greift noch nach einer Decke aus fuchsrotem Eichhörnchenfell, schlingt sie sich um die Schultern und verläßt lautlos wie ein Schatten ihren Baum. Auf der Treppe bleibt sie stehen und ihre Augen schweifen golden über die Lichtung. Falcon? Sie entdeckt ihn, halb verborgen hinter einem Baumstamm und geht langsam und barfuß durch die wispernden Rainfarnwedel auf ihn zu. Er sieht fürchterlich aus, selbst das wenige, was sie von ihm unter Umhang und Kapuze sehen kann. Schlechtverheilte Prellungen verunzieren sein Gesicht und er ist bleich wie der Tod. Nur seine Augen unter den Schatten der Kapuze glühen. "Falcon Lyr'Aris, warum verbergt Ihr Euch vor mit im Schatten?"  Sie tritt noch näher, bis sie vielleicht noch eine Armlänge von ihm entfernt ist und ihre Augen sind dunkel jetzt und voller Mitgefühl. "Kommt, Falcon. Dort hinten ist ein alter, umgestürzter Baum voller Moos und Herbstlaub. Es ist kein fürstlicher Sitz, aber es ist besser, als mit nackten Füßen im kalten Rainfarn zu stehen. Setzen wir uns dorthin." Sie führt den Elben einige wenige Schritt in den Wald zurück und setzt sich auf die vermodernde Blutbuche. Die Blätter sind so dunkel und rot wie geronnenes Blut, aber das Moos ist noch grün und weich wie Kissen. Irgendwo ruft leise ein Käuzchen auf der Jagd und kleine Tiere rascheln durchs Unterholz - doch sonst flüstert in ihrem Wald nur der Nebel.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Falcon am 27. Nov. 2003, 00:01 Uhr
Er spürt sie mehr als das er sie sieht, die Protektorin des Waldes. Wie eine Waldfee gleitet sie fast auf ihn zu und spricht ihn sanft an. Fast überkommt ihm Angst, wieso weiß er selber nicht, doch ihre nähe weckt in ihm wieder die Szenen in Wegesend. „ Ich verberge mich nicht vor euch Niniane“ sagt er leise. Schweigend folgt er der Halbelbin zur Blutbuche und setzt sich nachdem sie Platz genommen hat. „ Mir steht auch kein Fürstlicher Sitz zu“ raunt er niedergeschlagen und blickt sich über die Schulter, zurück zum Baum. Zuerst weicht er ihrem Blick aus, der fragend auf ihm liegt. Ihre Bernsteinfarbenden Augen die ihm tief in die Seele blicken könnte er jetzt nicht ertragen. Ganz leise, wie zu sich selbst spricht er dann „ Ich habe versagt Niniane...“ und dann erzählt er seine Geschichte. Erzählt von ihrem Picknick und seiner Idee in Wegesend zu Übernachten. Von ihrer Gefangennahme und den Qualen im Gewölbekeller, aber nicht nur von den Körperlichen. Auch von den Seelischen, von den Einflüsterungen seines Vaters. Von den Zweifeln die ihm seither plagen, und von seinem Fehler in den Wald zu laufen. „ Sie wird mir nie verzeihen Niniane...ich spüre das! Ich habe sie einmal zu oft verlassen, ich sah es in ihren Augen, als ich durch die Türe ging und euch alle verließ.“ Kurz schaut er auf „ Ich habe ihr Herz gebrochen...kannst du das Verstehen? Ich kann ihr nicht mehr unter die Augen treten, nicht jetzt und nicht hier.“ Er deutet auf den Baum „ Sie ist hier, nicht?“
Zaghaft umfasst er ihre Hand „ Ich bin gekommen um euch zu sagen das ich Talyra verlasse, ich werde in das Mondsichelgebirge zurück kehren.“ Und dann schaut er ihr doch in die Augen „ Ich danke euch für das was ihr für uns gewagt habt.“

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 27. Nov. 2003, 20:19 Uhr
Niniane hört Falcon schweigend zu und auch nach dem der Anukistempler geendet hat, dauert ihr Schweigen an. Es dauert so lange, daß die Dämmerung fahl über den Ildorel im Osten zu kriechen beginnt. Noch ist es nicht mehr als ein blaßgrauer Schimmer, aber in ein paar Stunden würde die Sonne aufgehen. Der Nebel wird noch dichter. "Ja, Arwen ist hier." Antwortet sie schließlich. Dann steht sie auf, die Felldecke dicht um die Schultern geschlungen und obwohl sie nur mit dem Hemd ihres Geliebten bekleidet ist, ihr Haar unordentlich im Nacken zusammengeschlungen hat und ihre Füße kalt und bloß und voller totem Laub sind, sieht sie so groß und königlich aus, als stünde sie im Gewand einer Hohepriesterin oder in den Farben des Hauses Relavendis vor ihm. "Und Ihr habt ihr Herz gebrochen. Sie hat die Auflösung Eurer Ehe erwirkt, Falcon." Sie sieht, wie ihre Worte ihn treffen, sieht, wie er sich halb umwendet, doch ihr Blick hält ihn an seinem Platz. "Ihr werdet bleiben und mir zuhören, Falcon. Meine Worte werden Euch Schmerz bringen, aber vielleicht auch Erkenntnis und am Ende werdet Ihr einen neuen Weg beschreiten. Ihr müßt Falcon." Sie blickt ihn beschwörend an und holt tief Luft, während Falcon sie aus Augen, grün wie Rainfarnblätter, anstarrt und sichtlich um seine Selbstbeherrschung ringt - doch dann nickt er. "Vielleicht wird sie Euch eines Tages verzeihen können und ihr findet einen neuen Weg, miteinander umzugehen. Aber ihre Liebe für Euch wurde zu tief verletzt, das ist wahr. Sie wird nie wieder die sein, die sie war. Vielleicht war es euch beiden auch niemals bestimmt, weiter als bis hierher gemeinsam zu gehen, ich vermag es nicht zu sagen. Arwen wird in das Haus Mitarlyr zurückkehren und Euren Namen ablegen. Ihr kennt die elbischen Gesetze: Euere Ehe wurde noch vor Ablauf eines Jahrestanzes aufgehoben - es ist, als habe sie nie bestanden. Sie ist frei - doch Ihr seid das ebenso. Denkt daran, Falcon." Sie erzählt ihm mit ruhigen Worten, wie Arwen ihre Ehe annulieren ließ und daß sie selbst, ebenso wie Gildin, unterzeichnet hatte. "Hätte ich eine Möglichkeit gesehen, daß noch Hoffnung für euch besteht, ich hätte es nicht getan. Aber es ist endgültig, Falcon. Es tut mir leid." Eine Weile ist nichts als Schweigen zwischen ihnen, während der Templer versucht, das Gehörte zu verinnerlichen. "Ihr seid immer noch ein Templer, der Anukis Gefolgschaft geschworen hat, und Ihr seid immer noch Herr eines Hauses der Shyda'ya und So'tar Blaufalke und mir zur Treue verpflichtet," fährt sie leise fort. "Ich werde nicht zusehen, wie Ihr in die Wildnis rennt, heult und Euch in Eurem Schmerz suhlt wie ein irre gewordener Grumkin. Ihr seid mein Vasall hier in Talyra und ich brauche Euch. Ja, ich weiß, Ihr möchtet sterben vor Schmerz. Niemand weiß das besser wie ich. Es zerreißt das Herz, wenn man Hoffnungen begraben muß. Aber es geht weiter Falcon. Auch auf die dunkelste Nacht folgt ein neuer Morgen. Immer. Von mir mögt Ihr es als Gleichnis annehmen." Wer wüßte das nicht besser als ich?
"Ich möchte, daß Ihr in den Shenrahtempel geht und dort bleibt, Falcon. Der Anukistemplerorden hat keinen Hort hier in der Stadt, aber die Sonnentempler werden Euch nicht abweisen, sondern in Ehren aufnehmen. Oder Ihr meldet Euch bei Olyvar... ich glaube, er könnte gerade Eure Hilfe jetzt sehr gebrauchen. Und Ihr hättet eine Aufgabe, die Euch über die schwere Zeit hinweghilft..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 27. Nov. 2003, 22:12 Uhr
OT: Achtung, Cron ist ingame bereits am nächsten Morgen. Ich zieh das hier vor jetzt, sonst komme ich nie zu dieser Beratung in die Steinfaust ::)

Als Cron am nächsten Morgen aufgewacht war, hatte er eine sehr nachdenkliche Niniane in seinem Hemd mit einem Schälchen Tee in der Hand und schmutzigen Füßen im Esszimmer vorgefunden, die ihm eine Nachricht Olyvars von Tarascon überreicht hatte. "Du solltest hingehen," hatte sie gesagt. "Ich will Arwen nicht allein lassen, sie ruht noch immer..." Sie hatte ihm kurz von Falcons mitternächtlichem Besuch erzählt, war aber still und in sich gekehrt und hatte nicht weiter darüber sprechen wollen. Er hatte ein Bad genommen, sich angekleidet und dann Donner gesattelt und war noch am Vormittag in die Stadt aufgebrochen. "Es hat mit den Nargen zu tun," hatte Niniane gesagt. "Du weißt von ihrer Bedrohung und ihren Raubzügen im Westen." Er hatte genickt und noch während er auf dem Weg durch das Nordtor in die Steinfaust ist, ahnt er, was den Lord Commander der Stadtgarde veranlaßt haben mag, ihm eine Botschaft zu schicken und um seine Teilnahme am Kriegsrat zu bitten.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Falcon am 27. Nov. 2003, 22:34 Uhr
OT: Auch dieses Post findet noch in der Nacht statt

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Ihre Worte bestätigen das was er selber schon befürchtet hat, nur schwer kann er seine Trauer verdrängen und ihr weiter zuhören. Niniane fesselt ihn, lässt ihn nicht fort um zu Sterben. Denn das ist es was er jetzt am liebsten würde. Nur am Rande bekommt er ihren Rat mit zu Olyvar zu gehen, viel zu sehr ist er in sich selber versunken und auch ihre Anspielungen auf seine Gemütslage lässt ihn nicht auf schauen. Erst als sie ihm einen schweren Mantel um die Schultern legt, merkt er das sie weg gewesen ist. Leise wiederholt er ihre Worte die sie schon vorhin zu ihm sprach "Ihr seid immer noch ein Templer, der Anukis Gefolgschaft geschworen hat, und Ihr seid immer noch Herr eines Hauses der Shyda'ya“ und diesmal blickt der Elb auf und sieht sie an, wie sie frierend vor ihm steht. „ Also verhaltet euch auch so, noch einmal gebe ich euch  Iôrfaêr, es ist an der Zeit das der Eismond über Talyra wacht.“ Mit ernstem Blick gibt sie ihm das mächtige elbische Schwert, das er mit zittrigen Händen entgegen nimmt. Eine seltsame Energie durchströmt ihn, die ihm Trost spendet. Langsam steht er auf, blickt über die Lichtung und bleibt dann an ihrem Blick hängen. „ Ihr habt Recht mit dem was ihr gesagt habt, ich bin immer noch ein Templer und eins habe ich in all den Jahrhunderten gelernt...Disziplin! Ich werde mich zusammen nehmen und meiner Pflicht euch und Sotar gegenüber nachkommen, und nicht zuletzt meiner Göttin gegenüber.“ Falcon gürtet das Schwert und schließt den schweren Wappenmantel mit der Brosche am Hals, dann nimmt er den Ring vom Finger und reicht ihn Niniane. „ Bitte richtet ihr aus das ich sie...“ Falcon bricht mitten im Satz ab, räuspert und blickt verlegen zu Boden. Dann flüstert er mehr zu sich selbst „ Liebe“
Danach wendet er sich rasch ab um seine Gefühle vor ihr zu Verbergen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 28. Nov. 2003, 13:06 Uhr
Der Morgen ist schon angebrochen und Arwen kann das Licht der Sonne sehen, wie es sich langsam mit goldenen und roten Fingern durch die herbstliche kahlen Äste der Bäume bis zu dem runden Fenster im Baum, bis in das Zimmer und zu ihrem Bett vorarbeitet. Schon seit Stunden ist sie wach und sitzt in den Kissen und Decken und findet keine Ruhe. Etwas hatte sie in der Nacht geweckt, die nur allzu vertraute Nähe einer Aura, Gedanken, die wanderten und doch nicht für sie bestimmt waren. Sie hatte jemanden den Baum verlassen und wieder betreten gehört, und sich doch nicht getraut, nach unten zu gehen um zu sehen oder zu fragen, wer da ist. Die Angst vor der Antwort ist zu groß. Später hört sie dann Cron im Haus und draußen bei den Pferden, das leise Klirren eines Zaumes und dann den dumpfen Hufschlag eines großen Pferdes, das sich entfernt.

Sie schlägt die Decken zurück und erhabt sich langsam und vorsichtig aus dem Bett. Ich kann nicht ewig hier liegen bleiben und mich vor allem und allen verstecken.. auch wenn ich das vielleicht wünschte Sie streift ein weites weiches Kleid aus dunklelbrauner Wolle mit kupferfarbenen Borten an den Säumen über und geht leise und vorsichtig über die Treppe nach unten.
Im Baum herrscht völlige Stille, kein Laut ist zu hören außer dem leisen Knarren und Wispern des Baumes. Niniane ist weder zu hören noch zu sehen, und so geht Arwen in die Küche, um sich etwas Wasser zu holen. Doch dort steht noch eine Kanne mit Tee, der noch heiß ist und duftet als wär er erst gerade eben aufgebrüht worden. Sie holt sisch einen Becher aus einem der Regale und füllt ihn mit Tee. Hunger hat sie keinen und so verlässt sie die Küche wieder, froh, dass ihr an diesem Morgen nicht übel ist. Sie steht kaum in der runden Diele, als sie leise Geräusche vor dem Baum vernimmt, die auch ein zufriedenes Rascheln des Baumes sein können und spürt jemanden vertrautes sich nähern. Den Teebecher mit beiden Händen haltend, setzt sie sich auf eine der Treppenstufen und sieht zur Tür. Es ist tatsächlich Niniane, der sich die Tür öffnet. Die Blicke der beiden Frauen treffen sich, honiggolden der eine, jadedunkel der andere. Schweigen liegt für einen kurzen lastenden Moment über dem Raum, dann spricht Arwen, leise, sehr leise.

"Er war hier heute nacht, nicht wahr?"

Mehr muss sie nicht sagen, es ist beiden Elbinnen klar, wen Arwen meint. Und dass sie trotz allem was passiert ist und dass sie ihre Ehe aufgelöst hat, viel zu eng mit Falcon verbunden war, als dass sie seine Anwesenheit nicht spüren würde.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. Nov. 2003, 21:39 Uhr
Noch lange, nachdem die graue Dämmerung einem grauen Tag gewichen ist, sitzt Niniane in ihrem Esszimmer, noch immer barfuß und mit nichts als Crons Hemd bekleidet. Lange hat sie nachgedacht und die meisten ihrer Gedanken waren düster. Zum einen gelten sie Falcon, der ihr ganzes Mitleid besitzt, obwohl sie Arwens Entschluß verstehen kann und genauso gehandelt hätte - und sein Verhalten nicht billigen kann - zum anderen weilen sie bei Cron. Sie ahnt sehr genau, weswegen der Lord Commander ihn zu diesem Raed geladen hatte - und sie weiß, daß er mit dem Tarascon reiten wird. Er könnte es sich mit Leichtigkeit leisten, den Schildpfennig zu bezahlen, aber er würde das niemals tun. Er wird gehen... Irgendwann leert sie den Yasmintee, der längst in der Schale kalt geworden war und erhebt sich. Sie tappt auf nackten Füßen hinaus, um nach den Pferden zu sehen und als sie zurückkehrt, wartet Arwen in der Diele auf sie, auf einer der Treppenstufen nach oben sitzend. Sie nickt nur und setzt sich neben sie.  "Ja, er war hier. Er sah entsetzlich aus, Arwen. Ich... habe ihm von der Aufhebung eurer Ehe erzählt und ihm befohlen zu den Templern oder zu Olyvar zu gehen. Er... er braucht eine Aufgabe, um über all das hinweg zu kommen, denke ich. Und ich habe ihm Iôrfâer gegeben." Sie sieht in Arwens Augen und ihre eigenen sind so dunkel, daß kaum noch Glanz in ihnen liegt. "Auch wenn Falcon mir unendlich leid getan hat, ich glaube dennoch, daß deine Entscheidung die richtige war. Frag mich nicht, warum, ich kann es dir nicht sagen..." Sie macht eine vage Geste, die fast Hilflosigkeit ausdrückt und sieht auf ihre nackten Füße. "Er hat mich gebeten, dir zu sagen, daß er dich liebe. Und das tut er auch... er tut es wirklich. Nur... Liebe allein genügt einfach nicht, Arwen. Das ist nie genug..." Wenn Liebe allein ausreichen würde, hätten Jel und ich kein so bitteres Ende genommen...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 28. Nov. 2003, 22:45 Uhr
Mit ihren letzten Worten lässt Niniane einen schmalen silbernen Ring in Arwens Hand fallen, geformt wie ein Kranz aus Efeublättern. Mit Tränen in den Augen hebt Arwen ihre Hand ein wenig an, und die Waldläuferin kann sehen, dass sie auch einen solchen Ring trägt. Diesen Ring, den Falcon ihr bei der heimlichen Trauung auf der Lichtung im Wald geschenkt hatte, hat sie nicht zusammen mit dem Siegelring des Hauses Lyr'Aris abgelegt. Und warum sie ihn noch trägt, kann sie nicht einmal sagen. Ob sie ihn vergessen hat abzulegen oder ob es einen Grund hat. Doch nun streift sie ihn ab und hält beide Efeuringe in der Hand.

"Nein, Liebe allein genügt wohl nicht..." Die Tränen, die ihre Augen schwimmen lassen, und die Arwen mit aller Kraft versucht zurück zu halten, klingen in ihrer Stimme mit. "Aber allein die Götter mögen wissen, wozu all dies Leid nötig war..." Mir einer plötzlichen Geste schließt sie die Hand um die Ringe und hebt den Kopf. "Ich werde die Ringe aufheben. Eines Tages, wenn es alt genug ist, wird mein Kind sie bekommen. Und die Geschichte erfahren, die zu ihnen gehört. Vielleicht bringen sie ihm mehr Glück als Falcon und mir."

Arwen hält sich am Geländer der Treppe fest als sie sich von der Stufe erhebt und Niniane mit einem silbernen Funkeln in den Augen ansieht, dass in den letzten Tagen völlig hinter einem grauen Schleier verborgen schien.

"Da du die Nacht im Wald verbracht hast, werde ich uns das Frühstück bereiten. Dann bleibt dir Zeit für ein Bad und um dich anzukleiden. Denn wie ich meinen Bruder kenne, wird er sich nicht viel Zeit lassen, um hier zu erscheinen und mich abzuholen. Und ich habe lange genug faul im Bett gelegen, es wird zeit, dass ich mich nützlich mache."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. Nov. 2003, 23:37 Uhr
"Oh... Frühstück," erwidert Niniane und es stößt sie sauer auf. "Ich frühstücke in letzter Zeit nicht wirklich... der Geschmack von geröstetem Brot und Marmelade wiegt das Spucken danach nicht wirklich auf."

Sie nimmt ein langes, heißes Bad in ihren Quellen bis es wirklich Tag wird und kleidet sich dann in ein weichfallendes Kleid mit langen, geschlitzten Ärmeln aus moosgrünem Sammit, an den Säumen winzige goldene Stickereien, die kleine Sternenblüten und Rankenmuster zeigen. Die ganze Zeit im Bad hatte sie über Arwens Worte nachgesonnen. Ringe aus Efeu... was nützt ein Ring, Symbol der Unendlichkeit, wenn die Entfernung im Herzen immer größer wird? Nichts, es ist nur ein leeres Symbol. Aber Falcon ist der Vater ihres Kindes und das wird sie immer auf gewisse Weise aneinanderfesseln... wenn auch nie wieder mit Liebe. Vielleicht schließen sie eines Tages Freundschaft, wer weiß das schon zu sagen? Falcon war lange Zeit nur Arwens Gefährte... lange ehe er ihr Geliebter wurde.

Sie kehrt eben in den Baum zurück, wo Arwen im Esszimmer Frühstück und frischen Tee bereitet hat, als dumpfer Hufschlag sich vom See her nähert und leises Pferdewiehern durch den grauen Morgendunst in den Baum dringt. "Mir scheint, dein Bruder hat sich besonders wenig Zeit gelassen... Shenrahs Auge, es ist noch nicht einmal die zweite Stunde nach Sonnenaufgang vorüber...." Mit einem amüsierten Lächeln in den Augen dreht sie den Kopf und erstarrt dann kurz. Dort draußen war nicht nur Gildin... es ist jemand bei ihm, dessen Aura obgleich nicht alt, so doch nicht minder mächtig ist. "Ich glaube..." meint sie langsam, "dein Bruder bringt jemanden mit."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 28. Nov. 2003, 23:43 Uhr
Mit einem leisen Lächeln, das sogar bis in seine Augen reicht, beobachtet Gildin Nadirs Reaktionen, als sie die Lichtung erreichen. Er kann sich nur noch zu genau an das erinnern, was er gestern empfand, als der Knecht ihn hierher führte und er den Baum zum ersten Mal sah. Auch wenn sein ganzes Denken und Fühlen von seiner Sorge um Arwen geprägt war, der stillen und machtvollen Aura dieses Ortes konnte er sich ebenso wenig entziehen wie nun der Silberelb.

Er lässt Nadir die Zeit um die Lichtung und den Baum auf sich wirken zu lassen, um sich der Aura des Ortes und den wispernden Stimmen zu überlassen, die allgegenwärtig sind. Dann erst, nach einer Weile, lässt er sein Pferd wieder antreten und führt die kleine Gruppe um den Baum herum, dorthin, wo zwischen den hohen Wurzeln des Baumes die Raufen und Tränken der Pferde sind. Der Hengst des Nordmannen fehlt... fällt ihm sofort auf, nur die Jagdstute, Shur und Shunja nähern sich ihnen als sie um die Wurzel biegen. Sie alle sitzen ab und überlassen es seinen beiden Reitern, sich um die Pferde zu kümmern. Kurz geht er zu dem Grauschimmel seiner Schwester, der knurrend schnaubt als er ihn sieht und seinen Kopf so heftig an seiner Brust reibt, als wolle er Gildin umwerfen.

"Jaja mein Guter, du weißt es, nicht wahr? Du weißt, dass es heute zurück in deinen Stall geht."

Gildin lässt sich von einem seiner Begleiter das Bündel reichen, in dem Cassandra Kleidung, Wäsche und einen warmen Mantel für Arwen zusammengepackt hatte. Auf dem Weg um den Baum herum zu den Stufen der Treppe die zur Tür des Baumes führt, wandert sein Blick über die Lichtung und die Tau- und Nebeltropfen, die nun im aufkommenden Licht des Tages zu schimmern beginnen, als hätten die Götter über nacht unzählige winzige Perlen und Diamanten verstreut. Dann ist der Baum umrundet und sie stehen auf den Treppen vor der Tür und die flammenden Worte, die in die Tür eingelassen sind, entlocken dem Hochelben fast so etwas wie ein Lächeln. Ich würde mir nie anmaßen mich als einen eurer Freunde zu bezeichnen, Tenn'ra Niniane. Er hebt die Hand und klopft an das seltsam lebendige Holz der Tür.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 29. Nov. 2003, 15:52 Uhr
Niniane erwidert Arwens verwunderten Blick ebenso ratlos und die Tür ihres Baumes öffnet sich für die Neuankömmlinge lautlos und schwingt nach Innen. Die Wärme eines Kaminfeuers und der vertraute Duft nach Sandelholz und Pflaumenblüten schlagen den Elben entgegen, die nun eintreten, doch selbst Niniane kann ihre Überraschung nicht völlig verbergen, als sie sieht, wer da hinter Gildin ihren Baum betritt. Sie hat Nadir Silberklinge selbst nie gesehen, aber sie erkennt ihn sofort. Nadir Shunjalir aus dem Haus Lyrasfian. Er hat die Elbenlande nie verlassen - was mag ihn ausgerechnet jetzt hierher geführt haben? Und was mag er hier wollen? Der Moment ihrer Verwunderung dauert nur einen Herzschlag, dann erhebt sie sich, um ihre Gäste zu begrüßen. Sie schenkt beiden ein Lächeln, begrüßt Gildin mit einem leichten Neigen des Kopfes und Nadir ebenso, nur vielleicht einen Hauch zurückhaltender.  "Willkommen in meinem Haus, Nadir Shunjalir. " Sie bittet beide mit einer leichten, einladenden Handbewegung in ihr Esszimmer. "Wir wollten eben unser Morgenmahl einnehmen. Gebt mir die Ehre und teilt es mit uns."
Die beiden so unterschiedlichen Männer treten ein und Gildin begrüßt Arwen, während Nadir jede Speise höflich ablehnt - sie hätten auf Vinyamar bereits gegessen. Auch Gildin lehnt ab, doch eine Schale Yasmintee nehmen beide an. Ihre eigene, dampfende Teeschale in der Hand, beobachtet Niniane den Prinz der Kheleda'ya, der so unvermutet in ihr Haus geschneit war.  Auf Vinyamar gegessen? Ah... dann kam er also zu Falcon und Arwen oder zu Gildin... er wollte vorrangig nicht zu mir. Gut... Zumindest was sein Aussehen angeht sind die Geschichten über ihn wahr... "Ihr seid weit von Talaberyn im See Sternenfall entfernt, Nadir." Sie blickt von ihm zu Gildin und wieder zurück.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 29. Nov. 2003, 22:17 Uhr
Arwen ist nicht minder überrascht wie Niniane, als sie den Elben sieht, der hinter ihrem Bruder den Baum betritt. Hochgewachsen ist er und die Haare, die das Blau seiner Augen wiederspiegel, lassen keinen Zweifel, wer da eingetreten ist. Eine Prinz der Kheleda'ya, einer dem sein Name und sein Ruf vorauseilen. Hochgewachsen ist er, deutlich über sechs Fuß und eher sehnig als muskulös, ein Kämpfer, dem es auf Schnelligkeit und Fechtkunst ankommt, nicht auf rohe Kraft. Eine, gemessen an seinen Jahrestänzen erstaunlich machtvolle Aura umgibt ihn. Sie neigt den Kopf wortlos zum Gruß und sieht ihren Bruder an, der unterdessen zu ihr heran getreten ist.

Beide Männer tragen Kettenhemden, die im Licht der aufgehenden Sonne, das sich wie tastende Finger durch das Dach der herbstkahlen Bäume seinen Weg durch die Fenster sucht wie feine Fischschuppen schimmert. Darüber Wams und knöchellange Wappenröcke mit den Farben und Wappen  ihrer Häuser, und dazu ihre Schwerter und Dolche. Erscheinungen, die ebenso beeindruckend sind wie Niniane in ihrem goldbestickten Kleid aus grünem Sammit. Arwen selbst kommt sich in ihrem einfachen Kleid aus dunkelbrauner Wolle fast schon schäbig vor zwischen den drei Elben im Esszimmer, die alle eine Schale mit frischem, dampfendem Yasmintee in ihren Händen halten.

Er hat auf Vinyamar gegessen?... Dann ist er unser Gast?... Was führt ihn hierher... Sie sieht ihren Bruder fragend an, doch der gibt ihr mit keinem Blick und keiner Geste eine Antwort. Und Niniane sscheint sich die selben Fragen zu stellen wie Arwen, denn sie stellt zu Recht fest, dass Nadir fern der Lande seiner Heimat ist.

Etwas Seltsames liegt plötzlich in der Luft, fast greifbar und doch so flüchtig wie der Nebel über dem Ildorel. Eine eisige Hand scheint über Arwens Rücken zu wandern und lässt sie schaudern. Gildin weiss es wird ihr plötzlich bewusst Er weiss, warum Nadir Shunjalir hier ist, und es ist kein Höflichkeitsbesuch...Ihre Teeschale steht unbeachtet auf dem Tisch, als sie die Arme wie zum Schutz um sich selber schlingt und den Silberelben abwartend betrachtet.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 29. Nov. 2003, 22:30 Uhr
Den Gruß Ninianes erwidert Gildin mit einem respektvollen Lächeln und wendet sich dann seiner Schwester zu. Das Bündel mit den Kleidern, die die Wirtschafterin ihm für Arwen gepackt hatte, legt er auf einen der Stühle um Arwen begrüssen zu können. Das angebotene Morgenmahl lehnt er ebenso wie Nadir mit leisen Worten ab, hat er doch schon auf dem Ulmenanwesen etwas zu sich genommen. Unauffällig, so hofft er zumindest, beobachtet er, wie seine Schwester auf das Erscheinen des Silberelben reagiert, und übersieht dabei fast ihren fragenden Blick. Doch er lässt sich in keinster Weise anmerken, was er weiss. Dankend nimmt er die Schale mit dem frischen Tee entgegen und sieht Nadir abwartend an, als Niniane eine eigentlich recht unverfängliche Konversation beginnt.

Doch im Stillen ist er mehr als nur gespannt, wie Nadir seine Anwesenheit erläutern wird. Es ist nur zu bekannt, dass er die Elbenlande in seinem Leben nie länger verließ. Innerlich wappnet Gildin sich auf eine heftige Reaktion seiner Schwester, sollte Nadir hier und jetzt offenlegen, was ihn hierher nach Talyra führt, und auf wessen Bitte er diese Reise angetreten ist.
Und Nadirs Reaktion auf Arwen interessiert ihn nicht minder, muss er sich eingestehen. Immerhin ist es Arwen noch immer unschwer anzusehen, was ihr in Wegesend zugestoßen ist, die Spuren in ihrem Gesicht sind längst noch nicht verheilt und ihre auffällige Blässe lässt leicht erahnen, dass sie noch sehr geschwächt ist.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 30. Nov. 2003, 11:22 Uhr
Oh... geschickt gemacht. Niniane nickt lächelnd - und ein wenig wissend. Nadir hatte ganz beläufig erwähnt, daß Gildin ihn als Gast auf Vinyamar willkommen geheißen hatte - Gastrecht war heilig und unverbrüchlich. Arwen mußte das Angebot erneuern, wollte sie Nadir nicht beleidigen - und einen Prinzen der Kheleda'ya lud man nicht einfach so wieder aus. Ich möchte wissen, wer dieser "alte Freund" ist, von dem er spricht. Sie hat einen vagen Verdacht, aber das würde sie Nadir irgendwann unter vier Augen fragen, sollte sich die Gelegenheit ergeben. Der Silberelb ist vielleicht kein weitgereister Mann, aber in den Elbenlanden ist er bekannt. Er besitzt Macht und Einfluß über die Grenzen Logrens hinaus und sein Wort hat Gewicht.  Nadir Silberklinge auf Vinyamar... nun es scheint, wenigstens um Arwens Sicherheit muß niemand sich mehr Gedanken machen... Ihr goldener Blick ruht auf dem Silberelben. Seine Vorliebe für Indigoblau ist schon vor langer Zeit sprichwörtlich geworden in den Elbenlanden, und er scheint diese Eigenart noch immer zu pflegen. Seine Augen sind so dunkel wie das mitternächtliche Meer und sein Haar nur eine Spur heller. "Ich hätte nicht gedacht, daß es Euch noch eines Tages reizen würde, die Welt der Sterblichen kennenzulernen, Nadir," meint sie leise. "Aber wie es scheint, habe ich mich getäuscht. Willkommen also in Talyra und in den Reichen der Menschen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 30. Nov. 2003, 22:18 Uhr
Als Nadir Arwen direkt anspricht, wendet sie sich ihm zu und sieht in an. Nein, damit habt ihr Recht, Shunjalir, kein Wort, sei es von Göttern, Elben oder Sterblichen gesprochen, kann je ungeschehen machen, was geschehen ist... Und ich könnte es vielleicht irgendwann vergessen, wenn man mir die Gelegenheit dazu gäbe. Warum nur meint jeder, mich daran erinnern zu müssen, nur um mir zu sagen, dass er hofft ich könne es vergessen? Sie nimmt Nadir seine Worte nicht übel, und ihre Gedanken beziehen sich auch nicht speziell auf ihn, sie driften einfach ab.

Sie will ihm schon antworten, und die Worte ihres Bruders bestätigen, der ihn bereits als Gast in ihrem Haus begrüsst hatte, als die Gedanken des Silberelben sie erreichen. Langsam, fast behutsam erreichen sie seine Gedanken und er sieht sie dabei nicht an. Fast ist sie ihm dankbar, dass er nicht offen ausspricht, was ihr seine Gedanken mitteilen. Doch der Gedanke, dass ihr Vater ausgerechnet ihn als Wache zu ihr schickt - auch wenn Nadir das Wort nicht benutzt - macht sie wütend. Gegen die Männer ihres Bruders hätte sie sich wehren können, sie zurück schicken können. Aber Nadir Shunjalir, Prinz der Kheleda'ya aus dem Hause Sternenfall, den ihr Bruder bereits als Gast in ihrem Haus willkommen geheißen hatte, seine Anwesenheit kann sie nicht einfach so zurückweisen. Für einen Moment zieht sie ihre Arme noch enger um sich und fühlt sich trotz der Elben um sie herum seltsam allein und verlassen. In meiner Nähe zu sein, bedeutet Gefahr, Leid und Tod... Ich hoffe, ihr wisst, worum mein Vater euch da gebeten hat, Shunjalir, worauf ihr euch da eingelassen habt.

"Mylord, es ist mir eine Ehre, Euch in meinem Haus als Gast begrüssen zu dürfen. Es ist eine weite Reise gewesen, um die man euch gebeten hat."

Sie sieht ihn an und neigt höflich und respektvoll den Kopf. Doch ihre Gedanken wandern zu ihrem Bruder. Und so höflich und freundlich ihre Stimme ist, während sie die Worte spricht, mit denen sie ihres Bruders Einladung an Nadir bestätigt wie das Gastrecht es fordert, so scharf sind die Gedanken, die sie ausschließlich an ihren Bruder richtet und ihm zu verstehen gibt, dass sie so bald wie möglich allein und unter vier Augen zu sprechen wünscht.

Arwen spürt, wie Wut und Zorn beginnen ihr Blut zum Kochen zu bringen, und dass es ihr nicht gelingen will, diese Gefühle zu zügeln. Und sie weiss nur zu gut, was das bedeutet, bedeuten kann. Um keinen Preis will sie, dass ausgerechnet hier und jetzt der Fluch erwacht. Mit einem knappen, entschuldigenden Lächeln nimmt sie das Kleiderbündel, das ihr Bruder auf einem der Stühle abgelegt hat und verschwindet aus dem Esszimmer.

"Ich kleide mich schnell um." Murmelt sie noch, dann ist sie auch schon auf der Treppe nach oben verschwunden. Sie will nicht unhöflich sein, aber sie muss aus dem Zimmer raus, ehe sie den letzten Rest an Selbstbeherrschung verliert.

Kaum ist sie oben und hat sich die Tür hinter ihr geschlossen, als sie das Kleiderbündel wütend auf das Bett wirft. Mit geballten Händen steht sie da und zittert vor Wut. Zornige Tränen rinnen über ihre Wangen, als sie sich in die Kissen und Decken fallen lässt. Arwen weiss nicht mal, worauf sie so wütend ist, oder worüber. Sie weiss in ihrem Innersten genau, dass ihr Vater es nur gut meint, dass er sich Sorgen um ihre Sicherheit macht. Aber im Moment ist alles was sie sieht, dass er ihr jemanden an die Seite stellt, der auf sie aufpassen soll wie auf ein kleindes Kind. Und das macht sie wütend, auch auf sich selbst, weil sie sich nicht dagegen wehren kann ohne den Silberelben zutiefst zu beleidigen. Die Bitte ihres Vaters und ihr Bruder, der Nadir schon als Gast in ihrem Haus willkommen ge-heißen hat, machen es ihr unmöglich, Nadir zurückzuweisen.

Die Tränen versiegen nach einer Weile, und haben Wut und Zorn fort gespült. Entschlossen erhebt sie sich vom Bett und geht hinüber in das Botanikum, wäscht sich die Spuren der Tränen mit dem klaren Wasser aus dem Gesicht, das dort aus dem Baum heraus in eine kleine runde Ausbuchtung sickert. Zurück am Bett legt sie Kleid und Wäsche ab, die Niniane ihr gegeben hat. Eingewickelt in ihren Mantel findet sie in Gildins Bündel ihr feinsäuberlich zusammengelegtes Reitkleid, Wäsche, Strümpfe und Unterkleid. Und ganz im Inneren in einem kleinen weichen Tuch einen Ring: Ihr Siegelring mit dem Wappen der Sternenadler, das Zeichen des Hauses Mitarlyr.

Reiss dich zusammen. Du bist die Erbin Amithras, eine Mitarlyr. Du wirst nicht zulassen, dass andere dich weinen sehen, nie wieder! Du bist die Tochter des Truchsessen, und du bist frei, dein Leben zu leben, egal wen Vater schickt um auf dich zu achten.

Arwen steckt zu allererst den Ring an ihren Finger, ehe sie sich ankleidet. Es dauert nicht lange, bis sie fertig ist und an sich herunter sieht. Das, was sie sieht, lässt sie sich angesichts der anderen unten im Raum nicht mehr so schäbig vorkommen: Über einem knöchellangen silbergrauen Kleid aus mit feinster Wolle versponnener Seide, dessen Rock in vielen feinen Falten fällt, trägt sie ein ebenso langes Überkleid aus samtweichem Leder in dunklem Rauchgrau. Ornament aus zarten Silberstickereien zieren den Kragen und die Ärmelsäume, deren weicher Fall und Schlitze bis zum Oberarm den Blick auf die weiten Ärmel des silbernen Unterkleides freigeben. Die Schnüre, die das Kleid vorne schließen, laufen durch Ösen, die die Form der Stickereien wiedergeben.

Sie fühlt sich deutlich wohler in ihrer eigenen Kleidung und hat sich auch wieder beruhigt, als sie die Treppe nach unten geht und in das Esszimmer zurückkehrt. Niniane, Nadir und Gildin haben unterdessen am Tisch Platz genommen. Und so setzt Arwen sich zu ihnen und greift nach ihrer Teeschale. Mit kleinen Schlucken trinkt sie etwas von dem schon abgekühlten Tee, um ihren Magen zu beruhigen, ehe sie etwas Brot zu sich nimmt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Gildin Lyrisdor am 01. Dez. 2003, 20:43 Uhr
Gildin erwidert Nadirs kurzen Blick über den Rand der Teeschale hinweg lediglich mit einem sparsamen Hochziehen der Augenbraue. Ihr seid ein kluger Mann, Silberklinge... Nicht einmal Arwen kann sich dem Gastrecht entziehen, jetzt muss sie euch auf Vinyamar willkommen heißen. Er kann die Gedanken des Silberelben an seine Schwester nicht vernehmen, aber ihre Gedanken, die ihn nur wenig später treffen, machen ihm in ihrer Schärfe, die Wut und Enttäuschung kaum verhehlen recht schnell klar, dass Nadir ihr anscheinend offenbart hatte, was ihn hierher geführt hat.

Aber viel mehr als ihre Worte trifft ihn die Härte, die sie gegen sich selber wieder an den Tag legt. Aber im Gegensatz zu früher gelingt es ihr nicht, ihre Gefühle vollkommen zu verbergen, als sie Nadir begrüsst und das Gastrecht in ihrem Haus bestätigt. Wut und Zorn flackern wie offene Flammen in ihren Augen, und ihr Versuch sich zur Beherrschung zu zwingen ist offensichtlich. Ebenso offensichtlich wie es ihr nicht gelingt und sie sich das Kleiderbündel nimmt und den Raum fast fluchtartig verlässt.

Oh Arwen, warum quälst du dich selber so? Warum kannst du dir selber keine Schwäche zugestehen? Niemand, auch du nicht kann immer alleine stark sein... und du musst es doch auch gar nicht. Du hast Freunde hier... Wiederhole nicht den Fehler, den Mutter machte, und der in Tränen, Leid und Fluch endete...


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Schilama am 02. Dez. 2003, 16:20 Uhr
Schilama kommt nach einem kleinen Marsch an Ninianes Baum an. Am liebsten würde sie diese mächtige Austrahlung auf sich einwirken lassen, damit sie sowohl geistig als auch körperlich ein wenig zur Ruhe kommt, aber sie hat keine Zeit. Ohne auf die Schönheit des Ganzen zu achten, umrundet sie den Baum bis sie ihr Pferd endeckt, Destrefin. Sie geht zu ihrem Hengst und streicht ihm kurz über den Hals, "es tut mir leid, ich hatte einfach keine Zeit mich um dich zu kümmern", sagt sie leise zu ihrem Pferd. "Leider habe ich auch jetzt keine, aber wenigstens kann ich dich mitnehmen", mit diesem Worten blickt sie sich um und endeckt sowohl die Zügel, als auch den Sattel, nur, wo sind die Satteltaschen?

Da sie sich die Frage im Moment nicht beantworten kann, legt sie dem Pferd erstmal das Zaumzeug an. Hmm, vielleicht sind die Satteltaschen im Baum? Das hoffe ich zumindest, ich hab nicht die Zeit auch noch neue zu besorgen, aber ich brauche welche für den Feldzug um alles zu verstaun. Als das Pferd gesattelt ist, geht sie wieder um den Baum herum und die paar Stufen hinauf um zu klopfen, hoffentlich störe ich nicht, aber selbst wenn, ich bin ja gleich wieder weg.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 02. Dez. 2003, 22:25 Uhr
Niniane sieht Arwen nach, die beinahe hastig nach oben verschwindet und schüttelt kaum merklich den Kopf. Oh Arwen... du machst es dir selbst schwer, das weißt du, nicht wahr? Stell nicht immer an dich selbst den Anspruch, vollkommen sein zu müssen...
Ein zaghaftes Klopfen von der Tür her reißt sie aus ihren Gedanken und sie steht auf. "Entschuldigt mich kurz..."
Das Wiehern eines Pferdes dringt dumpf durch das dicke, lebendige Holz des Stammes, und als sie die Tür öffnet, verstummt es zu einem rollenden Schnauben. Auf der Türschwelle vindet sie die Windelbin vor, Morganas Gehilfin. Ich weiß noch nicht einmal ihren Namen...
"Khel Dar. Ihr seid gewiß gekommen, um das Pferd zu holen. Sattel und Zaum habt Ihr gefunden, wie ich sehe. Wir haben ihn gut versorgt in den letzten Tagen."
Die Rhaskeda'yaelbin nickt und fragt nach den Satteltaschen und Niniane dreht sich nachdenklich um. "Wartet einen Augenblick, ich muß erst nachsehen." Unter der Treppe findet sie ein paar ihr unbekannte Satteltaschen und bringt sie zur Tür. "Sind es diese? Ich glaube, Morgana hatte sie." Sie reicht der Elbin die schweren ledernen Taschen. "Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Schilama am 02. Dez. 2003, 22:57 Uhr
Nachdem die Tür geöffnet wurde, erwiedert sie den Gruß von Niniane und muss ihr Anliegen gar nicht weiter erklären, denn die goldäugige Elbin scheint es einfach zu wissen. Als diese erwähnt, dass sie sich gut um den Hengst gekümmert hätten, ist Schilama mehr als froh, Vendis sei dank! Wenn sich niemand um ihn gekümmert hätte, hätte ich mir Vorwürfe gemacht. Die Windelbin wartet mehr oder weniger gedulidg, bis Niniane mit den Satteltaschen zurück ist, "ja das sind sie. Ich danke euch La...", lass es! Du weißt es doch nicht sicher. "...Niniane."

Als Niniane fragt, ob sie sonst noch etwas für sie tun könnte, schüttelt Schilama leicht den Kopf, "nein, ich denke das war alles", und lächelt kurz, "ich bin sehr in Eile und habe leider für überhaupt nichts Zeit, was nicht wirklich wichtig ist." Sie verabschiedet sich noch, eilt die Stufen hinab, packt die Satteltaschen schnell auf das Pferd und steigt etwas ungeschickt auf. Tolpatsch!, tadelt sie sich kurz und spornt dann Destrefin an, damit der Hengst lostrabt, ein schnelleres Tempo wäre mit ihren Reitkünsten unvernünftig, und jetzt schnell ab zu mir nach Hause. Dort hol ich nur das Nötigste und dann schnell zu Morgana zurück!

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 03. Dez. 2003, 21:48 Uhr
Schweigen breitet sich aus wie zäher Herbstnebel, nachdem Niniane das Zimmer verlassen hat, und Arwen schafft es nicht, Nadir anzusehen. Und dabei gäbe es einiges, was sie von ihm würde wissen wollen. Was weiss oder ahnt ihr Vater, dass er meint, sie brauche jemanden wie Nadir Silberklinge zum Schutz? Und was verbindet Nadir mit ihrem Vater, dass der ihn um einen solchen Gefallen bitten kann? Immerhin ist Nadir nicht einer seiner Gefolgsleute, sondern ein Prinz der Silberelben, ein Mann von Rang und Ruf über die Grenzen Logrens hinaus. Im Gesicht ihres Bruders vermag sie keine Antwort auf ihre Fragen zu finden, nur Bedauern, Sorge und Mitgefühl. Der Appetit, den sie noch verspürt hatte, als sie mit Niniane auf der Treppe gesessen hatte, ist wie fortgeweht, und nur mit Mühen isst sie einige Bissen trockenes Brot und leert in kleinen Schlucken die Schale mit Tee. Wenigstens ist mir heute nicht übel.

"Ich möchte zurück nach hause," Ihre Stimme ist leise als sie dann doch spricht, und richtet sich we-der dirkt an ihren Bruder noch an Nadir. "Ich kann mich nicht ewig hier vor der Welt verstecken." Auch wenn ich wünschte, ich könnte es, fern von den Kreisen der Welt, in den Nebeln Anukis'

Ihr Bruder nickt nur und noch während er leise meint, er würde ihre Sachen holen, ist er auch schon aufgestanden und auf dem Weg nach oben in das Zimmer, in dem Arwen die meiste Zeit der letzten Tage verbracht hat. Es dauert nicht lange, Niniane ist gerade von der Tür ins Esszimmer zurückgekehrt und draußen vor dem Baum hört man den Hufschlag eines sich entfernenden Pferdes, als Gildin die Treppe wieder herunter kommt und dann mit ihren Satteltaschen und ihrem Sattelzeug nach draußen verschwindet. Aber anscheinend hat er die Sachen nur einem seiner Begleiter gegeben, denn er ist bald zurück bei ihnen im Baum. Er reicht Arwen ihren Mantel und nun ist der Moment gekommen, vor dem Arwen sich im Stillen gefürchtet hat. Es heisst sich zu verabschieden und den Baum zu verlassen, der ihr Schutz und Geborgenheit gegeben hat. Die Waldläuferin ist mit hinaus zu den Pferden gekommen, wo die beiden Reiter Shur und die Pferde von Gildin und Nadir an den Zügeln bereit hal-ten. Arwen steht vor Niniane, und für eine Weile treffen sich ihre Blicke schweigend. Und Arwen weiss, dass Niniane in ihren Augen tiefer sehen kann als andere, was sie versucht sein lässt, dem Blick auszuweichen, doch dann hält sie den goldenen Augen doch stand. Und in ihrem Blick kann die Halbelbin all das sehen, was sie von Arwen doch nicht würde hören wollen: Dankbarkeit. Und ein Versprechen, dass weit über die Eide der Mitarlyrs hinausgeht und viel persönlicher ist.

"Niniane... danke..."

Mehr bekommt Arwen nicht heraus, all das, was sie noch hat sagen wollen, kommt nicht über ihre Lippen und liegt nur stumm in ihrem Blick und in einer kleinen, fast hilflosen Geste.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 03. Dez. 2003, 22:14 Uhr
Niniane hatte der Elbin, die es offenbar sehr eilig hatte, nachgeblickt, bis sie über die Lichtung in Richtung verschwunden war. Nun habe ich ihren Namen immer noch nicht erfahren...
Sie begleitet Arwen, Nadir und Gildin zu den Pferden, als diese sich aufbruchbereit auf den Weg zurück nach Vinyamar machen und lächelt den beiden Elben zum Abschied zu. "Lebt wohl, Sternenwächter. Ich nehme an, Ihr werdet bald nach Lomirion und zu Euren Pflichten zurückkehren. Möge Eure Reise kurz und von den Göttern beschirmt sein. Richtet Eurem Vater meine Grüße aus. Nadir Silberklinge... irgendetwas sagt mir, daß wir uns noch öfter sehen werden. Seid in meinem Haus willkommen, wann immer ihr mich besuchen wollt. Ich wünsche Euch eine... interessante Zeit in der Welt der Menschen." Ein katzenhaftes Lächeln huscht über ihr Gesicht, doch dann tritt Arwen zu ihr und sieht sie lange an und alles Hintergründige verschwindet aus ihrem Blick. Min Ija... sag nichts. Zwischen uns braucht es keine Worte und auch keinen Dank. Es war mir eine Ehre, mein Heim mit dir zu teilen und du bist mir jederzeit willkommen. Wann immer du möchtest. Sie schließt Arwen für einen Augenblick fest in ihre Arme und legt ihre Wange an die der Elbin. Du wirst sehen, im Winter werde ich dick und rund mit dir irgendwo sitzen und während ich meine Füße nicht mehr sehen kann, wirst du noch lange schlank bleiben. Wir werden über den besten Stoff für Windeln sprechen und über die beste Form für Wiegen und uns über die schönsten Namen streiten... Fast hätte sie gelacht. Gib mir Nachricht, sobald du etwas neues über den Fluch und das Medaillon herausfindest...Und nun geh nach Hause, bevor ich dich wieder mit nach drinnen in die Wärme nehme und du hier bleiben mußt. Sie lächelt und lächelt immer noch, als sie Arwen freigibt und die Elbin auf ihr Pferd steigt - doch als die drei über die Böschung zum Strand hinab verschwunden sind, schlingt sie ihre Arme um sich und kehrt sehr nachdenklich ins Innere ihres Baumes zurück. Es ist still dort und sie ist allein.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 03. Dez. 2003, 23:27 Uhr
Es ist neblig, kalt und trüb, als Cron durch das Nordtor in Richtung Smaragdstrand reitet und auf allen Straßen summen die Gerüchte. Menschen stehen in Trauben um die früh entzündeten Nachtfeuer, Frauen, die vom Markt kommen, unterhalten sich mit sorgenvollen Gesichtern, Bauern treiben finsteren Gesichts ihr Vieh aus dem Stadtgraben. Cron hängt seinen Gedanken nach. Ob Niniane etwas von Olyvars Bitte geahnt hatte, als sie ihn am Morgen zu dem Raed geschickt hatte? Und was soll ich tun, wenn sie mit auf diesen Feldzug reitet? Sie knebeln und fesseln und zurücklassen? Sie einsperren?
Als er am Baum anlangt, sind alle Pferde bis auf Anarvendis verschwunden und die Stute begrüßt ihn mit leisem Wiehern. Der Abend sinkt und es wird rasch dunkel, während er Donner zwischen die Baumwurzeln führt, ihn absattelt und ihm die Trense abnimmt. Er füttert die Pferde und bringt ihnen frisches Wasser und geht dann langsam in den Baum hinauf. Er hat nichts getan außer Stunden auf einer kissenbelegten Bank zu sitzen, dennoch fühlt er sich so gerädert, als hätte er den ganzen Tag Holz gehackt.
Er findet Niniane in ihrem Botanikum. Winzige Lichtern, sanft wie der Schein von Kerzen, leuchten in den weißen Blüten, die sich um den Durchgangsbogen ranken. Sie sitzt an ihrem Schreibpult und trägt etwas in ein ledergebundenes Buch ein. Als er eintritt, blickt sie auf und lächelt. Er läßt sich in den Stuhl ihr gegenüber fallen, schnallt seine Stiefel auf und streift sie ab, dann stützt er das Kinn auf die Fäuste, die Ellenbogen auf die Knie und sieht sie eine Weile nur an. Sie erwidert seinen Blick still, schlägt das Buch zu und legt die Feder weg, aber sie sagt kein Wort.
Irgendwann beginnt er zu sprechen, erzählt von dem Raed, davon, was er erfahren hatte und von Olyvars Plänen... von allem. Als er endet, hat sie noch immer kein einziges Wort gesagt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 04. Dez. 2003, 11:30 Uhr
Sie steht auf und geht zu ihm hinüber, berührt mit den Fingerspitzen sein Gesicht. "Morgen bei Sonnenuntergang also," ist alles, was sie sagt. Er schließt sie in seine Arme und sie birgt seinen Kopf an ihrer Brust. Sein Haar riecht nach Nebel und Abendkälte. Sie sagt nicht, daß sie hier bleiben würde, aber sie kann spüren, daß er darauf wartet. Sie will nicht zurückbleiben - sie will an seiner Seite reiten und kämpfen und lachen, während Blutnebel den Himmel verdunkelt und die Raben auf das Schlachtfeld rufen, wenn es vorbei ist. Bin ich absonderlich? Aber sie weiß, daß sie diesmal zurückbleiben muss. Es ist nicht einmal so sehr um des Kindes Willen, das in ihr heranwächst, es ist als flüstere eine innere Stimme ihr beständig zu, daß es diesmal nicht an ihr wäre, das Schwert zu ergreifen. Cron, Caewlin, Falcon, Olyvar... dieser Nordmann mit seinem Windschiff und all die anderen tapferen Freiwilligen...es wird ihre Schlacht... Sie haucht einen Kuss in das rabenschwarze Haar des Tronjers, spürt, wie seine Arme und seine Wärme sie so fest umschließen, als wolle er sie nie wieder loslassen und hört sich selbst sagen. "Ich werde hier bleiben, Cron." Aber das heißt nicht, daß ich nichts gegen sechshundert wildgewordene Narge in meinem Wald unternehmen werde!  Er hebt den Kopf, schiebt sie ein Stück von sich weg und sieht sie an, als habe er sich verhört oder als sei sie nicht ganz bei Trost. Mit Kapitulation noch vor dem Kampf hatte er nicht gerechnet und sein verblüfftes Gesicht läßt Lachen, dunkel und samtig, in ihrer Kehle aufsteigen. Sie beißt sich auf die Lippen, doch es gelingt ihr nicht, es zu unterdrücken. "Sieh mich nicht so an, du hast dich nicht verhört." Sie kehrt in seine Arme zurück und blickt auf sein Gesicht hinunter, noch immer lachend, obwohl plötzliche Angst um ihn wie Frost in ihren Körper kriecht, bis es ihr schwerfällt, zu atmen. Sie schlägt die Augen nieder, will ihn nicht ansehen. Er würde in ihren Augen sehen, was sie fühlt - aber sie kann nicht verhindern, daß ihre Stimme belegt klingt, als sie sagt: "Ich helfe dir, deine Sachen zu packen. Du wirst bestimmt...viele Dinge brauchen. Deine Rüstung, deine Waffen, deine..." sie löst sich von ihm, tritt zurück und wendet sich um. Auf einmal ist ihr kalt. "Stellt Olyvar dir Zelt, einen Knappen und all das, oder mußt du selbst dafür aufkommen und was ist mit..." Er wird den Köder anführen...den Köder, als wäre das eine Rattenjagd in einem Keller... ihr Herz schlägt langsam und dumpf, obwohl es sich anfühlt, als säße es ihr plötzlich im Hals.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 06. Dez. 2003, 19:59 Uhr
Es wird später Nachmittag, bis Cron am Baum aufbruchbereit ist. Niniane hatte ihm gestern geholfen,  seine Ausrüstung und seine Waffen, seine Kleidung, warme Umhänge und einige persönliche Dinge zusammenzupacken und zu verstauen und nun sind seine Satteltaschen prall gefüllt und zwei große Seesäcke aus festem Leder ebenso. Sein Kettenhemd ist blank gescheuert, das wattierte Lederunterzeug frisch gereinigt und gut eingefettet, seine Rüstung ruht noch glänzend und schwarz auf der Puppe. Harnisch, Halsberge, Schulterstücke, Armkacheln und Beinschienen, alles ist aus schwarzem Stahl, und der Schein des Kaminfeuers wirft ein orangerotes Schimmern darauf und glüht in den Rubinen, mit denen die Augen des Drachenschädels auf der Brust ausgelegt sind. Sie hilft ihm, Kettenhemd und Rüstung anzulegen, schließt Schnallen und Bänder und lächelt dabei tapfer. Gestern, als er vom Raed zurückgekehrt war, und ihr von allem erzählt hatte, hatte es fast ausgesehen, als wolle sie in Tränen ausbrechen. Wäre Ottur Waefre auf einem Seedrachen plötzlich in den Raum geplatzt und hätte mit Feuermelonen jongliert, Cron hätte nicht erstaunter sein können. Sicher war es nur natürlich, daß eine Frau weinte, wenn ihr Gefährte in eine Schlacht zog, aber das hier war Niniane! Er hatte sie nicht mehr weinen sehen, seit jener götterverdammten Nacht im Sturmtal, als sie Jeliel getötet hatte und in seinen Armen fast gestorben war. Er hatte die Hand ausgestreckt, um sie zu trösten und sie hatte sich sofort wieder in der Gewalt. Und seitdem zeigte sie ihm nichts als jenes tapfere, traurige Lächeln. Sie hatten seine Ausrüstung gepackt, die Pferde versorgt, Donners Eisen überprüft, zu Abend gegessen, auf Phelan gewartet, der jedoch nicht von der Jagd zurückgekehrt war, miteinander gelacht und sich in der Stille der Nacht geliebt - und Wahrheiten getauscht, die sie beide im Licht des Tages nicht ganz glauben konnten.  
Sie hatte ihm über Narge erzählt, was sie weiß und das war nicht wenig. Niniane hatte schon vor unzähligen Jahren Kämpfe gegen sie ausgefochten, kennt ihre Art zu denken, zu handeln, zu reagieren und teilt ihr Wissen mit ihm, während sie letzte Vorbereitungen treffen. Auch an diesem Tag taucht Phelan aus dem Larisgrün noch nicht auf, und dann kommt die Zeit für ihn, aufzubrechen....

Niniane schließt die letzte Schnalle, reicht ihm die eisengepanzerten, schwarzen Handschuhe und den Helm, doch er legt beides nicht an. Dafür war in der Schlacht noch genug Zeit. Sobald er einen Wagen hätte, auf dem er all seine Sachen verstauen könnte, wollte er das meiste ohnehin ablegen, bis sie den Nargen näherkommen würden - für einen Ritt durch das Larisgrün braucht er kaum schwere Rüstung. Es dauert ewig und scheint doch nur ein paar Sekunden, bis nichts mehr zu tun bleibt. Donner steht gesattelt und gezäumt bereit, die bronzebeschlagene Schabracke über Brust und Hinterhand geschlossen, die schweren Satteltaschen aufgelegt und die Seesäcke am Sattel festgebunden. Er legt den Waffengurt mit Dolch und Kurzschwert an und spürt das vertraute Gewicht der riesigen, zweihändigen Klinge auf seinem Rücken, dann dreht er sich zu ihr um. Er hatte sie gebeten, ihn zur Steinfaust zu begleiten, aber sie hatte nur den Kopf geschüttelt und ihr Lächeln war so starr wie das einer Holzmaske. "Ich muss gehen." Sie nickt nur. Er streicht noch einmal über ihre Wange, dreht sich um, besteigt Donner und verläßt sie.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 06. Dez. 2003, 22:24 Uhr
Sie wartet, bis er halb über die Lichtung gekommen ist, dann läuft sie ihm nach. "Cron!" Einen Augenblick lang fürchtet sie, er würde nicht anhalten, sich nicht umsehen - dann tut er es doch und steigt ab, um auf sie zu warten.  Sie rennt durch nebelfeuchten Rainfarn und kniehohes Smaragdgras und ihr scheint, als laufe sie eine Ewigkeit und käme doch nicht von der Stelle. Sie wirft sich in seine Arme und die Doppelspangen seiner Halsberge drücken sich schmerzhaft in ihre Haut, doch das spürt sie nicht.  Er küßt sie noch einmal, fest, in seiner eigenen rauhen, heftigen Art. Seine Küsse sind nie sanft -  dann hält er sie ein Stück von sich weg und wischt die Tränen von ihren Wangen.
"Ich weine nicht," erklärt sie, obwohl Tränen ihre Augen verschleiern. "Und es ist mir auch egal, ob du zurückkommst, Nordmann!"
Sein Lächeln ist sehr selbstzufrieden - er weiß genau, daß sie lügt, aber auch das ist ihr jetzt gleich. Er sieht sie an, als wolle er sagen: Bist du deshalb über die ganze Lichtung hinter mir hergejagt, um mir das zu sagen? und fast hätte sie unter ihren Tränen gelacht. "Ich habe vergessen, dir etwas zu geben. Hier." Sie nestelt ein Stück Seide, schwarz wie die Mitternacht von ihrem Gürtel. "Ich habe es mit der magischen Nadel gemacht, die du mir geschenkt hast." Es ist ein dreieckiges Tuch auf das sie mit Strähnen ihres eigenen Haares den Drachenschädel Tronjes gestickt hat.
Er sagt nichts, sondern lächelt nur, zieht sie in seine Arme und küßt sie noch einmal. "Cron, ich..." sie kann die Worte, die sei beinahe gesagt hätte, gerade noch zurückhalten. "Du wirst mir so fehlen," meint sie stattdessen. Geh...geh!
Noch einmal drückt er sie an sich, hebt sie ein Stück vom Boden und schnürt ihr die Luft ab. Dann setzt er sie weit von sich ab und steigt auf sein Pferd, ohne sie auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen - doch dann wendet er sich endgültig um und verschwindet in Richtung Stadt und Steinfaust und dem Feldzug gegen die Narge entgegen.
Niniane steht im grünen Smaragdgras ihrer Lichtung und sieht ihm nach, bis er zwischen den Bäumen verschwunden und jeder Hufschlag auf dem weichen Waldboden verklungen ist - dann wendet sie die Augen von dem leeren Pfad vor ihr ab, lehnt sich gegen einen Baum und drückt den Rücken gegen die rauhe Borke.
Du bist so eine dumme... dumme... dumme... ihr fällt kein Wort ein, das sie treffend beschreiben würde. Zornig wischt sie sich die Tränen vom Gesicht, doch ihre Augen wollen einfach nicht auf sie hören und ihr Herz noch viel weniger. Aus dem Nichts flattert Shugorn auf ihre Schulter und ausnahmsweise verzichtet der Rubinrabe auf jedes dumme Krächzen. Stattdessen blickt er sie aus feurigen, wissenden Augen an und reibt seinen Kopf an ihrer Wange. "Flieg ihm nach, rasch. Bleib bei ihm. Sei mein Auge und mein Ohr, mein Schatten." Sie streicht über das glatte, seidig-kühle Gefieder und wirft den Raben dann mit beiden Händen hoch in die Luft. Durch ihre Tränen sieht sie alles in verschleierten Regenbogenfarben und der Rabe schwingt sich mit rauhem Schrei in die Luft.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 14. Dez. 2003, 17:09 Uhr
Olyvar war erst vor weniger als zwei Stunden mit dem Heer ausgezogen, als die Elbin den Baum am Smaragdstrand erreicht. Sie hatte Calyra noch einige Augenblicke nachgesehen, hatte sich dann auf den Weg zu ihrem Haus gemacht und war auf halbem Wege umgekehrt. Die Stille im Katei war ihr schon in ihrer Vorstellung unerträglich geworden und sie weiß, dass sie die nächsten Wochen keine Ruhe finden würde.
Der Baum strahlt Leben, Wärme, Ruhe und Frieden aus, all das wonach sie sich in diesem Moment sehnt. Sie spürt Ninianes Anwesenheit irgendwo im Inneren des Baumes, verharrt jedoch auf der Lichtung, sucht sich einen Platz und setzt sich dort, wo einige Nächte zuvor die Halbelbin mit Falcon gesessen hatte. Kizumu spürt die Kälte nicht, die vom feuchten, immergrünem Gras und Farn ausgeht, sie sitzt lediglich da, den Blick in den sternenbehangenen Himmel gerichtet.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 14. Dez. 2003, 18:05 Uhr
Niniane findet Kizumu unter dem hohen, kalten Dach der Sterne, als sie ein wenig später von der Jagd zurückkehrt. Ein unvorsichtiger Rehbock, ein Jährling vom letzten Frühjahr, war ihr vor die Armbrust gelaufen und würde ihr Fleisch genug liefern, um einiges davon für den Winter einzulagern. Sie braucht dringend Vorräte - ihre Speisekammern sind leer und den ganzen Herbst über war sie nicht dazugekommen, Beeren, Kräuter, Pilze und anderes einzubringen. Lange Markteinkäufe bei ihr bekannten Bauern und Händlern stehen ihr bevor - und vorher der lang vernachlässigte Herbstputz in ihrem Baum.  "Khel Anar, Kizumu." Lautlos war sie hinter der Feuerelbin aus dem Unterholz getreten, den Rehbock über der Schulter. Sie spürt sein Gewicht wohl, aber dennoch ist es nur ein Rehjährling - wenn sie nicht einmal mehr das tragen könnte, würde sie das jagen aufgeben.  "Ich habe einen Rehbock geschossen. Willst du die Decke? Dann komm und hilf mir, sie abzubalgen. Sind sie fort?" Kizumu weiß genau, wen Niniane meint und nickt. "Hast du Olyvar verabschiedet?" Fragt sie leise weiter und rückt den schlaffen Kadaver auf ihrer Schulter zurecht. Langsam wird er wirklich schwer und sie stinkt nach Blut. In Kizumus Augen findet sie ein Echo von ihrem eigenen Schmerz und ihrer Angst. Sie war wenigstens mutig genug, ihren Geliebten vor dem Angesicht aller zu verabschieden und bis zur letzten Minute bei ihm zu bleiben... "Wer ist noch mit Olyvar geritten?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 14. Dez. 2003, 18:33 Uhr
"Caewlin, Falcon, ein Heer von freiwilligen Rittern, Templern..was weiß ich noch alles." Sie steht auf, klopft sich nicht vorhandenen Schmutz von der Hose und geht Niniane voran zum Baum. Die Lichtung liegt still im Mondlicht, das Farn raschelt leis unter ihren Füßen. "Es ist schön wie immer." Kizumu lächelt die Halbelbin, die an ihr vorbei geht an und folgt ihr zu der windgeschützten Stelle zwischen den Wurzeln des Baumes. Sie legt den Bock ab und zückt einen schlanken Dolch und einen Moment schauen die beiden Frauen sich schweigend an. Dann nimmt Kizumu der Halbelbin den Dolch aus der Hand und beginnt wortlos damit, das Tier auszuweiden und ihm die Decke abzuziehen. Als sie aufblickt, sieht sie direkt in Niniane´s goldene Augen. Sie schweigen lange Augenblicke, dann muss Kizumu lächeln. "A Linn?" Sie steht langsam auf und ergreift die Hände der Freundin, das Blut des Rehbockes an ihren eigenen ignorierend. "Das ist..." Kizumu´s Lächeln gefriert, als sie daran denkt, wo sich der Vater des Kindes gerade befindet.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 14. Dez. 2003, 22:21 Uhr
"Ai," erwidert sie nur, nimmt Kizumu das Messer wieder ab und trennt Gedärme, Lunge und Galle von den Inneren, die sie verwenden will. Eine Weile arbeiten sie schweigend. Kizumu spannt das Fell in den Rahmen und beginnt, Blut und Fett abzschaben, Niniane löst das Fleisch von den Knochen und zerlegt den Rehbock. Eine hungrige Wölfin erscheint auf der Lichtung, angelockt vom Blutgeruch und setzt sich artig wie ein Hofhund in einigen Schritt Entfernung. Es ist eine alte Einzelgängerin und Niniane hat fast immer irgendetwas von ihrer Jagdbeute für sie übrig - auch diesmal wirft sie ihr ein paar Knochen zu. So schnell wie die graue Wölfin erschienen war, ist sie mit ihrer Beute auch wieder verschwunden. "Ich bin schwanger. Glauben kann ich es immer noch nicht wirklich, Kizumu. Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange ich mir einst Kinder gewünscht habe und nie..." Sie zuckt mit den Schultern und ist es leid, sich immer wieder den Kopf darüber zu zerbrechen, warum ausgerechnet jetzt, wo sie dieses Kapitel schon lange abgeschlossen und hinter sich glaubte. Sicher, sie ist zum Teil elbischen Blutes, zum Teil vom Blute Thaylons und alterte nicht - doch ist sie auch Mensch. "Ich war sicher, ich würde nie welche haben."  Sie sieht Kizumu über die Fleischstücke hinweg an. "Arwen ist ebenfalls gesegnet. Und Morgana." Ein leises Lächeln huscht über ihr mit winzigen, roten Blutspritzern gesprenkeltes Gesicht. "Es wird viel Kinderlachen geben, nächstes Jahr im Frühling und Sommer."
Sie weigert sich, an Cron zu denken und doch kreist ein Teil ihrer Gedanken so beständig um ihn, wie die Sterne am Himmel kreisten. Arbeit ist das einzige, was sie ablenken kann und Kizumu scheint es nicht anders zu ergehen - und noch vor Mitternacht ist alles Fleisch zerlegt, in Eisblatt eingewickelt und in den dunklen, kalten Eiskellern verstaut.  Die Decke ist auf den Gerbrahmen gespannt, von Fett und Blut befreit und eingewalkt, damit sie nicht brüchig würde und sie nehmen beide ein Bad in den heißen Quellen.
Niniane istzt auf den Stufen im Dampf unter einem samtdunklen Himmel und der Vollmond taucht den Wald in beinahe taghelles Silberlicht. Kizumu liegt im tieferen Wasser, die Arme auf dem steinernen Rand und beobachtet die alte Wölfin, die sich den Rest des Rehbocks holt und über die Lichtung davonzieht. "Er wird zurückkommen, Kizumu." Meint Niniane leise. "Erzähl mir von Olyvar. Und von Ieras."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 15. Dez. 2003, 18:22 Uhr
Eine gewisse Hitze macht Kizumu ja wenig aus, aber die heißen Quellen Niniane´s überfordern sogar die Feuerelbin und so hat sie Wasser dazugeschüttet, ehe sie sich in die Quelle wagt. Nun steigt der Dampf auf, lässt die kleinen Haare in ihrem Nacken sich kräuseln und steht in Kontrast zu dem kühlen Wind, der ihr über Arme und Schultern streicht. Die Hoffnung aufgegeben, Kinder zu bekommen, woher kenne ich das nur? Sie lächelt unfroh, doch als Niniane, Arwen und Morgana erwähnt, freut sie sich ehrlich.
"Von Olyvar und Ierás erzählen?" Sie löst den Blick von dem Fleck, wo die Wölfin ins Unterholz verschwunden ist und schaut zu Niniane auf. "Mein Sohn ist erwachsen geworden. Er hat ein Mädchen kennengelernt... und wenn die Gerüchte stimmen werde ich Großmutter." Sie lacht, so recht kann sie sich noch nicht vorstellen, Großmutter zu werden. "Und ich bin noch nichtmal dazu gekommen, ihn zu fragen, ob das stimmt." Die Elbin grinst unfroh. "Er ist die ganze Zeit bei ihr..die kleine Hufschmiedin, die zweite beim Pferderennen geworden ist, vielleicht hast du sie schon gesehen." Die kalte Luft auf ihren Armen wird langsam unangenehm kühl und sie nimmt sie vom Rand des Beckens und taucht bis zum Kinn unter. Ihre Gedanken schweifen zu Olyvar und ein weiches Lächeln umspielt ihre Lippen. "Olyvar...es ist nicht immer leicht, weißt du? Er hat viel zu tun, wir sehen uns zu selten, für meinen Geschmack und jetzt noch dieser Feldzug." Ihre Augen werden dunkel, sie senkt den Blick und versucht ein schiefes Grinsen. "Ja, er wird wieder kommen..er muss. Er gibt mir das Gefühl, lebendig ..und glücklich zu sein." Kizumu schaut auf, ihre Augen schimmern verdächtig, doch ihr Lächeln erreicht die Augen und sie schluckt den Kloß in ihrem Hals herunter.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 16. Dez. 2003, 21:29 Uhr
Niniane will Kizumu eigentlich von Wegesend erzählen und von all dem, was geschehen war und dem bitteren Ende, das Falcon und Arwen genommen hatten - doch die Neuigkeiten der Feuerelbin drängen all das in den Hintergrund.
"Ieras und ein Mädchen? Großmutter?" Echot Niniane ungläubig und gleichzeitig ergießt sich eine Flut von gesendeten Gedanken über Kizumu. Ieras Erbe, alles, was hinter ihm steht und sein Blut ausmacht, die möglichen Folgen für ihn, das Kind, die Mutter und noch vielerlei mehr. "Kizumu, wenn das wahr ist... Götter!" Sie hätte Ieras für weiser gehalten - erwachsener, vernünftiger. Der Sohn des Drachen - der einzige Sohn des Drachen! - sollte nicht durch die Gegend laufen und Bastarde zeugen, wie es ihm gerade einfiel! Es ist doch nur ein Gerücht! Wispert eine mahnende Stimme in ihrem Inneren. Hast du einmal an die Konsequenzen gedacht, die das haben könnte? Nicht nur für Ieras, sondern auch für das arme Mädchen?
Es scheint ihr erst gestern gewesen zu sein, daß Kizumus kleiner Sohn blutig und warm aus dem Schoß seiner Mutter in ihre wartenden Hände geglitten war: schuppig, zart, die kleinen Flügel wie schimmernde Membranen um den menschlichen Körper geschlungen...
"Kizumu, hör mir zu... du weißt, ich liebe Ieras, er ist dein Sohn! Er ist ein vielversprechender junger Mann, doch ganz gleich, ob er jemals seine Ansprüche wahrnehmen wollen würde oder nicht - sein Erbe ist auch gefährlich! Du weißt, warum. Ebensoviele Anhänger wie die Dracayrens im Osten noch haben mögen, haben sie auch Feinde. Glaubst du im Ernst, wenn sie von einem solchen Kind wüßten, sie würden es am Leben lassen? Erinnere dich, wie gefährdet Ieras als Kind war. Er ist rasend schnell gewachsen und nun fast ein Mann und nicht mehr so leicht zu töten. Er hat Kräfte, die unbedingt geschult werden sollten, aber das weißt du alles - und er weiß es auch. Aber noch einmal ein Kind mit dem Blut der alten Drachenkönige? Was hat Ieras sich dabei nur.... nur gedacht?!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 17. Dez. 2003, 05:02 Uhr
Die Gedanken die auf die Feuerelbin einstürmen, sind ihr bekannt, sie selbst hatte sich seit sie das Gerücht gehört hatte, damit beschäftigt und so nickt sie nur. Ich weiß, min Ija. Und noch ist es nur ein Gerücht, er weiß selbst, was für ein Erbe er trägt, wir haben viel darüber gesprochen. Ich vertraue meinem Sohn. Ein leises Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht, als sie antwortet. "Ich glaube, sollte das wahr sein, hat er gar nicht gedacht." Ninianes ernste Miene wischt ihr jedes Lächeln aus dem Gesicht und sie wird wieder ernst. "Ich werde mit ihm darüber reden, sobald es irgendwie möglich ist und ihm noch einmal klar machen, was jede seiner Taten für Konsequenzen haben kann."
Kizumu stützt sich mit den Armen ab und setzt sich auf den Beckenrand. Sie entwirrt mit den Fingern ihr Haar und blickt dabei zu Niniane. "Mach dir nicht so viele Gedanken... sollte er tatsächlich diese Dummheit begangen haben, werde ich ihm zuerst den Kopf abreißen und dann dafür sorgen, dass das Kind sicher aufwächst." Sie blickt der Halbelbin entschlossen in die Augen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 18. Dez. 2003, 19:21 Uhr
Kizumus Worte lassen sie wider Erwarten doch lächeln. Vermutlich hast du recht und ich sehe hinter jedem Baum einen Schatten...
Sie reicht Kizumu einen grobzinkigen Kamm aus Elfenbein, in dessen breiten Rücken filigrane Rankenmuster geschnitzt sind und wäscht sich dann das eigene Haar aus. "Sieh dir mein Haar an..." murmelt sie und wringt das Wasser aus den wesentlich kürzeren Strähnen. Der Kampf mit den Nargen am Heideweg hatte sie einen ganzen Schritt Haarlänge gekostet - wenn nicht mehr. "Ich bin kurzgeschoren wie ein Schaf im Frühjahr!" Schnaubt sie, obwohl ihr Haar noch immer weit über ihren Rücken fällt. Sie erzählt Kizumu, wie es dazu gekommen war und dann gibt ein Wort das andere. Über die Geschehnisse am Heideweg weiß die Feuerelbin bereits alles, was es zu wissen gibt, schließlich waren sie und Phelan nach ihrer Rückkehr bei Olyvar in ihrem Haus gewesen - aber alles, was danach geschehen war: Wegesend, der Kampf mit den Falkenkriegern - Verrätern an ihrem König, ihren Eiden, an allem, woran Elben glauben - Falcons Verschwinden... das alles ist neu für Kizumu und die Zeit vergeht, während Niniane erzählt und erzählt. Sie steigen aus dem Bad, trocknen sich und kleiden sich an und kehren in den Baum an ein warmes Feuer zurück, während es draußen zu schneien beginnt und immer noch erzählt sie. Sie sitzen vor dem Kamin auf weichen Pelzen, trinken Sommerwein aus rauchgrauen Glaskelchen und Niniane berichtet, wie Falcon sich davongestohlen und Arwen allein zurückgelassen hatte. Von Arwens Vergiftung, ihrem Heimweg, wie Cron das Gegenmittel in den Tausendwinkelgassen besorgt und Morgana sich hier um alle gekümmert hatte. "Caewlin hat soviel Blut verloren, daß er ein paar Tage lang wackelig wie Sülze war - Calyra war mit Brynden hier, solange er nicht aufstehen konnte und hat zu unser aller Glück das Kochen übernommen." Ihre Nase kräuselt sich leicht beim Gedanken an Crons Kochkünste. "Morgana mußte ständig zwischen ihrer Kate und dem Baum hin und hereilen wie ein konfuses Irrlicht, schließlich hatte sie auch noch andere Schützlinge, die ihrer Hilfe bedurften, und Arwen war... es hat sie wirklich schwer getroffen, Kizumu. Sie ist nicht mehr diesselbe. Sie hat die Ehe auflösen lassen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 18. Dez. 2003, 20:09 Uhr
Während Niniane erzählt, trocknen sie sich ab, kleiden sich an und gehen in den Baum, schüren dort ein Feuer und die Halbelbin erzählt noch immer. Die Dinge die sie sagt, lassen jedes Lächeln aus Kizumus Gesicht weichen. Bei den Göttern, was in so kurzer Zeit alles geschehen kann. Als Niniane von Wegesend erzählt, wird ihre Miene sehr ernst. >..und Arwen war... es hat sie wirklich schwer getroffen, Kizumu. Sie ist nicht mehr diesselbe. Sie hat die Ehe auflösen lassen."< Sie schluckt und senkt den Blick, sie kann nur ahnen, wie es Arwen nach all den Geschehnissen geht, doch dass Falcon gegangen ist, erstaunt sie und es macht sie auf seltsame Art wütend. "Warum zieht er in einen Krieg, wenn er hier doch wesentlich wichtiger wäre..." Sie erwartet keine Antwort, und doch fragt sie sich, was in den Kellern des Wirtshauses geschehen und gesprochen worden sein muss, um den Elben zu solch einem Verhalten zu bringen. Sie schüttelt den Kopf über all diese Dinge, starrt eine Weile ins Feuer und ordnet ihre Gedanken. "Wird sie hier bleiben?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 20. Dez. 2003, 15:18 Uhr
"Ich denke schon - und ich hoffe es. Arwen hat ihr ganzes, langes Leben so sehr nach Falcon ausgerichtet, daß sie erst einmal lernen muß, sie selbst zu sein, für sich zu leben. Immer galten ihre Gedanken zuerst ihm. Falcon der Templer, Falcon der Mann. Er hat sie einmal zu oft verlassen, fürchte ich.... vielleicht waren sie auch nie wirklich füreinander bestimmt, ich weiß es nicht, Kizumu." Sie geht in die Küche hinüber, brüht Tee auf und Kizumu folgt ihr. Sie naschen beide ein wenig kalten Braten und Brot mit frischer, kühler Butter und hängen ihren Gedanken nach.  "Sie haben sich mit Sicherheit sehr geliebt, aber auch die größte Liebe... reicht nicht, um ein Leben miteinander zu teilen. Egal ob ein sterbliches, oder unsterbliches Leben." Eine Weile starrt sie gedankenverloren in leere Teeschalen. "Ich glaube, sie wird bleiben. Sie hat noch... eine wichtige Aufgabe zu erfüllen und sie ist Priesterin. Der Tempel hier braucht sie... abgesehen davon, hat sie zur Zeit niemand anderen als Nadir Shunjalir zu Gast auf Vinyamar. Den Nadir Shunjalir, Prinz der Kheleda'ya und Traum zahlloser junger Elbenmädchen." Mit einem spöttischen Funkeln in den Augen sieht sie nach, ob der Tee lange genug gezogen hätte und schenkt ihn dann ein.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 27. Dez. 2003, 21:24 Uhr
Mit der Morgendämmerung tritt Niniane vor ihren Baum. Tage sind vergangen, seit Kizumu zu Besuch gekommen war und da es die Feuerelbin nicht in ihr leeres Haus zieht, hatten sie das Pony kurzerhand hergeholt und Kizumu war geblieben. Phelan war einmal kurz aufgetaucht, hatte einen Hirsch und ein paar Wildenten als Beute zum Baum gebracht und war nach einer Nacht der Ruhe erneut in den Wald aufgebrochen. Ein Keiler vom letzten Frühjahr, noch jung und zart, hatte es ihm angetan, und er war entschlossen, ihn als Julbraten zu erlegen. Niniane ist ihm dankbar dafür, daß er das Jagen übernommen hat, auch wenn sich ihre Vorratskammern längst wieder mit Fleisch gefüllt haben, aber sie kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Halbelb vor der Trauer um seinen Sohn und der Sorge um seine Männer, die lange schon wieder in die Grenzlande aufgebrochen sind, davonläuft. Jeden Versuch, mit ihm darüber zu reden, blockt Phelan jedoch höflich und wortkarg ab, und so bleibt ihr nichts, als ihn ziehen zu lassen. Ihre eigenen Gedanken kreisen unablässig um Cron und die Narge. Sie hatte ihm Shugorn mitgeschickt, doch noch hat sie es nicht gewagt, ihren Geist zu dem des Rubinraben auszuschicken, um etwas in Erfahrung zu bringen. Die Entfernung ist weit, selbst für sie, und solch ein Unterfangen ist nicht ohne Gefahr....
Ihre Lichtung liegt unter einer sanften, weißen Decke verborgen und Reif glänzt wie Diamantstaub auf den wenigen, hohen Gräsern, die über den Schnee hinausragen. Als sie mit Kizumu in die Stadt gegangen war, um Prins aus der Katei zu holen, war sie im Handwerkerviertel vorbeigegangen und hatte ein paar Zimmerleute mit dem Bau eines Stalles beauftragt, und so hallen seit vier Tagen unablässig Hammerschläge und Sägenknirschen durch den Wald rings um ihren Baum. Am Nordende der Lichtung entsteht neben einer hohen Birke ein Stall für Donner und Nachtwind, ein fester Bau aus geschälten Baumstämmen und einem Fundament aus Flußstein. Noch sind die Handwerker nicht da, denn die Sonne steigt eben erst über dem Ildorel auf und taucht den Wald in rotgoldenes Glühen und purpurnen Dunst. Kizumu liegt noch in Trance in einem der Gästezimmer im Ergeschoss des Baumes und Niniane bereitet Tee und ein Frühstück. Sie selbst ißt nur ein paar Feigen, Nüsse und klebrige Granatäpfel und wünscht sich, es wäre rohe, blutige Leber. Ihre Morgenübelkeit scheint endlich überwunden, dafür plagen sie die seltsamsten Eßgelüste und ihr Leib rundet sich, sanft, aber merklich.
Noch ein paar Tage bis zum Julfest... sie müssten Liam Cailidh bald erreicht haben...
Seufzend nippt sie an ihrem Tee, zieht die Beine an und starrt nachdenklich aus dem Fenster. Wenn heute nichts vom Feldzug in der Stadt zu hören ist, wird mir Shugorn doch seine Augen und Ohren leihen müssen...  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 28. Dez. 2003, 16:03 Uhr
Die fahle Wintersonne wirft ihre feinen Strahlen in das Gästezimmer als Kizumu aus ihrer Trance erwacht. Sie blickt zur Decke empor und lässt ihre Gedanken, wie so oft in den letzten Tagen zu Olyvar und dann zu Ierás wandern. Als sie Prins aus dem Katei geholt hatten, hatte sie ihrem Sohn einen Brief hinterlassen, wo er sie finden würde, doch bisher hatte er sich noch nicht blicken lassen und sie fragt sich, ob er seitdem überhaupt zuhause gewesen war. Mit einem leisen Seufzen schlägt sie die Decke zurück und steht auf.
Sie findet Niniane an einem der hohen Fenster sitzend und Nüsse essend. "Guten Morgen, min Ija." Die Elbin wirft einen Blick auf die Lichtung, die weiß glänzend um den Baum liegt. "Sind Nachrichten gekommen?" Kizumu gießt etwas von dem dampfenden Tee in eine der Schalen und nippt, nachdem sie ihn mit Pusten ein wenig abgekühlt hat, daran.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. Dez. 2003, 16:34 Uhr
Niniane blickt überrascht auf, als Kizumu beinahe lautlos eintritt und lächelt dann. "Du wirst noch zu einer Waldläuferin werden. Du hast Talent, dich anzuschleichen." Sie wird ernst, als sie die Frage der Feuerelbin hört und nach einem kurzen Augenblick schüttelt sie den Kopf. "Nein, nichts. Der Wald ist unruhig. Die Bäume flüstern, flüstern unablässig, aber ihre Stimmen sind wirr und sie erzählen mir nichts, was ich nicht schon wüßte.... das Heer ist auf dem Marsch. Blut und Tod im Grenzland. Krieger mit Eisen und Schwert sind auf dem Marsch. Sie ziehen westwärts, immer westwärts.... von Nargen noch kein Wort."
Seufzend steht sie auf und schenkt sich Tee nach. "Ich habe Cron Shugorn mitgegeben.... ich will versuchen, den Rubinraben zu erreichen. Es ist... nicht einfach. Mehr als senden." Mit vagen Gesten und Worten versucht sie Kizumu zu erklären, was sie vorhat. "Für einen Moment muss ich in seine Gedanken eindringen, soweit, daß ich durch seine Augen sehen und mit seinen Ohren hören kann..." Einen Moment schweigt sie, dann hebt sie den Blick. "Würdest du mir helfen?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 28. Dez. 2003, 20:39 Uhr
Kizumu schneidet eine Grimasse und grinst die Halbelbin an, dann nippt sie wieder an dem Tee. "Ich und Talent..." Das Grinsen auf ihrem Gesicht gefriert, ihre Augen werden einen Augenblick dunkel und ihre Gedanken wandern in die Vergangenheit, doch der Augenblick vergeht, ihre Gedanken kehren in die Gegenwart zurück. Während sie mit langsamen, langen Schritten in dem Raum hin und her eilt, lauscht sie Ninianes Erklärungen aufmerksam. "Hmm, ich glaube, ich weiß was du meinst. Ich habe vor einer Ewigkeit Mutter Enris dabei beobachtet... heimlich versteht sich." Sie grinst bei der Erinnerung, wird dann aber wieder ernst. "Es ist gefährlich und anstrengend... und ich werde tun, was ich kann um dich sicher wieder heimzuführen." Niniane lächelt ihr zu, Kizumu trinkt den Tee aus und stellt die Schale auf die Anrichte. Dann gehen die beiden hinüber, sie stellt den großen Lehnstuhl in die Mitte des Wohnraumes, während Niniane Kerzen und Räucherwerk entzündet. Schnell breitet sich ein leichter Kräutergeruch aus, die Elbin versucht erst gar nicht, zu erkennen, nach was genau es riecht. Die Halbelbin setzt sich auf den Stuhl und lächelt aufmunternd und beruhigend. Sie setzt sich vor Niniane auf den Boden, schlägt die Beine übereinander und öffnet ihren Geist für den Ninianes.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 03. Jan. 2004, 23:41 Uhr
Morgenlicht dringt durch die Fenster ins Kaminzimmer und läßt winzige, tanzende Staubkörnchen golden aufschimmern. Das Feuer im Kamin brennt sanft und gleichmässig mit beruhigendem Prasseln. Niniane hat einen ihrer Sessel mit den geschnitzten Lehnen herangezogen und sich hineingesetzt, während sich Kizumu vor ihr auf dem Boden niederläßt. Verschiedene Düfte von verbrennenden Kräutern und Räucherwerk durchziehen den Raum mit ihren Aromen und der überwältigende, fast parfürmiert wirkende Geruch nach Traumkelch- und Melryablüten.
Niniane atmet tief und gleichmässig, lächelt noch einmal und schließt dann ihre Augen. Ihre Hände ruhen leicht auf den Lehnen ihres Sessels und sie hat die Beine untergeschlagen, als säße sie im Schneidersitz auf dem Boden.
Während die Räucherkerzen verglühen und ihr Geruch die Luft pricklen läßt, wird aus Ninianes langsamem Atmen erst ein zischendes Fauchen und dann unmerklich ein summender, vibrierender Ton, gleich einem sanften Schnurren -  so leise, daß er selbst für Elbenohren kaum wahrzunehmen ist.
Niniane leert ihre Gedanken, schiebt alle Ängste und Zweifel und jedes Gefühl entschlossen zur Seite und sinkt beinahe Augenblicklich in eine andere Art von Trance als jene, die den Elben des Nachts Ruhe bringt. Als sie schließlich allein in der Dunkelheit und ihr Geist frei von allem anderen ist, tastet sie vorsichtig nach Kizumus Gedanken und findet kaum einen Herzschlag später ein sanftes, beständiges Glühen neben sich. Hier in diesem Dazwischen gibt es keine körperlichen Hüllen, keine Formen und keine Farben. Hier ist nur warme, verhüllende Dunkelheit und die Wärme ihrer Seelen. Bereit? Dann komm. Ich nehme dich mit mir, aber du darfst nicht weiter gehen, als der Schatten des Baumes reicht. Warte auf mich und bring mich zurück, wenn ich es nicht alleine schaffe. Hab keine Furcht, wenn dir etwas begegnet dort draußen. Solange du in Reichweite dieses Hauses bist, kann dir nichts geschehen...
Sie berührt Kizumu sanft an der Stirn, doch ihr Körper in ihrem Baum im Kaminzimmer bewegt sich nicht - und dann verblasst die Dunkelheit um sie her zu wirbelnden, grauen Schemen. Komm . Der Baum um sie her verschwindet, schmilzt wie Schnee in der Sonne und die Dunkelheit dehnt sich aus, verblasst, wird zu einer Ahnung von grauem Nebel - und dann sind sie plötzlich im Larisgrün. Körperlos, schwebend, leicht wie Federn gleiten sie dahin. Es ist kalt und der Wind schmeckt nach Schnee. Alle Farben scheinen aus dieser Welt gewichen, alles ist grau, merkwürdig formlos, wie ein verwaschenes Bild oder als sähe man alles um sich her durch tiefes Wasser. Der vage goldene Schatten, den der große Baum hinter ihnen wirft, ein sanftes Glühen in diesem trostlosen Grau, reicht weit, doch er ist nicht endlos. Warte hier auf mich, Kizumu. Halte Ausschau nach mir, wenn ich zu lange fortbleibe... Noch einmal berührt sie die Gedanken ihrer Freundin, dann löst sie sich von ihr und von ihrem Zuhause und wirbelt davon in die Nebel.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 05. Jan. 2004, 19:09 Uhr
Sie spürt Niniane, die vorsichtig nach ihrem Geist greift und sie ein gutes Stück vom Baum wegführt. Die Dunkelheit ist einem beinahe leichtem Grau gewichen und sie kann im vorbeifliegen die Umrisse der Bäume erkennen. Hinter ihnen leuchtet der Baum, sie spürt Niniane dicht an ihrer Seite und fühlt sich seltsam frei und losgelöst. Dann kommen sie an einen Punkt, an dem der Baum nur noch in weiter Ferne zu erahnen ist und die Halbelbin begibt sich auf die weite Reise, während Kizumu verharrt, dem Leuchten Ninianes hinterherblickt und sich seltsam fühlt.
Es vergeht nicht viel Zeit und die Elbin beginnt, neugierig und leichtsinnig zu werden. Sie schwebt in die Höhe und lässt sich von dort in die Tiefe fallen um kurz vor dem Boden abzubremsen. Ihr Lachen schallt laut durch die Stille um sie herum und im ersten Moment erschrickt sie über das Geräusch und verharrt. Kizumu blickt sich um, der Baum leuchtet in einiger Entfernung, die Umgebung ist völlig still und der Wald ist grau. Mit einem leisen Seufzen lässt sie sich nieder und wartet auf Niniane.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 07. Jan. 2004, 20:52 Uhr
Ihr Flug durch die graue Schattenwelt scheint endlos zu dauern, obwohl Niniane weiß, daß in der wirklichen Welt nur Augenblicke vergehen. Ihr Weg ist lang und einsam. Das Larisgrün ist uralt, ein riesiger, kalter Wald und sie selbst ist so klein, so verloren. Shugorn ist irgendwo dort draußen, doch weit fort, so weit - und sie kann ihn lange nicht finden. Schemen ziehen an ihr vorüber, kleine, schimmernde Geister in dieser grauen Nacht, doch nirgends ist der Rubinrabe auszumachen. Weiter und weiter drängt sie ins schemenhafte Nichts und plötzlich, so aprubt, daß sie fast vorübergeeilt wäre, spürt sie etwas vertrautes in der Nähe. Sie kann Shugorn fühlen und greift nach ihm, wie man nach einem Kleidungsstück greifen mag, berührt seinen Geist und schlüpft hinein. Der Rubinrabe kennt sie, ist ihr vertraut, ist teil ihres Lebens und so öffnet er ihr bereitwillig seinen Geist und...

...Hochgehoben in die Lüfte braucht sie einen Moment, bis sie begreift, daß Shugorn fliegt, und einen Herzschlag lang kann sie der Versuchung nicht widerstehen, einfach nur die Schwerelosigkeit zu genießen. Speere. Lanzen. Ein Meer von Stahl unter ihr. Scharf sticht ihr der Geruch von Angst in die Nase, doch dahinter liegen noch andere Gerüche: der kräftige Duft schwarzer Erde, feuchten Moors, winterlichen Waldes. Der  erdige, graue Geruch von Stein und darüber der frische, leichte von Schnee - dahinter liegt noch etwas anderes. Etwas lauerndes, und endgültiges: der Tod. Sie segelt über ein wartendes Heer von Männern in Stahl und Waffen, gleitet durch ein hochwandiges Tal, spürt den kalten Wind unter ihren Schwingen und kann den Tod riechen. Der Rabe kreist einmal, zweimal über dem Heerbann und sie kreist mit ihm - dann kehrt er zurück auf Crons Schulter. Sie kann den Mann riechen, den Stahl seiner Rüstung und ist ihm so nahe, wie nicht mehr seitdem er aufgebrochen war. Cron. Er kann sie nicht hören, er weiß nicht, daß sie hier ist und in Gestalt eines Rubinraben auf seiner Schulter sitzt. Sie muss ihn warnen und hört sich mit ganz ungewohnt rauher Stimme krächzen. Cron gibt Shugorn einen Klaps auf den Schnabel und am liebsten hätte sie ihm dafür in den Finger gebissen - doch woher sollte er wissen, daß sie hier bei ihm ist? Daß sie sich mit scharfen Krallen in seinem Umhang festhält? Innerlich seufzend reibt sie ihren Kopf nocheinmal an ihm und zwingt ihren Rabenkörper dann mit sanfter Gewalt zurück in die Luft. Sie kann die Narge riechen, bevor sie die Trommeln hört und erstarrt. Ihr Herz beginnt zu rasen. Ich muss etwas tun... ich muss etwas tun... irgendetwas... Sie steigt auf und dann kann sie die Narge sehen: fünfzig, hundert... hunderte. Sie strömen den Damm herab - vierhundert Pfund schwere Ungeheuer in Stahl und gehärtetem Leder, mit krallenbewährten Klauen, gelben Augen und daumenlangen Reißzähnen.... die Götter stehen ihnen bei!

Sie wird so plötzlich ins wirbelnde Grau der Zwischenwelt zurückgeworfen, daß sie hilflos dahintreibend einen langen Moment braucht, sich wieder zu sammeln. Noch immer sieht sie die Narge, brüllend, rennend, spürt die Angst der Männer, ihren verzweifelten Mut und Cron... Cron... ich muss...  Sie wirbelt zurück, rasend schnell, ein glühender Funken im dunklen Anthrazit, sucht ihren Rückweg und findet schließlich Kizumus helles Licht. Die Feuerelbin wartet auf sie, empfängt sie und bringt sie mit ihrer Willenskraft zurück, als Niniane langsam aber sicher die Kräfte verlassen. Nach Luft schnappend findet sie sich in ihrem Körper wieder, in ihrem Baum. Kalter Rauch hängt in der Luft und der sonnige Wintermorgen ist einem trüben Nachmittag gewichen. Jemand rüttelt sie sanft an der Schulter und als sie aufblickt, sieht sie in Kizumus besorgtes Gesicht. "Geht schon wieder..." murmelt sie und bemüht sich, ihr flatterndes Herz zu beruhigen. Ihre Finger sind taub und ihre Beine prickeln. Sie kann keinen einzigen Muskel rühren. "Kizumu.... ich muss... gib mir..."
Die Feuerelbin reicht ihr einen Schluck Wasser und Niniane stemmt sich mühsam aus ihrem Sessel. Sie weiß, was sie zu tun hat. Langsam wie eine uralte Frau, aber entschlossen, steigt sie in ihrem Baum nach oben. Sie erreicht ihr Schlafgemach unmittelbar in der gewaltigen Krone, tritt durch eine Tür mit holzgefassten Scheiben hinaus auf einen dicken Ast und klettert noch höher. Noch immer sind hier die Seile, Winden, Netze und Strickleitern und Hängebrücken, die Reed vor langer Zeit angebracht hatte, die ihren Baum mit den Kronen der anderen Bäume verbinden. Nichts davon ist in seiner immergrünen Krone zu von außen zu sehen, so geschickt hatte der Gaukler seine Wege aus geflochtenem Varynnagras verborgen. Schließlich kann sie nicht mehr weiterklettern und richtet sich auf einem hohen Ast ihres Baumes auf. Weit und nebelverhangen dehnt sich das grüne, reif- und schneebdeckte Dach des Larisgrüns vor ihr aus, ein endloses Meer der Bäume, das fern im Westen und Norden zu sanften Hügeln ansteigt.
Sie schließt die Augen. Noch nie hatte sie ihrem Wald etwas derartiges abverlangt, doch sie drängt jeden Gedanken an Zweifel entschlossen beiseite. Nichts ist zu hören außer das Seufzen dahintreibenden Schnees. Ihr Ruf ist leiser als ein Flüstern, doch umso eindringlicher. Wispernd weht er durch die Kronen der Bäume, fährt durch Gehölze und Haine, verhallt über Lichtungen, dringt durch Wurzel und Ast in die Herzen der Bäume, seufzt durch Bäche, Teiche und Seen und noch sein Echo verhallt in Erdlöchern, Höhlen und Grotten bis der ganze Wald davon erfüllt ist wie ein summender Bienenstock.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 07. Jan. 2004, 21:20 Uhr
Lange Zeit hat sie an der Stelle verharrt, an der Niniane sie allein gelassen hatte, bis sie plötzlich und rasend schnell die leuchtende Aura der Halbelbin auf sich zurasen hat sehen. Schnell ist ihr klar, dass sie handeln muss, sollten sie sich nicht beide hier verirren und so zieht sie Niniane an sich, hält sie fest und führt sie zurück zu dem goldenen Licht des großen Baumes.
Ohne Probleme kehrt sie in ihren Körper zurück, doch das nach Luft schnappen der Halbelbin lässt sie unruhig werden. Sie reicht ihr Wasser und blickt besorgt auf das blasse Gesicht Ninianes, doch diese steht auf und bewegt sich so langsam wie eine alte Frau in ihr Schlafgemach hinauf. Kizumu folgt ihr, immer bereit sie aufzufangen oder zu stützen, doch Niniane geht aufrecht und ohne zu stolpern. Sie erreichen die Baumkrone und die Wege, die Reed im vorletzten Sommer angelegt hatte. Die Feuerbergelbin spürt, das Niniane etwas tut, doch sie ahnt nicht um was es geht und so blickt sie abwartend zu der Halbelbin hin. Was hast du gesehen Niniane, sag es mir. Sie ballt die Hände zu Fäusten, bleibt aber still.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 08. Jan. 2004, 21:20 Uhr
Niniane hört ihren Ruf verhallen und klettert ein Stück weiter nach unten, ehe sie auf einer Astgabel sitzenbleibend Kizumus Blick bemerkt. "Es tut mir leid, min Ija. Ich habe nicht daran gedacht, daß du genauso begierig auf Neuigkeiten aus dem Westen sein musst, wie ich." Sie lächelt schwach. "Ich habe Olyvar nicht gesehen..." Stockend berichtet sie von dem, was Shugorns Augen ihr verraten konnten und von ihrem Vorhaben. "Ich weiß nicht, welche Tiere meinem Ruf folgen werden... auch ich kann sie nur bitten und ihnen nicht befehlen und ich bin kein Druide, der Kraft seiner Macht Verbündete herbeizaubern könnte... wir werden einfach warten müssen, was geschieht..."

Ausgelaugt und sehr erschöpft kehrt sie ins Innere ihres Baumes zurück. Ihr Magen fühlt sich an, als habe sie einen Klumpen Bücherleim verschluckt und ihr ist kalt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 10. Jan. 2004, 13:43 Uhr
Die Worte die Niniane spricht wecken grausige Bilder in ihren Gedanken und sie fröstelt in dem Wind, der hier oben weht. Sie bedauert, das Niniane Olyvar nicht hatte sehen können, aber eine winzige Stimme in ihrem Inneren wispert etwas von Rückkehr und Wiedersehen und die Feuerbergelbin klammert sich daran, wie an einen Strohhalm im Wind.
"Ich glaube, sie werden deinem Ruf folgen.. es ist doch auch ihr Wald." Mit einem aufmunterndem Lächeln folgt sie der Halbelbin ins Innere des Baumes zurück. Sie bemerkt das leichte Zittern das Niniane durchläuft, als diese sich erschöpft in den hohen Lehnstuhl setzt. "Ruh dich aus, du musst ein wenig mehr auf dich achten." Kaum das sie die Worte gesprochen hat, muss sie grinsen, kann sie sich doch noch gut daran erinnern wie oft Niniane dies zu ihr gesagt hatte, als sie Ierás unter dem Herzen trug. Niniane wirft ihr einen schiefen Blick zu und Kizumu beeilt sich, in die Küche zu kommen. Dort setzt sie einen Tee auf und wenige Minuten später durchzieht ein angenehmer Duft nach verschiedenen Kräutern das Innere des Baumes. Kizumu kommt mit zwei Teeschalen wieder in den Wohnraum. "Hier, trink. Das wärmt von innen." Sie reicht Niniane eine der Schalen, stellt dann ihre ab und holt eine leichte Decke aus einer Truhe hervor und legt sie der Halbelbin um die Schultern. Dann setzt sie sich wieder im Schneidersitz vor den Stuhl und nippt an ihrem Tee.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 11. Jan. 2004, 13:00 Uhr
Der Tag vergeht in angespannter Unruhe und sie beide beschäftigen sich mit kleineren Lederarbeiten, nur damit ihre Hände etwas zu tun haben und ihre Gedanken abgelenkt werden. Niniane lauscht auf das Wispern und Flüstern der Bäume, doch sie erzählen ihr nichts Neues. Kizumu bestickt den Saum einer samtweichen Lederdecke mit einem komplizierten Muster, das sie selbst nicht einmal mit ihrer magischen Nadel Zustande gebracht hätte und sie trinken Kannen voller Melissen und Johanniskrauttee ohne davon auch nur eine Spur ruhiger zu werden. Als die Sonne sinkt und eine klare Vollmondnacht beginnt, hält es Niniane nicht mehr in ihrem Sessel aus. Sie steht auf, legt Holz nach und ist so unruhig wie Mais in der Pfanne. Gelbliches Mondlicht sickert durch die Fenster, Kerzenschein erhellt ihren Baum. Es ist warm, duftet nach Pflaumenblüten und draußen singt der Wind. "Danke, daß du bei mir bleibst, Kizumu. Ich weiß nicht, wie ich das Warten allein ertragen sollte." In ihr regt sich etwas, zart wie sanftes Flackern, ein unheimliches, fremdes Gefühl, und plötzlich spürt sie ihr Herz. Sie legt die Hand auf ihren Leib. Was war das?

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 11. Jan. 2004, 16:25 Uhr
Niniane steht auf und Kizumu blickt von ihrer Stickarbeit auf und die Halbelbin fragend an. >Danke, daß du bei mir bleibst, Kizumu. Ich weiß nicht, wie ich das Warten allein ertragen sollte.< Sie lächelt und macht den letzten Stich an der Lederdecke. "Ich würde es zuhause ja auch nicht aushalten." Sie beobachtet Niniane, die plötzlich in ihrem unruhigen Lauf innehält und die Hand auf den Bauch legt. "Ist alles in Ordnung?" Die Halbelbin steht nur da und scheint tief in sich hinein zu horchen. Kizumu legt die Nadel beiseite, streicht über die weiche Oberfläche der Lederdecke und beobachtet Niniane genau, ein leises Lächeln auf den Lippen. Sie greift nach der Teeschale, will sie zum Mund führen als plötzlich grünes Feuer vor ihren geschlossenen Augen auflodert. Ihm folgt schmerzhaft grelles Rot und das Klirren der Schale die auf dem Holzboden des Baumes zerbirst. Die Elbin reißt entsetzt die Augen auf, wagt sie nicht wieder zu schließen, denn das Bild das sich ihr geboten hat, lässt sie vor Angst erstarren. "Bei den Göttern.." Ihre Stimme ist nicht mehr als ein Wispern und es dauert einige Augenblicke, ehe sie begreift, dass der Tee ihre Füße nässt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 15. Jan. 2004, 21:39 Uhr
Sie hört Kizumus Frage gar nicht und bringt nichts als ein leises, überraschtes "Oh!" heraus, so sehr lauscht sie in ihr Inneres. S'leja, Kleines...
Das klirrende Bersten einer Teeschale holt sie aprubt in die Wirklichkeit zurück und beim Anblick von Kizumus Gesicht sind schlagartig die ersten Bewegungen ihres Kindes vergessen. Beruhigend sendend, sowohl zu Kizumu, als auch zu dem ebenso wie sie erschreckten Kind in ihrem Leib, eilt sie an die Seite der Feuerelbin. Kizumu schwankt, als würde sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen.
"Kizumu, min Ija... was ist geschehen? Was hast du gesehen?" Wirre Bilder von grünem Feuer, schwarzem Rauch und entsetzlichem Schmerz sind alles, was Kizumu ihr erwidern kann. Niniane räumt die Scherben weg und wischt auf, dann trocknet sie Kizumus Füße und setzt sich neben sie. Die Feuerelbin hält den Blick starr auf einen Punkt in weiter Ferne gerichtet, als würde sie ihre Umgebung überhaupt nicht mehr wahrnehmen. Vermutlich tut sie es auch nicht...
Sie muss kein Hellseher sein, um zu wissen, was Kizumu gesehen hatte: Olyvar war in der Schlacht verwundet worden...
Die Nacht vergeht mit bangem Warten und die Wälder schweigen, schweigen und warten ebenso atemlos wie sie selbst. Sie hat sich auf die Lehne des Sessels gesetzt und hält Kizumu im Arm, wiegt sie wie ein Kind und findet dabei selbst Trost, während ihre Gedanken in tausend Richtungen wandern und sie sich fragt, was das Morgenrot bringen mag...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Kizumu am 16. Jan. 2004, 17:21 Uhr
Die Vision vergeht, doch die eiskalte Angst hält ihr Herz fest im Griff. Eine Ahnung von dumpfem, pochendem Schmerz durchzieht ihren Körper und sie bemerkt gar nicht, wie Niniane um sie herum aufräumt und sie dann sanft in den Arm nimmt. Die Halbelbin wiegt sie wie ein kleines Kind und Kizumu wünscht sich, stärker zu sein, ihren Geist so weit ausschicken zu können wie Niniane oder Enris und sie wünscht sich zum ersten Mal seit langem Ruan zurück. Er hätte nach Olyvar sehen können, hätte ihr zeigen können wie es ihm geht und was geschehen war. Aber er ist nicht mehr und du musst abwarten wie jede andere Frau Talyras.

Der Morgen zieht rotglühend herauf und noch immer schweigt der Wald, verharrt und Kizumu hat das Gefühl als drücke sie dieses Gefühl zu Boden. Sie verharren noch immer so, als die Sonne gänzlich aufgegangen ist und fahl und kühl vom Winterhimmel scheint. Irgendwann richtet sich Kizumu auf, blinzelt und kehrt vollständig in die Wirklichkeit zurück. Sie bemerkt Ninianes Arm um ihre Schulter und blickt zu der Halbelbin auf. "Verzeih, die schöne Teeschale," ist alles was Kizumu momentan hervorbringt. Der Wunsch, Prins zu nehmen und nach Liam Cailidh zu reiten ist so groß, dass sie befürchtet ihn auszusprechen, wenn sie nur noch ein Wort sagt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 18. Jan. 2004, 23:40 Uhr
Der Wind hat gegen Morgen deutlich aufgefrischt und treibt die Wolken in Fetzen vor sich her. Der Himmel sieht aus, als hätte ein mutwilliges Kind eine Wolldecke zerrissen und die ausgerissenen Stücke über blauen Samt gelegt.
Der Baum, in dem Niniane und Kizumu auf eine Nachricht von ihren Männern harren, rauscht im Wind und selbst das uralte Holz des Stammes knarrt zuweilen leise.

Plötzlich fällt ein großer, dunkler Schatten auf das Fenster, hinter dem Niniane und Kizumu sitzen. Das Windschiff des Nordmannes Galrin Ragnarsson dreht über dem Smaragdstrand eine langsame Kurve, um sich hart am Wind zur Steinfaust vorzutasten. Ein Ankerwerfen bei voller Fahrt erschien dem Kapitän als zu riskant, und so hat er sich Ninianes Baum als Wendemarke ausgesucht, um die "Windkind" mit langsamer Fahrt auf die Steinfaust zuzuführen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 19. Jan. 2004, 11:05 Uhr
Die Stunden fließen so langsam dahin wie zähflüssiger Sirup aus einem Krug. Der Morgen vergeht und die Sonne steigt höher. Auch der Mittag vergeht, ohne daß Niniane oder Kizumu ihr Warten aufgeben oder sich auch nur bewegt hätten - doch dann kommt Wind auf. Er weht aus dem Westen und die Bäume beginnen zu Wispern und zu Flüstern bis der ganze Wald von ihrem Raunen erfüllt ist. Niniane lauscht in ihr Inneres, lauscht hinaus und atmet dann erleichtert auf. "Die Schlacht ist vorüber... Kizumu! Sie haben gesiegt, es ist vorbei!"
Die Feuerelbin scheint sie nicht einmal zu hören. In ihren Augen liegt das ganze Leid der Welt und eine nagende Sorge. Olyvar... erinnert Niniane sich. Was nützt ihr, wenn die Schlacht gewonnen ist und er vielleicht gefallen war?
Irgendwann steht sie auf, brüht Tee auf, bringt Kizumu einen neuen Becher, der unberührt stehen bleibt und wünscht sich verzweifelt, irgendetwas für sie tun zu können, als plötzlich ein großer Schatten am Himmel die Sonne verdunkelt. Als sie aus dem Fenster blickt, sieht sie das Windschiff über dem Smaragdstrand wenden und auf die Stadt zuhalten. Es fliegt zur Steinfaust! Dann bringt es sicher Nachrichten von der Schlacht...! Und es würde bestimmt wieder zum Heerbann zurückkehren....
Ohne nachzudenken oder auch nur einmal zu zögern, rennt sie nach oben, zerrt zwei lederne Säcke aus ihrem Schrank und stopft für Kizumu und sich selbst Kleidung hinein. Unterwäsche, Kleider, Hosen, Hemden, Strümpfe und warme Umhänge. Die Feuerelbin hat ungefähr ihre Größe und Figur und wenn auch manches nicht perfekt passen würde, es muß eben so gehen. Von ihrem Schlafgemach eilt sie in ihr Botanikum und räumt aus den Regalen alle Kräuter, Phiolen, Tränke und Heilmittel, die sie dort noch hat zusammen, packt sie zwischen ihre Kleider und hastet dann mit allem wieder nach unten. "Kizumu!" Sie schüttelt die Elbin grob an den Schultern, um sie aus ihrer Starre zu lösen. "Kizumu! Das Windschiff ist über der Stadt! Komm schon, wir müssen zur Steinfaust. Ich kenne diesen Ragnarsson nicht, aber er wird dich zu Olyvar bringen. Hörst du mich?!" Erst sein Name läßt ihre Augen flackern und Niniane zieht sie auf die Füße. "Komm jetzt!"
Sie folgt ihr hinaus und Niniane sattelt die Pferde, während in Kizumus Augen vage Hoffnung erwacht. Und kaum eine halbe Stunde nach dem Auftauchen der Windkind über ihrem Baum sind die beiden unterwegs zur Steinfaust.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 10. März 2004, 21:42 Uhr
Mitternacht muß schon vorüber sein, als sie den Baum endlich erreichen. Das Holz des neugebauten Pferdestalles leuchtet ihnen hell vom Rand der Lichtung entgegen - die Handwerker hatten in ihrer Abwesenheit gute Arbeit geleistet und den Bau fertig gestellt: ein langgestrecktes, rechteckiges Gebäude mit einem gemauerten Fundament aus grauem Flußstein und massiven Wänden aus geschälten Baumstämmen. Hochgesetzte, schmale Fenster auf der Südseite würden Licht und Luft hineinlassen und den Eulen willkommene Einflugscharten liefern und das Dach war steil, um dem Heuboden darunter Platz zu lassen. Im Inneren tragen Säulen aus ganzen Baumstämmen den Mittelgang und das Zwischendach, eine schmale Leiter führt durch eine Luke auf den Heu- und Strohboden hinauf und es ist Platz für mindestens ein halbes Dutzend Pferde. Es gibt eine kleine Futter- und eine geräumigere Sattelkammer und ein paar gelangweilte Drechsler hatten auf Säulen, Giebelbrettern und am Dachfirst Schnitzerein in Form von Sonnen und Pferdeköpfen angebracht. "Du liebe Zeit," murmelt sie amüsiert, als sie Cron hilft, zwei der Boxen einzustreuen und dann die Pferde zu versorgen. "Ich wollte einen Pferdestall, keinen Palast." Sie räumen halbherzig die Sättel und Zäume auf, und beschließen, sich dieses Wunderwerk talyrischer Handwerkskunst morgen bei Tageslicht genauer anzusehen. Im Augenblick erkennt zumindest Cron ohnehin keine Details, Donner und Nachtwind fressen sich in ihren Boxen durch die wohlverdienten Haferrationen und sie selbst sind nach dem langen Tag völlig erledigt.
Während Cron die Feuerkörbe voller Holz schlichtet und sich dann darum kümmert, die Kamine und Feuerstellen im Baum anzuheizen, nimmt Niniane ein Bad. So erschöpft wie sie war, nach Tagen des Feldmarsches und Lagerns in eisigen Zelten oder überfüllten Gasthöfen giert sie geradezu nach sauberen Tüchern und frischem, heißem Wasser. Sie holt sich Ledertücher, Kleidung, verschiedene Duftöle und Seifen aus dem Baum, kehrt dann zu ihrer heißen Quelle zwischen den Baumwurzeln draußen zurück und steigt über die glatten Steinstufen in das dunkle, brodelnde Wasser. Sie schwelgt im Luxus der Hitze, vollkommen ungerührt von der Tatsache, daß das Wasser beinahe Brühtemperatur hat, läßt sich davon durchdringen, reinigen, härten und polieren. Sie schrubbt sich mit einer weichen Bürste Dreck und Schmutz von der Haut, wäscht ihr Haar mit duftenden Essenzen und verläßt das Steinbecken und seine Wärme nur ungern. Die eiskalte Nachtluft ist nach der glühenden Hitze wie ein köstlicher Schock auf der Haut.
Angenehm duftend, mit glänzendem Haar und träge vom Bad kehrt sie in den Baum zurück, der mittlerweile angenehm warm ist und sie mit leisem Wispern empfängt, geht hinauf in ihr Schlafgemach und sinkt mit feuchtem Haar und nur in ein Ledertuch gewickelt auf ihr Bett. Der vertraute Duft von Sandelholz und Pflaumenblüten kitzelt sie in der Nase und sie denkt noch, wie wunderbar weich spinnwebseidene Laken und Hermelinpelzdecken doch sind, bevor sie in die warme, schützende Dunkelheit davongleitet.
Als sie aufwacht, wirft die Morgendämmerung durch die Ostfenster im Botanikum bereits pfirsichfarbenen Schimmer in die tiefen, warmen Schatten ihres Schlafgemaches und Cron liegt schlafend neben ihr. Er atmet tief und langsam und sie spürt seine große, warme Hand, seine Finger verschränkt mit ihren.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 10. März 2004, 22:11 Uhr
Alles ist still, selbst die Pferde dösen vor sich hin, kauen ab  und zu an einem Strohhalm und träumen dabei wohl von einer Koppel mit einer fetten Löwenzahnwiese umgeben.

Ein Fass im hinteren Teil bewegt sich, schaukelt ganz sacht , dann stärker und fällt schliesslich nur von einem leichten Klappern begleitet ins Stroh. Eine kleine schmutzige Hand drückt den Deckel auf  und dann folgen ein schmutziger Fuss, und eine ebenso verdreckte Hose, bis ein ganz und gar dreckiger Gnom im Stall steht. Eins der Pferde hebt den Kopf und mustert den Winzling  ohne Angst. Ukko geht dem Tier nicht mal zum Bauch.

"Schhhhhhhhhhh Pferdchen" flüstert Ukko , legt einen Finger an den Mund und zwinkert dem Gaul zu.

Dann schleicht er auf Zehenspitzen zur Stalltür.  Er linst mit einem Auge nach draussen und nickt befriedigt.

"Alles schläft  in dieser Nacht, nur ein Ukko ist noch wacht..." er grinst über seinen vermeintlich wundervollen  Reim und quetscht sich durch die  Lücke im Tor.

Ukko schenkt dem Baum keine Beachtung, obwohl sein Gedächtnis schlüpfrig wie eine Forelle ist, weiss er doch, dass der Baum mit Magie verschlossen ist und es kein Hineinkommen gibt, nichtmal für einen halbscharrigen Meisterdieb wie ihn.
Aber der Baum ist auch nicht sein Ziel. Er läuft um die ausladenden Wurzeln herum, bis er eine kleine Stelle findet, wo er im Jahr zuvor ein paar Stinkrautsamen verscharrt hatte. Zwischen den Wurzeln reckt sich ein kleines braunes Pflänzchen. Es klebt am Stamm wie Schimmel und riecht wie eine Wasserleiche, aber Ukko verdreht entzückt die Augen und saugt mit seiner Knollennase den wiederlichsten Geruch ein den die Immerlande je hervorgebracht haben

" Ooooooooooh mein Pflänzchen, bist du aber schön gewachsen"
Ukko zupft einige der braunen Blätter ab, die völlig weich, weil mit Wasser vollgesogen und angefault  erscheinen und stopft sie sich in die Hosentasche. Sofort bildet sich im Stoff eine feuchter Fleck, dass Ukko sich wie Grossvater Bukko fühlt, der schon seit Jahren Probleme mit der Blase hat .

" Aber es trocknet dort am besten und wenn du trocken bist, dann wirst du geraucht" Ukkos Augen rollen dabei wie die eines ganz und gar unheilbaren Tabaküchtigen.

Dann schleicht er sich zurück in den Stall.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 14. März 2004, 00:10 Uhr
"Da ist man ein talyrischer Held, ein Ritter für holde Jungfern, hat Narge und anderes Gewürm zur Strecke gebracht und von dieser Welt getilgt und dann? ........Dann darf man hier im Stall hocken, wie ne  Heu-laus in einem  Fass, dass auch noch leer ist?"

Wie zur Bestätigung auf diese Frage dreht eins der Pferde Ukko das Gesicht zu und schnauft  nach typischer Pferdemanier.

" Ach halt die Klappe" Ukko wirft maulig einen Kiesel nach dem Hengst, der diese "David- auf- Goliath-Attacke"  mit einem weiteren Schnauben quitiert.

"Ich geh jetzt in die Harfe"  schiesst es ihm urplötzlich durch den Kopf  " Ich bin ein Held, meine Rückkehr wurde bejubelt.....also was soll mich davon abhalten? Borgil wird es sich überlegen müssen , ob er sich dem Volkszorn aussetzen lassen will, wenn er einen talyrischen Held aus  der Schankstube jagt."

Ukko  rückt sich die Kappe zurecht und will zur Sicherheit sein Schwert-Cronis Dolch- an den Gürtel stecken,da fällt ihm ein, dass Cron ihm das Ding ja einfach so abgenommen hatte ....

" Einem Krieger das Schwert abnehmen, ich fühle mich entmannt, hab Dank Croni.....grrrrrrrr"  Ukko wünscht Cron  dafür vorzeitige Kahlköpfigkeit und geht eben unbewaffnet sich nur auf seine Fäuste verlassend,  in die Harfe.
Den Gedanken sich eins der Pferde auszuleihen und vor die Harfe zu reiten verwirft er schleunigst, die Pferde wirken auf ihn wie zwei Cronis übereinandergestellt. Der  Gedanke auf Croni in die Harfe zu reiten zaubert ihm allerdings wieder sein freches Gnomengrinsen auf die Lippen  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 14. März 2004, 22:16 Uhr
In das Grau und Lavendel der Dämmerung mischen sich die Goldtöne der aufgehenden Sonne, füllen das Botanikum und das halbe Schlafgemach mit tanzenden goldenen Lichtreflexen, Spiegelungen des Ildorel, so daß es wirkt, als läge der ganze Raum unter Wasser. Er öffnet die Augen, als er hört, wie sie sich sacht bewegt, lächelt schläfrig, streckt die freie Hand nach ihr aus und zieht sie an sich. Auch er hatte in der Nacht noch ein Bad genommen, riecht nach Seife und schwach nach Zedernholz, und im Nacken ist sein Haar immer noch leicht feucht. Ihre Haut ist warm und weich und duftet wie immer nach Ambra, Pflaumenblüten und noch etwas, das er nicht ganz definieren kann, das für ihn jedoch unverwechselbar zu ihr gehört. "Du riechst so gut, Cariad." Seine Stimme ist noch dunkel und leicht heiser vom Schlaf und er schließt die Augen, als er beide Hände in ihr Haar gräbt. "Komm her zu mir, min koerlighed."
Frisch gewaschen und befreit von allen Nadeln und Lederbändern fließt ihr offenes Haar über ihre Schultern und umgibt sie beide wie ein seidiges Zelt aus Kupfer, Feuer, Zimt und Rost, als er sie zu sich hinab zieht, um sie zu küssen. Zum ersten Mal seit Wochen sind sie allein und haben Zeit - und die würde er sich jetzt auch nehmen, auch wenn es ihn ganz bestimmt den Verstand kostet.

Er verliert sich in ihrem Kuß, dem Geschmack und dem Gefühl ihrer weichen Haut, während über dem See die Sonne aufgeht und der Tag anbricht. Aber er nimmt sich nicht mehr, und das, obwohl sie sich so genießerisch und schnurrend an ihn schmiegt wie eine Katze an eine sonnige Mauerecke. Irgendwann gibt er einen halb erstickten Laut von sich, packt ihre Hände und hält ihren Körper mit seinem ganzen Gewicht  fest. Vor Selbtbeherrschung schwindlig grollt er dicht an ihrem Ohr. "Willst. Du. Jetzt. Wohl. Endlich. Still. Halten." Sie erstarrt fügsam, aber nur so lange, bis er den Kopf hebt und in ihre Augen sieht. Im dunklen Bernstein glitzern amüsierte Funken, ihr Lachen klingt dunkel und heiser gegen seine Haut - und dann gibt er auf... sollte die Beherrschung doch der Dunkle holen. Eine Woge schmerzlosen Feuers erfaßt ihn, brennt seinen Rücken hinab und sein Innerstes aus und schwemmt auch noch die Reste der letzten Gedanken aus seinem Kopf ins wirbelnde Nichts.

Es dauert lange, bis sein Atem wieder ruhiger geht, aber er kommt erst wieder halbwegs zu sich, als sie besorgt nach seinem Arm fragt und rollt sich sanft herum ohne sie dabei loszulassen. "Welcher Arm?" murmelt er benommen und fühlt sich immer noch wie zerschmolzen. Sie sieht ihn mit hochgezogener Braue an und er schenkt ihr ein reuloses Grinsen. "Keine Sorge, Cariad. Ich sehe nur so aus, als habe mir jemand eine über den Schädel gebraten..." Er küßt sie noch einmal, kurz und fest und setzt sich dann auf. Irgendwo hatte er auch so etwas wie ein Hemd gehabt.... gestern noch jedenfalls.  Als sie aufstehen und sich ankleiden, fällt ihm zu seiner Erheiterung auf, daß sie Zeit haben. Als sie ihn ansieht, schüttelt er nur grinsend den Kopf und hilft ihr, ein paar Bänder an ihrem Gewand zu schließen.  "Mir ist nur gerade eingefallen, daß wir keine Eile haben, Cariad. Ich meine... niemand muß gerettet werden, das Ende der Welt steht nicht bevor, kein Drache sucht die Stadt heim, keine Dämonenbrut droht aus der Kanalisation, keine Wilderer treiben ihr Unwesen und es steht auch kein Nargenheer vor der Haustür.... gehen wir frühstücken."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 15. März 2004, 21:59 Uhr
"Frühstücken, hm?" Sie dreht sich zu ihm um und sieht zu ihm auf. "Magst du altbackenes Brot und steinharte Trockenwurst so sehr? Etwas anderes wird sich nämlich in der leeren Speisekammer kaum finden." Sie verzieht ihren Mund zu einem säuerlichen Lächeln und spürt ihren Magen hungrig rumoren. "Ich fürchte, wir werden einkaufen gehen müssen. Ich war in diesem letzten vermaledeiten Herbst und Winter einfach nicht oft genug zu Hause, um mich um Vorräte zu kümmern."
Sie gehen nach unten, brühen Tee auf, und wie erwartet fördert eine eingehende Inspektion sämtlicher Vorratsschränke und Speisekammern nichts mehr wirklich Eßbares zu Tage. Im Keller steht zwar ein großes Faß eingelegten Sauerkrauts, es sind genügend Zwiebeln und Kartoffeln vorrätig, und auch in Sandkisten eingelegtes Wurzelgemüse, doch sie haben weder Brot, noch Eier, keine Marmeladen, keinen Honig, nichts außer Dörrfleisch, keinen Käse, keine Butter und kein bißchen Frisches. Ihnen bleibt also nichts anderes übrig, als die Pferde zu satteln und in die Stadt zu reiten - und dort verbringen sie auch den gesamten Vormittag. Sie frühstücken süße Teigkuchen und Honigfinger in Talyra, reiten ins Handwerkerviertel und bezahlen dort die Zimmermänner aus, die ihnen den Pferdestall gebaut hatten - und Cron ersteht nebenbei in der Zunfthalle eine ganze Truhe voll verschiedenster Werkzeuge ohne zu verraten, was er damit vorhat - und kaufen dann zwischen buntgestreiften Ständen auf dem großen Marktplatz ein. Als sie schwer beladen und mit vollgestopften Satteltaschen wieder am Baum anlangen, steht die Sonne bereits hoch am Himmel. Niniane räumt die Vorräte ein, die nun für eine ganze Weile reichen würden, und beginnt zu kochen, während Cron sich derweil um die Pferde kümmert und den Stall genauer in Augenschein nimmt. Nach einer Weile brutzelt Kaninchenragout über dem Feuer, Kartoffeln simmern goldgelb im Wasser und der Duft nach Gebratenem zieht verheißungsvoll durch den Baum. Sie hört ihn im Stall rumoren und fragt sich, was er nur mit all dem Werkzeug anstellen will - Sägen, Hämmer, Hobel, Schnitzmesser und derlei mehr - , schließlich ist er kein Drechsler und ein Zimmermann schon gar nicht, als Donner mit lautem Schnauben Besuch ankündigt. Sie sieht aus dem Fenster und erkennt Gerion, den jungen Stallburschen Arwens, der auf die Lichtung geritten kommt. Er scheint Cron ebenfalls gehört zu haben, denn er wendet sich zum Stall hinauf und in Richtung der Gräusche, und Niniane kümmert sich nicht weiter um den ihn, sondern lieber um das Ragout. Sie weiß ohnehin, mit welcher Nachricht Gerion kommt und der würde auch nicht beim kleinsten Aufmerksamkeitsverlust gleich anbrennen. Als Cron schließlich in den Baum kommt, essen sie draußen in der Sonne. Mag der Frühling auch noch nicht wirklich Einzug gehalten haben, ihre Strahlen wärmen bereits, so lange es windstill ist und im Augenblick regt sich kein Lüftchen. Sie setzen sich auf breite Vorsprünge und wulstige Knoten in den hohen Wurzelsträngen, die strahlenförmig von dem gewaltigen Stamm wegführen, ein jeder eine Schüssel dampfenden Kaninchenragouts mit frischem, weißem Brot, Kartoffeln und dem ersten jungen Feldsalat vor sich und sehen hinaus über den Ildorel. "Hat Gerion gesagt, wann die Bestattung stattfinden soll? Ich denke, wir werden uns am Tempel treffen, um Falcon von dort das letzte Geleit zu geben, aber ich würde gern vorher schon nach Vinyamar. Ich wäre.... gern bei ihr, verstehst du?"  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 19. März 2004, 20:34 Uhr
Das Kaninchneragout fügt sein würziges Aroma den sanften Gerüchen nach Frühling und sich wärmender Erde und dem kühlen, frischen Geruch des Ildorel hinzu, als sie in der Sonne sitzen und essen, und es versöhnt ihn schon fast wieder mit dem hektischen Vormittag. Von wegen Zeit...aber immerhin sind unsere Vorratskammern jetzt wieder gefüllt.
>Hat Gerion gesagt, wann die Bestattung stattfinden soll? Ich denke, wir werden uns am Tempel treffen, um Falcon von dort das letzte Geleit zu geben, aber ich würde gern vorher schon nach Vinyamar. Ich wäre.... gern bei ihr, verstehst du?<
Er folgt ihrem Blick über den See und nickt. "Natürlich." Er berichtet ihr, was Arwens junger Stallknecht ihm von der Elbin hatte ausrichten lassen und sie steht seufzend auf und pfeift nach Shugorn. Es dauert eine Weile, bis der Rubinrabe sich auf der Lichtung einfindet und pfeifender Flügelschlag seine Rückkehr ankündigt. Weit entfernt von Niniane war der metallisch rost- und bronzefarben schimmerne schwarze Vogel jedoch nie. Man hätte sie Bronzeraben nennen sollen. Rubinrot ist dieser hier jedenfalls nicht...

Sie geht mit dem Raben nach drinnen, um ihn mit der Nachricht von Falcons Bestattung zu Raven, Mottenfaenger und Borgil weiterzuschicken und er sieht im Pferdestall unter dem Dach nach dem Verbleib des Gnoms. Ukko hat zwar so wie es aussieht, den Heuboden bezogen - denn dort steht sein Faß in einem Nest aus duftendem Heu, ausgelegt mit einer blauen Decke der Stadtgarde - doch er selbst ist nirgends zu entdecken. Ausgeflogen... a-ha. Wahrscheinlich läßt der Mistkäfer sich irgenwo vollaufen und terrorisiert irgendein Gasthaus mit seinen Lügengeschichten... Grinsend verläßt Cron den Heuboden und sieht sich im Stall um. Es riecht noch überall neu nach frischem Holz, warm nach dem Heu und nach Pferden und er zieht diesen Geruch in seine Nase als wäre es kostbares Ambra. Er läd seine restliche Habe vom Wagen der Steinfaust - irgendwann würden sie den Holzkarren zurückbringen müssen, aber das hatte Zeit, schätzt er - und holt das Werkzeug, das er im Handwerkerviertel erstanden hatte. Sein Zelt und sein Lagergerät finden Platz in einem kleinen Raum neben der Sattelkammer, wo Sättel, Pferdedecken und die Lederzäume ordentlich auf Böcken und an Haken verstaut sind, und wenn er sich hier eine Ecke freihalten würde, würde das für sein Vorhaben völlig ausreichen.

Er sieht noch nach den Pferden, doch Donner und Nachtwind schnaufen zufrieden in ihre Futterkrippen und so kehrt er in den Baum zurück. Niniane läßt gerade Shugorn fliegen und der Rabe schraubt sich mit drei, vier kräftigen Flügelschlägen in den Himmel, als er an der runden Tür ankommt. "Wo ist eigentlich Phelan abgeblieben? Seine Sachen sind doch noch da oder? Soweit ich weiß, wollte er nur zur Jagd reiten, aber wenn du mich fragst, war er den ganzen Winter nicht hier."
Sie nickt nachdenklich, zuckt dann aber mit den Schultern. Wenn sie sich Sorgen um den Waldläufer macht, ist ihr davon nichts anzusehen. "Komm schon, Cariad. Gehen wir Fischen. Ich mache mir zum hundersten Mal wunderschöne Köder ganz umsonst und du kannst damit angeben, wie du die Fische fängst." Sie sieht ihn mit gespielter Entrüstung an, aber dann holt sie einen hölzernen Eimer und sie verlassen Baum und Lichtung in Richtung Norden, wo an kleinen Bächen schöne Forellenplätze sind.

Der Tag ist warm - so warm, daß sie beide in Hemdsärmeln herumlaufen - und vergeht mit einem geruhsamen Nachmittag auf stillen Lichtungen an gurgelnden kleinen Flußläufen. Natürlich sind alle seine Köder umsonst und als sie mit der sinkenden Sonne in den Baum zurückkehren, triefen ihre Rocksäume, aber sie haben sechs fette Forellen, die sie alle mit bloßen Händen aus dem Wasser geholt hat. Als sie später in der Nacht unter spinnwebzarten Decken in seinen Armen hält, ist die warme Atmosphäre zufriedener Behaglichkeit im Baum so stark, daß selbst er sie spüren kann. Er streckt sich aus und genießt das Gefühl, einfach nur neben ihr zu liegen. Der neue Verband - sie hatte nach dem Essen nach seiner Wunde gesehen, sie ausgewaschen und mit einer stinkendgrünen Paste bestrichen - an seinem Arm sitzt straff und juckt entsetzlich, aber er weigert sich, es wahrzunehmen. Sie ist bereits im Halbschlaf und er will sie nicht mehr stören, also legt er nur seine Hand auf die gespannte Haut ihres Bauches. "Pssst min koerlighed," murmelt er, als er zur Antwort sofort einen trägen Knuff erhält. Er dreht sich um, so daß ihr Rücken sich fest an seine Brust schmiegt und vergräbt sein Gesicht in ihrem Haar. "Wir haben morgen einen langen Tag."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 21. März 2004, 18:55 Uhr
Ukko schwankt zu seinem "neuen" Zuhause.

" Hätte sich diese Elbe und Croni nicht ein Haus in der Stadt suchen können, wie ganz normale Leute..?" Jetzt muss ich raus bis zum Wald latschen ...bin müüüüde ....ich muss mich ablenken von dieser mühseligen Lauferei.

Ukko beschliesst an Halla zu denken, ab sofort seine neue grosse Liebe. Heute hatte sie  ihn zum ersten Mal geohrfeigt. ....und eine Ohrfeige ist bei Gnomen sozusagen ein Eingeständnis, dass man jemanden mag und von diesem jemand erobert werden möchte...also würde Grossvater Bukko jetzt sagen.."Mein lieber Junge, kneif den Arsch zusammen und schnapp dir das Weib..."

" Aber wie ...aber wie..."? Dem angeblich größten Casanova von Talyra gingen stets die Ideen aus, wenn es darum ging sich mal wirklich zu beweisen....

" Croni muss mir helfen, Croni ist mein Freund...schliesslich hat er auch Niniane erobert, ihre Ohren sind zwar lächerlich klein, aber der Rest ist ganz passabel ....ja, Croni wird mir helfen und dann werde ich ....halt, wird  Halla mich  über die Schwelle tragen ....."

Ukko grinst und reibt sich voller  Vorfreude die Hände, da hat er den Stall schon erreicht. Er zwängt sich durch den schmalen Spalt  des Scheunentores , ignoriert die beiden Pferde so gut es geht und  krabbelt in sein Fass ...

" Erst den Kater  überstehen und dann Hallas Herz gewinnen" murmelt Ukko noch im Halbschlaf. Dann ist nur noch sein Schnarchen zu hören.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 22. März 2004, 12:26 Uhr
Am nächsten Tag kann man einen ungewöhnlich nachdenklichen Ukko vor der Scheune sitzen sehen. Er hatte sich schon die fünfte Pfeifenladung Stinkekraut reingezogen und seine Zunge fing schon an pelzig zu schmecken.

Der Gnom war in Gedanken noch einmal alle Tricks und Kniffe durchgegangen, die ihm Grossväterchen Bukko in Bezug auf das weibliche Geschlecht eingetrichtert hatte.

"Aaaaalsooo! Da hatten wir einmal , Entführung bei Nacht und Nebel,  Erpressung wegen dem stehlen eines kostbaren Gegenstandes, Schlag auf den Kopf und an den Haaren in die gemeinsame Höhle ziehen.......!!

"Klingt alles gut und schön ....aber Halla ist ständig in der Harfe immer in der Nähe dieses grässlichen Borgils, welcher Gegenstand ist für Halla  kostbar, dass gilt es zuerst einmal rauszufinden und wieder wird dieser doofe Zwerg im Weg sein, Schlag auf den Kopf , eine durchaus akzeptable Lösung, ich müsste nur nahe genug an sie herankommen, hauptsache dieser dämliche Zwerg ist nicht in der Nähe..."

Ukko will einfach kein Plan einfallen, der zum einen leicht durchzuführen ist und zum anderen um himmelswillen keine grossen Anstrengungen vorraussetzt.

" Dann bleibt nur noch der weise Rat von Croni..."

Ukko postiert sich neben den Hausbaum von Niniane in der Hoffnung das Cron ihm irgendwann in die Arme laufen würde.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 22. März 2004, 21:52 Uhr
Der nächste morgen dämmert fahl und grau herauf, doch Niniane ist bereits vor der Sonne aufgestanden. Sie hatte ein Bad genommen, Tee aufgebrüht und dann ihr Trauergewand angelegt, ein schlichtes, elbisches Kleid aus elfenbeinfarbenen Seidenschleiern, dessen Säume mit spinnwebfeinen goldranken und Blättern bestickt sind. Sie kämmt ihr Haar aus, teilt die hüftlangen weinroten Locken und steckt sie am Hinterkopf mit silbernen Nadeln auf, dann schlüpft sie in weiche, weiße hirschlederne Schuhe. Als sie aus der Kleiderkammer in ihr Schlafgemach unter der ausladenden Baumkrone zurückkehrt, ist Cron ebenfalls wach und halb angekleidet. Da er keine weißen Überwürfe und Waffenröcke besitzt und somit auch kein Trauerweiß würde tragen können, hatte er Harnisch, Rüstung und Waffenrock angelegt und das Morgenlicht fängt sich in den Rubinen des Drachenschädels auf seinem Surcot. Er setzt sich und sie kämmt ihm das Haar aus. Es ist dick und schwarz wie Rabenflügel, glatt wie Seide und länger als ihres. Sie flicht es zu einem dicken, festen Zopf und gräbt ihre Finger hinein, wie sie es schon hundertmal oder öfter getan hat, bis sie die festen, langen Muskeln in seinem Nacken fühlen kann, und seufzt dann. Dafür hatten sie einfach keine Zeit jetzt.  "Gehen wir frühstücken, die Sonne steigt schon."
Sie teilen sich eine Kanne heißen Tees, einen halben Laib Brot und Quittengelee zum Frühstück, dann verschwindet Cron in Richtung Pferdestall, vor dem Ukko pfeifchenschmauchend in der Sonne sitzt, und sie kann noch hören, wie der Gnom ihn sofort überfällt. "Croooooooooooooon, Croniiiiiiiiiiii ich muss dich etwas wichtiges fraaaaaaaagen..."

Oh je. Hoffentlich hat er nicht schon wieder irgendwo die Zeche geprellt...
Sie holt Iôrfâer, den Eismond, das Schwert, das sie Falcon als ihrem Vasallen übergeben hatte. Sie würde es ihm nicht ins Grab legen... dieses Schwert war nicht geschmiedet worden, um auf einer kalten Brust unter einem Erdhügel zu vergehen und vergessen zu werden... aber da war das Kind in Arwens Leib und wer weiß... vielleicht wollte sie es für das Kind haben. So ist das also... ihre eigenen Worte kommen ihr wieder in den Sinn, als sie Nadir und Arwen zusammen gesehen hatte. Wenn Nadir Shunjalir Anspruch auf Arwen und ihr Kind erhob... nein, ich glaube nicht, daß das Kind dann dieses Schwert führen wird... Von ihren Orchideen, die sich im Esszimmer an der Wand im sachten Wind wiegen, bricht sie behutsam eine große, schneeweiße Blüte ab. Ihr letzter Gruß an Falcon Silberstern, Herr des Hauses Lyr'Aris, Templer der Anukis, Vasall So'tar Blaufalkes und Niniane Relavendis', gefallen in der Schlacht von Liam Cailidh.... sie werden in Liedern von dir singen, Falcon. Was immer du getan oder nicht getan hast, vergessen werden wir dich nicht. Und wenn du jetzt in Sithechs Hallen wandelst, denk an uns, so wie wir deiner gedenken...
Sie legt einen leichten Umhang an, ebenso schneeweiß wie der Rest ihrer Kleidung, Schwert und Orchideenblüte in der Hand, und wartet auf Cron. Es dauert nicht lange, bis er die beiden Pferde aus dem Stall bringt, immer noch in ein Gespräch mit dem wild um ihn herumhopsenden Gnom vertieft. Er hatte Ukko Brot, Eier, Schinken und einen Krug Bier mit zum Stall hinauf genommen. Niniane weigert sich schlicht, Ukko bei sich im Baum zu haben, auch nicht zu den Mahlzeiten, aber Cron hatte offenbar nicht vor, das ekelhafte Eselsohr deswegen hungern zu lassen. Sie schüttelt angewidert den Kopf, als ihr der Morgenwind Ukkos Geruch zuträgt und hört Crons Stimme, einzelne Satzfetzen zwischen dem Schnauben der Pferde und dem Rauschen der Bäume: "Ukko, als...ein... Bad. Du wirst... wirkt... Wunder. Wir müssen... Beerdigung... aber... versprochen... ja, abend. Bier... nein, Ukko!.... du hast.... was? ....ja, später." Cron bringt ihr Nachtwind und Ukko bleibt schmollend und Steinchen kickend am Stall zurück und zieht eine erboste Fratze. "Was hat er denn?" Erkundigt sie sich mit kaum verhohlener Schadenfreude, als Cron ihr die Zügel gibt. Sie hängt das Schwert an den Sattelknauf, und steigt auf und auch er schwingt sich auf Donners Rücken. Er lacht nur, als sie die Pferde in Richtung Strand und Seeviertel der Stadt hinunter lenken. "Liebeskummer."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 23. März 2004, 20:28 Uhr
Als Cron den Hausbaum verlässt, dann eigentlich nur deswegen um für sich und Niniane die Pferde zu satteln. Falcons Beerdigung stand bevor und der Tronjer und die Herrin des Baumes  wollten ihm wie so viele auch, die letzte Ehre erweisen, und damit sein Andenken für immer hochhalten. Dies hält Ukko allerdings nicht davon ab Cron bei seiner Arbeit mit allerhand  Fragen zu überschütten. Cron hatte dem neuen alten Mitbewohner ein reichhaltiges Frühstück zum Baum gebracht und trotz des verführerischen Duftes des frischen Brotes und des leuchtend gelben Käses hatte sich Ukko nicht gleich wie ein ausgehungertes Wildschwein draufgestürzt,sondern erst das Gespräch mit Cron gesucht, es schien ihm mit seinem Anliegen äusserst ernst zu sein.

"Hör mal zu du. Ich würde ganz gerne mal deinen Rat hören. Es geht...um.......ääääääh einen Freund von mir, der ein kleines Problem hat. Er möchte gerne das Herz einer Frau erobern , allerdings weiss er nicht wie ...ich meine, er sieht gut aus, dass sag ja nicht nur ich, das sagen die meissten....und er ist ein talyrischer Held...also eigentlich das Beste was einer Frau passieren kann, trotzdem tut er sich schwer ...und da wollte ich doch mal hören ob du ihm denselben Rat geben würdest..wie..ääääh..wie ich das tuen würde, wie du weisst habe ich ja mit Frauen noch nie Probleme gehabt..es geht also nur um meinen Freund...es ist ein sehr guter Freund, für den ich nur das Beste will, deswegen hole ich mir einfach 2 Meinungen ein, obwohl ja meine allein auch schon reichen würde, da ich ja wie gesagt keine Probleme mit Frauen habe ich will ja nur mal sehen, ob wir ähnlich denken...ääääh ..ja, sag mal dazu was."

Obwohl Cron nicht gerade aussieht, als habe er viel Zeit, gibt er dem Gnom doch einige knappe Antworten und vertröstet ihn auf später, denn jetzt sei es erst einmal an der Zeit um einen Gefallenen des Krieges zu würdigen und seinen Nachruf zu sprechen.

" Baden so, so ....ähem.." sprich Ukko das nach, was Cron ihm noch schnell mit auf den Weg gegeben hat..." aber mein Freund ist doch keine Wasserratte..was ist wenn er ertrinkt? Oder das Wasser ist kalt, er könnte sich die Ohren verkühlen...oder oder ......!" Aber da waren Nininae und Cron schon davon geritten.

" Ich wünsch euch noch viel Spass amüsiert euch gut...." schreit Ukko ihnen noch hinterher, doch dann fällt ihm nochmal ein,  aus welchem Anlass Cron und Nininane aufgebrochen sind..." ähem, vergesst das mit dem Spass wieder...macht einfach das, was ich auch tun würde bei so einem Ereigniss..."

Beerdigungen bei Gnomen endeten grundsätzlich in einem solch wilden Saufgelage, dass manche der Trauergäste gar nicht mehr aufstanden und  deswegen oft 3 oder 4 Beerdigungen an den folgenden Tagen keine Seltenheit waren...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. März 2004, 23:37 Uhr
Die Bestattung ist zu Ende, die Trauergesellschaft macht sich schweigend und in sich gekehrt auf den Rückweg zur Stadt. Niniane verabschiedet sich von Morgana und Kizumu, während Arwen sich mit leisen, fast entschuldigenden Worten an alle wendet und die Zeremonie für beendet erklärt. Ein Totenessen würde es nicht geben - und sie kann verstehen, warum nicht. Jeder, der Augen im Kopf hat, kann sehen, daß Arwen am Ende ihrer Kraft ist - aber ihre Einladung in den Baum hatte sie angenommen. Ihr Weg von Falcons Grab zurück zum Smaragdstrand ist nicht allzuweit, aber auch kein Spaziergang und so steigen sie, nachdem sie die Lichtung verlassen haben, alle wieder in die Sättel ihrer Pferde. Cron läßt Donner vorausgehen, dann folgt sie selbst auf Nachtwind, neben ihr Arwen auf ihrem grauen Hengst und Nadir auf seiner milchweißen Stute am Ende ihres kleinen Zuges. Regen weht ihnen in feinen Schleiern ins Gesicht und verhindert jede Unterhaltung - sie alle haben ihre Umhänge geschlossen und ihre Kapuzen hochgeschlagen und keiner möchte nasser werden, als es unbedingt notwendig ist. Niniane starrt auf Crons breiten Rücken in seinem schwarzen, pelzgefütterten Umhang, auf dem der Regen silbrig glänzt und kann förmlich hören, was ihn umtreibt.

Auf ihrer Lichtung am Strand schimmern ihnen die Laternen in der Krone des Baumes, frühlingsgemäß mit tausenden winziger, zartgrüner Blätter übersät, warm und gelbgolden entgegen und Cron bietet sich an, die Pferde zu versorgen. Er murmelt etwas von "Ich habe ohnehin noch ein Hühnchen mit Ukko zu rupfen" und nimmt Arwens und Nadirs Reittiere kurzerhand mit hinauf zum Stall, während sie den Silberelbenprinzen und die Anukispriesterin ins Innere ihres Hauses führt. Der Baum empfängt sie mit seinen vertrauten Gerüchen und der Wärme prasselnden Kaminfeuers und während sie Tee aufbrüht, setzen Arwen und Nadir sich auf die weichen Kissen vor dem Birkenholzfeuer. Es dauert nicht lange, bis sich der aromatische Duft von Rotrindentee, Vanille und Orangenblüten ausbreitet und Niniane ein Tablett aus glänzend lackiertem Holz mit Teeschälchen, einer dampfenden, gußeisernen Kanne und Früchtebrot ins Kaminzimmer kommt. Die feuchten Umhänge finden ihren Platz an den Efeuhaken im runden Vorraum und langsam fällt die Anspannung des Vormittages von ihnen ab... die Melancholie bleibt. Sie muß nicht fragen, um zu wissen, daß Nadir und Arwen sich ebenso fühlen. "Ich wollte mit dir sprechen, min Ija," beginnt sie schließlich leise, als sie alle eine dampfende Teeschale in Händen halten. Sie trinkt ihn so kochendheiß wie er aus der Kanne kommt und erwidert leicht belustigt Nadirs halb spöttischen, halb fragenden Blick deswegen. "Über Falcon. Da gibt es etwas, das du wissen solltest..." Und dann erzählt sie Arwen von jener Nacht, als Falcon an ihrem Baum gewesen war und was der Templer ihr damals von seinem Vater und dessen schändlichen Taten berichtet hatte.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 29. März 2004, 21:56 Uhr
Wortlos hat sie Niniane zugehört, hat versucht den Worten der Waldläuferin zu folgen. Und als die ihre Sätze beendet hat, scheint sich die Welt um Arwen zu drehen. Dröhnend hallen die Worte in ihr nach, und etwas in ihr weigert sich, zu glauben, was sie da gerade gehört hat. Weigert sich so sehr, dass ihre Gedanken wie unter einem harten Schlag taumeln und verzweifelt nach Halt suchen. Was ihr ebensowenig gelingen will,  wie sich in Disziplin und eisig beherrschte Förmlichkeit zu flüchten um Haltung zu wahren. Entgeistertes Entsetzen und Fassungslosigkeit stehen in ihrem Gesicht wie in einem aufgeschlagenen Buch, als sie letztlich doch das Begreifen dessen zulassen muss, was sie hört. Und Arwen langsam in sich zusammensackt. "Do... ... nein...." stammelnd und kaum zu hören kommt nur dieses eine Wort immerwieder über ihre Lippen. Sie kann - und will - nicht glauben, was sie da gerade gehört hat. Dass die Falken es waren, die einst Buch und Smaragd unterschlugen, dass Falcon nicht Tyalos Sohn gewesen sein soll. Dass der Verrat der AnCus SO weit zurückreicht. Ihre Hände zittern nicht mehr nur vor Kälte, und sie muss die Teeschale zur Seite stellen um den angenehm heißen Tee nicht zu verschütten.

Mit einem Mal bekommen die Worte Falcons in seinem letzten Brief an sie eine ganz andere Bedeutung. Und erst jetzt begreift sie wirklich, dass es für ihn keinen anderen Weg gegeben hatte. Obwohl Falcon sich von seinem Geburtshaus losgesagt hatte, hatte Tyalo, in dem er seinem Sohn dies wissen ließ, letztlich doch erreicht, was er immer angestrebt hatte: Er hatte den Willen seines Sohn endlich gebrochen. Aber eines hatte er trotzallem nicht erreicht, seinen Sohn mit sich in den Abgrund der Ehrlosigkeit zu reißen. Egal wie groß Scham und Verzweiflung auch gewesen sein mochten, der Templer hatte einen Weg gefunden, ehrenhaft aus dem Leben zu scheiden, ohne seine Eide zu brechen. Nun ja, nicht ganz... die Eide, die er mir geschworen hatte, die hat er nicht gehalten, nicht einen... Es liegt keine Bitterkeit in diesem Gedanken, leise Trauer vielleicht, aber kein Vorwurf. Arwen weiß Nadir an ihrer Seite, und da ist ganz tief in ihr wie eine vage Ahnung das Wissen darum, dass all das nicht ohne Grund geschah, dass keiner von ihnen sich gegen die Fäden wehren kann, die das Schicksal spinnt, und die Llaeron webt. Ohne darüber nachzudenken, rückt sie noch etwas näher an Nadir heran, der neben ihr in den Kissen am Kamin sitzt, seine lange Klinge neben sich auf den weichen Pelzen. Gedankenverloren streicht sie ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus seinem Zopf gelöst hat und sich feucht von seiner Schläfe den Wangenknochen entlang schmiegt. Jene Strähne, die sie ihm in der Sithechnacht versengt hatte.

"Tyalo hat gelogen...," sie sieht Niniane an, als sie sich wieder etwas gefangen hat. "Selbst im Untergang hat er noch gelogen... Der Stein ist nicht vernichtet. Der Smaragd existiert, und er befindet sich in meinem Besitzt. Ebenso wie die restlichen Teile des Medaillons. Ich habe sie alle zusammen." Den Blick in die Flammen des Kamins gerichtet, blicklos in dem wirbelnden Tanz roter Glut und gelber Flammen verloren, erzählt Arwen der Halbelbin, die ihr in den vergangenen Mondläufen zu einer Freundin geworden ist, mit leisen Worten was sie unterdessen über das Medaillon herausgefunden haben, über die fünf Bücher in der Bibliothek, über den  in Blättern und Mondphasen verschlüsselten Hinweis auf das sechste Buch. Das sechste Buch... Das woran alle Hoffnungen hängen, und was doch so unerreichbart scheint. "Aber wenn Tyalo bei dem Smaragd gelogen hat, vielleicht hat er dann auch über das Buch gelogen. Vielleicht ist es nicht zerstört, oder es existiert irgendwo eine Abschrift. So wie es sie von den anderen Büchern auch gab." Ihre Hand sucht Nadirs. "Es muss zu finden sein. Es ist unsere einzige Hoffnung..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 29. März 2004, 22:54 Uhr
Niniane lauscht Arwen schweigend, so wie die Hochelbin ihr zugehört hatte über all die Ungeheuerlichkeiten, die sie ihr hatte mitteilen müssen. Ihre mehr als entgeisterte Reaktion ist nur zu verständlich - ihr selbst war es nicht anders gegangen, als sie die Geschichte von Falcon gehört hatte. Tyalo An Cu war nicht nur ein verblendeter Mann gewesen, leider. Er war auch gerissen und vorausschauend und er hatte einige Macht besessen... Ob er damals schon geahnt hat, daß Falcon sich in Arwen verlieben würde? Ob er deshalb all diese Intrigen, diesen Verrat beging? Oder steckt noch mehr dahinter? Sie weiß nicht, ob der Verräter die Gabe der Voraussicht besessen hatte, oder eine andere Möglichkeit gewählt haben mochte, um einen Blick in die Zukunft zu tun, aber wenn, dann hatte es ihn nur zu noch mehr Hass verleitet...
Ihr Tee ist längst ausgetrunken und sie schenkt weiteren nach. Nadir ist auffällig schweigsam geworden, während sie und Arwen sich unterhalten, aber sie spürt, daß er sehr aufmerksam lauscht... und die Vertrautheit zwischen ihm und Arwen ist unübersehbar. Kleine Gesten, das Leuchten in ihrer beider Augen, wenn sich ihre Blicke treffen, das beständige Glühen in der Luft zwischen ihnen. Da hat unser Silberelbenprinzlein also sein Herz verloren.... sososo... Mit diebischer Freude kommt ihr das Raunen und Wispern in den Sinn, das von Winterhall bis zum Kap von Ni'Seril durch die Elbenlande gehen würde, wenn diese Nachricht im Westen bekannt würde.  Einen Moment fragt sie sich, was Tianrivo wohl dazu gesagt hatte, falls er es denn schon wüßte, aber dann lenken Arwens Worte sie ab. "Oh, es gibt ein sechstes Buch," erwidert sie leichthin und beide starren sie mit einem Mal gebannt an. "Ja... soweit ich mich erinnere, ist es sogar das einzige, das im Orginal erhalten ist. Es läßt sich nicht öffnen, wißt ihr, und deshalb konnte es auch nicht kopiert werden. Oder es gibt eine alte Prophezeihung darüber, wie es sich öffnen läßt. Und einen Spruch... Wahres Silber verbirgt die Wahrheit oder so ähnlich jedenfalls...." sie lächelt entschuldigend. "Es ist lange her, daß ich davon gelesen habe. Soweit ich mich erinnere, ist es sehr viel kleiner als die anderen fünf Bücher, aber sein Einband ist aus reinem Yalaris und es läßt sich nur von... wie war das nur...?" Ungehalten schüttelt sie den Kopf und versucht, sich an etwas zu erinnern, daß sie vor über fünftausend Jahren in den Tempeln von Tiancuma mit halbem Auge überflogen hatte. "...Sind Buch, Winter und Feuer in prinzlicher Rechter, dann werden auch frei lang verdammte Geschlechter..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Phelan am 30. März 2004, 20:32 Uhr
Während Phelan noch durch die Stadt reitet zieht der Himmel sich zu und obwohl noch einige Sonnenstrahlen die obersten Dachkanten der Häuser kitzeln, so beginnt es doch zu nieseln, leicht wie Sommerwind, aber dennoch durchdringend und als der Reiter schließlich die nördlichen Stadttore erreicht, glänzt der lederne Umhang schon dunkel. Als das Larisgrün ihn schließlich in einer sanften, nach Frühling duftenden Umarmung empfängt, fällt die kleine Stute wie von selbst in Trab und Phelan spürt, dass sie ebenso froh ist wie er selbst, den Mauern und engen Straßen Talyras entkommen zu sein. Überall beginnen die Laubbäume, Büsche und Sträucher zu treiben und Phelan ist froh, dass der Winter seine eisige Faust endlich von der Welt genommen hat, die er in diesem Jahr viel zu lange in seinem Griff hatte. Er folgt der Straße eine Weile nach Norden, dann biegt er nach Osten auf einen kaum sichtbaren Pfad ein. Er würde auch ohne einen Weg zielsicher zum Baum finden, jedoch ist das Unterholz zu dicht, als dass die Stute es durchqueren könnte.

Den ganzen Weg über begleitet der abendliche Gesang der Vögel Pferd und Reiter und endlich nach einer guten Stunde schimmert zwischen den Bäumen golden das Licht des einen Baums hindurch und wie bei seinem ersten Besuch an diesem Ort hat Phelan das Gefühl erwartet zu werden. Doch diesmal schleicht sich eine weiter Empfindung hinzu: der Baum heißt ihn auf eine magische Art und Weise willkommen. Phelan lächelt und erst, als er endlich die Lichtung erreicht wird ihm bewußt, dass er ein recht erbärmliches Bild abgeben muß mit seiner durchweichten Kleidung, die von Schlammspritzern übersäht ist. Obwohl es keiner sieht, blickt er entschuldigend zum Himmel, aus dem noch immer feine, dünne Regentropfen zu Boden fallen. Die Hufe der Stute hinterlassen schmatzende Geräusche auf dem frischen Gras und dem durchnässten Boden, ehe Phelan sie vor dem Baum zum stehen bringt, wo es erstaunlicherweise völlig trocken scheint - ein Umstand, über den Phelan nicht nachdenken möchte. Ganz offensichtlich ist jemand da, denn aus den Fenstern leuchtet warmes Licht nach draussen. So bindet er die Stute fest und als er sich dem Eingang nähert, öffnet sich wie von Geisterhand die Türe. Warme, duftende Luft schlägt dem Waldläufer entgegen, die ihn irgendwie an ein helles Kaminfeuer in einer finstren Winternacht errinnert. Leise Stimmen liegen in der Luft und Phelan zögert einen Augenblick. Er will nicht unangekündigt hereinplatzen, vorausgesetzt Niniane wußte sowieso nicht schon längst von seiner Anwesenheit. Und so ruft er schließlich: " Min Ljar, ist jemand zu haus?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 30. März 2004, 21:39 Uhr
"Phelan!" Niniane hatte sich, sobald sie die Ankunft des Waldläufers und Jägers an ihrem Baum gespürt hatte, bei Arwen und Nadir entschuldigt, die beide ohnehin aussehen, als müssten sie das eben gehörte erst einmal verdauen, und war aus dem Kaminzimmer in den runden Vorraum gegangen. Der Protektor der südlichen Wälder war den ganzen Winter über verschwunden - nach Wegesend hatte sie ihn kaum mehr als ein oder zweimal zu Gesicht bekommen, bis er schließlich zu einer spätherbstlichen Jagd aufgebrochen und nicht wiedergekehrt war. Sie hatte zwar gewußt, daß sie sich um ihn gewiß nicht zu sorgen brauchte, schließlich war er Waldläufer wie sie und kennt das Larisgrün wie seine Westentaschen, aber mondelang kein Lebenszeichen zu erhalten, hatte auch sie irgendwann nachdenklich gemacht. Regen glitzert naß auf seinem Umhang und in seinen Haarspitzen, als er den Baum betritt und dann blickt sie in die vertrauten, dunklen Augen. Die tiefe Trauer um seinen Sohn ist einer leisen Melancholie gewichen - doch diese hat sich tief eingegraben und vermutlich würde sie ihm für immer bleiben. Wie ein unsichtbarer Trauerflor, den er unter seinem Lächeln trägt... "Es ist schön, Euer Gesicht zu sehen, min Ijo." Sie legt den Kopf schräg und mustert ihn. Er scheint unversehrt und wohlauf, wo immer er gewesen sein mag. "Seit wann seid Ihr wieder in der Stadt? Und wo habt Ihr nur die ganze Zeit gesteckt?" Ich habe mir Sorgen gemacht... spricht sie zwar nicht aus, aber es klingt wohl irgendwie dennoch mit. "Arwen und Nadir Shunjalir sind zu Besuch. Wir haben... Falcon heute im Larisgrün beerdigt. Bestimmt habt Ihr es schon gehört..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 30. März 2004, 22:08 Uhr
Im Stall


Cron hatte nicht nur aus reiner Rücksichtnahme auf Arwen und Niniane angeboten, die Pferde zu versorgen. Er will auch einfach nicht mehr an Falcon denken jetzt. Später, in der Nacht, wenn er in der Wärme und Geborgenheit ihres Bettes mit Niniane allein sein würde, dann würde er nachdenken und vielleicht auch reden können. Dann könnte er die Trauer zu sich kommen lassen und annehmen und Falcon für immer Lebewohl wünschen, doch im Augenblick kann er einfach nicht über den Templer nachgrübeln. Abgesehen davon - Niniane hatte Arwen schon genug zu sagen... da muß er nicht auch noch mit Falcons letzten Atemzügen ankommen.

Er bringt alle vier Tiere in den Stall, nimmt ihnen die Sättel und Trensen ab, reibt sie mit Stroh trocken und schüttet ihnen ein wenig Heu auf. Der Stall ist groß genug, um eine verdammte Zucht aufzumachen... er schüttelt gerade mit leiser Belustigung über die Zimmermänner, die ihn errichtet hatten, den Kopf, als er vom Heuboden, wo Ukkos Faß in einem weichen, sommerduftenden Nest steht, den Gnom hört: "Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich... ha! Croniiiiiiiiiiiiiiiiiiii bist du das?"  

Mist... Schicksalsergeben steigt er auf die Leiter und steckt den Kopf durch die Bodenluke. Ukko sitzt vor seinem Faß - einer Gnomenhöhle nicht unähnlich, wenn auch kleiner -  und wackelt mit den Zehen. "Immer noch Liebeskummer? He, das mit dem Bad war übrigens ernst gemeint. Und wer soll eigentlich deine Angebetete sein, Ukko? Ich dachte, du wärst bei Shamil in festen Händen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Phelan am 30. März 2004, 22:35 Uhr
Phelan ist erleichtert ob dieser Begrüßung und das schlechte Gewissen lässt ihn zerknirscht wirken. Etwas unsicher mustert er Ninianes Miene, doch nichts als Freundlichkeit ist darin zu lesen. "Ich bin so erleichtert", bricht es schließlich aus ihm heraus, "dass Ihr mir mein Verschwinden offenbar nicht nachtragt. Auch dafür danke ich Euch", fügt er schließlich etwas leiser hinzu. In diesem Moment kommt er sich vor wie ein kleiner Junge, der etwas angestellt hat, die erwartete Strafe jedoch ausfällt. "Möge Shenrah seine Hand weiterhin schützend über euch halten." Er holt kurz und tief Luft, dann schildert er ihr die Geschehnisse der letzten Monate und warum er nichtmals einen Botenraben hatte schicken können - kein Vogel hätte im Winter das Schneetreiben rund um Dornheim lebend durchdringen können. Etwas unsicher blickt er zum Nebenraum hin, Arwen ist ihm bekannt, ein Nadir aber nicht, jedoch besteht auch aufgrund der Situation wenig Anlass sich nach seiner Person zu erkundigen.

"Ich habe gehört.. von der Beerdigung. Morgana sprach davon. Es war Falcon nicht lange vergönnt seine und Arwens Rettung zu genießen. Verflucht seien die Narge." Auch wenn in seiner Stimme keinerlei Emotion mitschwingt, so weiß er doch, dass ihm am Gesicht abzulesen sein muß, was er fühlt - diese Mischung aus Kummer, Hass und dem Gefühl, "nicht da gewesen zu sein" - wer vermochte zu sagen, was er hätte ausrichten können, wäre er in der Schlacht zur Stelle gewesen. Vielleicht wäre der Elb noch am Leben, vielleicht aber wäre ich nun zu den Purpurflüssen gegangen, auf dem Weg in die Umarmung der Götter. "Wie geht es Arwen? Wie hat sie es verkraftet?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 30. März 2004, 22:40 Uhr
Ukko hatte sich zurück in den Stall verkrochen um ungeduldig auf Crons Rückkehr zu warten. Er hatte das Frühstück, dass Cron ihm gebracht hatte in windeseile verputzt, etwas gebrummelt, da in dem Krug nur Most und kein Bier war,  und sich dann wieder ins Heu verkrümelt.

Er hatte seine Schuhe ausgezogen um aus Langeweile mit seinen für Gnome typischen unproportional grossen Füssen mit ebensolchen Zehen daran, das berühmte und bei Gnomen sehr beliebte " sie liebt mich sie liebt mich nicht Spiel" zu spielen.

Ukko hatte schon seit einer Ewigkeit verloren weil beim letzten Zeh immer ein " sie liebt mich nicht" herauskam und langsam dabei war violette Ohren zu bekommen, bis ihm sein messerscharfer aber ebenso lahmer Verstand die Eingebung verlieh, das Spiel beim linken kleinen Zeh mit dem "sie liebt mich nicht " zu beginnen ...prompt endete es am rechten kleinen Zeh mit einem " sie liebt mich " der Tag war somit gerettet und Ukkos Hoffnung auf Halls Herz ebenso.

"Croni bist du das?" plärrt Ukko los, kaum dass sich die Stalltür nur einen spaltbreit geöffnet  hat  " hier oben... übrigens, sie liebt mich ,....äääh ich meine meinen Freund du weisst ja ...ich hatte noch nie Probleme mit Frauen...."

Nachdem Cron sich schweren Herzens die Leiter des Heubodens hinauf gezogen hatte beginnt Ukko sofort weiter zu erzählen.  

" Es ist Ha..es ist doch egal, es geht ja  nur um einen Freund also...der mit....ööööööhh ....also gut ...das ist ein Geheiminss...aber behalt es trotzdem für dich wenns geht."  Den Zusatz das Cron dicht halten soll meint Ukko in vollem Ernst, bei Gnomen war es nämlich üblich, dass jedes Geheimniss sofort weitererzählt wurde. So war es möglich , dass ein Gnom seinen Höhlennachbarn nicht mal beim Namen kannte, aber wusste wieviel uneheliche Kinder dieser hatte und von welcher Gnomenfrau sie stammten und auch noch wusste wieviel fremde Gnomenkinder ihm dessen Ehefrau als seine eigenen untergejubelt hatte. So galt das Sprichwort bei den Gnomen " Nimm ein Geheimniss ins Grab oder es bringt dich ins Grab" seit jeher..wurde aber meisst nie eingehalten, den kein Gnom konnte lange etwas für sich behalten.


" Es ist Halla .....ja ich weiss auch nicht irgendwie traf mich der Pfeil des Liebesgottes im Gesäss und ich war sofort entflammt ".
und Shamil....." Ukko winkt lässig ab ...." ich habe zu ihr gesagt, Baby ....Liebling, kleine Stinkmorchel ...kleiner süsser    Krötenurin ..." Ukko zählt noch ein dutzend weiterer solcher "Kosenamen" auf,  dass Cron am Ende froh ist dass es auf der Trauerfeier keinen Leichenschmaus gegeben hatte , da  es einem bei Ukkos Aufzählungen nur  schlecht werden konnte.

Natürlich ist alles gelogen, Shamil war Hals über Kopf abgereist, als sie hörte das Ukko verschwunden war, sie schien wirklich betrübt ob seines Verlustes, dachte sie doch Ukko hatte sich ihretwegen verdünnisiert, aber das stimmte nicht...Ukko war ja ungewollt in die Schlacht gegen die Narge gezogen und als er zurückkam, war alles schon zu spät....


" Was soll ich tun Croni.....du weisst doch immer alles..was meinst du ob ich ihr zum Beweiss den Kopf von Borgil auf einem Silbertablett servieren soll um  ihr zu zeigen, dass ich auch ein großer Schlächter, so  wie du ?  Mit wieviel abgehauenen Körperteilen musste du Niniane beikommen, bis sie dich endlich mal beachtet hat?  ..und ein letztes....muss sowas schreckliches wie ein Bad wirklich sein...kann ich ihr nicht einfach sagen ich  hätte es getan ...merkt doch eh keiner und ausserdem dauert es immer so lange bis die Gewänder wieder trocken sind"


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 30. März 2004, 23:32 Uhr
Im Stall


Cron sieht Ukko mit einer hochgezogenen Braue an. "Jaja, dein Freund..., schon klar, " murmelt er, aber da rückt Ukko schon mit der Sprache heraus. "Ehrenwort," verspricht er. "Ich sag's nicht weiter." Seufzend steigt er die letzten Leitersprossen hoch und setzt sich auf einen Heuballen, soweit von Ukko entfernt, wie es möglich ist, ohne seinen bestialischen Schweißfußgeruch einatmen zu müssen. Als er jedoch hört, WEN Ukko sich da als Opfer auserkoren hat, wäre er vor Schreck und Belustigung gleichermaßen beinahe rückwärts ins Heu gefallen. "Halla?" Grinst er, nachdem er sich von einem mühsam verkniffenen Lachanfall erholt hat. Halla bedeutet Borgil und Borgil bedeutet toter Gnom. "Meinst du nicht, du solltest dir jemanden in deiner Kragenweite suchen, Ukko? Oder wenigstens jemanden, der hm... nicht für einen jähzornigen Zwergen mit einer solchen Axt arbeitet?" Ukko winkt nur ab und ist bereits bei einer geradezu erfrischend herzigen Aufzählung gnomischer Kosenamen. Krötenurin? Stinkmorchel? Da wäre ich an Shamils Stelle auch gegangen... "Ukko, das sind keine Kosenamen," knurrt er, "das sind Beleidigungen. Ein Wunder, daß dich noch keine kastriert hat."
>Was soll ich tun Croni.....du weisst doch immer alles..<

"Woah, langsam, Gnom. Jeder Mann, der dir erzählt, er wüßte alles über das liebe Weibsvolk, lügt dich an, das kannst du dir merken. Wenn ich überhaupt etwas über Frauen weiß, dann, daß sie unbegreiflich sind. Kein Mann der Welt kann dir sagen, wie sie als nächstes reagieren..." er schüttelt leicht den Kopf und zuckt dann mit den Schultern. "Wenn die Methode mit der Keule nicht funktioniert - und davor würde ich dir in Anbetracht von Borgils Axt abraten - dann lernst du am besten schon mal, zu zappeln," schlägt er vor und angesichts von Ukkos entrüsteter Miene, nicht ernst genommen zu werden, fügt er hinzu: "Du kannst ja versuchen, sie zu verführen... nein, Ukko, keine abgetrennten Köpfe. Und Borgils schon gar nicht. Der Zwerg vierteilt dich, bevor du auch nur "Halla" sagen kannst. Keine Körperteile. Du willst doch keine Trollin freien, oder? Also. Ich glaube nicht, daß Halla sich sonderlich viel aus Blut und Eingeweiden macht... Verführen." Oder versuch es wenigstens. "Das ist das einzige, worauf Frauen einigermaßen mit Erfolg reagieren. Aber das wird dich verdammt viel Mühe kosten." Cron mustert Ukkos kleine, grüne Gestalt im Heu und verkneift sich ein: Allerdings...  "Und das Baden tja... deine Sache. Aber du stinkst. Und deine äh...  Sachen brauchen mindestens so dringend eine Wäsche wie du. Schließlich soll Halla ja nicht gleich in Ohnmacht fallen, wenn du ihr zu Nahe kommst, oder? Abgesehen davon: wenn sie sieht, wie heldenhaft du dich einer so schrecklichen Sache stellst, nur wegen ihr, dann wird sie das schwer beeindrucken."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 30. März 2004, 23:54 Uhr
Phelan wirkt tatsächlich zerknirscht und betreten und ihre Mundwinkel vertiefen sich zu einem Schmunzeln. Als er sich jedoch in die  zweifellos ernst gemeinte, aber nichtsdestoweniger verlegen klingende Phrase >Möge Shenrah seine Hand weiterhin schützend über euch halten< flüchtet, kann sie nicht anders, als zu lachen. "Phelan, Ihr seid ein freier Mann, der tun und lassen, kommen und gehen kann, wie es ihm beliebt... und Ihr seid mir bestimmt keine Rechenschaft schuldig." Sie lächelt immer noch, als er ihr von seinem Winter in Dornheim erzählt und auch, warum er keine Nachrichten hatte schicken können, und nickt dann. Die Winter in den Strauchbergen sind immer ungleich schneereicher, als die hiesigen hier im vergleichsweise milden Tiefland des Larisgrüns... und selbst hier ist dieses Jahr viel Schnee gefallen.
Als das Gespräch auf Falcon kommt, macht sie eine vage Handbewegung. Arwen und Falcon haben ihre Ehe kurz nach Wegesend aufgelöst, Phelan, noch bevor er mit auf den Feldzug gegen die Narge geritten ist. Sie gingen getrennte Wege und er hat sein Ende dort selbst gewählt und bestimmt. Aber das hatte auch - und vor allem - andere Gründe. Sie sagt ihm in Gedanken soviel sie ihm sagen kann, ohne ihm etwas über die ganze verworrene Geschichte zu verraten - sie weiß nicht, ob Arwen das recht wäre oder ob Falcon es gebilligt hätte. >Verflucht seien die Narge... < bricht es aus ihm heraus und sie schüttelt kaum merklich den Kopf. Oh Phelan, ich kann Euren Hass verstehen, aber verdammt nicht ein ganzes Volk für das, was einige Gesetzlose unter ihnen getan haben... Sie sieht ihn an und sucht nach Worten, die ihm etwas Trost spenden würden, aber alles, was sie sagen will und könnte, fühlt sich so unzulänglich an. "Arwen geht es gut. Sie trauert um den Gefährten aus Kindertagen, den früheren Freund und den Gefährten im Dienst an Anukis, den sie verloren hat, aber nicht um den Mann. Dieser Teil von Falcon ist für sie schon in Wegesend gestorben und sie hat... lange vor seinem Tod damit abgeschlossen, glaube ich." Sie erzählt dem Waldläufer ein wenig vom Feldzug, von dem, was sie von Cron und Caewlin über die Schlacht selbst gehört und davon, was sie dann im Feldlazarett miterlebt hatte. Phelan nickt und meint, daß er Morgana und Schilama zur Zeit in der Steinfaust helfen würde, die Verwundeten zu versorgen. "Dann habt Ihr sicher schon einiges über die Schlacht und den Kriegszug an sich gehört. Und... wollt Ihr das Gästezimmer wieder haben? Wir haben alle Eure Sachen aufgehoben und selbstverständlich seid Ihr uns immer willkommen, Phelan."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Phelan am 31. März 2004, 12:53 Uhr
Es ist ungewohnt, eine fremde Stimme im Kopf zu haben. Wie lange hat niemand mehr so zu mir gesprochen? Phelan kann nur unbestimmt nicken, als Niniane von der Trennung der beiden Elben erzählt - zu wenig weiß er von ihnen und davon, welche Gründe ihr Tun und Handeln bestimmt hatte. Dennoch ist er dankbar, dass Niniane ihm soviel erzählt, wie sie zu erzählen für richtig hält. Dann lauscht er ihrem Bericht über die Schlacht und über das Lazarett und als sie ihm schließlich abermals das Gästezimmer anbietet legt er die Stirn in Falten. "Ich wußte, Ihr würdet auf meine Sachen achtgeben, auch, wenn es nicht viele sind. Doch so sehr es mir behagt, mich hier in diesem Baum zu befinden... bitte missversteht mich nicht, ich weiß Eure Gastfreundschaft mehr als zu schätzen, aber ich denke, es ist an der Zeit, dass ich beginne wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Ich habe eine Aufgabe, solange die Verletzten in der Steinfaust liegen und ich werde alles daran setzen, dort so gut wie möglich zu helfen. Tarascon berichtete mir, dass meine Waldläufer ebenfalls in die Schlacht zogen und zumindest von einem weiß ich nun sicher, dass er nicht lebend zurückkehren konnte. Es zieht mich zurück in die Wälder, versteht Ihr mich? Oh ja, ich denke, das tut Ihr... Meine wahre Bestimmung liegt dort, nicht hier hinter den Mauern und den Straßen Talyras." Dann bricht er ab, überlegt und wäre er nicht größer als sie, dann würde er Niniane nun von unten herauf anblicken. "Vielleicht könnt Ihr mir das Zimmer freihalten, damit ich zurückkommen könnte, dann und wann. Zumindest die nächsten Wochen noch werde ich in Talyra bleiben, doch dann wird es nötig sein im Süden nach dem Rechten zu sehen." Seine dunklen Augen leuchten bei dem Gedanken wieder in die Heimat zurückzukehren.

"Und was ist mit Eurem Kind? Ich hoffe, es ist so wohlauf wie seine Mutter." Phelan lächelt bei den Worten, denn er kann am Rande von Ninianes Aura ein schwaches Flattern wahrnehmen, so als übe sich dort ein kleiner Vogel in seinen ersten zaghaften Flugversuchen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 31. März 2004, 20:41 Uhr
Sie neigt den Kopf leicht zum Zeichen ihres Einverständnisses - und ihres Verstehens - als Phelan höflich, aber bestimmt ablehnt und meint, er wolle wieder auf eigenen Beinen stehen und sein eigenes Leben leben. Sie kann gut verstehen, daß er sich nach den grünen, tiefen Schatten der Wälder sehnt, nach dem Trost und dem Vergessen, das sie bringen und jenem Gefühl, sich als Teil der Wildnis selbst zu empfinden. "Natürlich verstehe ich das, Phelan. Ich könnte auch nicht hinter Steinmauern leben." Das hast du eine ganze Weile schon getan... so schlimm ist es auch wieder nicht... Sie schüttelt den Kopf, um die ungewollten Gedanken an Am'Shaer und das Haus mit dem Mandelbaum vor dem Fenster dort zu vertreiben und lächelt ihr Katzengrinsen, als Phelan quasi hin und wieder um Unterschlupf bittet. "Ihr seid mein Gast, wann immer ihr es wünscht. Und sollte ich einmal nicht zu Hause sein, wird mein Baum sich sehr über Eure Gesellschaft freuen, min Ijo," fügt sie hinzu, um unmißverständlich klar zu machen, daß Phelan jederzeit hier Unterkunft und Gastfreundschaft fände. Und irgendwie ist es auch ein beruhigender Gedanke, einen Waldläufer zumindest in der nächsten Zeit in der Nähe zu wissen. Wenn das Kind da wäre, könnte sie schließlich kaum gleich nach der Geburt wieder zu Nachtwachen in den Wald oder auf Wildererfang gehen. Als hätte er ihre Gedankengänge erraten, spricht der Waldläufer sie auf ihre Tochter an. Shaerela... Sie sieht an sich hinunter und blickt auf ihren in den letzten Wochen merklich runder gewordenen Bauch. "Nun, sie wächst und gedeiht. Ich kann meine Füße jedenfalls nicht mehr sehen. Habe ich noch welche?" Sie dreht übertrieben graziös ihren schwangeren Leib zur Seite und winkelt einen Fuß an. "Ah... tatsächlich. Und geschwollen sind sie auch noch, wie entzückend." Ihr Lächeln straft ihren sarkastischen Tonfall Lügen. "So sehr es mich überrascht hat, dieses Kind zu empfangen und so sehr ich mich darüber freue, ich werde doch froh sein, wenn das vorbei ist. Ich kann nicht mehr schlafen. Meine Haut fühlt sich so dünn an, als sei sie aus Pergament. Sie tritt mich, daß ich innen schon ganz blau sein muß und langsam wird auch die Luft knapp. Es wird Zeit, daß diese kleine Kriegerin noch etwas anderes zum kämpfen bekommt, als die Nieren ihrer Mutter. Abgesehen davon habe ich mittlerweile einen Hintern wie ein Brauereipferd. Ihr seht also..." sie tätschelt ihren Bauch und bekommt prompt Antwort in Gestalt eines kräftigen Knuffs von einem Fuß, einer Hand oder einem Knie, was sich als wellenförmige Bewegung unter ihrem weißen Trauergewand abzeichnet, "... uns geht es prächtig. Wir können beide nicht mehr erwarten, daß diese Schwangerschaft zu ende geht." Wenn ihre Berechnungen - halbherzig und flatternd im Gefühl, das alles könne gar nicht wahr sein ausgeführt - stimmen, dann würde ihre Tochter irgendwann gegen Mitte des Sturmwindmondes das Licht der Welt erblicken... und bis dahin war es nicht mehr lange.  Sie folgt Phelan in das Gästezimmer, das er bewohnt hat, wo seine Habe als sauber verschnürtes Bündel auf dem Bett bereit liegt, ebenso wie der große Bogen, den er ihr in Wegesend geliehen hatte, und ein frisch gefüllter Köcher mit Pfeilen. "Ihr werdet alles unverändert finden."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 31. März 2004, 20:56 Uhr
Ukko nickt zu Crons Worten, räuspert sich ab und zu , manchmal wird auch ein höfliches  "hm hm " zwischen seinen Lippen hervorgepresst.  Dabei ist der Gnom in vielen Punkten völlig anderer Meinung als Cron. Ukko kannte im Gegensatz zu diesem Grünspahn aus Tronje schliesslich die Frauen, er kannte sie alle und er hatte sie auch alle, jedenfalls hat er es so in Erinnerung und wenn er damals wirklich ,wirklich, wirklich  gewollte hätte, dann hätte er sich Niniane  auch noch aufgerissen.  Aber er hat es nicht getan, weil Croni sein Freund ist und...weil dieser ihm dann ein Körperteil abgehackt hätte  über das sich sicher auch Niniane gefreut hätte wüsste sie, dass es von Ukko stammt.

" Borgil hin Borgil her ....aber schliesslich arbeiten sie nur zusammen...das will doch gar nichts heissen ...und jetzt mal vom unerfahrenen  Mann zu erfahrenem Mann (dabei zeigt er als letztes auf sich)...wer will denn schon so einen dicken hässlichen Zwerg ...ausserdem ist Borgil ein rechtes Ferkel..letztens sah ich ihn einen Humpen Bier trinken und danach laut rülpsen, er dachte er wäre uneobachtet , aber ich habs gesehen mit diesen meinen Adleraugen ...das ist doch wiederlich, oder nicht, sag mal du?"

Ukko  lehnt sich zurück hält sich die Hand vor den Mund , kneift die Augen zusammen und man kann ihm richtig ansehen, wie er die Betrachtung von Borgils Fopar noch einmal durchlebt und wie sehr  ihn dies alles anekelt.

Als er sich wieder gerafft hat, fährt er fort Crons Ideen nocheinmal laut zu überdenken.


" Du meinst also, ich sollte sie verführen ..nun ja durch meine sensibel Art bin ich ja für sowas schon prädistiniert. Ich könnte ihr natürlich einen Strauss Diesteln  pflücken oder sie aus einer Schachtel mit  Rehlosung füttern, damit habe ich so ziemlich jede Frau in meinem Heimatdorf aufgerissen, ich kleiner Schelm ich..."

Ukko grinst  und bei dem Anblick wie sich seine Hände öffnen und schliessen, kann man sich vorstellen welche schmutzigen Gedanken ihm gerade durch den Sinn gehen.

Aber um eins kommt er nicht herum.

" Das mit dem Baden ...das muss also sein, sagst du ?  Na  na na gut ....du musst es mir aber zeigen..ich ich kann mich im Moment so schlecht erinn...ääh konzentrieren  ......und grins nicht ...ich weiss normalerweise schon wie das Baden geht, ich bin ja schliesslich weltgewandt...."

"Und meine Sachen, sagst du, hätten ein Bad ebenso  nötig?
Ukko hebt nachdenklich einen seiner Schuhe hält die Nase an die Öffung und saugt seinen Schweissfussgeruch förmlich auf.

" Hm, ich weiss nicht ...erinnert mich an damals, als Grossvater Bukko die Baumhörnchen  gemolken hat um Käse daraus zu machen...hihihi ..haben die sich gewehrt, aber wir haben uns alle draufgelegt und die Milch spritzte förmlich ......"
Ukko redet mit Händen und vorallem Füssen auf Cron ein. Zwar hatten Baumhörnchen wirklich nichts mit Halla  zu tun ...aber Gnome schweiften grundsätzlich schneller in einem Gespräch ab als reife Eicheln die Zeit hatten vom Baum zu fallen.


Als Ukko endlich mit seiner unsäglichen Geschichte über zu Tode gequetschte Baumhörnchen geendet hat, zieht er noch sein letztes Resümee er rafft die Schultern und streckt seine Hühnerbrust raus soweit er kann.

" Also gut, ich tus ....ich bade und ziehe diese seltsamen lächerlichen Gewänder an, die Frauen immer sooooooo toll finden ......aber du musst mir dabei helfen Croni, ja?

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 01. Apr. 2004, 22:12 Uhr
Ukko geht in seiner Vorstellung von sich als Herzensbrecher auf wie ein Hefekuchen - und Cron kann nur belustigt den Kopf schütteln und die Augen hilfeheischend gen Himmel verdrehen. Ukko kostet ihn gerade den letzten Nerv und amüsiert ihn gleichermaßen - irgendwie jedenfalls. "Deine sensible Art, hmpf! Wie kommst du eigentlich auf Halla? Hat sie dir eine ordentliche Maulschelle verpasst?" Er hat keine Ahnung, wie nahe er damit der Wahrheit kommt, aber Ukko hört ihm im Eifer des Gefechts ohnehin nicht zu. "Rehlosung! Verdammt nochmal Ukko, es ist ein Wunder, daß ihr Gnome noch nicht ausgestorben seid, bei eurer Art von Brautschau..." er schüttelt sich angewidert und Ukko schnieft beleidigt, er hätte ja von Frauen gar keine Ahnung.
>Das mit dem Baden ...das muss also sein, sagst du ?  Na  na na gut ....du musst es mir aber zeigen...ich ich kann mich im Moment so schlecht erinn...ääh konzentrieren  ......und grins nicht ...ich weiss normalerweise schon wie das Baden geht, ich bin ja schliesslich weltgewandt....<
"Wärgs, Ukko!" Dem Gnom beim Baden helfen? Oh sicher, sonst noch etwas?
Ukko erzählt haarsträubende Geschichten von gemolkenen Baumhörnchen, denen er nicht einmal im Ansatz folgen will und strapaziert seine Geduld weit über das erträgliche Maß - aber alle seine Widerworte und Versuche, den Grünling zum Schweigen zu bringen verlaufen ungehört im Sand. "UKKO, HALT ENDLICH DIE KLAPPE!" Das wirkt, aber nur im Bezug auf zerquetschtes Viehzeug - ansonsten reagiert Ukko bis auf ein leichtes Zucken mit den Ohren überhaupt nicht und Cron überlegt ernsthaft, ihm doch noch ins Wasser zu helfen. Und zwar von hier aus kopfüber in den Ildorel. Von unten sind die beiden Elben bei einem hastigen Aufbruch zu hören, als sie ihre Pferde aus dem Stall holen, doch Cron kann keines ihrer geflüsterten Wörter verstehen und sie sprechen ohnehin Shidar... aber irgendetwas Wichtiges scheint im Gang.
>Also gut, ich tus ....ich bade und ziehe diese seltsamen lächerlichen Gewänder an, die Frauen immer sooooooo toll finden ......aber du musst mir dabei helfen Croni, ja< Das reicht. Cron steht von seinem Heuballen auf und schüttelt den Kopf. "Oh ich könnte dir schon helfen, ein Bad zu nehmen," sein Tonfall und sein diabolisches Grinsen lassen keinen Zweifel daran, welcher Art das Bad wäre, das er dem Gnom verpassen würde.
"Nein? Gut. Ich besorge dir einen Zuber. Den Rest mein kleiner, grünohriger Freund, machst du schön selber! Deine Wäsche kannst du da drin auch gleich waschen. Ich geb dir ein Stück Kernseife und ein paar Lederstücke zum Abtrocknen." Und dann werde ich mich soweit von diesem Badezuber entfernt halten, wie möglich... sonst soll ich ihm womöglich noch den Rücken schrubben.
Er verläßt den Heuboden und den Stall, gerade als Arwen und Nadir von der Lichtung reiten und in vollem Galopp zum Strand hinunterpreschen. Was bei allen Neun Höllen ist da passiert? Am Baum steht Phelans Stute zwischen den Wurzeln und er fragt sich, ob das Auftauchen des Waldläufers vielleicht etwas mit dem überhasteten Aufbruch von Arwen und Nadir zu tun haben mag. Mit dem Gefühl wachsender Unruhe besorgt er für Ukko aus den Kellergewölben unter dem Baum einen hölzernen Waschzuber, einen Eimer, ein paar Lappen, ein Stück Kernseife, Handtücher und ein Waschbrett und stellt es ihm nach draußen in die Nähe von dem Steinbecken, in dem sich das Wasser der heißen Quelle sammelt. Der Gnom lugt mißtrauisch und mit hängenden Ohren aus dem schmalen Heubodenfenster und Cron winkt ihn ungeduldig herunter. "Hier. Wo du Wasser findest, weißt du ja. Und bilde dir bloß nicht ein, daß du alle Naslang nach mir schreien kannst, wenn du erstmal im Zuber sitzt!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 02. Apr. 2004, 01:37 Uhr
Eigentlich bereut Ukko seine Kühnheit, kaum das Cron die Scheune verlassen hat. Aber jetzt konnte er nicht mehr kneifen, nicht vor Cron der , seit Ukko der Held, sämtlichen Nargen das Fürchten gelehrt hat, doch irgendwie zu ihm aufblicken musste.

Er beobachtet mit Argwohn, wie Cron ein Ding, ähnlich seinem Faß, vor die Scheune schiebt und nach einiger Zeit mit zwei Eimern  zurückkomt, in denen sich heisses Wasser befindet, denn Ukko sieht aus ihnen Dampf aufsteigen  und er verflucht seinen Entschluss gleich doppelt, da er wahrscheinlich nicht nur nass werden würde, sondern sicher auch noch die eine oder andere Verbrühung davontragen muss.

Der Gnom schleicht zur Scheunenpforte wie ein Lamm zur Schlachtbank. Als er ins freie tritt umrundet er den Zuber zuerst wie ein Stierkämpfer den Stier....

" Wenn ich mich verbrenne, dann schrei ich so laut, dass Niniane es hören wird, und dann wirst DU was zu hören kriegen!"

Ukko hatte sich während des Umrundens sein fleckiges Hemd aufgeknöpft und ausgezogen.

Darunter kommt ein heulendes Elend zum Vorschein. Selbst für einen Gnom ist Ukko ein dürres Gerippe. Kaum zu glauben, dass so ein schmächtiges Bürschlein dem Appetit von fünf ausgehungerten Söldnern aufwiegen konnte, und dasselbe noch einmal, was es an Bier wegzusaufen galt.

Ukko hebt einen seiner Arme. Sollte Croni doch ruhig sehen, dass seine Muskeln aus Stahl sind. Aber eigentlich wirkt es eher so, als habe ein Huhn seinen gerupften Flügel gehoben. Ukkos Ärmchen waren genauso blass und genau so mager wie der Rest von ihm.



" So und jetzt dreh dich aber mal um ......damit du nicht vor Neid aufschreist, wenn der Ukko mal seinen grossen Ukko ausholt hihihihi. !"

Der Gnom lacht verschwörerisch während er an dem Stück Seil nestelt, welches seine schmierigen sandgelben Beinkleider zusammenhält.

" Der-ver-fluch-te- Kno-ten-will-nicht-auf-geh-hen...." schimpft Ukko bei jedem Ruck an dem Seilchen, allerdings erreicht er damit nur, dass er den Knoten immer enger zieht, bis sich nichts mehr rührt.

" Croni, da geht was nicht .....was soll ich tun, hilf mir "  jammert Ukko , er hüpft im Kreis wie eine tollwütige Wachtel und  zerrt an seiner Hose......

" Na dann muss das Baden eben ausfallen, wenns nicht geht ......ich geh doch nicht mit einer Hose ins Wasser ...höhöhö ....hat man denn schon mal sowas gesehen ...mit Hose baden gehen..... ich bin doch kein Primitivling"

Ukko zerrt weiter und hüpft langsam wieder in Richtung Scheune zurück. Gleich hat er den Tronjer ausgetrickst und diese unerfreuliche Bekanntschaft mit dem Waschzuber, wenn auch bis jetzt nur von weitem, ist erstmal beendet.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Phelan am 02. Apr. 2004, 13:37 Uhr
Phelan grinst, als Niniane sich verrenkt um ihre Füße sehen zu können, dabei tut die Schwangerschaft ihren grazilen Bewegungen beileibe keinen Abbruch. Sie wendet sich der Tür des Gästezimmers zu um sie zu öffnen und als Phelan hineinblickt, liegen seine Sachen tatsächlich unberührt an ihrem Platz, als habe seit seinem Aufbruch niemand das Zimmer betreten. Dennoch duftet es auch hier, so wie im ganzen Baum, nach dem, das Phelan nicht genau einordnen kann. Es muß der Baum selbst sein, denkt er, während sein Blick durchs Zimmer schweift.

"Ich habe Morgana versprochen, bei der Versorgung der Verwundeten zu helfen, doch ich kann nicht sagen, wie lange mich diese Aufgabe noch in Anspruch nehmen wird. Morgana und Schilama sind sehr fähige Heilerinnen und unter ihrer Obhut sollten alle alsbald wieder auf den Beinen sein." Phelan weiß dennoch, dass sein Zutun eine nicht geringe Hilfe war und noch immer steckt ihm die Erschöpfung des Vortages in den Knochen. Das Bett sieht verlockend weich aus und Phelan kommt nicht umhin zu erkennen, dass ihm nichts lieber wäre, als die Nacht hier zu verbringen. "Da fällt mir ein, ich bin nicht mit leeren Händen gekommen... falls Ihr für ein Paar Kaninchen und Rebhühner Verwendung habt, so will ich hinaus gehen und sie holen. Die Jagd war wenig erfolgreich, aber das erwähnte ich ja bereits." Niniane will zu einer Antwort ansetzen, doch in diesem Moment hasten zwei Personen am Zimmer vorbei nach draussen. Phelan erkennt Arwen, denn er war damals bei ihrer Rettung aus dem Wegesend-Gasthof dabei gewesen und er hatte sie schon vorher gesehen, damals, als er das erste Mal nach langer Zeit wieder nach Talyra gekommen war, als gerade das Sommerfest stattfand und die beiden Elben, Arwen und Falcon, den Bund der Ehe eingegangen waren. Phelan errinnert sich an die herrliche Hochzeitsgesellschaft, als sei es gestern gewesen; war er doch nichts weiter als ein Zaungast im Hain der Göttin gewesen. Er wechselt einen verständnislosen, überraschten Blick mit Niniane, die selbst nicht recht zu wissen scheint, worin der Grund für den plötzlichen, hastigen Aufbruch der Elben liegen mochte. Sie zuckt die Schultern und Phelan eilt zur Tür um nach draussen zu sehen, um möglicherweise einen Grund für den überhasteten Aufbruch der beiden zu erkennen. Doch er sieht sie nur noch wegreiten und Schlamm und Erde spritzt hinter den Pferden zum Himmel. Gleichzeitig sieht er Cron im Stall verschwinden. Niniane ist ihm nach draussen gefolgt und Phelan braucht seine Frage nicht auszusprechen, sie steht ihm sowieso ins Gesicht geschrieben.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 02. Apr. 2004, 20:33 Uhr
Sie stehen halb im Gästezimmer, halb im Vorraum und Phelan wirft einen beinahe sehnsüchtigen Blick auf das Bett, während er ihr von seinen Aufgaben in der Steinfaust erzählt. "Morgana und ihre Gehilfin sind wirklich fähige Heilerinnen, da habt Ihr zweifellos recht... aber das bedeutet nicht, daß Talyra keinen weiteren Könner dieser Zunft gebrauchen könnte. Und Eure Kräfte sind... anderer Art, als ihre Phelan. Morgana heilt eher wie ein Maester... mit ihrem Wissen um Blut und Knochen, um Krankheiten und Kräuter ... oder andere Medizin, und das hat sie auch an Schilama... so heißt die Kleine oder?... weitergegeben. Ihr heilt mit... Magie, das ist etwas anderes. Ich selbst kenne mich leidlich mit Heilkräutern aus, aber ich bin wissen die Götter, keine Heilfrau," sie lächelt trocken und Phelan nickt - und bietet ihr dann seine Jagdbeute an. "Rebhühner und Kaninchen? Da sage ich nicht..." in diesem Augenblick hetzten Arwen und Nadir aus dem Baum, als wären schwarze Bean-sidhe hinter ihnen her. Sie sieht Phelan an und zuckt mit den Schultern, zum Zeichen, daß sie ebenso Ahnungslos war, wie er - doch dann dämmert ihr kalt und klar, daß der überstürzte Aufbruch der beiden Elben irgendetwas mit dem Buch zu tun haben mußte, über das sie gesprochen hatten. An der Seite des Waldläufers tritt sie vor ihren Baum, doch die beiden sind schon auf dem Weg wohin auch immer. Sie schickt Arwen einen besorgten Gedanken hinterher, doch ihr Ruf verhallt ungehört und unbeantwortet.

Verdammt! Sie weiß, daß Arwen die anderen Bücher alle kennt, das Medaillon und den Stein besitzt - und wenn die beiden nun etwas über den Verbleib des sechsten Buches herausgefunden hatten? Irgendetwas... oder am Ende... gar das Buch selbst?! Schlagartig überkommt sie ein nagendes Gefühl der Unruhe und Besorgnis, kriecht kalt ihren Rücken hinab und läßt die Haut in ihrem Nacken prickeln. Etwas kommt... etwas großes. Ich kann es spüren, aber ich weiß nicht was... Cron sieht den beiden Elben vom Stall aus ebenso verständnislos nach, wie sie und Phelan, und trägt eine alte Holzwanne in Richtung ihrer heißen Quellen, aber sie verschwendet keinen Gedanken daran, was er vorhaben mag, sondern starrt immer noch auf die Stelle, wo Arwen und Nadir in Richtung Strand verschwunden sind. Phelan bewegt sich neben ihr und als sie ihn schließlich ansieht, sie sie die Frage in seinen Augen - und schüttelt den Kopf. "Das ist eine verdammt lange Geschichte Phelan, und ich kann sie Euch nicht erzählen, ohne ein Versprechen zu brechen, tut mir leid..." sie legt beide Hände auf die gespannte Haut ihres gewölbten Bauches und spürt ihre Tochter, die ebenso unruhig geworden ist, wie sie selbst. Ruhig, min Lia. Es ist alles gut. Es ist alles gut... Nichts ist gut, sie weiß es. Und obwohl sie Erleichterung und auch Hoffnung für Arwen verspürt, fragt sie sich mit nagender Angst: warum jetzt? und schlingt die Arme um ihren schwangeren Leib, als könne sie ihn damit beschützen. "Cron?" Sie ruft nicht wirklich laut nach ihm, aber ihr drängender Tonfall ist kaum zu überhören.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Phelan am 04. Apr. 2004, 21:04 Uhr
Einen Moment lang reut es Phelan, dass ihm die Frage so offen im Gesicht zu lesen stand, aber seine Verwunderung über den überstürzten Aufbruch der beiden Elben war zu groß gewesen, als dass er es hätte verbergen können. Niniane ruft bereits nach ihrem Gefährten und Phelan hat das Gefühl, dass er in eine Situation hineingeplatzt ist, die nicht seine Sache war und dass er im Grunde am Besten daran täte sich zurückzuziehen. Er hebt die Hand, um den Nordmann zu grüßen, der noch immer am Eingang des Stalles steht und nun zu ihnen herübersieht. "Ich danke Euch für den freundlichen Empfang, aber es gibt Dinge, die Eurer Aufmerksamkeit bedürfen." Er lächelt bei diesen Worten und an Ninianes Gesicht kann er sehen, dass sie weiß, dass sie von Herzen kommen. Und so wendet er sich um, um zurück in den Baum und das Gästezimmer zu gehen.

Die heimelige Atmosphäre, die hier immer herrscht scheint erfüllt zu sein von Bewegung und beinahe meint Phelan den Baum flüstern zu hören. In den Worten, die Phelan nicht versteht, schwingt etwas Tröstliches mit, beinahe so, als sei er nach hause gekommen. Doch dies ist nicht mein Zuhause. Er seufzt leise, während er mit der Hand über den Bogen elbischer Machart streicht und ihn schließlich, ebenso wie den Rest seiner Sachen zu Bündeln schnürt und sie schließlich mit hinaus nimmt. Ein letzter Blick in das Zimmer, dann schließt sich die Türe hinter ihm.

Die Bündel und Taschen sind rasch auf dem Rücken der Stute verstaut. Das Pferd wendet sich um und blickt ihn aus großen braunen Augen an, und fast vermeint Phelan darin einen besorgten Ausdruck zu lesen. Ihr Fell ist feucht, als er ihr auf den Hals klopft. "So ziehen wir weiter und irgendwann werden auch wir beiden wieder an einem Ort ankommen, den wir Zuhause nennen können." Fast als würde sie ihn verstehen schnaubt sie und Phelan streicht ihr über die weichen, dunklen Nüstern. Die Verabschiedung von Niniane und Cron ist kurz aber herzlich und schließlich folgt der Waldläufer den frischen Hufspuren der Elbenpferde in der feuchten Erde des Ildorelufers.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 05. Apr. 2004, 11:22 Uhr
Nachdem er den Waschzuber zwischen den Baumwurzeln abgestellt hatte, wartet er auf den Gnom - und der macht das erwartete Theater. Zeternd und jammernd beginnt er, sich auszuziehen, aber immerhin - er tut es wenigstens. Mißtrauisch den Kopf schüttelnd, ob Ukko sich tatsächlich so leicht in sein Badeschicksal ergeben würde, läßt Cron ihn allein und kehrt noch zum Stall zurück. Im Halbdunkel des Mittelgangs zwischen den Boxen kann Ukko ihn von draußen so auch nicht sehen, als sich der Gnom hüpfend und mit den Verschnürungen seiner Hose kämpfend zurückstiehlt - aber er läuft ihm direkt in die Arme. Das heißt, eigentlich vor die Knie, denn Ukko rennt direkt in ihn hinein. "AU!"  sich nicht gleichzeitig die Hosen festhaltend und den Kopf reiben könnend, plumpst Ukko auf den Hosenboden und grinst dann zu ihm hoch, nuschelt etwas von: "Äh... ich wollte nur, ich habe nur... ich meine... ich suche..."
Er scheucht den Gnom quer über die Lichtung vor sich her in Richtung des unberührt vor sich hindampfenden Waschzubers, gerade in dem Augenblick, als Niniane nach ihm ruft. Er packt den Gnom am Kragen wie ein Katzenjunges, das etwas ausgefressen hatte und setzt ihn samt Hosen ins Wasser. "Wasch dich!" Befiehlt er - und eilt dann alarmiert vom seltsamen Klang ihrer Stimme zum Eingang des Baumes.

Hinter ihm kreischt Ukko, vor ihm wartet Niniane und er kann gerade noch Phelan die Hand zum Gruß entgegenheben, als der Waldläufer über die Lichtung davonreitet.  "Was...?" Er umrundet die letzte Baumwurzel und steigt die Stufen hinauf. Niniane steht unter dem Türbogen des Eingangs und er kann in ihrem Gesicht sehen, das irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. "Was ist los? Ist etwas geschehen?" Sie wendet sich ihm zu, die Haut über ihren hohen Wangenknochen so sehr gespannt, daß sie fast weiß schimmert, nimmt seine Hände und erzählt ihm dann erst stockend, schließlich immer rascher von einem Fluch, einem Medaillon, jahrtausenden alten Dämonen - und daß möglicherweise, nein, sehr wahrscheinlich, etwas geschehen ist, daß das Ende dieser Geschichte nahe, von Arwen und Nadir und dem Haus An Cu und Verrat, von toten Kindern und einer toten Priesterin und sechs verschollenen Büchern...

"Warte... warte... einen Augenblick, Cariad. Ich verstehe kein Wort von dem Kauderwelsch, das du von dir gibst. Erzähl mir alles, der Reihe nach und so, daß ich auch mitkomme, bitte." Er zieht sie mit sich ins Innere des Baumes und setzt sich in einen der Sessel am Kamin. Sie bleibt stehen - und als sie schließlich die ganze Geschichte zu berichten beginnt, läuft sie so gereizt im Raum umher wie ein Bär in einem viel zu kleinen Käfig. Er lauscht ihr schweigend und sieht die wachsende Unruhe und Erregung in ihr aufsteigen, während sie spricht. Eine Raubkatze hat Blut gewittert, denkt er halb amüsiert, halb gequält. Er ahnt, worauf das hinauslaufen wird, und als sie schließlich endet - wobei er sicher ist, nur die Kurzfassung der ganzen, verworrenen Geschichte zu Ohren bekommen zu haben - kann er nicht glauben, daß sie das wirklich vorhat. Draußen schickt sich die Sonne an zu sinken, taucht den Wald in rotgoldenes Licht und von Ukko ist nichts mehr zu hören... aber im Augenblick ist ihm der Gnom auch vollkommen gleichgültig. Sie bleibt vor ihm stehen, die Arme unter der Brust über ihrem gewölbten Bauch verschränkt und meint schließlich, sie müssten sich bereit halten. Falls Nadir und Arwen etwas herausgefunden hätten, würden sie bestimmt bald hierher kommen. Sie habe Arwen versprochen, ihr zu helfen, wenn sie das Medaillon zusammensetzte und den Dämon beschwor - und vielleicht sei das Ende dieses schwarzen Schreckens endlich nahe.
"Was?! Bist du verrückt?" Er steht auf und packt sie an den Armen. "Willst du etwa in deinem Zustand einen Dämon jagen gehen?" Fährt er sie an. "Dein Leben und das des Kindes aufs Spiel setzen, nur wegen... wegen... einer alten Legende?!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 05. Apr. 2004, 11:59 Uhr
"Es ist keine Legende, es ist die bittere Wahrheit!" Sie versucht, sich von ihm freizumachen. "Und ich würde auch nicht mein Leben aufs Spiel setzen, geschweige denn das unserer Tochter. Laß mich los, du verdammter Nordmann!"
Er gibt sie frei, versperrt ihr aber allein durch seine Größe den Weg zur Tür und starrt sie finster an. "Hör mir zu," beginnt sie, um Geduld ringend. "Dieser Fluch... er wird Arwen töten oder ihr Kind... oder sie beide, wenn er nicht gebrochen wird. Und wenn Arwen eine Möglichkeit gefunden hat, das Medaillon zusammenzusetzen, wird der Dämon erscheinen. Sie muß es tun, will sie je frei von diesem Fluch sein, Cron. Aber wenn sie den Dämon beschwört und dann scheitert... dann wird... wird dieses Wesen frei, verstehst du? Er könnte dann ungehindert in den Immerlanden umherstreifen und bei den Göttern, hast du eine Ahnung, was ein Erzdämon anrichten könnte? Abgesehen davon, daß es Arwens sicheren Tod bedeutet? Ich kann sie damit nicht allein lassen. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde sie dasselbe für mich tun. Ich habe es ihr versprochen, Cron."

Zweifel huschen über sein Gesicht - Zweifel, aufsteigender Zorn und Sorge. Trotz ihrer Erklärung scheint er nicht geneigt, ihr zuzustimmen oder sie gar gehen zu lassen. "Ich bin eine Jägerin, Cron." Er weiß genau, was sie ist, aber im Augenblick hat sie das Gefühl, er wisse gar nicht, was das wirklich bedeutet, also sucht sie verzweifelt nach dem richtigen Weg, ihm das Unerklärliche zu erklären - das, was sie tief in ihrem Herzen weiß, was zu ihrem Wesen gehört wie ihr Name, sich aber nicht in einfache Worte fassen läßt.  "Ich bin eine Jägerin," wiederholt sie. "Und ich war einmal Priesterin. Ich bin nicht machtlos, Cron. Ich kann etwas tun, ich kann ihr helfen. Ich... es ist... ich  muß das einfach tun!"
Nach der Wirkung ihrer Worte auf Cron zu urteilen, ist ihm diese Erklärung bei weitem nicht genug. Er zieht die Brauen hoch und sieht sie an, als erwarte er eine wesentlich bessere Begründung. Sie holt tief Luft. Wie sollte sie ihm das begreiflich machen... so daß er es versteht. Ihr liegt nichts daran, einen Machtkampf auszufechten, es geht nicht darum, wer von ihnen beiden sich durchsetzen kann, sie will, daß er begreift. Und sie muß ihn an ihrer Seite wissen - in dieser Sache vielleicht mehr als je zuvor. Und das nicht wegen des Kindes...
"Es ist nicht nur... nicht nur wegen Arwen. Sie ist meine Freundin, Cron. Du würdest Caewlin auch nicht in einer Gefahr allein lassen. Aber es ist nicht nur das oder die Gefahr für ihr Kind. Es ist auch... das was ich bin. Ich habe einen Eid geschworen. Als ich Jägerin wurde, habe ich einen Eid geleistet und ich muß ihn halten."

Das letzte Mal, das sie ihn laut gesprochen hat, war auf dem windumtosten Gipfel des Arnon Tyshorsha gewesen - in einem Kreis toter Herzbäume, während der kalte Schnee auf sie gefallen war. Sie schluckt den schmerzenden Kloß in ihrem Hals hinunter, schließt die Augen und flüstert:
"Die Nacht sinkt herab und meine Jagd beginnt. Sie soll nicht enden vor meinem Tod. Ich will kein Land besitzen und keinen Ruhm begehren. Ich will auf der aufgenommenen Fährte leben und sterben. Ich bin das Schwert in der Dunkelheit. Ich bin der Pfeil aus den Schatten. Ich bin der Speer in der Nacht. Ich bin das Feuer, das gegen die Kälte brennt, das Licht, das den Morgen bringt, das Jagdhorn, das die Schläfer weckt, der Schild der gegen die Finsternis steht. Ich widme mein Leben und meine Ehre der Großen Jagd, in dieser Nacht und in allen Nächten, die da kommen werden."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 05. Apr. 2004, 14:11 Uhr
Als sie die Augen wieder öffnet, sieht er sie nur lange und nachdenklich an, obwohl die Angst wie eine große Faust in seinen Magen drückt. Sie wird nicht nachgeben. Seine Mundwinkel zucken und er fährt sich mit der Hand durch die Haare. "Es gibt keinen anderen Weg, nicht wahr, Cariad?" Sie schüttelt den Kopf und sieht ihn verständnisheischend an. Er hört sich selbst tief einatmen, während sich der Raum mit orangefarbenem Dämmerlicht füllt und schweigt lange Zeit. Dann nimmt er ihre Hand. "Erinnerst du dich an den Kampf mit den Nargen auf dem Heideweg? Als du mitgekämpft hast, obwohl ich dich gebeten hatte, dich im Hintergrund zu halten? Ich habe dir damals gesagt, was ich tun würde, wenn du das Leben unseres Kindes noch einmal in Gefahr bringst." Ich werde dich fesseln und knebeln und in deinem Baum ans Bett binden, und du wirst erst wieder aufstehen, wenn es sicher zur Welt gekommen ist, ob dir das gefällt oder nicht. Seine Finger schließen sich so fest um ihre, daß er ihre Hand quetschen muß. "Und bei den Göttern, ich hätte guten Grund, es wahr zu machen!" Jetzt ist er es, der ihr Gesicht erforscht - aber hinter ihren goldenen Augen ist nichts als Entschlossenheit zu lesen - und der Wunsch, er möge sie verstehen.

"Verdammt...ich habe selbst den ein oder anderen Eid geleistet in meinem Leben," erwidert er schließlich bedächtig - und das, obwohl er so wütend ist, daß er sie am liebsten geschüttelt hätte. "Manche wiegen schwerer, als andere, ich weiß." Sie steht ganz nahe bei ihm. Die letzten Sonnenstrahlen, die durch die Westfenster hereinfallen, lassen ihr Haar leuchten und seine Hand hebt sich tiefbraun von ihren goldenen Fingern ab. "Ich weiß, daß es so ist und du auch. Und ich weiß, wie dir zumute ist jetzt." Er kennt das Gefühl, das ein bevorstehenden Kampf bringt. Er weiß, wie einem die Erregung im Blut singt, er kennt den Geschmack und das Gefühl und den Drang, etwas tun zu müssen, den Zwang, einen Kampf aufzunehmen. Oder eine Jagd - das zu tun, wozu man sich bestimmt sieht. "Ich will nicht schuld sein, daß du einen heiligen Eid brichst, aber... bei allen guten Göttern, Cariad! Unsere Tochter soll in wenigen Wochen geboren werden und du willst Dämonen jagen gehen!" Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte gelacht - und es wäre alles andere als ein fröhliches Lachen gewesen. Dann seufzt er tief, beugt sich über sie und küßt sie. Ihr Mund antwortet seinem überraschend sanft. Als er den Kopf hebt und sich aufrichtet, weiß er genau, wie gequält sein Gesichtsausdruck ist. Sie davon abhalten zu wollen, diesen Dämon zu bekämpfen, war, als würde man von ihr verlangen, aufzuhören zu atmen.

"Nan, das ist Irrsinn.... aber ich werde dich nicht allein gehen lassen. Nur schwöre mir, daß dir nichts geschehen wird. Versprich mir, daß du auf dich und das Kind achtest. Daß du vorsichtig bist und nichts unüberlegtes tust." Er weiß, er braucht gar nicht zu verlangen, daß sie sich vom Kampf - denn dazu würde es kommen, wie immer dieser Kampf letztlich auch aussehen würde - fernhielt. "In Ordnung. Du hast gesagt, wir müssen uns bereit halten. Also..." noch einmal atmet er tief durch und ein Zittern geht über sein Gesicht. Er hat Angst - um das Kind, um sich selbst, um Arwen - aber vor allem um sie. Ein Dämon! Gute Götter, hört das nie auf? Untote, Vampirfürsten, Schatten, Geister, Widergänger, Kälte - Narge, noch mehr Narge...und jetzt ein Dämon... "Ich bin mit dir ins Sturmtal gegangen. Selbst als ich wußte, was uns dort erwartet, bin ich bei dir geblieben. Ich werde dich auch jetzt nicht allein lassen. Nan, wird dieser Kampf... diese Jagd... was auch immer. Wird sie so werden, wie der Kampf gegen... Jeliel?" Er hat diesen Namen nicht mehr ausgesprochen seit ihrer Rast auf dem Weg ins Sturmtal in den Ruinen von Darth - und das war das einzige Mal gewesen, daß er ihn beim Namen genannt hatte. Sie sieht ihn an und legt ihre freie Hand auf seine Brust, direkt über sein Herz. Dann nickt sie. Seine Augen weiten sich ein wenig, aber dann schiebt er alle Gefühle entschlossen beiseite und seine Stimme ist sehr ruhig, als er weiterspricht: "Dann machen wir uns bereit. Sag mir, was uns schlimmstenfalls erwarten kann. Womit wir rechnen müssen. Alles."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 05. Apr. 2004, 18:01 Uhr
Es ist hoher Vormittag, als Arwen sich zusammen mit Nadir auf den Weg zum Baum von Niniane macht. In einem kleinen Beutel an ihrem Gürtel befinden sich die in Seide eingeschlagenen Teile des Medaillons und das Buch mit dem Silbereinband ruht, fest in seine Hülle aus Büffelleder  eingeschlagen, in einer Satteltasche. Sie hat die ganze Nacht kaum zur Ruhe gefunden, und ihr Herz schlägt auch jetzt noch so heftig gegen ihre Rippen, dass sie glaubt es müsse bald zerspringen. Und die Teile des Medaillons an ihrem Gürtel meint sie schwer und glühend wie eine Schmiedeessen an ihrer Seite zu spüren, auch wenn sie weiss, dass es nur Einbildung ist.

Die Ereignisse der letzten Stunden haben Arwen in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt, dass an ihrer inneren Ruhe zehrt und ihr Herz aus dem Takt bringt. Erst Falcons Beisetzung im Wald, dann Ninianes beiläufigen Worte über das sechste Buch, die sie fast noch mehr aus dem Gleichgewicht gebracht haben als die Eröffnungen über den Verrat der AnCus zuvor. Dann die Enttäuschung und Verzweiflung, als sie die Ayaron-Inschrift des Buches entziffert hatte, und sie glaubte mit Mutter und Tochter seien sie und ihre Mutter Amithra gemeint, als alle Hoffnung bloss noch wie der Hohn des Dunklen schien. Der Moment als Nadirs leisen Worte das Begreifen weckte, dass sie selber und ihre ungeborene Tochter gemeint sind. Als unter seiner und ihrer Hand der Einband des Buches sein Siegel freigab und es sich öffnen ließ. Dann die Texte, Prophezeiungen und Verse in dem Buch, das tatsächlich das verschollenen sechsten Buch selbst ist, deren Studium sie den Rest des vergangenen Tages und die halbe Nacht gekostet hatten. Ihre Angst, seitdem sie weiss, wie das Medaillon zusammengefügt werden kann und was dann geschehen wird. Eine Angst, die sie fast gelähmt hat, bis Nadirs Überlegungen in der warmen Geborgenheit ihres Bettes die Worte ihres Bruders aus der Erinnerung geweckt haben >Wiederhole nicht den Fehler, den Mutter beging, und der in Leid und Tränen endete. Du hast Freunde hier, die dir helfen können... die dir helfen werden. Du musst es nur zulassen.<

Und aus diesem Grund ist sie nun auf dem Weg zu Niniane. Sie wird um Hilfe bitten. Auch wenn sie sich nicht sicher ist, wie Cron auf diese Bitte reagieren wird. Die Waldläuferin trägt sein Kind, und Arwen ist sich ziemlich sicher, dass dem Nordmann nicht gefallen wird, worum zu bitten sie vorhat. Aber Arwen weiss auch keinen anderen Rat. Die Macht von Dreien... aber wer ist die dritte Frau, die dritte Mutter... wer?

Der Weg am Ufer des Ildorel entlang ist nicht weit, und so haben sie die Lichtung mit dem Baum bald erreicht. Und wie stets lässt die warme, goldene Aura des Baumes, dessen Macht sie einhüllt, kaum dass sie den Rand der Lichtung erreichen Arwen lächeln. Sie lässt Shur am langen Zügel auf die Lichtung treten und umrundet die mächtigen Wurzeln des Baumes. Auf der seeabgewandten Seite steigen sie aus den Sätteln und binden ihre Pferde an. Arwen holt tief Luft, als sie das eingeschlagene Buch aus der Satteltasche holt und sie dann zur Tür des Baumes gehen. Zögernd hebt sie die Hand um an der Tür zu klopfen, unsicher, ob der Baum ihr mit Buch und Medaillon die sie bei sich trägt von selber öffnen wird wie er es sonst tut.
Während sie wartet, dass sich die Tür für sie öffnet, wandern ihre Gedanken zurück zur letzten Nacht. Nicht zu dem lodernden Tanz Inaris, sondern zu dem Eheversprechen, dass sie und Nadir einander gegeben haben, und alleine das reicht aus, um ihr Herz stolpern und leise Röte über ihre hohen Wangenknochen bis zu den Ohrenspitzen huschen zu lassen. Obwohl nur jene, die sie wirklich gut kennen, es bemerken würden, meint sie, jeder müsse ihr ansehen, was letzte Nacht geschehen ist, und nur schwer gelingt es ihr, sich auf das zu konzentrieren, was jetzt vor ihnen liegt: Niniane um Hilfe zu bitten und der Waldläuferin zu erklären, warum sie gestern so überstürzt verschwunden sind.  

Die Tür des baumes öffnet sich für die beiden Elben, und sie treten in den runden Vorraum, wo sie fast augenblicklich die angenehme Wärme eines Kaminfeuers und diese vertraute Duftmischung nach Pflaumenblüten und Ambra umfängt. Die Tür zum Kaminzimmer steht offen, und Niniane erwartet sie im Durchgang stehend, Cron nur einen Schritt hinter sich, während Nadir ihrer beider Mäntel an die Efeublätterhaken hängt. "Niniane... Cron..." Arwen neigt grüßend den Kopf. "Verzeiht, dass wir gestern so plötzlich verschwunden sind, aber..." Als sie den Blick wieder hebt und ihre Augen die der Waldläuferin treffen, deren Blick wie gebannt auf dem ledernen Paket ruht, das Arwen mit beiden Armen fest an ihre Brust presst, weiß sie, dass die Halbelbin ahnt, oder weiß, was sich darin verbirgt. Und die Wolke aus Sorge und Entschlossenheit, die den Nordmann umgibt, sagt ihr, dass er weiß, was kommen wird, dass Niniane ihm schon erzählt hat, was es mit dem Fluch auf sich hat, der auf den Töchtern Amithras liegt. "Ich... Wir... Wir brauchen eure Hilfe." Es ist ihr noch nie so schwer gefallen, um Hilfe zu bitten, und eine Bitte kam ihr auch noch nie so vermessen vor, wie diese jetzt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 05. Apr. 2004, 21:08 Uhr
Die Sonne ist schon hochgestiegen, als Arwen und Nadir am nächsten Morgen bei ihnen am Baum erscheinen und Niniane erwartet die beiden bereits. Jetzt steht Arwen vor ihr, Nadir keine Armlänge hinter sich und beide sehen sie an. >Ich... Wir... Wir brauchen eure Hilfe.< "Ich weiß. Wir haben schon mit euch gerechnet. Ihr habt das Buch gefunden." Das ist eine Feststellung keine Frage. Arwen nickt und sie nickt ebenfalls. Ihr Blick trifft kurz den Nadirs und sie findet darin die gleiche unruhige Sorge wie in den kornblumenblauen Augen Crons. "Wir waren auch nicht untätig. Kommt herein." Sie tritt beiseite und auch Cron macht den beiden Elben Platz - und was sich ihnen im Kaminzimmer bietet, erübrigt jede Antwort auf Arwens Bitte um Hilfe. Auf dem Boden stehen halbgepackte lederne Satteltaschen und der niedrige Tisch mit den kurzen, lotosblütenförmigen Füßen quillt über vor Waffen: Dolche aus Yalaris, eine schwere Armbrust mit einem Köcher voller Bolzen mit obsidianernen und silbernen Spitzen. Crons Schwert, das er eben mit Arniser Kalk poliert hatte, daneben Iôrfaêr und mehrere violett glühende Amethyste, mancher so groß wie ein Taubenei, keiner kleiner als ein Daumennagel. Ein schimmerndes Yalariskettenhemd, das am Hals und an Armsäumen mit tiefgrünen Smaragden besetzt ist und diverse andere Rüstungsteile. Waffengurte, Umhänge, Ersatzkleidung, verschiedene Tiegel, Phiolen und samtene Säckchen mit goldenen und silbrigem Staub, alle fein säuberlich aufgereiht und bereit, in einer Gürteltasche verstaut zu werden. Wurfsterne in ledernen Beuteln, zwei dicke Bücher, deren aufgeschlagene Seiten in farbigen Abbildungen verschiedenste Dämonen - und enggeschriebene Abhandlungen zu ihnen -  zeigen, und die zudem noch mit Dutzenden von dünnen Pergamentmerkzettelchen zwischen den einzelnen Seiten versehen sind - offenbar hatten Niniane und Cron schon einige Lesezeichen darin hinterlassen. Niniane lächelt matt, als sie Arwens Blick auf das ausgebreitete Chaos sieht. "Ich hatte dir versprochen, dich damit nicht allein zu lassen, min Ija. Was habt ihr herausgefunden?"

Sie steigt über glänzende Armschienen und einen Beutel mit Feenstaub - ihr letzter - hinweg, um zu ihrem Platz neben Cron zurückzukehren. Sie hatte den Anderthalbhänder gerade gereinigt und verreibt nun silbrig glänzendes Öl auf der schimmernden Klinge, während Arwen und Nadir sich ebenfalls Plätze suchen und die Anukispriesterin dann mit leiser Stimme beginnt, zu erzählen. Als sie schließlich das Medaillon in Stücken auf einem freien Fleckchen am Boden ausbreitet, beugen sie sich alle vier mit unbehaglicher Neugier darüber. "Das ist es also. Ein so kleines Ding..." Nun ja, soo klein auch wieder nicht... Sie hebt den Blick und sieht Arwen an. "Wir erledigen ihn. Hab keine Angst." Ihr Blick kreuzt den Crons und sie legt ihre Hand in seine, bevor sie sich wieder an den Silberelben und Arwen wendet. "Drei Mütter... drei... den Göttern geweiht... Arwen. Daß damit drei Priesterinnen gemeint sein müssen, ist mir auch klar, aber Arwen... ich kenne nur eine Frau, die Priesterin und schwanger ist. Außer dir und mir meine ich." Sie sieht die Hochelbin an und sieht die Erkenntnis in ihren Augen aufschimmern.  "Ja. Morgana. Und damit hätten wir dann auch die drei Rassen vereint. Elbin, Halbelbin und Menschenfrau. Götter... ich weiß, warum ich Dämonen noch nie leiden konnte. Sie hatten schon immer zuviel Spaß an abartigen Rätseln und Spielchen." Cron drückt kurz und fest ihre Hand und schnaubt ein Lachen hervor, während er die glänzenden Yalarisstücke neugierig mustert. Sie sehen sich alle vier an und fühlen sich mehr als unbehaglich.

"Arwen... wir können sie nur fragen. Etwas anderes bleibt uns auch nicht übrig, oder?"  Sie sieht, wie die Hochelbin sich windet und kann verstehen, warum. Es ist eine Sache, vertraute Freunde und Waffengefährten um Hilfe zu bitten... Morgana und Arwen kannten und schätzten sich zwar, doch jemanden zu bitten, das eigene Leben und das seines Kindes aufs Spiel zu setzen... das ist etwas anderes. "Cron, reite zur Steinfaust und hol Morgana her, bitte. Wir müssen sie fragen. Und wenn sie nein sagt..." sie sucht Nadirs Blick und hält ihn fest und sieht, wie die Augen des Silberelben eine Winzigkeit weiten. "Wenn Morgana Nein sagt, dann werden wir das akzeptieren." Können wir das? Nein, ich denke nicht. Wo man keine Wahl hat, kann man auch nicht wählen. Um Shenrahs Liebe Willen, Nadir, DAS werdet Ihr nicht tun! Der Silberelb erwidert ihren Blick so ungerührt, daß es ihr ins Gedächtnis ruft, wen sie hier vor sich hat und sie steht rasch auf und folgt Cron zur Tür. Er küßt sie und ist verschwunden - und als sie ins Kaminzimmer zurückkehrt, starrt Arwen noch immer auf das Medaillon. Ihre Tochter bewegt sich träge und sie presst die Hand auf ihren Leib. Das lange Sitzen hatte ihre Beine gefühllos gemacht und nun kehrt prickelnd das Blut zurück. "Viel Zeit bleibt uns nicht, hm?" Auch das ist keine Frage. Das Ende ist zum Greifen nahe. Zum ersten Mal seit tausenden von Jahren ist da mehr als nur eine vage Hoffnung - und abgesehen davon: sollten sie scheitern, sollte irgendetwas mißlingen und Arwen überleben, bliebe ihr dann bis zum Sommer Zeit, einen anderen Weg zu finden. Oder andere Priesterinnen... mischt sich ungefragt ein trockener Gedanke ein. Ja... oder das. "Wo? Weißt du einen Ort, an dem... du es tun willst?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 05. Apr. 2004, 21:39 Uhr
Das Bild, das sich ihnen im Kaminzimmer bietet, macht jede weitere Frage überflüssig, ob Niniane und Cron ihnen helfen werden. Und Arwen wird mit einem Blick klar, dass Niniane weitaus besser als sie selbst weiß, was sie dort erwarten wird, wenn sie das Medaillon vereint. Und dass sie auch weitaus besser vorbereitet ist als sie selber. Sie kommt sich plötzlich unbedarft und kindisch vor, hier einfach nur mit dem Buch und den Medaillonteilen aufzutauchen, so als reiche das. Sie ist Jägerin, vergiss das nicht, sie hat sich der Großen Jagd geweiht... wenn nicht sie, wer dann sollte wissen, was uns erwartet und wie dem zu begegenen ist... Trotzdem schleicht sich dem Anblick all der Waffen und der anderen vorbereiteten Dinge in Beutel und Säckchen ein beklemmendes Gefühl an, dass Arwen fröstelnd Nadirs Nähe suchen lässt. Ein Frösteln, dass noch zunimmt, als sie schließlich zögernd nickend zustimmt, dass sie Morgana einfach fragen müssen. Sie weiß, dass sie keine Wahl hat, dass sie fragen muss, so schwer es ihr fallen mag. Wenigstens fragen muss sie. Und sie könnte es nur zu gut verstehen, sollte die Heilerin das Risiko für sich und ihr Kind nicht eingehen wollen und können. Von den Blicken, die Niniane und Nadir wechseln bekommt sie nichts mit.

Sie hat ihren Blick noch immer auf das silberne Buch vor sich auf dem Boden gerichtet, auf die Silberteile, die daneben liegen. Schweigen liegt über dem Raum, nachdem Cron den Baum verlassen hat um zur Steinfaust zu reiten. Sie greift nach einem der Bücher, in denen sich schon kleine Zettel als Lesemarken finden, überfliegt die Abbildungen der Dämonen, die Beschreibungen dazu, und fragt sich, in welchen Irrsinn sie ihre Freunde mit hineinzuziehen im Begriff ist. Ninianes Frage reißt sie aus ihren wild umherirrenden Gedanken.

"Wo?... Ich weiß nicht... Heiliger Tempelboden scheidet wohl aus," sie zwingt sich ein müdes Lächeln ab. In einem Tempel würde sie sich tatsächlich wohl am sichersten füheln dabei, aber das ist unmöglich. "Auf keine Fall in der Stadt oder in ihrer Nähe, das ist zu gefährlich, er reicht, wenn... wenn wir... Ich will so wenig wie möglich in Gefahr bringen. " In ihrem Blick liegen die Worte, die sie nicht ausspricht, dass sie sehr wohl weiß, in welche Gefahr sie sich selber und ihre Freunde und die ungeborenen Kinder bringt. "Weißt Du einen Ort? Einen Ort, der rein aber nicht heilig ist? Weit genug weg von der Stadt. Einen Ort, an dem die Mächte Rohas nicht entweiht wurden und an dem ein Dämon mit seinen Schatten kein Versteck finden kann?" Für einen Moment schweigt sie wieder. "Was für ein Dämon wird uns erwarten, Niniane? Ich weiß nicht mehr, als dass es ein Erzdämon sein wird, der erwachen wird, wenn ich das Medaillon zusammengefügt habe. Nicht welcher oder welche Macht er hat..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 05. Apr. 2004, 21:58 Uhr
Als sie Cron fast umgerannt hatte, war ein Schauer über ihren Rücken gekrochen, den sie sich nicht erklären konnte und als sie dann in sein Gesicht gesehen und seine knappen Erklärungen gehört hatte, wusste sie dass dies ihr die ganze Nacht über schon die Unruhe beschert hatte. Sie fragt auch nicht weiter, seine Stimme und ihr inneres Gefühl sagten ihr, dass sie gehen musste. Cron hebt sie auf sein, für Morgana riesiges, Pferd und reitet so schnell es in ihrem Zustand geht aus der Stadt heraus. Auch den Weg über schweigt Morgana, genauso wie Cron, die Luft um sie herum scheint zu vibririeren und etwas unheimliches liegt in der Luft je näher sie dem Baum kommen.

Am Baum angekommen steigt Cron vom Pferd und hilft ihr herunter , er lässt Donner dort stehen und sie beide gehen hoch zu dem Baum, die Tür schwingt wie immer von Geisterhand auf und sie betreten den runden Eingangsbereich, der vollgestapelt ist mit Waffen, Rüstungen und allerlei anderem Zeug, das Morgana nicht genau erkennen kann. Niniane, Arwen und der grosse Elf, den sie auf der Beerdigung das erste Mal gesehen hat, stehen dort und blicken ihr entgegen. Die Spannung im Raum ist fast schon greifbar und es ist offentsichtlich, das etwas grosses geschehen wird. Morganas Blick fällt auf das Amulett, das dort liegt und ihr Blick wandert zu allen Anwesenden."Wobei und womit kann ich euch helfen?", sind die einzigen Worte die sie spricht, alle anderen Worte wären zu viel gewesen, dass es etwas Wichtiges und Lebenswichtiges ist, ist auch so schon zu sehen und zu spüren.

Abwechelsnd erklären Arwen und Niniane ihr um was es geht und eine Gänsehaut nach der anderen huscht über ihre Arme und den Rücken. Sie atmet ein paarmal tief durch, als die beiden geendet haben. Ihre Gedanken huschen hin und her und es dauert eine Weile ehe sie diese geordnet hat. Tief in ihrem Inneren sagt ihr eine Stimme, dass sie mit ihnen gehen würde, egal was auch dort mit ihr und den anderen geschehen würde, weil es einfach so bestimmt worden ist von den Göttern. Ihre Vernunft versucht sich noch dagegen zu wehren, doch schliesslich blickt sie Arwen in die Augen und ein kleines verzerrtes Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. "Ich werde euch helfen, es scheint als wäre das alles schon lange so vorherbestimmt gewesen, und meine innere Stimme sagt mir ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich euch nicht helfen würde." Ihr Lächeln ist nicht mehr ganz so verzerrt und wenn sie Arwens und den Ausdruck der Gesichter der anderen richtig deutet, scheinen sie erleichtert zu sein.


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 06. Apr. 2004, 09:35 Uhr
Hätte Nadir sich plötzlich in eine grünen Drachen mit purpurroten Flecken verwandelt, der angefangen hätte, mit Zitronenküchlein zu jonglieren, sie hätte nicht überraschter sein können. Eine ganze Weile kann sie den Silberelben nur entgeistert anstarren, aber dann streckt sie die Hand aus, räuspert sich und hört sich selbst sagen: "Gebt mir den Ehekontrakt. Ohne den kann ich euch nicht verheiraten." Nadir Shunjalir heiratet? Morgen geht die Sonne im Westen über der Bucht von Ebenandra auf, ich weiß es... Er zieht eine Pergamentrolle hervor und sie entrollt sie vorsichtig und überfliegt die eng beschriebenen Seiten in der großen, geschwungenen Schrift des Silberelben. "Cron, würdest du bitte Tinte, Federkiel und Löschsand holen? Es ist alles drüben im Esszimmer..." Sie hört, wie er sich leise entfernt und große Schritte macht, um nicht über eines der am Boden verstreuten Bündel zu stolpern, die sie in der vergangenen Nacht gemeinsam zusammengepackt hatten, während sie ihm alles über Dämonen und Flüche erzählt hatte, was sie weiß. Morgana lächelt ein wenig verwirrt und späht ihr über die Schulter, aber die Heilerin wird  Shidar kaum lesen können. Das spielt wohl kaum eine Rolle. Wenn ich sie verheirate und der Ehevertrag von Zeugen unterschrieben wird, dann ist diese Ehe rechtsgültig - vor den Gesetzen von Elben und Menschen... Sie legt den Vertrag neben sich auf einen Packen aufgestapelter Leinenhemden und sieht dann Arwen und Nadir an. "Tretet vor mich," meint sie leise - was nicht so einfach ist, da die beiden über Satteltaschen, Kettenhemden, eine Armbrust und einen Rucksack voller Verbandslinnen und Heilmitteln hinwegsteigen müssen -  und ihr kommt der Gedanke, daß, so bitterernst die Lage war, diese denkwürdige Hochzeit inmitten all des Chaos zur Vorbereitung einer Dämonenjagd bestimmt niemand je vergessen würde.

Arwen war einen Moment lang vollkommen erstarrt an Nadirs Seite gestanden, doch jetzt bewegt sie sich mit ebenso schlafwandlerischer Sicherheit wie der Silberelb auf sie zu. Nadir Shunjalir heiratet Arwen Wintertochter in meinem Kaminzimmer und hier sieht es aus, als wären Asgrim Blodaxes wilde Horden hindurchgefegt und auf dem Rückweg gleich noch einmal vorbeigekommen... sei nicht albern! Trotzdem hätte sie beinahe gekichert und beißt sich auf die Zunge. Und ihr kommt der Gedanke, daß Arwen, wenn sie ihrem Vater von dieser Heirat schreiben würde, die Einzelheiten vielleicht doch besser weglassen solle - davon, daß Morgenstern dieser Ehe seinen Segen längst ausgesprochen hat, weiß sie ja noch nichts. Aber selbst wenn sie das wüßte - sie kann sich nicht vorstellen, daß Tianrivo begeistert wäre, daß seine einzige Tochter mit einem Silberelben durchgebrannt war, der zwar königliches Blut, aber ebenso einen berüchtigten Ruf sein Eigen nennt und ihr obendrein von ihm selbst als Beschützer geschickt worden war. Und seine väterliche Empörung würde sicher nicht durch die Tatsachen beschwichtigt, daß diese Ehe mitten im  Aufbruch zu einer Dämonenjagd in einem Baum, statt in einem Tempel geschlossen worden war. Nicht nur, daß kein rotes Hochzeitsgewand, keine Mäntel und keine Gäste vorhanden gewesen waren, die einzigen beiden Zeugen waren auch noch ein Nordlord und eine Heilerin aus Barsa. Niniane bleibt keine Zeit, sich zu sammeln und sie versucht hektisch, sich an die Worte zu erinnern, die man bei einer Trauung sprechen sollte... aber plötzlich ist das alles nicht mehr wichtig. Sie sieht die beiden an und selbst ein Blinder würde sehen, daß sie einander gehören - ob vermählt oder nicht. Es spielt keine Rolle, daß hier manches nicht so ist, wie es sein sollte. Ein Lächeln zeigt sich kurz um ihre Lippen. "Gebt mir eure Hände." Arwens Hand ist schmal und kalt, Nadirs groß und warm - und schwielig vom jahrelangen Gebrauch eines Schwertes. Sie legt ihre beiden Hände übereinander und hält sie dann mit ihren eigenen fest. " Ihr sagt, ihr habt die heiligen Gelübde bereits abgelegt?" Beide nicken wortlos und so nickt auch sie. "Nadir Shunjalir aus dem Haus Lyresfian von Talaberyn, nehmt Ihr Arwen Liasiranis aus dem Haus Mitarlyr von Lomirion zu Eurer rechtmäßigen Gemahlin?"

Seine Stimme ist tief und rauh, als er mit einem klaren "Ja" antwortet und Arwens Stimme klingt nicht weniger belegt, als sie zu Nadirs Gesicht aufblickt und auf Ninianes Frage "Ich will" erwidert. Niniane drückt ihre beiden verschlungenen Hände sanft ineinander und sie wiederholen die Treueschwüre mit leisen, bebenden Stimmen und leuchtenden Gesichtern.
"Was mein ist, soll auch dein sein...."
"Ich will dich nicht verlassen, noch von deiner Seite weichen..."
"... in diesem Leben und über den Tod hinaus."
Niniane sieht Morgana an, die hinter Arwen steht. Im Gesicht der Heilerin vermischen sich Freude und Traurigkeit, denn sie denkt gewiß an jene Männer, die sie geliebt hatte. War Morgana je vermählt gewesen? Niniane weiß es nicht. Dann trifft ihr Blick den von Cron und sie erwidert sein Lächeln. In seinen Augen liegt ein Versprechen, ebenso wie in ihren. Sie reißt sich von seinem Gesicht los und sieht Arwen und Nadir an, die einander anstarren und die Welt um sich herum für einen Augenblick vollkommen vergessen haben. Arwen strahlt Nadir über ihre miteinander verschlungenen Hände hinweg an und sieht in seine Augen wie in einen Spiegel und Niniane ist sich nicht einmal sicher, daß die beiden sie hören, als sie fortfährt:
"Dann erkläre ich euch als Priesterin Shenrahs, des Herrn der Sonne und des hellen Tages, vor den Göttern und allen Völkern Rohas zu Mann und Frau. Ihr seid ein Herz, ein Fleisch und eine Seele, und was die Götter zusammengegeben haben, hat kein Wesen mehr ein Recht zu trennen. Möge Shenrah euch segnen, jetzt und in allen Tagen, die vor euch liegen." Sie spürt, wie ihre Kehle sich verschnürt und Tränen in ihr aufsteigen, als sie beider Hände losläßt und einen halben Schritt zurück tritt, aber sie blinzelt sie entschlossen fort.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Morgana am 06. Apr. 2004, 12:46 Uhr
Morgana hatte die Zeremonie mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgt. Das lachende Auge, weil sie sich wirklich für Arwen freut, und dass diese beiden Elfen füreinder bestimmt sind, kann Morgana fühlen, es ist als seinen die beiden durch ein unsichtbares Band verbunden, das niemand trennen würde können. Das weinende Auge kommt durch ihre eigene Situation, ihr Gefährte ist verschwunden, der einzige andere Mann in ihrem Leben, ist seit der Flucht von Barsa aus ihrem Leben verschwunden, ihn hatte sie nie heiraten können , weil sie dies als Priesterin nicht durfte.

Obwohl sie inmitten der Waffen und anderer Sachen stehen, wirkt die Zeremonie feeirlich. Sie ist zwar ganz anders, als sich Morgana eine elbische Hochzeit vorgestellt hätte, aber sie ist sich sicher, dass ihr diese Augenblicke immer im Gedächtnis bleiben werden, eben weil sie so aussergewöhnlich sind.

Die Zeremonie ist vorbei und die Blicke, die die Beiden Elben tauschen, sagen mehr als tausend Worte. Für einen Moment scheint all das vergessen, was auf sie zukommen mag, die Gefahr scheint weit entfernt und in diesem Augenblick scheint die Zeit für einen Moment stillzustehen. Doch schliesslich ist auch dieser Augenblick vorbei und Niniane nickt Cron und Morgana zu, damit sie den Vertrag als Zeugen unterzeichnen können. Cron unterzeichnet als erster und dann Morgana mit einer grazilen geschwungenen Unterschrift. Damit ist der Vertrag gültig und die beiden sind nun für immer ein Paar. Morgana tritt zu Arwen und dem Silberelben Nadir, dessen Namen sie nun auch weiss, sie lächelt beide an und die Worte, die sie spricht, kommen von Herzen. "Ich wünsche Euch alles Gute für die Zukunft ,und dass ihr lange und glücklich miteinander leben werdet. Die Götter mögen eine schützende Hand über euch halten." Dann tritt Morgana wieder zur Seite und geht ihren eigenen Gedanken nach. Sie denkt daran, was nun auf sie zukommen würde und einen Moment steigen Zweifel in ihr hoch, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hat, dann blickt sie zu dem uralten Amulett und zu dem Buch, welches Niniane erwähnt hat, und dass es schon vor so vielen Jahren vorherbestimmt war, dass dies einmal geschehen würde. Wie konnte sie sich dann verweigern, man konnte nicht gegen sein Schicksal an, das die Götter für einen bestimmt hatten, auch wenn dies hiess schwanger gegen einen mächtigen Dämon zu kämpfen und dabei möglicherweise sein eigenes Leben und das des Kindes in Gefahr zu bringen. Als ihr Blick auf die Waffen fällt wird ihr wieder bewusst, dass sie kein bisschen kämpfen kann, und dass sie dadurch wohl das schwächste Glied in der Gruppe wäre. Hätte ich damals auf Barsa doch nur das Kämpfen gelernt, aber für eine Priesterin gehörte sich das nicht. Ihr Blick wandert fragend zu den anderen, sie würden wohl bald aufbrechen müssen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 06. Apr. 2004, 14:31 Uhr
Als Nadir Niniane auffordert, ihn und Arwen jetzt und hier zu vermählen, starrt Arwen ihn fast ebenso überrascht an wie die anderen Anwesenden. Ja, er hatte ihr gesagt, dass er nicht würde warten wollen, dass er sie Fluch hin oder her zur Frau wolle, aber sie hatte in Anbetracht der Ereignisse der letzten Stunden keinen Gedanken mehr an das wie und wann verwendet. Die heiligen Worte, gesprochen in den dunklen Stunden der Nacht, hatten ihr genügt. Sie hatte keinen Gedanken daran verwendet, dass sie nur vor den Göttern gültig gewesen wären, dass sie vor keinem Volk und keinem Gesetz Bestand gehabt hätten. Ganz anders aber Nadir, wie ihr nun bewusst wird, als ihr klar wird, dass es dies war, was ihn in der Nacht noch einmal aus dem Bett getrieben hatte, wie sie am Rande ihres Bewusstseins mitbekommen hatte. Nur der Grund, den er dafür nennt, warum er will, dass nichts und niemand ihre Verbindung mehr anzweifeln können soll, der lässt sie scharf einatmen, und den Atem erschrocken anhalten. Uns als er seine Hand nach ihr ausstreckt, tritt sie fast hastig an ihn heran und verschränkt ihre Finger mit seinen. Er hatte es schon einmal gesagt, gestern, am Morgen in der Halle von Vinyamar >Sollte wirklich das Schlimmste geschehen, Arwen... sollten wir scheitern, dann sterben wir und jeder weiß, daß du meine Frau warst.< Angst und Tränen, die sie energisch niederringt schnüren ihr den Atem ab. Sie will nicht, dass er es ausspricht, dass er überhaupt daran denkt, so lange keiner es in Worte fasst, kann sie sich einreden, dass es keinen von ihnen das Leben kosten wird.

Und dann stehen sie vor Niniane, die, obwohl hochschwanger und schon halb für die kommende Jagd gekleidet, groß und erhaben vor ihnen steht, als trüge sie das Gewand einer Hohe Priesterin oder die Farben des Hauses Relavendis. Niniane legt ihre Hände ineinander und lässt sie beide den Treueschwur wiederholen. Es kommt Arwen alles so seltsam unwirklich vor, und gleichzeitig so klar wie nichts, was sie je zuvor wahrgenommmen hat. Sie sprechen die heiligen Worte, während ihre Blicke ineinander ruhen. Ninianes Worte, mit denen sie erkärt, sie seien nun Mann und Frau, ein Herz, ein Fleisch und eine Seele, bekommen sie nur ganz am Rande ihres Bewusstseins mit. Dieser Satz, gesprochen als heilige Formel bei jeder Eheschließung... WIE wahr er für sie beide ist, dass sie beide tatsächlich nur zwei Teile eines Ganzen sind, einer ohne den anderen nie wieder heil und ganz, das lässt sich für einen Moment in den Augen der beiden Elben erkennen. Spiegel für die Seele des jeweils anderen, die sich ineinander verlieren und die einander mit auf den Grund ihres Innersten nehmen, als ihre Seelen sich für einen kurzen Moment aus den Kreisen Rohas lösen und eins werden.

Nur kurz ist dieser Moment, der ihnen allein gehört, dann kehren sie mit ihrem Denken und ihrer Wahrnehmung zurück in die Wirklichkeit, in einen Baum mit den Vorbereitungen für eine Dämonenjagd, die einen Fluch brechen soll, der seinen Ursprung noch auf den Himmelsinseln hatte. Arwens steht noch immer vor Nadir, ihre Hände in seinen und sieht ihn an. Sie fühlt sich, als könne sie fliegen, ihr ist nach Lachen und Weinen, nach lautem Singen und bedächtigem Schweigen gleichzeitig. Eine einzelne Träne , nicht der Trauer sondern des Glücks, stiehlt sich heimlich aus ihrem Augenwinkel, aber sie kommt nicht weit, sanfte Lippen küssen sie einfach fort. Und dann ist dieses taumelnde Gefühl vorbei, Morgana tritt zu ihnen und bei den Segenswünschen der Heilerin muss Arwen kurz den Blick senken, berührt und beschämt nicht nur wegen der Wünsche, sondern auch wegen deren unvoreingenommener Bereitschaft, ihr in ihrem Kampf gegen Fluch und Dämon beizustehen, aller gefahr zum Trotz. Auch Cron und Niniane gratulieren und reichen Nadir den mit den Unterschriften versehenen Ehekontrakt. Nun ist es unanfechtbar, sie ist Nadirs Frau, vor den Göttern und den Völkern Rohas, gültig auch und vor allem nach den Gesetzen der Elben.

So seltsam die Stimmung im Baum schon ist, sie ändert sich kaum, als sie sich nun alle den Vorbereitungen für eine Jagd zuwenden, deren Vorzeichen sich schon überall auf dem Boden und auf den Tischen und Sesselns ausbreiten. Halbfertige Satteltaschen werden fertig gepackt. Reines Verbandslinnen, Salben und Tinkturen verstaut, Wäsche in lederne Beutel verpackt, Waffen verstaut, Beutel aus Leinen, Samt und Leder in den unterschiedlichsten Größen und Formen zusammengepackt, in Taschen geräumt, wieder hervor geholt und anderswo verpackt. Schläuche werden mit dem klaren Wasser aus der Quelle des Baumes gefüllt, Vorräte aus der Speisekammer und den Kellern geholt und in Satteltaschen verstaut.
Arwen fühlt sich unwohl, angesichts all der Waffen, magischen wie ganz gewöhnlichen, und senkt beschämt den Kopf, als Niniane ihr ein Yalariskettenhemd mit Smaragden an Hals und Ärmeln reicht und sie es anlegen heißt. Sie waren völlig unvorbereitet hierher gekommen, nun ja, zumindest sie selber. Nadir trägt wie stets Waffen und Kettenhemd. Und aus irgendeinem Grund hatte er an diesem Morgen darauf bestanden, dass sie selber nicht unbewaffnet das Haus verließ, sondern das Schwert ihrer Mutter mit sich nahm. Neben dem Dolch an ihrem Gürtel die einzige Waffe, die sie bei sich trägt. Von irgendwoher angelt Nadir ein dünnes, wattiertes Wams und hilft ihr beim Anlegen des Kettenhemdes. Als er ihr die Spangen schließt, kann sie seine Gedanken spüren, dass er sich für sie eine andere Hochzeit gewünscht hätte, nicht so freudlos wie eine Kriegshochzeit. Auch den kurzen spöttischen Gedanken an ihren Vater und einen Trog mit siedendem Fischöl fängt sie auf, und muss bei allem Ernst der Situation doch lächeln. Kurz ruht ihre Hand an seinem Gesicht. Sie werden es verstehen, dass es so sein musste, mein Vater ebenso wie deine Familie. Wir werden die Feier nachholen, wenn wir wieder zurück sind. Der plötzliche Ernst in seinen indigoblauen Augen lässt das Lächeln aus Arwens Gesicht fast schlagartig verschwinden. Du wirst nicht sterben... Ich werde es nicht zulassen. So lange noch ein Tropfen Blut und ein Funken Leben in mir ist, werde ich es nicht zulassen. Du-wirst-nicht-sterben.... Keiner von uns wird das.

So langsam wandelt sich das anfängliche, vermeintliche Chaos in Kaminzimmer und Vorraum in eine mehr oder minder geordnete Ansammlung von Satteltaschen, Beuteln, in wollene Decken gewickelte Pelze, Waffen und Vorräte. Einer nach dem anderen vervollständigt seine Kleidung und seine Waffen. Auch für Niniane und Morgana, denen keines der Kettenhemden mehr passen will, werden passende Stücke gesucht und gefunden. Die silbernen Medaillonteile verstaut Arwen wieder in dem kleinen Beutel an ihrem Gürtel, schlägt das Buch in seine lederne Hülle und legt es neben Virincala, Wolfslied, das Schwert ihrer Mutter, das sie noch nicht wieder angelegt hat.

Keiner hat es ausgesprochen, aber sie alle sind sich klar und einig darüber, dass sie sich jetzt vorbereiten und aufbrechen würden, dass sie es nicht einen Tag oder eine Stunde fvor sich her schieben werden.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 06. Apr. 2004, 16:24 Uhr
Die Unterschriften auf dem Ehekontrakt trocknen in einem Keil aus Sonnenlicht auf einem Stapel Leinenhemden, während sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder der vor ihnen liegenden Dämonenhatz zuwendet. Arwen wird von ihrem frischgebackenen Gemahl in das Kettenhemd gesteckt, das Niniane für sie herausgelegt hatte und sie holt aus ihrem Keller auch für Morgana ein ähnliches - nur daß dieses feine Gravuren an der Halsbrünne und den Armen aufweist und keine Steine. Er hilft der Heilerin, es anzulegen und die Bänder zu schließen und reicht ihr zudem noch ein Kurzschwert mit breitem Blatt. "Hier. Auch wenn Ihr nicht damit umgehen könnt, Morgana, Ihr werdet Euch damit sicherer fühlen." Die Heilerin sieht ihn an und nickt, wenn auch ein wenig unsicher. "Durchbohrt einen Angreifer einfach mit dem spitzen Ende," fügt er grinsend hinzu und drückt ihr einen ledernen Waffengurt in die Hand.
Das Chaos im Raum klärt sich zusehends, während die beiden in Yalaris gerüsteten Frauen unter Ninianes Anleitung verschiedene Dinge zusammenpacken und Morgana in den Rucksäcken mit den Heilmitteln und dem Verbandsmaterial wühlt, um eine hastige Bestandsaufnahme zu machen. Das Blauhaar und er selbst kümmern sich derweil um Waffen und Satteltaschen.

Sie arbeiten gut zusammen, er und Nadir. Sie sind in etwa gleich groß und haben beide vom ersten Augenblick an einen überraschend guten Instinkt für die Bewegungen des anderen. Wann immer eine Hand gebraucht wird, ist sie da. Der Gedanke hat etwas ungemein beruhigendes. Sie sortieren gerade Armbrustbolzen in einen Köcher, verstauen ein Bündel Wurfsterne, die sperrige Armbrust und einen Beutel mit leuchtenden Amethysten, als Cron für einen Moment inne hält. Er mustert den Elben von Kopf bis Fuß - eine durch und durch leidenschaftslose Betrachtung, aber sehr gründlich. So gründlich, wie ein Bauer einen Jungbullen ansehen würde, den er zu kaufen beabsichtigt. Wahrscheinlich ist er höllisch schnell und mit dem verdammten Doppelschwert hat er eine ziemliche Reichweite... Er weiß, daß das Blauhaar ein Wassertänzer ist, aber was er sich darunter genau vorzustellen hat, das weiß er nicht. Und in wenigen Stunden würde er mit diesem Mann gegen eine Horde beschworener Kreaturen kämpfen müssen, während Niniane, Morgana und Arwen versuchen würden, diesen fluchverliebten Oberdämon auszuschalten. "Ich weiß gern, woran ich bin, Nadir," meint er freundlich, als der Elb den Kopf hebt, die eingehende Betrachtung seiner Person bemerkt und sich aufrichtet. "Und da wir beide den Hauptteil des Schlachtwerks übernehmen werden, müssen wir uns aufeinander verlassen können." Er zuckt mit den Schultern. "Ich kann mir denken, daß Ihr schnell seid. Sehr viel schneller, als ich und ich bin nicht langsam. Ich habe einen Wassertänzer noch nie kämpfen sehen und ich will wissen, was mich erwartet, damit ich mich darauf einstellen kann."

Wenn wir nicht blind aufeinander reagieren können, sind wir beide tot. Nadir sieht ihn einen Augenblick aus Augen an, so dunkel wie ein sternenloser Winterhimmel, aber dann nickt der Silberelb. "Gut. Gehen wir die Pferde satteln und die Sachen verstauen." Er dreht sich zu Niniane um, die einen weiteren Lederbeutel verschließt, und ihn beobachtet hat. "Mach den Mund zu, Cariad," er legt den Finger an ihr Kinn und hebt es sanft an. "Du siehst immer noch aus, als hättest du eine Elritze verschluckt." Er küßt sie, rasch und fest und nimmt ihr dann den Beutel ab. "Das hier auch noch? Du lieber Himmel, was ist da drin? Steinquader? Wenn ihr so weiter macht, brauchen wir drei Packpferde zusätzlich."
Nadir und er gehen hinaus und haben den Stall noch nicht erreicht, als sie in ein fachsimpelndes Gespräch über Stahl, Schwerter, Dämonen und Waffen vertieft sind. Er zitiert dem Elben alles mögliche aus den Büchern, die Niniane und er gestern abend und die halbe Nacht gewälzt hatten und erfährt im Gegenzug von Nadir etwas über wassertänzerischen Kampfstil. Sie satteln und zäumen die Pferde, verteilen prall gefüllte Satteltaschen, Decken, Schlaffelle und Waffen und irgendwie gelingt es ihnen sogar, all das zu verstauen, was die Frauen zusammengepackt hatten. Morgana hatte kein Reittier, aber er würde sie vor sich in den Sattel setzen. Das Fliegengewicht dieser Heilerin würde der Thunderländer kaum spüren.

"Serershen So'tar", hatte Niniane Arwens Frage nach dem "Wo?" beantwortet. Was für ein Dämon sie allerdings am Ende erwarten mochte und welcher Art seine Kräfte wären, das hatte sie auch nicht sagen können. Ein Erzdämon - das ist alles, was sie wissen. Cron ist für gewöhnlich kein Mann, der gern an Geister- und Dämonenwelten glaubt - aber die Erlebnisse im Sturmtal hatten ihn eines anderen belehrt. Er weiß genausowenig wie die anderen, was sie eigentlich genau erwartet, aber eines weiß er: um ihn austreiben zu können, mußte man einen Dämon erst herbeirufen. Und genau das hat Arwen vor.
Irgendwann ist alles bereit. Er hatte Ukko noch Essen und Vorräte für einige Tage - niemand weiß, wie lange sie fort sein würden - in den Stall gebracht, doch der Gnom war nicht aufzufinden gewesen. Wahrscheinlich ist er beleidigt und schmollt nun wegen der Baderei, aber einerlei, ich kann mich jetzt nicht darum kümmern... Er hofft nur, Ukko ist nicht wieder unter irgendwelche Gepäckstücke gekommen oder in Satteltaschen gekrochen.

Schließlich ist alles getan und es gibt keinen Grund, ihren Aufbruch noch länger aufzuschieben. Der Ehekontrakt ist unterzeichnet, versiegelt und wird von Shugorn gerade nach Vinyamar in Cassandras treuhänderische Obhut geflogen, samt einem weiteren Schreiben Nadirs, das die Haushälterin Arwens im Falle seines Todes nach Talaberyn senden solle. Die Pferde stehen bereit, Proviant und Trinkwasser für einige Tage ist ebenfalls verstaut und Niniane verläßt als letzte den Baum. Die Tür schwingt hinter ihr zu und die Inschrift darauf schimmert kurz golden auf, dann verblasst sie. "Reiten wir," ist alles, was sie sagt, während sie auf Nachtwinds Rücken steigt. Auch Arwen und Nadir schwingen sich in die Sättel ihrer Tiere und er setzt ein weiteres Mal Morgana auf Donners Rücken, bevor er selbst aufsteigt. Die Abenddämmerung senkt sich langsam herab, doch noch ist es hell und der Wald ist erfüllt von goldenem Licht, während sie den Smaragdstrand verlassen und in Richtung Nordwesten ins Larisgrün reiten.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 06. Apr. 2004, 23:27 Uhr
"AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHH " Ukko windet sich wie ein schlüpfriger Aal, aber Crons eisernen Griff  kann er nicht abschütteln. Kurzerhand setzt dieser den zuvor noch endlos lamentierenden Gnom in die Holzwanne. An Ukkos Gesichtsausdruck ist abzulesen, an welchem Punkt das Wasser den Stoff durchweicht hatte.

" Da.." Cron wirft dem Gnom ein Stück Kernseife und eine Wurzelbürste , die so gross wie Ukkos Unterschenkel ist, in die Holzwanne

" Fest schrubben, damit die Kruste wirklich abgeht..."

" Hilfe, ich ertrinke.....ich gleite ab, ich rutsche aus....ich werd ersaufen..." winselt Ukko, dabei geht ihm das Wasser selbst im sitzenden Zustand gerade mal bis an den Bauch.

Aber Cron stellt sich taub, wendet sich ab und überässt den Gnom seinem Schicksal.

Als Ukko merkt, dass sein Geschrei keinen Sinn hat, lehnt er sich beleidigt zurück. Missachtet zu werden ist schlimmer als ertrinken.
Ukko fischt im Trüben nach der Kernseife, er schnuppert daran, beisst sogar ein bisschen hinein.....

"Schmeckt gut, aber stinkt entsetzlich.." bemerkt er fachmännisch.  Je mehr Ukko an der Seife reibt, desto mehr Schaum entsteht und bieten dem nun wissbegierigen Ukko eine Fülle von ungeahnten Möglichkeiten.  Er nimmt einen Schaumberg  mit der Hand auf und pappt ihn sich über Mund und Kinn.

Dann brummelt er mit verstellter Stimme : " Ich bin Borgil der Zwergenwirt...brummel brummel....ich bin so dämlich wie ich breit bin..brumme brummel ....ich bin ein langweiliger Zwerg mit kleinen dicken Schweinsfüßchen und mit meinem Bart seh ich aus wie ein Felsklotz, auf dem vertrocknetes Gestrüpp wächst.....brummel brummel."

Ukko kichert  und wischt sich den Schaumbart vom Gesicht.
"Warmes Wassser mit Schaum ist doch gar nicht so unangehnem, allerdings , wenn ich dieses Bad beendet habe, dann reicht das wieder für eine lange Zeit. " Ukko lehnt sich behaglich zurück und an den Luftblasen  die zwischen seinen Beinen empor steigen,  ist zu erkennen, dass nun alles an ihm völlig entspannt ist......

Das  Wasser wird nach einer Zeit langsam kälter, also verlässt Ukko die Wanne.
Sofort kleben seine Hosen naß und klamm an seinen schmächtigen Beinen. Da der Frühling noch recht jung ist, spürt Ukko sofort die Wucht der Kälte........zitternd verzieht er sich in die Scheune, auf Cron schimpfend, da der seiner Meinung nach nicht genug auf das kühle Wetter geachtet hatte.

"Nicht ertrunken, aber dafür werde ich an einer furchtbaren Erkältung sterben."  Die Schnur, die Ukkos Hosen zusammenhält, lässt sich nun auf einmal ganz leicht öffnen und Ukko steht mit blankem Po in der Scheune.

" Was glotztz ihr den so..?" fährt Ukko die beiden Pferde im Stall an .........noch nie einen Gnom mit dem Körper eines Gottes gesehen?

Dann huscht er zu seinem Faß und wickelt sich schnell in die warme Decke, die Cron ihm damals zusammen mit einem Kissen überlassen hatte.
Ukkos Hose bleibt zerknüllt in der Mitte des Stalls liegen, dass sie schneller trocken werden würde, wenn Ukko sie ausgebreitet hätte, ist für den Gnom genauso unbegreiflich wie die Tatsache, dass er sich hätte abtrocknen sollen, bevor er sich in die Decke einhüllt, somit ist diese nämlich ebenfalls feucht geworden und feuchtes Rosshaar kratzt entsetzlich....
Ukko flucht nun ungehemmt und nimmt sich vor, bei Crons Auftauchen die beleidigte Leberwurst zu spielen und zu ignorieren, schliesslich hatte dieser ihm ja den ganzen Badeirrsinn eingeredet.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 13. Apr. 2004, 23:05 Uhr
Während Cron Morgana zur Steinfaust zurück bringt und Nadir und Arwen in Richtung Vinyamar davonreiten, bleibt Niniane am Baum zurück. Sie läßt das Gepäck dort liegen, wo es die Männer aufgestapelt haben, humpelt kurz in den Baum hinauf und kommt gleich darauf mit frischer Kleidung, einem kleinen Korb mit verschiedenen Tiegeln, Phiolen, Flakons und weichen Lappen sowie einem Stapel Handtüchern zurück und geht dann zu ihren heißen Quellen. Sie schält sich mühsam aus ihren vom getrockneten Blut steifen Kleidern und tappt dann über die Steinstufen ins Wasser. Dampf wabert hoch und hüllt sie ein, als sie sich hineingleiten läßt und vorsichtig setzt. Die Hitze läßt Flammen aus ihren geprellten Muskeln schlagen, aber sie lehnt sich dankbar zurück und nach einer Weile verschwindet der Schmerz. Nur wohlige Erschöpfung und das Gefühl, in Watte gepackt zu sein, bleibt zurück. Sie wäscht sich das Haar aus und schrubbt sich dann Ruß und Dreck von der Haut, bis ihre Hände und Arme rosig glühen. Das Baby bewegt sich unruhig, aber inzwischen ist es viel zu groß, als daß es noch wilde Sprünge machen könnte. Gedankenverloren streicht sie über die straff gespannte Haut ihres Bauches. Wie lange wohl noch? Eine Woche? Oder zwei? "So sehr ich mir ein Kind gewünscht habe, ich werde ein Zwölfgebet sprechen, wenn du endlich auf der Welt bist, weißt du das?"

Mit dem Blut, das sie abwäscht, weicht auch die letzte Anspannung von ihr und sie läßt die Erinnerungen an den Kampf in Serershen So'tar noch einmal an sich vorbeiziehen... der Dämon war stark gewesen, entsetzlich stark und doch hatten sie ihn besiegt. Wir drei... Priesterinnen... ich kann doch nicht aus meiner Haut, scheint es... ich bin, was ich bin... Kopfschüttelnd starrt sie in das Gewirr der Zweige und Äste über ihr. Ihr Baum treibt bereits aus, eine Unzahl winziger, hellgrüner Blätter, zart wie frischgeschlüpfte Schmetterlinge. Noch ein paar Tage und seine Krone würde in vollem Laub stehen. Sie hört den dumpfen Hufschlag, lange bevor Cron auf Donner, Nachtwind als Handpferd bei sich, die Lichtung erreicht. Er bringt die Pferde in den Stall und kommt dann zu ihr. "Komm ins Wasser." Sie blinzelt und läßt ihren Blick dann von seinen schlammverkrusteten Stiefeln über die zerrissenen Hosen, den halb verbrannten Überwurf, und das ruß- und blutverschmierte Hemd zu seinem Gesicht hinauf wandern. "Du starrst vor Dreck." Sie kühlt das Wasser mit Hilfe eines kleinen Zaubers auf für ihn erträgliche Temperaturen ab und beobachtet dann, wie er seine Kleider ablegt und alles achtlos auf einen Haufen wirft. Nur einen Augenblick später ist er bei ihr. Sie wäscht mit einem Schwamm Blut und Asche von seinem Gesicht und erstarrt, als darunter die vier tiefen, parallel verlaufenden Kratzer zum Vorschein kommen. "Cron!" Ihr Blick sucht seine Augen. "Du hättest etwas sagen sollen!" Sie reinigt die Wunden mit heißem Wasser und er zuckt zurück und unterdrückt einen Schmerzlaut. "Halt still. Ich muß das sauber machen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 14. Apr. 2004, 14:47 Uhr
Nachdem sich Ukko unter der dicken Rosshaardecke aufgewärmt hatte, betrachtet er mürrisch die seltsame Kleidung die ihm Cron unlängst bereitgestellt hatte.

Woher er diese Gewänder hatte, ist Ukko ein völliges Rätsel . Möglicherweise waren es Gewänder eines Elbenkindes, die im Hausbaum von Niniane vorrätig waren, dort vergessen wurden, oder wie auch immer.....jedenfalls erwecken sie in Ukko nicht die Euphorie, die man erwartet hätte, stellte man Ukkos vergammelte und dreckige Klamotten den neunen Gewändern gegenüber.


Ukko schlüpft  in das weisse Leinenhemd, dass mit zahlreichen Knöpfen und Schnallen verziert ist und knöpft es zu, dabei kommt er mit den Knöpfen und der dazugehörigen Knopfleiste so durcheindander,  dass letztendlich der eine Hemdzipfel länger ist als der andere und auch der Kragen völlig verrutscht wirkt.

Die Hose will Ukko auch nicht so recht passen. Obwohl er den Ledergürtel mit der blinkenden Messingschnalle schon im letzten Loch stecken hat, verhindert nur sein mit aller Kraft rausgestreckter Bauch, dass ihm die  Hose nicht sofort abwärts zu den Knöcheln rutscht.

Die Schuhe sind Ukko ebenfalls viel zu gross und da sie  nach vorne spitz zulaufen, behindern sie Ukko bei jedem Schritt, und um nicht hängenzubleiben mus er den Fuss so hoch wie möglich heben , dass es aussieht, als würde  er wie ein Stroch durchs Schilf stolzieren.

Zuvor hatte sich Ukko noch in dem als Spiegel wirkenden Zaumzeug, das im Stall hing , frisiert.   Hatte sich auf die Hand gespuckt um damit seine struppigen verfilzten Haare zu modelieren, mit dem Effekt, dass er nun aussah, wie ein zu Tode erschreckter Igel, dem alle Stacheln zu Berge stehen.


So gewandet  marschiert Ukko den Weg vor der Scheune auf und ab . Kämpft mühsam gegen das Herrunterrutschen  seiner Hose an, versucht einerseites zu vermeiden über seine viel zu grossen Schuhe zu stolpern und überlegt andererseits ob er in diesem Aufzug tatsächlich Hallas Herz gewinnen könnte, denn langsam kommen ihm ernste Zweifel ob er sich in diesem Gewand nicht wirklich lächerlich macht, auch wenn die Sachen von Croni stammten, der  ja doch nicht wollen könnte, dass er, Ukko der Held, sich vor der ganzen Bürgerschaft Talyras zum Affen macht.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 15. Apr. 2004, 09:17 Uhr
Sie hat das Wasser mittels Magie abgekühlt, aber dennoch hat er das Gefühl, es würde ihm die Haut von den Knochen schälen, als er ins Becken steigt. Hitze schlägt wie eine Woge über ihm zusammen und hüllt ihn ein. Er schnappt nach Luft, aber irgendwan brennen sich alle Schmerzen fort und es bleibt nur Mattigkeit zurück. Er rückt dicht an sie heran, treibt im Wasser und berührt ihre Haut, während sie sein Gesicht wäscht - und die Wunden entdeckt. "Au!" Er zuckt zurück, als sie sein Gesicht zur Seite dreht und die Kratzer auswäscht, hält dann aber still und läßt sie mit schmerzerfülltem Schnauben gewähren. "Sieht es sehr schlimm aus?" So sehr er auch die Augen verdreht, er kann sein Spiegelbild im bewegten Wasser nicht sehen, aber sie schüttelt den Kopf und murmelt etwas von Beinwell und Ringelblumen. "Also bin ich nicht entstellt?" Er sieht in ihre goldenen Augen und um seinen Mund läuft ein Lächeln, dann dreht er den Kopf und blickt nach Osten. Der Tag ist warm und frühlingshaft. Zwischen den Baumwurzeln und rund um das Steinbecken sind wilde Veilchen in dichten violetten Teppichen aufgeblüht und überziehen die ganze Böschung bis hinunter an den Strand - und dahinter liegt der Ildorel, ein zinnfarbener, glatter Spiegel der sich bis zum Horizont dehnt.

Sie waren am Morgen von Serershen So'tar aufgebrochen - jetzt steht die Sonne hoch am Himmel und die letzten weißen Federwolken verflüchtigen sich zu dunstigem Nichts. "Das ist dein Tagwerk, nicht wahr? Ich meine... was wir getan haben, dort unten." Ich bin eine Jägerin Cron. Ihre Worte kommen ihm wieder in den Sinn. >Du machst so etwas dauernd,< hätte er beinahe gesagt. "Ich meine, du hast das schon mehr als einmal getan." Sie sieht ihn an und nickt dann. "Götter! Nicht gerade das, was man sich unter einem einfachen Waldläuferleben vorstellt. Ich weiß, das Sturmtal... aber, Nan, ich dachte, das sei die Ausnahme, nicht die Regel. Diese Reise dorthin und das, was du dort getan hast. Etwas einmaliges. Ich dachte, es sei etwas einmaliges..." Er weiß selbst, wie unzulänglich seine Worte klingen. Schließlich war ihre Reise ins Sturmtal etwas Besonderes gewesen.  Den eigenen Mann, der zum Vampir geworden war, umzubringen, war gewiß auch für eine Jägerin keine alltägliche Angelegenheit. "Du wirst immer solche Beute jagen." Das ist eine Feststellung, keine Frage und wieder kann sie ihn nur ansehen und nicken. Er schüttelt langsam den Kopf, als könne er es immer noch nicht ganz glauben, aber dann wendet er den Blick langsam vom Ildorel ab und sieht sie an. Sie sitzt auf den untersten Steinstufen, bis zu den Schultern im dampfenden Wasser, und er steht so dicht vor ihr, daß ihre Knie ihn berühren. Ihr Haar ringelt sich um ihre nackten Schultern wie  glänzende Bronzeschlangen und für einen Moment trifft sein Blick ihren, jäh und ungeschützt.

Er hat sie schon drei Dutzend Mal oder öfter so gesehen, aber mit einem leisen, endgültigen Laut verschiebt sich in diesem Augenblick die ganze Welt. Das Echo davon hallt immer noch in seinem Inneren. Er weiß, er will sie. Er will sie ganz, nicht nur in seinem Bett. Nicht nur ihren Körper. Er will alles und für immer. Die Zeit vergeht langsamer und langsamer - und hält an, als er die Hand hebt. Seine Finger berühren ihren Nacken, als sie einer dichten, glänzend dunklen Haarsträhne folgen, bis dorthin, wo sich das gelockte Ende um ihren Arm ringelt. Behutsam schiebt er die wirren Locken über ihre Schulter. "Niniane." Er spricht ihren Namen selten ganz aus und jetzt klingt es mehr wie ein Seufzen, wie das Ausstoßen des Atems, den er angehalten hat, nicht wie ein gesprochenes Wort. Bronzeschlangen gleiten durch seine Finger, naß, kühl und seidenweich. "Niniane," wiederholt er noch einmal, so leise, als denke er nur ihren Namen. Er nimmt ihr Gesicht zwischen beide Hände und fährt mit seinen Daumen über ihre Wangen. Ihre Augen sind groß, dunkel und voller unergründeter Geheimnisse - und absurderweise kommen ihm die alten Sagen in den Sinn, die man sich im Norden über Elbenhexen erzählt. Und jeder Mann, der eine solche Kreatur berührt, ist für immer verloren und an sie gebunden...
"Cariad. Heirate mich."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 15. Apr. 2004, 15:01 Uhr
Als er sie berührt, ist sein Mund hart, die Lippen schmal - doch seine Finger in ihren Haaren sind sanft. Er bewegt sich nicht und gibt auch keinen Laut von sich, als er über den See hinausblickt, doch sie spürt, wie sich etwas in ihm verändert. Als er sich wieder zu ihr umwendet, blickt sie in seine Augen, und dann hört sie in seinem Flüstern, sieht in seinem Gesicht, das Echo seiner Gefühle - und spürt in ihrem Herzen eine seltsame Stille, als habe der Rest der Welt aufgehört, sich zu bewegen.
>Cariad. Heirate mich.<
"Oh!"
Sie hatte nie geglaubt, daß er ihr jemals einen Heiratsantrag machen würde. Leidenschaft hatte sie beide getrieben. Und dann waren so vielerlei Gefühle zwischen ihnen entstanden: Freundschaft. Achtung. Vertrauen. Loyalität... aber vor allem anderen vereint sie das Band wechselseitigen Begehrens. Sie glaubt, ihn zu lieben. Und sie weiß tief in ihrem Inneren, daß er ähnlich empfinden muß. Er hatte es ausgesprochen - im Metrausch siebenundzwanzigmal hintereinander. Natürlich zählte das nicht, aber bekanntlich sind es ja Betrunkene und Narren, die die Wahrheit sprechen. Aber heiraten?

Tränen steigen ihr in die Augen. Sie legt ihre Hand auf seine und hält sie fest, damit sie den Kopf drehen und seine Handfläche küssen kann, dann löst sie sich behutsam aus seinem Griff. Er soll nicht merken, wie sie zittert. Heirate mich. Sie schüttelt wortlos den Kopf und ihre Tränen fallen ins Wasser. Sie haßt das - das Gefühl verwundbar und hilflos zu sein und so schließt die Augen und versucht krampfhaft, kühl und ruhig zu bleiben. Sei stark jetzt. Götter im Himmel, sei jetzt stark und laß dir nur nichts anmerken!  "Cron. Du bist sterblich und ich bin... zur Hälfte elbischen Blutes. Ich bin eine Halbelbin... und nicht irgendjemand. Ich gehöre zum Haus der Tanzenden Winde." Und du hast keine Ahnung, was oder wer ich eigentlich bin... "Du bist ein Nordmann. Uns trennen nicht nur... zahllose Jahre. Es sind Welten. Wir können nicht... wir können niemals..."  
Sie ist aus dem Becken gestiegen und hat sich ein Handtuch umgeschlungen, noch ehe er ein Wort sagen kann. Warum mußtest du davon anfangen? Hättest du es nicht einfach alles so lassen können, wie es war? Es war gut. Es war in Ordnung. Ich war glücklich.

Er sagt kein Wort, aber in seinem Gesicht verändert sich etwas - sie sieht es so klar wie in einem Spiegel. "Es tut mir leid." Sie flieht in ihren Baum zurück und lehnt sich an sein warmes, lebendiges Holz, kaum, daß sie die Tür hinter sich geschlossen hat. "Warum, verdammt? Warum? Und warum jetzt? Warum mußtest du mich das fragen? Du verlierst mich dadurch und ich verliere dich."
Der Schmerz in ihrem Inneren schnürt ihr die Kehle zu und ungeweinte Tränen brennen noch immer in ihren Augen, als sich das Holz in ihrem Rücken bewegt. Sie tritt zurück und dreht sich um, während die Tür krachend gegen die Wand fliegt. Er steht schweigend vor ihr, Gesicht und Augen so schwarz und leer wie die Dunkelheit zwischen den Sternen - und auf eine so vollkommen stille Art, daß es ihr Angst einjagt. Aufrecht und lautlos und so gespannt wie die Luft während eines Gewitters in der Sekunde zwischen Donner und Blitz.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 15. Apr. 2004, 21:37 Uhr
Als sie die heißen Quellen und das Steinbecken verläßt, war er zu Stein erstarrt. "Wir können niemals?" Flüstert er verständnislos, aber das dampfende Wasser gibt ihm keine Antwort - und das raschelnde Laub ringsum erst recht nicht. Hätte ihn ein Blitz getroffen, die Wirkung wäre die gleiche gewesen. Einen Moment lang bleibt er völlig perplex stehen, wo er ist und spürt die Hitze des Wassers bis ins Mark. Irgendwann folgt er ihr wie ein Schlafwandler und kann keinen einzigen klaren Gedanken fassen, doch als er vor der verschlossenen Tür des Baumes steht, Haar und Haut naß und nur mit einem Handtuch bekleidet, kocht Wut in ihm hoch. Er stößt die Tür auf und hätte sie ihr fast in den Rücken gerammt, wäre sie nicht zurückgewichen. Sie starrt ihn einen halben Herzschlag lang an, als hätte sie ihn noch nie gesehen und die Tür donnert so laut an die Wand, daß die Dolche in den Waffengurten an den Efeuhaken klappern. Gut so! Es ist nur recht und billig, wenn sie sich jetzt fürchtet, er hat eben Todesqualen ausgestanden. Sie wäre nicht Niniane, hätte sie sich nicht sofort wieder in der Gewalt - und sähe ihm nicht kühl und unnahbar entgegen. Das macht ihn nur noch wütender und verwirrter, als er es ohnehin schon ist. Er verschränkt die Arme vor der Brust, um sie nicht zu packen und zu schütteln.
"Was beim Dunklen soll das heißen?" Seine Stimme hätte kalt und ruhig klingen sollen, aber schon nach den ersten Worten wird sie heiser vor Wut und er hätte am liebsten irgendetwas zertrümmert. ">Es tut dir leid?< Erklär mir das, verdammt nochmal. Und was soll dieses Gerede über all das, was uns angeblich trennt? Von wegen du wärst elbischen Blutes und ich ein Mensch! Na und? Bisher hat dich das ja auch nicht gestört." Nach dem ersten, schockartigen Gefühl des bitteren Verlustes und der erschrockenen Wut brodelt jetzt eine seltsame, gärende Mischung aus Übelkeit und Zorn in ihm. "Du teilst seit  mehr als einem Jahr mein Bett, aber dir liegt nicht genug an mir, um meine Frau zu werden? Oder wie darf ich dich verstehen? Du trägst mein Kind, verdammt Cariad! Nach nordischem Recht macht dich allein das zu meinem Weib, ob du willst oder nicht. Und jetzt sag mir, was das für lächerliche Ausflüchte sind!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 15. Apr. 2004, 23:09 Uhr
"Nach nordischem Recht?" Ihr ganzer Körper ist gefühllos, sie bringt die Worte kaum heraus. Ich verliere ihn... verdammter Nordmann, du hast alles ins Wanken gebracht! Ihn zu verlieren, noch mehr zu verlieren, als sie ohnehin schon verloren hat in ihrem Leben, würde sie nicht ertragen können. "Ich ziehe mich um." Sie flüchtet über die Treppen nach oben, wie sie aus dem Steinbecken vor ihm geflüchtet war. Er folgt ihr auch diesmal und die Tür zu ihrem Schlafgemach unter der Baumkrone landet krachend im Schloß. So krachend, daß noch die Flakons und Phiolen auf dem Kassettenschrank zwei Schritt entfernt einen Satz machen. Nichts an ihm verrät etwas von seinem Schmerz -  nichts außer sein blinder Zorn -  aber sie weiß, daß er verletzt ist, denn sie ist ein Teil von ihm geworden, wie er ein Teil von ihr. Sie sieht seine schmerzerfüllte Wut und kann ihn verstehen, sehnt sich danach, ihn in die Arme zu ziehen und fest an sich zu drücken, um seine Verwirrung zu lindern, aber sie wagt es nicht. "Wir sind aber nicht im Norden und ich bin nicht deine Frau. Und ich werde es auch nicht werden." Sie hat ihre frischen Kleider am Steinbecken vergessen und sucht nun in ihrem Schrank nach einem Hemd und einem Rock, der weit genug war, um ihrem hochschwangeren Leib Platz zu bieten. Er zentriert sich in dem weiten, runden Raum wie ein Kämpfer, der das Schlachtfeld betritt und trotz der Tatsache, daß er nichts als ein nasses Handtuch am Leib hat, sieht er so bedrohlich aus wie ein sechseinhalb Fuß großer Nordmann nur aussehen kann. Sie dreht sich um, läßt das Handtuch fallen und zieht das zerknitterte Hemd mit zittrigen Fingern über den Kopf.  Ihr ist so kalt, daß ihre Zähne klappern würden, würde sie sich nicht auf die Lippen beißen.

"Ich kann nicht... deine Frau werden, es geht nicht. Ich wünschte, du hättest das nie ausgesprochen!" Sie holt tief Luft und hält die verräterischen Tränen mit aller Macht zurück. "Du... machst... warum... mußtest du... Himmelgötter, Cron, warum mußtest du mich DAS fragen? Hättest du die Dinge nicht einfach so lassen können, wie sie waren? Versteh doch... es sind keine lächerlichen Ausflüchte! Ich habe Gründe, Cron. Gute Gründe. Wichtige Gründe. Eine Heirat würde alles schrecklich kompliziert machen. Mein Haus... das Haus Relavendis... das Haus der Tanzenden Winde. Denk an Jeliels Schicksal! Ihn habe ich geheiratet und es hat uns beiden nichts als Leid gebracht - und ihm obendrein die ewige Verdammnis. Glaubst du, ich wünsche dir ein solches Schicksal?" Sie schlüpft in den Rock und wirbelt zu ihm herum, müht sich mit steifen Fingern an Haken und Schnüren und hat  plötzlich nichts als zehn linke Daumen. Er kommt auf sie zu, unglaublich groß, unglaublich wütend, unglaublich drohend und einen Moment lang fürchtet sie, er würde sie schlagen. Stattdessen baut er sich vor ihr auf und fragt vollkommen tonlos nach Jeliel. Seine Stimme ist im Gegensatz zu ihrer völlig ruhig, er klingt nicht im mindesten, als habe er Schwierigkeiten, die Worte herauszubringen - und lächerlicherweise macht sie das zornig -, aber in seinen Augen flackert es. "Nein, verdammt, das hat nichts mit Jeliel zu tun!" Schleudert sie ihm entgegen und langsam erwacht selbst Wut in ihr. "Gar nichts! Jeliel ist tot, Cron. Er ist vor dreitausend Jahren gestorben. Ich habe ihn geliebt, ich habe um ihn getrauert. Wenn du glaubst, er stünde zwischen uns, bist du ein Narr. Das ändert aber nichts daran, daß ich nicht deine Frau werden kann. Ich kann nicht und ich will nicht und nun laß uns nie wieder davon anfangen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 16. Apr. 2004, 00:01 Uhr
"Nie wieder davon....WAS?!" In diesem Augenblick hätte er Lust sie zu schlagen. Er will sie ohrfeigen und schütteln, bis all diese närrischen Gedanken aus ihrem Kopf verschwunden sind, aber vor allem will er ihr Schmerz zufügen, so wie sie ihn verletzt hat. Er ballt die Hände zu Fäusten, aber er bewegt sich keinen Fingerbreit und steht so still wie eine Statue. "Wenn es nicht Jeliel ist, was ist es dann?" Grollt er. "Nenn mir deine guten Gründe. Deine wichtigen Gründe. Jetzt sofort. Du willst nicht? Was für ein verfluchtes Spiel ist das, Cariad? Du willst mein Bett teilen, aber du willst mich nicht heiraten? Du trägst mein Kind unter dem Herzen, aber meine Frau willst du nicht werden?" Eisige Rinnsale laufen aus seinen nassen Haaren in seinen Nacken über Schultern und Rücken. Er geht zum Schrank, zerrt Hemd und Hosen heraus und läßt sie dabei keine Sekunde aus den Augen, während er sich anzieht. Sie funkelt ihn an aber da ist noch mehr. Irgendetwas ist in ihrem Gesicht, in ihren Augen, das er beim besten Willen nicht zu deuten weiß. "Verdammtes Weib, mach endlich den Mund auf und sag etwas!" Er dreht sich um und donnert die Faust in den Kassettenschrank. Das massive Holz splittert krachend. Holzstücke und bauchige, buntglasige Flaschen fliegen in alle Richtungen und zerspringen klirrend am Boden oder rollen davon. Einen Herzschlag später erstickt der ganze Raum in Wolken von Rosen-, Pfirsich- und Sandelholzdüften und ein Scherbenmeer glitzert in vielfarbigen Pfützen. "Sag es mir!" Brüllt er und starrt sie zornerfüllt an. Blut rinnt über seine Knöchel, aber er merkt es nicht einmal sondern schlägt auch die andere Faust hinein, als wäre das glänzende Holz das Gesicht ihres verdammten Jeliel - oder ihres. Sie sieht ihn an und schüttelt den Kopf, das Gesicht so weiß wie schimmernder Schnee, die dunklen, flammenden Augen das einzig Lebendige darin. Sie zittert, ob vor Wut oder Kälte kann er nicht sagen, und feuchte Haarsträhnen kleben auf ihren Wangen. Er tritt über die Scherben hinweg durch Sandelholznebel und Pfirsichgestank auf sie zu und packt ihre Arme so fest, daß seine Finger blaue Male auf ihrer Haut hinterlassen.  "Sag. Es. Mir."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 16. Apr. 2004, 09:39 Uhr
Sie ist zur Salzsäule erstarrt, als er ihren Kassettenschrank in eine zersplitterte Ruine verwandelt und sieht immer noch ungläubig blinzelnd auf die bunte Schweinerei auf dem Boden, als er plötzlich bei ihr ist und sie an sich reißt. "Lass mich los!" Sie ist groß und kräftig und wütend, aber in seinem Griff zappelt sie so hilflos gefangen wie ein Kaninchen in der Schlinge. Dummerweise ist er sehr viel größer, sehr viel kräftiger und noch sehr viel wütender als sie. Er hebt sie ein Stück vom Boden, völlig ungeachtet der Tatsache, daß sie mit den Fäusten auf ihn eintrommelt und ihn tritt, und küßt sie dann so hart, daß ihre Zähne knirschend aufeinandertreffen und sie Blut in ihrem Mund schmeckt. Sie faucht und spuckt wie eine in die Enge getriebene Katze und tritt ihm dann so fest gegen das Schienbein, daß ihre nackten Zehen auf der Stelle gefühllos werden vor Schmerz. Er zuckt nicht einmal zusammen, geschweige denn, daß er seinen Griff lockert oder den Kuß beendet. Als er sie endlich freigibt, ringt sie keuchend nach Luft und ihre Augen brennen weißgolden wie das Herz der Sonne.

"Laß. Mich. Los. Sofort." Ihre Stimme ist vor Wut nicht mehr als ein leises, bösartiges Raspeln und irgendetwas in ihrem Tonfall bringt ihn dazu, sie tatsächlich loszulassen. Sie stolpert einen Schritt rückwärts, fort von ihm. Das hat so keinen Sinn... ich kann keinen klaren Gedanken fassen... Sie starrt in seine Augen und richtet sich dann auf. Ihr ganzer Körper spannt sich, aber absurderweise weiß sie nicht einmal, ob es sie zu ihm hin oder von ihm weg zieht. Sie hat Angst, er würde etwas tun, sie berühren oder umarmen, denn dann wäre sie verloren. "Das ist kein Spiel," erwidert sie schließlich  mühsam, aber kalt. "Du willst es wissen? Ai, gut. Du sollst es wissen." Sie holt tief Luft. Trotz der Wärme im Baum sind ihre Hände kalt und sie hat einen Eisklumpen im Magen. Wenn sie ihm jetzt die Wahrheit sagt, muß sie ihm alles sagen. "Ich bin Niniane aus dem Haus Relavendis. Ich wurde im Jahr 848 des Zweiten Zeitalters auf den Himmelsinseln geboren. Meine Mutter war Nir’ialyra Sonnenfeuer aus dem Haus Relavendis, mein Vater war Reolair der Befreier. Ich bin über fünftausendfünfhundert Jahre alt, die erste und die älteste lebende Halbelbin Rohas.

Ich war Hohepriesterin Shenrahs in Tianmen und in Lomirion. Ich gründete Am'Shaer am Fuß des Arnon Tyshorsha, bevor ich Nimrods Ruf folgte und eine Jägerin wurde." In ihrer Verzweiflung sagt sie das einzige, von dem sie glaubt, daß es ihn aufhalten wird. "Nachdem Sauloth gefallen war, heiratete ich Jeliel im Sturmtal, aber er war schon nicht mehr Jeliel. Er war Mundus. Ich habe das Leben und das Bett von Mundus geteilt und wußte es nicht. Nicht du hast mich gerettet, als du mich zurückgebracht hast. Er war es. Er war bei mir in der Schwärze und er sagte, ich solle fliegen. Aber ich konnte nicht fliegen, weil ich keine Flügel hatte. Ich konnte nur fallen. Er war da und ich war da und dann... dann... hat er mich zurückgestossen. Ich habe erst da begriffen, wessen Frau ich eigentlich damals im Sturmtal geworden war."  

Weil ich dich liebe. Sie sieht in sein Gesicht, sieht den Ausdruck in seinen Augen - und ihr wird kalt. In diesem Augenblick hört sie mit einem sauberen, harten Laut ihr Herz brechen. "Das ist noch nicht alles." Inzwischen ist ihre Stimme so leise, daß sie sie selbst kaum noch hört, aber in der gespenstischen Stille zwischen ihnen kommt sie ihr dennoch laut vor. Er steht unbeweglich wie ein Fels vor ihr und starrt sie mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht an. Sie kann den Anblick und die Vorstellung davon, was jetzt in ihm vorgehen muß, nicht ertragen. Eben hatte sie eine Ahnung von seinem verzweifelten Zorn bekommen und ihr wird flau beim Gedanken an diese Wut, die er jetzt so kalt und eisern zügelt. "Wie alle Kinder aus dem Haus Relavendis bin ich vom Blut Thaylon Goldauges. Meine Mutter war sein jüngstes Kind und seine einzige Tochter mit Tierilnen der Ehrwürdigen. Geh in den Shenrahtempel und sieh dir seine Augen an. Sieh dir seine Augen an und dann sag mir noch einmal, du willst mich zur Frau! Und noch etwas: wenn du mich noch einmal anfasst, du normandisches Schwein, dann bringe ich dich um."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 16. Apr. 2004, 15:01 Uhr
"Das hast du gerade getan." Alles Blut ist ihm aus dem Gesicht gewichen. "Wann hattest du vor, mir  das zu sagen?" bringt er irgendwann schließlich mühsam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Wenn hier ein Archon ein und aus spaziert, um seine Urenkelin zu sehen? Wenn... Mundus hier auftaucht, weil ihm eingefallen ist, daß er dich wiederhaben will? Ich war gut genug für dein Bett, aye. Aber gut genug für dein Leben bin ich nicht... das ist es wohl, was du mir damit eigentlich sagen willst." Eine ganze Weile kann er sie nur anstarren und keinen einzigen Muskel rühren - dann dreht er sich auf dem Absatz um und geht. Im runden Vorraum hinter der Eingangstür hält er inne, ringt in ohnmächtiger Wut um Selbstbeherrschung und lauscht. Im Baum ist es so still wie in irgendeinem unbelebten Steinkrater - nichts rührt sich und von oben ist kein Laut zu hören, nur das Blut tost ihm donnernd in den Ohren, laut und summend wie ein aufgebrachter Hornissenschwarm.

Er schlüpft in seine Stiefel, greift sich seine Waffen von den Efeuhaken, stapelt alles auf einen Haufen. Weg. Nur weg. Er holt seine Satteltaschen, schüttet den Inhalt heraus und stopft sie dann mit persönlicher Habe voll, alles, was er erreichen kann. Seine Hemden und Hosen, sein Überwurf - all das war in ein paar Truhen oben in ihrem Schlafgemach, aber um nichts in der Welt kann er ihr jetzt noch einmal gegenübertreten ohne sie umzubringen. Schließlich holt er die kleine, aber schwere eisenbeschlagene Truhe aus dem Keller, in der noch immer fast unberührt sein Gold liegt. Dann geht er zum Stall, sattelt Donner, schleppt die Sachen hoch, beläd sein Pferd und bewegt sich bei all dem so hölzern wie ein Schlafwandler. Seine Hände sind blutverkrustet und blaugeschwollen von den Schlägen gegen den Schrank und die Finger so steif, daß er die Schnallen des Sattelgurtes kaum schließen kann. Irgendwann stolpert  er schließlich fast über Ukko, der sich schmollend vor ihm aufbaut. Daß der Gnom geradezu funkelt und kein bißchen stinkt fällt ihm nicht einmal auf. "Pack deine Sachen, wir verschwinden."

Ukko starrt ihn aus großen Augen an, aber ob es an seinem Ton oder an seinem Gesichtsausdruck liegt, er stellt ausnahmsweise keine bescheuerten Fragen, sondern flitzt davon. Es dauert nicht lange, bis er wieder neben ihm auftaucht und ihm ein feuchtes, stinkendes Bündel entgegenhält. Cron stopft es in die Satteltaschen, ohne es auch nur einmal anzusehen, packt Ukko am Kragen, setzt ihn auf Donners Rücken und steigt dann selbst auf. Er treibt den Hengst aus dem Stall und reitet über die Lichtung davon ohne sich ein einziges Mal umzudrehen. Seine Wut, sein Zorn, sein Schrecken, seine Bitterkeit und die völlige Verwirrung - all das hat sich zu einem schwarzen, brennenden Knäuel in seinem Inneren verschlungen, das ihn zu ersticken droht. Sie hat ihn belogen. Sie hat ihn belogen und betrogen und verraten und ihm das Messer direkt in den Rücken gerammt. Sein Gesicht ist immer noch vollkommen steinern, als er mit dem Gnom vor sich im Sattel durch das Nordtor von Talyra reitet, aber in seinen Augen brennt etwas wie Haß. Das oder etwas sehr ähnliches.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Ukko der Gnom am 16. Apr. 2004, 16:47 Uhr
"Aha, da bist du ja wieder...." empfängt Ukko säuerlich den heranstürmenden Cron.

" Ich will mich ja nicht beschweren ... aber hier und hier...." Ukko zeigt auf seine Hose, die er mit einer Hand festhalten muss und dann auf seine Schuhe die  sich wie Pflastersteine an seinen Füssen anfühlen: " ...das passt irgendwie alles nicht,, vielleicht sollte man........."

>"Pack deine Sachen, wir verschwinden."<

Ukko  will gerade die Nase rümpfen und nachfragen,  wieso er jetzt gerade wieder packen sollte, obwohl er doch erst seit vorgestern diesen Stall bezogen hatte und das noch auf Crons Einladung hin.

Aber ein Blick in das Gesicht des Tronjers lässt selbst ein Unsensibelchen wie Ukko verstummen.
Das letzte mal, dass Ukko jemanden mit so einer wutverzerrten Grimasse gesehen hatte, war damals, als  er und seine Brüder Großvater Bukko  in den Met gepinkelt hatten.  Großvater Bukko  tobte anschliessend drei Tage lang und musste erst von  den Nachbarn in schweisstreibender Gemeinschaftsarbeit mit Stricken und Seilen wie ein tollwütiger Eber  gefesselt werden, auf dass er seinen Enkeln und auch sich selbst kein Leid zu fügen konnte.

Ukko holt schleunigst, soweit es seine neuen Schuhe erlauben, seine alten Sachen aus der Scheune, verknotet  Fellweste, Kappe, Hemd und Hose zu einem feuchten Bündel und reicht es Cron, der ihn und sein Sachenl ohne weitere Erklärung vor sich aufs Pferd setzt und mit Ukko in einem Tempo davonreitet , dass sich der arme Gnom mit Händen , Füssen und Zähnen in die Mähne des Pferdes verbeissen muss um durch den scharfen Gegenwind nicht einfach davongeweht zu werden.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 17. Apr. 2004, 20:57 Uhr
Sie steht noch immer erstarrt zur Bewegungslosigkeit in ihrem Schlafgemach und blickt auf den glitzernden Scherbenteppich zu ihren Füßen, erstickt von den blumigen Duftwolken und dem schmerzhaften Gefühl des Verlustes gleichermaßen, als sie Hufschlag hört. Das bringt sie in Bewegung. Sie dreht sich um, schneidet sich die Füße an einer grünen Scherbe auf, hält inne, hüpft fluchend auf einem Bein zum Fenster und sieht ihn gerade noch über die Lichtung davonreiten. Seine Waffen, seine prall gefüllten Satteltaschen, der grotesk hin und herschwankende Gnom... er geht fort. Und im selben Augenblick wird ihr bewußt, daß er sie verläßt. All das nahm man nicht mit, wenn man in Wut irgendwo hin ritt, um eine Weile allein zu sein. Tränen brennen in ihren Augen und in ihrer namenlosen Panik tut sie etwas, das sie sonst nie getan hätte: sie streckt ihre Gedanken nach ihm aus. Für einen Moment fühlt sie, was er fühlt, atmet sie seinen Atem, schlägt sein Herz in ihrer Brust - und tobt in ihr sein Zorn. Sie fühlt seinen Schmerz wie am eigenen Leib und sein Biss ist rot und tief. Sie taumelt zurück, als hätte ihr jemand einen Schlag versetzt. Mein Werk. Das ist mein Werk! Was hast du getan, du närrisches Weib?

Kalter Schweiß sammelt sich auf ihrer Haut und sie schließt die Augen, zitternd wie Herbstlaub im kalten Wind. Sie starrt um sich ohne etwas von ihrer Umgebung wahrzunehmen und beginnt mechanisch die Scherben aufzusammeln. Ihr Herz schlägt ihr bis zum Hals und ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Was hast du getan? Was hast du getan? Was hast du... getan... was...getan...hast... du... du... getan... was... Sie schneidet sich Finger und Füße auf, zieht die Splitter aus ihrer Haut, betrachtet sie im Sonnenlicht, während Tränen ihre Sicht brechen und wischt ebenso mechanisch auf. Als sie schließlich blutverschmiert und nach Duftölen stinkend vor dem zertrümmerten Schrank steht, gibt es kein Halten mehr für die salzige Flut in ihrem Inneren. Ihr Rücken schmerzt und ihre Beine zittern so sehr, daß sie sich eine Weile setzen muß. Sie kehrt auf, sie wischt auf, sie scheuert den Boden und öffnet alle Fenster. Sie geht nach unten, verbindet ihre Füße, wischt die blutigen Spuren überall auf der Treppe auf und schürt ein Feuer im Kamin. Ihre Hände kommen nicht zur Ruhe, ihr Zittern hört nicht auf und ihre Gedanken rasen wirr in alle Richtungen davon. Ich habe ihm nie gesagt, daß ich ihn liebe und jetzt ist er fort.

Sie ergeht sich in zornigen Rechtfertigungen, die allesamt schal und leer klingen und ist zweimal fast auf dem Weg, ihm nachzureiten. "Du darfst nicht. Du darfst nicht. Du kannst nicht seine Frau werden und ein Nein will er nicht hören. Er wollte dir überhaupt nicht zuhören!" Sie hört sich selbst reden, hört ihre Stimme, heiser von all den geweinten und ungeweinten Tränen und schlingt die Arme um sich. Wollte er nicht? Oder hatte sie ihm gar keine Gelegenheit gegeben? War ihr "Nein" wirklich nur die Sorge vor den Konsequenzen einer Heirat... Ja, verdammt! Sie beißt sich so fest auf die Lippen, daß sie Blut schmeckt. Sei ehrlich! War es nur die Angst vor den Folgen? Oder bist du in Wahrheit einfach nur feige? Sie hatte alles, was zwischen ihnen war, geopfert. Sie hatte ihn von sich gestoßen und alles dafür getan, daß er nie wieder zurückkommen würde. Schmerz und Scham brennen in ihr wie Feuer - so stark, daß sie die einsetzenden Wehen überhaupt nicht bemerkt, bis plötzlich pfirsichfarbene Flüssigkeit ihre Beine hinabrinnt. Der reißende Schmerz in ihrem Rücken bringt sie in die Wirklichkeit zurück und zwingt sie in die Knie. Sie sucht wild nach einem Halt, findet den Sesselrand, kippt mitsamt dem Stuhl zur Seite und findet sich dann keuchend vor dem Feuer wieder. Sie kann nicht aufstehen und der Schmerz wühlt in ihrem Körper - rote, scharfe Klauen. Tapsig wie eine verwundete Katze kriecht sie auf allen Vieren in Richtung Treppe und schafft es nach einer halben Ewigkeit sogar nach oben in ihr Schlafgemach.

Die Sonne schickt sich gerade an, unterzugehen und taucht das Innere ihres Baumes in flammendes Rotgold. Als es Mitternacht wird, wird ihre Tochter geboren. Sie hatte geglaubt, die Geburt bestimmt gelassen und ohne Schwierigkeiten zu überstehen. Sie hatte einige Geburten miterlebt und Frauen geholfen, ihre Kinder zur Welt zu bringen - es selbst zu tun, ist eine ganz andere Angelegenheit. Jetzt ist sie ganz allein und hat namenlose Angst, irgendetwas könne ihr geschehen - nicht um ihretwillen, sondern wegen ihrer Tochter, die sich in fünf endlosen, qualvollen Stunden zur Welt kämpft. Sie kann nicht aufstehen, um ein Talglicht oder Kerzen zu entzünden, aber die Laternen des Baumes waren mit den ersten Sternen aufgeflammt und tauchen die Dunkelheit um sie her in bernsteinfarbenes Glimmen. Als ihr Kind endlich geboren wird, kann sie sich weder ausruhen, noch auch nur Atem schöpfen. Sie hält ein winziges, glitschiges, dunkles Bündel in ihren Armen, nabelt es mit zittrigen Fingern ab, wartet, bis auch die Nachgeburt da ist und macht sich dann mit Beinen, schwach und wacklig wie Sülze daran, die blutige Schweinerei zu beseitigen. Sie hört ihr Kind, eingehüllt in weiche Decken, nach ihr rufen, winzige, leise Laute, wie das Maunzen eines Kätzchens und hat nicht einmal mehr Kraft, zu weinen. Als sie endlich alles gesäubert, sich selbst versorgt, die Nachgeburt vergraben und das Bett neu bezogen hat, ist sie so erschöpft, daß ihr schwarz vor Augen wird und summendes Dröhnen in ihren Ohren rauscht. Sie hat nicht einmal mehr die Energie oder auch nur den Willen, ihr Kind anzusehen. Sie kriecht zwischen die Felldecken, legt das Baby an und ergibt sich dann Schlaf und Vergessen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 18. Apr. 2004, 14:44 Uhr
Nach dem Frühstück, das nach dem ausgefallenen Essen am Vortag deutlich reichlicher aufgedeckt worden war als sonst, ist Gerion mit einem der beiden Kettenhemden bei ihnen erschienen. Sie haben sich gerade in die Sessel am Kamin zurückgezogen, als der Junge im Kaminzimmer erscheint, über dem Arm das Kettenhemd mit den Smaragden an den Säumen - befreit von Blut, Ruß und Schmutz schimmert es wie das Schuppenkleid eines silbrigen Fisches, und auch die Smaragde haben ihr Feuer wiedergefunden.
"Mylady... das andere Kettenhemd, das ist auch gereinigt... das von Mylord, das habe ich schon wie-der auf die Holzpuppe getan, aber das hier... wohin soll das? Da ist doch nur eine Holzpuppe."
Arwen wechselt einen kurzen Blick mit ihrem Mann und sieht dann Gerion wieder an. "Lass es hier. Ich kümmere mich darum, Gerion."

Der Bursche legt das Kettenhemd über eine der Truhen an der Wand, so als sei es aus Glas und nicht aus Yalaris und verlässt das Kaminzimmer wieder. Allerdings nicht, ohne so etwas wie eine Verneigung vor Nadir zu versuchen. Was ihm allerdings irgendwie nicht recht gelingen will vor Aufregung. Dabei hat er nicht den geringsten Grund, Angst vor dem Silberelben zu haben, was Arwen unbewusst lächeln lässt. Ihr Gesinde würde sich daran zu gewöhnen haben, dass dieses Haus nun, wo Nadir ihr Gemahl ist, nicht nur eine Hausherrin, sondern auch einen Hausherrn hat. "Das Kettenhemd gehört Niniane... Und sie muss es zurück bekommen. Ich würde gerne heute noch zu ihr... Nein, nicht nur wegen des Hemdes, auch weil... weil ich nach ihr sehen möchte, wissen will, wie es ihr geht... Götter, es ging ihr beileibe nicht so gut wie sie getan hat, allein wie sie da durch die Luft geworfen wurde...  und wir waren gestern alle so erschöpft, dass ich mich gar nicht bei ihr bedankt oder richtig von ihr verabschiedet habe..."

Als sie nach Gerion schickt, um die Pferde satteln zu lassen, sieht es kurz so aus, als wolle Cassand-ra ihrer Herrin das verbieten und sie wie ein kleines Kind mit Erkältung zurück ins Bett schicken ums ich auszuruhen. Doch dann verkneift ihre oberste Magd sich weitere Zurechtweisungen, als Arwen lediglich anmerkt, Nadir, ihr Gemahl würde schon auf sie achtgeben. Sie kann der Menschenfrau an den Augen ansehen, dass sie Nadirs Worte am Vortag, Arwen habe ihn geheiratet, nicht für Ernst genommen hatte, und diese Tatsache nun erst einmal verarbeiten muss. Was den seltenen Effekt hat, dass Cassandra tatsächlich die Worte fehlen. Schnell sind die beiden Elben ungekleidet und ihre Pferde warten gesattelt vor dem Haus auf sie.

Der Weg hinaus zum Baum der Waldläuferin ist nicht weit, die Morgennebel haben sich bereits unter dem Antlitzt Shenrahs aufgelöst, und so lassen sie ihre Pferde in leichter Gangart ihren Weg hinunter zum Strand und dann am Waldsaum entlang hoch zum Baum suchen. Vorbei an frisch austreibendem Gras und den überall hervorschauenden und blühenden Boten des Frühlings.
Die Aura des mächtigen Baumes, sanft und golden wie immer, begrüsst sie, als sie die Lichtung erreichen, deren Boden bereits vom frischem Grün der Farne und des Smaragdgrases bedeckt ist. Doch irgendetwas ist anders als sonst, auch wenn Arwen nicht sagen könnte, was es ist. Die wispernden Stimmen, die von Macht und Alter des Baumes und seiner Bewohnerin künden, sind da wie immer, aber auch noch etwas anderes. Aber so sehr Arwen auch versucht, den Grund dafür zu erkennen, es gelingt ihr nicht. Sie sieht Nadir neben sich an, als sie aus den Sätteln steigen und ihre Pferde zwischen den hohen Wurzeln des Baumes zurücklassen. Auch er kann es spüren, kann aber ebenso wenig wie Arwen den Grund dafür ausmachen.

Das in Leder eingeschlagene Kettenhemd in einem Beutel steigen sie die Stufen zur Tür hinauf, auf der die goldenen Runen kurz aufzuflammen scheinen, als sich ihnen die Tür von alleine öffnet und der Baum sie eintreten lässt. Licht fällt mit ihnen in den runden Vorraum, in dem die Beutel und Taschen noch auf einem Haufen liegen wie sie sie am Vortag abgelgt hatten. Obwohl... es scheint so, als habe jemand in dem Stapel gewühlt und etwas von unten herausgezerrt ohne den Rest wieder ordentlich zu stapeln. Etwas unsicher sieht Arwen sich um, sie hat erwartet, dass die Waldläuferin sie begrüssen würde, dass sie aus dem Kaminzimmer oder einem der anderen Räume erscheinen würde, doch weder Niniane noch Cron sind zu sehen oder zu hören. Unsicher wechselt sie einen Blick mit Nadir. Sie wird das Gefühl nicht los, dass etwas nicht so ist wie es sein sollte.

"Niniane?!... Ist jemand zu hause?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 18. Apr. 2004, 17:28 Uhr
Als sie erwacht, wühlt ein Echo der vergangenen Schmerzen immer noch in ihrem Körper - kein Vergleich zu den Wehen in der Nacht, aber heftig genug, um sie nach Luft schnappen und sich zusammenkrümmen zu lassen. Es ist, als sei sie in der Nacht in tausend Stücke gerissen worden und dann aus den Fetzen wieder zusammengesetzt worden. Sie öffnet mühsam die Augen, unendlich müde und gleichzeitig seltsam euphorisch - und richtet sich hastig auf. Niemand ist bei ihr, ihr Baum so still wie ein Grab. Cron. Sie weiß nicht, was sie erwartet hat - daß er mit dem Morgen zurückgekehrt wäre? Nein, wohl kaum. Dennoch ist die Enttäuschung so bitter, daß sie einen Moment lang Schwierigkeiten hat, zu atmen. Sie dreht den Kopf und blickt in das sahnefarbene, winzige Gesicht ihrer Tochter. Sie hatte das Baby in der Nacht nicht mehr gebadet, dazu war sie einfach zu erschöpft gewesen, nur gewickelt und einmal untersucht - wirklich angesehen hatte sie sich ihre Tochter nicht. Jetzt schlägt sie behutsam die weiche Decke zur Seite und betrachtet ihr Kind. Sie ist vollkommen. Zehn Finger und zehn Zehen, die winzigen runden Nägel wie schimmernde Opale. Ihre Haut, dunkler wie Sahne, glänzt rosig und golden im Sonnenlicht und auf dem Kopf ist ein feiner Flaum, schwarz wie Kohle. Cron. Ihre Ohren scheinen wie winzige Flügel und laufen nur ganz leicht spitz nach oben zu, sie kann das Licht durch die zarte Haut scheinen sehen. Die Augen sind geschlossen und leicht schräg, gesäumt von feinen, aber erstaunlich langen pechschwarzen Wimpern, die Brauen darüber zwei angedeutete, schwarze Striche in dem kleinen, rundwangigen Gesicht. Cron. Er war nicht hier, um sein wunderschönes Baby zu sehen. Und du hast alles dafür getan, daß er nie wieder zurückkommen wird.

Die Tatsache, daß ihn nicht einmal der Gedanke an das Kind hatte zurückhalten können, erfüllt sie mit bitterem Schmerz, denn es zeigt ihr, wie sehr ihn ihre Worte und ihr Nein getroffen hatten - aber auch mit Zorn. Seine Gefühle und sein gekränkter Stolz waren ihm also letztlich wichtiger gewesen, als sie oder das Kind. "Das verzeihe ich dir nie," flüstert sie heiser. Ihre Stimme ist eine einzige Wunde von all den bitteren Tränen und den Schreien der Nacht. Ihre Gefühle sind in Aufruhr, aber sie hat nicht die Absicht, sich jetzt mit ihnen auseinanderzusetzen. Sie kann nicht - der Schmerz ist zu groß und zu bitter. Morgen. Wenn es mir besser geht. Morgen ist auch noch ein Tag. Wenn ich mich jetzt umsehe, bin ich verloren...
Das Baby öffnet langsam die noch ungerichteten Augen, blinzelt, fuchtelt mit den winzigen Ärmchen und gibt leise, unwillige Hungerlaute von sich - und sie blickt in zwei goldene Seen ohne Pupille und Iris, die sich jedoch sofort wieder fest schließen. Aus den leisen Lauten wird forderndes Rufen, das jedoch sofort verstummt, als sie das Kind an die Brust nimmt. Sie richtet sich vorsichtig auf, lehnt sich mit dem Rücken an ein paar Kissen und starrt ins Nichts. Als sie den Hufschlag vernimmt, erstarrt sie, doch sie hört noch im selben Augenblick, daß es nicht Donner sein kann und das es zwei Tiere sind. Arwen... Nadir... sie läßt den Kopf in die Kissen zurücksinken, legt das Baby auf die andere Seite und fällt zurück ins graue Nichts.
Als sie nach einer kleinen Weile Arwens leise, verwunderte Stimme hört, zieht sie seufzend die Decken höher. Ich bin hier, Arwen. Kommt herauf.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 18. Apr. 2004, 21:32 Uhr
Die Gedanken, die sie erreichen sind so voller Schmerz, dass Arwen erst erstarrt und dann an Nadirs Hand die Treppe nach oben in Ninianes Gemach unterhalb der Baumkrone eilt. Das Zimmer ist ihr mehr als nur vertraut, in den Tagen nach Wegesend war es ihr Schutz und Zuflucht gewesen; erst im eisigen Schlaf Schmeths Tränen, dann in der Tagen der Genesung. Sie kann Nadirs Erstarrung ebenso spüren wie sein Lächeln, als er kurz den Schritt verhält, ehe er in den Raum tritt und sie selber durch den Bogen aus lebendem Holz tritt... und neben ihm stehen bleibt. Das Kind in den Armen Nini-anes lässt sie lächeln, doch als sie in Ninianes Gesicht sieht, wird sie schlagartig ernst. Diese nagende Unruhe, dass etwas schreckliches passiert ist, nimmt nur noch weiter zu. Die lautlose Bitte an den Silberelben macht mehr als deutlich, dass Cron nicht hier ist. Und der bittere Zug um den Mund der Halbelbin, deren steife Beherrschtheit... Er war auch nicht hier als das Kind geboren wurde... Der Gedanke, dass Niniane das Kind ganz alleine zur Welt bringen musste, dass sie alleine war, als sie in den Wehen lag, lässt Arwen den Atem scharf einziehen. Was war hier passiert? Kurz kreuzt ihr Blick sich mit dem Nadirs, ehe der den Raum wieder verlässt um nach dem Pferd zu sehen. Und erst jetzt wird Arwen bewusst, dass sie den Atem angehalten hat.

Der Beutel mit dem Kettenhemd landet ebenso wie ihr Mantel achtlos auf dem Boden neben der Tür. Nichts ist jetzt unwichtiger als dieses Bündel aus Leder und Yalaris. Mit wenigen Schritten ist sie an der Seite Ninianes und setzt sich vorsichtig an den Rand des Bettes. "Niniane...," sie stockt, weiß für einen Moment nicht was sie sagen soll, zuviele Gedanken gehen ihr gleichzeitig im Kopf herum.  "... warum hast du nicht nach uns gerufen?" Sie weiß, dass Shugorn immer in der Nähe der Waldläuferin ist, und selbst wenn nicht, einen solchen gedanklichen Ruf in Schmerz und Not hätten sie selbst in den tiefen elbischer Trance noch vernommen. Sovieles würde sie fragen wollen. Ob mit Niniane und dem Kind alles in Ordnung ist, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, wie sie das alles überstanden hat, was passiert ist, wo Cron ist, ob oder was sie für sie tun kann. Sie spricht keinen ihrer Gedanken aus. Sie sitzt nur da, fragt nicht, drängt nicht, öffnet ihre Hände nur in einer leisen Geste der Offenheit. "Min Ija..." Gesprochenes Wort und Gedanke sind eins, warm und sanft bieten sie Zuflucht und schweigendes Verständnis an ohne zu drängen. Dass etwas schreckliches geschehen sein muss, das ist Arwen auch so klar. Sie würde Niniane nicht mit Fragen bedrängen. Sollte sie reden wollen, wäre sie da, sollte sie schwiegen wollen oder auch nur Halt suchen, sie wäre für sie da, wie die Waldläuferin für sie dagewesen ist.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 18. Apr. 2004, 22:34 Uhr
"Hier," sie löst das Baby sanft von ihrer Brust und reicht es Arwen. Ihre Stimme ist flach, emotionslos und leise. "Kannst du sie baden? Gestern nacht war ich zu erschöpft und ich bin nicht... nicht sonderlich gut zu Fuß im Augenblick."
Arwen nickt nur, nimmt ihr die Kleine ab und hält sie hoch. Sie legt das Baby an ihre Schulter und klopft sacht den winzigen Rücken. Niniane läßt sich in die Kissen zurücksinken und starrt an die Decke aus verschlungenen Baumwurzeln und sacht golden schimmernden Ornamenten. "Du weiß ja, wo du heißes Wasser findest. Kleidung für sie ist in der bronzebeschlagenen Truhe dort, weicher Talg in meinem Botanikum. Es tut mir leid, aber die Geburt hat mich selbst überrumpelt... ich bin nicht dazugekommen, irgendetwas herzurichten oder vorzubereiten...." sie spricht immer noch mechanisch, so als rede sie über etwas vollkommen belangloses. Arwen mustert sie einen Moment lang scharf und aufmerksam, aber dann nickt die Elbin nur. Sie legt die Kleine vorsichtig neben ihr ab, bereitet eine kleine Kupferwanne mit warmem Wasser vor und eine Weile schließt Niniane die Augen. Jetzt kann sie ausruhen - Arwen ist hier, ihre Tochter wird gut versorgt, Nadir kümmert sich um das Pferd im Stall und bestimmt würde der Silberelb auch Feuer im Kamin schüren, um den Baum wegen des neuen, kleinen Lebens darin etwas zu heizen.

Als sie die Augen wieder aufschlägt, legt Arwen ihr ihre Tochter frisch gebadet und gepudert in die Arme. Sie ist wach, hat die schwach schimmernden, goldenen Augen geöffnet und blinzelt in die fremde, neue Welt. Die Hochelbin drängt sich nicht auf. In ihrer ruhigen, warmen Art packt Arwen die Truhe mit den Babysachen aus, räumt alles in eine der holzgeschnitzten Kommoden, legt Windeltücher zusammen und setzt sich dann schweigend zu ihr. Sie kann Nadir irgendwo unten rumoren hören und schließt die Augen wieder. Sie will nicht darüber sprechen, mit niemandem. Sie will nicht hören, wie sie es ausspricht, aber dann redet sie schließlich doch. Sie dreht den Kopf und sieht Arwen an, ihre Blicke, bernsteingold und jadegrün treffen sich. "Er hat mich gebeten, seine Frau zu werden und ich habe nein gesagt. Er hat mich verlassen. " Ihre Stimme wird mit jedem Wort brüchiger und sie kämpft chancenlos darum, ihren beherrschten Ton nicht zu verlieren. Tränen steigen in ihr auf, brennen in ihrer Kehle, in ihrer Nase, heiß und salzig. Sie hätte nicht gedacht, daß noch eine einzige Träne weinen könnte, aber da hat sie sich wohl gründlich getäuscht.

"Er... ist...einfach... gegangen. Wir haben so ge...stritten, Arwen. Einen Moment lang dachte ich wirklich, er... aber ich... und dann... die ganze Wahrheit. Mein Blut... meine Familie. Mundus. Und er... und ich... und der Schrank... alles voller Scherben... ich hab mir die Füße zerschnitten... kann nicht laufen. Und dann... einfach fort... und ich... Wehen. Mitternacht... und dann..." Sie beugt sich über ihre Tochter, als wolle sie den winzigen Körper mit ihrem eigenen schützen und schüttelt sich in krampfhaftem Schluchzen, das einfach nicht mehr aufhören will. Einen Moment später spürt sie die kühle, beruhigende Hand der Elbin auf ihrer nackten Schulter. Arwen sagt nicht, alles würde wieder gut werden. Sie sagt nicht, sie solle sich beruhigen und sie sagt auch nicht, daß sie recht getan hätte - Arwen sagt gar nichts und dafür ist Niniane dankbar. Kein Wort könnte ihren Kummer lindern. "Er ist fort und er wird nicht wiederkommen. Ich... sein Gesicht... ich habe... gesehen, sein Gesicht. Als ich... ihm gesagt habe, wer ich bin und was ich bin und was mit Mundus war. Ich habe ihn verraten, Arwen und er hat mich verraten und ich hasse mich dafür. Und ihn will ich nie wieder sehen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 19. Apr. 2004, 21:11 Uhr
Für einen Augenblick bleibt ihr Blick prüfend am Gesicht der Helbelbin hängen, als diese wie abwesend zu reden beginnt, so als sei sie mit ihren Gedanken gar nicht bei der Sache. Das ist sie auch nicht wird Arwen klar sie tut, was ich früher auch getan habe... sie flüchtet sich in Selbstdisziplin und Pflichten die es zu erfüllen gilt, um nur ja nicht nachdenken zu müssen... Kurz senkt sie den Kopf bei den Erinnerungen, die sich anschleichen. Doch diese Zeiten sind vorbei, vergangen und begraben, sie haben ihren Schrecken und ihre Trauer für Arwen verloren.

Behutsam nimmt sie von Niniane deren Tochter entgegen, und ungerichtetet goldene Augen blinzeln sie aus einem Gesicht an, das von schwarzem Haarflaum umgeben ist und das sich unwillig verzieht, als die Wärme und der Geruch der Mutter fehlen. Sie braucht nicht lange, um die Kleine zu baden, vorsichtig, um die schützende Fettschicht nicht von der Haut zu waschen, und sie frisch gewickelt und gepudert in die Arme ihrer Mutter zurückzulegen. Sie hat spüren können, wie Niniane sich entspannt hat, als sie ihr ihre Tochte gereicht hat, wie sie endlich gewagt hat, sich ihrer Müdigkeit zu ergeben und auszuruhen. Arwen lässt Mutter und Tochter ihre Ruhe, bewegt sich leise und behutsam im dämmrigen Halblicht des Raumes um die Sachen aus der Truhe in eine der Kommoden zu räumen, wobei ihr Blick immerwieder an dem zerborstenen Kassettenschrank hängenbleibt. Deutlich sichtbarres Zeichen, dass hier etwas schreckliches geschehen ist. Irgendwann ist alles an seinen Platz geräumt, das Wasser aus der Wanne fortgeschüttet und auch die Wanne aus dem Schlafraum in das Botanikum geräumt, und Arwen setzt sich weder zu Niniane.

Schweigen liegt über dem Raum, dehnt sich und breitet sich aus wie zäher Nebel, und dann beginnt Niniane zu reden. Erst beherrsch, doch mit jedem Wort wird ihre Stimme rauher und brüchiger, ebenso brüchig wie ihre Fassade der Selbstbeherrschung. Und dann bricht es stammelnd aus ihr heraus, Schluchzen schüttelt die Halbelbin und lässt sie sich wie zum Schuzt über ihrer Tochter zusammenkrümmen. Arwen sagt nichts, es gibt kein Wort und keinen Gedanken, das solchen Schmerz zu lindern oder zu trösten vermöchte. Sie ist einfach nur da und hält Ninane sacht im Arm. Warm, fast heiß fühlt sich die Haut ihrer Freundin an, und fast füchtet sie, diese könne fiebern, bis sie sich ins Gedächtnis zurückruft, welches Blut in deren Adern fließt. Nichts brennt heißer als das Herz der Sonne... Die Worte, gestammelt und kaum zu ganzen Sätzen vereint, wecken in Arwen ein Durcheinander vieler Gefühle, Bedauern, Mitgefühl, Trauer - aber viel eindringlicher als die Worte sind die Bilder und Gedanken, die zusammen mit den Worten auf sie einstürmen, als Niniane ihre Erinnerungen an die vergangenen Stunden mit ihr teilt. Sie sieht, hört, fühlt, was die Halbelbin empfunden und erlebt hat. So klar, als seien es ihre eigenen Erinnerungen. Und sie teilt die Erinnerung an das, was Niniane spürte, als sie ihre Gedanken nach Crons ausstreckte, an seine Gefühle und Empfindungen.

Irgendwann versiegen die Tränen, beruhigt sich der Atem und die Waldläuferin richtet sich wieder auf. Noch immer wortlos und schweigend hilft Arwen ihr, sich bequem in die Kissen und Decken ihres Bettes zurückzulehnen, das Kind halb im Arm haltend, es halb in ein Nest aus weißen Pelzen bettend. Götter, Niniane, was hast getan, was hast du dir und ihm angetan... Cron nie wieder sehen? Das wird unmöglich sein... Deine Tochter wird dich jeden Tag, jeden Augenblick an ihn erinnern, mit Augen so golden wie die Sonne am Himmel und Haaren so schwarz und glänzend wie Rabenschwingen. Kein Wort von ihren Gedanken kommt über Arwens Lippen.

"Wie ist ihr Name?" Ninianes Stimme ist leise, als sie den Namen ihrer Tochter ausspricht. "Shaerela... Frei wie die Sonne…" Sie merkt gar nicht, wie sie unbewusst mit der Hand das Segenszeichen auf die Stirn des Kindes zeichnet, als sie dessen Namen ausspricht. Und als es ihr bewusst wird, lächelt sie Niniane entschuldigend an. "Verzeih, ich wollte nicht..." Sie hört Nadir unten im Baum mit Holz hantieren, und bricht mit einem Lächeln ab. Unbewusst wandert ihre Hand zu ihrem nun mit jedem Tag wachsenden Bauch, in dem ihre Tochter momentan schlafend ruht. "Können wir irgendetwas für dich tun, Niniane?... Ich meine... Wie willst du die erste Zeit alleine zurechtkommen?" Sie meint nicht nur, dass die Waldläuferin als Wöchnerin ohnehin Hilfe brauchen würde, sondern auch wegen der zerschnittenen Fußsohlen, dem Baum und dem Pferd, das sie neben ihrem Kind und sich selber zu versorgen hätte. Dass Niniane ihren Baum nicht verlassen würde, davon geht Arwen aus, auch wenn sie hier vermutlich jede Ecke und jeder Winkel an den Nordmann erinnern würde. "Wenn du willst, kann ich dir eines meiner Mädchen schicken, damit sie dir zur Hand geht und hilft..."

Während sie die Waldläuferin und deren Kind abwartend ansieht, versucht sie sich daran zu erinnern, was sie vor ihrem Aufbruch zu den Weißen Grotten in der Vorratskammer alles gesehen hatte. Niniane hatte seit ihrer Rückkehr nichts mehr gegessen. Die vergangenen Stunden hatten sie viel gekostet, und um ihrer Selbst und ihrer Tochter Willen musste sie essen um bei Kräften zu bleiben. Egal, irgendetwas werde ich schon finden, aus dem sich etwas kochen lässt

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 19. Apr. 2004, 21:57 Uhr
>Können wir irgendetwas für dich tun, Niniane?... Ich meine... Wie willst du die erste Zeit alleine zurechtkommen?<
Sie schüttelt den Kopf. "Nein. Danke, aber nein. Ich brauche niemanden." Ich war dreitausend Jahre ganz allein, Arwen. Ich kann es wieder sein. Und ich habe meine Tochter. "Die Geburt war nicht allzu anstrengend, ich bin bald wieder auf den Beinen." Arwens zweifelnde Miene macht deutlich, was sie von solchen Anwandlungen hält, aber Niniane bleibt fest. Sie will niemanden um sich haben, auch keine Menschenmagd. Sie weiß Arwens Angebot durchaus zu schätzen, aber sie will nur noch allein sein. Allein mit sich und ihrem Schmerz... und mit ihrem Kind. Vielleicht gehe ich in den Westen, sobald sie ein wenig größer ist. Vielleicht... ich könnte nach Lomirion gehen und alles hier vergessen... und ich würde wie meine Mutter im Dunkeln sitzen und mich in meinen Gedanken verlieren. Im Dunkeln, weil die Bilder der Erinnerung dort klarer sind, als im Licht... und ich würde verzweifeln. Noch verzweifelter, als sie im Augenblick war, könnte sie kaum mehr werden.

Arwen läßt sie kurz allein und sie kann die Elbin und Nadir unten im Baum hören, beruhigende, alltägliche Geräusche, Geschirrklappern und das Knacken und Prasseln von Feuer in den Kaminen. Sie schließt die Augen, ruht eine Weile, und als sie wieder in die wache Welt zurückkehrt, erwartet sie eine kräftige Fleischbrühe, schwarze Nudelnester, gebratenes Fleisch und Gemüse und ein Krug Malzbier. Arwen hatte für sie alle etwas gekocht und heraufgebracht. Shaerela schläft tief und fest in dem ausgepolsterten Weidenkörbchen, das Arwen für sie hergerichtet hatte und so haben sie alle Zeit zu essen. Sie hat eigentlich keinen Hunger verspürt, muß sich zu den ersten Bissen zwingen und hätte nicht gedacht, daß sie überhaupt irgendetwas hinunterbekäme, aber zu ihrer eigenen Überraschung ißt sie am Ende reichlich. Ihre Gedanken wandern, auch wenn sie ihnen am liebsten Einhalt gebieten würde, kreisen und drehen sich und kommen nicht zur Ruhe. Wo war er? In Talyra? Oder am Ende schon weit fort? Nein, das wüßte ich. Sie läßt die zweizinkige, silberne Gabel sinken und starrt zwischen Arwen und Nadir hindurch auf einen Punkt im Nirgendwo.
"Warum hat er mir nicht einmal zuhören wollen? Er muß doch wissen, daß ich nicht Ja sagen konnte! Er muß doch wissen, was es für Folgen haben könnte, wenn ich... und er... " sie schüttelt den Kopf. Hör auf! Hör auf! "Vielleicht war er ja sogar froh, hier weg zu können. Vielleicht war er ja froh, mich loszuwerden. Wie praktisch, daß er dadurch auch gleich mir die Schuld in die Schuhe hatte schieben können..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 19. Apr. 2004, 22:38 Uhr
"Warum quälst du dich selber mit solchen Fragen, Niniane?" Arwen spricht nur leise, und Unsicherheit klingt in ihrer Stimme mit. Sie weiß nicht, ob Niniane wirklich schon die Kraft hat, sich ihren Erinnerungen zu stellen, den Erinnerungen und dem Selbsthass, den sie vorhin in ihr gespürt hatte. Und ob sie stark genug ist, sich selber gegenüber ehrlich zu sein. Aber dann entscheidet sie sich, ihre Gedanken dieses Mal auszusprechen. "Du hattest ihm bis gestern nie gesagt, wer und was du bist, nicht wahr?" Ihre Stimme wird noch leiser ist kaum mehr als ein Flüstern, aber ihr Blick ruht in den bernsteingoldenen Augen der Waldläuferin, und sie weiß, das die jedes ihrer Worte versteht. "Auch wenn jedes Kind in den Elbenlanden es weiß, dass das Blut des Schwertarchonen im Haus Relavendis lebt, wenn allein deine Augen jede Frage hinfällig machen... Götter, was weiß ich, warum er es nicht erkannt und begriffen hat, aber wissen ... wenn er es gewusst und verstanden hätte welche Folgen eine solche Heirat haben könnte, hätte er dir diese Frage nie gestellt... denke ich..." Bitte, Niniane, belüg dich nicht selber mit Dingen die dich nur sinnlos quälen... Du hast gefühlt, was er gefühlt hat als er ging, er war nicht 'froh' dich loszuwerden, und das weißt du. ... Wollte er nicht zuhören, oder konnte er nicht, weil er keine Gelegenheit dazu hatte?

"Weißt du noch, was du im Herbst zu mir gesagt hast? Unten, an der heißen Quelle?" Die Erinnerungen an jene Tage der Verzweiflung lassen sie seltsam unberührt, haben jeden Schrecken für Arwen verloren. Auch die Bitterkeit der Erinnerungen an das, was jenem Bad im heißen Wasser vorausgegangen war hat ihren kalten Biss verloren. "Schmerz ist immer am schlimmsten für die Starken... lass jetzt nicht zu, dass er dich beherrscht, Niniane... Schon um ihretwillen." Sie neigt ihren Kopf leicht in Richtung des unterdessen schlafenden Kindes in dem kleinen Weidenkorb. Und so als ob Shaerela spüren würde, dass die Blicke der drei Elben sich ihr zuwenden, bewegt sie ihr Köpfchen im Schlaf und ballt ihre kleinen Fäuste neben dem Kopf. "Sie ist stark, wie ihre Mutter." Ihr Blick sucht den der Waldläuferin und die beiden Frauen sehen sich eine Weile schweigend an. Stark sein bedeutet aber auch, Schwäche zulassen zu können. Nur wer stark ist, kann sich das erlauben... Götter, ich habe selber viel zu lange gebraucht, um das zu verstehen, Niniane, aber ich habe es gelernt... auch von dir.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 20. Apr. 2004, 21:58 Uhr
"Ich weiß, daß es meine Schuld war, aber wie nett von Euch, mich daran zu erinnern," erwidert sie kaltschnäuzig und funkelt Nadir an. Ihr plötzlich aufflammender Zorn hält ihrem Schmerz nur leider nicht lange Stand und zu ihrem Entsetzen liegen die Tränen schon wieder dicht unter der Oberfläche. Götter, wenn ich weiter so heule, dann kann ich morgen nicht einmal mehr aus den Augen sehen... Der Silberelb hebt die Hände, Handflächen nach außen, ein universelles Friedensangebot, aber sie schüttelt nur den Kopf. Als sie ihre Stimme soweit in der Gewalt hat, daß sie sprechen kann, erwidert sie leise. "Tut mir leid. Ich benehme mich völlig närrisch, ich weiß. Ich habe einen Narren aus ihm gemacht und eine noch größeren aus mir selbst. Aber was soll ich tun? Was kann ich tun? Ich weiß nicht einmal, wo er hin ist und ich habe, wissen die Götter, alles getan, um jeden Weg zurück zu versperren. Ich kann nicht seine Frau werden. Ich kann nicht ungeschehen machen, was geschehen ist und ich kann auch meine Worte nicht zurücknehmen. Warum ich ihm so lange verschwiegen habe, wer und was ich bin? Eben weil ich bin, was ich bin. Was hätte er denn in mir gesehen, wenn ich es ihm gesagt hätte? Ich hatte genau vor dieser Reaktion Angst." Ihr Blick irrt zwischen dem Silberelben und Arwen hin und her. Wenigstens die beiden sollen begreifen, warum sie so lange geschwiegen hatte, warum sie es ihm nie erzählt hätte, wenn die Wahl bei ihr gewesen wäre.

"Cron... er war der einzige Mann, der nie etwas anderes in mir gesehen hat, als eine Frau. Laßt Euch ja nicht einfallen zu lachen! Für die Menschen bin ich zum Teil elbisch, ja, aber auch unheimlich und fremd und diejenigen, die es wissen, würden mich am liebsten auf ein Podest in ihrem albernen Tempel stellen. Meine Macht mag sie faszinieren, aber sie schreckt auch jeden ab, der... der... ach!" Sie wedelt ungeduldig mit der Hand vor dem Gesicht, als könne sie etwas damit vertreiben. "Und für die Elben bin ich Niniane, Shu'ra Niniane, die hochgeehrte Tochter der hochgeehrten Mutter der Erinnerung. Sie würden am liebsten die acht Gesänge des respektvollen Ersuchens singen, bevor sie mir auch nur Khel Dar wünschen, jedenfalls die meisten!" Das letzte bißchen Verärgerung ist aus ihrer Stimme gewichen und hat einer traurigen Resignation Platz gemacht. "Nur für Cron war ich einfach Niniane. Er hatte nie Angst vor mir... Respekt meistens auch nicht. Aber er ist nie vor mir... zurückgeschreckt. Und ich wollte einfach nicht erleben, diesen Blick in seinen Augen auch noch zu sehen... versteht ihr? Außerdem spielt es für mich keine Rolle. Ich dachte, ich könnte aus meiner Haut, aber das kann ich nicht, gut, damit kann ich leben, aber ich habe um meines Blutes Willen schon genug gelitten in meinem Leben, das könnt ihr mir glauben, ich habe es mir nie auf die Stirn geschrieben. Und wenn ich die Wahl hätte, jemand anderer zu sein, irgendjemand, dann wäre ich die erste, die mit Freuden tauschen würde."

Geweckt von den aufgebrachten Stimmen um sie her, maunzt ihre Tochter in dem Körbchen und sie richtet sich auf, um sie hochzunehmen. Arwen hatte sie in ein weiches, weißes Leibchen gekleidet, das mit winzigen, gelben Blüten bestickt war. Sie duftet nach mit Rosenwasser parfümiertem Talg, Badeöl und Baby und ihr Haar fühlt sich seidenweich unter ihrer Wange an, als sie sie an ihre Schulter legt. "Schschsch... ich bin hier." Aus der Windel steigt ihr jedoch ein ganz anderer Duft entgegen. "Oha...  Arwen, kannst du sie wickeln? Das Kindspech ist abgegangen, fürchte ich. Die kleine Lady hat da etwas abzugeben..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Arwen am 20. Apr. 2004, 22:52 Uhr
Arwen hört den Worten Ninianes schweigend zu, als die versucht zu  erkären, warum sie tat, was sie getan hat, warum meint nicht anders handeln zu können. Und das Gefühl jemand anderes sein zu wollen, das kennt sie selber nur zu gut. Niemand kann aus seiner Haut. Du nicht und ich auch nicht. Du wirst immer Shu'ra Niniane sein, vom Blut Goldauge Thaylons, egal, was du tust. Ebenso wie ich immer Winterwinds verfluchte Tochter sein werde, auch wenn der Fluch nun gebrochen ist... Wir können nicht verleugnen wer und was wir sind, wir müssen damit leben.

Das leise klagende Rufen des Babys schafft es von einem Augenblick auf den anderen, die aufgebrachten Stimmen der Elben zu besänftigen und zu einem leisen Flüstern verklingen zu lassen. Ein leises Klagen, das sofort verstummt, als die Kleine im Arm ihrer Mutter liegt, deren Stimme plötzlich so ganz anders klingt als eben noch, sanfter, melodischer. Die Stimme einer Mutter. Und die Nase einer Mutter, die sofort erkennt, woher ein Großteil des Unmutes von Shaerela herrührt: Die Windeln sind voll.

Mit einem fast schon ergebenen Lächeln nimmt Arwen das Kind entgegen, das Niniane ihr reicht. "Na dann kommt mal, Kleine Lady." Vorsichtig hält sie das Kind im Arm, während sie aus der Kommode eine der Windeln heraus sucht, die sie vorhin erst dort hinein geräumt hatte. Weichen Talg, Puder und alles andere liegt und steht in Tiegeln und Dosen noch nebenan im Botanikum, wo Arwen vorhin einfach einen der Tische zum Wickeltisch umfunktioniert hat.
Behutsam legt sie das Baby auf die weichen Decken, mit denen sie den Tisch gepolstert hat und beginnt damit, die Windeln zu wechseln. Es dauert nicht lange, bis die alten Windeln abgenommen und gegen neue, saubere getauscht sind. Niniane hatte Recht gehabt, das Kindspech war abgegangen. Die Handgriffe gehen fast wie von selbst, dabei ist es schon viele Jahre her, dass Arwen zuletzt einer Wöchnerin beigestanden hatte. Aber Hände scheinen ein ganz eigenes Erinnerunsgvermögen zu haben. Und Stimmen auch, denn fast wie von selbst beginnt sie ein uraltes Kinderlied zu summen, was das Baby tatsächlich zu beruhigen vermag, das die Nähe seiner Mutter zu vermissen scheint. Ihr Blick bekommt fast etwas Versonnenen, als sie das Baby, frisch gewickelt und wieder nach Rosen duftend, Niniane in den Arm legt. Nicht mehr lange, und ich werde mein eigenes Kind im Arm halten Ihr Blick wandert zu Nadir, bleibt an seinen Augen hängen unser Kind verbessert sie ihre Gedanken unser Kind,... und es wird frei und sicher sein

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 25. Apr. 2004, 22:15 Uhr
Die Tage nach Arwens und Nadirs Besuch verbringt sie zumeist mit Schlafen. Den Göttern sei Dank tut ihre Tochter es ihr gleich, so daß sie nur aufstehen muß, um sie trocken zu legen und zu baden. Ob es die notwendige Ruhe nach dem anstrengenden Kampf mit dem Dämon und der anschließenden Geburt ist oder ein trotziger Rückzug aus der plötzlich so leeren Wirklichkeit, weiß sie nicht, aber sie erwacht jedesmal nur widerwillig und sinkt, sobald sie ihre Mutterpflichten erledigt hat, sofort wieder in den Schlaf des Vergessens. Gäbe es Shaerela nicht, sie würde überhaupt nicht aufstehen. Ihrer Tochter, dem einzigen Wesen, für das sie sich noch verantwortlich fühlt, zuliebe zwingt sie sich sogar, gut zu essen und genug zu trinken, schließlich ist das Baby auf ihre Milch angewiesen. Die Tage vergehen grau in grau im immer selben Rhythmus aus Stillen, Schlafen, die kleine, lebendige Wärme neben sich, Essen, Schlafen... Das einzige, was ihr hilft, die Leere zu ertragen, ist alles an sich vorüberziehen zu lassen, ohne etwas wirklich wahrzunehmen. Sie läßt die Tage kommen und gehen, einen nach dem anderen, weiß manchmal nicht einmal, wieviele seit der Geburt ihres Kindes vergangen sind und vermeidet es, an irgendetwas anderes als den Augenblick zu denken. Manchmal ertappt sie sich bei dem Gedanken daran, wann und ob sie ihn je wiedersehen würde und was sie einander zu sagen hätten. Hatten sie sich überhaupt noch etwas zu sagen? Nun, da war das Kind. Das zumindest mußte sie doch irgendwie verbinden - aber meistens flüchtet sie vor jeder Überlegung in diese Richtung.

Nach ein paar Tagen kommt sie körperlich wieder zu Kräften. Ihr blau und grüngeprellter Rücken verheilt und auch ihre Worte an Arwen bestätigen sich: die Geburt war nicht allzu anstrengend gewesen. Sie ist nach wie vor Wöchnerin und das würde sie noch zwei volle Monde sein, aber sie fühlt sich gut und kann ohne Schwierigkeiten aufstehen und sich selbst um alles kümmern. Sie erfüllt ihre Pflichten, sie verrichtet ihre Arbeit - sie funktioniert, mechanisch wie die geheimnisvolle Apparatur eines Alchemisten, ein wenig klapprig und angeschlagen vielleicht, aber sie funktioniert. Nur ihre Gedanken dämmern grau vor sich hin, meiden jede Erinnerung und jeden Blick in die Zukunft. Als Gerion, Arwens Stalljunge, zum ersten Mal aufgetaucht war, um nach Nachtwind zu sehen und die Stute zu versorgen, hatte sie etwas gehört und war hinausgestürzt, weil ihr der Gedanke gekommen war, es könnte Cron sein. Sie hatte den armen Jungen zu Tode erschreckt und sich dann taumelnd wieder in ihren Baum zurückgezogen wie ein waidwundes Tier in seine Höhle. Natürlich war er es nicht, hatte sich ihr Verstand eingeschalten - und mit den klaren Gedanken war der Schmerz zurückgekehrt. Natürlich nicht.

Etwas mehr als eine Woche nach der Geburt mag vergangen sein - irgendwann war sie mit dem Zählen der Tage durcheinandergekommen und es war ihr auch nicht wichtig - als sie zum ersten Mal mit dem Baby im Arm hinaus in die Sonne geht. Nach all der Zeit in der warmen, geschützten Geborgenheit ihres Baumes fühlt sie sich nackt und schutzlos wie eine Larve im hellen Licht - aber merkwürdigerweise auch ein wenig getröstet. Die Luft ist warm und frühlingshaft und erfüllt vom Gesang der Vögel in den Heckenrosen und dem Summen der Bienen. Zu den Waldveilchen haben sich  Schlüsselblumen im Smaragdgras gesellt und ihr Baum steht in einem Meer aus dunklem violett, sonnenwarmem Gelb und schimmerndem Grün. Sie sitzt zwischen den Wurzeln in einem Fleck Bingelkraut und das Baby in ihrem Arm blinzelt gähnend ins helle Licht. Einen Moment lang sieht sie aus wie Cron, obwohl sie eigentlich noch viel zu klein ist, als daß man sagen könnte, wem sie einmal ähneln würde und der Anblick trifft Niniane mit einem leichten Schock, wie ein elektrischer Funke. Cron. Als sie den Schmerz endlich wieder niedergekämpft hat, versinkt sie noch tiefer im Grau.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 10. Mai 2004, 06:06 Uhr
Kizumus detaillierte Beschreibung und der Plan machen es Aurian leicht, den Weg zu finden. Im Larisgrün ist der Frühling noch deutlicher zu spüren als in den Straßen von Talyra. Die Vögel zwitschern lauthals vor sich hin, der milde Wind streicht durch die zartgrünen Blätter und die Nachmittagssonne zaubert eine Vielzahl von Effekten in den Wald. Die Aufbruchsstimmung des Frühlings ist beinahe greifbar. Beschwingt geht Aurian ihrem Ziel entgegen.

Ninianes Behausung ist schon von einiger Entfernung zu erkennen, vorerst jedoch nur als das, was sie ursprünglich sit. Ein mächtiger Baum. Als das Mädchen aber näher kommt, wird sie gewahr, wie sehr dieser auch Haus ist. Eine Lichtung umgibt dieses seltsame Haus – kann man es überhaupt als Haus bezeichnen?, - auf der sich Schmetterlinge und andere Insekten tummeln. Am gegenüberliegenden Waldrand vermeint sie kurz den Schatten eines Rehes zu erkennen, das jedoch fluchtartig im Wald verschwindet. Eine eigene Aura umgibt diesen Ort: Friedlich und doch auch Ehrfurcht gebietend. Mit einem eigenen Gefühl in der Magengegend steigt Aurian die breite Treppe empor. Was es genau ist kann sie auch nicht sagen, sie weiß nur dass sie diesmal ein Gefühl nicht verspürt: Angst. Nur ein tiefer Respekt vor diesem Ort ergreift von ihr Besitz. Auf der runden Tür steht etwas geschrieben. Aurian hat keine Ahnung, was die Buchstaben bedeuten. Die Aura dieses Ortes wird immer stärker. Nun doch etwas zögernd hebt sie die Hand und klopft.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 10. Mai 2004, 11:01 Uhr
Die Tür des gewaltigen, borkeumkleideten Riesen schwingt lautlos nach Innen auf und gibt dem Botenmädchen einen Blick auf einen runden Vorraum frei. Mehrere Türen führen in alle Richtungen, eine gewundene Treppe nach oben. Haken an den Wänden haben die Form von rankenden Efeublättern und bieten Platz für Umhänge, Mäntel und ein paar Dolche in schmalen Lederscheiden. Im Inneren des Baumes duftet es schwach nach Sandelholz und Pflaumenblüten, das honigfarbene Holz der Wände schimmert und irgendwo gurgelt es leise, als fließe murmelnd Wasser über Steine.
Niniane sitzt im Kaminzimmer, die Fenster sind weit geöffnet, um Licht und Luft hereinzulassen und ein mitternachtsblauer Faêryisfalter hat gerade beschlossen, ihr einen Besuch abzustatten. Der handtellergroße Schmetterling sitzt mit bebenden Flügeln auf dem breiten Fenstersims und seine Fühler zittern hierhin und dorthin, als liefere er gerade einen aufregenden Bericht ab, als es an der Tür klopft. Sie hat ihre Tochter im Arm und stillt sie gerade, so daß sie nicht aufstehen kann, also ruft sie leise nach ihrem unbekannten Besuch. Sie kann immer spüren, wenn jemand ihre Lichtung betritt und wenn sie denjenigen gut kennt, kann sie für gewöhnlich sogar sagen, wer zu ihr kommt, aber dieses Mädchen ist ihr fremd. Es war nicht ungewöhnlich, daß hin und wieder Talyrer sie aufsuchen, weil sie Fragen haben, Rat oder Wissen suchen. Sie ist klein, hat langes, dunkles Haar, ein hübsches Gesicht und auffallend grüne Augen, die schräg stehen wie bei einer Katze. "Komm herein und setz dich," fordert sie die junge Frau auf. "Was führt dich zu mir?" Als das Mädchen näher tritt, kann Niniane sehen, was vorher nur vage zu spüren war. Das Mädchen hat Elbenblut in sich, obwohl sie äußerlich mehr einem Menschen ähnelt , als die meisten Mischlinge, die Niniane schon gesehen hat. Sehr viel mehr, als sie selbst etwa und auch mehr als die allermeisten anderen Halbelben oder Elbenblütigen, die sie je gesehen hat. Bis auf ihre katzenhaften, schrägen Augen ist in ihrem Gesicht kaum etwas von elbischen Merkmalen zu entdecken und jeder andere hätte sie auf den ersten Blick wohl für ein Menschenmädchen gehalten.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 10. Mai 2004, 17:41 Uhr
Fast augenblicklich schwingt die Tür auf und Aurian betritt mit leichtem Zögern das Innere des Hauses. Die Ruhe und der Frieden, die sie schon bei ihrer Ankunft verspürt hat, verstärken sich nun noch mehr und all ihre Unsicherheit und ihre Angst scheint mit einem Mal verflogen. Der feine Duft tut das seinige, um eine Atmosphäre der Harmonie zu schaffen.
Aurian sieht sich noch in dem runden Vorraum um, als sie von einer leisen Stimme in einen der angrenzenden Räume gerufen wird. Hier sitzt eine Frau – Aurian ist sich sicher Niniane vor sich zu haben – in einem der Stühle, ein Kind im Arm, welches sie gerade stillt. Das Kleine zählt wohl erst wenige Tage. Durch die offenen Fenster fallen die Strahlen der Frühlingssonne und der blaue Falter, der auf einem der Fenstersimse gesessen hat, schwingt sich auf, flattert eine Runde durch den Raum und dann hinaus aus dem Fenster in Richtung der weiten Wiesen und Wälder des Larisgrüns.
>Komm herein und setz dich< mit einem freundlichen Lächeln weist Niniane auf einen ihr gegenüber liegenden Stuhl. Aurian tritt nun doch etwas zögernd näher, nimmt aber dann doch Platz. Sie merkt erst jetzt wie müde sie eigentlich schon ist. „Mein Name ist Aurian. Ich habe eine Botschaft von Lady Kizumu für Euch!“ Bei diesen Worten fingert sie den Brief aus der Tasche und überreicht ihn Niniane. Erst jetzt wird ihr die eigentümliche Augenfarbe der Frau – gold – bewusst. Als sie sich wieder zurücklehnt, rutscht der Anhänger ihrer Kette unter ihrem Hemd hervor. Ein Sonnenstrahl fällt darauf und lässt ihn eisblau aufblitzen.
Niniane hat die Botschaft

Min Ija,

wenn es deine und Crons Zeit erlaubt, würde ich euch gerne am Tag des Inarifestes zur zwölften Stunde am Nordstrand treffen.
Kizumu


soeben fertig gelesen und blickt genau in diesem Moment wieder auf. Ihr Blick fällt dabei auf das auffällige Schmuckstück.    

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 10. Mai 2004, 21:13 Uhr
Ach sieh an, was haben wir denn hier?  Ihr Gesicht verrät nichts von ihrer Überraschung, als sie den blauen Stein am Hals des Mädchens entdeckt. Sie läßt ihren Blick einen Moment darauf ruhen, dann schweifen ihre goldenen Augen nach oben und begegnen den grasgrünen der jungen Frau. "Ein schönes Schmuckstück, das du da hast." Ein wenig kostbar für ein einfaches Botenmädchen. Ihre Kleidung ist einfach, ein wenig abgetragen, aber  - im Gegensatz zu der manch anderer Botenkinder - sauber. Abgesehen davon, wenn ihr Vermögen und ihr Stand einen solchen Stein rechtfertigen würden, würde sie wohl kaum ihr Brot damit verdienen, Botschaften auszutragen und Nachrichten zu überbringen. Das Mädchen sieht an sich herunter, hebt den Stein leicht an und hält ihn ins Sonnenlicht, so daß er noch einmal aufleuchtet - und räumt damit ganz unbewußt Ninianes letzten Zweifel aus. Wußte ich doch, ich kenne diesen Stein... nur sah der letzte Hals, um den er baumelte ganz anders aus...

Shaerela ist eingeschlafen und sie nimmt sie hoch, zieht das Batisthemd wieder über der Brust zusammen und legt das Baby an ihre Schulter, um ihm sanft auf den Rücken zu klopfen. Der feine Geruch nach Puder und Ringelblumenöl steigt ihr in die Nase - und der unverwechselbare Duft weicher Babyhaut, der ganz eigene, zarte Geruch ihrer Tochter. Ein belustiges goldenes Glitzern geht durch ihre Augen, als Shaerela, so klein sie ist, vernehmlich aufstößt, ihren Schlaf dabei aber, den Göttern sei Dank, nicht unterbricht. Sie legt den Finger kurz an den Mund, um anzudeuten, daß Stille geboten ist, steht dann auf und legt das Baby in ein gepolstertes Weidenkörbchen, daß sicher auf einem niedrigen Tisch aus poliertem Holz in der Nähe steht. Sie legt ihre Tochter so vorsichtig ab wie einen zerbrechlichen Flakon mit Loas Öl und atmet erleichtert auf, als sie weiterschläft.

Dann kehrt sie zu dem Botenmädchen zurück, nimmt noch einmal die rätselhafte Botschaft Kizumus zur Hand und überfliegt sie. Am Inarifest am Strand? Warum bei allen Göttern? Es sei denn... Sie hat einen vagen Verdacht, aber der Gedanke bringt andere zurück - Erinnerungen, die sie lieber im Dunkeln hätte schlafen lassen und so schüttelt sie rasch den Kopf und wendet sich wieder der jungen Frau vor ihr im Sessel zu. "Dieser Anhänger, den du da trägst... weißt du, woher er stammt?" Stumm schüttelt das Mädchen den Kopf, nickt dann aber doch halb und sieht etwas verwirrt zu ihr hoch. Schließlich murmelt sie etwas von "Nun ja, nicht genau."  Niniane setzt sich wieder, streckt die Hand aus und lächelt, wobei sie sich sehr um ein menschliches Lächeln bemüht und versucht, jedes Katzengrinsen zu vermeiden. "Ich kenne den Stein. Es ist ein Elbenstein, weißt du, und als ich ihn das letzte Mal sah, trug ihn jemand anderes."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 10. Mai 2004, 21:41 Uhr
Aurians Augen werden noch größer als sie es ohnehin  schon sind. Ein Elbenstein? Die Gedanken des Mädchens wirbeln durch ihren Kopf und sie ist froh, bereits zu sitzen. Sonst.. ja sonst wäre sie wohl auf die nächstgelegene Sitzgelegenheit geplumpst und wenn es der Boden gewesen wäre. Aurian merkt nicht, wie ihre Gesichtsfarbe schneeweiss wird. Ihr Blick ist auf Ninianes Gesicht, ihre goldenen Augen, das Lächeln auf ihren Lippen gerichtet. Mit einer Hand fährt sie sich durch die schwarzen Haare und merkt das ihre Hand zittert, wie wohl ihr gesamter Körper. Sie kennt den Stein! Oh ihr Götter!

Zwischenzeitlich war ihr Blick aus dem Fenster hinaus abgeschweift, doch sie nimmt nichts von draussen wahr. Nun sieht sie ihr Gegenüber wieder an. Niniane lächelt noch immer das selbe Lächeln, und auch ihr Blick ist unverändert freundlich, doch mischt sich auch ein kleiner Anflug von Sorge dazu, was wohl daran liegt, dass das Mädchen noch immer aussieht, als würde sie gleich vom Stuhl kippen. "Ich ...ich.." Aurian muss mehrmals ansetzen, da ihr die stimme versagt. "Ich habe diesen Stein seit ich denken kann. Ich bin bei einfachen Bauersleuten aufgewachsen. Bis vor einem Jahr habe ich geglaubt ich sei ihre Tochter. Da sagten sie mir, dass sie mich gemeinsam mit dem Stein an ihrer Haustür gefunden hätten." Die Stimme des Mädchens wird immer brüchiger und leiser und eine einsame Träne kullert über ihre Wange, als sie daran zurückdenkt, wie ihr Leben von einem Tag auf den anderen in Scherben gelegen war. Sie will die Hand heben, um sie weg zu wischen, doch mit einem Mal hat sie das Gefühl, jegliche Kraft verloren zu haben.

Doch dann atmet sie einmal tief und hörbar ein und blickt Niniane in die Augen. Zwar sind die grünen Augen noch von einem Tränenfilm überzogen, doch eine gewisse Entschlossenheit leuchtet darin."Bitte sagt mir alles was Ihr über den Stein wisst. Vielleicht...vielleicht..." Sie spricht ihren letzten Gedanken nicht aus, zu groß ist die Angst vor der letzten Frage. Wer bin ich? Weiß vielleicht sie wer ich bin?

Das Baby im Weidenkörbchen schläft ruhig und nur das Gezwitscher der Vögel und das Summen der Insekten ist zu hören, als sich die beiden Frauen für einen Moment schweigend in die Augen sehen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 10. Mai 2004, 22:16 Uhr
Niniane sieht das Mädchen vor sich blaß und sprachlos werden, doch dann flammt Hoffnung so unvermittelt und klar in den grünen Augen auf, daß die Halbelbin langsam die Hände hebt, gleichsam um ihr Einhalt zu gebieten. Das Mädchen erzählt sichtlich aufgewühlt, was es zu sagen gibt und Niniane lauscht ihr mitfühlend. Armes Kind... >Ich habe diesen Stein seit ich denken kann. Ich bin bei einfachen Bauersleuten aufgewachsen. Bis vor einem Jahr habe ich geglaubt ich sei ihre Tochter. Da sagten sie mir, dass sie mich gemeinsam mit dem Stein an ihrer Haustür gefunden hätten.< Als sie endet, wird auch verständlich, warum eine einfache Bemerkung zu einem Schmuckstück sie derart aus der Fassung bringen konnte. Sie hat keine Ahnung, wer sie ist und woher sie stammt. Und vermutlich auch nicht, daß sie Elbenblut in ihren Adern hat... Einen Moment faßt sie sich, lauscht auf das gleichmässige Atmen ihrer Tochter und erinnert sich.

Je mehr sie das Mädchen vor sich betrachtet, desto mehr entdeckt sie Ähnlichkeiten in ihrem Gesicht. Die Linien von Kinn und Wangen, das feine, schwarze Haar, die Form der Nase, obwohl sehr weiblich. Lestat war ein gutaussehender Mann. Dieses Mädchen ist seine Tochter oder ich bin eine Frostriesin. "Es ist etwas mehr als zwanzig Sommer her, als ich den Stein zuletzt sah. Er gehörte einem Mann, einem bekannten Talyrer. Sein Name war Lestat de Winter. Ich kannte ihn nicht näher..." Zu meinem Glück und seinem Mißfallen... "...aber ich habe ihn einige Male gesehen und er trug den Stein. Es war wohl eine Art Familienerbstück. Ich weiß nicht, was an der Geschichte Wahres ist, aber die Marktfrauen klatschten damals hin und wieder, ein Elb habe den Stein der Familie de Winter einst zum Dank überlassen. De Winter stand im Dienst der Steinfaust, ein Blaumantel. Er diente dem alten Lord Commander als erster Offizier, soweit ich weiß. Wie ist dein Name?" Das Mädchen lauscht ihr mit großen Augen und Niniane kann die gespitzten Ohren unter dem dichten Haar beinahe sehen. "Aurian," erwidert sie atemlos und ein wenig ängstlich, welche Offenbarung wohl als nächstes käme.

Niniane nickt. Es gibt keine Möglichkeit, ihr das folgende schonend beizubringen, also sagt sie es geradeheraus. "Ich glaube, Lestat de Winter war dein Vater, Mädchen. Du siehst ihm ähnlich genug und du trägst seinen Stein." Niniane erinnert sich lächelnd an ein Sommerfest vor fünfundzwanzig Sommern, auf dem ein junger talyrischer Blaumantel den Buhurt gewonnen hatte. Lestat de Winter war ein Draufgänger und Weiberheld gewesen, der nichts hatte anbrennen lassen und ständig in Schwierigkeiten gewesen war - verwegen, tollkühn, immer zu einem Scherz bereit und ausgestattet mit dem gesegneten Selbstbewußtsein, das allen zufällt, die reich und stattlich geboren werden -  und niemand hatte ihm je ernsthaft böse sein können... bis zu jener leidigen Geschichte. Aber alle haben geahnt, daß es kein gutes Ende nehmen würde... Sie zögert, fortzufahren. Aurian hatte gerade eben erfahren, wer wohl ihr Vater gewesen war, Niniane ist keineswegs sicher, ob sie dem Mädchen die ganze Geschichte erzählen und ihr obendrein offenbaren sollte, daß sie kein Mensch war...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 11. Mai 2004, 07:33 Uhr
Aurian lauscht mit offenem Mund und angehaltenem Atem den Worten Ninianes. Unbewusst hat sie sich an der Sitzfläche des Stuhles festgeklammert, so dass ihre Fingerknöchel weiß hervortreten. Als sie nach ihrem Namen gefragt wird, schafft sie es, kaum ihn herauszubringen. Das Gehörte wirbelt durch ihren Kopf und ein Name brennt sich wie heißes Metall in ihrer Gedanken :Lestat de Winter Ninianes Beschreibung zu folgen war dieser Mann, der ihr ....Vater? ....sein soll, ein stadtbekannter Frauenfreund und –held. Und dem nicht abgeneigt. Das Lächeln, dass um die Lippen ihres Gegenübers spielt, nimmt Aurian seltsamerweise genau wahr. Sowie sie mit einem Mal überhaupt das Gefühl hat, dass ihre Sinne aufs höchste geschärft sind. Hat er auch versucht sie zu erobern? Hat er es geschafft? Die Welt scheint nur mehr aus diesem Raum im Baum zu bestehen, alles andere ist wie in einem Nebel verborgen: Ihre Aufträge, die Steinfaust, Talyra. Kurz blitzt Cleyrons Gesicht durch ihre Gedanken, aber sie kann diesen nicht halten. Immer wieder kehren sie zurück zu Ninianes Erzählung. Das alles trifft sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Zwar hatte Sol ihr in der Schmiede auch Ninianes Namen genannt, aber so wie sich das Gespräch entwickelt hat, hatte sie sich nicht darauf vorbereiten können. Hätte ich mich je auf so ein Gespräch vorbereiten können? Sie ist sich keineswegs sicher.

Aurian muss erneut schlucken, ehe sie ihre nächste Frage formulieren kann. „Wisst ...wisst ihr mehr über ihn...ich meine über ...Lestat de Winter? Ich meine, ich bin ganz im Süden Ildoriens aufgewachsen. Wie ... wieso...wenn er doch in Talyra war?! Was ist geschehen“  Ihre Sätze sind mitunter nur ein Gestammel, aber ein Blick in die goldenen Augen Ninianes sagt ihr, dass ihr Gegenüber genau versteht, was sie sagen will. Die Sonne steht schon etwas tiefer und erneut bringt einer ihrer Stahlen den Stein zum Blitzen. Bei diesem Anblick zuckt das Mädchen leicht zusammen. Sie hat das Gefühl, ganz knapp vor der, den Antworten zu stehen, die ihr vielleicht helfen würden, sich selbst zu finden, oder zumindest einen Teil von sich....

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 11. Mai 2004, 18:47 Uhr
"Äh... nein. Nein. So gut kannte ich Lestat de Winter dann auch wieder nicht," erwidert Niniane amüsiert, als sie in die weit aufgerissenen grünen Augen ihres Gegenübers blickt. Man muß nicht empathisch begabt sein, um zu sehen, woran Aurian gerade gedacht hatte. >Wisst ...wisst ihr mehr über ihn...ich meine über ...Lestat de Winter? Ich meine, ich bin ganz im Süden Ildoriens aufgewachsen. Wie ... wieso...wenn er doch in Talyra war?! Was ist geschehen..? Richtig oder falsch, dem Mädchen jetzt auf einmal die ganze Geschichte zu offenbaren - sie will und muß es augenscheinlich hören. "Nun..." leicht hilflos sieht sie in die fragenden, grünen Augen und sucht in ihrer Erinnerung nach den zahllosen Gerüchten und Klatschgeschichten, die vor über zwanzig Jahren in Talyra die Spatzen von den Dächern gesungen hatten. "Lestat de Winter war der Sproß einer angesehenen Familie aus dem talyrischen Umland, ein Krieger und zweifellos war er auch tapfer, aber er... ahm... er war... er - ich kann dir auch nur sagen, was damals an Gerüchten über ihn erzählt wurde, was die Leute geredet haben. Es heißt, er ließ sich mit einer verheirateten Frau ein. Es ging über ein Jahr und das will etwas heißen, denn der Junge war... nun, sagen wir, er hatte keinen guten Ruf, was Frauen angeht. Es kam, wie es kommen mußte, der gehörnte Ehemann kam ihm auf die Schliche, und da dieser ein Mann von Macht und Einfluß war, mußte Lestat Talyra Hals über Kopf verlassen. Die arme Frau hatte nicht soviel Glück... der alte Tallard hat sie geächtet und verstossen, soweit ich weiß." Und wenn man ihn gelassen hätte, hätte er sie ohne mit der Wimper zu zucken einen Kopf kürzer machen lassen, genauso wie Lestat... "Was danach aus Lestat wurde..." sie zuckt mit den Schultern. "Ich glaube, das letzte, was ich von ihm hörte, war eine Geschichte, daß er nach Sûrmera gegangen war, um sich dort als Söldner zu verdingen. Er soll in den Nomadenaufständen südlich der Erikarberge gekämpft haben, aber ob das wahr ist, kann ich dir nicht sagen... aber Aurian... so sicher ich mir bin, daß er dein Vater ist, du weißt auch nichts über deine Mutter, nicht wahr? Wenn du sagst, du wurdest mit dem Stein ausgesetzt auf einer Türschwelle gefunden."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 11. Mai 2004, 21:20 Uhr
Aurian lauscht gespannt NInianes Erzählung, die in ihren Erinnerungen zu kramen scheint, um die Ereignisse von damals wieder herauf zu beschwören. Es scheint, als würden sich die Nebel ihrer Vergangenheit ein klein wenig lichten und einen kleinen Ausschnitt darauf freigeben, was vor ungefähr 20 Sommern geschah. Aber je mehr sie hört, desto mehr hat sie das Gefühl, dass alles in ihrem Kopf sich dreht. >...Sproß einer angesehenen Familie ....Krieger...zweifellos auch tapfer...mit einer verheirateten Frau eingelassen...er hatte keinen guten Ruf, was Frauen angeht< Dieser letzte Satz klingt nachhaltig in ihren Ohren. Oh ihr Götter! Das klingt als habe ...Lestat - ihn Vater zu nennen, schafft das Mädchen noch nicht mal in Gedanken - ...sich damals ziemlichen Ärger eingehandelt! Er musste deswegen sogar ...fliehen! Erinnerungen an ihren eigenen Weggang aus dem Dorf werden wach und für einen kurzen Moment schießt ein Bild durch ihre Gedanken, dass sie eigentlich nur aus ihren Alpträumen kennt: stechende schwarze Augen und ein höhnisches Lachen, und der Satz, den sie während ihrer Reise nach Talyra von der seltsamen Alten aus dem Wald an den Kopf geworfen bekommen hatte: Ehrlos wie der Vater,...

Doch  als Niniane den Namen Sûrmera erwähnt, ist das Schreckgespenst ihrer näheren Vergangenheit schlagartig verschwunden und Aurian zuckt zusammen. "Das Dorf ... es war ... ist in der Nähe von Sûrmers!" Diese Worte sind sehr leise, sodass sie nicht weiß ob ihr Gegenüber sie verstanden hat. Es ist wohl auch egal, denn Niniane scheint zum einen der festen Überzeugung zu sein, in ihr Lestat de Winters Tochter zu erkennen. und es spricht wirklich einiges, wenn nicht alles dafür. Zum anderen scheint sie auch genau zu spüren, was das Mädchen denkt und fühlt, sofern sie es nicht ohnedies in Aurians Augen lesen kann. Die ganze mühsam aufgebaute Selbstsicherheit des Mädchens ist verschwunden und ihre Verwirrung steigert sich beinahe ins Unermessliche.

Als Niniane sie nach ihrer Mutter fragt, schüttelt sie den Kopf. "Nein! Ich weiß rein gar nichts." Ihre Stimme ist nur mehr ein Flüstern und die ohnedies rauchige Stimme ist beinahe schon ein atemloses Krächzen. Langsam hebt sie den Blick, denn in den letzten Minuten hat sie eigentlich nur mehr ihre Schuhspitzen fixiert, ohne diese wirklich zu sehen. Eine Strähne ihrer langen Haare hängt quer über ihr Gesicht. Angst aber auch ein ganz kleiner Funken Neugierde liegen in ihren Augen. Wovor fürchtest du dich eigentlich? Es war dir doch bewusst, dass die Wahrheit sicher nicht angenehm sein würde. Aber zwischen Wissen und dann am eigenen Leib erfahren ist doch ein großer Unterschied, wie das Mädchen nun feststellen muss. Nur zu deutlich spürt sie, dass Niniane mit ihren Offenbarungen noch nicht am Ende ist und so harrt sie der Worte, die noch folgen würden.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 12. Mai 2004, 22:49 Uhr
Aurians Antwort: >Nein! Ich weiß rein gar nichts.< überrascht Niniane nicht wirklich - und als das Mädchen sie weiterhin unverwandt hoffnungsvoll und ängstlich zu gleich ansieht, fragt sie sich, was sie hier eigentlich tut. Sie weiß nichts von diesem Kind - und doch mehr als es selbst. Sie hat Aurian gerade vor einer Viertelstunde zum ersten Mal gesehen, kennt gerade eben ihren Namen und weiß, daß sie als Botenmädchen in der Steinfaust ein Auskommen hat, aber sonst... warum tue ich das? Warum mische ich mich ungefragt in ein Leben... schon wieder? Nun ja, nicht ungefragt. Sie hat gefragt. Ich hätte meinen Mund halten sollen... das arme Ding so zu überfallen... Götter im Himmel, du lernst es nie, oder? Halt das nächste Mal, wenn dir irgendein vermaledeiter Stein bekannt vorkommt einfach deine große Klappe! Eine Weile ruht ihr Blick nachdenklich auf dem jungen Mädchen vor ihr. Wie alt kann sie sein? Neunzehn Sommer allerhöchstens... und jetzt sieh dich an. Wie alt bist du geworden - und kein bißchen weiser. Sie steht auf und schenkt aus einer bauchigen Karaffe auf dem Kaminsims eine goldbraune, klare Flüssigkeit in zwei schwere, niedrige Gläser. "Hier, trink das. Es ist Uisge Baha aus Laigin, aber schön mild. Wir Elben nennen es Aêlinorfar." Sie drückt Aurian ein Glas in die Hand, verläßt das Mädchen und ihr schlafendes Kind kurz, kehrt aber gleich darauf mit einer Schale dampfenden Tees zurück. "Und das hier wird dir auch gut tun." Dann setzt sie sich Aurian gegenüber, sieht der jungen Frau forschend und ernst zugleich in die grünen Augen, holt noch einmal tief Luft und rückt endlich mit der Sprache heraus. "Ich glaube, deine Mutter war eine Elbin oder zumindest elbischen Blutes. Ich habe noch nie eine Halbelbin gesehen, die so menschenähnlich war, wie du, aber ich täusche mich nicht. Du hast Elbenblut in dir, Aurian, mein Wort darauf. Und das bedeutet, du bist nicht nur menschlich. Es bedeutet auch, daß in dir gewisse Fähigkeiten schlummern.... eine Begabung für Empathie, die Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, ein gutes Gehör, eine gewisse Geschicklichkeit. Eine Unempfindlichkeit gegen viele Krankheiten. Ob du selbst diese Talente auch nutzen können wirst, ist eine andere Sache... ich habe schon von Elbenmischlingen gehört, die nicht einmal senden konnten, aber... du wirst sie vermutlich vererben - falls du jemals Kinder bekommst. Elben und jene elbischen Blutes sind leider nicht sehr... fruchtbar." Ein vager Schatten huscht durch Ninianes goldene Augen, als erinnerten sie diese Worte an einen alten Schmerz, der vielleicht lange vergangen ist, sie aber nie loslassen wird. "Und... du wirst nicht altern. Nicht so wie die Menschen. "

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 12. Mai 2004, 23:48 Uhr
>...Elbenblut!< Das Wort klingt in Aurians Kopf wie ein Paukenschlag. Sie starrt auf das Glas in ihrer Hand, dann zu Niniane und wieder auf das Glas. Dann nimmt sie einen großen Schluck und hätte sich fast daran verschluckt. Noch nie in ihrem Leben hat sie Wiskey getrunken und dieser, ist er auch noch so leicht, brennt ihr ungewohnt in der Kehle. Den Tee anzurühren, dazu kommt sie vorerst gar nicht, denn als ihr die Elbin erklärt, was das bedeutet, dieses Blut in sich zu haben, wird ihr Angst und Bange. >Es bedeutet auch, dass in dir gewisse Fähigkeiten schlummern...< Nein, das kann, das darf nicht sein! Es kann nicht wahr sein, dass das alles geschieht.  Die nackte Panik steht ihr ins Gesicht geschrieben. Die letzten Sätze Ninianes nimmt sie kaum mehr wahr, was sie da über vererben, nicht altern und all das andere sagt. Nur der eine Satz >...gewisse Fähigkeiten schlummern< klingt in ihren Ohren. Wie im Trance leert sie das Glas und der Aêlinorfar brennt bei weitem nicht mehr so stark wie beim  ersten Schluck.

Die Erinnerung an den Grund ihrer Flucht, den nichts anderes war ihre Abreise, drängt sich hervor. Solange verschlossen in den Tiefen ihres Geistes droht es sie nun zu überrennen. Niniane hat ihr Glas wortlos wieder gefüllt und Aurian merkt nicht einmal, wie sie es beinahe in einem Zug leert. Dazwischen nippt sie auch an dem Tee, der einen eigenen Duft verströmt und auch einen eigenen Geschmack hat. Was es ist, könnte sie beim besten Willen nicht sagen, selbst wenn sie in der Lage wäre, einen klaren Gedanken zu fassen. Davon ist sie aber weit entfernt. Vor den Fenstern senkt sich langsam die Nacht über das Larisgrün und der Ruf eines Käuzchens ist zu hören.

Plötzlich schießt ihr durch den Kopf, dass sie ja noch eine vierte Botschaft zu überbringen hat, aber als sie aufstehen will, beginnt das gesamte Kaminzimmer sich zu drehen, sodass sie wieder in den Sessel zurückplumpst. Was bei allen Göttern? Aurian unternimmt einen weiteren Versuch, sich zu erheben und diesmal schafft sie es sogar.  Aber der Wiskey tut dennoch seine Wirkung: Zum einen ist das Mädchen so ein Getränk nicht gewohnt, zum anderen hat sie den Tag über nicht viel gegessen. Als sie nun einen Schritt vorwärts macht, hat sie das Gefühl, der ganze Boden würde schwanken und auf sie zukommen. Vergeblich sieht sie sich nach einem Halt um. Zu spät! Sie fällt auf die Knie und der Schmerz, der ihr durch die Gelenke fährt, ist wie ein Schlag, der alle Schleusen öffnet: Tränen rinnen ihr wie Sturzbäche übers Gesicht und ein lautloses Schluchzen packt ihren Körper. Am ganzen Körper bebend kauert sie da, unfähig den Kopf zu heben oder gar aufzustehen. Zum einen, weil sich alles um sie herum dreht, was wohl am Wisky liegen mag, zum anderen, weil ihr jegliche Kraft fehlt. Ihre größte Angst, dass das Gefühl, dass sie schon immer hatte, dieses Gefühl, das ihr gesagt hat, dass irgendetwas in ihr schlummert, das eben dieses Gefühl keine Einbildung ist, hat sich bewahrheitet. Nackte Verzweiflung ist in dem Mädchen. Nur ganz am Rande nimmt sie wahr, das Niniane an sie herangetreten ist und sie behutsam an den Schultern nimmt. „Was ...was jetzt? Wie... warum...?“ Sie bringt keinen zusammenhängenden Satz heraus und nur mit Mühe schafft sie es, die Elbin aus tränengefüllten Augen anzusehen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 13. Mai 2004, 00:21 Uhr
Sie hat ja damit gerechnet, daß diese Offenbarung für das Mädchen ein gelinder Schock sein würde, aber eine derart verzweifelte Reaktion hat sie wirklich nicht erwartet. Aurian ist verwirrt - was verständlich ist - aber die Angst und das Entsetzen in ihren Augen kann Niniane nicht einordnen... nicht in diesem Ausmaß. "Setz dich und beruhige dich erst einmal. Beruhige dich!"  Das Mädchen hört ihr gar nicht zu. Sie steht auf, schwankt wie ein Schilfrohr im Wind, fällt zurück, steht wieder auf ... und wäre prompt beinahe auf der Nase gelandet. Die Tränenflut, die darauf folgt, kann Niniane nicht mehr aufhalten, also tut sie das einzige, was ihr übrig bleibt: sie reicht dem Mädchen ein Batisttuch, nimmt sie sanft an den Schultern und bugsiert sie vorsichtig, aber unnachgiebig in den runden, elbischen Sessel zurück. Dann holt sie eine Decke aus hunderten winziger Mäusepelze und legt sie ihr um die Schulter. >Was.. was jetzt? Wie... warum?< Ihre Fragen sind nichts als unzusammenhängendes Gestammel und Niniane hat keine wirkliche Antwort. Eine Weile schweigt sie, gibt Aurian die Gelegenheit und die Zeit, sich zu fassen und ein wenig zu beruhigen... und als sie spricht, ist ihre Stimme sehr ruhig, sehr gefasst und sehr ernst.

"Ich weiß nur, was ich sehen und spüren kann. Du hast elbisches Blut in dir. Wenn Lestat de Winter dein Vater war, muß es von deiner Mutter kommen, denn er hatte keinen Tropfen Elbenblut, soviel ist sicher. Ob die Frau, die dich geboren hat, eine reinblütige Elbin oder selbst ein Elbenmischling war, kann ich dir nicht sagen. Man sieht es dir wirklich kaum an, rein äußerlich meine ich. Ich verstehe nicht... ich verstehe nicht, was dich daran so erschreckt. Ich weiß, daß das alles ein Schock für dich war, daß du vieles nicht verstehst und verwirrt bist, aber ich kann dir versichern, es ist nichts schlimmes... nichts... verwerfliches daran, Elbenblut in sich zu haben." Belüg sie nicht. Es gibt durchaus Schattenseiten...zumindest für jene, die nicht für die Ewigkeit gemacht sind. Darauf kann einen niemand vorbereiten. Sie schüttelt den Kopf, um den Gedanken zu verscheuchen... dafür war später, irgendwann, morgen... in hundert Jahren noch genug Zeit. Das Mädchen hat gerade genug wegstecken müssen, mach ihr nicht auch noch Angst.
Draußen schickt sich eine blutrote Sonne an, über den Baumwipfeln im Westen zu versinken und der See dunkelt von silbrigem Abendgrau zu tiefem Purpur und schwarzen Schatten. Die Vögel singen ihr Abendlied in den Heckenrosen und in der Krone ihres Baumes flammen wie von Geisterhand entzündet, die Laternen auf und tauchen ihre Lichtung in Bernsteinschimmer.

Sie hört Gerion, Arwens Stallknecht, der heute zum letzten Mal bei ihr erscheint, um Nachtwind im Stall zu versorgen, aber der Junge weiß selbst, was er zu tun hat und würde sie nicht weiter stören - er kam nie in den Baum. Am Morgen hatte sie ihn aufgehalten, ihn mit freundlichen Grüßen nach Vinyamar geschickt und ihm mitgeteilt, daß er nicht mehr zu kommen bräuchte, sie würde sich von jetzt an wieder selbst um die Stute kümmern. Der arme Junge war so verdattert gewesen, daß er kein Wort mehr herausgebracht hatte, außer ein gestammeltes "nur noch heute abend, M'lady".  
Aurian hat sich in die Decke gekuschelt und sieht sie nach wie vor an. "Wenn du Fragen hast, frage. Ich werde dir so gut ich kann Rede und Antwort stehen. Aber wer deine Mutter war oder was sie war, kann ich dir nicht sagen, Aurian. Ich weiß nur, daß sie elbenblütig gewesen sein muß... und warum sie dich ausgesetzt hat..." Niniane zuckt hilflos mit den Schultern. "Das kann ich dir noch weniger sagen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 13. Mai 2004, 06:36 Uhr
Widerstandslos lässt sich Aurian von Niniane auf die Beine ziehen und wieder zurück in den Sessel schupsen. Als ihr die Elbin dann eine Decke um die Schultern legt, schmiegt sie sich in diese. Schön weich ist sie und das Fell vermittelt ein Gefühl der Geborgenheit. Unwillkürlich rollt sie sich etwas mehr zusammen, zieht die Beine an und schnieft in das Batisttuch. Langsam wird der Tränenfluss weniger. Sie wagt es sogar einen weiteren Schluck vom Tee zu nehmen, obwohl ihre Hand zittert wie Espenlaub und wäre die Tasse noch voll gewesen, sie hätte sicher die Hälfte verschüttet. Inzwischen sind wie von Zauberhand die Lichter rund um den Baum angegangen und verströmen ein warmes, freundliches Licht. Das Kind im Weidenkörbchen bewegt sich im Schlaft, erwacht jedoch nicht, und nach einem kurzen Moment ist nur mehr sein ruhiger Atem zu hören.

>...es ist nichts schlimmes... nichts... verwerfliches daran, Elbenblut in sich zu haben< Aus Ninianes Mund klingt das wirklich so, als wäre es nicht schlimm und für einen Moment ist Aurian auch versucht, daran zu glauben, ihr Leben so weiter zu leben, wie sie es hier in Talyra eben erst begonnen hat und alles einfach zu ignorieren. Aber sie weiß nur zu gut, dass das nicht möglich ist. „Ich habe Angst! Angst vor mir selbst! Ich habe manchmal schon gespürt, dass ich anders bin, das ist wahr, aber ich habe es verdrängt!“ Bei diesen Worten rutscht sie noch etwas tiefer in den Sessel.  Ihre großen Augen sind auf die Elbin gerichtet und sie sieht so verletzlich und hilflos aus, wie eine kleines Kätzchen, das zum ersten Mal in die Welt hinaus tappt und sie nicht verstehen kann. Aurian schnieft noch einmal kurz auf, dann nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen und stellt dann doch Fragen: “ Ihr habt gesagt ich altere nicht wie Menschen. Was heißt das? Dass ich nicht sterbe? Und diese....Fähigkeiten....“ – bei diesem Wort stockt sie etwas, es fällt ihr schwer, das auf sich zu beziehen – „...wie, ich meine,...kann ich sie...beherrschen...“ ...oder beherrschen sie mich? Der letzte Teil des Satzes hängt unausgesprochen in der Luft, doch Niniane ist anzusehen, dass sie weiß, was Aurian meint. Die Elbin hat sich dem Mädchen inzwischen wieder gegenüber gesetzt, sodass ihr Gesicht auf gleicher Höhe ist. Auch sie hat sich eine Schale Tee eingegossen, an der sie nippt. Aurian tut es ihr gleich, wenngleich sie nichts schmeckt. Es ist eher so, dass sie sich an der Tasse festhält. Ihren Rettungsanker, den Stein, wagt sie nicht mal zu berühren. Die Enthüllungen über ihren Vater Lestat de Winter waren mit Sicherheit nicht dass, was man sich von seinem Vater zu erfahren erhofft, aber immerhin war die Geschichte greifbar, verständlich. Auch wenn er sich damit Feinde gemacht hat, ...damit wird’ ich schon fertig Die Sache mit ihrer elbischen Herkunft hingegen verunsichert sie um einiges mehr und sie ist dankbar dafür, dass Niniane ihr die Möglichkeit gibt, darüber nach zu sprrechen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 14. Mai 2004, 09:48 Uhr
"Angst vor dir selbst? Aber warum....?" Niniane kann sich nicht vorstellen, daß die elbischen Talente wie Nachtsicht und Immunität gegen gewisse Krankheiten einem Mädchen wirklich solche Angst machen können... die empathische Begabung, gut, vielleicht wenn sie stark ausgeprägt war und niemand einem je beigebracht hatte, Gedanken und Gefühle anderer auszublenden... aber Aurian scheint eher wenig vom Senden zu wissen. Es sei denn, ihre Angst gilt etwas ganz anderem.... Einen Moment sieht sie das Mädchen vor sich im Sessel so aufmerksam an, als wolle sie in ihr Inneres blicken - und Aurians nächste Worte bestätigen ihr, daß sie sehr wahrscheinlich etwas anderes meint, als die rein physischen Fähigkeiten, die ihr das Elbenblut vererbt hat. "Ja, du wirst nicht altern, wie die Menschen. Das heißt..." einen Augenblick zögert sie, legt sich die Worte zurecht wie ihre Gedanken.

"Ich habe dir schon gesagt, ich weiß nicht, ob deine Mutter eine reinblütige Elbin war oder selbst ein Elbenmischling. War sie ersteres, so zählst du zu den Halbelben, zu den Ilfores, so wie ich. Niemand, nicht einmal der weiseste Gelehrte dieser Welt  kann sagen, wie lange ein Halbelbenleben währt. Die Elben sind unsterblich. Kommen sie nicht gewaltsam zu Tode oder verlieren jeden Lebenswillen, gehört ihnen die Ewigkeit. Albion Graumantel hat in einer Abhandlung über die Völker Rohas geschrieben, daß den Halbelben somit vermutlich die Hälfte der Ewigkeit gehöre..." ein bitteres Lächeln huscht bei diesen Worten über ihr Gesicht wie ein Schatten. "Die Wahrheit ist, niemand weiß, wie lange ein Halbelb lebt. Sieh mich an. Ich bin die erste Halbelbin, die geboren wurde, und ich lebe seit über fünftausendfünfhundert Jahren." Diesmal bleibt das bittere Lächeln und die goldenen Augen dunkeln zu einem glitzernden Bernsteinbraun.

"Dein Äußeres wird sich nicht verändern....du wirst weder alt, noch gebrechlich werden. Dein Haar wird seine Farbe nicht ändern, dein Augenlicht wird dich nicht verlassen... nichts von all dem wirst du ertragen müssen." Das bittere Lächeln wird zu einer Maske der Wehmut, aber Niniane spricht ihre nächsten Gedanken nicht aus. Dafür wirst du sehen, wie dürre Jahrhunderte vorbeirollen und hungrige Jahrtausende vorüberziehen. Du wirst sehen, wie die Welt allmählich alles  Licht und alle Farben veliert und sich im ewig gleichen Tanz aus Freude, Leid, Trauer, Liebe, Angst, Hass und Schmerz dreht. Du wirst verlernen, dich lebendig zu fühlen und irgendwann nur noch sein - bis du die Leere nicht mehr ertragen kannst und den Tod umarmst.

"Dein Äußeres wird immer so bleiben, wie es jetzt ist. Und was das beherrschen der elbischen Fähigkeiten angeht." Sie wedelt nachsichtig mit den Fingern, lang und schlank, beringt mit schweren in Silber gefassten Mond- und Bernsteinen. "Du konntest im Dunkeln schon immer ein wenig besser sehen, als andere Kinder, oder? Katzenaugen. Elbische Augen filtern mehr Licht, als menschliche - nur in vollkommener Finsternis können auch Elben irgendwann nichts mehr sehen. Dein Gehör ist gut, etwa zweimal so scharf wie menschliches Gehör. Hast du auch die empathische Begabung geerbt? Die Elben haben ein sehr feines Gespür für Gedanken und Gefühle anderer. Sie können in Gedanken mit einem anderen empathiebegabten Wesen sprechen, ohne ein Wort zu gebrauchen. Die Elben nennen es "Senden"... hast du schon einmal etwas derartiges gespürt? Einen Menschen... oder ein Wesen... angesehen und gewußt, was er dachte oder fühlte? Es kann auch sein, daß du dieses Talent nicht geerbt hast oder daß es sehr schwach ausgeprägt ist.  Die meisten Halbelben haben es, aber ich habe auch schon ein oder zwei getroffen, die es überhaupt nicht konnten."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 14. Mai 2004, 14:31 Uhr
Ninianes Blick scheint bis in das Innerste Innere von Aurians Seele vorzudringen, bis auf den Grund ihrer Gedanken und Gefühle. Einen flüchtigen Augenblick lang hat das Mädchen das Gefühl einer Verbindung. Ilfores, so nennt man das was ich bin also! Als die Halbelbin ihr Alter erwähnt, reißt sie Augen auf. Über fünftausendfünfhundert Jahre? Bei dem Gedanken an so ein langes Leben schwirrt ihr der Kopf noch mehr als er es ohnehin tut –eindeutig auch  eine Folge des Aêlinorfar. Es entgeht ihr aber auch nicht der schwermütige Ausdruck in Ninianes Augen. Was mag sie schon alles gesehen und erlebt haben?Unwillkürlich schmiegt sie sich noch fester in die Decke
Als die Elbin nach ihrer  Sinneswahrnehmung  frag, runzelt sie die Stirn. Es war ihr nie bewusst gewesen, dass sie in der Dämmerung deutlicher besser sehen konnte als die anderen Menschen. Zwar hatte ihr ein Junge aus dem Dorf den Spitznamen „Kleine Katze“ gegeben, sie hatte ihn aber immer einzig auf die Form und Farbe ihrer Augen bezogen, niemals auf etwas anderes. Und das mit dem geschärften Gehör...ja...vielleicht. Sicher hat sie auch eine gute Orientierung... >Hast du auch die empathische Begabung geerbt?... sehr feines Gespür für Gedanken und Gefühle anderer< Dieser Satz unterbricht ihre Gedanken und lässt sie aufblicken. „Manchmal...manchmal habe ich schon das Gefühl, zu spüren, was jemand fühlt, wie es ihm geht. Aber nur wenn ich ihn kenne oder ...seine Empfindungen sehr stark sind.“ Mit einem Schauern denkt sie an den Hass zurück, der ihr am Abend ihrer Flucht entgegen geschlagen war. Wie deutlich er gewesen war, beinahe greifbar. Nur ihre eigene Angst war damals größer gewesen und hatte sie davor bewahrt, von dieser Welle erschlagen zu werden – im wahrsten Sinne des Wortes.
„Und manchmal habe ich das Gefühl, zu spüren, ob jemand in meiner Nähe ist, noch bevor ich ihn sehe. Aber auch nur, wenn er mir bekannt ist...oder er etwas von mir will!“ Der letzte Teil des Satzes ist wieder nur ein sehr leiser Zusatz. Ist es also ein Teil von mir? Werde ich doch nicht verrückt? Fast ist sie erleichtert, denn mitunter hat sie sich schon gefragt, ob sie nicht unter Verfolgungswahn leidet.
Inzwischen hat sich Dämmerung immer mehr über das Larisgrün gesenkt und der Mond steigt hinter den Wipfeln der Bäume empor. Auch die ersten Sterne sind bereits am Himmel zu sehen. Aurians Blick schweift zum Fenster hinaus und wieder wird ihr der tiefe Frieden bewusst, mit den dieses Haus- oder sollte sie lieber sagen dieser Baum – vom ersten Moment an auf sie gewirkt hat. Gleichzeitig wird ihr aber auch bewusst, dass sie wohl durch den Wald und anschließend durch die Straßen quer durch ganz Talyra zur Steinfaust wird zurückgehen müssen und diesen Gedanken empfindet sie alles andere als angenehm. Zwar hat sie nicht direkt Angst, aber mulmig ist ihr schon bei dem Gedanken, zumal sie sich nun sicher ist, dass sie sich ihren Verfolger nicht eingebildet hat. Und dass er sie meint. Aber dennoch, eine Frage brennt noch in ihr und sie muss diese nun einfach noch los werden: „Bitte haltet mich nicht für....“ sie ringt nach den richtigen Worten, „...dumm, aber was bedeutet das jetzt alles für mich, für mein Leben, meine Zukunft? Ich meine...mein Vater, meine ...“ wieder stockt sie etwas, „...elbische Seite. Wie soll damit umgehen?“ Wieder spiegelt sich die Unsicherheit in ihren Augen.        

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 15. Mai 2004, 21:38 Uhr
"Das kann ich dir nicht sagen, Mädchen. Ich..." sie verstummt. Sie hat Aurian schweigend gelauscht, nur hin und wieder genickt, wenn das Mädchen erwähnt hat, was sie spüren, hören und empfinden konnte - Fähigkeiten, die früher keinen Sinn ergaben, sie vielleicht sogar verwirrten, nun aber eine Bedeutung und einen Grund haben. Ihr Blick geht aus dem Fenster in die mondsilbrige Nacht hinaus. "Du scheinst empathische Fähigkeiten zu haben, aber nicht sehr stark ausgeprägt. Ich weiß nicht, ob du je Senden können wirst, so wie Elben es können, aber du kannst versuchen, es zu lernen... es ist jedoch nicht nur eine Gabe, Aurian. Empathiebegabung beinhaltet auch die Gefahr, von allzu übermächtigen Gefühlen anderer vollkommen eingenommen zu werden. Und man wird auch angreifbar, lernt man nicht, seinen Geist zu verschließen." Ihr Blick folgt dem des Mädchens und eine Weile schweigen sie beide. "Ich halte dich nicht für dumm, aber ich habe... keine Antwort für dich. Was das alles für dich bedeutet... nun, ich würde sagen, daß hast du in der Hand." Niniane legt den Kopf leicht schräg, was das katzenhafte in ihren Zügen noch deutlicher werden läßt und sieht Aurian an. "Ich weiß, all das zu erfahren, war ein Schock für dich, aber ändert es denn etwas? Das, was du bist, warst du auch vorher schon, nur wußtest du es nicht. Es ändert alles... und nichts zugleich, oder? Und wie du damit umgehen sollst, nun..." sie zuckt leicht hilflos mit den Schultern.
Shaerela unterbricht sie, erwacht in ihrer Wiege, hebt das schwankende Köpfchen von den glatten Kammgarnlaken und gibt unmißverständliche Laute von sich. Niniane steht auf und hebt ihre Tochter hoch, legt sie sich an die Schulter und klopft ihr beruhigend den Rücken. "Du kannst nicht schon wieder Hunger haben, min Lia, ich habe dich vorhin gefüttert," flüstert sie und legt ihre Wange einen Moment an den seidenweichen, schwarzen Haarflaum auf dem runden Köpfchen. Shaerela verkündet mit unmutsvollem Quäken, daß sie nicht zu trinken, sondern herumgetragen zu werden wünscht und so wandert Niniane langsam im Raum hin und her und wiegt das Baby auf ihrem Arm. "Irgendwie mußt du damit umgehen, denn du bist nun einmal, was du bist und kannst nicht aus deiner Haut.... das können wir alle nicht." Sie sieht auf das zweifelnde Mädchen, nimmt ihr langsames Umherwandern wieder auf und fragt sich, warum sie sich über das Schicksal einer völlig fremden solche Gedanken macht. "Ich kann dir nur den Rat geben, deinen Weg zu gehen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 16. Mai 2004, 06:33 Uhr
Inzwischen hat sich Aurian vollkommen in dem runden Elbensessel zusammen gerollt und verschwindet so fast zur Gänze in der Decke. Aufmerksam und immer noch zweifelnd lauscht sie Ninianes Worten. Die Tränen sind mittlerweile zur Gänze versiegt, und nur mehr die Spuren auf ihrem Gesicht zeugen von dem vorangegangenen Weinkrampf. Auch wenn die Halbelbin ihr keinen wirklichen Rat geben kann, haben ihre Worte doch etwas tröstliches, verständnisvolles. Es tut Aurian einfach gut, ihre Ängste in Worte zu fassen, es ist, als würden sie kaum dass sie ausgesprochene sind, einen Teil ihres Schreckens verlieren.
Das Kind im Weidenkörbchen verlangt nun auch sein Recht nach Aufmerksamkeit und Niniane beginnt mit dem Kleinen im Arm im Raum auf und ab zu gehen. Auch wenn man nicht empathisch ist, spürt man die tiefe Liebe, die von ihr ausgeht, eine Liebe, die nur eine Mutter ihrem Kind entgegen bringen kann. Es versetzt Aurian einen kleinen Stich, als sie daran denken muss, dass ihre Mutter – ihre leibliche Mutter – sie einfach verlassen hat. Es hat ihr bei den Zieheltern an nichts gefehlt, aber es war so wie es auf einem Bauernhof eben ist: Bedingt durch die viele Arbeit war sie schon früh ziemlich selbstständig gewesen, da es einfach nicht anders möglich war.
Immer wieder spürt sie die goldenen Augen auf sich ruhen. >Es ändert alles... und nichts zugleich, oder? < Dieser Satz geht dem Mädchen immer wieder durch den Kopf. „Es stimmt wohl. Aber eigentlich ändert es alles und vielleicht ist das gut so: Seit einem Jahr bin ich weg aus dem Dorf und seit einem Jahr quält mich die Ungewissheit.  Nun weiß ich wenigstens zu einem Teil Bescheid, wenigstens über das was, wenn auch nicht über das warum. Ich muss wohl nun wirklich lernen mit mir selbst zu leben. ...Und was das Senden lernen angeht....vielleicht werde ich versuchen es zu lernen, später.“ Bei diesen Worten zieht ein schiefer Grinser über ihr Gesicht „Ich habe wohl Zeit genug. Versteht mich bitte nicht falsch, aber ich muss mich erst daran gewöhnen, zu sein was ich bin.“ Aurians Augen suchen erneut Ninianes Blick , in der Hoffnung, Verständnis darin zu finden. „Auf jeden Fall danke ich Euch für alles: Dafür, dass ihr mir die Wahrheit gesagt habt und auch dafür, dass ihr mir einfach zugehört habt!“ Ihr Blick ist nun wieder ernst, das Grinsen hat sich verzogen und nur zu deutlich ist zu spüren, wie ehrlich sie das eben gesagte meint.
Inzwischen ist der Tee zur Gänze gelert und eine tiefe Müdigkeit bemächtigt sich Aurians. Mit einem leichten Grauen denkt sie an den relativ weiten Weg zur Steinfaust, aber es hilft ja nichts. „Ich glaube es ist Zeit, dass ich zur Kaserne zurückkehre. Ich habe Eure Zeit nun wirklich schon zu lange beansprucht!“ Mit einem Seufzer wickelt sie sich aus der Decke und erhebt sie sich, dieses Mal aber bedeutend langsamer als vorhin. Immerhin hat sie keine Lust wieder hinzufallen. Dennoch: Der Raum schwankt. Ich rühre nie mehr Alkohol an, ich bin ja beschwipst! Aurian beißt die Zähne zusammen und hofft das Drehen sich legen würde.  Der Rückweg würde sehr lang werden!
 

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 17. Mai 2004, 07:41 Uhr
Als Aurian sich tapsig erhebt und dann einen Moment blinzelnd stehen bleibt, unterdrückt Niniane ein belustigtes Schniefen und unterbricht ihr Umherwandern mit dem Baby auf ihrem Arm. "Ich glaube, du bleibst über Nacht lieber hier," sie sieht das Mädchen freundlich und abschätzend an. Aurian startet ein paar schwache Versuche, das Angebot abzuwehren, nickt dann aber doch und plumpst seufzend in ihren Sessel zurück.  Niniane bedenkt sie mit einem wissenden Lächeln, nimmt ihre Tochter mit in die Küche des Baumes und richtet ein leichtes Nachtmahl aus Brot, Butter, Käse und kaltem Braten. Während sie leise auf ihre Tochter einmurmelt, die schläfrig und schwer auf ihrer Schulter liegt und einhändig Mundmesser, Teller und Speisen auf ein Tablett häuft, folgt ihr Aurian und bietet ihre Hilfe an.
Sie essen im Kaminzimmer vor dem knackenden Feuer und Niniane stillt Shaerela für die Nacht. Inzwischen hatte sich die Kleine angewöhnt, wenigstens ein paar Stunden am Stück durchzuschlafen. Aurian erzählt schüchtern ein wenig von ihrem Leben in der Steinfaust und Niniane rät ihr, sich von Lord Ellyn Tallard, dem alten Stadtrat, fernzuhalten. "Lass dich besser nicht vor ihm sehen. Tallard ist uralt und hat die Gicht, aber er hat noch nie ein Gesicht vergessen und... du siehst Lestat de Winter ähnlich genug,  daß er dich erkennen könnte. Und Tallard ist... ein Ekel." Aurian verspricht nickend, daran zu denken und kaum daß die beiden so unterschiedlichen Frauen abgeräumt haben, zeigt Niniane dem Mädchen das Gästezimmer im Erdgeschoss des gewaltigen Baumes und zieht sich dann selbst mit dem Baby nach oben in ihr Gemach zurück. Mehr als drei Stunden Ruhe würde sie erst einmal nicht bekommen, bis Shaerela wieder Hunger hätte.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 17. Mai 2004, 08:33 Uhr
Als Niniane ihr anbietet, die Nacht im Baum zu verbringen, will Aurian zuerst abwehren, doch nur zu schnell merkt sie, dass dieser Vorschlag wohl eine sehr gute Idee ist und im Grunde ist sie erleichtert, nicht mehr bis ans andere Ende der Stadt gehen zu müssen. Die Elbin tischt noch eine leichte Mahlzeit auf und sie schafft es sogar, ihr dabei etwas zur Hand zu gehen. Während des Essens kommt Niniane noch einmal auf Lestat de Winter, Aurians Vater zu sprechen und rät dem Mädchen, sich von Lord Ellyn Tallard, dem damals gehörnten Ehemann fernzuhalten. > ... er hat noch nie ein Gesicht vergessen...< Fast wie eine Drohung klingen diese Worte, vor allem als die Elbin erwähnt, welch Ekel dieser alte Mann ist. Aurian nickt. Das habe ich auch vor, ihm nicht unter die Augen zu kommen. Ich hab schon genug eigene Probleme, da brauch ich im Moment die geerbten meines Vaters nicht auch noch dazu! denkt sie bei sich. Als der Tisch schließlich wieder abgeräumt ist, führt Niniane Aurian in ein Gästezimmer im Erdgeschoss und zieht sich mit ihrer Tochter zurück.

Aurians Blick wandert durch den Raum. Wie der gesamte Baum verströmt auch dieses Zimmer eine Aura der Geborgenheit und das Bett, das an der Wand steht sieht mehr als einladend aus. So schnell es ihr sich noch immer leicht drehender Kopf zulässt, entkleidet sie sich und schlüpft unter die Decke. Sie liegt noch nicht richtig, da ist sie auch schon eingeschlafen. Und dieser Schlaf ist tief und vor allem traumlos. Die Alpträume, die sie fast Nacht für Nacht heimsuchen, sie bleiben aus. Ob es an der Umgebung, dem Alkohol oder an einer der Zutaten des Tees liegt, kann sie am nächsten Morgen beim besten Willen nicht sagen, aber so ausgeruht hat sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Geweckt wird sie ganz sanft durch das Gezwitscher der Vögel, welches durch das offene Fenster zu hören ist und die Sonnenstrahlen kitzeln leicht ihre Nase. Im ersten Augenblick hat Aurian keine Ahnung, wo sie sich eigentlich befindet, aber als sie den Kopf dreht und ihr Blick auf die Bäume des Larisgrünes fällt, weiß sie es sehr wohl wieder. Ihre Gedanken beginnen sich um all das zu drehen, was sie am vergangenen Tag erfahren hat, doch im Angesicht des schönen Morgens haben Ninianes Enthüllungen etwas von ihrem Schrecken verloren. Ich bin also die Tochter eines gewissen Lestat de Winters, der nach einer seiner zahlreichen Liebschaften aus der Stadt gejagt wurde. Meine Mutter muss laut Niniane elbischen Blutes gewesen sein. Also bin ich es auch. Das heißt wiederum, das...ja was...ich nicht altere, lang lebe, schärfere Sinne habe...anscheinend leicht empathisch bin. Wie sie mit all dem umgehen soll, weiß sie zwar noch immer nicht, aber wenigstens ist ein Stückchen ihrer selbst aus dem Nebel der Ungewissheit hervorgetreten.  

In einem der Nebenräume sind Geräusche zu hören, woraus Aurian schließt, dass auch ihre Gastgeberin bereits aufgestanden ist. Als das Mädchen aus dem Bett steigt, fällt ihr Blick auf ihre Knie. Auf dem linken leuchtet ihr ein Bluterguss entgegen und siedendheiß fällt ihr ein, dass sie ja, beschwipst und heulend wie sie war, im Kaminzimmer ungebremst auf die Knie gefallen war. Eine tiefe Röte schießt ihr in die Wangen. Peinlich!. Die rote Färbung ihres Gesichts ist noch immer zu erkennen, als sie, nachdem sie sich angekleidet und das Bett gerichtet hat, das Gästezimmer verlässt und das Kaminzimmer betritt, indem Niniane gerade mit ihrer Tochter am Fenster steht.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Halla am 17. Mai 2004, 21:11 Uhr
Am nächsten Morgen betritt ein Botenjunge der Harfe die Lichtung rund um den Baum am Smaragdstrand. In dem Beutel, den er an seinem Gürtel befestigt hat sind mehrere Pergamentrollen, die alle das Stadtwappen Talyras tragen. Er nimmt eine der Pergamentrollen aus dem Beutel und geht dann etwas vorsichtig auf den mächtigen Baum zu, der ihm einen riesigen Respekt einflösst, genauso wie die Frau, der er die Rolle übergeben soll. Seine Knie schlackern ein wenig als er die Stufen zum Baum hinaufgeht und vorsichtig an das Holz der Eingangtür klopft. Fast hätte er die Pergamentrolle in einer Hand zerknüddelt , die die Einladung zum Festessen in der Stadthalle beeinhaltet, zu dem alle Bürger mit Rang und Namen geladen werden.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 18. Mai 2004, 20:38 Uhr
Noch bevor Aurian aufgestanden war, war ein Botenjunge dagewesen, der die Einladung zum alljährlichen Stadtratsessen am Inarifest gebracht hatte. Sie hatte dem stotternden Bengel seinen Botenlohn gegeben und ihn dann weitergeschickt - und nun steht Niniane an einem der Fenster, dreht und wendet das Pergament in ihrer Hand und hält auf dem anderen Arm ihre Tochter. Shaerela folgt mit den Augen bereits dem Licht und Schattenspiel der Blätter und Zweige des Baums, die sich sacht im Morgenwind bewegen und die Lichtung mit dunklem Grün und Gold sprenkeln. An Lady Niniane und Cron von Tronje steht in schwungvoller Schrift auf dem rahmgelben Pergament. Cron von Tronje... hatte sich noch nicht soweit herumgesprochen, daß er nicht mehr hier lebte? Seit Shaerelas Geburt und ihrer Trennung hatte sie versucht, seinen Namen wie jeden Gedanken an ihn aus ihrem Herzen, aus der Erinnerung und ihrem Leben zu verbannen, jetzt hat er sie wieder eingeholt. Ich werde nicht hingehen. Ich werde... werde einfach nicht hingehen und Borgil diese Einladung zurückschicken. Seit Jahren hatte sie kein Festessen versäumt, aber dieses Jahr würde sie sich das ersparen. Und wenn er dort ist? Bei diesem Gedanken fühlt sie flatternde Panik in sich aufsteigen und schilt sich gleich darauf eine Närrin, da sie ohnehin nicht hingehen würde. Ihn am Ende dort zu sehen wäre unerträglich. Er weiß noch nicht einmal, daß seine Tochter bereits geboren ist. Aber zweifellos kann er selbst rechnen - er kann sich an einer Hand abzählen, daß sie längst zur Welt gekommen sein muß. Wir haben Ende des Sturmwindmonds mit ihr gerechnet und jetzt haben wir Grünglanz. Hat es ihn interessiert? Nein... Sie legt ihr Gesicht an den seidenweichen Haarflaum ihrer Tochter und unterdrückt ein bitteres Schlucken, gerade, als Aurian hereinkommt und sich leise räuspert. "S'leja, Aurian. In der Küche findest du Frühstück und Botenlohn," Niniane dreht sich nicht um. Auch wenn in ihren goldenen Augen schwer zu lesen ist, die Tränen auf ihren Wangen hätte sie kaum verbergen können, und sie will nicht, daß jemand sie so sieht. Ihre Stimme klingt leise, als flüstere sie fast, der einzige Weg, ihr verräterisches Brechen zu verhindern.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 18. Mai 2004, 21:16 Uhr
Aurian spürt, dass die Elbin etwas bedrückt. Gleichzeitig vermeint sie aber zu erkennen, dass sie nicht darüber sprechen will. So nickt sie nur und huscht in die Küche. Das Frühstück, dass Niniane bereitet hat ist köstlich und entgegen ihrer Befürchtung, dass sie nach dem Schock des Vortages keinen Bissen hinunter bringen würde, schafft sie es doch, alles aufzuessen. Immer wieder schwirren die Erinnerungsfetzen des letzten Abends durch ihren Kopf. Und mit einemmal ist da noch ein Gedanke, ein Bild vor ihrem geistigen Auge: Cleyron. Und der Abend, an dem er ihr gestanden hat, dass er ein Vampir ist. Nun ist es an mir, ihm zu sagen was ich bin. Ich verstehe es nicht, und doch, ich muss mich damit auseinandersetzen. Während sie so ihren Gedanken nachhängt, räumt sie das Geschirr auf. Immerhin ist schon am Vorabend Niniane zur Hand gegangen und weiß daher ungefähr, wo welche Gegenstände aufbewahrt werden. Ihr Blick fällt auf die Münzen auf dem Tisch. Auch wenn es üblich ist, Botenlohn zu bekommen, Aurian kann ihn diesmal nicht annehmen. Niniane hat mir so viel gegeben, meine Identität offenbart, mich hier schlafen lassen – ich kann nicht auch noch ihr Geld nehmen. denkt sie bei sich und lässt die Münzen liegen.

Im Vorraum des Baumes hängt ein Spiegel. Aurian blickt hinein. Ich sehe ihm – Lestat de Winter – meinem....Vater...ähnlich? Wie hat er wohl ausgesehen? Ob das sonst noch irgendjemand weiß? Ob es Bilder gibt? Das Mädchen streicht eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht bevor sie sich umwendet und noch einmal das Kaminzimmer betritt. Dort steht Niniane noch immer an der selben Stelle am Fenster. Auch das bedrückende Gefühl ist immer noch im Raum. „Ich wollte mich noch einmal bei Euch bedanken. Für alles, was ihr mir gestern gesagt habt und für Eure Gastfreundschaf. Ich...weiß nicht wie ich mich jemals erkenntlich zeigen könnte. Danke!“ Nur zu gerne würde Aurian der Elbin vermitteln was das alles für sie bedeutet aber zum einen kann sie es nicht in Worte fassen und zum anderen glaubt sie zu spüren, dass Niniane allein sein möchte. Ich hoffe ich kann irgendwann einmal etwas für Euch tun! Sie wagt es aber nicht, diesen Gedanken auszusprechen, da er ihr so lächerlich erscheint. Was soll sie, ein einfaches Botenmädchen von gerade neunzehn Sommern für eine Frau von über fünftausend Jahren tun können? Unbewusst hofft sie aber, dass die Elbin spürt, was Aurian ihr eigentlich vermitteln will. Sie wartet noch einen Moment, aber als Niniane sich nicht rührt, verlässt sie leise den Baum und geht über die Lichtung Richtung ihres letzten Ziels.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 20. Mai 2004, 22:37 Uhr
>Ich wollte mich noch einmal bei Euch bedanken. Für alles, was ihr mir gestern gesagt habt und für Eure Gastfreundschaf. Ich...weiß nicht wie ich mich jemals erkenntlich zeigen könnte. Danke!< Niniane hört die leisen Worte, aber sie ist so sehr damit beschäftigt, die Tränen zurückzuhalten und nicht völlig in der ölig schwappenden Verzweiflung unterzugehen, daß sie sie nicht wirklich wahrnimmt. Erst als die Tür des Baumes mit leisem Schnappen ins Schloß fällt, realisiert sie, daß das Mädchen gegangen sein muß. Aurian... Gedankensplitter wirbeln in kaltem Grau. Erkenntlich zeigen? Oh Kleines, das mußt du gar nicht. Und wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann komm jederzeit zu mir... nur gerade eben bin ich  fürchte ich keine große... oh... verdammt... Der unerwartete Besuch des Mädchens und die Entdeckung des Steins der de Winters hatte sie aus ihrer Lethargie gerissen, aber es hatte nicht ausgereicht, das kalte, graue Tuch von ihr zu nehmen, daß sie seit Shaerelas Geburt eingehüllt hatte wie ein Kokon. Nein... das hat erst getrocknete Tinte auf einem Stück billigen Pergaments vermocht...

Sie starrt auf die kurze Nachricht in ihrer Hand und sein Name springt ihr ins Gesicht, vier Buchstaben in schwungvoller Schrift und getrockneter, schwarzbrauner Tinte auf buttergelbem Grund. Cron. Alles, was sie seit seinem Verschwinden von sich weggehalten hatte, schleicht sich jetzt an, lauert in den Schatten, in ihrem Rücken... in ihrem Inneren. Sie hat seine samtweiche, dunkle Stimme im Ohr, die Cariad flüstert und hätte beinahe panisch aufgelacht. Ich weiß nicht einmal, was das bedeutet. Aus den silbernen Tränen werden Sturzbäche. Du hast ihn nie gefragt. Shaerela fuchtelt protestierend mit den Ärmchen und gibt ein empörtes Quäken von sich, als sie sie viel zu fest an sich drückt. "Tut mir leid, tut mir leid, Kleines. Tut mir leid. Es ist nur... deine Mutter ist... eine... eine..." Eine Närrin mit dem Verstand einer Gans, sag es ihr ruhig, damit sie gleich weiß, woran sie ist.

"Min koerlighed," flüstert sie halb erstickt. "So hat er mich auch genannt und ich weiß nicht, was es heißt..." Ihre Beine zittern mittlerweile wie Espenlaub und sie setzt sich, wo sie steht, auf den Boden, wiegt ihre Tochter im Arm und versucht ebenso krampfhaft wie erfolglos, sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Die Wunde in ihrem Inneren ist ins Unermeßliche gewachsen und will einfach nicht heilen, der Schmerz zu gegenwärtig. Crons Lächeln verspottet sie, seine flüsternde Stimme in ihren Gedanken will einfach nicht verstummen und die Erinnerungen überrollen sie ungefragt, unerwünscht, unerbittlich. Nackt und schutzlos wie eine Larve, die man ans helle Sonnenlicht gezerrt hatte, hätte sie sich am liebsten zusammengerollt und die Augen geschlossen.

Eine feuchte Wolfsschnauze und eine beharrliche rosa Zunge reißen sie abrupt aus ihrem hysterischen Weinkrampf.  Sie muß ein paarmal schlucken, ehe sie ein Wort herausbringt, aber schließlich gelingt es ihr sogar, dem Tier seinen Namen zuzuordnen. "Lupin." Noch bevor sie dazukommt, sich zu wundern oder auch nur zu fragen, was bei allen Seharim Morganas Wolf bei ihr will und wie er hereingekommen ist, sieht ein paar gelber Augen sie so eindringlich an, daß sie wider Erwarten sogar auf die Füße kommt. "Sie braucht mich, was? Also schön. Gib mir ein paar Minuten, Wolf."
Eine Viertelstunde später verläßt sie mit verschwollenem Gesicht und leerem Herzen, ihre Tochter in einem Umschlagtuch fest an ihrem Leib, einen leichten Umhang über den Schultern, die Geldkatze am Gürtel und einen Lederbeutel mit allerlei Kräutern bei sich, Baum und Smaragdstrand auf dem Weg zu Morgana. Lupin trottet zügig und hechelnd voran und sieht sich immer wieder nach ihr um, als wolle er sagen, sie solle sich beeilen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 30. Mai 2004, 11:44 Uhr
Als Niniane in ihren leeren Baum zurückkehrt, empfängt sie das Wispern und Rascheln der Blätter mit leisem, warmen Willkommen. Sie bringt die Stute in den Stall, schüttet ihr frisches Heu auf und tränkt sie, dann bringt sie ihre Taschen und Shaerela in ihrem Körbchen in den Baum. Die Kamine sind rasch angeheizt, ihre Taschen ausgepackt und ihre Tochter schläft oben in ihrem Schlafgemach. Ihre Unruhe und Hast hat sie weitgehend wieder unter Kontrolle, dennoch würde sie mit ihrer Suche am liebsten jetzt sogleich weit nacht Mitternacht und mitten in der Inarinacht beginnen - ein völlig aussichtsloses Unterfangen, wie sie sich gestehen muß. Sie würde also bis zum Morgen warten müssen und die Nacht will schier nicht vergehen. Sie stillt ihre Tochter bis zur Dämmerung noch zweimal und als endlich der Tag anbricht, bringt er nicht nur Ernüchterung, sondern auch Neuigkeiten. Ein Botenrabe der Steinfaust überbringt auch ihr  eine neuerliche Nachricht Kizumus und Olyvars, welche die Einladung auf einen Siebentag verschiebt und nicht minder geheimnisvoll ist, als jene, die Aurian überbracht hatte. Sie hat langsam eine Ahnung, um was es geht und weiß, daß sie an diesem Tag bei Kizumu sein muß, ganz gleich, ob sie Cron bis dahin gefunden hätte und ganz gleich, wie er reagieren würde.

Den Nordmann zu finden erweist sich in den nächsten Tagen als weitaus schwieriger, als sie gedacht hatte. Er war weder bei Calyra und Caewlin, ihr nächstliegender Gedanke, noch bei Borgil in der Harfe und auch nicht im  "Grünen Aal" im Hafenviertel bei Yohn Humperknie.  Selbst im Kupferkessel läßt sie nachfragen, doch seit seinem Stürmen der Tausendwinkelgassen im Herbst um das Gegengift für Arwen zu bekommen, hatte man den Nordmann dort nicht mehr gesehen. Cron war ein stadtbekannter Mann, etwas über ihn in Talyra in Erfahrung zu bringen, sollte eigentlich ein Kinderspiel sein - aber als sie schließlich von der Mogbarsfrau, die einmal im Siebentag kommt, um ihre Wäsche abzuholen, nach einigem Herumdrucksen und tausend gemurmelten Entschuldigungen erfährt, wo er angeblich die letzten Wochen gewesen war, geben ihre Beine unter ihr nach und sie setzt sich mit einem höchst unwürdigen Plumps ins weiche Waldgras. Die Mogbarsfrau ist sichtlich beschämt und murmelt etwas, daß sie gehört habe, er hätte die Stadt und den Pfirsich aber noch vor dem Inarifest verlassen. Die Stadt verlassen... Im ersten Moment kann sie es nicht glauben. Dann verwandelt sich der eisige Schmerz in ihrer Brust in kochende Wut. Pfirsich?! Er ist von mir fort und direkt in... in... den Pfirsich geritten?!
"Bei allen Göttern, Nordmanne, das zahle ich dir heim." Mühsam und wie in Trance rappelt sie sich auf, scheucht die Wäscherin davon und taumelt ins Innere ihres Baumes, als hätte ein Pfeil sie verwundet. Shaerela schläft, den Göttern sei Dank, denn ihre Hände zittern so, daß sie ihre Tochter nicht einmal hätte halten können. "Wie konntest du mir das antun... du verflucht seist du, verflucht sei deine schwarze Seele. Komm mir nie wieder unter die Augen... komm mir nie wieder unter die Augen. Oh... das zahle ich dir heim!"

Die folgenden Tage vergehen mit brodelnder Wut, schwarzen Racheschwüren, nagender Angst, kaltem Schmerz, tiefem Selbstmitleid, aufrichtigem Bedauern und einer wilden Mischung aus Scham und Selbstvorwürfen. Wenn sie ehrlich ist, weiß sie, daß er nie in den Pfirsich geritten wäre, wäre sie nicht so abscheulich zu ihm gewesen, aber sie kann es ihm trotzdem nicht verzeihen. Andererseits fragt sie sich, was das für eine Rolle spiele, denn er war fortgeritten, er hatte nicht nur sie, sondern auch seine Tochter verlassen - endgültig, wie es scheint, denn er war nicht einmal in Talyra geblieben. Der Wunsch, ihm zu erklären und noch einmal wenigstens seine Stimme zu hören, egal was er sagen würde, ist immer noch da. Die letzten Tage des Grünglanzmondes rücken näher und sie weiß immer noch nicht, ob sie ihn umbringen oder ihn um Verzeihung bitten will, aber eines weiß sie sicher: Kizumu würde sie umbringen, wenn sie nicht zu dieser Einladung erscheinen würde. Langsam ahnt sie, was hinter dieser Geheimnistuerei steckt und ein Teil von ihr kann sich sogar vage für die Feuerelbin freuen. Der Morgen des vorletzten Inar beginnt strahlend und sonnig und im Wind liegt der Duft von frischgemähtem Gras und blühenden Kastanienbäumen. Sie nimmt ein langes, heißes Bad, flicht sich das Haar zu einem dicken Zopf und steckt es mit goldenen Nadeln auf, dann schlüpft sie in ein eierschalenfarbenes Unterhemd aus Seidendamast, das am Saum und den Ärmeln mit winzigen Perlen bestickt ist und wählt dann das rotgoldene Kleid, das sie zum Sommerfest vor zwei Jahren getragen hatte - rotgrundiger Goldbrokat und golfarbenes Seidenorganza läßt sie im Morgenlicht glänzen wie ein neuer Kupferling. Sie kleidet Shaerela in ein weißes Leibchen, das mit winzigen Schmetterlingsstickereien in lindgrün besetzt ist, setzt ihr das durchbrochene Häubchen auf und packt dann seufzend genügend Windeln, eine zusätzliche Decke, ein wenig Öl, Talgpuder und Ringelblumenzinksalbe in einem Jadetiegelchen zusammen. Das Weidenkörbchen, das ihrer Tochter noch immer als Bett dient, würde sie einfach mitnehmen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 16. Juni 2004, 22:47 Uhr
Es ist lange nach Mondaufgang und weit nach Mitternacht zwei volle Wochen später, als auf der Lichtung oberhalb des Smaragdstrandes ein müder Reiter auf einem noch erschöpfteren Pferd aus der Dunkelheit auftaucht. Flocken von Schweiß lösen sich von der Brust des Tieres und die lange, wellige Mähne ist ebenso verfilzt wie der Schweif und der Rest des ehemals schwarz glänzenden Fells. Cron selbst sieht keinen deut besser aus. Er hält am Rand der Lichtung am Ufer des Baches, steigt mit schmerzenden Beinen aus dem Sattel und kniet sich nieder, um zu trinken. Das Wasser gurgelt und plätschert murmelnd wie er es in Erinnerung hat über flache, schneeweiße Steine. Es ist eine warme Nacht, Rainfarn und Moos unter seinen schlammbespritzten Stiefeln sind unverändert smaragdgrün. Vergangenen Tags hatte er noch fast fünfzig Tausendschritt von Talyra entfernt in einem ähnlich schmalen Wasserlauf gebadet, aber er gibt sich keinen Illusionen über seine Erscheinung hin: noch immer sieht er aus wie ein Mann, der zwei Wochen in der Wildnis umhergeirrt war, wenn er auch vielleicht nicht mehr unbedingt so stinkt. Er rümpft die Nase und nimmt den Geruch nach zu lange getragener Kleider überdeutlich war - sie sind so lange nicht mehr gewaschen worden, daß sie nicht einmal mehr nach Schweiß riechen, sondern nach dem Wald, den er durchquert und dem Moos und Farn, auf denen er geschlafen hatte. Außerdem ist er halb verhungert. Er hatte sich nicht die Zeit genommen, etwas Eßbares zu jagen und die wenigen wilden Erdbeeren, die er am Wegesrand gefunden hatte, hatten seinen Magen kaum gefüllt. Seit er vor dem Inarifest aus der Stadt fortgeritten war, hatte er kein Rasiermesser mehr gesehen. Sein Stoppelbart ist dicht und rauh, sein Haar ein glänzendes Wirrwarr voller Kletten. Mißmutig betrachtet er den dunklen Schemen seines Spiegelbildes im nächtlichen Wasser. Einzelheiten kann er im schwachen, silbrigen Mondlicht ohnehin nicht erkennen, doch sie kümmern ihn auch nicht. Wenigstens versucht er, sich das einzureden. Dein Aussehen spielt wohl kaum eine Rolle.

Keine der Bernsteinlaternen in der gewaltigen Krone, die sich hoch wie das Deckengewölbe einer Halle über die Lichtung spannt, glüht - es ist nichts als dunkel und still, als er Donner am Zügel hinter sich her über die Lichtung führt. Der Rainfarn ist hochgewachsen und reicht ihm bis über die Knie und die Heckenrosen verströmen ihren süßen Geruch in der Nachtluft, doch Ninianes Baum bleibt finster. Aus keinem der blattförmigen Fenster dringt Lichtschein und nur das Rascheln seiner Blätter ist zu hören, leises, seufzendes Flüstern im Wind. Er holt tief Luft. Bald. Der Gedanke läßt sein Herz sich zusammenkrampfen wie eine Faust. Er hat keine Ahnung, wie sie ihn empfangen würde, wenn sie überhaupt hier war... oder eben dann, wenn sie zurückkäme, wo immer sie sein mag. Würde er die Tür verschlossen vorfinden... Lambe, Ijon, îr arasamre...sprich, Freund, und tritt ein... oder würde sie sich ihm öffnen? Doch das spielt keine Rolle. Sprechen würde er müssen, oh ja. Er ist hier, das ist das einzige, das jetzt noch zählt.  Er läßt Donner im Schutz der Baumwurzeln, reibt ihn dort trocken und blickt abschätzend den gewaltigen Stamm hinauf. Nichts regt sich. Keine der Laternen macht Anstalten, aufzuschimmern und die Tür bewegt sich nicht einen Millimeter. Verräter. Er könnte schwören, der Ast direkt über ihm knackt warnend, aber natürlich sirrt nur der Wind in den Zweigen. Er weiß nicht, wie lange er auf den moosigen Stufen zur borkeumrandeten Tür sitzt, ins Leere starrt und darauf wartet, die Nerven zu verlieren, aber der Mond hängt bereits tief über dem Ildorel, als er sie schließlich heimkehren hört. Sie, die sonst so lautlos wie ein Schatten ist, stapft wütend und vernehmlich über den Strand heran, einen geflochtenen Weidenkorb auf die Hüfte gestützt, als käme sie mitten in der Nacht vom Wäsche bleichen. Sie blickt nicht auf, als sie die Böschung heraufkommt , dabei halberstickt etwas murmelnd und er schnappt gerade noch ihre letzten Worte auf - irgendetwas mit eigenhändig erwürgen und dann: >Wo bist du verdammt?<
"Falls du mich damit meinst, ich bin hier."

Sie gefriert augenblicklich zur Salzsäule und starrt ihn aus weitaufgerissenen Augen an, etwas, das er auch im diffusen Mondlicht  sehen kann. Trotz des Weidenkorbs auf ihrer Hüfte trägt sie ein Festgewand ...wo zur Hölle ist sie gewesen?... und ihr Haar ist am Hinterkopf mit goldenen Nadeln aufgesteckt. Er hätte ewig so stehenbleiben und sie nur ansehen können, doch dann bleibt sein Blick an ihrer Taille hängen: so schmal wie an dem Tag, als er sie zum ersten Mal gesehen hat. Plötzlich weiß er, was in dem Körbchen ist und die Erkenntnis trifft ihn wie eine große Faust in den Magen. Das ist absurd. Du weißt es doch längst. Arwen hat es dir gesagt. Dennoch - erst in diesem Augenblick wird es Wirklichkeit. Sein Blick richtet sich auf das helle Korbgeflecht, als könne er hindurchsehen und irrt dann zu ihrem zurück, so dunkelblau, so weit und so offen wie der endlose Himmel über ihnen. Ihr Gesicht ist weiß wie Milch und noch immer starrt sie ihn wortlos an. "Das Kind?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 01. Juli 2004, 22:15 Uhr
Sie stapft über die mit wilden Erdbeeren übersäte Böschung zu ihrer Lichtung hinauf, so mit ihrem Schmerz und ihrem selbstgerechten Zorn beschäftigt, daß sie kein Ohr für das Flüstern des Nachtwinds oder die Unruhe der Bäume hat, bis sie fast in ihren mitternächtlichen Besucher hineinläuft - und als sie seine Stimme hört, bleibt ihr fast das Herz stehen. >Falls du mich damit meinst, ich bin hier... bin hier...< Sie fährt zurück und bleibt dann wie angewurzelt stehen. Er ist es tatsächlich, ihre beschwörende Verwünschung hatte nicht nur ein Trugbild heraufbeschworen. Seine große Gestalt schält sich aus der Dunkelheit zwischen den Baumwurzeln, kommt auf sie zu, verharrt dann, unsicher, fragend - und bleibt schließlich zwei Schritt entfernt von ihr stehen. Irgendwo hinter ihm kann sie vage Donners mitternachtsschwarzen Leib in der Nacht ausmachen. Wortlos starren sie sich an, unfähig, sich von der Stelle zu rühren, sich zu bewegen oder auch nur zu atmen. Sie kann sehen, wie sein muskulöser Hals zittert, als er schluckt und spüren, wie ihr eigenes Herz irgendwo zwischen ihren Mandeln schlägt, aber sie bringt keinen Ton heraus.  Er ist tatsächlich hier. Er ist zurückgekommen?!

Statt etwas zu sagen, kann sie nur ungläubig zu ihm hochstarren und irgendwie bringt sie es trotz des Schocks fertig, auch den Rest seiner Erscheinung zu mustern. Über ihnen flammen langsam die Laternen in der mächtigen, hochgewölbten Baumkrone auf und werfen ihr bernsteingoldenen Schimmer auf die Lichtung. Das markante Gesicht über den hohen, breiten Wangenknochen, die schrägen dunkelblauen Katzenaugen, die gerade Nase, der empfindsame Zug um den Mund... dieses Gesicht ist ihr so vertraut wie ihr eigenes - und gleichzeitig wirkt es fremd. Er starrt vor Schmutz, auch wenn sie  irgendwo am Rand ihres Bewußtseins registriert, daß er sich offenbar kürzlich irgendwo gewaschen hat. Sein dichtes, schwarzes Haar ist ein glänzendes Wirrwarr, der Schatten eines tagealten Bartes liegt auf Kinn und Wangen und er ist schrecklich dünn geworden. Dann richtet sich sein Blick mit plötzlichem Begreifen auf das Weidenkörbchen, das sie noch immer auf ihrer Hüfte gestützt trägt und alle seine Gefühle stehen ihm ins Gesicht geschrieben: Angst, Hoffnung, Schmerz und das Bemühen, sie alle zu zügeln.

Es dauert einen schrecklichen, endlosen Augenblick, bis seine Frage zu ihr durchdringt und noch einmal so lange, bis sie ihre eigene Stimme irgendwo in einer beängstigend fremden Tonlage wiederfindet. "Du hast eine Tochter." Er macht einen zögernden Schritt auf sie zu und sie weicht instinktiv zurück. Solange er nicht näherkommt, ist sie in Sicherheit. Solange er nicht näherkommt, kann sie wenigstens so tun, als ob. Es ist nicht kalt, die Sommernacht warm und schwer vom Duft der Rosen und dem kühlen, lebendigen Geruch des Sees irgendwo in der schwarzen Nacht hinter ihr, dennoch ist ihr so kalt, als falle Frost in ihren Körper. Die Kälte schießt ihr in den Magen und ballt sich dort zu eisigen Klumpen und sie spürt, wie das graue, weiche Tuch der Gleichgültigkeit, das die endlose Qual der letzten Wochen gnädig verhüllt hat, gnadenlos von ihr gerissen wird. "Nein. Bleib stehen. Ich weiß, wo du gewesen bist. Nachdem... du... mich... verlassen... hast. Ich will wissen, warum. Ich will es jetzt wissen. Und warum bist du zurückgekommen? Bist du... bist du gekommen, weil du... weil du wolltest, oder weil du glaubtest, es wäre deine... Pflicht?"  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 04. Aug. 2004, 19:48 Uhr
>Nein, bleib stehen. Ich weiß, wo du gewesen bist...< Er hatte ganz unbewußt einen Schritt auf sie zugemacht, verharrt bei ihren Worten jedoch mitten in der Bewegung. Er hatte gefürchtet, sie wisse es, aber es aus ihrem Mund zu hören, läßt ihn sich so elend fühlen, wie damals im Pfirsich - und sie jetzt zurückweichen zu sehen ist mehr, als er für den Moment ertragen kann. War er zu spät gekommen? Hatte er zu lange gewartet und sie jetzt verloren? Dann kriecht auch in ihm Wut hoch, die er jedoch eisern unter Kontrolle hält. Schließlich hatte sie ihn von sich gestossen und dafür gesorgt, daß er nicht nur den größten Narren Rohas aus sich gemacht, sondern sich auch noch so gefühlt hatte. Wochenlang. "Nan, bitte." Seine eigene Stimme hört sich fremd in seinen Ohren an. "Es ist auch mein Kind." Er macht noch einen Schritt, bleibt dann aber endgültig stehen und nimmt nichts mehr wahr außer ihren beunruhigend goldenen Augen, bernsteindunkel jetzt, voller Zweifel und so schmal, als wäge sie ab, ob sie ihm einen Dolch zwischen die Rippen rammen oder ihm um den Hals fallen soll. >Warum bist du zurückgekommen? Bist du... bist du gekommen, weil du... weil du wolltest, oder weil du glaubtest, es wäre deine... Pflicht?<

"Ich sage es dir, wenn du mir die Erklärungen gibst, die du mir schuldest," erwidert er leise und sieht sie noch mehr erbleichen. "Bei allen Göttern, Niniane, ich weiß es nicht... ich weiß nur, daß ich nicht ohne... daß ich nicht fortgehen konnte." Wie soll er ihr erklären, daß er für jeden Schritt, den er vorwärts gegangen war, zwei zurück getan hatte? Er war zwei Tage an diesem verdammten Wegrand gesessen und hatte nachgedacht. Bei den Göttern, er hatte sich das Hirn zermartert, ob er weiterreiten oder zurückkehren sollte. Irgendwann war er einfach aufgestanden und auf dem stillen, sonnengesprenkelten Waldweg weiter nach Norden gegangen. Ein Schritt, noch einer, ein dritter, die Füße schwer wie Blei. Dann war er still stehen geblieben, den schnaubenden Donner hinter sich am Zügel und hatte es in die andere Richtung versucht - ein Schritt, ein zweiter, ein dritter... und bevor er seine Entscheidung überhaupt bemerkt hatte, war er schon wieder im Sattel und in halsbrecherischem Tempo auf dem Weg zurück. Und jetzt war er zurückgekehrt. Er war hier  - aber keiner von ihnen beiden hatte bisher je von Liebe gesprochen und er will verdammt sein, wenn er jetzt davon anfing. Er hat immer noch seinen Stolz, mag der auch in den letzten Zügen liegen - und das ganz bestimmt letzte, das er tun wird, ist ihn ihr jetzt zu opfern.

Sein Blick irrt zurück zu dem Weidenkörbchen. "Laß sie mich wenigstens ansehen. Bitte, Niniane. Du mußt mit mir sprechen. Laß mich nicht auch noch betteln." Einen Moment starrt sie ihn nur aus dunklen Augen an und er meint darin ein Echo seines eigenen Schmerzes zu finden und zögert... aber schließlich gibt sie nach und kommt langsam auf ihn zu. Eine Armlänge entfernt bleibt sie stehen und hält das Weidenkörbchen so, daß er hineinsehen kann. Einen Moment kreuzen sich ihre Blicke und er nimmt den Geruch ihrer Haut wahr, dann wirft er im bernsteinfarbenen Schimmer der Laternen zum ersten Mal einen Blick auf seine Tochter: ein winziges, schlafendes Baby mit einem runden Köpfchen voller rabenschwarzem Flaum, die Haut dunkel vor dem Hintergrund der hellen Decke. "Götter!" Er hatte geglaubt, er wäre auf den Anblick vorbereitet, aber lange Momente fühlt er sich wie ein Mann, den unvermutet ein Pfeil aus der Dunkelheit durchbohrt hat. "Heilige Götter," ist alles, was er schließlich fassungslos herausbringt. Ohne nachzudenken streckt er die Hände aus, faßt vorsichtig unter den kleinen Körper und nimmt das Baby auf, so behutsam, als sei es aus alayzer Rauchglas und bis zum Rand mit Loas Öl gefüllt.

Er spürt die feinen, vogelartigen Knochen und birgt das winzige Köpfchen in seiner hohlen Hand. "Heilige Götter," wiederholt er heiser vor Rührung, sein Herz schlägt irgendwo in seinem Hals und seine Knie fühlen sich an als hätten sie sich in Schweinesülze verwandelt. Das Baby windet und räkelt sich ohne zu erwachen, die kleinen Fäuste zusammengeballt, die schrägen Augen von langen, dunklen Wimpern gesäumt, fest geschlossen. Runde Wangen, ein winziges Stupsnäschen, durchscheinend zarte Ohren, die Spitzen kaum mehr als Andeutungen, lange Finger, perfekte perlmuttrosig schimmernde Nägel und ein Geruch, der anders ist als alles, das er je gerochen hat und der dennoch direkt in sein Inneres dringt. Er will sich seine Tochter bei Licht ansehen, alles von ihr, von den seidenweichen Wirbeln auf ihrem flaumigen Kopf bis hin zu den winzigen Zehen. Er spürt ihren Blick auf sich und hebt den Kopf, versucht nicht einmal, seine Gefühle zu verbergen, es wäre ihm ohnehin nicht gelungen - nicht jetzt, nicht hier, nicht mit seiner Tochter im Arm. "Sie ist wunderschön."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 05. Aug. 2004, 23:00 Uhr
Ihre Beine zittern mittlerweile wie Espenlaub und es kostet sie ihre ganze Körperbeherrschung, nicht mit den Zähnen zu klappern. Trotz der sommerwarmen Nacht ist ihr kalt. Ihre Hände sind mehr als kühl, ihre Füße taub und ihr Magen fühlt sich an, als hätte sie einen ganzen Eisberg verschluckt. >Ich sage es dir, wenn du mir die Erklärungen gibst, die du mir schuldest... ich sage es dir, wenn du... ich sage es dir... < hämmert ihr Herz. In ihrem Kopf geht alles durcheinander. Wenn sie ihm jetzt die Wahrheit sagt, muß sie ihm alles sagen. Und tief in ihrem Inneren kennt sie den wahren Grund für ihr "Nein" - der nichts mit irgendwelchen Staatsgeschäften oder uralten Feindschaften zu tun hat, sondern nur mit ihr. Mit ihr ganz allein und mit ihrer elenden Feigheit. Ihre Gedanken verlieren den Faden und sie bringt kein Wort heraus, aber dann fällt sein Blick wieder auf das Weidenkörbchen in ihren Armen und das lenkt ihn ab.

>Laß sie mich wenigstens ansehen. Bitte, Niniane.< Einen halben Herzschlag lang gehorchen ihr ihre Füße einfach nicht, während eine boshafte Stimme in ihrem Inneren wispert: Geh! Verschwinde, jetzt, ehe es zu spät ist. Geh sofort und blick nicht zurück! - aber dann macht sie einen Schritt auf ihn zu, zögernd zwar, aber sie tut ihn. Als sie das Körbchen senkt, um ihm sein Kind zu zeigen, kommt sie ihm so nahe, daß sie die Wärme seiner Hände spüren kann und ihr wird noch kälter. Sie hält den Atem an, als er in den Weidenkorb greift und Shaerela herausnimmt, aber sie kann ihn mit ihrer Tochter im Arm einfach nicht ansehen, ohne daß es ihr die Kehle zuschnürt. Alberne Tränen brennen in ihren Augen, aber sie hält sie entschlossen zurück. Einen entsetzlichen Augenblick lang weiß sie nicht, was sie tun soll und läßt hilflos die Hände mit dem leeren Korb darin sinken. Um ein Haar wären ihr Windeln, Decken und die  Tiegelchen mit Öl, Puder und Ringelblumensalbe herausgepurzelt, aber Cron bemerkt es nicht einmal.

Er hält Shaerela so vorsichtig als wäre sie ein rohes Ei, starrt sie reglos und mit weiten Augen an. Als er endlich den Blick hebt, und sie ansieht, wäre ihr zum zweiten Mal innerhalb der letzten fünf Minuten beinahe das Herz stehengeblieben. Er ist erschüttert. Alle seine Gefühle stehen ihm ins sonst so beherrschte Gesicht geschrieben, als hätte es ihm jemand in metergroßen Lettern auf die Stirn gemalt. Irgendwann blinzelt er und bekommt seine Miene wieder unter Kontrolle, aber seine Stimme ist rauh vor Ergriffenheit, als er flüstert, sie sei wunderschön.
"Sie sieht aus wie du," erwidert sie leise und weiß, daß es stimmt. Das einzige Kind, das sie je gesehen hat, das seinem Vater noch ähnlicher sieht, ist Brynden. Ihre Tochter ist eine einzige feingliedrigere, zartere Ausgabe des Mannes vor ihr und nur die goldenen Augen verraten sie als Mutter. "Ihr Name ist Shaerela. Das bedeutet soviel wie Sonnentanz." Jetzt sind die Tränen dicht an der Oberfläche und sie dreht sich hastig fort, ehe er sie bemerken würde. "Komm mit hinein." Es hätte kühl und beherrscht klingen sollen, aber leider bebt ihre Stimme verräterisch.

"Ich... ich gebe dir die Erklärung, die du haben willst. Und dann muss ich hören, warum du hier bist." Am liebsten hätte sie ihm ihr Wissen über seine Unterkunft im Pfirsich, ihren ganzen Schmerz und all ihre Wut darüber ins Gesicht geschleudert. Sie will sehen, wie er sich windet deswegen, nur um ihr eigenes nagendes Schuldgefühl zu lindern und ist im selben Moment von sich selbst angewidert. Mit einem zittrigen Atemholen schiebt sie sich an ihm vorbei, ehe sie der Mut ganz verlassen würde und überläßt es ihm, mit Shaerela zu folgen. Die Tür ihres Baumes schwingt lautlos nach innen auf, doch an der Schwelle hält sie noch einmal inne und dreht sich zu ihm um. Er hat das Baby in seine Armbeuge gekuschelt und obwohl er zwei Stufen unter ihr steht, sind ihre Gesichter auf gleicher Höhe... manchmal vergißt sie, wie groß er ist. "Bevor wir reden und ich es vielleicht nie erfahre," beginnt sie zittrig, aber entschlossen, "was heißt Cariad?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 19. Aug. 2004, 10:11 Uhr
Komm mit hinein? Einen Moment lang kann er sie nur ungläubig anblinzeln. Mit Waffenstillstandsverhandlungen noch vor dem Kampf hatte er am Wenigsten gerechnet, aber dann sieht er in ihr Gesicht. In so verletzlicher Stimmung hatte er sie nur ein einziges Mal gesehen - in jener Nacht auf dem Arnon Tyshorsha im Sturmtal... bevor sie seinen Wein mit dem Schlafmittel versetzt hatte und mutterseelenallein in den Tod geritten war. Also entweder sie war im Begriff, gleich etwas ebenso hirnverbranntes zu tun, wie damals oder... Hoffnung flammt so unvermittelt in ihm auf, daß sein Herz fast schmerzhaft schneller schlägt. Sie ist an ihm vorbei und zur Tür zwischen den Wurzeln ihres Baumriesen hinaufgeeilt, ehe er den Ausdruck in ihren Augen wirklich deuten kann, doch unter dem borkigen Türbogen hält sie noch einmal inne und dreht sich zu ihm um. Im Bernsteingelben Licht der Laternen ist ihre Haut so  golden wie Waldhonig, ihr Haar schimmert bronzedunkel und ihre dunklen Augen sind das einzig lebendige in ihrem blassen Gesicht, ein weißer Schemen im schattigen Halbdunkel des Eingangs.

Ihre Frage läßt ihn erstarren, einen Augenblick fühlt er sich wie angewachsen. Vielleicht hatte sie ja schon etwas närrisch getan und ihn hier festgehext. Dann strafft er sich, entdeckt irgendwo in seinen Beinen funktionierende Muskeln und setzt sie entschlossen in Bewegung, bis er dicht neben ihr auf der Türschwelle steht. Einen langen, schweigenden Augenblick sieht er sie nur an, sieht auf ihr kupferfarben schimmernden Haar, denn sie hält den Blick gesenkt, als wolle sie ihre Augen vor ihm verbergen. Dann erwidert er leise. "Es heißt Geliebte." Sie hebt ruckartig den Kopf und starrt ihn an. Für den Bruchteil eines Herzschlags ist ihre Miene vollkommen verblüfft und er weiß, daß sie alles mögliche erwartet hat, aber nicht das. "Und bevor du fragst, Nan, min koerlighed heißt mein Liebling." Es hätte nicht melancholisch klingen sollen, aber wahrscheinlich tut es das doch. Ihre Augen weiten sich noch mehr und schwimmen in Tränen, so golden wie ein Sonnenaufgang und sein Herz krampft sich hoffnungslos zusammen.

Er schiebt sich an ihr vorbei ins Innere des Baumes und der vertraute Geruch nach Pflaumenblüten, Sandelholz und Birkenholzfeuer umfängt ihn, etwas, das er längst verloren geglaubt hat. Niniane steht noch immer hinter ihm im Türbogen, aber er kann ihren Blick in seinem Rücken spüren, so deutlich, als berühre sie ihn. Er bringt das Baby ins Kaminzimmer und eine leise Stimme in seinem Hinterkopf mahnt, daß er die Kleine lieber irgendwo hinlegen und schlafen lassen sollte, aber er kann nicht. Er muss sie sich ansehen, bei Licht, jetzt, alles von ihr. Doch noch bevor er sie hinlegen und aus der Decke wickeln kann, flattert ein schwarzer Schatten aus dem Nichts auf seine Schulter, krallt sich mit heiserem Krah! in seinen Überwurf und rammt einen gefiederten Schädel gegen seinen Kiefer. "Shugorn!" Er hätte beinahe einen Satz rückwärts gemacht, doch der Rabe begrüßt ihn mit sonorem Schnurren und reibt ekstatisch seinen Kopf an Crons Hals. "Na, wenigstens du freust dich, mich zu sehen," flüstert er trocken und hat keine Hand frei, dem Rubinraben das Gefieder zu kraulen oder ihm einen Klaps auf den Schnabel zu geben.

Shugorn sieht es ihm nach, bleibt aber wo er ist, selbst als Shaerela in ihrer Decke einen leisen Unmutslaut von sich gibt und gleich darauf beginnt, sich unruhig hin und herzuwinden. Das winzige Näschen dreht sich suchend zur Seite, die kleinen Fäuste fuchteln träge. Die Augen noch geschlossen wird im nächsten Moment aus ihrem traumverlorenen Schmatzen ein fordernes Quäken. "Äh..." leicht hilflos klopft er sacht durch die Schichten von Decken und Kleidung den bewindelten Hintern, während sich das Quäken zu einem Brüllen aus Leibeskräften auswächst. Shugorn, der Feigling, ergreift die Flucht,  hüpft von seiner Schulter und segelt mit drei Trägen Flügelschlägen aus dem Kaminzimmer, doch im nächsten Augenblick ist Niniane bei ihm, vom Geschrei ihrer Tochter aus ihrer Starre gerissen, und hat ihm das Baby abgenommen.

Sie setzt sich mit der Kleinen auf einen Schemel vor den Kamin, in dem nur noch ein wenig Glut zwischen grauer Asche glost, nestelt an ihrem Mieder herum und nur einen Moment später verstummt das Geschrei. Sie atmen beide erleichtert auf, als sich wohltuende Stille ausbreitet und tauschen einen Blick, in dem unerwartet die alte Vertrautheit liegt - etwas, das ihn zumindest ebenso überrumpelt wie es ihn berührt. Um irgendetwas zu tun schürt er so leise wie möglich das Feuer im Kamin neu, legt Holz nach, starrt in die Flammen, ist sich ihrer Nähe und des sich ausdehnenden Schweigens überdeutlich bewußt und beschließt dann die Flucht nach vorn, ehe sich der Abgrund zwischen ihnen erneut auftun und ins Unendliche wachsen kann. "Also gut, ich höre. Deine Erklärung, Nan."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 08. Sept. 2004, 22:42 Uhr
>Es heißt Geliebte.< "Oh," ist alles, was die mit dünner Stimme herausbringt und ihr Entsetzen muss sich deutlich auf ihrem Gesicht zeigen. Geliebte. Und er hat mich von Anfang an so genannt... und ich... oh... Sie kann nur schlucken und starrt ihn an, als sehe sie ihn zum ersten Mal. >Und bevor du fragst, Nan, min koerlighed heißt mein Liebling...< Einen Moment steht er so dicht vor ihr, daß sie nur die Hand ausstrecken bräuchte, um ihn zu berühren, aber er regt sich nicht und sieht sie nur an - auf jene völlig stille Art, die ihr schon immer Angst gemacht hat - soviel jedenfalls kann sie sehen, dann verschwimmt ihr alles vor Augen. Schlimmer und schlimmer... was bei allen Göttern habe ich nur getan?! Er geht an ihr vorbei und bringt Shaerela ins Kaminzimmer und sie kann nur im Türrahmen stehen bleiben, an dem sie sich mittlerweile festklammert wie eine Ertrinkende an einem Stück Treibholz. Ihre Knie zittern so sehr, daß sie auf die Nase gefallen wäre, hätte sie versucht, auch nur einen Schritt zu machen. Der Schreck ist ihr buchstäblich in alle Glieder gefahren und sie kann kaum einen klaren Gedanken fassen - erst das Hungergeschrei ihrer Tochter bringt sie wieder halbwegs zur Besinnung. Sie folgt ihm, noch immer benommen wie eine Schlafwandlerin, doch ihre Gedanken rasen in hundert Richtungen davon. Hatte sie ihm eben versprochen, alles zu erklären? Sie hatte - aber wie nur sollte sie das um aller Götter Liebe willen anstellen? Mit befangenem Gesicht zwängt sie sich an ihm vorbei, nimmt ihm das Baby ab und setzt sich mit ihrer Tochter und raschelnden Röcken auf einen niedrigen, samtbezogenen Hocker ans Feuer.

Bis zur Taille verschwindet sie in Wolken goldorangener und bronzefarbener Organzaröcke, die sich fein wie Schleier um ihre Beine bauschen. Ich trage dasselbe Kleid wie auf dem Sommerfest vor zwei Jahrestänzen... das er mir aus der Harfe gebracht hat, als ich Borgils Ochsenpfannen in einem Gewand einer seiner Schankmaiden geschrubbt habe.... Das Geschrei verstummt aprubt, abgelöst von gierigem Schmatzen, als sie Shaerela anlegt. Cron entfacht die Glut im Kamin hinter ihr neu, legt Holz nach und setzt sich dann vor sie. Seine Worte fallen schwer in die plötzliche Stille. >Deine Erklärung, Nan.<
"Normalerweise stille ich sie nachts im... im...," sie verstummt und fährt nach einem leisen Räuspern fort. "Sie schläft dann länger. Ich war... auf der Hochzeit von Kizumu und Olyvar, sie... sie haben geheiratet. Im Wäldchen am Smaragdstrand unten. Es war... es... ich... ich..." Himmelgötternochmal, was ist los mit dir? Du stammelst herum, als hättest du einen Knoten in der Zunge! Sie holt ein paarmal tief Luft, um den schmerzenden Druck in ihrem Hals zu lindern, aber es will ihr einfach nicht gelingen. "Also gut... meine Erklärung. Aber zuerst muss ich... muss ich um Vergebung bitten. Ich hätte... ich habe... ich wollte nicht, ich meine... ich." Ungeduldig mit sich selbst und ihrer ungehorsamen Zunge schüttelt sie den Kopf und starrt dann auf den Boden, als könne sie zwischen ihren bestickten Sandalen die Antwort auf seine Fragen finden. "Es tut mir leid," schließt sie schließlich lahm. Als sie weiterspricht, ist ihre Stimme so leise, daß sie im Prasseln des Feuers hinter ihr kaum noch zu hören ist.

"Ich wollte dich suchen. Dich finden, um dir das zu sagen, um dich um Vergebung zu bitten - selbst wenn du nie wieder etwas mit mir zu schaffen haben wolltest und das hätte ich dir nicht einmal verübeln können. Ich habe überall in der Stadt nach dir suchen lassen, ich hatte alles vorbereitet, um dir nachzureiten aber dann... dann habe ich.... man hat mir erzählt... ich meine, ich habe gehört, wo du warst. Im Pfirsich." Irgendwie gelingt es ihr, ihn anzusehen und den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken, aber so sehr sie sich auch um Gelassenheit bemüht, es will ihr nicht wirklich gelingen. "Wie konntest du? Wie konntest du nur... nachdem..." Ihr ganzer Körper ist gefühllos und sie bringt die Worte kaum heraus, hält den Blick unverwandt auf ihre Füße gerichtet und kann spüren, wie ihr das Blut in die Wangen steigt. Ihre Ohren brennen, aber ob vor Verlegenheit, Schmerz oder vor Wut kann sie nicht sagen. Bevor er etwas erwidern kann, holt sie tief Luft und schüttelt den Kopf. "Nein, sag nichts. Ich bin dir noch eine Erklärung schuldig, schon vergessen? Alles... alles was ich dir gesagt habe ist wahr. Über..." sie fährt sich rasch mit der Zunge über die Lippen und sucht verzweifelt nach den richtigen Worten," über das was uns trennt... über Jeliel und Mundus und... wessen Blut in meinen Adern fließt und beinahe alles, was ich sonst noch gesagt habe, auch. Das alles... waren meine Gründe. Aber nicht nur." Ihr Blick, so dunkel, daß ihre Augen im flackernden Feuerlicht beinahe schwarz wirken, löst sich endlich vom Boden und sucht seinen. Seine Augen sind so blau wie kornblumen und im Halbdunkel fast violett - und ruhen unverwandt auf ihr.

"Ich weiß, ich hätte dir von Goldauge Thaylon erzählen müssen, aber ich konnte es nicht. Jedesmal, wenn ich es versucht habe... waren alle meine Worte nur unzulänglich. Was hätte ich sagen sollen? Und wann? Und wie? Vielleicht beim Morgenmahl zwischen Jasmintee und Haferbrei: 'Ach übrigens, Schatz, weißt du eigentlich, wer der Vater meiner Mutter war?' Wohl kaum. Und selbst wenn ich es irgendwie fertig gebracht hätte... ich hatte solche Angst, wie du... daß du nicht mehr Niniane in mir sehen würdest, sondern nur noch das Blut des Archonen. Und das hätte ich nicht ertragen. Vielleicht hättest du dich auch auf der Stelle umgedreht und wärst ohne ein Wort gegangen... und ich hätte noch Schlimmeres getan, als zu lügen, um dich nicht zu verlieren." Waren ihr die Worte anfangs schwer gefallen, sprudeln sie jetzt aus ihr heraus, haltlos wie ein Sturzbach und ebenso verworren. "Und als du... als du plötzlich von einer Heirat gesprochen hast, konnte ich nur noch daran denken, daß ich immer... immer alle verloren habe, die mir etwas bedeuteten und ich dachte... ich glaubte... vielleicht dachte ich einfach nur, ich könnte meinem Schicksal ein Schnippchen schlagen, verstehst du? Ich dachte, niemand könne mich für etwas verantwortlich machen, das ich nicht ausspreche... und wenn ich nicht deine Frau werden würde, müßte ich auch nicht irgendwann dafür büßen. Und du auch nicht. Ich konnte nur noch an Jeliels Schicksal denken, an Mundus... Weil ich dich liebe, hat er gesagt, als ich fiel und fiel allein im Dunkeln. Und dann an das Haus Relavendis, an die geheimen Verhandlungen mit Normand, an alles, was möglicherweise geschehen könnte, würde es bekannt. Du hast ja keine Ahnung, auf was du dich einlassen würdest, würdest du mich heiraten. Du hast es selbst gesagt, weißt du noch?" Ihre Augen schwimmen mittlerweile in Tränen und ihre Stimme ist halb erstickt.

">Wenn... Mundus hier auftaucht, weil ihm eingefallen ist, daß er dich wiederhaben will?<" Sie forscht in seinem Gesicht, was er wohl empfinden mag, aber seine Züge sind so ausdruckslos wie die einer Maske. "Und ich weiß, was du getan hättest," fährt sie zittrig fort und lächelt, um nicht zu weinen. "Du hättest mich niemals kampflos aufgegeben. Du hättest dich ihm gestellt. Du hättest gekämpft. Und du wärst gestorben. Und mögen die Götter dir deshalb gnädig sein." Sie braucht eine ganze Weile, bis sie ihre Stimme soweit unter Kontrolle hat, daß sie weitersprechen kann. "Und ich hätte dich verloren. Ich hätte nichts lieber getan, als gesagt: Ja, ich will, aber wie hätte ich das alles dem einzigen Mann antun können, an dem mir etwas liegt? Die bittere Wahrheit aber ist... die Wahrheit ist, daß ich einfach nur nur... feige war. Ich hätte all meine Bedenken über Bord werfen und es darauf ankommen lassen sollen, aber ich hatte solche Angst. Ich hatte solche Angst und ich habe sie immer noch. Angst um mich, Angst um dich, aber am meisten schlicht Angst. Ich weiß, wie der Kelch der Einsamkeit schmeckt, wenn man alles verloren hat - und ich will nie wieder davon trinken.  Liebe ist Gift, Cron. Ein süßes Gift, aber es tötet trotzdem."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 19. Nov. 2004, 00:20 Uhr
Liebe?! Er hatte ihr schweigend zugehört, zähneknirschend, wütend, dann völlig verblüfft - obwohl es ihn mehrmals alle Beherrschung der Welt gekostet hat, den Mund zu halten und sie ausreden zu lassen. In der letzten Stunde hatte er Höllenqualen durchlitten, weil er dachte, er hätte sie endgültig verloren, dann brennende Zärtlichkeit beim Anblick ihres verwunderten Gesichts und der tränenverschleierten Augen verspürt, gefolgt von unbändigem Verlangen, sie einfach zu nehmen und diesen widerspenstigen Mund so lange zu küssen, bis er nachgab - und schließlich das dringende Bedürfnis, ihr einen Knüppel über den Schädel zu braten und den hübschen Hals umzudrehen. Jetzt ist er wieder bei der Zärtlichkeit angekommen - fast, denn ihre letzten Worte lassen ihn zur Salzsäule erstarren. Vergessen sind Angst und Zorn. Sie steht auf und legt das schlafende Baby in das Weidenkörbchen zurück, das sie sacht auf einem der runden Elbensessel abstellt und er erhebt sich wie ein Schlafwandler und tritt hinter sie. Seine Zunge klebt am Gaumen und er hat einige Mühe zu antworten - vor allem, weil er nicht weiß, ob er lachen, schreien oder sie gehörig durchschütteln soll. "Liebe?" Echot er. Sie dreht sich mit raschelnden Röcken zu ihm um, scheint einen Moment lang verwirrt, daß er plötzlich bei ihr ist und schnürt dann mit fahrigen Händen das Mieder zu. "Deswegen? Soll das... soll das etwa heißen, du hast all das..  all das... veranstaltet, weil du mich liebst?" Er starrt sie vollkommen fassungslos an und spürt sein Herz irgendwo in seinem Hals. Sie kaut hinreißend betreten auf ihrer Unterlippe herum, doch als sie den Mund öffnet, unterbricht er sie grob und packt sie an den Schultern. "Götter im Himmel Niniane, das ist mit Abstand das bescheuertste, das ich je gehört habe!" Er holt tief Luft, während sie versucht, sich aus seinem Griff zu winden. "Nein, halt still! Halt still und halt den Mund und hör mir zu! Ich glaube das einfach nicht... ich..." Er schüttelt den Kopf, sieht zu Boden, starrt auf die schimmernden goldenen Schleier ihres Rockes, die im Feuerschein glühen, schiebt es einen endlosen Augenblick vor sich her - und beginnt dann doch zu sprechen.

"Du hast gefragt, warum ich ausgerechnet in den Pfirsich geritten bin und... oh, ich hätte zu Borgil oder zu Caewlin oder auch zu Arwen und ihrem Blauhaar gehen können, aber... das hätte mich nicht von dir entfernt, verstehst du?" Sein Lächeln gerät zur Grimasse und seine Stimme ist leise geworden. "Die Wahrheit ist, ich bin in den Pfirsich geritten, weil ich wollte, daß du es erfährst. Ich wollte es dir heimzahlen, ich wollte diesen Schmerz auslöschen und vor allem wollte ich dich für immer und unwiderruflich aus meinen Gedanken reißen... aber es hat nicht funktioniert," schließt er kleinlaut und läßt ihre Schultern los. Sie weicht nicht zurück. "Die meiste Zeit im Pfirsich war ich so betrunken, daß ich nicht einmal mehr meinen Namen wußte und die Huren dort habe ich nicht angerührt, außer um sie aus meinem Zimmer zu werfen... bis auf einmal. Ich habe mich davor erbärmlich gefühlt und danach erbärmlich gefühlt und sogar währendessen - und es nie wieder getan... wenn das arme Ding nicht rechtzeitig die Flucht ergriffen hätte, hätte ich sie vermutlich umgebracht." Seine Augen suchen ihre und er sieht sie entwaffnend ehrlich an. "Nichts hat geholfen, die Erinnerung auszulöschen und daß du... daß du das Kind ganz allein zur Welt gebracht hast, habe ich erst von Arwen erfahren. Wochen später. Ich hätte zu dir kommen sollen damals, gleich, doch Arwen... " Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. "Sie hat versucht, mir deine Beweggründe aus ihrer Sicht zu erklären," schnaubt er leise. "Zweifellos hat sie es gut gemeint und wollte nur helfen, aber sie hat mir... praktisch unterbreitet, ich solle meinen Mund halten, keine Ansprüche stellen und zu dir zurückkehren, weil du leiden würdest und 'die Zeit und der Boden für eine Ehe zwischen einer Elbin und einem Nordlord noch nicht bereitet wäre' - das... das war zuviel. Ich habe meine Sachen gepackt und die Stadt verlassen. Ich wollte nur noch fort, alles vergessen und vor mir selbst und vor dir und vor allem, vor meinem Schmerz davonlaufen." Seine Stimme wird heiser und er räuspert sich. "Sehr weit bin ich nicht gekommen."

Jetzt ist es an ihr, in ungläubig anzustarren und ihr flammender Blick bohrt sich in seinen. Er spürt ihre Bewegung eher, als daß er sie sieht und packt ihr Handgelenk, ehe sie ihn ohrfeigen kann. "Dafür bin ich jetzt nicht in der Stimmung, hörst du? Versuch noch einmal mich zu schlagen und ich schwöre dir, ich lege dich übers Knie, Ca..." der alte, vertraute Name ist ihm über die Lippen, noch ehe er realisiert, was er da sagt und sie erstarrt mitten in der Bewegung. Sie hatte die freie Hand schon zur Faust geballt, zweifellos, um sie ihm sonstwo hinzurammen, doch das läßt sie innehalten. "...riad," endet er leise. "Cariad." Seine Augen suchen ihre, dunkel jetzt, weit und offen, schimmernd wie Bernstein. "Wir müssen damit aufhören. Nan, wir müssen damit aufhören. Das ist, als wollten wir die Götter versuchen. Du hast gefragt, ob ich hier bin, weil ich es will oder weil ich glaube, ich muß. Ich bin hier. Ich konnte nicht gehen und ohne dich leben. Ich habe zwei Tage auf einem götterverdammten Stein am Wegesrand gesessen und nachgedacht. Ans Umkehren und ans Weiterreiten und ich bin umgekehrt. Zählt irgendetwas anderes?  Das hier ist unsere Zeit, es ist unser Leben - und zu allen Höllen mit irgendwelchen Staatsgeschäften oder Ewiggestrigen. Zur Hölle mit Zedernherz. Zur Hölle mit Mundus. Zur Hölle mit dem, was du bist. Wenn diese Liebe Gift ist, haben wir beide aus dem Kelch getrunken." Er läßt ihren Arm los und legt seine Hand an ihren Hals, die Finger um den schlanken Nacken geschlossen, den Daumen auf dem Puls in ihrer Kehle. Er hämmert so sehr wie sein eigener. Ihre Gesichter sind sich jetzt so nahe, daß sich ihre Nasen fast berühren und ihr Atem sich mit seinem mischt.
"Du bist mein, ob du willst oder nicht. Du hast mir ein Kind geboren und ganz egal, was irgendwelche Gesetze sagen, du gehörst mir. Und du weißt es auch - und der erste Priester, der uns über den Weg läuft, wird uns trauen, ob du willst oder nicht, närrisches Weib." Er kann spüren, wie sie schluckt und hören, wie sie ein leises, ersticktes Geräusch von sich gibt, doch er läßt nicht los. Stattdessen vergräbt er eine Faust in ihren Haaren und küßt sie. Geredet hat er nun genug, schon viel zu viel. Sie windet sich zornig, aber er gibt sie nicht frei, bis ihr Widerstand bricht. Ihre Arme schlingen sich um seinen Nacken und er hebt sie ein Stück vom Boden, hält sie so fest, daß er ihre Rippen bedenklich knacken hört. Er streicht mit den Händen über ihren Rücken, als wolle er alles von ihr auf einmal berühren und allein der Geruch ihrer Haut bringt ihn fast um den Verstand.  "Sag es. Sag es und mein es, ich will es hören."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 19. Nov. 2004, 19:37 Uhr
>Du bist mein, ob du willst oder nicht. Du hast mir ein Kind geboren und ganz egal, was irgendwelche Gesetze sagen, du gehörst mir. Und du weißt es auch - und der erste Priester, der uns über den Weg läuft, wird uns trauen, ob du willst oder nicht, närrisches Weib.< Sie will sich von ihm lösen, ihm das ausreden, ihr wild pochendes Herz beruhigen und zappelt in seinem Griff so hilflos wie ein Fisch im Netz. Als er sie küßt, trommelt sie mit den Fäusten auf seine Brust, aber er zuckt nicht einmal zusammen, geschweige denn, daß er sie losläßt. Sein Kuß ist so heftig, daß sie Blut in ihrem Mund schmeckt, die wortlose Botschaft überdeutlich. Du gehörst mir. Sie versucht, sich zu befreien, aber das hat keinerlei Wirkung und ihr verräterischer Körper spricht dummerweise eine ganz andere Sprache - und dann ist es ihr auch gleich. Er ist hier, das ist alles, was zählt. Er ist hier und er liebt sie. Sie erwidert seinen Kuß und hält sich an ihm fest, während sie gemeinsam auf die Knie sinken, umbauscht von den hinderlichen Organzaschleiern ihrer Röcke. Sie japst nach Luft, während seine Umarmung ihr selbige aus den Lungen treibt, ignoriert den Sauerstoffmangel und klammert sich an ihn wie eine Ertrinkende.

Ihre noch immer zu Fäusten geballten Hände öffnen sich und ihre Finger krallen sich in den Stoff seines Hemdes. Die Muskeln darunter dehnen und straffen sich bei jedem Atemzug. Seine Brust ist so hart wie Stein, und dennoch gibt sie unter ihren Händen nach. Sie reißt ihren Kopf zurück und bekommt ihn frei. Ihre Lippen sind geschwollen und schmecken nach ihm und seine Hände auf ihrem Rücken sind ihr einziger Halt. "Ich. Liebe. Dich. Ich... liebe dich. Ich liebe dich, du dämlicher Nordmann, klar soweit? Und jetzt laß mich los, du brichst mir die Rippen." Schwankend lehnt sie sich an ihn und der Druck auf ihren Brustkorb läßt gerade soviel nach, daß sie wieder atmen kann. "Und wenn du mich närrisches, schreckliches Weib wirklich noch zur Frau haben willst, dann sollst du mich haben. Und gnaden dir die Götter, wenn du's willst, denn dann mußt du es mit mir aushalten." Ihr Mund zittert, weil sie nicht weiß, ob sie lachen oder weinen soll, aber die Augen gehen ihr ohnehin schon wieder über. Und dann liegt sie weinend in seinen Armen, zittert, prustet und schnieft und versetzt ihm hin und wieder kleine Fausthiebe.

Er wiegt sie hin und her wie ein Kind, streicht über ihr Haar und ihren Rücken, flüstert ihren Namen und alle Haarnadeln purzeln zu Boden, gelöst von seinen Fingern. Irgendwann fängt er ihre Hände ein - und langsam wird sie ruhiger. In ihrem Kopf geht alles durcheinander und sie kann keinen einzigen klaren Gedanken fassen, aber sie war noch nie so glücklich wie jetzt in diesem Augenblick. Sie weiß nicht, wieviel Zeit vergeht, während sie so knien und sich aneinander festhalten, aneinander festklammern, als würde sich der jeweils andere in Luft auflösen, ließe man ihn los. Sie hätte ewig so verharren und ihn ansehen können, aber ihr vehementes Schniefen scheint ihn irgendwann zur Besinnung zu bringen und er tastet nach einem Taschentuch, das er irgendwo unter seinem Surcot hervorzieht und ihre Tränen damit trocknet.

"Dib her." Sie nimmt ihm das Tuch aus der Hand und erklärt mit belegter Stimme: "Ich buß bir die Dase putzen." Sie schnaubt verlegen in den Stofffetzen und wischt sich schließlich die Tränen aus den Augenwinkeln. Es scheint ihr vollkommen albern, ihm gegenüber schüchtern zu sein. Er hatte mehr als einen Zwölfmond lang ihr Leben und ihr Bett geteilt und sie hat ihm ein Kind geboren... dennoch ist sie es. Genauso stark wie die Befangenheit summt jedoch das, was sein Kuß geweckt hat in ihrem Blut und sie ist so benommen, als hätte sie zuviel Feuerwein erwischt. "Du brauchst ein Bad. Und etwas zu essen, du bist schrecklich dünn geworden. Cron," ihr Tonfall wird drängend, weil ihr siedendheiß etwas einfällt. "Cron, du wirst mich aber nicht bei Sonnenaufgang an den Haaren nach Talya zu Morgana oder Arwen schleifen, das wäre... gemogelt. Der erste Priester, der uns über den Weg läuft."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 20. Nov. 2004, 00:13 Uhr
>Ich. Liebe. Dich. Ich... liebe dich. Ich liebe dich, du dämlicher Nordmann, klar soweit?< Er kann die Wahrheit in ihren Augen sehen, einen Herzschlag bevor sie die Worte ausspricht und einen Moment vergißt er sogar zu atmen. Wärme breitet sich in seinem Inneren aus. Wut und Angst, Erleichterung und Liebe verschmelzen in seinem Inneren augenblicklich zu solidem Verlangen und er stellt fest, daß er zittert. Sie auch. Sag es und mein es, hatte er gefordert - und sie hatte es gesagt und... "Aye. Klar soweit." Seine Stimme klingt sogar in seinen Ohren fremd. Cron lockert seinen Griff bei ihrem schwachen Protest ein wenig, aber er kann sie nicht wirklich loslassen - und er will es auch gar nicht, nie wieder. Er kniet auf blankgescheuertem Holzdielen in einem lebendigen Baum, schmutzig, erschöpft und halbverhungert und hält eine Frau im Arm, die sich hicksend und schniefend an seiner Brust ausweint, aber schließlich muß sie sich ein wenig von ihm lösen, um sich die Nase putzen zu können. Mit vernehmlichen Geräuschen schnieft sie in ein Stück Leinen, das er ihr reicht und das läßt ihn im Halbdunkeln lächeln. Als sie jedoch von Arwen und Morgana spricht, fühlt er sich ertappt und sein schwaches Lächeln bekommt etwas schuldbewußtes. Bei genau diesem Gedanken erwischt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als zähneknirschend zuzustimmen.

"Ich habe dir einmal gesagt, ich will alles - und das gilt immer noch. Wenn ich dich jetzt nehme, dann ist es für immer....der erste Priester, der uns über den Weg läuft." Er nimmt ihr Gesicht in beide Hände, berührt ihren Mund und gräbt seine Finger in ihr Haar. Sein Magen knurrt so laut, daß es im ganzen Baum zu hören sein muß und er starrt vor Dreck, aber jeder Gedanke an Essen und heißes Wasser ist meilenweit fort. Er steht auf und zieht sie mit sich hoch, doch der Versuch, mit ihr die wenigen Schritte zum Kaminfeuer zurückzukommen, ohne sie dabei loszulassen oder über seine eigenen Füße zu stolpern, endet damit, daß sie in einem Gewirr von Armen und Beinen in den Kissen und Fellen landen. Er schnürt ihr Mieder auf und die bestickte Seide landet achtlos auf dem Fußboden, ebenso wie ihre tausend Rockschleier und seine eigene Kleidung. Die Kerzen sind niedergebrannt, das Kaminfeuer schwelt nur noch und das Baby schläft tief und fest. Sie sagt kein Wort, aber sie sieht ihn an, ihre Augen offen, tränenlos jetzt, glänzend wie dunkles Gold und sie verbirgt nichts. Keiner von ihnen beiden spricht es aus, sie sprechen überhaupt nicht, aber ihre Augen führen einen ganz eigenen Dialog. Voneinander gefangen und aneinander gebunden treten sie die Reise in ihr Inneres an, treiben sich voreinander her und alle Masken fallen, bis sie sich selbst in den Augen des anderen sehen können... und so vergeht die Nacht im warmen, weichen, stummen Lied aus Fleisch und Bewegung in dem sie brennen und ineinander schmelzen wie Seide, die man zu nahe an Flammen hält.

Sie finden in dieser Nacht wenig Ruhe. Zu aufgewühlt, um zu schlafen und zu müde, um noch länger wach zu bleiben, liegen dicht aneinandergeschmiegt, die Grenzen zwischen ihnen aufgelöst, jeder in die Geheimnisse des anderen eingeweiht, nicht wach, aber auch nicht schlafend. Irgendwann kurz vor der Dämmerung schrecken sie beide frierend vor dem kalten Kamin hoch, weil Shaerela mit wütenden Quietschlauten nach Milch und Wärme verlangt. Sie wechseln kein Wort, sondern helfen sich gegenseitig auf die Füße und gehen dann mit dem hungrigen Baby in seinem Weidenkörbchen nach oben in das Schlafgemach unter der Baumkrone, um für eine Stunde Schlaf vor dem Morgengrauen in ihr Bett zurückzukehren. Niniane stillt die Kleine und legt sie dann zwischen sie, wo sie friedlich weiterdöst, während sie sich an den Händen halten und sich ansehen, als sähen sie sich zum ersten Mal - und vielleicht tun sie genau das auch. Er streckt die Hand aus und berührt ihr Gesicht, sanft, vorsichtig. Hält sie an sein Herz und denkt an die Dunkelheit der letzten Wochen in seinem Inneren. "Als ich dich zum ersten Mal sah, hattest du ein geborgtes Gewand an und hast Borgils Ochsenpfannen geschrubbt. Deine Füße waren bloß und du warst bis zu den Ellenbogen und den Knien mit schwarzem Bratfett und Seife beschmiert. Du warst wütend und wunderschön." Ins Grau der Dämmerung mischen sich die Goldtöne der aufgehenden Sonne, füllen das Botanikum und das halbe Schlafgemach mit goldenen Lichtreflexen und erhellen ihr Gesicht mit jedem Herzschlag ein wenig mehr. "Für mich war es schon damals für immer, Cariad."  




Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 21. Nov. 2004, 00:30 Uhr
Aus dem grüngoldenen Frühling wird goldener Sommer und das Leben am Smaragdstrand zieht vorüber wie ein einziger, langer Traum. In jener Nacht, als er zurückgekehrt war, scheint die Welt aus den Angeln gekippt, das Universum auseinandergebrochen, zerfasert und verweht zu sein und sich dann wieder zusammengesetzt zu haben - gleich und doch vollkommen anders, als zuvor. Sie hatte schon mondelang mit ihm zusammengelebt, hatte ihr Bett und ihr Leben mit ihm geteilt und trotzdem ist es jetzt... anders. Alles hat sich verändert. Einmal versucht sie, es ihm zu erklären. "Bin ich eine andere als früher? Habe ich mich verändert? Oder wir uns? Dreht sich die Welt anders? Oder ist es am Ende das, was die Bänkelsänger die 'Macht der Liebe' nennen?" Er hatte nur gelächelt und sie festgehalten, während das Sommerlicht über dem See verblaßt war und der Wind in den Kronen der Bäume über ihnen sein uraltes Lied vom Anbeginn der Zeiten sang.

Shaerela wächst und gedeiht und sieht ihrem Vater von Tag zu Tag ähnlicher, während der Grünglanzmond vergeht und einem sonnigen Sanjar weicht. Nie waren die kleinen, roten Walderdbeeren süßer, die Forellen fetter, die ersten Kirschen saftiger als in diesem Jahr. Nie waren ihre Vorratskammern voller - sie hat Zeit, ihre Kiepe und die Vorratskörbe mit Früchten, Beeren, Kräutern und Pilzen zu füllen, während Cron auf die Jagd geht und ein Auge auf ihren Wald hat. Er kontrolliert ihre Wildwechsel und Wege, die Täler, Schluchten und tiefen Haine, ist ihr Auge und Ohr. Er hat nicht ihre Sinne, aber er ist ein erfahrener Jäger und lernt rasch, worauf ein Waldläufer achten muß. Niniane gerbt Felle und legt Vorräte an, dörrt Fleisch und kocht - seit sie weiß nicht wievielen Jahrhunderten - zum ersten Mal wieder selbst Marmelade ein. Ihr erster Versuch in diese Richtung endet mit einem zweitägigen Küchenputz, weil ihr alles überkocht, doch der Rest wird durchaus genießbar und die langen Regale in den kühlen, dunklen Kellerräumen unter den gewaltigen Baumwurzeln füllen sich zusehends.

Und sie kümmert sich um ihre Tochter. Shaerela verbringt ihre ersten Lebensmonde meist in der Wiege, die Cron ihr geschnitzt hat... etwas, das er schon vor dem Nargenfeldzug im vergangenen Winter begonnen und vor ihrem Aufbruch nach Serershen So'Tar fertiggestellt hatte. Sie war die ganze Zeit über unter Leinentüchern im Stall gestanden und Niniane hatte nicht einmal von ihr gewußt, bis er sie hervorgeholt hatte. Morgens stellt sie die Wiege vor den Baum zwischen die mannshohen Wurzelstränge und das erste Geräusch, das Shaerela bewußt wahrnimmt, stammt von den Blätter über ihr, die sich im Wind bewegen; kein Rauschen, eher ein Rascheln. Später wird ihr dieses Geräusch zutiefst vertraut sein und Wohlbehagen in ihr auslösen, ohne daß sie die Ursache davon kennen wird. Rascheln der Blätter, Rascheln des Schilfrohrs am See. Urgeräusche. Auch der Sonnenthron vergeht und die Hundstage kommen - Tag für Tag heißer, stiller Sommer, wo selbst die Insekten sich tief im Gras verkriechen und nichts mehr sich zu bewegen scheint, außer das Licht.

Niniane und Cron verbringen fast jeden Tag am Seeufer, liegen nebeneinander im Sand, schwimmen nebeneinander im See, teilen sich saure, frühe Kornäpfel und klebrigsüße Feuermelonen, tauchen nach Ildorelkrebsen und Muscheln, und sie bringt ihm bei, Forellen mit der bloßen Hand zu fangen. Sie pusten Sandkörner von Shaerelas zarter Haut und Niniane stillt ihr Kind im Schatten des Schilfrohrs. Und wenn das Baby in seinem Weidenkörbchen unter den Bäumen am Seeufer schläft, gehören sie beide nicht zu jenen, die sagen: es ist heller Tag! oder: nicht unter freiem Himmel! Jeden Tag wird ihre Haut ein wenig dunkler und ihr Haar ein wenig heller, während Cron und seine Tochter längst sonnenverbrannten Azurianern gleichen.
Der Ceniar zieht ins Land und mit ihm die Erntezeit - rings um Talyra bringen die Bauern ihr Korn ein, auf den Höfen wird gedroschen, auf den Feldern gepflügt und geeggt. Kartoffeln und Mais hätten dringend Regen nötig, aber es regnet nicht. Die Pferde sind die einzigen, die nach Wolken Ausschau halten und am Smaragdstrand hat man die Welt ringsum vergessen.

Ihr Baum und der Strand werden in diesem Sommer zum Herz ihres Seins. Talyra, keine halbe Wegstunde entfernt, hätte ebenso gut auf dem Mond oder am anderen Ende der Welt, Cron, Shaerela und sie selbst die einzigen Wesen auf Rohas weitem Rund sein können. Und sie stört sich nicht einmal daran - genausowenig wie an ihrem völlig veränderten Leben. Ihre Tochter und deren Versorgung und die zahlreichen Aufgaben einer einfachen Hausfrau binden sie an den Baum und halten sie von ihrem Wald und ihrer bisherigen Zugvogelfreiheit fern - etwas, das sie sich früher nicht einmal hätte vorstellen können. Jetzt verschwendet sie nicht einmal einen Gedanken daran. Einmal im Siebentag kommt die Mogbarwäscherin zum Baum heraus, holt schmutzige Wäsche ab und bringt frische zurück, versorgt sie ungefragt mit Gerüchten und dem neuesten Stadtklatsch und ist über Monde ihre einzige Verbindung zum Rest Ildoriens. Sie vermißt nichts, nicht einmal ihr Schwert. Wann immer sie Zeit finden, veranstalten sie unter den gelangweilten Blicken der Pferde in den Abendstunden Fechtübungen zwischen Rainfarn und Baumwurzeln und verprügeln sich zum reinen Vergnüngen abwechselnd mit bleigefüllten Holzschwertern. Ob Priestersegen oder nicht - tatsächlich hatte sich bisher keiner der Klerikerzunft an den Smaragdstrand oder gar in ihren Baum verirrt, nicht einmal Arwen oder Morgana - sie ist seine Frau. Irgendwann in diesem langen, heißen Sommertagstraum hat sie es einfach aufgegeben, Widerstand zu leisten oder sich tausend Gründe dagegen einfallen zu lassen, die doch alle nichtig sind. Mehr noch, sie will es auch nicht mehr. Zum ersten Mal in ihrem Leben geht sie auf einem Seil, ohne nach unten zu sehen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 23. Nov. 2004, 00:20 Uhr
Er hat sein Versprechen gehalten und sie nicht an den Haaren in den nächstbesten Tempel geschleift - obwohl ihm das schwer genug gefallen war. Irgendwann in diesem Sommer hatten sich die Grenzen zwischen ihnen aufgelöst, hatte eine unsichtbare Nabelschnur sie beide rettungslos ineinander verheddert - und keiner von ihnen beiden kämpft mehr dagegen an. Der Baum am Smaragdstrand wird sein Zuhause, etwas das er vorher nie wirklich war, das Larisgrün seine Heimat so wie es die ihre ist. Dennoch ist unter dem Furnier seines neuen Lebens noch genug von dem normander Ritter seines früheren Selbst übrig geblieben, daß ein ewiges Zusammenleben mit ihr ohne Brief und Siegel und dem Segen der Götter nicht wirklich in Frage kommt. Abgesehen davon will er es einfach. An einem Tag im Beerenreifmond, holt die Welt sie schließlich wieder ein, unaufdringlich, schleichend, aber nachdrücklich, so als wolle sie klarstellen, daß sie sich nicht einfach für immer aussperren läßt: sie erwachen mit der Morgendämmerung und an jenem Tag ist irgendetwas... anders. Sie spüren es beide, ohne daß sie sagen könnten, woran es liegt. Im diffusen grauen Zwielicht der sterbenden Nacht liegen sie wach und lauschend in ihrem Schlafgemach, Shaerela neben dem Bett in ihrer Wiege - nach Wochen voller halbdurchwachter Nächte  endlich wieder ein umgängliches Kind - dann hebt Niniane den Kopf und lauscht und nach einer Weile verkündet sie schlaftrunken. "Das Sommerfest. Der ganze Wald ist voller fahrender Ritter, Gaukler und Reisender, die bestimmt alle zum Fest wollen..." nur um sich postwendend wieder an ihn zu schmiegen und weiterzuschlafen. Das Sommerfest? Ihm ist es, als sei er gestern erst aus dem Wald zu ihr zurückgekehrt und nicht schon vor drei Monden. Irgendwie scheint ihnen die Zeit abhanden gekommen zu sein... oder waren sie es, die das Interesse an ihr verloren hatten?

Als sie aufstehen, um wie jeden Morgen Hand in Hand zum Seeufer hinabzugehen, Shaerela auf dem Arm, holt die Wahrheit sie endgültig ein. Dort, wo sonst eine moosbewachsene Böschung und ein menschenleerer Strand schneeweißen Sandes liegen, wo der Tau das Licht einfängt und es bricht wie eine Schicht von Perlmutt, liegt der penetrante Gestank nach Ziegenmist in der Luft und herrscht buntes Durcheinander - und zwar in Gestalt eines kugelrunden Halbzwergen in tintenschwarzer Kutte, einer dösenden Ziegenherde, zweier zotteliger Hirtenhunde und acht blutjunger Mädchen, nebst einer stämmigen, graugekleideten Alten, die allesamt selig um ein halbheruntergebranntes Feuer schnarchen. Zumindest schnarchen sie solange selig, bis Cron und Niniane mit dem Baby auf dem Arm oben an der Böschung auftauchen. Die Ziegen schrecken hoch, als sie ein Wolfsrudel mitten unter sie gefahren, die Hunde kommen knurrend und bellend auf die Beine, die Schläfer werden aus ihren seligen Träumen gerissen: kreischende Mädchen, ein polternder Halbzwerg, der nur fluchend und reichlich unwürdig auf die Füße kommt, und eine loszeternde alte Vettel, der die graue Kapuze übers Gesicht gerutscht ist und die blind eine gußeiserne Bratpfanne in alle Richtungen schwenkt. Angesichts dieses Chaos machen sie beide ganz unbewußt einen Schritt rückwärts und Cron kann gerade noch ein "Nichts wie weg hier!" murmeln, dann ist es zu spät. Der Urgroßvater aller Ziegenböcke hat sie bereits ausgemacht und stürmt wie ein gehörnter Rachedämon die Böschung, ihm folgt meckernd sein stinkender Harem, dem die bellenden Hunde, den Hunden der verdatterte Halbzwerg, dem Halbzwerg die inzwischen wieder sehende Alte, ihre Kapuze festhaltend und die Bratpfanne wie ein Schwert vor sich gestreckt, und hinter ihr drängt sich die Mädchenschar wie Küken hinter der Glucke.

Sie weichen ein paar Schritte in den Rainfarn zurück, starren ungläubig auf das, was da auf sie zukommt und er kann Niniane neben sich ebenso erschrocken wie erheitert kichern hören. Angesichts dieser heulenden Übermacht bleibt ihnen nur der Rückzug, sehr weit kommen sie allerdings nicht, denn noch bevor sie vier Schritte getan haben, werden sie von ihren Verfolgern auch schon umringt. Er tauscht einen leicht hilflosen Blick mit Niniane, die vollauf damit beschäftigt ist, nicht lauthals in Lachen auszubrechen und gleichzeitig das erschrockene Baby zu beruhigen und sieht sich im nächsten Moment zwei wütenden Hunden, einem gurgelnden Ziegenbock und einem kleinen, runden Halbzwerg in schwarzer Soutane gegenüber, der mit den Händen vor seiner Brust herumfuchtelt und schreit: "Laßt ab! Aufhören! Im Namen unseres Erlösers befehle ich Euch, diesen Aufruhr sofort zu beenden!" Ein heftiger Niesanfall beendet seinen Ausbruch vorerst und die Ziegen gehorchen. Die Hunde auch, ebenso die tuschelnden Mädchen. Cron nicht. Die alte Vettel mit der verrutschenden Kapuze und der Bratpfanne auch nicht. Am allerwenigsten Shaerela, die sich auf dem Arm ihrer Mutter windet und loskreischt wie eine verbrannte Katze.
"Es reicht!" Um sich vor weiteren Attacken eines übergeschnappten Ziegenbocks zu bewahren, bleibt Cron nichts anderes übrig, als ihn an den Hörnern zu packen und ihn vor den Zwergen im Priestergewand unten zu halten. "Ist das...?" Er kommt noch nicht einmal dazu, die Frage fertig zu stellen, als auch schon die ewige Verdammnis auf sein Haupt herabbeschworen wird und ein dicker Zeigefingerstummel vehement gegen seine Rippen tippt. "Meine Ziegen! Meine Hunde!"
"Aber..."
"Meine arme Gevatterin Holzapfel!"
"Nun ja ich..."
"Was habt Ihr... Ihr... Ihr dämlicher Halbriese Euch eigentlich dabei gedacht, zu so gottloser Zeit meine armen Ziegen aufzuscheuchen? Ihnen wird garantiert die Milch sauer! Und meine armen Schäflein! Zu Tode erschreckt! Häh? Häh?!"

Jedes Wort wird mit einem gewaltigen Niesen bekräftigt, bis ein Anfall heftiger Schnauber den schäumenden Graubart endlich zum Luftholen zwingt. Mit Schäflein waren wohl die Mädchen gemeint, die sich jetzt kichernd und flüsternd hinter der der Bratpfannenmatrone drängen und neugierig herüberspähen, denn andere Schafe kann Cron in dem wimmelnden durcheinander meckernder und knurrender felliger Leiber um sich her nicht entdecken.
"Ihr dämlicher Priester, dann hättet Ihr Euch einen anderen Lagerplatz ausgesucht als ausgerechnet diesen! Wir leben hier, dort oben hinter der Böschung steht unser Ba... äh Haus und wir wollten einfach nur an den See! Und jetzt schafft mir diese stinkende Höllenbrut vom Hals, sonst muß ich ihn über dem nächsten Feuer rösten!"
"Aah, götterloser Frevler! Ihr werdet keine Hand an den armen Kuraso legen, sowahr ich ein Diener Sithechs bin!"
"Euer armer Kuraso wird mir ausgezeichnet schmecken, wenn Ihr ihn nicht auf der Stelle zur Vernunft bringt!"
"Ihr seid ja nicht ganz bei Sinnen! Mein schöner Bock! Barbar! Ziegenschänder! Gottloser Heide! Ihr...hatschi!"
Schließlich ist es doch Niniane, die ihn rettet, auch wenn sie sich ob der ganzen Situation und seines gequälten Gesichtes auf die Zähne beißen muß, um nicht zu lachen und trotz des kreischenden Babies. Sie summt ein paar leise Töne und der eben noch wutschäumende Ziegenbock nebst seiner ganzen Ziegenherde wird friedlich wie das sprichwörtliche Lamm, selbst die Hunde lassen sich hechelnd nieder.


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 23. Nov. 2004, 00:31 Uhr
Leider funktioniert der Zauber nicht bei dem Halbzwergen, auch wenn er ihn wenigstens für einen Augenblick sprachlos macht. In der plötzlichen Ruhe ist das Weinen Shaerelas umso lauter und Cron funkelt den Sithechpriester - wenigstens hält er ihn für einen - böse an und nimmt Niniane die Kleine ab. "Schsch... nicht weinen, min koerlighed," er klopft beruhigend auf den kleinen Rücken, wenn auch mit wenig Erfolg. "Ist schon gut, sind nur ein paar verrückt gewordene Ziegen, kein Grund Angst zu haben." Das Babygeschrei verstummt nur allmählich, doch alle, selbst die Ziegen, atmen erleichtert auf.
Der Zwergenpriester fährt finsteren Blickes zu Niniane herum. "Was war das?" Schnappt er, besinnt sich aber angesichts eines Paars vollkommen ruhiger golden schimmernder Augen lieber darauf, den Mund zu halten und dann ist die beleibte Alte plötzlich an seiner Seite und tritt ihm dezent auf den Fuß. Ihr Blick spricht Bände und enthält den eindeutigen Rat, alles weitere besser ihr zu überlassen. Die Bratpfanne ist verschwunden, dafür überzieht ein breites  Lächeln das pausbäckige Gesicht, als sie flötet: "Friedliche Ziegen! Wie schön!" Sie schiebt sich energisch zwischen den Halbzwerg, die Ziegen und Cron, ohne ihren Redefluß zu unterbrechen. "Es ist zu gütig von Euch, M'lord, M'ladie, Und was ist das denn für ein kleiner Sonnenschein!" Gurrend kitzelt sie die noch immer hicksende Shaerela an den Füßen und schwirrt zwischen ihm, Niniane und dem Priester hin und her wie ein dicker Kolibri. "Waldläuferin Eure Frau, ja? Das habe ich mir schon gedacht. Wißt Ihr, wir hatten uns in der Nacht einfach in diesem riesigen Wald verirrt, mein guter Holzapfel hier meinte ja auch, er kenne eine Abkürzung." Sie verdreht vielsagend ihre Augen in Richtung des Priesters, der empört den Mund aufklappt, aber nicht zu Wort kommt.

"Nein, nein, du brauchst gar nicht so zu schnauben, Hyeronim, nur wegen dir sind wir die halbe Nacht über Stock und Stein gestolpert und die armen Mädchen hatten furchtbar Angst in dem großen, dunklen Wald, wie Ihr Euch sicher denken könnt. Und dann haben wir irgendwann im Mondlicht den See gefunden und es ist das reinste Wunder, daß wir nicht alle hineingefallen und ertrunken sind, aber dann sind wir am Strand entlang immer in Richtung Süden gelaufen, bis wir nicht mehr konnten. Und da habe ich zu Hyeronim gesagt, Hyeronim, habe ich gesagt, wir müssen jetzt einfach den Göttern vertrauen und unserem Erlöser Sithech, er wird uns auf den rechten Weg führen. Deswegen haben wir auch hier Rast gemacht, an diesem Strand letzte Nacht, müßt Ihr wissen. Wir und äh... unsere Ziegen. Die Ziegen sind eine Spende unseres Dorfes an den Tempel, natürlich. Und die Mädchen. Die Mädchen sollen auch in den Tempel. Als Novizinnen, nicht als Spende. Ihr äh... könnt uns nicht zufällig sagen, wie wir nach Talyra kommen? Ist der Weg noch weit? Das ist doch der Ildorel hinter uns, oder?"
"Ah... ja, und..."
"Oooch, nun sieh sich einer dieses süße Dingelchen an!" Gevatterin Holzapfel stellt sich auf die Zehenspitzen, um Shaerela anzuflöten, der noch immer ein paar dicke Krokodilstränchen die Wangen hinabkullern und die immer noch hin und wieder von einem Schluchzer geschüttelt wird. "Och, oi, haben dich die bösen, bösen Ziegen erschreckt. Aber, aber, Schätzchen, aber, aber. Der alte Kuraso meint es nicht böse, nein, nein, nein. Gebt mir die Kleine, M'lord." Sie streckt die Arme nach dem Baby aus und verwandelt sich in Crons Augen spontan von der Pfannenwalküre in einen rettenden Seharim, während in ihrem Rücken der Zwergen-Holzapfel vernehmlich herumrumort. "Armh, ähm, tja... ohm..." und schließlich etwas von Verzeihung brabbelt. Seine Frau - oder was immer die Gevatterin Holzapfel sonst ist - liebäugelt derweil mit Shaerela, die sie ehrfurchtsvoll aus runden Kulleraugen anstarrt und sich entzückt hin und herwiegen läßt.  Niniane tritt näher, um sich mit einem halb belustigten, halb verärgerten Schnauben ihr Kind wiederzuholen und der graubärtige Sithechpriester neigt den Kopf und tritt vorsichtshalber ein wenig den Rückzug an.

"Mylady. Wollten Euch mit Sicherheit nicht stören. Tjahem... ich äh... treibe dann mal meine Ziegen zusammen... und meine Schäflein... und äh... wie weit, sagtet Ihr doch gleich, ist es bis Talyra noch?" Sein hoffnungsvoller Blick irrt von Cron zu Niniane, die seiner Holzapfelin mit süffisantem Lächeln Shaerela wieder abnimmt, und wieder zurück zu Cron, doch es ist Nan, die ihm - und der noch immer zwitschernden Frau - schließlich erklärt, daß Talyra praktisch vor ihrer Nase läge, keine halbe Wegstunde mehr entfernt. "Oh, das ist ja erm... äh... erfreulich, nicht wahr? Dann wollen wir mal. Äh... Sithech möge Euch und Eure äh... Frau Gemahlin segnen, Mylord, jawohl....äh? Mylord?" Aufgeschreckt von dem seltsamen Ausdruck und dem langsamen, dämonischen Grinsen, das sich bei seinen letzten Worten über Crons Gesicht ausbreitet, hält der Priester mitten im Satz inne. Dann blickt er zu Niniane, die Cron anstarrt, begreift und - plötzlich auffallend blaß - wild den Kopf schüttelt. "Äh...Mylady? Ist Euch nicht gut?"
"Oh, macht Euch keine Sorgen. Ihr geht es bestens." Cron nimmt den Halbzwergen an den Schultern, bringt sein Gewand in Ordnung, zupft die Soutane zurecht und bürstet sogar Staub von den Schultern, den es gar nicht gibt. "Mein lieber Hyeronim, Ihr seid Priester, nicht wahr?" Beginnt er aufs Neue und sein Lächeln wird wirklich diabolisch. Der Zwerg nickt verdattert, während Niniane in seinem Rücken entsetzt die Augen aufreißt und ihr Mund lautlos die Worte: Oh nein! Wag es ja nicht! Denk nicht einmal daran! formt. Sie funkelt ihn an, als wolle sie ihn auf der Stelle in eine Kröte verwandeln. Cron ignoriert ihren flammenden Blick und die lautlosen Botschaften und strahlt den Zwergen an. "Dann seid Ihr genau der Mann, den ich im Augenblick brauche"
"Äh... Ihr braucht... mich?" Nach einem weiteren gewaltigen Niesen blickt der Sithechpriester ihn unsicher an und Cron nickt.
"Oh ja. Seht Ihr, Ihr müßt uns verheiraten."

Niniane gibt einen halberstickten Laut von sich und in ihren Augen stehen Mordgelüste. "Ich? Euch verheiraten? Jetzt?" Echot der Zwerg und  niest, ein wahrhaft furchteinflößendes Geräusch. Dann schnaubt er nicht minder laut in ein gewaltiges, rotes Taschentuch. Seine Nase ist so beindruckend, daß selbst Borgils riesiger Zwergenzinken dagegen ausgesehen hätte wie eine alayzer Marmorminiatur. "Äh... Hyeronim?" Unterbricht Madame Holzapfel die Unterhaltung und der Sithechpriester herrscht sie an zu schweigen, während alle seine zweibeinigen Schäflein, die sich mittlerweile in Hörweite vorgewagt haben, jungmädchenhafte Seufzer von sich geben und seine Ziegen sich langsam aber sicher über die Böschung in Richtung Ninianes Baum verabschieden - zweifellos um ihre geliebten Begonien zu fressen. "Jetzt," beharrt Cron. "Bevor sie es sich wieder anders überlegt. Seht Ihr, sie ist etwas störrisch und äh... das ist kompliziert, aber... Ihr wollt doch sicher nicht, daß dieses arme Kind in Schimpf und Schande aufwachsen muß?"
"Unmöglich!" Der Sithechpriester schnaubt gewaltig laut. "Unmöglich! Warum seid Ihr nicht längst im Stand der Ehe? Wo kommt dann das Kind her, häh? Nun, egal... wo ist der Ehekontrakt? Wurde das Aufgebot ordnungsgemäß bestellt? Wer übergibt diese äh... diese... Frau - auch wenn sie spitze Ohren hat und mit ihren Augen irgendetwas ganz und gar nicht stimmt, wenn Ihr mich fragt, sie scheint ja weiblich zu sein - an Euch? Ich brauche zumindest zehn Tage, um meine Ziegen zu spenden, die Mädchen abzuliefern, die notwendigen Pergamente aufzusetzen!"
Crons Augen werden schmal und er fährt mit samtweicher Stimme fort: "Vielleicht sollte ich es anders ausdrücken, Meister Hyeronim, damit Ihr versteht. Ihr seid Priester. Ihr seid hier. Ihr werdet mich und diese Frau - ich kann Euch versichern, sie ist tatsächlich eine - auf der Stelle verheiraten. Ihr wißt doch noch, welche Worte bei einer Trauung zu sprechen sind, oder? Gut - denn wenn Ihr es nicht tut, verdammt Ihr dieses süße unschuldige Kind zum Leben eines... eines Bastards und uns zu einem Leben in schwerer Sünde. Unzucht, um genau zu sein."

Niniane stößt einen Laut aus, als zische ein ganzes Rudel wütender Katzen im Chor und in ihren Blicken ist deutlich zu lesen, was ihm bevorsteht, sobald sie das nächste Mal allein wären, aber immerhin - sie rauscht nicht hocherhobenen Hauptes davon. Und selbst sie muß zugeben, daß er sein Versprechen gehalten hat... der erste Priester, der ihnen über den Weg laufen würde. "Für all das würdet Ihr die Verantwortung tragen," warnt er denselben und fügt mit einem spöttischen Lächeln hinzu. "Wenn Ihr uns jedoch innerhalb einer Stunde verheiratet, dann könnt Ihr Sithech nicht nur Eure Ziegen und die Mädchen, sondern hundert Goldstücke zusätzlich überbringen..."
Der Halbzwerg streckt die kurzen, dicken Arme aus. "Fort!" Brüllt er so laut, daß ein Taubenschwarm aus den Buchen oben auf der Böschung auffliegt. Cron befürchtet schon, daß der Priester Niniane und ihn wirklich wie Dämonen austreiben will, doch er scheucht nur seine Schäflein zurück an den Strand und die Ziegen vollends von der Böschung in den Wald. In die darauffolgende Stille hinein niest er erst einmal, dann räuspert er sich: "Einen Mann der Götter kann man nicht bestechen," mahnt er ernst. "Doch sind den Tempeln wohltätige Gaben stets willkommen." Er reibt sein enormes Riechorgan. "Ich bin Hyeronim Holzapfel, Sithechpriester im Dorf Moostal nordwestlich von Wegesend." Offenbar ist er der Meinung, es sei jetzt doch langsam angebracht, sich vorzustellen. "Und Ihr seid...?"
"Cron von Tronje, Niniane aus dem Haus der Tanzenden Winde, unsere Tochter Shaerela. Und jetzt macht hin, Mann, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 26. Nov. 2004, 23:46 Uhr
An einem Tag Ende des Nebrarmonds, so neblig, daß man die graue Suppe vor den blattförmigen, bleigefaßten Fenstern des Baumes mit dem Messer hätte durchschneiden können, schneit es zum ersten Mal in diesem Spätherbst: dünne, weiße Flocken rieseln aus dem grauen Nichts und zuckern ihren Baum, ihre Lichtung und das Larisgrün weiß. Die Herbststürme waren heftig gewesen dieses Jahr, hatten fast alle Blätter von den Bäumen gefegt und selbst ihre Lichtung ist wie blankgeputzt. Cron war am Morgen zur Jagd aufgebrochen und hat ihr einen zarten jungen Julbraten versprochen, und ihr Tag war arbeitsreich vergangen... sie hatte zum ersten Mal seit Jahrhunderten, wenn nicht länger, ihren Baum für das Mittwinterfest in wenigen Wochen geschmückt: mit buntem Laub, mit verschlungenen Kränzen aus leuchtend roten Zweigen, mit Gebinden aus prallen Hagebutten und Nüssen, mit riesigen Pinienzapfen und dunkelgrünem Ilex. Alle Räume duften nach Bienenwachskerzen und Rosenblättern, nach Mandeln, Zimt und mit Nelken gespickten Orangen und Zitronen vom Südufer des Ildorel. Shaerela, nunmehr sieben Monde alt, sitzt noch etwas wacklig, aber schon allein, auf einem weichen Lammfell und spielt selbstvergessen mit einem silbergefaßten Handspiegel. Ihre Tochter ist ein schrecklich frühreifes Kind und schenkt gerade entzückt ihrem eigenen Spiegelbild Küßchen, scharf beobachtet von Shugorn, dem Lieblingsspielzeug, der sich jedoch für heute vorsorglich außer Reichweite neugieriger kleiner Finger gebracht hat und sich die ganze Sache lieber von oben besieht. Sie kann bereits allein sitzen, wenn sie sich dabei hin und wieder abstützt, auch wenn sie sich noch nicht allein in diese Position hochstemmen kann, und legt man sie auf den Bauch, versucht sie vergeblich mit heftigen Strampelbewegungen vorwärts zu kommen. Sie ist groß für ihr Alter, was Niniane angesichts ihres Vaters allerdings kaum verwundert, und ihr kohlschwarzer Haarflaum hat sich zu einem dichten Schopf ausgewachsen, der sich über den Ohren und im Nacken zu zarten Locken ringelt. Ninianes Blick wandert von ihrer spielenden Tochter wieder aus dem Fenster in das schneedurchwehte Nebelgrau. Cron ist noch keine acht Stunden fort und schon vermißt sie ihn - und mit einem leisen Auflachen, das Shaerela verwirrt hochsehen läßt, erinnert sie sich an den Tag ihrer denkwürdigen Hochzeit im Beerenreif...

Sie hatte nur hilflos von einem zum anderen blicken und einfach nicht glauben können, in welches Possenstück sie da hineingeraten war, während sich Shaerela auf ihrem Arm unruhig hin und her gewunden hatte. Ehrwürden Holzapfel wäre auf Crons letzte Worte hin doch tatsächlich beherzt an Ort und Stelle und ohne viel Federlesens zur Tat geschritten und hätte sie - glatt ohne vorher auch nur einmal nach ihrem Willen zu fragen - , inmitten seiner alles kurz und klein fressenden Ziegen verheiratet, wenn seine resolute bessere Hälfte nicht im letzten Augenblick eingeschritten wäre. "Papperlapapp! So wird nicht geheiratet!" Niniane hatte ihren Ohren nicht getraut - ausgerechnet aus dieser Richtung Schützenhilfe zu bekommen, hatte sie am allerwenigsten erwartet... doch die vermeintliche Erleichterung währte nur kurz, denn Madame Holzapfel zupfte sie nur am Ärmel, strahlte übers ganze Gesicht und verkündete dann entschlossen, sie und ihre Mädchen würden ihr helfen, sich herzurichten. Schließlich sei das ja nun ihr Hochzeitstag und jede Frau soll an diesem doch besonders hübsch sein. "Also," hatte die Alte begonnen und ihre Ressentiments bezüglich goldener Augen und spitzer Ohren fürs erste hintenangestellt, "wo sagtet Ihr noch gleich, sei Euer Haus? Dann wollen wir Euch mal zurechtmachen!" Niniane hatte nur noch ohnmächtig den Mund auf und zu klappen können und einen Herzschlag später war sie Shaerela an eines der Mädchen losgeworden und von der Gevatterin Holzapfel davongeschoben worden. Auch wenn ihr etwas ungewöhnliches "Haus" der resoluten Alten ein verwirrtes Luftschnappen entlockt hatte, beeindrucken oder gar aufhalten hatte sie sich nicht lassen - und ehe Niniane sich versah, waren acht zweibeinige Gänschen und die Holzapfelglucke schnatternd um sie herumgesaust, hatten ihr Haar ausgekämmt, ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Kleider vom Leib gerissen, ihren Schrank durchwühlt, sie in ein Gewand nach dem anderen gestopft, bis eines gefunden war, das den Ansprüchen zu genügen schien und dann mit den traurigen Überresten ihrer weißen Begonien überschüttet. Als man ihr gnädigerweise einen Blick in den Spiegel gewährt hatte, hatte jedoch selbst sie zugeben müssen, daß all die Bemühungen durchaus nicht vergebens gewesen waren. Man hatte sie in ein tiefausgeschnittenes, elbisches Gewand aus cremefarbenen, bestickten Organzaschleiern gesteckt, das nur über den Schultern von geflochtenem Golddraht gehalten wurde, der mit großen, tropfenförmigen Bernsteinen und winzigen goldenen Sonnen besetzt war, hatte das meiste ihres Haares streng zurückgenommen und am Hinterkopf zu einem verschlungenen Nest aus roten Locken aufgesteckt, zwischen denen gelber Hibiskus und weiße Begonien platziert worden waren. Ein paar lose Strähnen hatten sich vor den Ohren und über ihren Rücken geringelt, aber insgesamt war die Wirkung doch unbestreitbar hübsch gewesen.

Sie hätte sich gern noch ein Weilchen länger im Spiegel bewundert, und war drauf und dran gewesen, der Gevatterin Holzapfel zu danken, denn immerhin war es ihr Verdienst, daß sie nicht in schmuddeligen Lederhosen und einem mehr als abgetragenen Leinenhemd heiratete, aber das hatte sie zur Besinnung gebracht: Heiratete. Götter! hatte sie gedacht, als dieses Wort sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hatte - doch noch ehe sie einmal "Aber...!" hatte sagen können, hatte sie sich plötzlich auf der Lichtung neben Cron wiedergefunden, umringt von einer Horde meckernder Ziegen und schluchzender Jungfrauen und mit einem merklich klopfenden Herzen unter dem bestickten Kleid. Ein Blick auf ihren zukünftigen Ehemann hatte offenbart, daß auch er sich den holzapfelschen Vorstellungen von einer ordentlichen Hochzeit hatte beugen müssen: sein glänzendes Haar war noch leicht feucht von einem Bad, er war frisch rasiert und er war in vollständiger Aufmachung erschienen: ein Hemd aus feinstem Leinen unter dem bestickten, schwarzen Wappenrock Tronjes mit dem feurigroten Drachenschädel auf der Brust, in dessen Rubinaugen sich das Licht der Sonne gebrochen hatte, silberbeschlagene Stiefel, ein ebensolcher Waffengurt, der lange Dolch in einer rubinbesetzten Prunkscheide und Silberfibeln an den Schultern. Sie war in Gedanken immer noch dabei, ihm zu erklären, warum sie ihn jetzt und hier auf gar keinen Fall heiraten könne, und schon gar nicht inmitten einer stinkende Ziegenherde, als sie sich selbst auch schon laut und deutlich: "Ich will!" hatte sagen hören. Und dann war sie nach den Gesetzen der Götter und Menschen verheiratet worden. Der Priester hatte seinen Segen gesprochen, die Jungfern zart lauthals in ihre Taschentücher geschluchzt, Madame Holzapfel strahlend gratuliert und die Ziegen auch noch die letzten überlebenden Blumen in den Pflanzschalen rund um ihren Baum vernichtet. Man hatte sich gegenseitig viel Glück gewunschen und war dann wieder getrennter Wege gegangen: das Ehegespann Holzapfel samt seiner Ziegen, der Mädchen und der Hunde in Richtung Talyra und Cron und sie selbst mit Shaerela - die irgendjemand in ein lindgrünes Leibchen aus leichtem Samt gesteckt hatte - in den Baum, um diese Ehe, sobald das Baby schlafen würde, auch rechtsgültig zu machen. Angesichts der Tatsache, daß sie - mit Unterbrechungen - seit fast zwei Jahren Tisch und Bett geteilt hatten und dieses Kind ihr Eigen nannten, ein vielleicht etwas seltsamer, aber keineswegs ein unangenehmer Gedanke.


Ich will... Gedankenverloren spielen ihre Finger mit den Mandeln, die sie gerade in einer Schüssel auf ihrem Schoß aussortiert, während sie sich an ihre Hochzeit im Sommer erinnert.  
Auch wenn sie noch vor dem Priester nach tausend Gründen gesucht hatte, sich vor ihrem Versprechen zu drücken, es ist die Wahrheit. Sie will ihn immer noch und nichts mehr steht zwischen ihnen. Hatte sie seine Sturheit noch am Tag ihrer Hochzeit verflucht, jetzt ist sie dankbar dafür: nur seine Dickköpfigkeit hatte sie soweit gebracht. Einen Moment lang starrt sie in den Nebel, als könne sie Cron allein mit ihrer Willenskraft dort am Rand der Lichtung auftauchen lassen... aber er ist erst heute morgen aufgebrochen und in den nächsten drei, vier Tagen braucht sie nicht mit seiner Rückkehr zu rechnen. Seufzend stellt sie die Schüssel mit den Mandeln weg, legt Holz im Kamin nach und nimmt dann ihre Tochter auf den Arm. "Komm, min Lia. Wir ziehen uns warm an und versorgen Nachtwind im Stall draußen. Dann machen wir uns etwas zu Essen und baden dich und dann wird es Zeit für dich, ins Bett zu gehen, kleiner Schatz. Shugorn, du läßt die Mandeln in Ruhe, wir sind gleich wieder hier..."
Sie füttert die Jagdstute und leistet ihr mit Shaerela ein wenig Gesellschaft, dann verschließt sie den Stall für die Nacht und kehrt über eine zart mit Schnee bedeckte Lichtung in die knisternde Kaminfeuerwärme ihres Baumes zurück. Sie badet Shaerela, stillt sie in ihrem Botanikum und singt sie dann leise in den Schlaf, nur um in der Stille der hereinbrechenden Nacht leise verwundert festzustellen, daß ihr drei oder vier lächerliche Tage neuerdings vorkommen, wie eine halbe Ewigkeit.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 02. Dez. 2004, 19:25 Uhr
Mitten in der Nacht schreckt sie hoch und weiß nicht, was sie geweckt hat. Ihr erster Impuls ist, zur Wiege zu gehen, doch Shaerela schläft tief und fest, die Hände offen neben den runden Wangen, der rosige Mund ganz leicht geöffnet. Dennoch weicht die plötzliche Unruhe nicht von ihr, so daß sie auf nackten Füßen und nur in eines von Crons Hemden gekelidet, die sie mittlerweile immer zum Schlafen trägt, die Alkoventür öffnet und auf den Balkon hinaustritt, der sich wie ein Schwalbennest in die Baumkrone schmiegt. Ein Meer dunkler Wolken, groß wie schwerfällige Galeeren, treibt über den sternengestäubten Himmel und segelt träge unter dem Mond dahin. Schwarz stehen die Wipfel der Bäume ringsum und um ihre gefrosteten Stämme schwebt weißer Nebel. Der ganze Wald ist voller Flüstern, summend wie ein Wespennest. Wind kommt auf und wispert über ihre Lichtung, erzählt von Abschied und Trauer bis der ganze Wald von seinem Raunen erfüllt ist und hinterläßt ein hohles Gefühl der Endgültigkeit. Sie kennt nur eine Person, deren Fortgehen das ganze Larisgrün so aufgerüttelt hätte. Mottenfaenger. Mit einem sehr seltsamen Gefühl im Herzen und noch unruhiger als zuvor, auch wenn sie wenigstens den Grund für ihre Sorge zu kennen glaubt, wendet sie sich ab und kehrt in ihr Schlafgemach zurück, während der uralte Wald ringsum ein Lied von Trauer und Abschied singt.

Am nächsten Morgen hängt immer noch Unruhe über ihr wie der Nebel über ihrer Lichtung und hält sie den ganzen Tag unterschwellig im Griff. Sie hat keinen Zweifel - aus irgendeinem Grund hatte der Druide den Wald verlassen, auch wenn sie nicht sagen kann wohin. Der Wald hatte die ganze Nacht über seinen Verlust geklagt. Er war fortgegangen, ohne Abschied, ohne ein Wort... Himmel, Mottenfaenger ist ein freier Mann, der tun und lassen kann, was er will. Er muß dich nicht um Erlaubnis fragen! Natürlich nicht - aber Mottenfaenger war der Druide des Larisgrüns gewesen, wenigstens ihr als Protektorin hätte er eine Botschaft schicken können. Und sie hat keine Ahnung, was mit Raven ist. Ist sie mit ihm gegangen? Ist er allein fort? Sie sucht Zuflucht vor ihrer eigenen Gereiztheit bei einer Bestandsaufnahme ihrer Vorratskeller. Der Winter hat selbst in den Herzlanden schon fast Einzug gehalten und ihre täglichen Sammelausflüge ins Larisgrün sind vorüber. Die Beeren sind abgeerntet, das Dörren und Einkochen längst beendet. Die Regale in den tiefen Höhlungen zwischen den weit hinabreichenden Baumwurzeln biegen sich unter Körben mit Nüssen, Holzkisten mit allerlei eßbaren Wurzelknollen und Kürbissen, Gläsern mit eingelegten und getrockneten Tomaten, eingemachten Kirschen, Blaubeeren, Aprikosen und gelben Pflaumen. Schließkörbe voller Trockenpilze, Bohnen und Linsen wechseln sich ab mit gut verschlossenen Tonkrügen voller Fruchtmus und Marmeladen und Kiepen voller Äpfel. Von den Decken baumeln Knoblauch und Zwiebelzöpfe, Bündel von Kräutern und  getrockneten Fisch und zwischen den Regalen stapeln sich Fässer mit Kraut, Pökelfleisch, Honig und Ahornsirup.

Sie zählt ihre Schätze wie ein Hamster seinen Wintervorrat, doch nicht einmal der offensichtliche Überfluß beruhigt sie, auch wenn sie sich mittlerweile fest einredet, daß sie das alles nichts angeht. Er ist fort und du kannst nichts dagegen tun. Er wird schon seine Gründe haben. Das Larisgrün ist vor seiner Ankunft hier ohne ihn ausgekommen und wird es auch wieder tun. Du bist nur so unruhig wie Mais in der Pfanne, weil Cron auf die Jagd geritten ist und dich zur Strohwitwe gemacht hat, gib es zu! Ärgerlich auf sie selbst verläßt sie ihren Keller, sieht nach Shaerela, die unbeeindruckt vom Rauschen des Waldes und der Unruhe ihrer Mutter in ihrem Korb schläft und legt dann Holz nach. Das Feuer knistert leise, sehr bemüht, etwas von der üblichen Behaglichkeit im Baum zu verbreiten, doch es will ihm nicht so recht gelingen. Niniane bereitet sich ein Mittagessen zu, einhändig, da Shaerela hellwach ist und herumgetragen zu werden wünscht und stellt mit Bedauern fest, daß ihr Brot zur Neige geht. Nur noch ein altbackener Laib. Entweder sie würde backen müssen oder... sie könnte ja auch dem Markt einen Besuch abstatten. Gestern war ohnehin die Herbstkarawane eingetroffen und sie war so lange nicht mehr in der Stadt gewesen... Nein, den Platz der Händler tue ich mir allein gewiß nicht an. Aber auf den Markt könnte ich gehen. Ich brauche Brot. Und einen Sack Mehl für den Winter. Zucker. Und vielleicht einen Block Butter und ein paar Räder Käse und vielleicht auch etwas von Borgils guter Räucherwurst und eine Keule Verder Schinken.

Als die Schatten länger werden und mit der grauen Winterdämmerung verschmelzen, setzt sie der vagen Sorge in ihrem Inneren ein Ende und schickt Shugorn zu Mottenfaengers Baum. Zweifellos würde er ihn verlassen vorfinden... am Klagen des Waldes gibt es keinen Zweifel... aber vielleicht würde der Rabe ja dort Raven antreffen oder wenigstens irgendetwas herausfinden. Sie spielt mit Shaerela, um sich die Zeit zu vertreiben, doch ihre Tochter ist quengelig und unruhig - sie zahnt - und will nichts von Beschäftigung wissen, sondern lieber hochrot und wütend ihren Zorn auf schmerzende Kiefer in Brüllattacken loswerden. Es wird erst besser, als Niniane sich ein wenig Feuerwein auf den Finger träufelt und Shaerelas gerötetes Zahnfleisch fest damit massiert. "Siehst du, Mäuschen? Das ist gut, nicht wahr? Au! Beiß mich nicht du kleines Ungeheuer. Hier, nimm das, aber laß meine Finger heil." Vom mittäglichen Hühnchen ist ein Knochen übrig, der noch nach Fleisch schmeckt und Shaerela kaut erbost darauf herum. Als es wirklich dunkel wird, beginnt es wieder zu schneien und der Wald flüstert noch immer. Leiser jetzt, doch voller Trauer - und als Shugorn endlich zurückkehrt, wird sie von seinem rauhen Gekrächze über einen kalten, verlassenen Baum und eine Nachricht an Raven, die von der Rückkehr des Druiden zu seiner Sippe weit fort im Westen spricht, zwar auch nicht wirklich schlauer, aber wenigstens hat sie jetzt Gewißheit. Und das hört sich nicht so an, als kehre Mottenfaenger in absehbarer Zeit wieder. Arme Raven...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 04. Dez. 2004, 11:52 Uhr
Sie versteht kaum ein Wort von dem, was er hastig hervorstößt - aber auch wenn sie schon seit er nach Hause  gekommen war und sie praktisch zur Flucht aus ihrem eigenen Haus gezwungen hatte vor Angst schlottert, erst der Name  Whytfisk verwandelt ihr Blut auf der Stelle in Eis. Caewlin hatte ihr von ihm erzählt... von diesem Mann, der so fahl und  blass und so kalt war und einen Moment lang hört sie wieder seine Worte: Whytfisk. Weißfisch. Er ist auch so bleich wie  ein Fischbauch. Mager und irgendwie krank. Aber Cal... ich werde nie vergessen, wie er mich angesehen hat, und wenn  ich hundert Jahre alt werde. Nie. Sie lassen die Pferde zwischen den Baumwurzeln, steigen dann über die flachen  Stufen zur Tür hinauf und Caewlin hämmert gegen Ninianes Tür, als wolle er sie einschlagen. Ihr eigenes Herz hämmert mit  seiner Faust im Takt. "Blaeran?" Echot sie völlig perplex und überflüssigerweise. "Whytfisk? Caewlin... aber warum... wie...  nach all der Zeit..." Sie verstummt als ihr aufgeht, daß sie dummes Zeug schnattert. Vollkommen egal warum und wie...  etwas, das Caewlin so sehr in Sorge versetzt, daß er sie und Brynden aus ihrem Haus zu Niniane in Sicherheit bringen  muß, reicht aus, um sie in solide Panik zu versetzen. In ihrem Kopf geht alles durcheinander. "Zuvorkommen? Hei... heißt  das, du... ihr... du und Raven ihr wollt wieder in die Tunnel?" Obwohl sie vor Schreck nur noch flüstern kann, hat ihre  Stimme eine beängstigende Tonlage angenommen.  Im selben Augenblick öffnet sich die Tür und sie blicken in Ninianes  goldene Augen. Die Waldläuferin lächelt, doch nach einem weiteren Blick auf sie wird ihre Miene besorgt und sie läßt sie  wortlos eintreten. Kein Wunder... zumindest ich muß aussehen, als wäre mir gerade ein Gespenst begegnet. Der Baum der Waldläuferin umfängt sie wie immer mit Wärme und dem Duft nach Pflaumenblüten, Sandelholz und Ambra und sie lächelt zittrig, als sie mit Brynden auf dem Arm im runden Vorraum steht. Sie hatte noch nie in ihrem Leben soviel Angst.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 04. Dez. 2004, 16:52 Uhr
Die kurze, frühe Winterdämmerung geht in eine klirrend kalte Nebelnacht über und Niniane grübelt immer noch irgendwo im Hinterkopf über Mottenfaengers so plötzliches Verschwinden nach. Sie hatte Shaerela in einem einstündigen Kampf ins Bett verfrachtet und ist froh, daß das Baby endlich schläft, so unerträglich sie mit dem Zahnen geworden war. "Ich schlage drei Runen, wenn dein Vater wieder hier ist," murmelt sie dem Gemüseeintopf zu, den sie zum Warmhalten auf die hinterste Ecke der Herdplatte geschoben hat, aber der gibt außer einem verführerischen Blubbern keine Antwort. Mit einem Ohr lauscht sie nach oben, wo Shaerela in ihrer Wiege liegt, mit dem anderen nach draußen, immer in Erwartung, Hufgetrappel oder Stiefeltritte im Schnee knirschen zu hören. Sie huscht hinaus, füttert und tränkt Nachtwind, doch ihre Lichtung liegt vollkommen still im silbrigem Mondlicht, bedeckt von einer dünnen Schneeschicht. Cron ist erst seit zwei Tagen fort und selbst sie weiß, daß es kaum wahrscheinlich ist, daß er heute Nacht noch wiederkehrt - nicht, wenn er tief in den Wald geritten oder etwas Großem auf der Spur war. Und falls doch - nun, der Gemüseeintopf würde zweifellos in ein paar Stunden auch noch schmecken. Sie beschäftigt sich mit dem Aussortieren einiger Kräuter und seltener Pilze, die sie im Herbst gesammelt und getrocknet hatte - einiges davon will sie bei Gelegenheit Morgana bringen, die für derartige Kostbarkeiten immer Verwendung hat - als draußen Hufschlag zu hören ist... von mehr als einem Pferd. Noch ehe sie sich die Kräuterkrümel und den Pflanzenstaub von den Händen gewischt hat, klopft es drängend an der Tür und sie eilt hin, um zu öffnen, bevor Shaerela oben losheulen würde wie ein ganzes Rudel erschrockener Wölfe.

Als sie Caewlin und Calyra samt Brynden und der riesigen Bluthündin unerwarteter Weise auf ihrer Türschwelle findet, lächelt sie... doch keinen Herzschlag später verwandelt sich ihr Lächeln angesichts ihrer Mienen in Besorgnis und schlägt in Bestürzung um, als Caewlin hereindrängt, Calyra und seinen Sohn vor sich herschiebt und statt einer Begrüßung nur knapp und beherrscht nach Cron fragt. Ihr Blick sucht seinen und die Kälte darin läßt sie für einen Moment schaudern. "Caewlin, Cron ist nicht hier." Sie starrt von dem riesenhaften Nordmann zu seiner zierlichen Frau, die gehetzte Blicke wechseln, und wieder zurück in das narbige Gesicht drei Köpfe über ihr. "Er ist ins Larisgrün zur Jagd geritten... aber was ist denn los? Bei aller Götter Liebe Willen, kommt erst einmal herein in die Wärme. Und dann sagt mir, wie ich Euch helfen kann oder was geschehen ist." Einen Moment lang glaubt sie, Caewlin würde sich auf dem Absatz umdrehen und wieder aus ihrem Baum verschwinden und er sieht aus, als würde er am liebsten auf irgendetwas einschlagen, aber dann gibt er doch nach und folgt Calyra ins Kaminzimmer. Die Spannung in seinem Gesicht läßt nach, doch nur minimal. Calyra dagegen ist kalkweiß, ihr Gesicht so fahl und feucht wie eine Austernschale, umringt von wirren Silberlocken. Sie übergibt sich nicht und sie fällt nicht in Ohnmacht, aber sie sieht aus, als könnte sie beides jederzeit tun. Was Niniane dann allerdings in knappen, kalten Worten zu hören bekommt, läßt sie selbst vor Schreck erstarren. Während Calyra sich mit Brynden in einen der Sessel am Feuer vergraben hat und niemanden mehr ansieht, steht Caewlin starr und mit unbewegtem Gesicht vor den Flammen und erzählt ihr, was geschehen ist. Sie selbst wandert so unruhig wie eine Schattenkatze im Käfig im Kaminzimmer umher.

"Also nur damit ich verstehe: Raven war heute bei dir, weil irgendein Mädchen ihr hinterherspioniert hat und ihr habt von dem Mädchen erfahren, daß Whytfisk, der ein Mann Blaerans war und jetzt anscheinend die Kanalratten wieder versammelt hat, hinter euch her ist? Und jetzt willst du mit Raven in die Kanalisation, um ihm zuvorzukommen?" Caewlin nickt und sie wirft die Hände hoch. "Das ist das idiotischste, das ich je gehört habe! Caewlin! Du warst schon dreimal dort unten und wir reden hier nicht von irgendwelchen dahergelaufenen Möchtegernmeuchlern und Taschendieben! Das sind Kanalratten, gedungene Mörder, Meisterdiebe, Schattenflüsterer und Assassinen! Himmel, Raven hat für Blaeran gearbeitet? Früher meine ich?" Wieder ein Nicken. "Heilige... Scheiße!" Der Name Whytfisk sagt ihr überhaupt nichts, aber der Name Blaeran sehr wohl. Immerhin war Blaeran fast fünf Jahre lang einer der meistgesuchten - und meistverhaßten - Männer der Herzlande gewesen und keine Obrigkeit an der ganzen Westküste des Ildorel hatte seiner je habhaft werden können... und dann hatten Raven und Caewlin ihn verbrannt, als sie in die Kanäle gekrochen waren, um etwas über diese Wurmdämonen herauszufinden. Caewlin hatte seine Hand verloren und war fast gestorben. Meine Schuld. Meine Schuld. Hätte ich ihn nicht so bearbeitet, wäre er nie mit Raven hinuntergegangen. All das wäre nie passiert... oh... "Und jetzt suchst du Cron. Du brauchst Hilfe." Das ist keine Frage, sondern eine Feststellung und wieder kann Caewlin nur nicken. "Aber Cron ist nicht hier." Einen Augenblick ist sie unsagbar froh darum... Cron wäre ohne zu Zögern mit Caewlin gegangen, ganz gleich, welche Gefahren auf sie warten würden... dann senkt sie beschämt den Blick. Caewlin würde dasselbe für Cron tun und du bist ihm jede Hilfe mehr als schuldig. Schließlich warst du es, die ihn überhaupt in die Tunnel geschickt hat, damals.

Sie braucht einen Moment, um sich zu sammeln, aber dann nickt sie. "In Ordnung. Cron ist nicht hier, also mußt du mit mir Vorlieb nehmen. Ich kann zwar wegen dem Baby nicht mit euch in die Tunnel gehen, aber was ich dir an Hilfe geben kann, gehört dir. Natürlich kann Calyra mit Brynden hier bleiben, hier sind sie sicher. Es macht wenig Sinn, dir Cron hinterher zu schicken, sobald er wieder hier ist, vor allem, weil ich nicht weiß, wann er zurückkommen wird - aber er wird deine Familie beschützen... und ich auch." Sie ruft sich all jene in Erinnerung, für die Caewlin schon gekämpft oder für die er sich in Gefahr begegeben hatte. Falcon und Arwen - aber Falcon ist tot und Arwen hat wie ich ein Baby zu versorgen. Und Morgana ebenso. Und Nadir kennt Caewlin kaum. Tian Shi hat die Stadt schon lange verlassen und wäre ohnehin keine große Hilfe, Morholdrim ist nicht mehr da und von Sol hat man seit Monden nichts mehr gehört. Rizac ist tot, Malakai in seinen Büchern begraben und Kizumu nach den Gerüchten Mutter von Zwillingen... götterverdammt! Einmal wenn er Hilfe braucht! Dann kommt ihr Phelan in den Sinn. "Phelan! Du erinnerst dich? Der Waldläufer, der uns nach Wegesend begleitet hat? Du kennst ihn. Er könnte an meiner Statt mit dir gehen. Caewlin bitte, sieh mich nicht so an. Phelan ist ein guter Kämpfer und ein Heiler... und du und Raven, ihr braucht Hilfe dort unten. Ich schicke ihm gleich Shugorn mit einer Botschaft." Sie eilt hinaus, pfeift nach dem Raben und kehrt kurz darauf mit einem Lederröhrchen, einem schmalen Pergamentstreifen, Federkiel, Löschsand und Tinte wieder. "Ihr wollt euch in der Harfe treffen? Ich bestelle ihn dort hin und reite mit dir." Erstens will ich wissen, was ihr vorhabt und zweitens kann ich Phelan überzeugen, falls er nicht von sich aus zusagt. Und vielleicht Borgil...? Borgil schuldet mir ohnehin etwas. Wenigstens das kann ich tun. Sie kritzelt hastig eine Nachricht hin, rollt sie sorgfältig zusammen, steckt sie in das Lederröhrchen und bindet es dem Raben ans Bein. Dann bringt sie ihn hinaus vor die Tür und läßt ihn fliegen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 04. Dez. 2004, 22:42 Uhr
Kaum hat Niniane den Raum verlassen, versucht sie aufzustehen, doch ihre Knie sind so wacklig wie frische Sülze und wollen sie einfach nicht tragen. Sie hört Brynden wie von fern ein eher verwundertes, als erschrockenes "Mama!" jammern, als er ihr entgleitet, an ihr herunterrutscht und dann auf seinen windelgepolsterten Hintern plumpst. Sie muß besorgniserregend aussehen, denn Caewlin ist mit einem großen Schritt bei ihr und setzt sie nachdrücklich in den Sessel zurück. Sie zieht die zitternden Beine einen Moment an und legt den Kopf auf ihre Knie, zwingt ihren revoltierenden Magen so zur Ruhe und steht dann auf. Das klamme Gefühl in ihrem Gesicht verschwindet langsam, aber ihre Hände sind eiskalt und eiskalt ist auch ihr Inneres. "In die Tunnel?" Selbst ihre Stimme ist wie Eis. Sie sieht Caewlin nicht an. "Du willst in die Tunnel? Whytfisk zuvorkommen?" Ihre Augen funkeln. "Damit er dich dort unten in seinem eigenen Reich in die Hände bekommt und dir noch eine Hand abschlagen kann? Damit er, wenn ihm das und Ravens Leben dazu, nicht reicht, Brynden und mich holen und uns alle umbringen kann? Ich will nicht, daß du in die Kanäle gehst Caewlin... nicht noch einmal! Whytfisk kann meinetwegen dort unten verrotten, der Dunkle soll ihn holen!"
"Cal..." Caewlin bewegt sich hinter ihr und tritt einen halben Schritt näher, aber sie fährt herum und weg von ihm. "Nein, Caewlin. Ist es wirklich Whytfisks Rache, um die es hier geht? Oder geht es in Wahrheit vielleicht um deine? Blaeran und Beißer Hurentod sind tot, aber Whytfisk lebt noch immer und das erträgst du nicht, nicht wahr? Der Mann, der dich und Raven gefangen genommen hat. Faß mich nicht an!"

Als er die Hand hebt, um sie an der Schulter zu berühren, sie vielleicht zu sich umzudrehen, weicht sie zurück. Grauen legt seine kalten Hände um ihr Herz. Sie sieht ihn bitter, fast haßerfüllt an und innerlich zerreißt es sie. "Sag nein. Caewlin, bitte, geh nicht. Bitte nicht..." Sie schüttelt den Kopf und ein paar Tränen fliegen davon ins warme Halbdunkel ringsum. Sie starrt zu ihm hoch und kann in seinem Gesicht die Antwort lesen. Und jetzt ballt das Grauen die Hände zu Fäusten, und ihr Herz schlägt dazwischen. "Whytfisk wird sich nicht nach oben wagen, er wird die Kanalisation nicht verlassen.... bestimmt nicht. Warum kannst du die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen, Caewlin? Warum laßt ihr ihn nicht einfach dort unten in der Dunkelheit sitzen, bis er es leid ist? Es ist Langschnee-Mond! Wo warst du letzten Winter, als dein Sohn seinen Namenstag gefeiert hat? Und zu Mittwinter, am Julfest? Und wo wirst du diesen Winter sein?" Sie weiß, wie ungerecht ihre Worte sind. Caewlin hatte die Narge letztes Jahr bestimmt nicht eingeladen, in die Herzlande einzufallen, aber er hätte ebensogut den Schildpfennig bezahlen können... wenn ihm das seine verfluchte Ehre nicht verboten hätte. "Deine Ehre," flüstert sie tonlos. "Das ist es, worum es hier in Wahrheit geht. Um deine verfluchte Blutrache für deine Waffenhand!" Und wer wird dich rächen, wenn du stirbst? "Wenn du gehst, dann nimm mich mit. Laß mich wenigstens mit dir gehen. Ich könnte... ich kann... dir helfen. Ich kann mit einem Schwert umgehen und ich kann euch mit meiner Stimme nützen. Bitte."  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 04. Dez. 2004, 23:51 Uhr
>Caewlin, bitte, geh nicht. Bitte nicht...< Er denkt an die Kanäle und die lange, stinkende Dunkelheit dort unten, an das irre Gelächter, das durch die Gänge gehallt war, während er Raven im Dämonenbann in die stinkende Brühe eines alten Abwasserkanals getaucht und getaucht hatte, um sie wieder zur Besinnung zu bringen. Er denkt an den Krummsäbel, scharf wie eine Rasierklinge und schimmernd im Fackellicht. An Beißer Hurentods habgieriges Lächeln und seine tiefe Lispelstimme. >Sieh an, die kleine Raffen. Dief ift ein föner Tag.< Er denkt an flirrenden Feenstaub in einer Halle voller Kanalratten und Fieberträume und ein kaltes Gesicht mit gelber Haut und toten Augen. Und ganz besonders denkt er an Calyra und an seinen Sohn. Und an das Rotzgör, das gesagt hatte: > Er soll aufhören diese Sachen zu mir zu sagen! Dauernd sagt er diese Sachen!<
"Cal. Ich muß gehen."
Sie starrt ihn aus schmerzerfüllten Augen an. "Wenn ich nicht gehe, sind wir alle in noch größerer Gefahr." Er tastet sich an den Worten entlang wie ein Seiltänzer über einen Abgrund.

"Whytfisk hat uns nicht vergessen. Er wird mich nicht vergessen. Wenn ich warte und nichts tue, wird er früher oder später etwas unternehmen. Wie soll ich ihn sonst aufhalten? Ich weiß es nicht. Ich hätte ihn damals töten sollen. Ich hätte dafür sorgen müssen, daß kein einziger von Blaerans Männern überlebt, aber ich habe es nicht getan und das hier ist meine Strafe dafür. Ich muß gehen... und ich muß wissen, daß du hier bist und Brynden beschützt, Cal. Ich kann dich nicht mit in die Kanäle nehmen. Nicht, weil du mir nicht helfen könntest, denn das könntest du, wissen die Götter. Allein deine Stimme..." er bricht ab. "Ich kann dich nicht mitnehmen, weil Whytfisk mich damit in der Hand hätte. Cal, wenn er sieht, daß du dabei bist, wird er alles tun, um dich in die Finger zu bekommen. Denn damit hätte er mich und das weiß er. Deshalb habe ich dich hergebracht. In Ninianes Baum kommt er nicht an dich heran, und wenn er es mit tausend Männern versucht. Ich würde dich auf den Mond bringen, wenn ich wüßte, du bist dort sicher. Du und Brynden." Niniane kommt wieder und er wendet sich halb um und nickt ihr kurz zu. Die Waldläuferin blickt von Calyra zu ihm und verschwindet so lautlos wieder, wie sie gekommen war.

Diesmal läßt er es nicht zu, daß Calyra ihm ausweicht, er zieht sie an sich und hält sie fest. "Schwör mir, daß du hier bist, wenn ich wiederkomme. Versprich es, Cal. Sag es und mein es." Er legt seine Hand an ihr Gesicht und hebt es leicht an. Mit dem Daumen streicht er über ihr Kinn und ihre Blicke verschlingen sich ineinander. Eine Minute vergeht, in der sie den Mund zusammenpresst und schweigt und der Anblick der ungeweinten Tränen in ihren Augen bohrt sich wie ein Messer in sein Herz. Aber dann nickt sie doch und bittet ihn nur noch darum, wenigstens die Bluthündin mitzunehmen. Ein Nicken ist kein Versprechen, aber es muß genügen... mehr würde er wohl nicht bekommen. Er nickt nur widerstrebend zu ihrer Bitte, doch er weiß, daß sie Recht hat. Akira hat in Wegesend getötet und wäre keine geringe Hilfe gegen Kanalratten... aber er würde sich sehr viel wohler fühlen, wenn er sie hier bei seiner Frau und seinem Sohn wüßte. Dennoch stimmt er zu - für heute hat er mehr als genug von ihr verlangt. Niniane kehrt zurück, ihren Umhang bereits um die Schultern und lächelt Calyra aufmunternd zu. Sie bittet sie, auf ihre Tochter zu hören, die oben schliefe, bis sie wieder zurück sei und sagt, sie hätte Halbmond bereits in den Stall und Calyras Gepäck in den Baum gebracht. Caewlin nickt ihr dankbar zu, verabschiedet sich von seinem Sohn und seiner Frau, ruft die Bluthündin an seine Seite und folgt dann der Waldläuferin hinaus in die Kälte der Nacht.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 02. Jan. 2005, 17:59 Uhr
Am nächsten Morgen ist Cron noch immer nicht zurück, doch die Art von Sorgen, die sie sich um ihn macht, hat etwas von jener Art Gedanken angenommen, die sie sich immer um ihn macht, wenn er länger weg ist -, etwas unterschwelliges, leises, das sich leicht in Schach halten läßt. Er war ein erwachsener Mann, alles andere als klein und hilflos, bis an die Zähne bewaffnet und wußte ganz bestimmt, was er tun mußte, wenn er in Schnee geriet. Die Sorgen, die sie sich um Caewlin, Raven, Borgil und Phelan, ja sogar um dieses verstörte, kranke Mädchen macht, hat verständlicherweise etwas wesentlich Handfesteres an sich. Cron hatte im Wald vermutlich nur etwas Großes erlegt und brauchte schlicht Zeit für den Rückweg, während die anderen in der verdammten Kanalisation mit einem Monster um ihr Leben kämpften. Die Worte der uralten Drude auf dem Arnon Tyshorsha, hunderte von Meilen und ein ganzes Leben entfernt, kommen ihr in den Sinn. >Der Hund hat seine Meute um sich geschart, doch sie wurde von der schwarzen Erde verschluckt.< Schon wieder. Ein letztes Mal... oder... einmal zu oft?

Sie war nach Mitternacht aus der Harfe in ihren Baum zurückgekehrt, hatte die Pferde vesorgt, Caewlins widerborstigen Grauen in den Stall gebracht - was sie trotz ihrer Waldläuferkünste und den Karotten fast zwei Finger gekostet hätte, da sie mit den Gedanken einfach nicht bei der Sache gewesen war - und ihr Heim in tiefer Dunkelheit vorgefunden. Calyra hatte sich mit Brynden in jenen Raum zurückgezogen, in dem der Junge damals auf die Welt gekommen war, ihre Satteltaschen ausgepackt und sauber aufgeräumt. Heißer Tee hatte für sie auf dem Herd bereitgestanden und das Chaos der Zubereitung ihres Gemüseeintopfs vom Vorabend in der Küche war beseitigt. Oh Calyra... es tut mir so leid. Es tut mir so leid. Ihr schlechtes Gewissen und penetrante Gefühl, sich bei der Bardin entschuldigen zu müssen, sind so stark, daß sie sie beinahe geweckt hätte. Sie hatte es nicht getan, aber den Rest der Nacht dafür ruhelos in ihrem Schlafgemach verbracht, in einer Fensternische auf weichen Kissen gekniet und durch das blattförmige Glas hinaus in die weite, dunkle Nacht gestarrt. Allzeit bereit hatte ihre Fantasie ihr prompt gestochen scharfe Bilder von ihren sterbenden Freunden geliefert, die in schwarzen, stinkenden Tunneln von irre kichernden Meuchelmördern geschlachtet wurden.

Irgendwie war die Nacht über solchen und ähnlichen Schreckensvisionen doch vergangen und der Morgen angebrochen - kristallklar und voller Winterlicht, der den Wald in einen schimmernden Kristall aus Weiß, Gold und tiefen, blauen Schatten verwandelt hatte. "Der Herr der Sonne behüte uns," murmelt Niniane sehr leise, als sie bei Sonnenaufgang ihr Fenster verläßt, und nach unten geht, um ein Morgenmahl herzurichten und Tee aufzubrühen. Shaerela hatte sie bereits vor einer Stunde gestillt und so würde sie noch eine Weile Ruhe haben. "Denn die Nacht war dunkel und voller Schrecken." Sie schneidet Brot, deckt den Tisch mit Honig, Marmelade, kühler, leicht gesalzener Butter, kaltem Braten vom Vortag, Haferbrei mit getrockneten Früchten und Nüssen. Da sie noch immer Calyras erschreckend bleiches Gesicht der vergangenen Nacht vor dem inneren Auge hat, entscheidet sie sich beim Tee für Baldrian und Melisse und gibt vorsorglich noch einen guten Schuß Feuerwein hinzu. Schaden würde das jedenfalls nicht. Kaum hat sie das Feuer im Kamin entfacht und das Morgenmahl aufgedeckt, wird Shaerela wach, und als sie mit ihrer Tochter, frisch gewickelt und angezogen, wieder nach unten kommt, sitzt Calyra mit Brynden bereits am Tisch.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 03. Jan. 2005, 11:34 Uhr
"Sind sie gestern Nacht gut losgekommen?" Irgendwie gelingt es ihr sogar, Niniane bei ihrer Frage anzulächeln. Sie spürt den Feuerwein im Tee, der in ihrem Magen augenblicklich brennende Wärme verströmt hat und schneidet Brynden mit ihrem Munddolch eine Scheibe geröstetes Brot mit Marmelade klein. Ihrem Sohn hat sie einen Becher gesüßter Buttermilch eingegossen. Im Gegensatz zu ihm, der den Rest der Nacht friedlich verschnarcht hatte, hatte sie selbst kaum ein Auge zugetan. Die Waldläuferin nickt und Calyra blickt auf. Shaerelas Anblick auf dem Arm ihrer Mutter lässt sie trotz aller Angst um Caewlin und Raven lächeln. "Sie ist groß geworden und sie... sie sieht Cron sehr ähnlich." Ihr unsicheres Lächeln wird ein wenig echter. Draußen steigt die Sonne hoch, schickt orangegoldene Strahlen durch die tiefgesetzten Fenster des Baumes und füllt die Räume mit gelbem Winterlicht. So ähnlich war das Licht auch, als Brynden zur Welt kam. Als wir durch dieses seltsame Tor in Ninianes Keller aus dem Kanal kamen... so elend und verdreckt. Kizumu dem Tod nah. Sol verwundet. Caewlin verwundet. Und Arwen... und Raven. Wir waren alle vollkommen erschöpft. Fast zwei Jahre ist das her und nun ist Caewlin wieder dort unten. Sie leert ihren Becher und sieht die Waldläuferin an. "Am besten wir lassen den Tee gleich weg. Er verwässert doch nur den guten Feuerwein." Niniane sieht sie zweifelnd an, aber sie nickt nur entschlossen, und so füllt sich ihr Becher diesmal nicht mit dampfendem Tee, sondern mit eisklarer Flüssigkeit, die so brennend schmeckt, wie sie riecht. Gefrühstückt hat sie noch nichts, sie bekäme ohnehin keinen Bissen hinunter - aber den Feuerwein leert sie in einem Zug. Die Wärme in ihrem Inneren wird schlagartig zu Hitze, während sie das Gefühl hat, irgendetwas würde ihr die Augen aus den Höhlen brennen und ihre Zunge einfach auflösen. Als die grausame Schärfe endlich nachlässt, fühlt sich ihr Kopf plötzlich an, als sei er dick in Watte gepackt. "Ich... ich war noch nie betrunken. Nicht wirklich betrunken, meine ich. Ab und an habe ich bei einem Festmahl zuviel Wein erwischt, aber das ist nicht dasselbe." Sie erinnert sich mit bittersüßem Lächeln daran, wie Caewlin sie spöttelnd damit aufgezogen hatte, beschwipst zu sein. "Jetzt wäre ich gern betrunken. Dann könnte ich vielleicht schlafen. Vielleicht würden dann die Gedanken aufhören. Vielleicht würde ich dann nicht mehr sehen, wie ein Mann mit bleicher Haut und weißen Augen Caewlin umbringt. Wieder und wieder und wieder." Sie zuckt mit den Schultern und blickt zweifelnd die Flasche Feuerwein an, die Niniane wohl in weiser Voraussicht auf dem Tisch hat stehen lassen. "Leider fürchte ich, ich überlebe keinen zweiten Becher," schließt sie kleinlaut.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 04. Jan. 2005, 10:31 Uhr
"Ja, sind sie." Niniane setzt sich der Bardin gegenüber, die ihren Sohn mit Marmeladenbrot füttert. Shaerela ist vom Anblick eines anderen Kindes völlig fasziniert und beobachtet hingerissen, wie der kleine Junge mit klebrigen Fingern sein Morgenmahl verdrückt - daß sie ihrerseits von Calyra gemustert wird, bekommt ihre Tochter, die sonst keine Gelegenheit ausläßt, sich in allgemeiner Aufmerksamkeit zu sonnen, nicht mit. >Sie ist groß geworden und sie... sie sieht Cron sehr ähnlich.< Niniane unterdrückt ein Grinsen angesichts Bryndens, der wirklich eine kleine, narbenlose und silberhaarige Ausgabe seines Vaters darstellt. "Ja. Nordmännerblut ist äh... durschlagend wie mir scheint," erwidert sie trocken.

Die Art, wie Calyra den mit einem guten Schuß verstärkten Tee hinunterstürzt und sich statt der Baldrian-Melissenmischung lieber gleich unverdünnten Feuerwein nachgießen läßt, läßt Niniane ungläubig die Brauen heben. Vor ihr sitzt Calyra. Die zarte, unschuldige, stets liebreizende und allzeit geduldige Calyra... die sich beim Morgenmahl betrinken will? Wenn du in ihrer Lage wärst, hättest du vermutlich auch nichts gegen einen ordentlichen Schluck Feuerwein! Calyra leert den ganzen Becher, hält die Luft an, findet ihren Atem wieder und blinzelt dann unglücklich. Oh... vielleicht war das doch kein so guter Einfall. Niniane schiebt die Flasche unauffällig außer Reichweite - vorgeblich, um an die Butter zu kommen. Einhändig, da sie Shaerela auf dem Schoß hat und ohne Calyra dabei aus den Augen zu lassen aus Angst, die zierliche Bardin könnte einfach vom Stuhl kippen, ist es ein kleines Kunststück, sich selbst ein Marmeladenbrot zu schmieren, aber irgendwie gelingt es ihr.

>Dann könnte ich vielleicht schlafen. Vielleicht würden dann die Gedanken aufhören. Vielleicht würde ich dann nicht mehr sehen, wie ein Mann mit bleicher Haut und weißen Augen Caewlin umbringt. Wieder und wieder und wieder. Leider fürchte ich, ich überlebe keinen zweiten Becher.<  Das fürchte ich allerdings auch. "Ich konnte auch nicht schlafen und fand keine Ruhe... aber Calyra, sie werden bestimmt heil zurückkommen. Ganz sicher. Und an etwas anderes sollten wir nicht einmal denken, hörst du? Sie werden es schaffen. Raven heil zurückbringen und diesem dämlichen Weißfisch den Hals umdrehen. Caewlin ist nicht allein. Phelan und Borgil haben ihn begleitet und bessere Hilfe könnte ich ihm nicht wünschen. Sie schaffen es." Sie versucht, so aufmunternd wie möglich zu klingen, für Calyra wie für sich selbst.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 14. Jan. 2005, 23:11 Uhr
Der Tag vergeht - quälend langsam, doch er vergeht. Ihr Warten hat sich längst in nagende Sehnsucht verwandelt, doch wenn sie ehrlich ist, war die Hoffnung, Caewlin könnte innerhalb so kurzer Zeit schon wieder bei ihr sein, nichts als bloßes Wunschdenken. Niniane hatte ihren kläglichen Versuch, sich zu betrinken, im Keim erstickt und die Flasche Feuerwein beim Morgenmahl unauffällig verschwinden lassen, und Calyra weiß nicht so recht, ob sie der Waldläuferin dafür dankbar sein oder sich darüber ärgern soll. Sei dankbar. Vermutlich hättest du dich mit einem weiteren Becher doch nur vergiftet. Sie hatten den Vormittag damit verbracht, so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung - Calyra hatte Niniane geholfen, die Samen und Rispen getrockneter Gräser in verschiedene Gläser, kostbare geschliffene Behältnisse mit weichen Korkdeckeln, zu sortieren, und gleichzeitig versucht, ihrer Übelkeit von einem Becher Feuerwein auf nüchternen Magen wieder Herr zu werden, während Brynden dem Rubinraben nachgestellt und Shaerela ihre ersten Krabbelversuche auf einem weichen Lammfell am Boden getan hatte. Auch wenn nichts in Ordnung ist, etwas zu tun zu haben, sich mit Alltäglichem zu beschäftigen, hat sie doch aufrecht gehalten. >Raven heil zurückbringen und diesem dämlichen Weißfisch den Hals umdrehen.< Die Worte Ninianes hallen in ihrem Kopf wie ein Gebet, eine Zauberformel, die alles heil und gut werden lassen würde. Bitte... bitte... heilige Zwölf und all ihr namenlosen Götter, zu denen je ein Wesen Rohas gebetet hat, macht, daß sie Recht behält. "Es ist... doch irgendwie gut, daß ich mit Brynden hier bin. Ich meine... nicht nur, weil wir hier sicher sind. Zuhause hätte ich jetzt doch nur... nun ja. Saubere Böden geschrubbt oder den Speicher ausgeräumt. Ich kann nicht ruhig bleiben, wenn Caewlin..." sie verstummt. Männer kämpfen und Frauen wischen Staub. "Ich sollte bei ihm sein. Es ist falsch, daß ich hier bin. Aber er hat Recht. Er Recht, wenn er sagt, ich muß hier sein, damit Whytfisk mich nicht in die Hände bekommen kann. Und Brynden braucht mich."
Gegen Mittag beginnt es zu schneien, dicke, weiße Flocken, die schwerelos aus einem grauen Himmel schweben. Sie essen aufgewärmten Gemüseeintopf und Calyra leert ihren Teller, ohne etwas zu schmecken, während sie ab und an Brynden hilft, mit seinem kleinen Holzlöffel ohne größere Katastrophen zurechtzukommen. In ihrem Mund verwandelt sich doch nur alles in Asche, ganz gleich, was es ist und sie kann einfach nicht aufhören, nachzudenken.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 16. Jan. 2005, 19:37 Uhr
"Ja, er hat recht!" Niniane verkorkt eines der langen, röhrenförmigen Gläser und stellt es zu den anderen in das Regal aus Zedernholz in ihrem Botanikum. "Es ist gut, daß ihr hier seid, denn hier seid ihr sicher. Caewlin kann nicht kämpfen, wenn er sich um dich sorgt und das weißt du."
Sie essen zu Mittag und Niniane kann der Bardin ihre Unruhe nachfühlen - ihr selbst ergeht es kaum besser und sie macht sich längst auch um Cron ihre Gedanken. Das schneien hat nicht nachgelassen, im Gegenteil. Was zum Kuckuck hast du gemacht, verdammter Nordmann? Einen Bären erlegt? Auch der Nachmittag schleppt sich dahin, während Shaerela oben in ihrer Wiege schläft und Brynden "hilft" Wolle zu sortieren. Fast zwei Jahrestänze alt, ist Caewlins Sohn so groß wie ein Vierjähriger und läßt bereits erkennen, in wessen Fußsstapfen er einmal treten wird. Alles an ihm ist Caewlin... nur das Haar nicht. Schneewolken verdüstern den trüben Winterhimmel zu bedrohlichem Schiefergrau und bald sind ihr Baum und ihre Lichtung mit einer dicken, pudrigweißen Schicht bedeckt. Die Dämmerung fällt rasch und das schneien hört nicht auf, aber wenigstens bringt die hereinbrechende Nacht ihr Cron zurück. Sie kann ein Pferd wiehern, ungeduldig stampfen und gleich darauf seine beruhigende Stimme hören, während sie sich ihren Umhang von einem der Efeublätterhaken im runden Vorraum ihres Baumes nimmt. Shaerela, längst wieder wach, hat sie kurzerhand Calyra in die Arme gedrückt. "Ich gehe nur rasch hinaus und helfe ihm, die Götter allein wissen, was er von der Jagd mitgebracht hat."

Kälte und Winterdunkelheit hüllen sie augenblicklich ein, als sie die Wärme ihres Baumes verläßt. Sie kann Cron und Donner im Stall hören und den schwachen Schein einer Laterne durch die geöffnete Tür schimmern sehen, als sie über den feinen Neuschnee zu ihm eilt. Auf einer Schlepptrage aus dünnen Stämmen junger Bäume und einem dicken Geflecht aus Fichtenzweigen liegte der Kadaver einer fetten, schwarzborstigen Wildsau und zwei dicke Truthähne. Nirgendwo ist Blut zu sehen, jedenfalls nicht in seinen Spuren oder Donners Hufabdrücken, wie sie mit Erleichterung feststellt. "Cron!" Im Stall ist es warm und riecht durchdringend nach Pferdedung, ein warmes Nest aus duftendem Heu und raschelndem Stroh und dem Frieden, den die großen Tierleiber ausstrahlen. Im gedämpften Licht der Laterne sieht sie sich suchend nach ihm um, dann hört sie ihn weiter hinten etwas auf nordisch brummen, doch es klingt eher verwundert, als erschrocken - also hat er den Grauen und Halbmond entdeckt und fragt sich vermutlich gerade, was Caewlins Pferde bei ihnen im Stall tun. Sie findet ihn schließlich in Donners Box, wo er gerade dabei ist, dem Hengst Sattel und Zaumzeug abzunehmen. Beide, Herr wie Roß, sehen aus, wie man eben aussieht, wenn man ein paar Tage in einem winterlichen Wald verbracht hat - schmutzig und erschöpft, aber den Göttern sei Dank auch unversehrt. "Ich dachte schon, du kommst nie wieder nach Hause! Wo bei allen Göttern hast du so lange gesteckt?" Sie nimmt ihm die Trense ab, stellt sich dabei auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen und hängt Donners Zaumzeug dann an den Haken. "Es ist etwas passiert, Cron. Calyra und Brynden sind bei uns, warum erkläre ich dir im Baum, das ist eine längere Geschichte."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 16. Jan. 2005, 23:00 Uhr
Obwohl die Sonne noch nicht lange untergegangen ist, als er endlich zum Baum zurückkommt, ist es stockfinster und das beständige Schneetreiben hat nicht nachgelassen. Die Laternen in der Baumkrone sind dunkel, doch der warme Lichtschein aus den blattförmigen, bleigefassten Fenstern verspricht Wärme, Essen und Niniane... seine Frau. Auch nach sechs Monden Ehe ist der Gedanke noch so neu, daß sich flirrendes Quecksilber dabei in seinem Magen sammelt. Er läßt seine Jagdbeute vor dem Stall, steigt mit schmerzenden Beinen und Eisklumpen als Füßen aus dem Sattel und führt Donner hinein - zu seiner Überraschung findet er jedoch nicht nur Nachtwind, Ninianes Pferd, in der heuduftenden Wärme, sondern auch Caewlins Grauen und Calyras zierliche, silberne Wüstenstute. Er fragt sich, was die beiden hier machen, als Niniane zu ihm in den Stall kommt. Sie nimmt ihm Donners Zaumzeug ab, noch während sie mit einer seltsamen Mischung aus nachklingender Sorge und Erleichterung fragt, wo er solange gesteckt habe, und ihn mit einem viel zu flüchtigen Kuß begrüßt.

"Aye, ich habe die Pferde gesehen, Cariad. Komm her und gib mir einen anständigen Kuss und dann erzähl mir, was geschehen ist. Ich habe zwei fette Truthähne und ein schönes dickes Wildschwein für dich draußen." Sie versorgen die Pferde, bringen seine Jagdbeute in die kühlen Kellerräume unter den Baumwurzeln und treffen schließlich im Esszimmer auf Calyra, die seine sich windende Tochter im Arm und einen quengelnden Brynden am Rocksaum hat. Dunkle Schatten liegen auf ihrem blassen, hübschen Gesicht und in ihren Augen ist eine unterschwellige Sorge, die Cron schlagartig auf der Hut sein läßt. Er nimmt der Bardin die jammernde Shaerela ab, quittiert ihr Geheul mit einer Grimasse und wiegt sie sacht, um sie zu beruhigen, während er seine Wange einen Moment an den samtweichen, dunklen Haarflaum auf ihrem runden Köpfchen legt. "Hast du Hunger, min koerlighed? Aye, ich bin wieder hier. Schschsch, alles wird gut." Alarmiert blickt er von Nan zu Calyra und wieder zurück zu Niniane, die ihm die Kleine abnimmt und sich mit ihr zum Stillen auf einen der Stühle setzt. "Was... ist geschehen?"

Die beiden Frauen erzählen ihm alles, was sie wissen und das, was er zu hören bekommt, läßt ihn schlagartig seine eisigen Füße, den schmerzenden Rücken und seinen nagenden Hunger vergessen. Caewlin in der Kanalisation? Schon wieder? Er legt seinen Überwurf ab und fischt sich dabei Fichtennadeln und Laubstückchen aus dem Hemdkragen. Seine Hosen sind dreck- und blutverkrustet und er braucht dringend ein heißes Bad, aber das kann jetzt alles warten. Als Niniane und Calyra schließlich enden, ist Shaerela über dem Trinken eingeschlafen und auch Brynden hat sich mit müden Augen auf dem Schoß seiner Mutter zusammengerollt. Lange würde er die Augen nicht mehr offen halten können. Schon gestern Nacht! Fast zwei Tage - verdammt, sie könnten jetzt überall sein. Sein erster Gedanke war gewesen, Caewlin sofort zu folgen, ihn zu suchen, irgendetwas zu tun - aber während Niniane auf seinen Gesichtsausdruck hin gespannt die Luft angehalten hatte, hatte Calyra ihn nur lange angesehen und dann traurig den Kopf geschüttelt. Und einen Augenblick später hatte selbst er sich eingestehen müssen, daß es aussichtslos wäre, Caewlin, Phelan und Borgil dort unten zu finden.

Als Niniane die schlafende Shaerela nach oben bringt, um sie für die Nacht fertig zu machen und dann in ihre Wiege zu legen, kann er Calyra nur mit einem Schulterzucken, das seine ganze Hilflosigkeit ausdrückt, ansehen. "Calyra... wenn ich irgendetwas tun kann... Soll ich gehen, und Caewlin suchen?" Er weiß so gut wie sie, daß das keinen Sinn hätte, aber er muß es ihr wenigstens anbieten.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 17. Jan. 2005, 20:18 Uhr
Einen Augenblick hält sie den Atem an. Niniane ist nach oben verschwunden, um ihre Tochter ins Bett zu bringen und Brynden wird in ihren Armen schwer. Über seinen silberblonden Schopf hinweg starrt sie in ein Paar ernste, dunkelblaue Augen - blau wie Kornblumen, im Kerzenlicht fast violett. Cron meint es ernst, das kann sie sehen und die Versuchung ist groß - auch wenn sie es besser weiß. Ihr wäre sehr viel wohler, wenn sie ihn an Caewlins Seite wüßte, aber ihn zu bitten wäre vermessen. Vermessen und sinnlos, und so schüttelt sie traurig noch einmal den Kopf. "Das ist... sehr anständig von dir. Aber ich weiß so gut wie du, daß es aussichtslos ist. Du würdest ihn nicht finden, ohne selbst in Gefahr zu geraten oder sogar die anderen zu gefährden. Nein, Cron. Aber ich danke dir." Sie steht auf und hievt Brynden auf ihre Schulter. Er ist schwer geworden - und groß, kein Vergleich mehr zu dem winzigen Baby, das er einst war. Er murmelt verschlafen etwas an ihrem Hals und sie spürt die kleinen Finger, noch klebrig vom Honigbrot, die sich vertrauensvoll um ihren Nacken legen. Götter... ihr Götter beschützt seinen Vater. Bitte... bitte. Als Cron zurückgekehrt war und sie ihm alles berichtet hatten, war Brynden von dem großen für ihn fremden Mann noch völlig fasziniert gewesen und hatte dauert den Kopf verdreht, um ihn anzustarren und seine Stimme zu hören. Vielleicht, weil sein nordischer Akzent und der weiche, knurrende Tonfall dem Caewlins so ähnlich ist. "Du solltest ein Bad nehmen und dann schlafen," fährt sie leise und so einlullend wie möglich fort, um den wegdösenden Brynden nicht mehr aufzuschrecken. Ihr Tonfall bringt sie angesichts des Mannes ihr gegenüber zum lächeln, aber ihre Augen erreicht es nicht. "Ich bringe Brynden ins Bett, wir... wir haben eines der Gästezimmer bezogen, solange bis... bis Caewlin zurückkommt. Ich lege ihn jetzt hin und gehe auch zu Bett... die letzte Nacht war nicht sehr gut."

Sie verlagert Bryndens Gewicht auf ihren Armen, die langsam schmerzen, murmelt Cron noch einen Gute Nacht Gruß zu und huscht hinaus. Brynden wacht nicht einmal mehr auf, als sie ihn auszieht, frisch wickelt und seine Hände mit warmem Wasser abwäscht. Er hat das inzwischen arg mitgenommen aussehende Stoffhäschen aus Flicken, das Dalla ihm genäht hatte, fest an sich gedrückt und die langen Wimpern werfen Schatten über seine runden Wangen, im Schlaf völlig entspannt. Calyra kann ihn nicht ansehen, ohne daß sich ein Ring aus Eis um ihr Herz legt. Was sollte nur aus ihm werden, wenn sein Vater nicht zurückkehrte? Was sollte aus ihr werden? Nein. Du darfst nicht daran denken! Denk an etwas anderes. Wenn sie nicht darüber nachdenkt, daß und auf wieviele Arten er sterben könnte, dann würde er auch nicht sterben. Whytfisk. Schon beim bloßen Gedanken an diesen Namen verspürt sie Angst im Herzen und bitteren Gallengeschmack auf der Zunge. Sie wäre gerne wütend, wütend auf Caewlin, weil Wut sie vielleicht aufrecht halten würde, aber sie kann es nicht. Raven braucht ihn, ist in tödlicher Gefahr und sie weiß, daß er sich für die ehemalige Diebin verantwortlich fühlt, das hat er immer getan. Und sie sich für ihn. Sie hat ihm immer beigestanden, hat selbst ihren Gefährten zurückgelassen, um gegen die Würmer an seiner Seite zu sein. Sei also nicht ungerecht. Sie legt ihr Gewand ab und hängt Überkleid, Strümpfe und Mieder sorgfältig über eine geschwungene Stuhllehne - in Ninianes wundersamen Haus scheint alles irgendwie... gewachsen und nicht von Menschen- oder Elbenhand hergestellt. Zum Dunklen mit der Gerechtigkeit! Seufzend kriecht sie zu Brynden unter die samtweichen Pelze und rollt sich um ihren schlafenden Sohn zusammen, aber obwohl sie sehr müde ist, findet sie keinen Schlaf. Ihre Augen schmerzen, doch immer, wenn sie sie schließt, sieht sie Caewlin, verletzt und blutend in einer stinkenden, öligen Dunkelheit, aus der es keinen Ausweg mehr gibt. Nach einer Weile gibt sie es auf, einschlafen zu wollen und legt die Hand leicht auf Bryndens Rücken. Sie spürt die Wärme des kleinen Körpers und wie er atmet... ein und aus, beruhigend lebendig. Unruhig dreht sie sich auf den Rücken.

Die Decke aus Eichhörnchenpelz streicht schwer, warm und weich über ihre nackte Haut, erinnert bittersüß an andere Berührungen, und sie krümmt sich zusammen. Diesmal unterdrückt sie jeden Gedanken an Tod und Sterben, stattdessen klammert sie sich an andere Erinnerungen, warm und schwer in der Schwärze der Nacht. Ich bin ein Nordmann, Calyra. Wir behandeln unsere Felsweiber nicht wie Sklavinnen, so wie sie es im Süden tun. Unsere Frauen sind frei, und wenn sie die Axt statt der Spindel wählen, dann ist das ihr gutes Recht. Cal... du trägst mein Kind... mein Kind. Ich liebe dich, Cal. Hör auf, mich so anzusehen, min koerlighed. Min Koerlighed. Mein Liebling.... Sie krümmt sich noch mehr, versucht, die flüsternde Stimme festzuhalten und spürt ihre Tränen, warm und salzig, auf ihrem Gesicht. Ich hätte nie gedacht, daß ich je für irgendeine Frau mehr empfinden könnte, als die leere Lust einer Nacht, Cal, die im Morgengrauen nur noch nach Asche schmeckt. Bis ich dich getroffen habe. Du warst so klein und zart, daß ich dich wie ein Katzenjunges unter meinem Hemd tragen wollte...Sie kann Caewlins Stimme in ihrem Inneren hören, leise, samtig und dunkel. Sie sieht ihn vor sich, ein halbes, aber zärtliches Lächeln in den Mundwinkeln, das sein hartes Gesicht völlig verändert. Hab keine Angst, Silberhaar. Ich bin zu einem sehr vorsichtigen Mann geworden, seitdem ich dich geheiratet habe. Sie hört sich selbst lachen, den Geruch nach heißem Wasser und Seife in der Nase, spürt den nassen Stoff eines dünnen Nachtgewandes an ihrer Haut, seine Hände auf ihrem Leib. Du bist unmöglich, Caewlin! Seine große Hand, heiß vom Bad, an ihrem Gesicht, seine Fingerspitzen, nass und weich, an ihrem Mund. Aber soll ich dir etwas verraten... du magst mich so. "Götter... bitte. Bitte." Ihr Mund bewegt sich lautlos, sie betet stumm zu Mächten, für die sie keine Namen hat und starrt mit brennenden Augen in die Finsternis ringsum.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 20. Jan. 2005, 19:46 Uhr
>Nein, Cron. Aber ich danke dir.< Sie ist so rasch hinausgeeilt, daß er ihr nicht mehr Antworten kann, aber er steht seufzend auf, um ihren Rat zu beherzigen. Ein Bad nehmen und dann schlafen. Götter, das brauche ich allerdings! Aber zuerst... Er findet in der Küche noch Gemüseeintopf und schlingt ihn heißhungrig mit einem Kanten Graubrot hinunter. Der Eintopf ist gut, aber er hätte auch kaltes Sauerkraut aus dem Steingutfass in der Vorratskammer gegessen, wenn sonst nichts zu haben gewesen wäre. Dann deckt er das Feuer in den Kaminen für die Nacht ab, holt sich ein paar weiche Lederhandtücher und geht hinaus, um ein Bad zu nehmen. Die Nacht ist eiskalt und es schneit noch immer, doch in Reichweite der mannshohen, borkeumkleideten Wurzeln des Baumriesen ist der Boden schneefrei und trocken. Er nimmt ein langes, heißes Bad unter einem samtschwarzen Himmel und einem bleichen Halbmond, der immer wieder hinter dicken, grauen Wolken verschwindet, wäscht sein Haar aus, wird endlich den Gestank nach Schweiß, Blut und verrottendem Laub los und nimmt sich den tagealten Stoppelbart ab. Als er hoch ins Schlafgemach unter der ausladenden Baumkrone kommt, seine dreckige Kleidung in einem Lederbeutel, bereit von der Mogbarsfrau mitgenommen zu werden, die ihre Wäsche erledigt, mit nassem Haar und nichts als ein paar Ledertüchern am Leib, ist Niniane gerade dabei, ihr Haar auszukämmen und legt rasch einen Finger an den Mund, zum Zeichen, daß er leise sein müsse. Er nickt und späht in die Wiege, wo seine Tochter hingebungsvoll schläft und dabei den winzigen, rosigen Mund bewegt, als trinke sie noch immer. "Zahnt sie immer noch?" Fragt er, während er mit dem Zeigefinger vorsichtig über Shaerelas Wange streicht. Sie fühlt sich warm an, nicht heiß. Niniane läßt ihr Haar in einer Kaskade aus Weinrot und Kupfergold über die nackten Schultern fallen und schlüpft in eines seiner alten, ausgeblichenen Hemden. Das Quecksilber meldet sich vehement wieder zu Wort, nur vielleicht nicht mehr unbedingt in seinem Magen. Unter dem weichen Leinen murmelt sie etwas von "Nicht mehr so schlimm", dann taucht ihr Kopf im Halsausschnitt wieder auf. "Komm her zu mir, Cariad."

Trotz ihrer beider Sorge um Caewlin und Raven, trotz seiner Müdigkeit und ihrer nagenden Unruhe lieben sie sich in stillem Einverständnis. Ein paar Tage sind eine zu lange Zeit ohne sie und sie brauchen beide die Zuflucht, die der Körper des anderen ihnen bietet. Einander festhaltend in der warmen, schwarzen Dunkelheit ihres Schlafgemachs können sie die nagende Sorge um ihre Freunde in der Kanalisation und die Erschöpfung eine Weile vergessen. "Es wird alles gut," murmelt er in ihr Haar und streicht sacht über ihre Schultern.  Sie hatten die dicke Stundenkerze neben dem Bett gelöscht und das Feuer in der runden Feuerstelle in der Mitte des Raumes ist bereits weit heruntergebrannt. "Mach dir keine Gedanken, Cariad. Wenn wir nach einer Woche nichts von ihnen hören, dann... suchen wir sie. Du kannst Shaerela nicht allein lassen, aber ich kann gehen. Ich beschwatze Olyvar, wenn es sein muß, vielleicht überläßt er mir ein paar seiner Männer," fährt er leise fort. "Oder wenn nicht, dann werbe ich eben welche an... irgendetwas wird uns einfallen, min koerlighed. Caewlin wird es schon schaffen," versichert er ihr ebenso wie sich selbst, dreht den Kopf leicht und drückt einen Kuß auf ihre Stirn. "Du wirst sehen, er bringt Raven heil zurück und Calyra wird er einen Tabaksbeutel aus Whytfisks Eiern machen. Raucht sie noch Pfeife? Nein? Nun, vielleicht gewöhnt sie es sich wieder an." Niniane vergräbt prustend ihr Gesicht an seiner Schulter, schüttelt dann aber den Kopf. Das Lachen löst die Spannung... wenigstens ein wenig, aber Ruhe finden sie beide nicht so rasch. Obwohl er die letzten Tage über Stock und Stein geritten war und mehr als erledigt ist, kommen seine Gedanken nicht zu einem Ende - und ihr geht es ähnlich. Sie liegt völlig still in seinem Arm, aber kann er ihre beklommene Unruhe spüren, wie die Glut eines Feuers, das man nur abgedeckt hatte. "Versuch zu schlafen, Cariad. Die Kleine hat in ein paar Stunden wieder Hunger und morgen wartet auf uns ein fettes Schwein im Keller... und zwei Vögel, die gerupft werden müssen."  Er hört sie leise etwas flüstern, aber es dauert eine Weile, bis die Worte, kaum mehr als ein Hauch, zu ihm durchdringen. "Beschütze uns, Shenrah, Herr des Lichts, denn die Nacht ist dunkel, und voller Schrecken..." Und beschütze Raven und Caewlin. Borgil und das Spitzohr und auch das namenlose Mädel, das mit ihnen ging. Und sende den Segen der Seharim über ihre Seelen, auf daß sie nicht verzweifeln.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 01. Feb. 2005, 18:42 Uhr
Es ist mitten in der Nacht und der Baum liegt in tiefem Schlaf unter sanftem Schneegestöber, als ein aufgebrachtes Klopfen Niniane aus dem Schlaf reißt. Sie schreckt hoch, lauscht in die Finsternis, hört die Atemzüge Crons neben sich und die leichteren Shaerelas, die in der Armbeuge ihres Vaters schläft... über dem letzten Stillen war sie selbst wieder eingeschlafen und hatte die Kleine liegen lassen, wo sie war. Sie glaubt schon, sich das Klopfen eingebildet zu haben, als es vehement wieder an der Tür hämmert. Hastig steigt sie aus dem Bett, schlingt das Haar im Nacken zusammen, wickelt sich eine Pelzdecke um die Schultern und eilt nach unten. Ein Schwall eisigkalter, schneeverwehter Nachtluft spuckt einen von Borgils Botenjungen aus, der völlig aufgelöst und schwitzend auf ihrer Türschwelle steht und so verschreckt aussieht wie eine Maus im Katzenkorb. "M'lady!" Keucht er. "M'lady Niniane! Borgil... ich muß... seid Ihr... könnt Ihr..." Er schnappt jappsend nach Luft und das kleine Gesicht ist so rot, daß er aussieht, als würde er gleich einen Schlaganfall bekommen. Zum Reden fehlt ihm noch eine ganze Weile lang der Atem und Niniane hört hinter sich eine Tür klappen... offenbar hat auch Calyra das Klopfen gehört und war davon aufgewacht. Wenn sie überhaupt geschlafen hat. Niniane zieht den Knirps kurzerhand ins Bauminnere und schließt die Tür, sperrt Wind, Schnee und Kälte aus. "Beruhige dich erstmal, Kleiner. Atme, und wenn du wieder Luft bekommst, dann sag mir deine Nachricht."
Der Botenjunge schüttelt jedoch nur vehement den Kopf, schnappt nach Luft und stößt dann hervor: "Der Herr Borgil ist zurück. Mit denen aus der Kanalisation. M'lady, Ihr müßt kommen!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Calyra am 01. Feb. 2005, 20:23 Uhr
Ehe der Botenjunge die letzte Silbe ausgesprochen hat, ist Calyra an seiner Seite. "Und Caewlin? Der Nordmann? Der Sturmlord? Wo ist er? Ist er verletzt?" Sie greift nach dem Arm des Jungen und hätte ihn beinahe geschüttelt, um eine Antwort zu bekommen. Er schüttelt den Kopf und seine Brust pumpt wie ein Blasebalg. Calyra läßt ihn los und hastet in ihr Zimmer zurück. "Ich ziehe Brynden an. Dann sattle ich die Pferde. Nimmst du ihn dann mit hinaus?" Niniane nickt nur und von allem weiteren, das im Baum geschieht, bekommt Calyra nicht mehr viel mit. Sie weckt ihren Sohn, beruhigt ihn so gut es geht, steckt ihn in frische Windeln und warme Kleidung, zieht sich selbst an und eilt dann hinaus. Von Niniane und dem Botenjungen ist im runden Vorraum des Baumriesen nichts mehr zu sehen, aber sie kann die Waldläuferin oben hören, Crons dunkle, schlaftrunkene Stimme und das leise Weinen eines Babys. "Bleib schön hier, Schätzchen. Mami ist gleich zurück. Geh nach oben zu Cron und Niniane, wenn du magst. Ich muß nur schnell die Pferde satteln, ja? Nein, Brynden, laß mich los. Wir müssen deinen Vater suchen. Ich bin gleich wieder da. Gleich." Sie stürzt hinaus und der schneidend scharfe Nachtwind fegt ihr prompt die Kapuze vom Kopf, während sie in Richtung des Stalles durch den tiefen Schnee stapft und versucht, ihr Herz gegen Bryndens Jammern hinter ihr zu verschließen. Mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt und mit einer Mutter, die so kopflos wie eine verstörte Gans herumrennt, ist er verständlicherweise völlig verwirrt und hat Angst.

Tut mir leid. Tut mir so leid, mein Kleiner. Caewlin! Hämmert ihr Herz. Caewlin, Caewlin! Der Junge, den Borgil geschickt hat, hatte nur den Kopf geschüttelt, als sie nach ihm gefragt hatte und das hat genügt, um ihr einen tödlichen Schrecken einzujagen. Sie braucht eine halbe Ewigkeit, bis sie Halbmond und Donner und Ninianes Jagdstute gesattelt und gezäumt hat und läßt die Pferde wegen des Schneetreibens noch im Stall, bis die anderen soweit sind. Sie selbst ist fertig zum Aufbruch - und obwohl sie weiß, daß sie warten muß, daß es seine Zeit braucht, sich anzukleiden und ein kleines Kind, zumal bei solchem Wetter, fertig zu machen, brennt die Ungeduld ihr unerträglich unter den Nägeln. Sie schnallt gerade die letzten Riemen am Sattelzeug der Jagdstute fest, als die Laternen des Baumes aufflammen, eine nach der anderen, und weichen Bernsteinschimmer durch das Schneegestöber senden. Kurz darauf geht die Tür und Niniane kommt heraus, Shaerela wohl unter ihrem Umhang in einem Tragetuch verborgen. Cron hat es irgendwie geschafft, Brynden zu beruhigen und trägt ihn auf den Schultern - und sie hört ihren Sohn vor Freude quietschen. Die nächtliche Verwirrung hatte sich schlagartig in ein nächtliches Abenteuer verwandelt, und wie immer der Tronjer das angestellt haben mag, sie ist ihm mehr als dankbar. In ihrer nagenden Sorge um Caewlin ... er hat den Kopf geschüttelt. Der Botenjunge hat einfach den Kopf geschüttelt... kann sie sich einfach nicht um Brynden kümmern.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 07. Feb. 2005, 21:14 Uhr
Als die Sonne sich hell und golden aus dem Winterdunst über dem Ildorel erhebt, kehren sie zum Baum zurück. Niniane ist immer noch erschreckend blaß und hat die ganze Fahrt über kein Wort gesprochen, aber auch wenn sie betäubt vor Schock und Schmerz ist, sie steht auf ihren eigenen Beinen und kümmert sich um die Kinder, während er die Pferde in den Stall bringt, tränkt und füttert und dann Calyras Leichnam in den Baum trägt. Er findet den Botenjungen Borgils schlafend vor dem Kamin und schickt ihn mit dem Knecht und dem Wagen zurück zur Harfe. Da er nicht weiß, wohin mit Calyra, trägt er sie in das Zimmer, das sie mit Brynden bewohnt hat. Selbst die Hunde schleichen gedrückt herum und sehen am Boden zerstört aus. Akira weicht nicht von seiner Seite und als er den leichten, zerschmetterten Körper auf das Bett niederlegt, noch immer in seinen Umhang gehüllt, legt sich die Bluthündin davor, ohne sich auch nur einen Sekhel mehr von der Stelle zu rühren. Cron versucht, alles von sich weg zu halten - den Schmerz, die Verwirrung, die Angst. Später würde er vielleicht trauern können, aber jetzt nicht. Niniane braucht ihn, die Kinder brauchen ihn. Er richtet Brynden ein Bett oben im Botanikum und nach einer Weile - nach einer langen Weile - läßt sich Caewlins Sohn von ihm endlich beruhigen und schläft erschöpft ein.

Wie der Tag letztlich vergeht, weiß Cron später nicht mehr wirklich zu sagen. Sie sind beide wie betäubt, laufen durch den Baum wie Schlafwandler, verrichten die täglichen Arbeiten, bereiten den Kindern etwas zu essen, kümmern sich um Brynden, der immer wieder nach seiner Mutter verlangt und sich nicht beruhigen läßt. Niniane spricht lange mit ihm, versucht ihm begreiflich zu machen, was geschehen ist, so daß er es verstehen kann, aber er ist einfach noch so klein. Cron ist in Gedanken bei Caewlin und Raven und sich selbst immer sicherer, daß Calyra wirklich Recht hatte. Sie sind noch am Leben. Genauso sicher weiß er jedoch, daß sie es nicht mehr lange sein werden, wenn sie verschüttet und eingeschlossen wurden... und daß er absolut machtlos ist. Er weiß nicht, wo sie sind und selbst, wenn das irgendwie herauszubekommen wäre - keine Macht Rohas kann Hunderte Tonnen von Stein, Fels und Geröll bewegen. Er betet, weil der Gedanke, daß sie langsam dort unten zugrunde gehen, unerträglich ist. Er steht Niniane bei, so gut er kann. Er versorgt die Pferde und kümmert sich um das Wild, einfach, um seine Hände beschäftigt und seine Gedanken im Zaum zu halten. Er nimmt Brynden mit, wo immer es geht, um den Kleinen abzulenken... daß sie sich um Caewlins Sohn kümmern würden, steht für ihn außer Frage und er glaubt, für Niniane auch, obwohl sie noch kein Wort darüber verloren haben.  Er denkt daran, daß er bald zum Seehaus wird reiten müssen, um Caewlins Gesinde die Nachricht vom Tod ihres Herren und der Herrin zu bringen. Er spielt mit Shaerela, die, unberührt von all dem Leid um sie her, mit ihren ersten Zähnen kämpft und nicht verstehen kann, warum ihre Mutter sich nicht um sie kümmern kann.

Niniane hat den ganzen Vormittag über einige Vorbereitungen getroffen, Wasser erhitzt, weiche Tücher bereitgelegt, zwölf kristallklare Phiolen mit verschiedenen Ölen und eine dunkle Truhe aus glänzend lackiertem Holz herausgesucht, sowie dreizehn langstielige Kerzen und sich dann mit der Toten eingeschlossen. Cron weiß, daß sie Calyra waschen und herrichten würde, ihr die letzte Ehre erweisen und sie für die Bestattung vorbereiten. Sie hatte nur genickt, als er ihr stockend erzählt hatte, daß er sie nicht einem Tempel hatte anvertrauen wollen, nicht einmal den schweigenden Schwestern, und geflüstert: "Schon gut. Ich bin es ihr schuldig, Cron, ich hätte es ohnehin selbst getan." Er hätte ihr gern geholfen, gern beigestanden... er hätte sie gern in den Arm genommen und getröstet, und sie beschworen, damit aufzuhören, sich die Schuld an allem zu geben. Er weiß, daß sie es tut. Als Niniane mit versteinertem Gesicht die Tür hinter sich schließt, um sich Calyras anzunehmen, zieht er die Kinder an und geht mit ihnen und Stelze hinaus in den Schnee. Er kennt Ravens Hund kaum, kann ihn nur schwer einschätzen, doch der große Arduner Wolfshund hält sich dicht in ihrer Nähe und macht keine Anstalten, fortzulaufen. Die Sithechnacht mit ihrem Schrecken und ihrer schwarzen, schwarzen Dunkelheit ist vorüber und hat alles verändert. Caewlin, Calyra, Raven und Phelan... Die schneidende Kälte der Nacht und das wilde Schneetreiben sind vorüber... jetzt scheint die Sonne und verwandelt das Larisgrün in einen funkelnden Märchenwald voll blauer Schatten und goldenem Dunst. Selbst Brynden läßt sich ablenken, als sie am Strand spazieren gehen. Crons Gedanken wandern und kreisen, doch in seinem Inneren ist etwas zu Eis erstarrt, als er über den blauen, blauen Ildorel nach Osten blickt. Der See liegt so ruhig und glatt wie ein Spiegel vor ihm und nicht weit vom Ufer ziehen lautlos ein paar Schwäne vorüber. Wenn wir schon hier sind, können wir auch Forellen zum Abendessen fangen...  Als er mit den Kindern endlich in den Baum zurückkehrt, dämmert es bereits und sie sind alle drei durchgefroren von der Winterkälte. Brynden braucht dringend eine frische Windel und trockene Kleidung, Shaerela jault bereits vor Hunger und selbst Stelze hat Frost in seinem dichten, grauen Backenbart.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 07. Feb. 2005, 23:59 Uhr
Niniane kann hören, wie Cron mit den Kindern den Baum verläßt und sie bleibt mit der Toten allein zurück. Als erstes schürt sie Feuer im Kamin, denn in dem Gästezimmer ist es klamm und kalt, und während sie Holz um zwei Handvoll Kienspäne aufschichtet, fühlt sie sich entsetzlich schwach - alles andere als der Aufgabe gewachsen, die vor ihr liegt. Sie ist dankbar, daß Cron Calyras Körper nicht dem Sithechtempel überlassen hat, obwohl die Grauen Frauen ihre Aufgabe sicherlich gewissenhaft erfüllt hätten. Sie will es selbst tun... das ist das einzige, was sie für die Tote noch tun kann. Nichtsdestotrotz fühlt sie sich entsetzliche Augenblicke lang wie gelähmt, unfähig, sich zu bewegen oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Dann steht sie auf und beginnt. Sie entkleidet den zarten, kleinen Körper und wäscht Blut und Schmutz von der hellen Haut, wäscht das lange Haar aus und bürstet die weichen Locken dann solange, bis sie glänzend und weich um das Gesicht liegen. Sie salbt den Leichnam der Bardin mit Totenöl und verschiedenen Essenzen, die ihren zierlichen Körper lange so bewahren würden, wie er jetzt ist und kleidet ihn dann in das beste Gewand, das sie in Calyras Gepäck finden kann - pflaumenfarbene Seide, bestickt mit winzigen Blütenranken. Die furchtbare Kopfwunde verbirgt sie unter einem dichten Kranz aus dunklem Efeu, Schleierkraut und purpurfarbenen Immortellen. Schließlich ist beinahe alles getan - sie legt Calyras kleine Hände übereinander auf ihre Brust und berührt dann ihre Stirn, ihr Herz und ihre Füße mit je einem Tropfen Totenöl, ehe sie ihr die Stiefel anlegt und sorgsam verschnürt. Dann stellt sie dreizehn schlanke, schwarze Kerzen um das Bett herum auf und entzündet jede einzelne, bis auf die letzte, die sie unberührt läßt. Calyra mag nicht im Glauben an die Zwölf erzogen worden sein, aber Niniane weiß, daß die Bardin sich, seit sie in Talyra war, oftmals an Faeyris gewandt hatte und den Göttern immer mit Respekt begegnet war. Mit jeder Flamme, die sie entfacht und deren Schein sich golden auf Calyras Silberhaar spiegelt, singt sie den Namen eines Gottes, bis sie vor der letzten Kerze steht und schweigt. Für den, dessen Namen wir nicht nennen, dessen Pfaden wir nicht folgen, dessen Lehren wir verachten, dessen Saat wir bekämpfen, der vergangen ist und vergessen sein soll bis ans Ende aller Zeiten.

Als die Kerzen brennen, nimmt Niniane ihren Platz neben der Toten ein. Sie kann sie jetzt noch nicht allein lassen... und sie würde sich nie anmaßen, die Totenklage für eine Bardin wie Calyra zu singen, also betet sie nur. "Brith Shunjaes sis Myr ten Anar, cir ayaes lyres shaeres. Nevis îr Shunja, Tialhor îr Mova ayaes miat myrior. Ayaes miat myrior..." weit kommt sie nicht, bis ihr die Stimme versagt. Tränen steigen in ihr auf und sie macht keinen Versuch, sie zurückzuhalten. Meine Schuld,flüstert ihr Herz. Meine Schuld, meine Schuld, meine Schuld! Sie sitzt neben Calyra bis die Sonne sinkt und die frühe Winterdämmerung ihren Baum und ihre Lichtung in Dunkelheit hüllt. Das Feuer im Kamin ist längst heruntergebrannt und es wird kühl, so kühl, daß sie schließlich fröstelnd aufsteht, gerade in dem Moment, als sie die Tür ihres Baumes aufschwingen und gleich darauf Shaerelas zorniges Hungerquietschen vernimmt. Sie sieht ihn Calyras totenbleiches und doch so lebendig wirkendes Gesicht, reingewaschen vom Blut und von dieser, der rechten Seite, völlig unversehrt. Wir werden ihn aufziehen, wie unseren eigenen Sohn. Du hast mein Wort, min Ija. Dann holt sie noch einmal tief Luft und geht leise hinaus. Zwei Stunden später sind die Kinder gefüttert, gebadet und mit frischen Windeln für die Nacht in ihren Betten... Brynden im Botanikum auf einer Liege, sein Stoffhäschen fest umklammert, die riesige Bluthündin neben ihm, die sich nur mit dem kleinen Jungen von der Seite ihrer toten Herrin hatte weglocken lassen, und Shaerela in ihrer Wiege... in die sie bald nicht mehr passen würde. "Wir müssen einen der Räume unten als Kinderzimmer herrichten", murmelt sie, während sie in eines seiner Hemden schlüpft und merkt gar nicht, daß sie schon wieder weint, bis ihr die Tränen in die Mundwinkel rinnen und sie das Salz schmeckt. Völlig am Ende ihrer Kräfte, körperlich wie seelisch, scheint sie überhaupt nicht mehr damit aufhören zu können. "Ich... ich habe Calyra... versprochen..." sie räuspert sich und wischt sich fahrig über das Gesicht. "Ich habe ihr versprochen, daß wir uns um Brynden kümmern."

Cron sieht nicht minder zerschlagen aus wie sie selbst, als er auf dem Bettrand sitzt und sich die Stiefel abstreift, aber auf ihre Worte nickt er nur und sieht sie an - und mehr braucht es nicht.  Viel Hunger hatten sie beide nicht verspürt, aber die Kinder hatten trotz allem etwas zu Essen gebraucht und so hatte es zum Abendmahl gebackene Forellen und geröstetes Brot gegeben. Shaerela, acht Monde alt, hatte hingebungsvoll mit dreieinhalb Zähnen auf einem Stückchen Brot herumgekaut und den Fisch verschmäht, aber Brynden hatte fast eine ganze Forelle verspeist - samt Haut, Kopf und Flossen. Danach hatten beide Kinder, verschmiert von einem Ohr bis zum anderen ein Bad benötigt. Sie beide hatten immer wieder Caewlins Sohn beobachtet, diesen Jungen, der eine einzige, kleinere Ausgabe seines Vaters ist, bis auf sein helles Haar.... und sie hatten beide dasselbe gedacht. Als Niniane jetzt unter die Spinnwebseidendecken und die weichen Pelze kriecht, spürt sie, wie erschöpft sie wirklich ist, doch vor ihrem Inneren Auge spielen sich unaufhörlich die Szenen der vergangenen Nacht ab. Mit der Klarheit, die allen Tragödien anhaftet, haben sich die Ereignisse in ihre Gedanken gebrannt und jedes Mal, wenn die Visionen von neuem beginnen, hofft sie vage, irgendetwas ändern zu können. In Crons unbewegtes Gesicht haben sich tiefe Falten gegraben und er blickt mit großen, leeren Augen in die Dunkelheit. Einen Moment zögert sie, ihn zu berühren, ihn zu stören, jetzt, da er zum ersten Mal seitdem dieser Alptraum begonnen hatte, Zeit hat, mit seinen Gedanken allein zu sein... aber im selben Augenblick streckt er die Hand nach ihr aus und sie schmiegt sich an ihn. Sie klammern sich schweigend aneinander, als könnten sie sich gegenseitig aus diesem Sumpf der Trauer und Bitterkeit ziehen... oder wenn nicht das, dann wenigstens gemeinsam darin ertrinken.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 14. Feb. 2005, 15:33 Uhr
Die Trauer um ihre Freunde liegt wie ein dickes, graues Tuch über dem Baum am Smaragdstrand... aber wirklich Zeit zum Trauern nehmen können sie sich nicht... innerhalb einer einzigen, schrecklichen Nacht war aus ihrem kleinen Haushalt ein wirres Sammelsurium verwaister Kinder und Tiere geworden, die alle versorgt werden wollen und so gern Niniane sich zurückgezogen hätte, um ihre Wunden zu lecken, sie kann nicht. Brynden hatte die ersten zwei Tage nach der Sithechnacht ununterbrochen nach seiner Mutter und seinem Vater gejammert und er war zu klein, als daß Niniane ihm hätte erklären kann, was geschehen war... aber sie hatte ihn auch nicht belügen wollen, hat ohnehin nie etwas davon gehalten, Kinder "mit der Wahrheit zu verschonen". Cron hatte Calyras Leichnam in einen der dunklen, kühlen Räume tief unter der Erde zwischen den Baumwurzeln getragen und sie dort auf einem Tisch aufgebahrt, und als Shaerela schläft, gehen sie mit Brynden hinunter. Sie entzünden die Laternen, eine nach der anderen und erzählen Caewlins Sohn nicht, seine Mutter würde nur schlafen... obwohl Calyra tatsächlich so aussieht. Alles stirbt, im Leben gibt es Kummer und Verlust und nur wer weiß, was der Tod ist, kann die tieferen Seiten des Lebens verstehen. Danach wird es besser - obwohl Brynden die Endgültigkeit des Todes sicher noch nicht begreifen kann. Niniane ahnt, daß noch lange Fragen kommen würden, schwierige Fragen... aber er läßt sich jetzt wenigstens beruhigen.

Drei Tage nach ihrer Rückkehr aus der Harfe war Cron zum Seehaus geritten, um Caewlins Gesinde zu unterrichten, Bryndens Sachen abzuholen und dort nach dem Rechten zu sehen.... was genau mit dem Anwesen geschehen soll, können sie beim besten Willen noch nicht sagen... und am Tag darauf waren sie alle mit den Kindern und den Hunden in der Stadt gewesen, um weitere Wintervorräte und genug Heu für drei zusätzliche Pferde zu besorgen. Sie hatten kurz in der Harfe vorbeigesehen und erfahren, daß Arwen sich um Phelans Bestattung kümmere und Morgana in den Faeyristempel gebracht worden war und nach ihrer Rückkehr hatte Cron begonnen, im Wald nach geeignetem Holz für ein Boot zu suchen, ein Drachenboot, so wie es im Norden üblich war. Er will Calyra nach normandischem Brauch bestatten und sie verbrennen, kein langer, dumpfer Todesschlaf für Caewlins Frau in kalter Erde. Sie ist aus dem Norden, hatte er gesagt, als Niniane ihn gefragt hatte, wo sie sie beerdigen sollten, als sei das eine Erklärung für alles. In der Dunkelheit und Wärme ihres Schlafgemachs, wenn die Kinder endlich schliefen und die Hunde aufgehört hatten, bedrückt, aber mit vorwurfsvoll glänzenden Augen durch den Baum zu schleichen - beide ein Bild des Jammers - hatten sie viel und lange über die Toten gesprochen - was sie alles getan oder vielleicht getan hatten, wer sie gewesen waren, was sie an ihnen gemocht hatten, worüber sie gelacht hatten... aber immer wieder waren ihre Gespräche auf Raven und Caewlin gekommen, immer wieder hatten sie vage Hoffnungen niedergekämpft, die beiden könnten vielleicht... durch ein Wunder... eine Fügung... doch noch...

Der fünfte Tag nach der Sithechnacht, ist genauso schneeverweht wie seine vier grauen Vorgänger und obwohl langsam so etwas wie Alltag im Baum einkehrt, ist er alles andere als ruhig. Cron hatte die Hunde mit hinausgenommen und ist seit dem Morgen im Stall oben abwechselnd mit dem Boot für Calyras Bestattung oder aber damit beschäftigt, die drei Hengste davon abzuhalten, sich selbst und ihre Boxen in Kleinholz zu verwandeln und Niniane ist dabei, Lederzeug zu reinigen und gleichzeitig Brynden davon abzuhalten, Shugorn mit Lederseife zu behandeln. Shaerela, die den ganzen Vormittag quengelig und unleidlich gewesen war, ist nach dem Mittagsmahl endlich eingeschlafen und Caewlins Sohn hat nur Unsinn im Kopf. "Nein, Brynden, laß das, Shugorn wird nicht aufgegessen!" Sie befreit den hilflos im Klammergriff kleiner Finger zappelnden Raben gerade aus seiner mißlichen Lage, als ein zartes, fast flüchtiges Senden sie trifft wie Sturmwind. Min Ija. Vor Schreck hätte sie beinahe Brynden fallen lassen und muß sich mit zitternden Beinen erst einmal setzen. Raven! Ist ihr erster Gedanke. Ihr zweiter: Das kann nicht sein! Ihr dritter: Doch, sie ist es und das war an meinem Tor! Dann kommt sie auf die Füße. "CRON!" Mit Brynden im Arm rennt sie hinauf in den Stall und Cron kommt ihr auf halbem Weg entgegen, aufgeschreckt durch ihr Rufen. Sie drückt ihm den verwirrten Brynden in den Arm und zieht ihn hinter sich her, hastig verworrene Erklärungen hervorsprudelnd, während sie umringt von knurrenden, jappenden Hunden in den Keller stürzen. Sie finden Raven und Caewlin hinter dem Tor - so blutig, verdreckt und abgerissen, daß sie sie auf den ersten Blick nicht einmal erkennen. Caewlin steht im Gang, lehnt an der Tunnelwand, ohne Hemd, aber dafür von Kopf bis Fuß in schmutzigen, blutverkrusteten Verbänden, seine Augen das einzig helle in seinem Gesicht - und in seinem Arm hängt ein besinnungsloses Bündel mit verfilztem Haar, eine Hand in einer provisorischen Schlinge. "Götter... ihr lebt! Ihr lebt..." Ungläubig blinzelt sie verwirrt vom einen zum anderen, doch sie sind es wirklich - dann bringt der Anblick ihrer zahlreichen Verletzungen sie wieder zu sich. "Cron hilf Caewlin. Ich nehme Raven."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 14. Feb. 2005, 19:37 Uhr
Hin und hergerissen zwischen Erleichterung, Freude, Verwirrung und der Frage, wie um Himmels Willen er Caewlin erklären soll, daß Calyra tot ist, stellt Cron Brynden auf die Füße und kann nur nicken. Der kleine Junge drückt sich eng an ihn, beäugt seinen Vater und Raven mit Mißtrauen und hätte beinahe angefangen zu weinen - bei ihrem Anblick kein Wunder. "Blutig bis zu den Augenbrauen" ist noch gar kein Ausdruck. Während Niniane Caewlin die besinnungslose Raven abnimmt, die nachdrängenden Hunde streng durch das Tor zurückscheucht und sich die zierliche Diebin nach einem Moment einfach über die Schultern legt, um sie aus dem Keller zu tragen, gefolgt von Stelze und Brynden, der sich weigert die Alptraumvision Caewlins als seinen von den Toten zurückgekehrten Vater anzusehen, legt er dem Sturmender einen Arm um die Schultern, schiebt Akira weg, die drauf und dran ist, ihrem Herrn in ihrer Wiedersehensfreude den Rest zu geben, faßt ihn um die Hüften und zieht ihn mit sich. Caewlin atmet nur noch stoßweise und keuchend und Cron spürt mit Entsetzen wie es warm und nass durch sämtliche Verbände sickert, die er berührt. "Wir gehen jetzt nach oben," sagt er, obwohl er bezweifelt, daß Caewlin ihn hört. "Komm schon, hilf mir ein bißchen. Noch ein paar Schritt und du hast es geschafft. Gib ja nicht auf jetzt..." Eng umschlungen mühen sie sich durch Ninianes Kellergewölbe und die Treppe hinauf und irgendwo über sich kann er Ninianes Stimme hören, die leise auf Raven einspricht, als rede sie zu einem kranken Kind. Die Bluthündin ist kaum zu beruhigen und mehr als einmal fallen sie beide beinahe um, weil ihnen das riesige Tier im Weg ist. Da er keine Ahnung hat, wohin, folgt er einfach Niniane und den hellroten Fußspuren, die Raven auf den Bodendielen hinterläßt und bringt Caewlin so nach einer halben Ewigkeit aus dem Keller, durch den runden Vorraum des Baumes und schließlich in eines der Gästezimmer. Es gelingt ihm gerade noch, die bestickte Decke von dem runden, elbischen Lager zu zerren, ehe Caewlin einfach umfällt und ihn um ein Haar mitreißt. Auf den Laken breiten sich ein halbes Dutzend hellroter Flecken aus und Caewlin ist leichenblaß. "Nan, schnell, er verblutet - ich habe keine Ahnung, wo er überall verletzt ist!"

Sie hat Raven inzwischen in einen der Sessel gesetzt und ist gerade dabei, ihr die Hosen aufzuschneiden, doch jetzt eilt sie an seine Seite, wirft einen kurzen Blick auf Caewlin und drückt ihm dann ein paar Leintücher in die Hände mit der Anweisung, das auf die Wunden zu pressen und sie alle straff zu verbinden. Mit Schrecken erinnern sie sich daran, daß Morgana in den Faeyristempel gebracht wurde und wohl kaum ihrer Aufgabe als Heilerin nachgehen kann und Loba die Stadt verlassen hat... und irgendeinen Bader oder Wundscher würde er ganz bestimmt nicht zu Hilfe holen, damit er die beiden mit seiner Schröpfkunst noch ums Leben bringt. "Du mußt es machen, Nan. Du bist vielleicht keine Heilerin, Cariad, aber du hast mehr über Krankenpflege und Wunden vergessen, als so manch anderer je lernen wird. Also tu es." Sie sieht ihn einen Moment lang zweifelnd an, aber dann nickt sie und die nächste halbe Stunde sind sie beide nur damit beschäftigt, um heißes Wasser zu rennen, Druckverbände anzulegen und wieder zu lockern, eine kostbare Spinnenseidendecke zu zerschneiden und daraus Kompressen zu machen und dabei zwei tolle Hunde und Brynden aus dem Weg zu schieben. Den Göttern sei Dank verschläft Shaerela die ganze Aufregung in ihrer Wiege. Caewlin hat zahlreiche Wunden, wie sie nach einer hastigen Untersuchung herausfinden, doch am tiefsten sind ein Stich unterhalb der rechten Schulter und einer zwischen den Rippen - aber sein Atem rasselt nicht, also scheint er wenigstens keine Flüssigkeit in der Lunge zu haben. Nachdem sie die Blutungen der aufgebrochenen Stichwunden durch straffe Verbände und dicke Kompressen im Griff haben, wendet Niniane sich wieder Raven zu und er hüllt Caewlin in warme Pelze und weiche Wolldecken. Für den Moment außer Lebensgefahr, jedenfalls hoffen sie das beide, würde der Sturmender noch eine Weile ohne weitere Behandlung überstehen... Raven dagegen glüht im Fieber und wird gleichzeitig so heftig von Schüttelfrost durchgerüttelt, daß sie selbst in ihrer Ohnmacht mit den Zähnen klappert. Ihr Gesicht ist eine einzige verschwollene Maske blauschwarzer Prellungen und geronnenen Blutes, doch selbst unter all dem Dreck kann man ahnen, daß sie kalkweiß ist. Nachdem Niniane fluchend das Hosenbein aufgeschnitten hat, kommt darunter eine schwärende Wunde im Oberschenkel zum Vorschein, der ganze Muskel knallrot und grotesk angeschwollen. "Kann ich irgendetwas tun? Sonst kümmere ich mich um Caewlin... er hat mehr Löcher im Leib, als ein Sieb. Sag mir nur, was ich machen soll."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 14. Feb. 2005, 22:29 Uhr
Niniane hetzt von Caewlin zu Raven, zurück zu Caewlin und weiß nicht, um wen sie sich zuerst kümmern soll. Sie kann beim besten Willen nicht sagen, wieso der Sturmender noch am Leben ist, nachdem er soviel Blut verloren hat - aber da Caewlins Wunden für den Moment Ruhe geben und er zwar warm, aber nicht fieberheiß ist, entscheidet sie sich schließlich für Raven, die in mehr als jämmerlicher Verfassung zu sein scheint. Du mußt es machen, hatte Cron gesagt und sie weiß, daß er Recht hat - sie haben auch gar keine andere Wahl ohne Morgana oder Loba, die sie zu Hilfe holen könnten - aber sie ist keine Heilerin. "Ich bin höchstens eine zweitklassige Kräuterhexe, verdammt nochmal," murmelt sie wütend vor sich hin, während sie Ravens Hosenbein aufschlitzt und das blutdurchtränkte Leder dann mit spitzen Fingern von der Haut schält. Der süßliche Eitergeruch einer heftigen Infektion steigt ihr in die Nase, doch obwohl Ravens ganzer Oberschenkel dick geschwollen und stark gerötet ist, entdeckt sie weder die violetten Streifen einer Blutvergiftung, noch die schwärzlichen Ränder drohenden Wundbrandes und dankt dafür den Göttern. Cron tritt zu ihr, wirft einen Blick auf Ravens Bein und bietet dann seine Hilfe an. "Ja..." stirnrunzelnd tastet sie die Wunde ab und spürt das matschige Nachgeben der Eiterherde unter der Haut, während sie in Gedanken alles zusammenkratzt, was sie jemals über Wundversorgung gehört oder gelesen hat. "Als erstes trägst du Raven hinaus - sie muß ins Bad und warm werden. Und ich muß diese Wunde im heißen Wasser aufweichen und reinigen. Vielleicht blutet sie noch einmal und schwemmt den ganzen Eiter und Dreck hinaus. Dann setz noch einmal Wasser auf. In meinem Botanikum oben findest du Arnikablüten, Ringelblumen, Beinwell, Kamille, Geraniumwurzelpulver, Blutegel und Mohnblumensaft. Die Blutegel sind in dem Keramikkrug im Schrank, der mit der grünbraunen Brühe. Bring alles herunter. Außerdem brauche ich Wundgarn und die magische Nadel, Verbandslinnen und... oh, da ist in einem Specksteintiegel eine schwarze Paste, die brauche ich nachher. Und Honig, viel Honig. Setz bitte auch Teewasser auf. Ich mache später Honigwasser und Fleischbrühe für Caewlin, aber erst, wenn ich seine Wunden genäht habe. Und such irgendwo einen rostigen Nagel, wenn du einen findest. Leg ihn in einen Becher mit Quellwasser. Aber... erst muß Raven hier ins heiße Wasser."

Nachdem Niniane das Wasser in dem Steinbecken mit einem Zauber auf erträgliche Temperatur abgekühlt hat, badet sie Raven wie ein Kind. Die Diebin liegt auf den flachen Steinstufen, die in die heiße Quelle führen und Niniane wäscht mit weichen Lappen Dreck und Blutkrusten von ihrer Haut, während sie darauf wartet, daß die entzündete Wunde aufweicht. Sie wäscht Verfilzungen und Dreck aus dem langen Haar und kämmt es vorsichtig mit den Fingern, während Ravens Zittern langsam nachläßt. Ab und an flattern ihre Lider, einmal kommt sie sogar halb zu sich und sieht Niniane blicklos an, doch wirklich zur Besinnung kommt sie während der ganzen Prozedur nicht. Sie weiß nicht, wie lange sie Raven mit dem Wundfieber im heißen Wasser lassen kann und beeilt sich, sie so sauber wie möglich zu bekommen. Als das Zittern der zierlichen jungen Frau endlich aufhört und auch ihre Zähne kein klapperndes Stakkato mehr schlagen, zieht Niniane sie aus dem Wasser, hüllt sie rasch in weiche Ledertücher und schlägt sie dann in eine Decke ein. Sie in den Baum zurückzutragen ist nicht so schwer, wie befürchtet - Raven ist entsetzlich dünn geworden und leicht wie ein Kind. Im Baum ist Cron dabei, wenigstens den gröbsten Dreck und das verkrustete Blut von Caewlins Haut zu waschen, während Brynden sich in dem Sessel zusammengerollt hat, die beiden Hunde hechelnd zu seinen Füßen, und seinen Vater mit morbider Faszination betrachtet. Alles aus ihrem Botanikum, worum sie Cron gebeten hat, steht auf einem lackierten Holztablett bereit, selbst die Blutegel in ihrem Krug. Sie bettet Raven neben den Sturmender auf das runde Lager - es ist leicht breit genug für beide und ein anderes freies Bett hat sie ohnehin nicht -  und hebt kurz den Kopf, um Cron über Caewlins geschundenen Körper und Ravens eingemummte Gestalt hinweg einen kurzen, dankbaren Blick zuzuwerfen. "Cron, komm her und hilf mir. Ich muß die Wunde öffnen und säubern, du mußt sie festhalten."

Er zögert nur eine Sekunde, dann kommt er zu ihr und hält Raven fest, in dem er ihren Oberkörper nach unten drückt. Niniane sieht nicht auf, sondern schlägt die Decke zurück, beißt die Zähne zusammen, schickt ein Stoßgebet an Anira und Faeyris und alle Götter, die ihr gerade sonst noch einfallen und öffnet die vom Wasser aufgeweichte Wunde dann mit einem schmalen, scharfen Messer. Ravens Körper zuckt und ein schmerzerfülltes Stöhnen kommt über ihre Lippen, aber sie erwacht nicht, wofür Niniane mehr als dankbar ist. Dann quetscht sie soviel Eiter und tote Gewebemasse aus dem tiefen Stich, wie sie nur kann, dreht Raven dann um und erledigt dasselbe von der anderen Seite, dort, wo der Dolch, der diese Wunde verursacht hat, aus dem Bein wieder ausgetreten war, noch einmal. Anschließend reinigt sie die Wunde mit Lärchenterpentinöl und einer Lösung aus Wasser und Alkohol, schneidet die Wundränder nach, trägt etwas von der schwarzen Salbe auf und legt einen Verband an. Da sie nicht sagen kann, ob sie alle Entzündungsherde erreicht und entfernt hat, wagt sie es nicht, den Stich zu nähen. Nachdem sie mit dem Bein fertig ist, kümmert sie sich um Ravens Arm, findet durch vorsichtiges Abtasten das gebrochene Schlüsselbein und macht sich unter halb unterdrückten Flüchen daran, den Knochen wieder gerade zu richten - viel mehr, als einen festen Schlingverband anzulegen, der sich auf Ravens Rücken kreuzt, den Arm dicht am Körper und das Schultergelenk ruhig hält kann sie jedoch nicht tun. Sie holt aus ihrem Schlafgemach ein weiches Wildlederhemd, steckt Raven hinein, entfernt dann die blutigen Handtücher und hüllt sie in eine samtweiche Decke aus Mäusepelzen. Dann holt sie drei der Blutegel aus ihrem dunklen, nassen Nest aus Seewasser, Graswurzeln und Schlamm und setzt sie in eine Schale mit klarem, handwarmen Wasser. Die dünnen, zusammengerollten Tiere räkeln und regen sich, während sie langsam aus ihrer Starre erwachen und Niniane wendet sich an Cron. "Ich nähe Caewlins Wunden. Hast du ein Ohr auf Shaerela und bringst sie mir, wenn sie aufwacht? Und könntest du Weidenrindentee aufbrühen? Ich will ihn Raven gegen das Fieber geben."  Cron nickt nur und als er hinausgeht, drückt er kurz ihre Schulter. Sie atmet tief durch, setzt zwei Blutegel an das furchtbar verschwollene Auge und einen an die böse Prellung an der Wange Ravens und geht dann um das Bett herum zu Caewlin, um sich seiner anzunehmen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 15. Feb. 2005, 10:31 Uhr
Cron unterdrückt ein belustigtes Schniefen - als er ihr angeboten hatte, ihr zu helfen, hatte er mit etwas wie "halt sie fest" oder "bring mir heißes Wasser" gerechnet, aber nicht mit diesem Hagel an Anordnungen, der knapp und hastig auf ihn niedergeht. "Zweiklassige Kräuterhexe, das ich nicht lache!" Er hatte ihr geholfen, Raven hinauszubringen und dann all die Sachen besorgt, sie die benötigt und in den zum Krankenlager umfunktionierte Gästeraum gebracht - dann hatte er Caewlin gewaschen, mit dem verschreckten Brynden geredet, der fasziniert beobachtet hatte, wie unter all dem Dreck und Blut tatsächlich sein Vater zum Vorschein kam und ihr anschließend mit Raven geholfen. Jetzt steht er in der Küche des Baumes, wo mittlerweile der Weidenrindentee in einem kleinen Topf zieht, hängt einen weiteren Kessel mit frischem Wasser über das Feuer und spürt, wie der Schreck über das Auftauchen der beiden Totgeglaubten langsam nachläßt und einer ungeheuren Erleichterung Platz macht. Phelan und Calyra sind tot, was schlimm genug ist, aber Raven und Caewlin sind es nicht... und nach allem, was er bisher gesehen hat, bleiben sie auch am Leben... oder jedenfalls besteht die Hoffnung. Er legt Holz in allen Kaminen nach und bringt Niniane dann den Weidenrindentee und das abgekochte Wasser und krempelt die Ärmel seines Hemdes zurück. "Shaerela schläft tief und fest. Kann ich mich irgendwie nützlich machen?" Niniane ist mit einem scharfen Dolch, der magischen Nadel, die er ihr geschenkt hatte, dem Wundgarn und einem seltsam hellgrünen Pulver mit dem tiefen, blutenden Stich unter Caewlins rechtem Arm beschäftigt und hat konzentriert die Stirn gerunzelt. "Kann ich Raven die Egel abnehmen?" Sie blickt nur kurz auf, späht über Caewlins Schulter auf Ravens Gesicht und nickt dann.

Die Blutegel am Auge und der Wange der kleinen Diebin sind mittlerweile prall und vollgesogen, also nimmt er sie vorsichtig ab und legt sie in den Krug zurück. Sie lassen sich leicht von der Haut lösen und dort, wo sie sich festgesaugt hatten, schimmern kleine Blutstropfen. Dann schiebt er seinen Arm unter Ravens Nacken, hebt ihren Kopf an und flößt ihr schluckweise den Tee ein. Da Raven nicht wirklich bei sich ist und keine Anstalten macht, aufzuwachen eine langwierige Prozedur, aber wenigstens hat er etwas zu tun, während Niniane mit Caewlin beschäftigt ist und dabei alle Naslang zwischen zusammengepressten Lippen haarsträubende Flüche hervorzischt. Brynden, sonst alles andere als ein ruhiges Kind, sitzt immer noch mit großen Augen in sicherer Entfernung im Sessel und beobachtet das Geschehen - ohne sich sofort an die Erkundigung sämtlicher scharfer, spitzer oder sonstwie gefährlicher Gegenstände zu machen, aber dafür lauscht er hingerissen all den schlimmen, verbotenen Wörtern, die Niniane zum Besten gibt und für die ihm seine Mutter zweifellos den Mund mit Seife ausgewaschen hätte. Als Cron Raven soviel Tee gegeben hat, wie sie bereit war zu schlucken, geht er hinüber und nimmt den kleinen Jungen hoch. "Wird alles wieder gut, Kleiner. Sieh mal, Nan flickt deinen Vater wieder zusammen."
"Papa", echot Brynden und klingt gleichzeitig interessiert und müde. "Pa... pa." Dann echot er fröhlich: "Seisse... seisse...misverdamm."
Cron verdreht die Augen. "Ja, genau. Und er ist voller Löcher, aber Tante Niniane macht das schon. Nur ihre Pfuiworte, die vergißt du am besten ganz schnell wieder."  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 15. Feb. 2005, 14:39 Uhr
Die Wunde unter Caewlins Arm blutet wieder, kaum daß sie den Verband abgenommen hat, aber als sie reichlich Geraniumwurzelpulver daraufstreut, hört es auf: das Blut gerinnt augenblicklich und sie seufzt erleichtert auf. In einer Hand die Nadel, mit der anderen die immer wieder auseinanderklaffenden Wundränder festhaltend weiß sie nicht so recht, wo sie am besten beginnen soll. Unter dem tiefen Stich ist ein Teil des Schultermuskels zerrissen und immer, wenn sie ansetzen will, die Wunde zu nähen, verrutscht er wieder und sie wünscht sich verzweifelt ein zweites Paar Hände. "Mist verdammt!" Cron murmelt irgendetwas von Blutegeln und sie nickt nur ohne von ihren blutverschmierten Fingern aufzublicken. Krampfhaft die Nadel festhaltend müht sie sich einhändig mit dem Muskel, doch diesmal zuckt Caewlin und ihre rotglänzenden Finger gleiten ab. "Scheiße. Halt still, du blöder Nordmann oder du wirst einen lahmen Arm davontragen..." Noch einmal drückt sie den Muskel sanft an die richtige Stelle und versucht, ihn dort zu halten, um die Nadel ansetzen zu können, doch das ist ungefähr so einfach, wie eine glitschige Elritze im Uferschlamm mit vier Fingern festzunageln und schließlich flucht sie frustriert vor sich hin, bis es ihr endlich gelingt, den zerrissenen Muskelstrang mit zwei winzigen Stichen zu nähen, Knoten zu schlingen und die Wunde dann mit vier weiteren Fäden zu schließen. Eine hässliche Narbe würde mit Sicherheit bleiben. "Seisse... seisse misverdamm," kräht Brynden auf Crons Arm und sie wirft beiden einen indignierten Blick zu. "Tante Niniane macht das schon..." äfft sie Cron nach. "Pffft. Der arme Caewlin wird aussehen wie ein Flickenteppich, wenn ich mit ihm fertig bin." Das mag stimmen, aber zunächst einmal hat es funktioniert: der Muskel bleibt, wo er hingehört und die Wunde ist geschlossen. Zufrieden stellt sie fest, daß die Haut darum zwar leicht gerötet ist, sich aber nicht heiß anfühlt und sie kann außer kupfrigem Blut auch keinen anderen Geruch feststellen, der auf eine beginnende Entzündung hinweisen würde. Zur Sicherheit gießt sie dennoch reichlich Lärchenterpentinöl darüber, bestreicht die wulstige Naht (die zu ihrem Leidwesen recht schief geworden ist, aber das kann sie beim besten Willen nicht ändern) dick mit Honig und belegt das ganze dann sorgfältig mit weichen Kompressen.

Cron hatte Caewlin bereits das meiste getrocknete Blut und den gröbsten Schmutz der Kanalisation abgewaschen und ihn ausgezogen, so daß sie nach seinen übrigen Wunden nicht lange suchen muß. Sorgen bereitet ihr neben dem gerade genähten Stich noch die Kopfverletzung - alle anderen scheinen nur mehr oder minder tiefe Fleischwunden zu sein. Vor allem der Riß gleich hinter seiner Schläfe klafft weit auseinander und sie braucht lange, um Haare, Dreck und Staub herauszuwaschen und ihn zu schließen, dann verfährt sie mit ihm ebenso wie mit der Schulterwunde, nur daß sie zum Abschluß statt Honig auf die lange Naht aufzutragen, Kompressen mit Arnikablütensud und einen festen Verband anlegt. Mittendrin meldet sich Shaerela vernehmlich aus ihrer Wiege und sie muß ihre Arbeit unterbrechen, um sich rasch die Hände zu waschen und ihre Tochter zu stillen, während Caewlin wie eine halbfertige Näharbeit daliegt. Seine Haut ist milchweiß und er zittert, aber er ist den Göttern sei Dank noch immer ohnmächtig, obwohl er hin und wieder vor Schmerzen gezuckt und gestöhnt hatte. Sie ist froh darum - er war so geschwächt vom Blutverlust, daß sie es nicht gewagt hätte, ihm Mohnblumensaft einzuflößen, aus Angst, sein Herz würde einfach aufhören zu schlagen. Kaum hat Shaerela fertig getrunken, reicht sie ihre protestierende Tochter an ihren Vater, der ihr beruhigend den Rücken tätschelt und seinen warmen Atem in ihren Nacken pustet, bis sie Ruhe gibt, während Niniane sich erneut ans Werk macht. Blutig bis zu den Ellenbogen näht sie auch die übrigen Wunden nach gründlichem Auswaschen mit Alkohol und Wasser mit raschen Stichen, betupft alle noch einmal mit Lärchenterpentinöl und legt um die Pfeilwunde im rechten Oberarm einen festen Verband an, neugierig beobachtet von Brynden, der seine Scheu verloren hat und nähergetrippelt war, um ihr genau auf die Finger zu sehen. "So. Siehst du, jetzt machen wir hier noch eine Schlaufe und dann kochen wir deinem Vater eine kräftige Brühe. Er muß jetzt viel schlafen und viel trinken, damit er wieder gesund wird," murmelt sie. Doch bevor an Essen und dessen Zubereitung auch nur zu denken ist, gilt es die blutige Schweinerei hier zu beseitigen, die besudelten Laken zu verbrennen, aufzuräumen, aufzuwischen. Ein blinzelnder Blick aus dem Fenster zeigt ihr, daß die frühe Winterdämmerung bereits hereinbricht, ihr Magen meldet sich mit vernehmlichem Knurren zu Wort und sie kann sich nicht erinnern, wann sie zuletzt so müde war.

Eine Stunde später ist das Krankenzimmer gelüftet, aufgeräumt und der Boden gescheuert, auf dem Herd blubbert kräftige Rinderbrühe und noch mehr Weidenrindentee neben einem Truthahnschmortopf für Cron, die Kinder und sie selbst und ihr Baum füllt sich mit verlockenden Düften. Weder Caewlin noch Raven sind bisher aufgewacht, aber sie leben und atmen beide - wenn auch flach, so doch immerhin gleichmässig. Niniane hat sich gewaschen und alle Viertelstunde nach ihnen gesehen und ist hauptsächlich damit beschäftigt, Stelze davon abzuhalten, in seiner Freude zu seiner Herrin ins Bett zu kriechen und sich impertinent zwischen den beiden Verletzten breit zu machen. "Untersteh dich, Hund!" Warnt sie wohl zum zehnten Mal, Shaerela auf den Hüften. Akira liegt mit geschlossenen Augen dösend vor Caewlins Bettseite, aber die Bluthündin macht wenigstens keine Anstalten, ihren Herrn von oben bis unten vollzusabbern und auf ihm herumzutrampeln oder ihm den pelzigen Hintern auf den Schoß zu pflanzen. Stelze wirft ihr unter grauen Stirnfransen einen vorwurfsvollen Blick zu und wendet sich dann mit einem beleidigten Whuff ab. "Wenn du nicht hören kannst, Flohzirkus, fliegst du raus," warnt sie. "Hund, Hund, Hund!" Brynden kommt aus der Küche, sein Stoffhäschen im Arm, gefolgt von Cron, der ihn mit hinausgenommen hatte und Akira hebt den pelzigen Schädel, als der kleine Junge ans Bett tritt, um seinen Vater zu betrachten und neugierig dessen langes Haar zu untersuchen, das ihm verklebt und starr in wilden Stacheln und verfilzten Strähnen um den Kopf liegt. "Ganz schmutzig," erklärt er im entrüsteten Ton eines Zweijährigen, der nie so dreckig ins Bett hatte gehen dürfen. "Igitt."
Niniane beißt sich schmunzelnd auf die Lippen. "Er kann baden, wenn es ihm besser geht, Brynden, aber jetzt muß er schlafen. Nimm die Finger aus seinem Haar, er braucht Ruhe. Komm mit, das Essen ist gleich fertig. Und dann gehst du baden, mein Freund. Du siehst aus, als hättest du den Honigtopf erwischt."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 15. Feb. 2005, 19:21 Uhr
Er erwacht verwirrt in vollkommener Dunkelheit, spürt unter sich etwas Weiches und hat keine Ahnung, wo er ist. Pflaumenblütenduft kitzelt ihn in der Nase und mischt sich nach einer Weile mit dem herberen Geruch nach Sandelholz und Birkenholzfeuer - das läßt ihn die Augen öffnen. Wo immer er ist, es ist warm und dunkel und es riecht gut. Sein Kopf summt und seine Augen schmerzen, sobald er versucht, seinen Blick auf etwas zu richten, aber nach einer Weile erkennt er in ein paar Schritt Entfernung eine glühende Feuerstelle und in ihrem rötlichen Schein die vagen Umrisse eines geschnitzten Kamins. Die Glut brennt noch schwach, ein schimmernder Teppich orangeroter und schwarzer Kohlen und grauer Asche. Rechts davon die Konturen eines runden Sessels, der mit vielen Kissen ausgelegt ist. Wo bin ich? Ein gutes Dutzend schmerzender Stellen meldet sich nach und nach aus seinem Körper, jede einzelne brennendes Stechen und Pulsieren, allen voran seine Schulter. Neben seinem Lager ertönt ein Schnauben und gleich darauf spürt er eine kalte, feuchte Nase an seinem Arm. Ein dunkler, kantiger Hundeschädel mit kurzem Fell schiebt sich über den Bettrand und blickt ihn aus gelben Augen an, doch Caewlin braucht lange, bis er Akira erkennt - und begreift, was ihr Anblick bedeutet. Dann kommt die Erinnerung in kurzen, aufblitzenden Bildern wieder. Er sieht Raven, torkelnd und stolpernd vor einem uralten, meterhohen Gesicht, das sie mit milchigtrüben Augen anstarrt, obwohl es ganz aus Holz geschnitzt scheint und ihre verzweifelte Stimme, die flüstert: "Ich kann es nicht öffnen... ich kann es nicht ... kann nicht..." Dann war sie ihm einfach in den ausgestreckten Arm gekippt und nicht lange darauf hatte er verwundert in Crons erschrockenes Gesicht geblinzelt. Ihm dämmert, wo er sein muß...Ninianes Baum... aber er kann sich nicht bewegen, nicht einmal um Wasser bitten.

Ein dunkler Schemen taucht über ihm auf und kurz darauf blinzelt Caewlin in den aufflammenden Schein einer Bienenwachskerze, die entzündet wird. Als sein Blick sich klärt, erkennt er Crons besorgte Miene, gleich darauf spürt er eine prüfende Hand auf seiner Stirn. "Alles in Ordnung, Caewlin," hört er den Tronjer sagen. "Du bist in Ninianes Baum in Sicherheit. Du lebst und du wirst es überstehen. Alles ist gut." Blaue Augen mustern ihn prüfend. Nichts ist gut, will Caewlin antworten. Calyra ist tot - aber er bringt kein Wort heraus. Cron hält ihm einen Becher an die Lippen und flößt ihm etwas ein, das er so gierig trinkt, daß er erst nachdem er bereits die Hälfte geleert hat, merkt, daß es widerlich salzig und honigsüß zugleich schmeckt. Merkwürdigerweise kann er jedoch nicht aufhören, zu schlucken. "Honigwasser," erklärt der Tronjer, als er das Gesicht verzieht. "Niniane sagt, du brauchst es." Dem Honigwasser folgt noch widerlichere rote Pampe, die den Geschmack nach rohen Eiern hinterläßt und dann ein Becher Fleischbrühe nach dem anderen, bis er irgendwann entkräftet abwinkt, bevor er alles wieder hochwürgen würde. Cron mustert ihn streng, gibt jedoch nach. "Brynden?" Seine eigene Stimme klingt so rauh und wund in seinen Ohren, daß er sie kaum erkennt. Cron nickt und erklärt ihm, sein Sohn schlafe oben, ihm gehe es gut. "Raven?" Wieder ein Nicken und die lächelnde Erklärung, sie liege neben ihm und habe Fieber, aber es gehe ihr schon besser und sie würde es bestimmt überstehen. Und dann die Frage, die er nicht stellen will, weil er die Antwort bereits kennt und doch stellen muß, um die letzte Gewißheit zu haben, stumm, weil er ihren Namen einfach nicht über die Lippen bringt. Cron versteht das wortlose Flehen in seinem Blick auch so. Cal? Diesmal schüttelt der Tronjer den Kopf und seine Augen werden dunkel. Sein leises, aber bestimmtes: "Sie ist tot Caewlin," klingt hundertmal sanfter als Whytfisks bösartiges Flüstern, aber genauso endgültig. Caewlin schließt die Augen und rettet sich zurück in die Dunkelheit.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 15. Feb. 2005, 21:10 Uhr
Ihre Welt besteht aus abgehackten, bruchstückhaften Geräuschen, Empfindungen und Gerüchen, die in ihrem Geist aufblitzen wie Sternschnuppen, die über einen nachtschwarzen Himmel huschen und dann mit einem letzten hellen Glimmen im Nichts vergehen. Stimmen schwirren durch ihr Bewusstsein, mischen sich mit leisen Geräuschen zu einem eigentümlich verschwommenen Singsang. Sie fühlt sich hochgehoben, herumgetragen, hin und her geschoben, Hände drücken an ihr herum und lassen die Schmerzen in ihrem Bein und der Schulter zu einem Inferno explodieren. Etwas kriecht über ihr Gesicht, über glühend heiße, verschorfte Haut. Schweißperlen rinnen ihr von der Stirn über die Schläfen und versickern in ihrem Haar. Der herbe Duft von Kräutern steigt ihr in die Nase, sie hört eine leise Kinderstimme, das Knistern von Flammen, ihren eigenen Herzschlag, flach und schnell. Schwärze. Erinnerungen. Wo bin ich hier? Wirbelnde Bilderfetzen. Heiße, bittere Flüssigkeit in ihrer Kehle, die ihr das Schlucken zur Qual macht. Struppiges Fell irgendwo an ihrem Bein. Das Hecheln eines Hundes. Licht hinter ihren geschlossenen Lidern. Das Stechen eines Messers und dann ihr eigenes, gequältes Wimmern.

Raven taumelt durch Dunkelheit und mörderische Schmerzen. Sie will die Augen aufmachen, aber sie kann sich nicht rühren, keinen Fingerbreit bewegen, als wäre sie irgendwo festgenagelt. Ihre Arme und Beine fühlen sich an wie mit bleiernen Gewichten beschwert und hinter ihrer Stirn rast das Stechen von tausend glühenden Nadeln. Irgend jemand flößt ihr eine widerlich bitter schmeckende Flüssigkeit ein und zwingt sie zum Schlucken. Sie will sich wehren, den Kopf wegdrehen, aber er scheint in dicke, wattige Wolken gepackt zu sein und das Gewicht eines mannshohen Felsblocks zu haben. Sie weiß nicht, wo sie ist, was passiert ist oder wie sie an diesen Ort kommt, an dem sie nun ist. Es ist nicht der kalte, raue Stein der Krypta, den sie unter den Fingern ihrer Rechten spürt und es ist auch nicht der Gestank des Kanals, modrig und übelkeiterregend, den ihre Lungen atmen. Es riecht anders, nach Seife, nach Holzfeuer, nach Hundefell und nach getrockneten Kräutern und Blüten. Und nach etwas anderem, vertrautem. Aber ihre Lider wollen sich nicht öffnen, so sehr sie sich auch bemüht. Ihr Körper scheint in einem lodernden Flammenmeer versunken zu sein und doch ist es in ihrem Inneren so eisig, dass alles an ihr zu zittern beginnt. Sie will etwas sagen, aber ihre Kehle ist so ausgedörrt und die Lippen so rissig und aufgesprungen, dass sie mehrere Anläufe braucht, um ein einzelnes Wort in ein raues Flüstern zu hüllen. "Kalt..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 16. Feb. 2005, 19:35 Uhr
"Raven?" Niniane beugt sich vor. Deutlich meint sie, ein rauhes Flüstern gehört zu haben, aber die junge Frau hat ihre Augen nicht geöffnet. Niniane legt ihr rasch die Hand auf die Stirn - noch immer heiß, aber nicht mehr so glühend wie in den vergangenen Tagen. Außerdem zittert der zierliche Körper plötzlich erbärmlich unter den dicken, weichen Pelzdecken, obwohl ihr der Schweiß auf der fiebrigen Haut steht. Niniane holt rasch ein paar heiße Ziegel herbei, wickelt sie in Tücher und schiebt sie Raven an die Füße. Dann beugt sie sich über sie hebt ihren Kopf an und flößt ihr kalten Kirschbaumrindentee ein. Sechs Tage hatten Cron und sie fast ununterbrochen am Krankenbett ihrer beiden Sorgenkinder verbracht, hatten abwechselnd gewacht und Verbände gewechselt, hatten Caewlins Wunden versorgt, Ravens Beinwunde noch zweimal geöffnet und Eiter herausgeholt, bis sich endlich kein neuer mehr gebildet hatte, hatten Krüge voller Honigwasser angesetzt und beide damit gepäppelt, Nähte kontrolliert, Bettpfannen geleert und Caewlin mit einer endlosen Abfolge von in Rotwein verquirrlten, rohen Eiern und Fleischbrühe abgefüllt. Wirklich wach war keiner der beiden in den letzten Tagen gewesen... jetzt scheint sich das zu ändern. "Raven?" Flatternd öffnen sich fiebermüde Lider und Niniane lächelt. "Sieh an, wer wacht denn da auf? S'ljea min Ija." Ravens Blick rollt hin und her, bleibt verwirrt am honigfarbenen Holz der Decke hängen und richtet sich dann fragend wieder auf sie. Inzwischen sind die Blutergüsse und Prellungen um ihr Auge und auf ihrer Wange von violettem Blauschwarz in verblassende Grün- und Gelbtöne übergegangen und von der bösen Schwellung ist dank der Blutegel und zahllosen kühlenden Arnikakompressen nichts mehr zu sehen. Ihre Beinwunde nässt zwar noch, aber die Infektion scheint endlich besiegt, und auch das gebrochene Schlüsselbein heilt gut. Niniane hatte den Arm die ganzen vergangenen sechs Tage ruhig gestellt und die Muskeln jeden Morgen und Abend leicht massiert, um die Durchblutung zu fördern. "Du bist in meinem Baum, alles ist gut. Möchtest du Wasser?"

Ein schwaches Nicken und Niniane hält Raven einen Becher mit frischem, klarem Quellwasser an die Lippen, den die junge Frau fast zur Neige leert. Sie kann nicht viel sprechen, aber das ist auch nicht nötig - all ihre Fragen stehen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Niniane streichelt lächelnd eine schrecklich dünn gewordene Hand und steckt sorgsam die Pelzdecken um den zierlichen Körper fest. "Caewlin geht es gut. Er liegt neben dir und erholt sich wie du von seinen Verletzungen. Ich hatte kein zweites Bett mehr frei und ich wollte keinem von euch ein Notlager auf dem Fußboden vor dem Kamin zwischen den Hunden antun, also haben wir euch in eines gesteckt. Er hat ziemlich viel Blut verloren und war sehr schwach, aber inzwischen geht es ihm besser. Jetzt schläft er." Wie fast immer... - aber das sagt sie nicht. "Sieh mal, wen ich hier habe..." wie auf Kommando schiebt Stelze sich winselnd vor Freude näher und stupst sein Frauchen sacht mit der Nase an, eine Pfote schon wieder auf dem Bettrand und drauf und dran, gleich hineinzukriechen. Niniane hält ihn entschlossen am Nackenfell fest und Ravens Hand senkt sich federleicht auf den grauen Hundeschädel, nur um sofort von einer rauhen Wolfshundzunge bearbeitet zu werden. "Dein Brauner steht auch in meinem Stall... wir haben beide von Borgil mitgenommen, als wir hörten... als wir hörten, daß ihr in den Tunneln geblieben seid. Borgil hielt euch für tot, Raven... er sagte, alles sei eingestürzt und niemand käme dort mehr lebend heraus. Es hat ihm fast das Herz gebrochen, euch zurücklassen zu müssen." Niniane muß blinzeln, um die aufsteigenden Tränen der Erleichterung zurückzuhalten und drückt kurz Ravens Hand. Von Phelan und Calyra sagt sie kein Wort - nicht jetzt, nicht, nachdem Raven gerade aus tagelangem Fieberdelirium zum ersten Mal aufgewacht ist. Dafür ist später noch immer Zeit. Und von Calyra weiß sie vielleicht ohnehin schon. Caewlin hat es gewußt, wissen die Götter woher. "Hast du Hunger? Versuch, ein wenig zu essen." Sie holt Raven eine Schale mit heißer Fleischbrühe und hilft ihr, sich in den Kissen ein wenig aufzurichten. Die Brühe scheint ihr gut zu tun und ihr Blick klärt sich zusehends, während sie vorsichtig kleine Schlucke trinkt, bleich und mit zerzausten Haaren, aber eindeutig auf dem Weg der Besserung.

Raven ist nicht lange wach - alles in allem vielleicht eine halbe Stunde, aber immerhin kann sie aufstehen und humpelnd und sich an den Wänden abstützend allein auf den Abtritt gehen, wenn Niniane ihr auch aus dem Bett und wieder zurück hilft. Und als sie wieder warm eingepackt neben Caewlins regloser Gestalt in dem runden Bett liegt und ihr erschöpft die Augen zufallen, hat sie aufgehört im Schüttelfrost zu zittern und das Fieber scheint endgültig zu sinken - endlich. Bei Caewlin dagegen sehen die Dinge anders aus. Sicher, er war schwer verletzt und sehr schwach gewesen - aber seine Genesung war geradezu unanständig rasch verlaufen, seine Wunden heilen allesamt gut und schnell und er hatte zu keinem Zeitpunkt Wundfieber gehabt. Selbst der tiefe Stich unterhalb seiner rechten Schulter ist nur noch eine verblassende, rötliche Linie und auch der Muskelriß scheint gut zu verheilen, jedenfalls kann er den Arm problemlos bewegen. Oder könnte es, wenn er wollte. Und versorgt mit literweise Fleischbrühe und stärkenden Tees hatte sein kräftiger, gesunder Körper den horrenden Blutverlust rasch wieder ausgeglichen. Eigentlich hätte er längst im Bett sitzen oder stundenweise vielleicht sogar aufstehen können. Seine Lebenszeichen sind ausgezeichnet - sein Lebenswille ist es nicht. Genaugenommen ist er nicht einmal mehr vorhanden. Caewlin schläft sehr viel und anfangs hatte Niniane das noch als gutes Zeichen gewertet und auf eine rasche Genesung gehofft. Doch auch, wenn seine körperliche Heilung gute Fortschritte macht, sein Schlaf ist keine Erholung, sondern eine Flucht. Sie kann sich nicht daran erinnern, daß er in den vergangenen sechs Tagen mit Cron oder ihr mehr als ein paar Worte gewechselt hätte. Gab man ihm zu Essen und zu Trinken, schluckte er alles mechanisch, wechselte man seine Verbände, wandte er den Blick ab und starrte finster ins Nichts, sprach man mit ihm, schloß er die Augen und klammerte sich geradezu sehnsüchtig an Schlaf und Vergessen.

Auch nach sechs Tagen scheint er nicht einmal für seinen Sohn Worte zu haben und Brynden wandert wie ein kleiner, verstörter Geist durch den Baum. Selbst als Cron das Bestattungsboot fertig gebaut hat, nickt Caewlin dazu nur und bittet ihn, Calyras Habe aus dem Seehaus zu holen und alles vorzubereiten. Drei Tage, nachdem Raven zum ersten Mal erwacht ist und neun Tage nach ihrer Rückkehr aus der Kanalisation, bestatten sie Calyra von Sturmende in einer nebligen Winterdämmerung an einem kalten, kalten Tag.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 17. Feb. 2005, 00:42 Uhr
Raven fühlt sich so erschöpft, als ob sie gerade einen sturmgepeitschten Ozean durchschwommen hätte und irgendwo völlig entkräftet an Land gespült worden wäre. Der Kopf tut ihr weh, die Knochen tun ihr weh - eigentlich tut ihr alles weh und sie ist so müde und schwach, dass sie kaum die Augen offen halten kann, als eine leise Stimme sie anspricht. Durch die gesenkten Wimpern hindurch erkennt sie den warmen Goldschein eines Kaminfeuers und die vagen Umrisse eines Raumes, der sich unablässig um sie herum zu drehen scheint. Dann taucht ein besorgtes Gesicht vor ihrem auf und sie heftet ihren Blick auf dessen vertraute Züge und konzentriert sich angestrengt so lange darauf, bis der Raum allmählich aufhört, sich zu drehen und die Gegenstände um sie herum langsam Form annehmen. Ohne den Kopf zu bewegen, wandert ihr Blick mühsam von dem Gesicht zum honigfarbenen Holz der Zimmerdecke, über feingeschnitzte und polierte, elbisch aussehende Möbelstücke, über ein blattförmig geformtes Fenster, hinter dessen Scheiben sie eine dicke Schneeschicht erkennen kann, und dann wieder zurück zu dem Gesicht und den lächelnden goldenen Augen darin. Eine hilfreiche Hand hebt ihr einen Becher an die Lippen und sie schluckt Wasser, köstlich schmeckendes, kühles Wasser. >Du bist in meinem Baum, alles ist gut<, hört sie Ninianes Stimme sagen, der Tonfall so sanft und beruhigend, als würde sie zu einem Kind sprechen.

Alles ist gut ... Raven würde ihrer Stimme so gerne glauben, aber die Bilder und fetzenhaften Bruchstücke, die in ihrem Inneren aufflackern, sich allmählich zu Erinnerungen aneinanderreihen und zusammenballen wie aufziehende Gewitterwolken, sprechen eine ganz andere Sprache. Was ist geschehen? Wo ist Caewlin? Geht es ihm gut? Wie sind wir hierher gekommen? Und wann? Was ist mit den anderen? Mit Borgil, mit Phelan? Mit Brynden? Ist Calyra wirklich...? Wird Caewlin gesund werden? Was ist mit meinem Arm, mit dem Bein? Sie bringt kein einziges Wort über ihre Lippen und doch kann Niniane all die tausend angstvollen Fragen in ihren Augen lesen. Während Raven sich an ihrer Hand festklammert wie an einen Rettungsanker, berichtet die Waldläuferin mit leiser Stimme, erzählt in kurzen Worten, was sie weiß, von Caewlin und von Borgil und von eingestürzten Tunneln und der Zeit, die sie hier in ihrem Baum verbracht haben, und hebt ihr zwischendurch immer wieder den Becher an die spröden Lippen, damit sie trinken kann. "Min ija", kommt es heiser aus Ravens Kehle und sie drückt die Hand der Freundin, kraftlos und verzweifelt. "Es sind so viele schreckliche Dinge geschehen..."

Eine feuchtkalte Schnauze drängelt sich zwischen ihre Finger und ihr Besitzer verlangt energisch nach Beachtung, winselnd und quietschend vor Freude und mit einem Blick unter den zottigen Stirnfransen, der Raven Tränen in die Augenwinkel treibt. "Na, du graues Ungeheuer? Bist auch nicht totzukriegen", flüstert sie gerührt. Seine Kopfwunde ist offenbar gut verheilt und auch seine Lebensgeister scheint der Wolfshund nicht verloren zu haben, denn als Niniane kurz aus dem Raum verschwindet, um eine Schale heißer Brühe zu holen, muss sie bei ihrer Rückkehr schimpfend einen grauen Fellberg aus dem Bett verscheuchen, der sich dort niedergelassen hat. Mit einem beleidigten Seufzer lässt Stelze sich neben das Lager sinken. Nachdem Raven in kleinen Schlucken die Schale mit Brühe geleert hat, wankt sie mit Ninianes Hilfe durch den Raum, aber ihre Beine sind so wacklig, dass sie Angst hat, sie würden ihr Gewicht nicht tragen. Sie eiert durch das Zimmer wie ein hundertjähriger Tattergreis - und sie fühlt sich auch ungefähr so. Es sind nur wenige Schritte, doch als sie wieder zurückkehren, fühlt sie sich so erschöpft, als hätte sie dreimal den Ildorel umrundet und lässt sich schweratmend auf der Bettkante nieder. Bevor sie wieder unter die warmen Felle kriecht, fällt ihr Blick auf Caewlin und das Herz wird ihr schwer vor Kummer. Er sieht immer noch reichlich zerschunden aus, obwohl sein Gesicht lange nicht mehr so bleich ist, aber das ist es nicht, was sie ängstigt. Eher die Art, wie er da auf dem Lager liegt, ruhig, reglos, die Augen geschlossen, und doch nicht so, als würde er entspannt schlafen, sondern als würde er dort liegen, um auf seinen Tod zu warten. Sie tauscht einen verzweifelten Blick mit Niniane, fragend, ratlos, hilflos, aber die Waldläuferin schüttelt nur kaum merklich den Kopf und schiebt sie wortlos wieder unter die Decken, wo Müdigkeit und Erschöpfung Raven gleich darauf die Lider zufallen lassen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 18. Feb. 2005, 21:40 Uhr
Das neue Jahr hatte sich unmerklich angeschlichen und das alte war gegangen - mit für die Herzlande ganz und gar ungewöhnlichen Schneestürmen und klirrender Kälte. Nächtelang hatte der Wind um den Baum am Smaragdstrand gesungen und Ninianes Lichtung, wo im Sommer grün und dicht der Rainfarn blüht, unter dicken weißen Schichten begraben. Cron hatte in dieser Zeit das Boot, in dem Calyra bestattet werden sollte, fertig gebaut, ein elegantes, etwa sieben Schritt langes Karv mit hochgezogenem Vorder- und Achtersteven, das unterhalb des Baumes am Seeufer vertäut auf seine erste - und letzte - Fahrt wartet. Er war zum Seehaus geritten und hatte Calyras Habe geholt, wie Caewlin ihn gebeten hatte. All ihre Sachen - Caewlins Oberste Magd, die kleine, dralle Mogbarsfrau, hatte sie mit den Mägden und Knechten des Anwesens unter Tränen auf einen Wagen verladen und zum Baum bringen lassen: Kisten und Körbe, Truhen und in Leder eingeschlagene Bündel - ihre Kleider, ihren Schmuck, ihre Waffen und Musikinstrumente, ihre Pelze und andere persönliche Dinge. Er hatte versucht, mit Caewlin zu reden, immer wieder, aber er war nicht zu ihm vorgedrungen. Auf Ravens Bitte hin war er auch zu dem verlassenen Baum des Druiden geritten und hatte ihre Kleider und persönliche Sachen geholt oder zumindest alles davon, was er hatte finden können - einen Schließkorb aus verblichener Weide und eine bronzebeschlagene Holztruhe. Der Baumriese hatte einen trostlosen Anblick geboten, so leer und kalt und nach saurer Asche gerochen.

Im Gegensatz zu Caewlin erholt Raven sich rasch, nachdem sie einmal aufgewacht ist. Sie ist zwar nach zwei Wochen Wundfieber immer noch ziemlich schwach und ihre Wunden heilen nicht so schnell, aber wenn sie nicht den tiefen, traumlosen Schlaf der Genesung schläft, ist sie wach und ansprechbar und nimmt Notiz von ihrer Umgebung. Drei Tage, nachdem sie aus dem Fieberrausch wieder aufgetaucht ist, klart das Wetter auf und die Schneefälle lassen nach, so daß sie Calyra bestatten können. Der Tag vergeht neblig trüb und klirrend kalt, so daß Frost und Reif weiße Kristallgebilde an die Bäume frieren und die Stimmung im Baum ist ebenso trist. Niniane hilft ihm, mittschiffs in dem kleinen Karv einen hüfthohen Scheiterhaufen aus langen Ästen, Holzscheiten und Reisig aufzuschichten, dann tränken sie die hölzerne Plattform mit Öl füllen die Zwischenräume mit trockenem Gras und Rinde und breiten einen schneeweißen Wolfspelz und bestickte Kissen darüber. Um den Scheiterhaufen stapeln sie Calyras Habe: ihre Kleider und ihre Mandoline, den kostbaren silberbeschlagenen Sattel und das Geschirr ihrer grauen Wüstenstute, das Kurzschwert, das ihr Raven einst geschenkt hatte, Pelze und Lederwerk, ihr mit Bernstein besetzter Munddolch, ein glänzend polierter Harnisch, Festgewänder, mit Gold- und Silbermedaillons besetzte Ledergürtel, einen Umhang aus silbriggrauen Eisfuchspelzen und einer ganz aus schimmernden grünblauen Federn, Armbänder aus Elfenbein und Jade, Gold- und Silberringe, Bernsteinamulette, Perlenketten, goldfadendurchwirkte Seidenschals, Flakons und Phiolen aus geschliffenem Glas, ein Spiegel mit einem Rand aus geflochtenem Bronzedraht und andere Kostbarkeiten - bis auf einige wenige Dinge, die Caelwin behalten hatte, ihre gesamte Habe.

Als die Dämmerung fällt und die Laternen des Baumes eine nach der anderen weich und bernsteinfarben in der Dunkelheit aufleuchten, trägt Caewlin Calyras Leichnam aus dem Baum, wortlos und mit versteinertem Gesicht. Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr aus der Kanalisation auf den Beinen zittert er vor Schwäche, aber er hat sie selbst aus dem Raum geholt, in dem sie aufgebahrt gewesen war. Niniane, Cron und Raven folgen ihm - Nan trägt Brynden, Raven die schlafende Shaerela, ein wesentlich leichteres Bündel als Caewlins Sohn, und er selbst eine zischende Pechfackel und einen letzten Krug mit Öl. Sie umrunden den Baum, erreichen die Totenbarke und Caewlin bettet Calyra auf das ölgetränkte Holz. Die tote Bardin sieht im gelben Licht der Laternen aus, als schlafe sie nur, einen Kranz aus purpurnen Immortellen und glänzend dunklem Efeu im silbernen Haar, die Hände auf der Brust gefaltet. Ihre langen Wimpern werfen Schatten über die wachsbleichen Wangen, aber selbst der Tod hat ihr ihre Schönheit nicht nehmen können. Caewlins Gesicht zeigt noch immer keine Regung, aber Cron kann sehen, wie seine Finger zittern, als er sie auf den Pelzen und Kissen niederlegt und sich seine Hand zur Faust ballt. "Caewlin..."  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 19. Feb. 2005, 23:39 Uhr
Niniane, Cron und Raven sehen schweigend zu, wie er Calyra aus dem Baum trägt und in das Boot auf ihr letztes Lager bettet. Sie ist leicht wie ein Kind und riecht nach Totenöl und Immortellen und immer noch schwach nach dem Wildrosenduft, den ihre Haut immer gehabt hat. Er spricht kein Wort, er sieht sie nur an und das ist beinahe mehr, als er ertragen kann. >Caewlin...<
Er hebt die Faust, eine halb abgehackte, hilflose Geste und schüttelt den Kopf ohne sich umzudrehen. "Nicht. Sag nichts. Sag kein Wort und sprich ihren Namen nie wieder aus." Der Unterton in seiner Stimme sorgt für Schweigen und nur noch der Wind wispert in den Kronen der Bäume. Er streicht über ihre Hände, ihre schmalen, feingliedrigen Finger, so kalt, und erinnert sich an das erste Mal, als er sie angerührt hatte. Sie hatte in der Harfe gesungen und danach hatte er eine ihrer zitternden Hände eingefangen und auf sein klopfendes Herz gelegt. ...Das ist dein Werk, Silberhaar... Er  berührt ihr Haar, fährt ein letztes Mal mit den Fingern hindurch, spürt die Weichheit und Schwere der silberblauen Locken und erinnert sich an das erste Mal, als er es berührt hat, in jener Nacht, als er sie in den Tausendwinkelgassen gefunden hatte, ihrer ersten Nacht. Ich will Kinder mit blauem Haar und blauen Augen... "Öl," bittet er mit einer Stimme so rauh, als sitze ihm Rost im Hals. Noch einen Augenblick länger und Caewlin würde mit ihr brennen oder ihren erstarrten Leib nie wieder loslassen. Er schließt die Augen und breitet den Umhang aus samtigem, dunkelgrauen Wildleder, gefüttert mit silberweißem Eisfuchspelz, der ihr immer der liebste gewesen ist, über Calyras reglose Gestalt  und schmeckt den Tod auf ihren Lippen, als er sie zum letzten Mal küßt. Dann gießt er den Krug mit Öl, den Cron ihm gereicht hat, über den Scheiterhaufen, tränkt die Pelze und das Leder, das Reisig und die Büschel von trockenem Gras, bis sich unter den Scheiten und Ästen glänzende Lachen bilden.

Caewlin tritt zurück und sie warten auf das Aufblinken des ersten Sterns. Wenn eine Normanderin stirbt, wird ihr all ihre Habe mitgegeben, damit sie stolz und frei in das Reich der Toten segeln kann. Sie wird unter offenem Himmel verbrannt und fährt im Licht der ersten Sterne mit ihrer feurigen Totenbarke über die Purpurnen Flüsse ins Reich Sithechs, um dort ihren Platz unter ihren Ahnen einzunehmen. Niniane entdeckt den ersten Stern am östlichen Horizont  und Caewlin sieht sein Licht aufschimmern, kalt und klar und silbrigblau. Er tritt noch einen Schritt zurück, löst die Vertäuung des Bootes und nimmt Cron die Fackel aus der Hand. Jede Bewegung schmerzt, selbst das Atmen ist eine Qual und sein frosterstarrtes Herz hört einen Moment lang auf zu schlagen. Dann wirft er die Fackel zwischen die Scheite. Das Öl fängt augenblicklich Feuer, das trockene Gras, die Rindenstücke und das Reisig flammt einen Wimpernschlag später auf. Feuerzungen huschen wie rote Mäuse durch das Holz, springen von Ast zu Ast und von Scheit zu Scheit. Schwarzer Rauch umhüllt das Boot und glühende Hitze schlägt ihm ins Gesicht, weich und plötzlich wie feuriger Atem. Noch immer hält er das lange Tau. Zischend vereinen sich die kleinen Flammenherde, gleiten gefrässig über das Öl und schlagen prasselnd hoch. Knisternd und knackend hüllt sich der Scheiterhaufen in Feuer. Dann erreichen die Flammen Calyra und schlagen über ihr zusammen. Caewlin hört die mächtigen Birkenholzscheite singen und bersten. Ihr Pelzumhang fängt Feuer und für einen endlosen Augenblick ist Calyras Körper in glühende Schleier pflaumenfarbener Seide und wabernder Hitze gehüllt. Caewlin hält den Atem an. Etwas in ihm will zu ihr, will sie um Vergebung bitten, will sie nur ein letztes Mal berühren und festhalten, während das Feuer sie beide zu Asche verglüht, zusammen und eins bis zum Ende aller Zeit. Die Flammen wirbeln und drehen sich, jagen sich gegenseitig den Scheiterhaufen hinauf und tanzen funkenschlagend in den dunklen Himmel - dann wird die Hitze zu groß. Er läßt das Tau durch seine Finger gleiten und das Boot treibt in den See hinaus, während mächtige, hellrote Feuerschleier sich wie flammende Seidenbanner im Wind entrollen und glühende Aschefunken hinter sich herziehen.

"Sithech, König des Winters, Herr über den Tod, Wächter des Totenreichs und Hüter der Purpurnen Flüsse, Gebieter der Weißen Schiffe. Wir senden dir Calyra von Sturmende. Nimm sie auf in die Stille deiner Hallen und gib ihr den Platz an deiner Tafel, der ihr gebührt..." Der Rost in seinem Hals wird zu Eisennägeln und Cron tritt an seine Seite, neben ihm Niniane, mit Brynden auf dem Arm, während das brennende Boot einmal kreist, als wolle es Abschied nehmen. Wind kommt auf und trägt es davon. Die Flammen winden sich und singen, werfen leuchtend gelben und blutig roten Schein, spiegeln sich im schwarzen Wasser und schlagen mit riesigen, roten Schwingen in die Dunkelheit. "Dort sehe ich meinen Vater. Dort sehe ich meine Mutter, meine Schwestern und meine Brüder." Cron fällt ein und seine Stimme, dunkel und klar, mischt sich mit Caewlins rauhem Flüstern und dem Wispern des Schnees. "Dort sehe ich all die Menschen meiner Ahnenreihe von Beginn an. Sie rufen nach mir." Raven tritt an seine andere Seite, Ninianes schlafende Tochter im Arm und den Blick unverwandt auf die brennende Totenbarke gerichtet. Der Wind fährt durch ihr langes Haar und treibt das Feuerboot voran. Über ihnen schimmern die Sterne, kalt und hart wie Nadelstiche im schwarzen Himmel und Ravens Stimme vereint sich mit seiner und Crons zum Totengeleit. "Sie bitten mich, meinen Platz unter ihnen einzunehmen in den Hallen Sithechs... wo die Tapferen ewig leben."  
Sie sehen dem brennenden Karv so lange nach, bis es fern und klein wie ein flammender Stern im dunklen Wasser versinkt. Das Feuer und schwarze Rauchschleier lodern ein letztes Mal auf, neigen sich dann zur Seite und fallen in sich zusammen. Für einen Moment breitet sich ein Teppich brennender Trümmer aus und dann verglüht weit draußen in der Dunkelheit der letzte Feuerschein und stirbt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 20. Feb. 2005, 17:52 Uhr
Die Nacht ist erfüllt vom Lied des Feuers. Brynden auf ihrer Hüfte wird schwer und immer schwerer, aber Niniane kann den Blick lange Zeit nicht von dem brennenden Boot nehmen, das vom Westwind getrieben über den Ildorel davon gleitet. Es ist kalt und der Schneefall setzt wieder ein, aber keiner von ihnen kann sich von dem eindringlichen Schauspiel losreißen, selbst als weit draußen der letzte Flammenschein verblaßt und nur Schwärze zurückläßt. Brynden hat seine Ärmchen um ihren Hals gelegt und das Gesicht an ihrer Schulter vergraben und sie hat keine Ahnung, wie lange Shaerela noch schlafen würde, aber sie will sich auch nicht bewegen. Sei nicht albern, als ob Calyra wollte, daß wir uns hier draußen die Füße abfrieren. In unseren Herzen dürfen wir sie nicht vergessen. Es spielt überhaupt keine Rolle, wie lange wir ihrer Totenbarke hinterher starren. Außerdem holt Raven sich noch den Tod, wenn sie länger hier im Wind herumsteht und Caewlin kann sich ohnehin kaum auf den Beinen halten. Zögernd zupft sie Cron am Ärmel und das bricht den Bann. Er wendet sich zu ihr um, nimmt ihr den Jungen ab und macht Anstalten, in den Baum zurückzukehren. Unbewußt atmet Niniane auf - absolut unvertraut mit nordischen Bestattungsriten ist es offensichtlich doch kein gröberer Schnitzer, die Trauergäste nach einer Weile wieder zu sich zu bringen. Leider dringt die allgemeine Aufbruchstimmung nicht bis zu Caewlin durch, der immer noch am Seeufer steht und dem entschwundenen Boot nachstarrt, als könne er Calyra nicht loslassen. Niniane tauscht einen hilflosen Blick mit Cron und setzt sich schon in Bewegung, um Caewlin notfalls mit sanfter Gewalt zum Gehen zu bewegen, als Raven sie aufhält und ihr Shaerela in die Arme drückt. Schneegestöber, so sanft wie unerbittlich, wirbelt um sie her, als die zierliche ehemalige Diebin zu Caewlin hinüberstapft und Niniane es ihr überläßt, den Sturmender zur Vernunft... oder wenigstens in den Baum... zu bringen. Als sie an der Tür über die Schulter blickt, kann sie sehen, wie Raven leise auf ihn einspricht, seine Hand nimmt und ihn dann hinter sich herzieht. Was immer sie ihm gesagt haben mag, es hat gewirkt - Caewlin folgt ihr mit hölzernen Bewegungen und leeren Augen.

Die Wochen nach Calyras Bestattung vertosen in Sturmwind und heftigen Schneefällen und im Baum verläuft das Leben zwar ruhig, doch auch in reichlich gedrückter Stimmung. Imbolc kommt und geht und das Larisgrün und mit ihm ganz Talyra versinkt in soviel Schnee wie schon seit Jahren nicht mehr. Ab und an erreichen sie Botschaften von Borgil oder Gerüchte durch die Mogbarsfrau, die sich um die Wäsche kümmert und so erfahren sie von Phelans Tod und seiner Aufbahrung im Anukistempel und den jüngsten Ereignissen in der Stadt, wie etwa einer abenteuerlichen Schmugglerjagd und dem Auftauchen zahlreicher Faune und Zentauren... was selbst für talyrische Verhältnisse ungewöhnlich ist. Die Genesung ihrer Schützlinge schreitet gut voran und gegen Ende des Kener ist Ravens verwundetes Bein so gut wie neu, wenn ihr auch eine lange Narbe bleiben würde, und ihr Arm hat fast die alte Kraft und Beweglichkeit zurück. Caewlin, körperlich längst wieder genesen, hüllt sich allerdings nach wie vor in enervierendes Schweigen und benimmt sich wie ein grimmiger, alter Dachs. Niniane kann es ihm nicht verdenken, aber andererseits treibt seine katastrophale Laune sie langsam aber sicher in den Wahnsinn. Gleichgültig, was Cron, Raven oder sie selbst sagen oder tun, ganz egal wie sehr sie sich bemühen, sie erreichen ihn mit keinem Wort und keiner Geste - nicht einmal Brynden entlockt ihm irgendeine Reaktion außer hin und wieder vielleicht ein vages Lächeln. "Ich weiß nicht mehr, was ich noch mit diesem Nordmann machen soll! Stur wie ein Gododdin-Esel und so übellaunig wie ein Bär, den man zwei Monde zu früh geweckt hat!" Wutschnaubend stellt sie die Schüssel mit Fleischbrühe in der Küche ab und prompt schwappt ihr die heiße Flüssigkeit über die Finger. "Aua, verdammt!" Cron, der gerade aus der Vorratskammer kommt, wo er den geräucherten Wildschweinschinken aufgehängt hat, den sie gestern aus dem Rauch geholt haben, sieht sie nur kopfschüttelnd an. Sie hatte Caewlin heiße Suppe gebracht und einmal mehr auf ihn eingeredet wie auf ein krankes Kind - und der Sturmender hatte einmal mehr geschwiegen und die Wand angestarrt und erst recht nicht die Schale mit Brühe angerührt. "Wenn er so weiter macht, ist er bald nur noch Haut und Knochen!" Beschwert sie sich und wäscht sich die Hände in dem blattförmigen Steinbecken. "Cron, du mußt noch einmal mit ihm reden, bitte."

Raven, an dem langen Tisch im Esszimmer hinter Stapeln voller Pergamentbögen und grober Leinwand in Holzrahmen vergraben, hebt den Kopf und sieht nachdenklich herüber. Seit sie wieder auf den Beinen ist und Niniane ihr leichtsinnigerweise Kohle, Rötelstift und Pergament zum Zeichnen in die Hände gedrückt hatte, um sie irgendwie zu beschäftigen, ist nichts mehr vor ihr sicher. Tagelang war sie auf der Suche nach Motiven durch den Baum gehumpelt und hatte einfach alles gezeichnet, was ihr vor die Nase gekommen war: die Hunde, die Kinder, Cron - schlafend-, sämtliche Pflanzen in Ninianes Botanikum, die Orchideen an den Wänden, die Äpfel in dem Korb auf dem Tisch im Kaminzimmer, die Efeurankenhaken im runden Vorraum, die Beschläge der Türen, einfach alles. Sie hatte sich als erstaunlich talentiert erwiesen - und als erstaunlich nervtötend in ihrem Eifer. Einmal hatte sie sogar versucht, Niniane zu überreden, Stelze doch in einen Zauberschlaf zu versenken, damit sie ihn in Ruhe zeichnen könne. Und sie hatte Stunden im Keller zugebracht, bewaffnet mit ihren Utensilien und einem Vorrat an Kerzen, um das uralte Tor dort unten auf Pergament zu bannen. Jetzt fängt sie den Blick der Diebin auf und zuckt mit den Schultern. "Ich bin am Ende mit meiner Weisheit. Er ist gesund, er könnte längst aufstehen und er hat, bei aller Trauer - Himmelgötter ich vermisse Calyra auch! - einen Sohn, um den er sich kümmern muß. Apropos Sohn, um den sich jemand kümmern muß. Raven... könntest du auf die Kinder achten? Wir müssen in die Stadt und ein paar Vorräte auf dem Markt besorgen. Und ich habe Borgil versprochen, ihn zu besuchen und ihn über Euch auf dem laufenden zu halten, nachdem ich ihm schon verboten hatte, euch hier am Krankenlager zu überfallen." Sie erinnert sich noch gut an die Botschaft des Zwergen, als er erfahren hatte, daß Raven und Caewlin keineswegs tot waren, so wie er geglaubt hatte. Einen Moment schmunzelnd entgeht ihr das erschrockene Zusammenzucken der Diebin, bis diese sich vernehmlich räuspert und dann händeringend mit schockierter Miene versichert, sie hätte keine Ahnung von kleinen Kindern und man könne sie unmöglich hier mit Brynden und dem schlafenden Baby, das bestimmt bald aufwachen würde, allein lassen und sie wisse überhaupt nicht, was sie tun sollte, wenn und aber und so fort.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 21. Feb. 2005, 17:37 Uhr
"Niniane!" zischt sie der Waldläuferin hinterher, als diese in dicke Pelze gehüllt und Cron im Schlepptau Richtung Stall verschwindet, um die Pferde für den Ritt in die Stadt zu satteln. "Bleib stehen! Nun warte doch mal, ich weiß doch gar nicht ..." Aber alles Betteln und Flehen, sämtliche Argumente und all die Schreckensszenarien, die Raven ihr in glühenden Farben ausmalt und die ihrer Meinung nach mit Sicherheit passieren würden, wenn sie mit den Kindern allein bleiben müsse, beeindrucken Niniane nicht im Mindesten und bringen ihr nichts weiter ein, als ein schadenfrohes Grinsen und die Versicherung, sie würde das schon schaffen. Das letzte, was sie von Cron und ihr sieht, bevor die beiden mitsamt den Pferden vom tief verschneiten Wald verschluckt werden, sind die kupferroten Haarsträhnen, die unter Ninianes pelzgefütterter Kapuze hervorwehen und sich gegen das blendende Weiß des Schnees abheben wie lodernde Flammen. Dann steht sie allein vor dem riesigen Baum unter einem trüben Winterhimmel, aus dem unablässig dicke, weiche Flocken rieseln, in der Rechten einen geflochtenen, fellgefütterten Tragekorb mit der friedlich schlummernden Shaerela darin, an der Linken einen zitternden Brynden klebend, während zwei närrische, kälbergroße Hunde um sie herum durch den Schnee toben und hinter ihr in der Wärme des Baumes ein brummiger Nordmann hockt, der sich beharrlich zu sprechen weigert.

"Argh!" Raven schaut so panisch drein, als hätte Niniane sie kaltblütig mit einer Horde randalierender Narge mitten in der Wildnis ausgesetzt. "Darüber werden wir noch ein Wörtchen reden müssen, min Ija!" schnaubt sie und lässt ratlos den Blick zwischen Shaerela und Brynden hin und her wandern, der sie mit zitterndem Kinn und großen Augen anstarrt. "Was mache ich denn jetzt mit euch? Ich weiß doch überhaupt nicht, wie man mit Kindern umgeht." Zwar hatte sie in den letzten Wochen reichlich Zeit mit den beiden verbracht, ab und zu mit ihnen gespielt und ihnen Geschichten erzählt, aber sie war noch nie mit ihnen allein gewesen und fühlt sich gelinde gesagt reichlich überrumpelt. Sie hat keine Ahnung, wie lange Niniane und Cron fort bleiben werden, aber die Waldläuferin hat die Kinder ausgerüstet, als müssten sie wochenlang in bitterkalten Winterstürmen überleben. Beide sind dick in kleine Anzüge aus dichten, seidenweichen Vielfraßpelzen gehüllt, deren gegerbte Außenseiten geölt und gefettet sind, so dass ihnen weder Schnee noch Nässe etwas anhaben können. Shaerelas geflochtener Weidenkorb ist zusätzlich noch mit weichen Fellen ausgekleidet und von Ninianes Tochter ist im Moment nicht mehr zu sehen als ihre kleine Stupsnase und zwei runde, rosige Wangen, die zwischen den Pelzen hervorlugen. Götter, gebt mir ein Schwert und einen Bogen, aber lasst mich nicht mit zwei Kindern allein! Was soll ich denn tun, wenn sie plötzlich zu schreien anfangen? Was soll ich machen, wenn sie Hunger kriegen? Was soll ich mit ihnen überhaupt anstellen? Was, wenn sie mich nicht leiden können? Wenn sie weglaufen? Wenn sie von den Hunden gefressen werden? Im Schnee ersticken? Im Ildorel ertrinken? Ihr gesunder Menschenverstand ficht einen heftigen Kampf mit der aufkeimenden Panik, aber schließlich versucht sie sich damit zu beruhigen, dass zumindest Shaerela nicht weglaufen wird, weil sie schlicht noch nicht laufen kann, und dass die beiden Hunde auch keine kleinen Kinder fressen, sondern eher einen ordentlichen Kalbsknochen als Imbiss bevorzugen würden, und so fügt sie sich seufzend in ihr Schicksal und stapft mit beiden dick gegen die Kälte vermummten Kleinen durch den tiefen Schnee einfach drauflos.

Die Hunde hinter ihr haben unterdessen eine wilde Jagd begonnen und Stelze auf seine alten Tage scheint in Akiras Gesellschaft eine plötzliche Verjüngungskur durchgemacht zu haben und sich wie ein heißblütiger Draufgänger zu fühlen, denn er pflügt sich durch den brusthohen Schnee, als gälte es ein Rennen zu gewinnen. Die Bluthündin, ganz Dame, folgt ihm mit gelangweiltem Gesicht. Hätte sie Augenbrauen, die sie hochziehen könnte, so würden sie wohl bis hinauf zu ihrer pelzigen Stirn wandern beim Anblick dieses struppig grauen Fellbergs, der sich gebärdet, als hätte er einen Schwarm Hummeln im Hintern. Raven stellt den geflochtenen Weidenkorb, in dem Ninianes Tochter daumenlutschend und mit roten Backen vor sich hin döst, neben sich im Schnee ab und schaut kopfschüttelnd Stelzes albernem Balzgehabe zu. In einer aufstiebenden Schneewolke hüpft er davon, den Bart voller weißer Flocken und die zotteligen Ohren flatternd wie zwei aufgestellte Banner, schlägt beim Wenden einen unfreiwilligen Salto und rast dann hakenschlagend wie ein flüchtendes Kaninchen wieder zurück zu ihr.

"Du brauchst dich gar nicht so in die Brust werfen", brummt Raven und verdreht die Augen gen Himmel, während er hechelnd und japsend und mit schlackernder Zunge auf sie zu jagt. "Gib es auf, alter Junge, du bist einfach nicht ihr Typ." Stelze ignoriert ihre Belehrungen und er ignoriert auch die Tatsache, dass er bremsen muss, wenn er zum Stillstand kommen will und rennt Raven in vollem Galopp einfach über den Haufen. Sie stolpert, fällt fluchend hintenüber und versinkt bis über die Nase in einer Schneewehe. Der Wolfshund, der sich abrupt seines Frauchens beraubt fühlt, schaut sich perplex nach ihr um und fängt dann wie wild an, sie wieder auszubuddeln. "Und meiner auch nicht!" japst Raven, den Mund voller Schnee und einen Zentner Hund auf der Brust sitzend. "Aua! Nimm deine Nase aus meinem Gesicht! Und hör auf, mir Löcher in den Bauch zu graben, du Schwachkopf!" Neben Stelzes kantigem Schädel taucht ein rundes, rotwangiges Kindergesicht unter einer Pelzkapuze auf und Brynden lugt erschrocken zu ihr hinunter. Einen bangen Augenblick lang glaubt Raven, er würde anfangen zu weinen, als er den Mund verzieht, aber dann gluckst er vor unterdrücktem Lachen. "Ja, das gefällt dir - du schlägst wirklich nach deinem Vater", schnaubt sie und wühlt sich wieder aus der weißen Pracht, wobei sie Brynden gleich darauf den Zeigefinger sanft ins Bäuchlein piekst und ihn selbst in den Schnee schubst. Gackernd und quietschend lässt er sich auf den dick gepolsterten Windelpopo plumpsen, nur um sich sofort wieder aufzurappeln, und Raven muss das Spielchen so lange wiederholen, bis sie völlig außer Atem sind und sie den wild herumwuffenden Stelze abwehren muss, der unbedingt mitspielen will. Akira dagegen ruht wie eine Sphinx neben dem Körbchen mit der schlafenden Shaerela und beobachtet alles aus gelben, unergründlichen Augen.

Keuchend bleibt Raven im Schnee sitzen und wischt sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht, als ihr Blick auf die mannshohen Wurzeln des Baumes fällt, die halb unter der Schneedecke begraben liegen. Zwei der dicken Wurzelstränge, in die sich der Fuß des Baumes unterhalb der Fenster gabelt, liegen so dicht beisammen, dass sie zwischen sich eine Art Rinne bilden, die vom Stamm aus sanft nach unten Richtung Uferböschung abfällt. "Ich weiß, was wir machen", fällt es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen und sie strampelt sich eilig aus dem Schnee frei. "Komm mit, Brynden. Wir bauen uns eine Schneerutsche." Sie pfeift den Hunden, nimmt Shaerelas Tragekorb und pflügt sich durch den tiefen Schnee zu den Wurzeln hinüber. "Sneeduddse", wiederholt Brynden eifrig und stapft hinter ihr her. Mit Hilfe seiner dickbehandschuhten Kinderhändchen, die geschäftig alles nachmachen, was ihre tun, schaufelt Raven Schnee in die Rinne zwischen den beiden dicken Wurzeln und klopft ihn glatt, bis sie eine schräge Fläche von vielleicht drei, vier Schritt Länge erhält. Shaerela, die inzwischen aufgewacht ist, blinzelt verschlafen aus den Fellen und kommentiert das Treiben um sich herum und die soeben fertig gebaute Rutsche mit gluckernden Lauten. Dem eifrigen, kleinen Nordmann an ihrer Seite muss Raven nicht erst erklären, wozu dieses Ding nun gut ist - Brynden weiß es ganz genau und besteht energisch darauf, zur Rutschbahn hochgehoben zu werden. Raven fasst ihn unter den Armen und pflanzt ihn an das obere Ende und bevor sie auch nur einmal blinzeln kann, sitzt er schon wieder am Fuß der langen Bahn in einem Schneehaufen und verlangt krähend und quietschend: "Nochmal!"

Wehtun oder sich die Köpfe, die Knie oder sonstige Körperteile aufschlagen können sich die Kinder nicht, denn Kenen die Frostmaid hat ganze Arbeit geleistet und das Land mit einer dicken, weichen Schneedecke überzogen, die sich bestens als ungefährlicher Landeplatz für rutschende Miniaturnordmänner und fröhlich quäksende Elbenkinder eignet, und so sind sie die nächste Stunde vollauf damit beschäftigt, eine atemlose Rutschpartie nach der anderen zu absolvieren - Brynden mit unermüdlichem Feuereifer voran, Raven mit der vergnügt kreischenden Shaerela auf dem Schoß hinterher, sogar Stelze ist nicht davon abzubringen, ihnen auf dem Hinterteil sitzend und mit wild rollenden Augen die glatte Eisbahn hinab zu folgen und sie alle zusammen veranstalten einen derartigen Lärm, dass ihr Johlen und Kreischen vermutlich noch jenseits der weit entfernten Stadtmauer zu hören ist. Völlig erschöpft, die Wangen gerötet von Kälte und Anstrengung, lässt Raven sich nach einer Weile auf eine Wurzel sinken und versucht, wieder zu Atem zu kommen, während sie Ninianes Tochter auf den Knien hält und dabei Brynden nicht aus den Augen lässt, der mit fröhlichem Geschrei ein ums andere Mal auf dem Hosenboden die Rutsche hinabsaust. Er ist wie verwandelt und aus dem stillen Schatten, der seit Wochen mit verschreckten Augen durch den Baum schleicht, scheint wenigstens für einen Moment wieder der fröhliche, unerschrockene Bengel zu werden, der er eigentlich ist. Stillvergnügt schaut sie ihm zu und muss schmunzeln über den Elan und die Energie, die er plötzlich an den Tag legt. Es tut so gut, ein fröhliches Gesicht zu sehen und nach der seltsamen Starre, die den ganzen Baum und seine Bewohner seit ihrer Rückkehr aus dem Kanal ergriffen hatte, fühlt sie sich zum ersten Mal auf eigentümliche Weise wieder lebendig. Für einen kleinen Moment kehrt sogar ihr Lachen zurück, das sie tief unter der Erde in einer kalten, steinernen Halle zurückgelassen hat, obwohl sie geglaubt hat, dass sie es nie mehr wiederfinden würde.

Inzwischen scheinen auch Bryndens Kräfte zu erlahmen und er lässt sich erschöpft und mit zerzausten Haaren und roten Wangen neben ihr in den Schnee fallen. Verwundert betrachtet er Ravens Gesicht, als versuche er zu ergründen, warum die komische kleine Frau mit dem langen Zopf ihre Mundwinkel nach oben zieht. Er hat in den letzten Wochen wahrlich nicht sehr viele lächelnde Menschen gesehen. Aber dann geht ein Strahlen über sein gerötetes Gesicht. "Nich mehr traurig?" Raven lächelt immer noch. "Nein", bestätigt sie und pustet ihm die Schneeflocken von der Nase. "Nicht mehr traurig. Jetzt nicht." Brynden starrt sie an und sieht aus, als würde er angestrengt über etwas nachdenken. Sie kann förmlich sehen, wie sich unter seinem dichten, silberblonden Haarschopf das komplizierte Räderwerk der kindlichen Logik in Gang setzt und heftig zu rattern beginnt. Dann wühlt er sich aus dem Schneehaufen und wackelt zielstrebig Richtung Eingangstür davon. "Brynden, bleib hier!" Eilig müht Raven sich auf die Beine, setzt Shaerela in ihren Korb zurück und kann ihn gerade noch festhalten. "Wo willst du denn hin?" "Papa holen", erklärt er energisch und versucht, sich von ihr loszumachen. "Brynden", sagt Raven sanft und kniet sich neben ihn in den Schnee, "ich glaube nicht, dass dein Vater..."
"Holen!" fordert er nachdrücklich, aber Raven schüttelt nur den Kopf. "Brynden, hör mal..."
"Holen", beharrt er mit dem ganzen rührenden Ernst seiner kleinen, zweijährigen Persönlichkeit. "Papa dudssen, nicht mehr traurig." Auf einmal hat sie einen dicken Kloß im Hals sitzen, als sie in seine hoffnungsvollen Kinderaugen schaut, und kann ihm nur hilflos über das weiche, silberhelle Haar streicheln, während sie verstohlen ihre Tränen wegblinzelt. "Komm, wir rutschen noch ein paarmal und später gehen wir wieder hinein. Er freut sich bestimmt, wenn du ihm erzählst, was du alles gemacht hast."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 25. Feb. 2005, 00:11 Uhr
Caewlin liegt auf dem weichen Lager und starrt die Maserungen im Holz der Decke an... wie jeden Tag und jede Stunde in den vergangenen Wochen, wie immer, wenn der Schlaf ihn freigegeben und sich nicht wieder zurückholen hatte lassen - jede Linie und jede Vertiefung, jede Wölbung und jeden Wirbel in diesem seltsam gewachsenen, lebendigen Haus kennt er inzwischen auswendig, zumindest was den Raum angeht, in dem er liegt und den er so gut wie nicht verläßt. Er hätte gern die Augen geschlossen, aber sie gehorchen ihm einfach nicht, also starrt er an eine Wand, ohne wirklich etwas davon zu sehen. Anfangs war es leicht gewesen, rasch wieder in die Dunkelheit zu flüchten, wenn die wache Welt ihn eingeholt und dem Schmerz preisgegeben hatte, aber nun fällt es ihm mit jedem Tag, der verstreicht, schwerer. Cron, Niniane, Raven... sie alle geben sich mit ihm die größte Mühe, umsorgen seine Wunden, versuchen mit ihm zu sprechen, irgendwie zu ihm vorzudringen... aber alle ihre Worte sind leer und nichtssagend, scheinen nichts als Lärm und Luft und ihre Stimmen sind nur lästiges Summen im Raum, das zwischen ihm und dem Vergessen steht. Calyras Name liegt wie ein Ring aus Eis in seiner Kehle und ihr Verlust wie ein harter, kalter Stein in seinem Inneren. Er kann keine Worte finden, um davon zu sprechen, was in seiner Seele vorgeht, wenn sie zu ihm kommen und an seinem Bett sitzen, also schleppt er sich durch die Tage, taumelnd vor Leid und Einsamkeit. Er will auch nichts hören, nichts sehen, nicht denken müssen. Er hatte sterben wollen und sie hatten ihn nicht sterben lassen. Sie hatten ihn gesund gepflegt und zu einem Leben verdammt, das keines ist und zwingen ihn jetzt, diesen Schmerz zu ertragen. Er ist leer, nicht einmal der Schatten seines früheren Selbst. Calyra ist tot und niemand kann sie ihm zurückgeben. Schlaf ist das einzige, das ihn vergessen läßt - hätte er nur gekonnt, er hätte sich den Kopf an den Wänden blutig gerannt, um nicht mehr daran denken zu müssen. Hätte er nur gekonnt, hätte er sich jeden Tag bis zur Besinnungslosigkeit betrunken, um seiner ohnmächtigen Trauer entkommen, aber er kann nicht und Niniane hatte alle scharfen Gegenstände in Reichweite entfernt, die Waffen weggeschlossen. Sich bei der Waldläuferin erst einmal einen Dolch ausborgen zu müssen, um sich dann die Kehle damit durchzuschneiden, ist ihm selbst in seinem völlig verzweifelten Zustand zu blöd.

Eine Bewegung vor dem Fenster durchbricht das gleichförmige Bild sandgescheuerter honigfarbener elbischer Truhen und Kommoden und seinen ins Leere gehenden Blick. Caewlin blinzelt überrascht und kurz darauf ertönt von draußen so tumultartiges Kinderkreischen und Hundegebell, so daß er unwillkürlich zusammenfährt. Einen Herzschlag später wird aus dem Kreischen johlende Begeisterung, selbst das Knurren und Jappen des Hundes klingt fröhlich und Caewlin sinkt in die Kissen zurück. Dann ist die Bewegung vor dem Fenster wieder da und diesmal erkennt er auch, was es ist - die Spitze einer Fellkapuze. Sie kommt hoch und taucht wieder ab - einmal, zweimal, dreimal, jedes Mal unterbrochen von einem dumpf durch die Wände des Baumriesen dringenden, begierigen: "Nochmal!" Brynden. Caewlin wälzt sich zur Seite und schließt die Augen. Sein Sohn hätte ihm Kraft geben sollen, das einzige Wesen, für das er sich noch verantwortlich fühlen müsste, aber er hatte ihn lähmende Tage lang genau aus diesem Grund fast gehaßt. Wegen Brynden muß er leben... irgendwie. Noch mehr Bellen, noch mehr Kindergekreisch. Er schließt fest die Augen und zieht das betäubende Grau schützend um sich. Er will es nicht wahrnehmen, er will nichts mehr fühlen. Kinderlachen, laut und ansteckend, dazwischen Ravens Stimme, leiser und gedämpft. Caewlins Augen bleiben einfach nicht geschlossen und sein Blick wandert ganz von selbst zum Fenster. Bryndens Kapuzenspitze taucht wieder auf und verschwindet, untermalt von kicherndem Huiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii. Caewlin zieht die Decke über den Kopf und hört Ravens Lachen selbst durch die dicken Luchspelze. Was bei allen Neun Höllen...? Er starrt durch das blattförmige Bleiglas und sieht die Kapuze seines Sohnes jetzt im Wechsel mit einem dunklen Haarschopf und dem wehenden Ende eines langen Zopfes auf- und wieder abtauchen. Das Fenster ist in mindestens viereinhalb Schritt Höhe über dem Boden zwischen zwei dicken Wurzelsträngen - eigentlich sollte Niemandes Kopf dort etwas zu suchen haben, in einem so närrischen Reigen schon gar nicht. Er beobachtet das seltsame Spiel eine Weile stirnrunzelnd, dann schüttelt er den Kopf und legt sich zurück. Niniane und Cron waren vor einer Weile schon fortgeritten, er hatte den Hufschlag ihrer Pferde im Schnee gehört - offenbar hatten sie Raven und ihn mit den Kindern allein hier zurückgelassen. Er hätte aufstehen und ans Fenster treten können. Er hätte es öffnen und hinaussehen oder an die Scheiben klopfen und winken können, aber er tut nichts von alledem, sondern liegt nur still und kämpft darum, irgendwie zurück an den Platz zwischen Schlafen und Wachen zu gelangen, jenen Ort, an dem die Träume der Nacht noch nahe sind... der einzige Ort, an dem Calyra noch bei ihm sein kann.

Es gelingt ihm nicht. Noch während er darum kämpft, die Taubheit nicht zu verlieren, weiß er, daß es zu spät ist. Mit einer hilflosen Geste, als gehe das alles über seine Kräfte, rollt er sich vom Bett und steht mühsam auf. Das Kinderlachen zerrt und zerrt an ihm, zerrt an dem dicken, grauen Tuch aus Melancholie und Gleichgültigkeit, in das er sich so fest gehüllt hat, solange, bis er sich einen von Crons Pelzumhängen um die Schultern wirft und hinaus vor den Baum hinkt. Sein Knie ist noch nicht wieder ganz das alte, auch wenn der Rest seiner Wunden dank Ninianes magischer Nadel und ihrer Sturheit so gut wie verheilt ist. Als er die Tür öffnet, verharrt er einen Moment und blinzelt in die ungewohnte Schneehelle. Die Welt dort draußen ist weiß und golden, blauschattig überall dort, wo die Wintersonne nicht hinreicht, und klirrend kalt. Von den Ästen der Bäume stehen gefrorene Nebelkristalle in bizarren Bärten ab und die Luft ist klar wie Glas. Caewlin spürt den Abgrund, an dem er steht und weiß nicht, ob er sich umwenden oder weitergehen soll. Dort draußen wartet Brynden und sein Lachen... und mit ihm der Schmerz, die Unfähigkeit das Leid zu ertragen, grenzenlose Einsamkeit und ein Schatten, der ihn den Rest seines Lebens verfolgen würde. Und Raven. Die ihn einfach nicht sterben lassen wollte. Du mußt mich töten... für jemanden, den du liebst, kannst du das tun. Für jemanden, den ich liebe, würde ich alles tun, um ihn am Leben zu halten. Als er merkt, was er tut, hat er die gewaltigen Baumwurzeln, die wie verschlungene Strahlen vom Stamm wegführen, schon halb umrundet. Ein schmaler Pfad vom Eingang zum Stall hinauf ist freigeschaufelt, aber ansonsten liegt der Schnee auf der Lichtung sicher einen dreiviertel Schritt hoch. Caewlin biegt humpelnd um eine Schneeverwehung, gerade als Raven sich vor Brynden kniet, und hört gerade noch ihre Worte. "Was glaubst du nicht, daß sein Vater?" Es ist ein sonniger Eisfrosttag und Caewlins Schatten fällt lang und dunkel über Raven und seinen Sohn, als er hinter sie tritt. Seine Stimme ist nach wochenlangem Schweigen so rauh, daß es klingt, als kratze ein rostiges Sägeblatt durch Holz. Er hätte ihr gern in die Augen gesehen, aber er weiß nicht, was er dort finden würde, also blickt fest auf Bryndens Gesicht, der sein Knie umklammert als gelte es das liebe Leben und etwas von Rutschen und nicht mehr traurig sein brabbelt. Einen Moment legt er ihm die Hand auf die schneefeuchte Fellkapuze und spürt durch den dicken Pelz die Rundung des Schädelknochens, zart und fest zugleich. "Ich kann nicht rutschen... ich bin zu groß und eure Rutsche ist zu klein. Aber ich bleibe bei dir und sehe dir zu. Geh ruhig." Sie sehen beide Brynden nach, der nach einem Moment des Zweifels rutschbegierig davon stapft, dann hebt Caewlin doch den Blick. "Danke... daß du dich um Brynden gekümmert hast."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 25. Feb. 2005, 22:05 Uhr
"Schon gut", wehrt Raven verlegen ab und versucht ihren holprigen Herzschlag zu beruhigen, während sie sich von den Knien erhebt und wieder aufrichtet. Sie hat Caewlin nicht kommen hören und ist zu Tode erschrocken, als sich sein großer Schatten so plötzlich über sie schiebt und die Wärme der blassen Wintersonne schlagartig frostiger Kälte Platz macht. Kummervoll streift ihr Blick den Nordmann, den flüchtig übergeworfenen Fellumhang, unter dem er nur dünne Kleidung trägt, sein bleiches Gesicht, eingerahmt von einer zerzausten Haarmähne und das Kinn voller borstiger Bartstoppeln. Er ist hager geworden in den letzten Wochen und die fahle Haut, die seit Monaten keine Sonne mehr gesehen hat, spannt sich straff über den kräftigen Wangenknochen. Unter seinen Augen liegen tiefe Schatten. Und in ihnen nur noch eine grenzenlose Leere, so kalt und weit wie der Winterhimmel über ihnen. Nichts hatte sie vertreiben können und all die Mühe, die Nähe, die tröstenden Worte, die Niniane, Cron und sie ihm zu geben versucht hatten, hatten ihn nicht erreicht. Nicht einmal sein Sohn hatte den undurchdringlichen Panzer durchbrechen können, den er um sich errichtet hatte. "Ich glaube nicht, dass sein Vater herauskommen und sich mit ihm beschäftigen will", vollendet Raven leise seinen Satz und sieht Brynden nach, der sich ungestüm durch den Schnee zum oberen Ende der Rutsche hinaufkämpft. In seinem pelzigen Anzug sieht er aus wie ein kleines, tapsiges Bärenjunges bei seinen ersten Kletterversuchen. "Aber ich habe mich offenbar getäuscht und das ist gut so." Wochenlang hatte Caewlin sich kaum aus dem Zimmer bewegt, hatte sich in einen Kokon aus Trauer und Schmerz eingesponnen und nur Tag um Tag mit leeren Augen die Decke angestarrt. Dass er nun den Baum verlassen hat und mit Brynden redet, erfüllt sie zumindest mit einem vagen Hoffnungsschimmer. "Er ist ein aufgewecktes Kerlchen", sagt sie mit leiser Stimme, ohne Caewlin dabei anzusehen. "Und er ist seinem Vater verdammt ähnlich, er hat den gleichen Sturschädel und den gleichen schrägen Humor. Aber er ist ... er hungert nach dir, er braucht dich. Er vermisst dich sehr ... und wir vermissen dich auch."

Caewlin schweigt nur und steht so still und reglos da wie die mächtigen Baumriesen rund um die Lichtung. Raven kniet sich nieder, um die weichen Pelze in Shaerelas Körbchen wieder festzustopfen, die die quengelnde Kleine weggestrampelt hat und während sie mit steifgefrorenen Fingern die Decken sorgsam wieder an ihren Platz schiebt, sucht sie verzweifelt nach den richtigen Worten. Doch ihre Kehle scheint wie zugeschnürt. Sie zupft und zerrt an dem Korb herum, als könne sie zwischen den Decken und Pelzen irgendwo den Grund für das drückende Schweigen finden, das sich, seitdem sie den Kanal verlassen haben, zwischen Caewlin und sie geschoben hat wie eine unsichtbare Wand. Aber sie findet nichts außer Shaerelas zappelnden Füßen. Die lastende Stille und die vielen unausgesprochenen Dinge liegen wie ein Bleigewicht auf ihrer Brust und als sie sich wieder aufrichtet, heftet sie verzagt den Blick auf Caewlin und betrachtet sein schmal gewordenes, blasses Gesicht. Seine Miene, seine ganze Haltung - plötzlich empfindet sie alles an ihm als einen einzigen stummen Vorwurf, den er atmet und aus allen Poren zu verströmen scheint, den Vorwurf, dass sie ihn dort unten nicht hatte sterben lassen, obwohl er sie darum gebeten hatte. Und er hat Recht damit. Du wusstest, dass er bitter leiden und dich dafür hassen wird und du hast es trotzdem nicht getan. "Es tut mir leid", flüstert sie und ihr Atem weht in der bitteren Kälte als weißer Nebelschleier von ihren Lippen. "Es tut mir so leid, was geschehen ist. Ich ... ich weiß, wie weh es tut und ich würde nichts lieber tun, als dir diesen Schmerz abzunehmen, aber ich kann es nicht ... niemand kann das. Ich konnte dich dort aber auch nicht sterben lassen, es ging nicht, es ... " Mittendrin bricht Raven ab und fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn, wie um einen bösen Gedanken zu verjagen. Sie ist nicht gut im Reden und sie will auch gar nicht reden, weil sie weiß, dass sie Caewlin mit all ihrem Gestotter kein Stück weiterhelfen kann und dass er es ohnehin kaum wahrnehmen wird, so wie er die ganzen letzten Wochen über kaum etwas wahrgenommen hat. Aber sie kann die Worte gar nicht mehr aufhalten, die so machtvoll nach oben schäumen und atemlos aus ihr heraussprudeln, als hätte man eine Schleuse geöffnet - und mit ihnen all der Schmerz und die Verzweiflung der letzten Wochen, die Sorgen, die sie sich um ihn gemacht hatten, der ganze Kummer und die Angst um sein Leben.

"Ich hätte dich nicht ... nicht töten können, das hätte ich nicht fertig gebracht, niemals. Du hast schon so oft mein Leben in Händen gehalten und mehr als einmal vor dem sicheren Tod bewahrt - wie hätte ich dir da deines so einfach nehmen können, wenn du es mir anvertraust? Ich konnte dich nicht einfach sterben lassen. Ich konnte es nicht, obwohl ich Angst hatte, dass du mich dafür verfluchen würdest und ... und ... verabscheuen und verachten und ... und vielleicht auch hassen. Ich habe gewusst, dass das vielleicht der Preis sein wird, den ich zahlen muss, damit du am Leben bleibst. Aber es war richtig, und ich würde es wieder tun, jedes Mal wieder, und ich will verdammt sein, wenn ich mich jemals anders entscheiden würde, wenn ich eine Wahl hätte. Du .... du kannst mich ruhig hassen, das macht mir nichts, das ... das kann ich ertragen, wenn du dafür am Leben bist. Aber ich hätte es nicht ertragen, dich dort sterben zu sehen." Hilflos lässt sie die Hände sinken. Shaerela in dem Korb zu ihren Füßen quäkt hungrig zwischen den Pelzen hervor, aber Raven bemerkt weder sie noch Brynden, der sich inzwischen müde gerutscht hat, und auch nicht die beiden Hunde, die sich abwartend zwischen den verschneiten Baumwurzeln niedergelassen haben. "Ich weiß, dass all das, was du durchmachst, mehr ist, als ein Mensch ertragen kann", fährt sie kläglich fort. Haltlos irrt ihr Blick über Schnee und Eis und kahle Äste, als könne er dort etwas finden, woran er sich festklammern kann. "Und dass vielleicht nichts auf der Welt jemals wieder diese Lücke füllen wird, die sie in deinem Herzen hinterlassen hat. Es gibt Wunden, die nicht einmal die Zeit heilen kann. Aber sie kann sie lindern und irgendwann wird der Schmerz verblassen und nur noch eine Narbe hinterlassen." Die sinkende Nachmittagssonne wirft lange, blauviolette Schatten in den Schnee und lässt Raven vor Kälte zitternd die Arme um sich schlingen. Aber es ist nicht nur der klirrende Frost, der sie frieren lässt. "Eines Tages wird das Leben dir vielleicht wieder etwas bringen, das die alten Wunden zudeckt, auch wenn es dir im Moment unmöglich erscheint."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 27. Feb. 2005, 21:17 Uhr
>Ich glaube nicht, dass sein Vater herauskommen und sich mit ihm beschäftigen will.< Caewlin öffnet den Mund, um etwas zu erwidern und schließt ihn wieder, diesmal so fest, daß seine Kiefernmuskeln sich spannen. >Aber ich habe mich offenbar getäuscht und das ist gut so.< Völlig überrumpelt von ihrer Direktheit, rettet er sich nach einem atemlosen Moment in einen erbärmlichen Schatten seines alten Humors. "Hmpf. Ihr habt soviel Lärm veranstaltet, daß ich dachte eine Narghorde fällt ein," erwidert er trocken, aber sie geht nicht auf seinen schwachen Versuch, sich in leichte Oberflächlichkeit zu flüchten ein, im Gegenteil - ihre nächsten Worte lassen ihm die seinen im Hals stecken bleiben und streuen Salz in seine Wunden. >Er vermisst dich sehr ... und wir vermissen dich auch.< Caewlin verharrt starr wie eine Statue, aber innerlich windet er sich. Am liebsten hätte er sich umgedreht und wäre gegangen - dennoch bleibt er, festgehalten von all dem Unausgesprochenen, das jetzt zwischen ihnen aufsteigt, das er nicht hören will, aber vielleicht hören muß. Raven sieht ihn nur zögernd wieder an, kämpft einen Moment mit den Worten und mustert dabei sein Gesicht. Er macht sich keine Illusionen über seine Erscheinung: mager geworden, blass und hohlwangig, mit verfilztem Haar, Schatten fast verheilter Prellungen auf der Haut, Rändern von getrocknetem Blut unter den Fingernägeln und kratzigem Stoppelbart muß er aussehen wie eine zerlumpte Vogelscheuche. Das spielt jetzt wohl kaum eine Rolle. >Es tut mir leid...< Ravens leise Worte lassen ihn tief und langsam Luft holen und reißen die fest verschlossene Tür in seinem Inneren endgültig weit auf. Dahinter liegt nichts als Schwärze. "Nicht... Raven... bitte..." erwidert er hilflos ohne sie dabei anzusehen, aber es ist zu spät: Händeringende Erklärungen sprudeln bereits aus ihr heraus, als wäre in ihrem Inneren ein Damm gebrochen, und was er nicht hatte tun wollen, tut sie für ihn: sie spricht es aus und macht es damit endgültig wahr. Caewlin hört ihre Worte, aber er hat keine Antwort für sie. Er mag Whytfisk getötet haben, doch letztendlich hatte der Weißfisch ihn besiegt, so endgültig, wie man nur besiegt werden kann - und es war dem Mann gelungen, ihn soweit zu bringen, daß er selbst den Tod willkommen geheißen hätte. Aber er war einfach nicht gestorben.

Meine Frau ist tot! Hätte er am liebsten gebrüllt, als sie endet und mit einer kleinen, haltlosen Geste die Arme herunternimmt - wie meistens hat sie mit Händen und Füßen geredet und ihre Worte mit Gesten untermalt. Was erwartet ihr von mir? Daß ich weitermache, als sei nichts geschehen? Cal war mein Leben! Sie war mein Gewissen und meine Stärke. Sieh mich an, was bin ich denn noch? Was bin noch ich ohne sie? Vielleicht nicht Nichts... aber nicht mehr viel. Ravens Blick irrt davon, huscht verzweifelt über die Lichtung, die Hunde und die Kinder, als könne sie ihn nicht mehr ansehen. "Ich hasse dich nicht." Er schüttelt sacht den Kopf. Von seinem langen Schweigen ist seine Stimme immer noch völlig eingerostet und jetzt krächzt er herum wie ein bronchitischer Rabe. "Es ist..." Er verschränkt die Arme vor der Brust und er sieht hinaus über den Ildorel, in der Wintersonne eine glitzernde Weite schmelzenden Silbers. Sein Gesicht ist so ausdruckslos wie eine Maske, aber sie kennt ihn gut genug, um etwas von dem inneren Kampf, der dahinter vorgeht, zu ahnen. "Es tut... so weh," erwidert er schließlich, so leise und elend, daß sie sich vorneigen muß, um ihn zu verstehen und als wären diese vier kleinen Worte eine Erklärung für alles... vielleicht sind sie das auch. Einen Moment lang schweigt er und sein Blick, hell und schroff wie Eis, wird dunkler... und dann auch weicher. "Ich kann nicht... reden. Ich kann nicht über Cal reden, Raven... jetzt noch nicht." Vielleicht nie. Brynden stapft rotgesichtig und mit laufender Nase von seiner Schneerutsche herüber und Crons Tochter zieht sich inzwischen mit so zornigem Quietschen in ihrem Körbchen zum Sitzen hoch, daß Caewlin sie hochnimmt. Einen Moment lang sieht es so aus, als wolle das zehn Monde alte Baby erschrocken in Geschrei ausbrechen, weil es auf dem Arm eines fremden und noch dazu reichlich abgerissen aussehenden Mannes gelandet ist, aber dann entdeckt Shaerela die Eisenschelle an seinem rechten Handgelenk und vergißt darüber ihre Vorbehalte - einen Herzschlag später kaut und sabbert sie eifrig daran herum. "Laß uns hineingehen... die Kinder und du ihr seid... durchgefroren. Und Brynden ist bestimmt hungrig."

Erleichtert, eine Ausrede gefunden zu haben, diese Unterhaltung für den Augenblick zumindest nicht weiterführen zu müssen, sucht sein Blick den aufsteigenden Dampf, der die Lage von Ninianes heißen Quellen, verborgen hinter Schneehügeln und Baumwurzeln, verrät und er nimmt sich vor, sobald es irgend geht, ein langes, heißes Bad zu nehmen... aber zunächst sind da die Kinder, die versorgt werden wollen und das Wasser in Ninianes Quelle ist ohnehin so heiß, daß es einem nach ein paar Minuten das Fleisch von den Knochen löst. "Brynden, komm. Wir gehen hinein. Mir ist kalt und dir läuft die Nase." Sein Sohn watschelt bereitwillig durch den Schnee zu ihnen, aber in seinem dicken Schneeanzug kommt er nur mühsam voran und kaum hat er Raven erreicht, streckt er ihr die Arme entgegen und verlangt nachdrücklich: "Hoch! Hoch!"  So kehren sie in den Baum zurück, jeder ein Kind auf dem Arm und die Hunde im Schlepptau, verzieren den runden Vorraum mit Schneeflecken und bringen einen Schwall eisige Luft mit herein, während ihre Gesichter in der plötzlichen Wärme glühen und die Hunde sich am Kamin drängeln. "Meinst du, Niniane hat irgendwo etwas zu essen? Ich meine richtiges Essen... keine Suppe." Er verzieht angewidert das Gesicht und müht sich dabei, mit einer Hand ein quirliges, sich windendes, ganz und gar unkooperatives Baby aus einem pelzgefütterten Lederanzug zu schälen, der weder eine Öffnung, noch Knöpfe oder Schließen zu haben scheint.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 28. Feb. 2005, 17:53 Uhr
Kaum dass die letzten Worte ihres heraussprudelnden Redeschwalls in der Winterkälte verklungen sind, als es Raven auch schon wieder leid tut, überhaupt damit angefangen zu haben. Warum musst du nur immer gleich mit der Tür ins Haus fallen und hast nicht für einen Kupferling Fingerspitzengefühl, seufzt sie in Gedanken und verflucht sich für ihr loses Mundwerk, wobei sie sich vornimmt, all die Dinge, die dort unter der Erde geschehen sind und die mit Calyras Tod zusammenhängen, in Zukunft nicht wieder anzusprechen und besser ruhen zu lassen. Caewlins Miene ist eine Mauer aus Eis und seine ganze Haltung mit den abweisend vor der Brust verschränkten Armen macht ihr mehr als deutlich, dass er über all das nicht sprechen will. Vielleicht nicht sprechen kann. Zu frisch sind die Wunden und zu tief sitzt der Schmerz und Raven kann in seinen Augen lesen, wie sehr ihn ihre Worte getroffen und verletzt haben mögen. >Es tut... so weh.< Seine heisere Stimme klingt so jämmerlich, dass sich ihr Herz vor Kummer zusammenkrampft und in seinen wenigen kleinen Worten liegt weit mehr, als er mit stundenlangen Erklärungen je hätte ausdrücken können . "Ich weiß", erwidert sie leise und ihre kleine schmale Hand tastet nach seiner großen. Sie drückt sie fest. >Ich kann nicht... reden. Ich kann nicht über Cal reden, Raven... jetzt noch nicht.< "Du musst auch nicht reden." Ihre Augen suchen seinen Blick. "Aber du weißt..." Caewlin nickt und sie muss den Satz nicht einmal aussprechen und zu Ende bringen - dass ich für dich da bin, wann immer du mich brauchst. Und damit ist gesagt, was es zu sagen gibt. Manchmal verstehen sie sich auch ohne Worte und Raven kann spüren, wie allmählich auch die alte Vertrautheit zurückkehrt, die sie so schmerzlich vermisst hat.

Allerdings kehrt auch das Kindergeschrei in ihr Bewusstsein zurück und vor allem Shaerela teilt ihrer Umwelt mit erbostem Krakeelen lauthals mit, dass sie hungrig ist und jetzt gefälligst gefüttert zu werden hat. Den müden Brynden mit eiskalten Wangen und schniefender Nase auf dem Arm und froh, der bitteren Kälte zu entkommen, folgt Raven Caewlin zurück in die Wärme des Baumes. Es dauert jedoch nicht allzu lange, bis sie sich wünscht, wieder hinaus in die wohltuende Stille des Winternachmittages flüchten zu können, denn drinnen wird sie, kaum dass sie alle den Vorraum betreten haben, anklagend von fünf hungrigen Gesichtern angestarrt - eines mit müden Augen, das schon halb an ihrer Schulter schläft, eines mit energischem Zornesgeschrei - ganz ihre Mutter, ein mit Bartstoppeln übersätes, das so ausgehungert wirkt, als würde es gleich die Holzbalken annagen wollen und dazu noch zwei mit langen Schnauzen und pelzigen Ohren, die nicht minder gefräßig aussehen. Die zwei pelzigen trollen sich nach einem Rüffel zum Kamin und nachdem Caewlin und sie sich ihrer Stiefel und Umhänge entledigt haben, gilt es, die beiden Kinder aus den unförmigen Fellen zu schälen.

Kaum dass Shaerela jedoch den dicken Schneeanzug los ist, der sie in ihrer Bewegungsfreiheit behindert, scheint sie urplötzlich zehn zusätzliche Arme und Beine zu haben und windet sich flink wie eine kleine Eidechse über den blankgescheuerten Holzfußboden davon. Caewlin erwischt sie gerade noch an den Füßen, bevor sie über die Hundenäpfe in der Küche herfällt, hebt sie kopfüber hoch, was das Wutgebrüll auf der Stelle in begeistertes Quietschen umschlagen lässt, und drückt sie Raven in die Arme, um sich in die Hocke sinken zu lassen und sich nun Bryndens Schneeanzug anzunehmen. >Meinst du, Niniane hat irgendwo etwas zu essen? Ich meine richtiges Essen... keine Suppe.< Raven wirft ihm einen wissenden Blick zu. Über die Wochen mit flüssiger Ernährung ist sie zum Glück schon hinaus, aber sie kann sich noch ziemlich lebhaft an Ninianes rührende Aufpäppelversuche mit Fleisch- und Gemüsebrühe erinnern, die ihr zum Schluss beinahe wieder zu den Ohren herausgequollen wäre. "Bestimmt hat sie", erwidert sie mitleidig und um ihre Mundwinkel zuckt ein verstohlenes Grinsen. "Ich gehe gleich mal nachsehen." Der Vorschlag wird von Shaerela auf ihrem Arm sofort lautstark unterstützt. "Jajaja, ist ja gut", versucht sie die zappelnde Kleine zu beruhigen und macht sich mit ihr auf dem Weg in die Küche. "Ich weiß, du hast Hunger, Mäuschen. Aber du wirst dich gedulden müssen, bis deine Mutter wieder da ist. Oder du gibst dich mit Brei zufrieden - du würdest garantiert nicht viel Freude daran haben, wenn einer von uns dir die Brust gibt."

Auf halbem Weg macht Raven allerdings eine scharfe Kehrtwendung in Richtung Kaminzimmer, denn die unverkennbare Duftnote, die Shaerelas Windel entströmt, bedeutet ihr, dass es zunächst eine viel dringlichere Aufgabe zu erledigen gibt, als sich um das Essen zu kümmern. Von einem Wandbord nimmt sie unterwegs frisches Mulltuch und den Tiegel mit Salbe, den Niniane für diese Zwecke dort bereitstehen hat, scheucht die Hunde beiseite und packt die sich windende Kleine auf eine Decke vor den Kamin, um sie aus ihren Kleidungsstücken zu schälen. Zwar hat sie schon öfter dabei zugesehen, wie die Waldläuferin ihre Tochter wickelt, selbst jedoch musste sie sich noch nie näher damit beschäftigen. Kann ja nicht so schwer sein, hofft sie, aber bereits nach einigen Herzschlägen muss sie ihre Meinung schon wieder ändern, denn das zappelnde Ding vor ihr hat sich offenbar in den Kopf gesetzt, sie nach Kräften dabei zu sabottieren. "Für so ein kleines Kind bist du aber ziemlich .... ähm, geruchsintensiv", stellt Raven naserümpfend fest, während sie die Windel von Shaerelas winzigem Hintern pult. Götter, wie kann man sich nur bis zum Kragen vollscheißen. "Caewlin?" ruft sie hilfesuchend über die Schulter, doch der Nordmann zieht es sicherheitshalber vor, sich mit Brynden aus dem Staub zu machen und ihr Flehen zu überhören. Vermutlich ist auch ihm die etwas strenge Geruchsentwicklung neben dem Kamin nicht entgangen und sogar die Hunde haben sich mittlerweile verkrümelt, und so muss Raven ihr Glück allein versuchen - mit hochrotem Kopf und angehaltenem Atem, um der drohenden Betäubung durch ein Elbenkind zu entgehen. Als sie Shaerela schließlich von der vollen Windel befreit, sie gesäubert, mit Salbe bepinselt und in eine frische gepackt hat, ist sie einer Ohnmacht nahe, ihre Arme fühlen sich an wie ausgeleierte Bogensehnen und sie kommt zu dem Schluss, dass man als Mutter eines Kleinkinds mindestens drei Paar Hände mehr als die vorhandenen braucht, um der Lage Herr zu werden. Die Windelkonstruktion, die sie umständlich gefaltet und um Shaerelas Hinterteil drapiert hat, sieht nicht unbedingt perfekt aus, aber sie hält und scheint dicht zu sein und so steckt sie die Kleine wieder in ihre Kleidung und nimmt sie mit in die Küche, wo Caewlin und sein Sohn dabei sind, Ninianes Lebensmittelvorräte einer intensiven Inspektion zu unterziehen.

"Ich könnte etwas kochen",  schlägt Raven todesmutig vor und mustert die zum Bersten angefüllten Regalbretter in der Vorratskammer neben der Küche. Ich kann zwar nicht kochen, aber wenn ich randalierende Kinder wickeln kann, kann ich sicher auch irgendetwas Essbares fabrizieren. "Aber es wäre nett, wenn du solange diesen Sack Flöhe aus der Küche halten könntest", fügt sie hinzu und drückt Caewlin das brabbelnde kleine Elbenmädchen in den Arm, das sich sofort wieder hingebungsvoll seiner Eisenschelle widmet. Nachdem er mit beiden Kindern nach nebenan verschwunden ist, wühlt sie sich durch Regale voller Tiegel und Töpfe, Leinensäckchen, Näpfe, Schütten und verschlossener Krüge, um etwas ausfindig zu machen, aus dem sie eine Mahlzeit zubereiten könnte. In einem großen, abgedeckten Steinguttopf findet Raven schließlich dicke Fleischscheiben, die Niniane offenbar für das Abendessen vorgesehen hat. Sehr gut - aber zuerst muss dieses Kind etwas in den Magen bekommen. Auf Socken schliddert sie durch die Küche, hektisch auf der Suche nach etwas, was sie zu Brei verarbeiten kann, balanciert einen Armvoll Äpfel aus der Speisekammer, wühlt nach Schüsseln und einer Reibe, verstreut die Hälfte der Haferflocken auf dem Fußboden, als sie versehentlich die Schütte fallen lässt, und muss die Hunde davon abhalten, sich gierig über das geplante Abendbrot herzumachen. Wenigstens gelingt es ihr, Äpfel in eine Schale zu reiben und sich dabei nur einmal in den Finger zu schneiden, sie mit Haferflocken und Milch zu einem Brei zu rühren und ihn mitsamt einem Löffel Caewlin aufzudrängen, damit er Shaerelas hungriges Geschrei beenden kann.

Nachdem sie dann den Holzherd geschürt und Feuer gemacht hat, widmet sie sich den Fleischstücken in dem Steinguttopf, befindet sie für viel zu dick, um sie zu braten und bearbeitet sie auf dem Arbeitsbrett mit Ninianes hölzernem Fleischklopfer, während zwei Paar bettelnde Hundeaugen sie dabei zu hypnotisieren versuchen. Das Gepolter, das sie dabei veranstaltet, lockt offenbar auch Caewlin an und sie muss sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, dass er hinter ihr in der offenen Küchentür steht und sie mit amüsiertem Blick beobachtet. "Ja, ich weiß - die sind schon tot", raunzt sie kratzbürstig und drischt weiter auf die Fleischstücke ein, als gelte es, einen Klafter Holz zu spalten. Weder ihre energischen Proteste noch die Drohung mit dem Schürhaken scheinen ihn zu beeindrucken und er lässt sich partout nicht aus der Küche vertreiben, bis sie es schließlich aufgibt, seine neugierigen Finger von den Töpfen weghalten zu wollen. Mit ein bisschen Erfindungsgeist und Improvisation gelingt es ihr sogar, etwas Essbares zuzubereiten, von dem sich einem nicht gleich der Magen umdreht und als schließlich in einem großen Kessel über dem Feuer würzige Fleischstücke zusammen mit Zwiebeln, Kartoffeln, Speck und allerlei Kräutern vor sich hinschmoren, ist sie so erschöpft, dass sie fast im Stehen an die Küchenwand gelehnt eingeschlafen wäre.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 02. März 2005, 20:15 Uhr
Es ist schwer, im Hier und Jetzt zu bleiben und den Schmerz zu ertragen, der sich tief in seinem Inneren eingenistet hat wie ein hungriger Parasit, der an ihm frißt und frißt. Noch schwerer ist es, das Gewicht der Schuld zu tragen, das wie ein tonnenschwerer Stein auf seinen Schultern liegt. Am schwersten ist es, Brynden in die Augen zu sehen und dort ein Echo seiner eigenen Einsamkeit zu finden. Während Raven sich um die Sauberkeit von Crons Tochter kümmert, geht er mit Brynden in die Küche - und wird schlagartig von der Erinnerung an einen Tag vor mehr als einem Jahr eingeholt, als sie alle aus Wegesend zurückgekehrt waren: damals war er ebenso wie jetzt mit seinem Sohn auf dem Arm in Ninianes Küche gegangen. Calyra hatte Fleischpastete für alle gekocht und mit Morgana das Essen aufgetragen... Brynden war noch fast ein Baby gewesen. Er hatte genau hier gestanden und sie hatte sich umgedreht, als er hereingekommen war. Sie hatte ihn angesehen und war zu ihm gekommen und hatte... hör auf! Caewlin holt vernehmlich Luft und ringt endlose Augenblicke um Selbstbeherrschung, ehe er Brynden beruhigend den Rücken klopft, der, als er mitten in der Küche erstarrt war, alarmiert das Gesicht an seinem Hals vergraben und sich an ihn gedrückt hatte. "Schon gut. Schon gut, Kleiner. Geht schon. Irgendwie." Irgendwo im Hintergrund ist Raven bei einer eindeutigen Tätigkeit zu hören - sie verpasst Shaerela eine frische Windel, oder versucht es zumindest: "Nein, willst du wohl... laß das... nimm die Finger aus dem Salbentiegel! Du kleine Eidechse, halt still... Mist! Diese verflixten... wo ist der zweite Fuß? Du hattest einen, ich weiß es.... bleib doch mal... oh nein! Hiergeblieben jetzt, kleines Fräulein..." "Missverdamm," kräht Brynden, der inzwischen neugierig auf das Spektakel im Kaminzimmer über seine Schulter späht. Caewlin sieht seinen zweijährigen Sohn an. "Mist verdammt?" Echot er. "Wer hat dir das denn beigebracht?" "Tante Nan," kommt die prompte Antwort und Caewlin verzieht den Mund. "Ah-ja."

Einen wilden Moment fühlt er hysterisches Lachen in sich aufsteigen, gefolgt vom rasenden Wunsch, alles um sich her zu zerschlagen oder sich die Lungen aus dem Leib zu brüllen. Keine sehr gute Kombination, vor allem nicht, mit Brynden auf dem Arm... aber selbst, wenn Caewlin gewollt hätte, er kommt weder dazu, sich dem Wahnsinn, der Wut oder dem Schmerz zu ergeben, noch sich wieder in sich zurückzuziehen. Ehe er sich versieht, ist er Brynden losgeworden und hat dafür ein - trockengelegtes - Baby im Arm und eine Schüssel Brei in der Hand. Die nächste halbe Stunde ist er also vollauf damit beschäftigt, Haferbrei mit geriebenen Äpfeln in ein hungrig aufgerissenes Mündchen zu stopfen und gleichzeitig Brynden bei Laune zu halten, der alles andere als begeistert ist, ihn plötzlich mit diesem quäkenden Emporkömmling teilen zu müssen. Den Göttern sei Dank hat Raven genug Haferflocken angerührt, um damit notfalls eine Patrouille Blaumäntel satt zu bekommen und so teilen sich Caewlin und die Kinder in trauter Dreisamkeit honigsüßen Brei mit Äpfeln - nicht unbedingt das, was er bevorzugt hätte, aber besser als Brühe allemal. Nachdem Shaerela satt ist und Brynden Ruhe gibt, läßt er die Kleine im Esszimmer krabbeln, wo er sie im Auge hat und sie nicht ausbüchsen kann, schürt das Feuer in den Kaminen nach, und holt Brennholz von draußen, das er in die Feuerkörbe stapelt. Solange er nicht nachdenken muß und irgendetwas tun kann, tut es nur gleichmäßig weh. Brynden beschäftigt sich derweil mit Shaerelas Spielkiste, deren Inhalt er kurzerhand über dem Boden verteilt, und dann sitzen sein Sohn und Crons Tochter in mehr oder weniger friedlicher Eintracht unter dem Tisch - der eine baut Türme aus bunten Holzklötzen, die andere nagt sie an. Eine Weile sieht er den Kindern zu, doch dann locken ihn vehementes Töpfeklappern und klatschend dumpfe Schläge in die Küche des Baumes. Auf dem Fußboden ist ein Muster aus Haferflocken verstreut und ein paar Blutstropfen zieren eine Metallreibe, ein Brett und ein Häufchen Apfelschalen neben dem Spülstein. Außerdem scheint ein Schwarm aufgebrachter Kobolde durch sämtliche Schränke gepoltert zu sein und mittendrin steht Raven und bearbeitet Fleischstücke mit einem Klopfer, einen Finger fest eingebunden.  

Mit einer halb fragend, halb spöttelnd erhobenen Braue und laut knurrendem Magen späht er ausgehungert von den letzten Wochen über ihre Schulter und ignoriert jeden ihrer Versuche, ihn vom Herd fernzuhalten, selbst den drohend in seine Richtung geschwungenen Schürhaken. Eine halbe Stunde später schmort das Fleisch im gußeisernen Kessel blubbernd vor sich hin, füllt den Baum mit vielversprechendem Duft und Ninianes Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld.  Draußen steigt die Dämmerung auf und die Abendsonne färbt die Schatten im Schnee zwischen den Bäumen orangerot - noch eine Stunde vielleicht, bis die Nacht hereinbrechen würde. Caewlin geht ihr schweigend zur Hand - soweit er kann -, um die Sauerei auf dem Fußboden und das Chaos in Ninianes Küche zu beseitigen und kaum haben sie den letzten gescheuerten Topf beiseite gestellt, ertönt auf der Lichtung knirschender Hufschlag und die Hunde schlagen an. Caewlin bringt sie zum Schweigen, fischt Shaerela vom Boden, die sich grinsend auf allen Vieren in Richtung Vorraum aufgemacht hat, holt tief Luft und öffnet dann die Tür. Schwer beladen stehen Crons Thunderländer und Ninianes Jagdstute vor der Treppe, die zum Eingang hinaufführt und zwei entgeisterte Gesichter wenden sich ihm zu. Er hinkt hinaus, drückt Niniane ihre Tochter in die ausgestreckten Arme und geht dann, die fragenden Blicke ignorierend, Cron zur Hand, der die Pferde abläd. "Raven hat Schmorfleisch gekocht," informiert er den Tronjer, ohne ihm oder Niniane dabei ins Gesicht zu sehen, während er Satteltaschen und Ledersäcke abschnallt. Auf der Treppe stapelt sich ein wachsender Berg aus Körben, Kisten, Seesäcken und verschnürten Päckchen - offenbar hatten die beiden die Märkte Talyras leergekauft. "Wo soll das hin?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 02. März 2005, 21:16 Uhr
Wäre Caewlin auf einem purpurroten Drachen mit grünen Flecken aus ihrem Baum geschwebt und hätte dabei mit Zitronenkuchen jongliert, Niniane hätte kein erstaunteres Gesicht machen können. Mechanisch öffnet sie die Arme, als Caewlin ihr Shaerela reicht und das Baby zerrt augenblicklich entschlossen an ihrem Umhang, so daß sie nur gerade noch Gelegenheit hat, einen mehr als verwunderten Blick mit Cron zu tauschen, ehe sie mit ihrer Tochter ins Bauminnere verschwindet. Sie streift die schweren Pelze ab, schlüpft aus den schneeverkrusteten Stiefeln und murmelt beruhigend auf Shaerela ein, die ihre Bemühungen inzwischen mit heftigem Strampeln und zornigem Quietschen unterstreicht. "Schon gut, min Lia. Du wirst noch ein paar Augenblicke warten können, wenigstens, bis wir Sitzen, oder? Vom Fleisch gefallen bist du jedenfalls nicht." In Gedanken noch ganz und gar mit dieser wundersamen Auferstehung von den Toten beschäftigt, sucht sie Raven, von der sie sich ein paar Antworten erhofft und findet die junge Frau im Esszimmer damit beschäftigt, den Tisch zu decken. "S'leja," ihre Augen glitzern, während sie sich setzt und ihre Tochter anlegt. Nach Stunden ohne ihr Baby ist sie mehr als erleichtert, als Shaerela sich zufrieden an ihrem Körper zusammenrollt und sich hungrig ans Trinken macht.

"Was hast du mit Caewlin angestellt?" Raunt sie über den kohlrabenschwarzen Haarschopf des Babys hinweg in Ravens Richtung. Von draußen dringen die Geräusche der Männer an ihr Ohr, die damit beschäftigt sind, all die Einkäufe zu verteilen und bestimmt bald mit dem ein oder anderen Korb hierdurch kommen würden, um ihn in die Küche zu bringen. "Götter, bin ich erledigt. Wir waren bestimmt auf jedem Markt Talyras und in jedem Geschäft in den Tausendwinkelgassen." Brynden trippelt zu ihr und späht neugierig auf Shaerelas Gesicht. "Hallo, Kleiner. Na, warst du brav bei Tante Raven?" Caewlins Sohn legt nur grinsend seinen Kopf an ihren Arm und nickt und Niniane wendet sich wieder an die Bogenbauerin. "Wie hast du das angestellt, daß er aufgestanden ist?" Ein rascher Blick über die Schulter zeigt ihr, daß sie noch einen Moment ungestört wären und so setzt sie nach: "Hast du ihn vom Krankenlager hochgeprügelt? Wie geht es ihm? Hat er mit dir gesprochen? Hat er etwas gegessen... was riecht hier eigentlich so gut?" Sie zieht schnuppernd die Luft ein und ihr Magen knurrt so laut, daß Raven es bestimmt hört. "Verzeihung. Wir haben heute Mittag irgendwo heißes Fladenbrot gegessen, aber das war alles, was wir in der Eile bekommen haben."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 02. März 2005, 22:54 Uhr
Kaum dass sie die gröbste Unordnung in der Küche beseitigt haben, ist draußen vor dem Baum das Schnauben von Pferden zu hören und wie auf ein geheimes Kommando drängeln sich daraufhin zwei Hunde und eine krähende Shaerela im runden Vorraum, um die Heimkehrer lautstark zu begrüßen. Caewlin folgt den dreien hinaus und dann hört Raven nur noch gedämpfte Stimmen in die Küche dringen. Die Worte, die draußen vor dem Baum gesprochen werden, kann sie nicht verstehen, sehr wohl aber ihren verblüfften Unterton und als Niniane ins Esszimmer rauscht, mit wehenden Haaren, geröteten Wangen und ihrer zappelnden Tochter auf dem Arm, prasselt ein so hektischer Schwall Fragen auf sie nieder, dass sie gar nicht weiß, auf welche sie zuerst antworten soll. Erschöpft lässt die Waldläuferin sich zusammen mit Shaerela in einen Sessel sinken. "Sie hat schon Brei bekommen", informiert sie Niniane und wundert sich kopfschüttelnd über das Magenvolumen von Babys, denn die Kleine trinkt so gierig, als hätte sie tagelang hungern müssen.

Raven stellt den Stapel Holzteller auf den Tisch, den sie gerade aus der Küche geholt hat, und lässt sich einen Moment neben Mutter und Tochter nieder. "Ich hab überhaupt nichts gemacht", beteuert sie auf die Frage hin, was sie mit dem Nordmann angestellt hätte. "Naja, vielleicht ein wenig Krach, das hat ihn wohl auf die Beine gebracht. Ich war den ganzen Nachmittag mit den Kindern draußen im Schnee und es war wohl ziemlich laut, und plötzlich ist er aufgetaucht. Gesprochen hat er allerdings nicht viel." Niedergeschlagen lässt sie den Kopf sinken. "Und wie es ihm geht? Sieh ihn dir an", seufzt sie bekümmert. "Schlechter kann es einem Menschen wohl kaum gehen. Ich mache mir wirklich Sorgen." Sie hören ihn draußen vor dem Fenster mit Cron bei den Pferden rumoren und die Einkäufe abladen, aber die einzige Stimme, die zu hören ist, ist die des Tronjers, während Caewlin kein Wort verlauten lässt - zumindest keines, das bis an ihre Ohren dringt. "Das ist übrigens Schmorfleisch, was hier so riecht, und wenn diese Tonnen von Einkäufen untergebracht sind, könnten wir gleich essen. Aber erzähl, wie war es denn in der Stadt?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 04. März 2005, 21:18 Uhr
Niniane lehnt sich seufzend zurück und legt ihre Tochter, inzwischen pappsatt, über die Schulter, um ihr sanft den Rücken zu klopfen, was mit einer leisen Folge milchblubbernden Aufstoßens quittiert wird. "Ja, sehr schön mein kleines Ferkel. Verzier auch noch dieses Kleid mit Sabberflecken, die Wäscherin freut sich." Shaerela kümmert sich nicht um die amüsierten Vorwürfe ihrer Mutter, sondern schmiegt ihr Köpfchen an Ninianes Hals und schließt schläfrig die Augen. >Schlechter kann es einem Menschen wohl kaum gehen. Ich mache mir wirklich Sorgen.< Niniane blickt auf und tauscht einen langen, wissenden Blick mit Raven und zuckt hilflos mit den Schultern. "Das tun Cron und ich ebenso, aber.. ich kann ihn auch verstehen... Caewlin, meine ich. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn..." Sie verstummt einen Augenblick und ihr Blick geht aus dem Fenster in die rasch sinkende Winterdämmerung hinaus. Allein die Vorstellung Cron zu verlieren macht ihr soviel Angst, daß sie den Gedanken einfach nicht zu Ende bringt. "Er braucht Zeit. Irgendwie wird er weitermachen.. und irgendwann findet er vielleicht das Leben wieder." Eine Weile schweigen sie beide und nur Shaerelas gleichmäßige Atemzüge und das Knacken und Prasseln der Kamin- und Herdfeuer sind zu hören. >Das ist übrigens Schmorfleisch, was hier so riecht, und wenn diese Tonnen von Einkäufen untergebracht sind, könnten wir gleich essen. Aber erzähl, wie war es denn in der Stadt?< fährt Raven schließlich fort, bevor sich die Stille ausbreiten kann und Ninianes in sich gekehrte Miene verwandelt sich in ein hintergründiges Lächeln.

"Oh, wir waren auf dem Markt und in den Tausendwinkelgassen und ich habe eine Überraschung für dich... aber die gibt es erst nach dem Essen. Wir haben Mehl, Butter, weißen und schwarzen Reis, frisches Brot, Salz, einen Block Zucker, Rahm und Quark, Milch, Eier und ein paar Junghennen gekauft. Caewlin und Cron müssen mir ein Hühnerhaus bauen, sobald es taut - das wird sie wenigstens beschäftigt halten." Vorsichtig steht sie auf und legt Shaerela in das weich ausgepolsterte Weidenkörbchen, indem sie sie später mit nach oben nehmen würde. Völlig erledigt von einem langen Nachmittag mit Raven und Brynden draußen im Schnee und bis oben hin abgefüllt mit Brei und Milch würde die Kleine wenigstens bis nach Mitternacht durchschlafen. "Außerdem habe ich... laß mich überlegen... Jasmintee, Safran, Pfeffer, Ingwer, Azurianische Pfefferschoten, getrocknete Linsen, Bohnen und Mais, Griebenschmalz, einen Korb Ildorelkrabben, Hirse, Datteln und Orangen von den Sommerinseln... die mußt du versuchen!... Rosinen und Vanille besorgt. Vielleicht backe ich morgen, mal sehen. Verschiedene Heilkräuter und andere Sachen, die mir ausgegangen waren, habe ich auch noch erstanden. Oh, und ein Fässchen Sauerkraut... ah... das magst... wohl du nicht?" Ninianes Blick wird fragend, doch Ravens angewiderter Gesichtsausdruck und die gekräuselte Nase sprechen Bände. Sie stellt das Körbchen mit dem schlafenden Baby ins Kaminzimmer hinüber, wo es ruhiger ist, und kehrt dann zurück, um Raven zu helfen, den Tisch zu decken. Cron und Caewlin sind inzwischen damit fertig, die Vorräte zu verstauen und bringen die Pferde und die - wie Niniane hofft irgendwann legefreudigen - Hühner in ihren geflochtenen Käfigen hinauf in den Stall. "Oh... und ich habe mir von einem redegewandten Azurianer für ein halbes Vermögen so ein komisches, neumodisches Gebräu aufschwatzen lassen, das man heiß trinkt und das angeblich beleben soll..." sie zuckt mit den Schultern während sie in der Kiste mit dem Brot und den Gewürzen, die Caewlin schweigend in der Küche abgestellt hatte, nach einem kleinen Leinensäckchen kramt.

"Und jetzt ärgere ich mich furchtbar, daß ich soviel dafür ausgegeben habe. Schau, das sind Bohnen, die angeblich geröstet wurden, jedenfalls hat das dieser Händler behauptet. Er hat gesagt, man soll sie mit heißem Wasser aufbrühen... dieser Halsabschneider! Wie das funktionieren soll, weiß ich nämlich beim besten Willen nicht." Schulterzuckend und leicht ratlos öffnet sie die Verschnürung und atmet tief ein. "Aber es riecht phantastisch, so phantastisch, daß ich einfach nicht nein sagen konnte. Hier... sieh mal." Raven schnuppert an den kleinen, dunklen Bohnen, schnuppert noch einmal und macht ein erstauntes Gesicht - dann erklärt sie, sie habe so etwas bei Borgil schon einmal gekostet und es stimme tatsächlich, man könne eine "schwarze Brühe" daraus brauen... wie allerdings genau, wisse sie auch nicht. "Wunderbar," Niniane verzieht säuerlich den Mund, aber ihre Augen glitzern belustigt. "Da meint man einmal eine weltbewegende Neuheit entdeckt zu haben und was ist damit? Borgil serviert sie schon seit Wochen in der Harfe..." Sie decken den Tisch fertig, immer wieder unterbrochen von Brynden, der auch einen Löffel oder eine Schale auftun möchte und ihnen dauernd vor die Füße kommt, schneiden frisches, duftendes Brot auf und Niniane gibt leise die neuesten Gerüchte und den Stadtklatsch Talyras zum Besten, bis Cron und Caewlin vom Stall herunter kommen - gerade als der gußeiserne Topf, in dem es immer noch leise köchelt, auf dem Tisch landet. "Setzt euch." Sie lächelt Caewlin so unbefangen wie möglich an, aber wenn der Sturmender ihre Miene bemerkt, reagiert er nicht darauf - er nickt nur mit leeren Augen und Ninianes atmet tief durch. "Raven hat gekocht," informiert sie Cron, als er zu ihr tritt und sie küßt. "Wo hast du die Kiste für Raven?" Flüstert sie, als sie sich setzen und er nickt in Richtung Kaminzimmer hinüber... und dann heischt das Schmorfleisch ungeteilte Aufmerksamkeit.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 06. März 2005, 22:07 Uhr
Cron ist mindestens so verwundert wie Niniane, Caewlin wach und auf den Beinen vorzufinden, anstatt bitter und verzweifelt in einem abgedunkelten Raum vor sich hindämmernd... aber an seiner Redseligkeit hat sich offenbar noch nicht viel geändert, denn bis auf ein paar gemurmelte Fragen, wo dieser Korb oder jene Kiste hinkäme, schweigt der Sturmender sich beharrlich aus. Sie verstauen gemeinsam Ninianes zahlreiche Einkäufe und bringen anschließend die Pferde in den Stall - und Cron versucht alles, Caewlin in ein Gespräch zu ziehen, doch es endet nur damit, dass er irgendwann das unangenehme Gefühl hat, mit viel zu lauter Stimme ein Selbstgespräch zu führen. Schließlich hält er damit inne, Donner den schweißnassen Rücken mit einer Handvoll Stroh abzureiben und mustert sein mager gewordenes Gegenüber, das in der Nachbarbox gerade Ninianes Jagdstute absattelt, mit einem schwach entnervten Gesichtsausdruck. "Du weißt schon, dass ich mir allmählich wie ein schwatzhaftes Waschweib vorkomme, wenn ich hier rede und rede und du sagst kein Wort?" Caewlin blickt nicht einmal auf, schüttelt nur den Kopf und legt den Sattel über den Holzbock. Cron holt hörbar Luft. "Hör zu... ich weiß, wie schwer es ist. Ich weiß, du möchtest sterben vor Schmerz. Als Nan und ich damals... vergiss es... kann man wohl doch nicht vergleichen. Aber wir sind hier, falls du etwas brauchst. Und wenn ich etwas für dich tun kann, lass es mich wissen." Einen Moment lang sieht Caewlin ihn nur an und die Qual in seinen Augen lässt Cron mitleidig den Kopf schütteln, aber dann gibt er es auf, mit dem Sturmender reden zu wollen. Irgendwann, wenn der Verlust nicht mehr so frisch wäre, dann vielleicht... Einen Augenblick später zuckt er unbeeindruckt mit den Schultern. "Bis du soweit bist, kannst du mir helfen, einen Hühnerstall zu bauen. Sieh mich nicht so an, daran bist nur du Schuld. Dich aufzupäppeln hat uns so viele in Rotwein verquirlte Eier gekostet, dass Nan sich jetzt ein eigenes Hühnervolk einbildet. Sei froh, dass sie nicht auch noch einen Weinberg verlangt."

Das reißt selbst Caewlin aus seiner Melancholie. Einen Augenblick lang sieht der Sturmender ihn nur an, dann gibt er ein schnaubendes Geräusch irgendwo zwischen einem Knurren und einem Brummen von sich und Cron drückt ihm grinsend die Käfige mit den nervös gackernden Junghennen in die Hand. Caewlin bringt das Federvieh in eine leere Box, während Cron die Pferde füttert und tränkt und dann kehren sie nach einer eiligen Katzenwäsche auf der Suche nach etwas, das ihre eigenen, leeren Mägen füllen würde, in den Baum zurück. Das Essen steht bereits auf dem Tisch und ist noch so heiß, dass es leise vor sich hinblubbert. "Das riecht gut..." Cron beugt sich vor und schnuppert in den aufsteigenden Dampf, als Niniane ihm sagt, dass Raven gekocht habe, dann sieht er die ehemalige Diebin mit einem spekulativen Grinsen in den Augen an. "Cariad, wir haben endlich jemanden gefunden, der die harten Zeiten von verbrannter Ente außen schwarz und innen roh - beendet, und..." er weicht der beiläufigen Ohrfeige aus, die Nan ihm pflichtschuldig versetzen will und fängt ihre Hand ein, dann erstickt er jeden Protest mit einem Kuss. "Schläft die Kleine? Das ist gut... sieh an, wen haben wir denn hier. Was machst du denn da unten?" Er setzt sich und hebt den kichernden Brynden, halb unter dem Tisch halb zwischen den Stühlen hoch. "Hier," er drückt den Jungen ohne zu Zögern seinem Vater in den Arm. "Brynden, du musst deinem Vater beim Essen helfen. Er hat bestimmt vergessen, wie das geht." Brynden kichert nur noch lauter, aber auch wenn Caewlin nichts auf die freundlichen Spötteleien erwidert, Cron ist sich fast sicher, wie vorhin schon im Stall oben ein amüsiertes Aufschimmern in den schroffen Augen zu finden. Sie fallen über das Schmorfleisch her wie ein Rudel ausgehungerter Hunde... zumindest, was Caewlin angeht, der seit Wochen nur Brühe zu sich genommen hat, ein gar nicht soweit hergeholter Vergleich. Und er knurrt auch jeden an, der ihm zu nahe kommt... Und Nan und er selbst hatten zwar auf dem Markt gefülltes Fladenbrot gegessen, aber das war Stunden her. Außerdem erweist sich Ravens "Fleisch-Kartoffel-Zwiebel-und-verschiedene-Gewürze-Eintopf", wie sie ihn leicht verlegen betitelt, als mehr als gut. Der erste Löffel ist so heiß, dass Cron sich beinahe die Zunge verbrennt, aber er vertilgt drei Schalen voll, streicht die Reste mit frischem Brot zusammen und späht dann bedauernd in den Kessel, in dem nur noch ein kümmerlicher Rest mit einem einzigen Fleischstück übrig ist. "Och..."

Nach dem Essen kühlt Niniane das Wasser ihrer heißen Quelle mit einem kleinen Zauber auf erträgliches Maß ab und Caewlin verschwindet mit frischer Kleidung und ledernen Handtüchern, einer Schale Seifenschaum und einem Rasiermesser nach draußen, um ein Bad zu nehmen, und er selbst bleibt bei Brynden. Sie legen gemeinsam Holz nach und setzen sich dann ins Kaminzimmer, während Niniane in der Küche rumort, wo Caewlins Sohn - mit knallroten Wangen von der Wärme des Essens und der Müdigkeit gleichermaßen - prompt in seinem Arm einschläft. "Ich bringe ihn nur rasch nach oben." Raven, die selbst nicht weniger erledigt aussieht wie der kleine Wildfang, steht im Türrahmen. "Die Kiste da auf dem Tisch ist übrigens für dich."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 09. März 2005, 11:05 Uhr
Entgegen Ravens Bedenken ist das Essen durchaus genießbar, sogar mehr als nur das. Caewlin leert seinen Teller mit Schmorfleisch dennoch nur langsam, obwohl er so hungrig ist, daß er am liebsten alles hinuntergeschlungen hätte, ganz egal, wie es schmecken würde - mit Brynden auf dem unverletzten Bein, für den er Brot zerkleinern und Eintopf pusten muß, und einem Magen, der seit Wochen nur Suppe bekommen hat, kann er auch gar nicht anders. Als Brynden genug hat, trollt er sich wieder in Richtung des Spielzeugkorbes und Caewlin hat nun zwar seinen Teller für sich allein und einen Haufen angenagter Brotrinde übrig, doch plötzlich auch keine Ausrede mehr, den Blick gesenkt zu halten und sich nicht an den Tischgesprächen zu beteiligen. Doch als er schließlich aufblickt, fühlt er sich einen Moment lang wie ein Eindringling. Niniane und Cron erzählen leise und doch lebhaft von ihren Erlebnissen in der Stadt, Raven hat ihren Teller bereits von sich geschoben und lauscht ihnen - Blicke gehen hin und her, Kerzenlicht schimmert warm auf ihren Gesichtern, Hände bewegen sich in beredten Gesten, zwanglos, entspannt und offen... nur er steht außerhalb dieses Kreises. Caewlin war noch nie ein besonders redseliger Mann und jede Art von überflüssiger Konversation ist ihm fremd... aber plötzlich spürt er so etwas wie Sehnsucht und leisen Neid auf ihr Zusammengehörigkeitsgefühl. Er hatte sich wochenlang zurückgezogen, erstarrt in seinem Schmerz, erdrückt vom Gewicht seines Verlustes. Was, wenn er den Weg aus dem Schweigen nicht mehr finden würde? Er findet ihn tatsächlich nicht, jedenfalls nicht während des Essens; nur einmal blickt er auf und seine Augen begegnen denen Ravens, dunkel und sanft, angefüllt mit Erinnerungen an einen Nachmittag voller Kinderlachen und Küchenwirrwarr, von denen sie gerade berichtet, ihre Finger in ständiger Bewegung, als wolle sie ihre Gedanken damit einfangen. Irgendwie übersteht er das Essen dennoch und danach hat er endlich Gelegenheit, Brynden bei Cron zu lassen und ein Bad zu nehmen.

Die Sonne ist längst gesunken und die Nacht eiskalt. Die Luft schmeckt nach Schnee, doch um Ninianes Quelle ist der Waldboden nur mit samtweichen dichten Moospolstern bedeckt und schneefrei. Ein breiter Rand aus Natursteinplatten faßt das annähernd runde Becken ein, ein paar flache Stufen führen ins tiefere Wasser und weißer Dampf wabert über allem. Das Wasser ist trotz aller kühlenden Magie noch so heiß, daß Caewlin nach wenigen Augenblicken bereits das Gefühl hat, sich aufzulösen und leicht schummrig im Kopf zu werden, aber das ist ihm im Moment nur recht. Er taucht einmal völlig unter, kommt wieder hoch, legt den Nacken auf den steinernen Rand der heißen Quelle und starrt dann durch die ausladende Baumkrone über ihm in den endlosen, blauschwarzen Nachthimmel dahinter. Irgendwo im Osten über dem Ildorel treiben ein paar anthrazitfarbene Schneewolken heran, aber der Großteil des Firmaments ist noch frei, übersät von Myriaden silberner Sterne. Eine ganze Zeit lang genießt er nur die Hitze, läßt sich von ihr durchdringen und in ihr treiben, weicht die Narben auf und betastet dann vorsichtig die noch wulstigen, roten Linien. Sie würden verblassen, mit der Zeit, wie die zahllosen Spuren alter Kämpfe, die er am Körper trägt... und irgendwann würde er sie wahrscheinlich nicht einmal mehr spüren. Mit den Narben, die er auf seiner Seele trägt, ist es etwas anderes. Als er sich nach einer Weile aufrafft, sich den struppigen Bart abzunehmen, sieht er sein Spiegelbild im dunklen Wasser und ein Fremder blickt ihm entgegen, ein Mann mit einer vefilzten Haarmähne, viel zu leeren Augen, einem dichten, dunklen Stoppelbart und eingefallenen Wangen. Wann war er so dünn geworden? Sicher, er hatte sich in letzter Zeit zwangsweise nur von Brühe und Brot ernährt, aber hatten die paar Tage ausgereicht, seine Knochen so hervortreten zu lassen? Hatte er soviel Gewicht verloren? Er rasiert den ausgemergelten Unbekannten trotzdem und entdeckt unter den Barstoppeln die vertraute Narbe in seinem Gesicht, eine gezackte Linie, die am linken Auge beginnt und sich über die ganze Wange bis in den Mundwinkel und ein Stück das Kinn hinab zieht. Eine halbe Ewigkeit betrachtet er sein hageres Gegenüber im dunklen Wasser, dann streckt er langsam die Hand aus und berührt die dunkle, seidige Oberfläche. Sein Spiegelbild zerbricht in tausend verzerrte Scherben und Caewlin macht sich seufzend daran, sein Haar zu entwirren.

Nachdem all seine Versuche, die verknoteten Strähnen durchzukämmen, scheitern, nimmt er frustriert das Messer zur Hand und schneidet sich die völlig verfilzten unteren zwei Handspannen einfach ab.... selbst so, mit nur noch etwas mehr als schulterlangem Haar, muß er es viermal waschen, um wenigstens mit den Fingern hindurch zu kommen. Es dann anschließend mit dem Hornkamm zu bearbeiten, fühlt sich an, als würde er sich selbst skalpieren. Als er endlich wieder so etwas wie glattes Haar sein Eigen nennt, schrubbt er sich mit einem Lappen und Unmengen von Seife noch den Schmutz der letzten Wochen von der Haut und bleibt dann solange einfach im Wasser auf den Steinstufen sitzen, wie er die dampfende Hitze aushält und es wagt, ohne Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen zu bekommen. Als er schließlich bei Mondaufgang mit sülzenartig weichen Beinen und dem angenehmen Gefühl, ein paar Handbreit über dem Boden zu schweben, in den Baum zurückkehrt, findet er nur Raven im Kaminzimmer vor, die Hände bis zu den Ellenbogen in einer schmalen Holzkiste auf einem niedrigen, samtbezogenen Hocker vergraben. Als er hereinkommt, blickt sie auf. "Wo ist Brynden? Schläft er schon?" Obwohl er sich in der Nachtkälte abgekühlt, abgetrocknet und frische Kleidung angelegt hat, hat er das Gefühl, immer noch vor Hitze zu dampfen und als er sich in einen der runden Elbensessel fallen läßt, schlingt er sich ein Handtuch um den Nacken, um zu verhindern, daß ihm Tropfen aus seinem nassen Haar in den Hemdkragen rinnen. Sie nickt nur, murmelt etwas von "Jaja, er war so müde..." und wühlt weiter in der Kiste, die Augen glänzend vor Begeisterung. Caewlin zieht fragend eine Braue hoch, kann aber mit seinen gargekochten Beinen unmöglich aufstehen. "Du siehst aus wie ein Trüffelschweinchen, das einen Schatz gefunden hat," konstantiert er, während er erneut nach dem Kamm angelt, um die letzten Knoten aus seinen Haaren zu zerren. "Götter, ich hätte mir eine Glatze scheren sollen," fährt er murmelnd fort, so leise, daß sie nicht darauf reagieren muß. Dann fragt er lauter. "Was ist denn... da drin?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 09. März 2005, 23:32 Uhr
Einen Herzschlag lang hängt Ninianes begonnener Satz unvollendet in der Luft, als hätte sie Angst, ihn zu beenden und damit ein Unglück heraufzubeschwören. >Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn...< Das zaghafte Lächeln, das sich in Ravens Gesicht geschlichen hatte, als sie sich neben der Waldläuferin und ihrer Tochter niedergelassen hatte, erlischt so abrupt, als hätte man eine Kerze ausgepustet und ihre Augen werden dunkel wie die Nacht. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich tun würde, wenn es meinen Gefährten nicht mehr gäbe. Nun weiß ich es. Einen Moment ist es still und nur das Knacken der brennenden Holzscheite im Kamin ist zu hören, dann fährt Niniane mit der Berichterstattung über ihren Einkaufsbummel fort und rasselt mit sichtlichem Vergnügen eine ellenlange Liste der Dinge herunter, die sie in der Stadt besorgt haben, doch Ravens Lächeln kehrt trotz allem nicht mehr zurück. Mit verschlossener Miene schleppt sie den Kessel mit dem Schmorfleisch aus der Küche herüber zum Tisch und taut erst wieder ein wenig auf, als sie feststellt, dass ihre dürftigen Kochkünste tatsächlich weder Gemurre noch spöttische Bemerkungen hervorrufen, obwohl sie genau das eigentlich erwartet hätte. Während sie in der dampfenden Schale herumlöffelt, linst sie immer wieder verstohlen von einem zum anderen und beobachtet fasziniert und beinahe ein wenig stolz, wie Cron unglaubliche drei Teller von dem Eintopf in sich hineinschaufelt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder einen Laut des Missfallens von sich zu geben. Sie ist froh, dass sie sich zur Abwechslung auch einmal hat nützlich machen können, anstatt sich fortwährend nur pflegen und bedienen zu lassen, so wie es in den ersten Wochen nach ihrer Rückkehr der Fall gewesen war. Und auch das Kinderhüten hatte entgegen all ihren Befürchtungen ohne größere Unfälle geklappt und sogar Caewlin aus dem Baum hervorgelockt. Insgeheim muss sie sich eingestehen, dass es ihr wider Erwarten sogar Spaß gemacht hatte, mit den beiden Kleinen durch den Schnee zu toben, auch wenn ihr anderntags von der ungewohnten Anstrengung wahrscheinlich jeder einzelne Knochen schmerzen würde. Erschöpfung macht sich in Raven breit, als sie den Teller beiseite schiebt - aber diesmal ist es nicht die Erschöpfung schlafloser Nächte und nagenden Kummers, sondern einfach die wohltuende Müdigkeit nach einem langen, anstrengenden Tag an der frischen Luft.

Während sie erzählen muss, wie sie den Tag verbracht hat und Niniane und Cron sich dann in eine leise, aber recht lebhafte Debatte über Legehennen und Hühnerställe verstricken, wandert ihr Blick zu Caewlin hinüber, der sich während des Essens in düsteres Schweigen gehüllt hat und wortlos ihrer Unterhaltung folgt. Er scheint mit seinen Gedanken weit weg zu sein und in seinen hellen Augen liegt ein sonderbarer Ausdruck, den Raven noch nie an ihm gesehen hat und den sie nicht zu deuten weiß. Als er aufsteht und nach draußen verschwindet, um in Ninianes heißer Quelle ein Bad zu nehmen, sieht sie ihm lange nach und ist so in Gedanken versunken, dass erst das Tellergeklapper, das die Waldläuferin beim Abräumen des Tisches veranstaltet, sie wieder in die Realität zurückbringt. Eilig hilft sie ihr, das Geschirr und den leeren Kessel in die Küche zu bringen, als Cron, der mit dem schlafenden, rotbackigen Brynden über der Schulter auf dem Weg nach oben ist, sie aufhält und schmunzelnd auf eine Holzkiste deutet, die er und Niniane aus der Stadt mitgebracht haben. >Die Kiste da auf dem Tisch ist übrigens für dich.< Argwöhnisch beäugt Raven das Kästchen, um sich dann mit ungläubig gerunzelter Stirn dem Tronjer zuzuwenden. "Für mich?" vergewissert sie sich und als er nickt, öffnet sie so vorsichtig den Deckel, als rechne sie damit, dass ihr im nächsten Moment eine Horde wildgewordener Dämonen entgegenhüpfen würde.

Es sind zwar keine Dämonen, die sie darin findet, aber der Inhalt entlockt ihr trotzdem einen leisen Aufschrei der Überraschung. "Seid ihr nicht mehr ganz bei Trost?" entfährt es ihr, als ihr Blick stapelweise Pergamentbögen und Papier, Kreiden, Farben und noch vielerlei andere Zeichenutensilien erfasst. "Ihr sollt mir nicht immer so teure Sachen mitbringen! Das kann ich nicht annehmen, hörst du? Ich werde euch das bezahlen!" zischt sie Cron hinterher, doch der grinst nur und flüchtet mit Brynden nach draußen, während sie schon kopfüber in der Holzkiste hängt und ihren Inhalt einer begeisterten Inspektion unterzieht. Sie ist so vertieft, dass sie Caewlin, der inzwischen von seinem Bad zurückgekehrt ist und sich neben dem Kamin in einen Sessel wirft, zunächst überhaupt nicht bemerkt. Erst eine wohlbekannte, dunkle Stimme mit einem leise spöttelnden Unterton bringt sie dazu, die Augen und ihre Aufmerksamkeit widerwillig vom Inhalt des Holzkastens zu lösen. >Du siehst aus wie ein Trüffelschweinchen, das einen Schatz gefunden hat.< Sie wirft ihm über den Kistendeckel hinweg einen bösen Blick zu, aber in ihrer Stimme liegt ein Lächeln. "Und du siehst wieder aus wie ein Mensch - wenigstens halbwegs." Auch wenn er noch immer schrecklich bleich und mager ist, das Bad scheint ihm gut getan zu haben, die Blutkrusten und Bartstoppeln sind aus seinem Gesicht verschwunden und ebenso der Dreck und Staub aus seinen Haaren - und mit ihm gut eine Elle der verfilzten Zotteln, die offenbar nicht mehr zu retten waren.

>Was ist denn... da drin?< Neugierig versucht Caewlin, in die Kiste zu spähen. "Was da drin ist? Na, was glaubst du wohl .... Trüffel natürlich, oink oink." Ravens Miene ist todernst, aber dann kann sie sich ein Grinsen doch nicht verkneifen. Sie klappt den Deckel herunter, damit er hineinsehen kann und begreift in diesem Moment, dass Caewlin von ihren künstlerischen Ambitionen noch keine Ahnung hat. "Das sind Papier und Zeichenkohle und solche Sachen. Ich habe einiges gelernt, während du... während der letzten Wochen. Niniane meinte, sie müsse mich unbedingt irgendwie beschäftigen", erzählt sie augenrollend. "Aber inzwischen hat sie es schon tausendmal bereut und wenn sie gewusst hätte, was sie sich damit einbrockt, hätte sie mit Sicherheit jedem den Hals umgedreht, der mich auch nur in die Nähe eines Zeichenstiftes gelassen hätte." Auf Caewlins verständnislosen Blick hin lächelt sie nur. "Warte, ich zeige es dir." Sie klappt den Kistendeckel zu und verschwindet in Richtung Gästezimmer, wo sie in einer Truhe all ihre Utensilien und einen ganzen Packen dicht bekritzelter Blätter verwahrt.

Als Niniane ihr vor Wochen ein schmales, fein verziertes Kästchen mit Rötelstiften und dünnen Birkenkohlestückchen und dazu einen Stapel geschnittenen Pergaments und Hadernpapiers vor die Nase gesetzt hatte, hatte Raven nur seufzend den Kopf geschüttelt und die Sachen wieder von sich geschoben. "Ich habe so etwas noch nie gemacht", hatte sie lahm bemerkt. "So etwas kann ich bestimmt nicht." Die Waldläuferin hatte die Sachen schulterzuckend - und mit einem hinterhältigen Funkeln in den goldenen Augen - auf einem Wandbord deponiert und nicht weiter beachtet. Und Raven hatte ebenso versucht, sie nicht weiter zu beachten - aber es war, als würden ihr die Stifte und Blätter jedes Mal ihre Herausforderung ins Gesicht schreien, wenn sie an dem Bord vorbei gekommen war. Und dann hatte sie es in einer schlaflosen Nacht, bei Kerzenschein am großen Tisch in Ninianes Esszimmer sitzend, doch widerwillig versucht. Und war verblüfft gewesen, wie leicht ihr das Zeichnen von der Hand ging. Die ersten Versuche waren furchtbar ungelenk gewesen und hatten eher den Kritzeleien von Kindern geähnelt, doch mit geschickten Fingern, einer schnellen Auffassungsgabe und unermüdlichem Eifer hatte sie schnell Fortschritte gemacht und bald war nichts mehr vor ihren scharfen Augen und den Zeichenstiften sicher gewesen. Der Baum und seine Bewohner hatten ihr auch reichlich Möglichkeiten geboten, sich auszutoben und in der Truhe, die Niniane ihr großzügig überlassen hatte, stapeln sich inzwischen die Blätter mit Zeichnungen - mit den verschlungenen elbischen Ornamenten, die die Möbelstücke zieren, mit Skizzen von geschnitzten Spiegelrahmen und verzierten Kisten, Stühlen, Fenstern, Eisenbeschlägen und Geschirr, mit knorrigen Ästen und Holzmaserungen, mit sämtlichen Pflanzen aus Ninianes Botanikum, mit den Hunden, mit den beiden Kindern, schlafend, lachend, daumenlutschend, weinend, dösend, krabbelnd, beim Essen, beim Spielen - ein Sammelsurium von pausbäckigen Kindergesichtern, Cron mit den Pferden, Niniane mit wallendem Haar, beim Kochen, im Nachtgewand, beim Gemüseschnippeln, beim Stillen, am Kamin schlafend - und als ihr die Motive allmählich ausgegangen waren, hatte sie angefangen, Personen allein aus ihrem Gedächtnis zu Papier zu bringen.

Während Raven den Stapel Zeichnungen aus der Truhe holt, erinnert sie sich schmunzelnd an Ninianes Wutanfälle, sobald sie auch nur mit ihren Zeichenstiften in ihre Nähe gekommen war, und an die Wurfgeschosse, mit denen sich die Waldläuferin zu verteidigen suchte - was damit geendet hatte, dass nun auch Zeichnungen von Niniane existieren, die gerade mit Stiefeln um sich wirft. Auch Caewlin hatte sie gezeichnet, ohne dass er es überhaupt bemerkt hätte - in schlaflosen Nächten beim flackernden Schein einer Kerze hatte sie im Schneidersitz auf dem Bett sitzend und einen Block auf den Knien balancierend versucht, sein schlafendes Gesicht auf Papier zu bannen. Ravens blätternde Finger halten plötzlich inne, als sie in dem Stapel auf eine Zeichnung stoßen, die sie vor einigen Tagen angefertigt hat. Die feinen, präzisen Kohlestriche zeigen das hübsche, schmale Gesicht einer jungen Frau mit einer kecken, kleinen Nase und winzigen Sommersprossen, schön geschwungenen Lippen, klaren Augen und weich fallenden Locken. Es ist bislang wohl das Beste, was Raven gelungen ist und sieht so verblüffend lebendig aus, als würde die Person im nächsten Augenblick aus dem Bild steigen wollen. Calyra.... Sie hat es für Caewlin gezeichnet, aber nun weiß sie plötzlich nicht mehr, ob sie es ihm überhaupt geben soll, weil sie Angst hat, damit zuheilende Wunden wieder aufzureißen. Unschlüssig starrt Raven das Bild an, dann rollt sie es zusammen und packt es zu dem Stapel, den sie sich unter den Arm klemmt, um ihn in das Kaminzimmer mitzunehmen und ihn Caewlin in die Hand zu drücken. Verlegen tritt sie von einem Fuß auf den anderen und ist mit einem Mal schrecklich nervös. "Das eine hier ist ... es ist für dich." Die Waldläuferin, die gerade lautlos das Zimmer betritt, um die schlafende Shaerela aus der Wiege zu holen und mit nach oben zu nehmen, kommt ihr in diesem Augenblick wie gerufen und da Raven ohnehin noch mit ihr reden wollte, bevor Niniane sich zur Ruhe legen würde, zupft sie die Freundin am Ärmel, während sie mit einem Auge unsicher zu Caewlin hinüberschielt. "Min ija, ich werde morgen früh den Braunen satteln und eine Weile weg sein. Aber es wird nicht lange dauern, ich muss nur ... ich möchte nur etwas erledigen, das ich nicht länger aufschieben will."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 12. März 2005, 15:13 Uhr
>Was da drin ist? Na, was glaubst du wohl .... Trüffel natürlich, oink oink.< Caewlins Mundwinkel zucken und vertiefen sich, obwohl ihm wirklich nicht nach Lachen zumute ist - aber auch wenn sein Lächeln kaum mehr als eine Ahnung bleibt, es wärmt doch seine Augen. >Das sind Papier und Zeichenkohle und solche Sachen. Ich habe einiges gelernt, während du... während der letzten Wochen.< "Während ich mich wie ein Feigling verkrochen habe, du kannst es ruhig aussprechen," beendet er leise ihren abgebrochenen Satz. Für einen Moment treffen sich ihre Blicke und er findet in ihren Augen ein Echo seiner eigenen Einsamkeit, flüchtig wie ein Schatten. Sie hat Mottenfaenger verloren... erinnert er sich, während Raven schon weiterspricht, über die Schulter irgendetwas von Papier und Kohlestift hervorsprudelt. Vielleicht nicht durch den Tod, aber er ist fort und hat sie verlassen. Nur deshalb ist sie zu Whytfisk gegangen. Caewlin schüttelt sacht den Kopf, als wolle er den Gedanken und alle Erinnerungen, die er mit sich bringt, vertreiben, doch vergebens... etwas Dunkles flackert in seinen Augen auf, Schmerz, Zweifel, Schuld... vor allem Schuld. Sie frißt und gärt in ihm und weckt die ruhelosen Geister dicht unter dem dünnen Firnis seiner Selbstbeherrschung. Raven mag zu Whytfisk gegangen sein, aber sie konnte nicht ahnen, was sie damit auslösen würde und er hatte Calyra hier zurückgelassen. Wäre sie bei mir gewesen, hätte ich ihr erlaubt, mit mir zu gehen, so wie sie wollte, sie wäre niemals getötet worden. Götter, vergebt mir... Um ein Haar hätte er Raven nach dem Grund für das Verschwinden des Druiden gefragt, doch sie huscht bereits mit einem "Warte, ich zeige es dir." hinaus. Die seltsame Mischung aus plötzlicher Begeisterung und mühsam verborgener Scheu in ihrer Stimme und in ihren Augen läßt ihn aufhorchen und ihr nachsehen. Es dauert nicht lange, bis sie mit einem dicken Stapel an knisternden Beweisen ihrer neuen Leidenschaft zurückkommt und ihm alles nach einem Augenblick unentschlossenen Zögerns verlegen in die Hände drückt.

>Das eine hier ist ... es ist für dich...< murmelt sie, ohne ihn dabei anzusehen und eilt dann sichtlich erleichtert zu Niniane, die eben hereinkommt, wechselt ein paar leise Worte mit der Waldläuferin und späht ab und an zu ihm herüber, wenn sie glaubt, er sehe nicht hin. Caewlin hört mit halbem Ohr, wie sie davon spricht, morgen fortzureiten um irgendetwas zu erledigen und wirft ihr einen langen Blick zu, aber dann legt er den grobzinkigen Kamm fort und sieht sich an, was sie ihm hatte zeigen wollen. Pergament und Papier rascheln trocken unter seinen Fingern, als er das erste Blatt zur Hand nimmt. Skizzen der Kinder und Hunde kommen zum Vorschein, oft nicht mehr als flüchtige Linien und rasche, dunkle Striche und doch seltsam eindringlich. Ein Bild von Akira sticht ihm ins Auge, schwarze Kohle und verwischte Schatten: nur der Kopf, ein Auge und die haifischartigen Kiefer sind ausgearbeitet, der Rest des Hundekörpers ist blass, kaum angedeutet - dennoch ist es Raven gelungen, die ganze Präsenz eines normander Bluthundes darin einzufangen. Portraits und Skizzen von Cron, Niniane und den Kindern folgen - und Zeichnungen von ihm selbst, schlafend. Ein großer Mann in einem runden Bett, der die Augen vor der Welt verschlossen hat. Er legt die Zeichnungen beiseite und sein Blick fällt auf das zusammengerollte Papier. Es ist größer als die meisten anderen und scheint ihn zu verspotten. "Das eine hier ist ... es ist für dich..." ist es das? Oder eine der anderen Zeichnungen? Eine der Skizzen? Was? Er streckt die Hand danach aus und entrollt es vorsichtig, doch als er sieht, was es ist, erstarrt er. Wäre er nicht schon gesessen, hätten seine Knie jetzt nachgegeben und alles um ihn her verblaßt zu vagen Schemen. Es ist ein Portrait und zeigt eine Frau, fast noch ein Mädchen mit feingemeißelten, weichen Zügen, eingerahmt von langen, hellen Locken. Ihre Augen sind groß und klar mit langen Wimpern, die Brauen geschwungene Bögen. Hohe, runde Wangenknochen schimmern unter glatter Haut, ein voller Mund lächelt leicht und tausend Sommersprossen drängen sich auf einer zierlichen, geraden Nase und einer eleganten Stirn. Der Blick ist weit, offen und fast verträumt, aber das Kinn ist entschlossen erhoben und die Kopfhaltung scheu und selbstbewußt zugleich. Das Bild wirkt so echt, als könne er weiches Fleisch und zarte Haut anstatt kühles Pergament berühren, wenn er die Finger darauf legen würde und seine Hand zittert so sehr, daß es ihm beinahe entglitten wäre. Einen Moment lang kann er nicht einmal mehr atmen und er hat keine Ahnung, wie lange er braucht, um sich wieder in die Gewalt zu bekommen, aber als er aufblickt, ist Niniane fort und Raven steht neben ihm. Sie hat die Arme um ihre Mitte geschlungen und sieht aus, als wolle sie jeden Moment davonlaufen. "Es ist... danke." Seine Stimme klingt belegt, hört sich an, als schnüre ihm etwas die Luft ab, obwohl sein Hemdkragen weit offen steht.

Das Portrait anzusehen tut weh, aber er kann den Blick nicht davon abwenden. Ein Durcheinander von Gefühlen wabert in seinem Inneren,  Bestürzung, Schmerz, Sehnsucht, Trauer, Verwirrung und doch auch Freude. Über ein Bild von Calyra an sich und über das, was es bedeutet. Brynden würde nie vergessen, wie seine Mutter ausgesehen hat. Caewlin weiß wie es ist, wenn das Gesicht eines geliebten Menschen mit den Jahren verblaßt, wie man sich fühlt, wenn man sich nicht mehr an Einzelheiten erinnern kann, die so wichtig sind und die man nie vergessen wollte. Und er selbst... Caewlin holt tief und langsam Luft. Seine Züge hat er wieder unter Kontrolle, den Schmerz in seinen Augen nicht, doch er versucht gar nicht erst, ihn zu verbergen. Raven kennt ihn ohnehin zu gut, als daß er ihr etwas vormachen könnte. Calyra hat kein Grab. Niemand im Norden wird der kalten Erde übergeben, die voller Würmer und Getier ist... aber mit dem Bild könnte er Zwiesprache halten - vielleicht. Er könnte es rahmen lassen und aufhängen... und von Zeit zu Zeit, wenn die Einsamkeit zu groß wäre, dann könnte er es ansehen. Calyra würde ihm entgegenblicken und er könnte sich vorstellen, daß ihr Lächeln auf dem Pergament dort ihm gilt, und ihre Stimme in seinen Gedanken hören. "Danke," murmelt er nocheinmal nach einem vernehmlichen Räuspern und rollt das Bild behutsam auf. "Ich werde es aufhängen."  Einen Moment herrscht fast befangenes Schweigen zwischen ihnen, aber dann hebt er den Blick und sieht sie an. "Die sind gut. Deine Zeichnungen, meine ich. Mehr als gut. Obwohl... ich das vielleicht gar nicht beurteilen sollte. Ich kann nicht einmal mehr anständig schreiben," mit einem gequält trockenen Lächeln schwenkt er demonstrativ den Armstumpf. Sich beizubringen, mit Links zu kämpfen und den Morgenstern zu führen, hatte ihn endlose Monde voll quälender Schufterei gekostet. Sich beizubringen, mit der linken Hand zu schreiben, hatte ihn fast umgebracht und seine Schrift ist krakelig wie die eines Siebenjährigen... und das würde sie vermutlich für den Rest seines Lebens bleiben. Er könnte nicht einmal ein Strichmännchen zeichnen, geschweige denn solche Bilder... und das hätte er auch mit seiner rechten Hand nie gekonnt. "Aber deine Bilder gefallen mir... sehr." Er dreht das eingerollte Papier mit Calyras Portrait in der Hand und legt es dann vorsichtig beiseite. "Du willst morgen zum Baum hinausreiten," wechselt er abrupt das Thema, aber es ist keine Frage, eher eine Feststellung. Sie nickt, aber er kann den Schatten in ihren Augen sehen, als er langsam aufsteht, das Feuer im Kamin mit ein paar dicken Buchenscheiten füttert und dann für die Nacht abdeckt. Der flackernde Flammenschein im Raum verdüstert sich zu schwachem Glühen und weißer Schneehelle von draußen.

"Du solltest eine Axt mitnehmen. Oder ein Fläschchen Loas Öl und das ganze, verdammte Ding niederbrennen." Er hat keine Ahnung, was in den Spaßmacher gefahren sein mag, ob er seine Gründe hatte oder nicht, aber die Frage spielt für ihn auch keine große Rolle. Er war Ravens Gefährte gewesen - der sie verletzt und im Stich gelassen hatte. Und das nicht zum ersten Mal. Dafür gibt es in Caewlins Augen keine Entschuldigung... sollte der Druide je zurückkehren, würde er sich wünschen, weit, weit fort geblieben zu sein. Er hätte ihr gern angeboten, sie zu begleiten, aber er ahnt, daß sie das allein tun will und muß, also hält er den Mund, obwohl ihm beim Gedanken an einen weiten Ritt von Raven mutterseelenallein durch den winterlichen Wald alles andere als wohl ist. Sei kein Narr, sie kann wunderbar auf sich aufpassen und du würdest nur stören. Abgesehen davon kippst du in deinem wackligen Zustand nach fünf Minuten ohnehin aus dem Sattel... Einen Moment verharrt er vor dem Feuer, sein Schatten riesig im roten Schein an den gewölbten Wänden, dann dreht er sich um und nimmt das Portrait wieder an sich. "Ich gehe schlafen. Das Essen war gut, aber ich bin zum ersten Mal seit Wochen ein paar Stunden auf den Beinen und das Bad hat mir den Rest gegeben." Akira tappt an seine Seite, als wäre das ihr Stichwort gewesen und auch Stelze erhebt sich steif und streckt den langen, grauen Körper. Die Krallen der Hunde klicken leise auf den glänzenden Bodendielen, als sie ihm folgen und auch Raven nickt und sammelt ihren Papierstapel ein. In dem Gemach, das ihnen in den vergangenen Wochen als Krankenquartier gedient und das Niniane ihnen überlassen hat, steht nur ein Bett. Es ist rund, wie alle Elbenbetten und so breit, daß selbst Caewlin darin einen Siebentag hätte schlafen können, ohne zweimal an derselben Stelle zu liegen, aber nichtsdestotrotz ist es nur ein Lager und sein Anblick läßt ihn kurz innehalten. Was, wenn sie... nun ja, nicht neben ihm schlafen wollte - jetzt, wo er wach und bei sich war? Sei nicht albern. Raven hat in den vergangenen Wochen Nacht für Nacht neben dir gelegen. Abgesehen davon haben wir uns schon an schlimmeren Orten ein paar Schlaffelle oder Decken geteilt. "Ich schlafe auf dem Boden, wenn es dir etwas ausmacht." Er legt das zusammengerollte Bild auf das Kaminsims und schürt auch hier das Feuer neu - die Nacht draußen ist sternenklar und verspricht klirrende Kälte. Dann fällt sein Blick auf die beiden Fellberge, grau und schwarz, die es sich auf dem Luchspelz am Boden vor dem Kamin bereits bequem gemacht haben und seine Mundwinkel verziehen sich belustigt, während er spöttelnd eine Braue hebt. "Wenn ich dort einen Platz finde, heißt das. Niniane hat bestimmt irgendwo Bettzeug."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 13. März 2005, 11:51 Uhr
Raven tauscht einen langen Blick mit der Waldläuferin und hält im flackernden Schein des Kaminfeuers stumme Zwiesprache mit ihr. Sie muss gar keine großartigen Erklärungen abgeben, denn Niniane scheint mit einem untrüglichen Gespür und ihren feinen elbischen Sinnen ohnehin zu ahnen, was am morgigen Tag ihr Ziel sein wird und wohin sie reiten will. Viel zu lange hat Raven es schon aufgeschoben, immer wieder verzweifelt nach Ausreden gesucht, um sich vor dieser Aufgabe zu drücken, aber sie muss die Sache irgendwann zu einem Ende bringen und noch einmal an den Ort zurückkehren, der für die letzten zwei Jahre ihr Zuhause war, auch wenn sie sich davor fürchtet. Sie weiß, dass es schmerzen wird, aber sie weiß auch, dass sie niemals einen Weg in ein anderes, ein neues Leben finden kann, solange sie nicht mit dem alten abgeschlossen hat. Während Niniane nickt und dann leise und vorsichtig ihre schlafende Tochter aus der Wiege nimmt und mit ihr schließlich Richtung Schlafgemach verschwindet, wirft Raven immer wieder vorsichtige Blicke zu Caewlin hinüber, der mit dem Entwirren seiner Haarmähne innegehalten und den Kamm beiseite gelegt hat und nun gedankenversunken in dem Papierstapel herumkramt, den sie ihm gereicht hat. Er betrachtet jedes einzelne Blatt; manche legt er gleich wieder beiseite, auf manchen verweilt sein Blick jedoch ein wenig länger und dann und wann zeigt sich ein Stirnrunzeln oder ein kaum merkliches Zucken seiner Mundwinkel.

Während eine Zeichnung nach der anderen langsam durch seine blätternden Finger raschelt, mustert Raven bange sein Gesicht, das von der Glut des herunterbrennenden Feuers in warmen Goldschein getaucht wird. Sein Haar, noch feucht und zerzaust vom Bad in der heißen Quelle zwischen den Wurzeln des Baumes, ergießt sich wie dunkelglänzendes Kupfer über seine Schultern. Oft ist sein Gesicht verschlossen, aber manchmal, wenn er es zulässt - wenn seine grimmige Miene zu bröckeln beginnt oder wenn er so selbstvergessen dasitzt wie in diesem Augenblick -, kann sie darin lesen wie in den Seiten eines aufgeschlagenen Buches. Und was sie darin sieht, als Caewlin das Pergament mit Calyras Portrait entrollt, ist das Auflodern von Schrecken und schmerzlichen Erinnerungen. Seine Augen werden auf einmal ganz starr und für einen Moment sieht er aus, als würde er rücklings vom Stuhl kippen wollen, während sein Blick an den dunklen, weichen Kohlestrichen klebt. Sein Gesicht ist weiß wie eine gekalkte Wand. "Ich ... es tut mir leid", kann sie nur flüstern, bestürzt über die Reaktion, die sie mit dem Bild ausgelöst hat. "Ich wollte dich damit nicht erschrecken, ich wollte nur ... ich dachte..." Er scheint sie überhaupt nicht zu hören und als Raven einen Schritt näher tritt, kann sie den quälenden Widerstreit von Gefühlen erkennen, der sich in den Tiefen seiner Augen spiegelt, als er mit zitterndem Zeigefinger die Kontur des Gesichts auf dem Pergament nachfährt. In ihnen liegt so viel Schmerz und er sieht so verloren aus, dass sie am liebsten die Arme um ihn geschlungen und ihm irgend etwas tröstliches gesagt hätte, aber sie steht nur wie festgenagelt da und bringt kein einziges Wort heraus.

Einige Herzschläge lang starrt Caewlin noch auf das Blatt und wirkt, als würde er sich in einer gänzlich anderen Welt befinden, weit fort von hier, dann hat er sich wieder halbwegs gefangen und rollt den Bogen vorsichtig zusammen. >Die sind gut. Deine Zeichnungen, meine ich. Mehr als gut.< Seine Worte bringen Raven sichtlich in Verlegenheit und sie macht eine abwehrende Handbewegung und murmelt etwas von Anfängerglück, wobei sie hofft, dass der flackernde Feuerschein ihr Erröten verbirgt. >Obwohl... ich das vielleicht gar nicht beurteilen sollte. Ich kann nicht einmal mehr anständig schreiben,< fügt er hinzu und wedelt zur Demonstration mit seiner Eisenschelle. "Das kann ich auch nicht", erwidert sie leise und senkt beschämt den Blick. "Obwohl ich noch beide Hände habe. Ich hab's nie gelernt." Sie nimmt Caewlin den Stapel Papier ab, schlichtet ihn zu einem ordentlichen Haufen und packt ihn zu den übrigen Zeichenutensilien in die Holzkiste, während er sich leise ächzend aus dem zierlichen Elbensessel quält und sich am Kamin zu schaffen macht. >Du willst morgen zum Baum hinausreiten<, stellt er fest und stochert mit dem Schürhaken in der Glut herum, bis die Funken hell aufstieben, so dass er ihr Nicken nicht sehen kann. >Du solltest eine Axt mitnehmen. Oder ein Fläschchen Loas Öl und das ganze, verdammte Ding niederbrennen.< Der leise grollende Unterton in seiner Stimme lässt Raven aufsehen. Sie starrt seinen Rücken an und die Schultern, die in den letzten Wochen so knochig geworden sind. Seine Gestalt hebt sich als großer, kantiger Schattenriss gegen den rotleuchtenden Schein der Glut ab. "Ja, das sollte ich", murmelt sie. Glaub nicht, dass ich daran nicht schon gedacht hätte. "Aber es wird nichts nützen. Selbst eine Axt oder Loas Öl werden die Wunden nicht schließen, die er geschlagen hat." Sie wagt noch gar nicht daran zu denken, was ihr der morgige Tag bringen wird und auf einmal fühlt sie sich nur noch erschöpft und entsetzlich müde. Als Caewlin mit den Hunden in Richtung des Gästezimmers verschwindet, sammelt sie noch die letzten Blätter auf, klemmt sich die Holzkiste unter den Arm und trottet hinter ihm her, um im Türrahmen fast mit ihm zusammenzustoßen, als er dort plötzlich innehält.

"Was .... was ist?" Ihre Augen folgen seinem Blick zu dem breiten, bequemen Lager, das sie seit Wochen teilen und zuerst versteht sie nicht, was Caewlin so plötzlich daran irritiert, aber als sie begreift, kann sie spüren, wie ihre Ohren zu glühen beginnen. >Ich schlafe auf dem Boden, wenn es dir etwas ausmacht. Wenn ich dort einen Platz finde, heißt das<, meint er mit einem amüsierten Blick auf die beiden Hunde, die sich auf den weichen Fellen vor dem Kamin zu einem schwarzgrauen Haufen verknäult haben. "Neineinein", protestiert Raven eilig und reißt erschrocken die Augen auf, während sie ihre Utensilien auf eine der Truhen legt. "Es macht mir nichts aus, bestimmt nicht. Nein, wirklich nicht. Du musst doch nicht auf dem Fußboden schlafen .... es sei denn, dir macht es etwas aus und du willst nicht mit mir in einem Bett schlafen. Dann kann ich auch die Hunde mit ins Bett nehmen, wenn dir das lieber ist .... ähm, nein, was für ein Unsinn, du bist noch krank und verletzt und brauchst deine Ruhe, also wirst du im Bett schlafen und ich bei den Hunden vor dem Kamin. Aber wir können auch .... also, es macht mir wirklich nichts, wenn du ... ähm, ich meine..." Völlig verwirrt lässt sie sich auf die Bettkante sinken. Du blöde Gans, du schläfst doch schon wochenlang neben ihm, was soll daran jetzt plötzlich anders sein, nur weil er wieder bei Sinnen ist? Aber irgend etwas ist anders, obwohl sie nicht sagen könnte, was. Und das beunruhigt sie zutiefst.

"Wir .... wir sind uns doch nicht fremd", haspelt sie hektisch hervor, während die zarte Röte sich allmählich von den Ohren zu den Wangen hin ausbreitet. "Wir schlafen seit Wochen hier in diesem Zimmer und ich hatte wirklich genug Zeit, dich anzuschauen. Ich hab dich gezeichnet, ich hab dein Gesicht studiert und auch den Rest und..." Als sie merkt, was sie sagt, hält sie erschrocken inne und wird auf einmal rot bis zu den Haarwurzeln. "Ähm, nein, natürlich nicht so ... uh, ich meine..." Plötzlich bräuchte sie dringend ein Mauseloch, in dem sie verschwinden könnte und wünscht sich, sich könne sich in Luft auflösen. "Natürlich schläfst du hier. Alles andere wäre Unsinn. Aber es ... es wäre nett, wenn du dich kurz ..." Sie malt mit den Fingern Kreisel in die Luft und schaut Caewlin verlegen an. "...umdrehen könntest." Hektisch schlüpft sie aus ihren Kleidungsstücken und streift sich ein knielanges, dünnes Leinenhemd über den Kopf, während er sich mit einem belustigten Funkeln in den Augen zum Feuer dreht und Holzscheite nachlegt. "Komm her", sagt sie dann leise und klopft mit der flachen Hand neben sich auf die Laken. "Und lass dir vor allem die Knoten aus den Haaren kämmen, sonst siehst du morgen aus wie ein wildgewordenes Stachelschwein." Als er sich auf dem Lager niederlässt, kniet sie sich hinter ihn und versucht mit den Fingern, ihrem aus Horn geschnitzten Kamm und konzentriert gefurchter Stirn, die wilde, kastanienbraune Haarflut zu bändigen, die nach dem Bad nur noch aus tausend Schlingen und Knoten zu bestehen scheint. Nachdem es ihr einigermaßen gelungen ist, widmet sie sich ihrem eigenen Haar, löst die langen Flechten ihres Zopfes und bürstet es aus, bevor sie unter die Bettdecke kriecht. Dann liegt sie mit offenen Augen in der Dunkelheit, lauscht auf das Knacken des Feuers und Caewlins ruhigen Atem neben sich, fürchtet sich vor dem morgigen Tag und versucht trotz der unablässig kreisenden Gedanken irgendwie einzuschlafen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 13. März 2005, 18:37 Uhr
Bei ihrem erschrockenen Neineinein blickt er verwundert auf, aber noch bevor er auch nur mit den Schultern zucken und die Sache als geklärt ansehen kann, sind Ravens Ohren schon rosa angelaufen und sie sieht überall hin, aber nicht in sein Gesicht, während sie händeringend eine Erklärung hervorsprudelt. >Es macht mir nichts aus, bestimmt nicht. Nein, wirklich nicht. Du musst doch nicht auf dem Fußboden schlafen .... es sei denn, dir macht es etwas aus und du willst nicht mit mir in einem Bett schlafen. Dann kann ich auch die Hunde mit ins Bett nehmen, wenn dir das lieber ist .... ähm, nein, was für ein Unsinn, du bist noch krank und verletzt und brauchst deine Ruhe, also wirst du im Bett schlafen und ich bei den Hunden vor dem Kamin. Aber wir können auch .... also, es macht mir wirklich nichts, wenn du ... ähm, ich meine...< Caewlin muß sich auf die Zunge beißen, um nicht laut zu lachen. "Ah-jaa...?" fragt er gedehnt, mühsam verhüllte Belustigung in den Augen. Ihm war ja schon viel untergekommen, aber zugunsten zweier Hunde hatte ihn noch keine von der Bettkante gestoßen. Raven dagegen sinkt auf den Rand des Lagers, als gehe ihr eben erst auf, was sie da gerade von sich gegeben hat und obwohl das schwache Glimmen des eingedämmten Feuers das einzige Licht im Raum ist, könnte er schwören, daß der rosige Schimmer auf ihren Wangen nicht vom Flammenschein kommt. Anstatt den Mund zu halten, fährt sie jedoch eifrig damit fort, sich hinreißend verlegen um Kopf und Kragen zu reden. >Wir schlafen seit Wochen hier in diesem Zimmer und ich hatte wirklich genug Zeit, dich anzuschauen. Ich hab dich gezeichnet, ich hab dein Gesicht studiert und auch den Rest und...Ähm, nein, natürlich nicht so ... uh, ich meine...<

Caewlin nutzt ihr erschrockenes Nach-Luft-Schnappen, als ihr der Sinn ihrer Worte aufgeht, um mit wölfischem Grinsen den Stapel ihrer Zeichnungen anzuvisieren. "Welchen Rest?" Hakt er mit sanfter Bosheit nach. Die Versuchung, sie weiter zu necken, ist einfach zu groß. "Erklär mir das doch einmal genauer. Ich fürchte, ich muß mir diese Zeichnungen noch einmal ansehen. All die wirklich interessanten Bilder, die du mir vorhin vorenthalten hast..." Ihr erschrockenes Kopfschütteln ignorierend, setzt er sich in Richtung ihrer Truhe in Bewegung, aber ihr kategorisches: >Natürlich schläfst du hier. Alles andere wäre Unsinn.< läßt ihn nachsichtig auf halbem Weg innehalten. Inzwischen nicht mehr nur rosig, sondern knallrot auf Wangen und Nase, bittet sie ihn nur verlegen, sich umzudrehen. Er tut es, aber nicht, ohne daß das Wolfsgrinsen auf sein Gesicht zurückkehrt - die pointierte Bemerkung über Ungerechtigkeit und ihren Vorsprung im Studieren gewisser Reste, die ihm dabei schon auf der Zunge liegt, schluckt er jedoch ungesagt wieder hinunter... sie hat auf ihrer Seite des Bettes viel zu viele schwere Wurfgeschosse in Reichweite. Caewlin, weit weniger verlegen, legt seine eigenen Kleider bis auf die Unterwäsche ab - eine kurze Hose aus ungebleichtem Leinen, die von einem Band um die Hüften gehalten wird und ihm knapp bis zur Mitte der Oberschenkel reicht - und stochert in der Glut herum, bis das Rascheln ihrer Kleider und das leise Knarren des Bettes verraten, daß sie fertig ist. Zu seiner Überraschung hat sie sich keineswegs bis zur Nasenspitze in den Pelzen vergraben, sondern kniet mit einem Kamm in der Hand auf den Felldecken, als er sich umdreht - und kaum hat er sich auf den Bettrand gesetzt, rückt sie entschlossen den letzten Knoten und Verfilzungen in seinem Haar zu Leibe.

Caewlin läßt die Prozedur über sich ergehen, auch wenn er mehrmals protestierend knurrt und behauptet, sie reiße ihm den Kopf ab. Raven schilt ihn nur gut gelaunt, still zu halten, dann täte es auch nicht weh und fährt unbeeindruckt fort, ihn mit dem Kamm zu bearbeiten - und als sie fertig ist, fühlt sein Haar sich wieder dicht und glatt an. Caewlin lehnt sich in die Kissen, während sie ihren Zopf löst und sich dann in die Decken kuschelt, spürt eine angenehme Mattigkeit bis in die Knochen und weiß doch, daß er trotz Müdigkeit noch länger keine Ruhe finden würde. Er ahnt, daß auch sie nach einer ganzen Weile noch nicht schläft, obwohl sie ruhig neben ihm liegt, keine Armlänge entfernt... und ihm fällt etwas ein, daß sie vorhin im Kaminzimmer gesagt hatte. "Willst du Schreiben lernen? Irgendwann einmal, meine ich. Mit einem Buchstabenkasten. Cal... Calyra. Sie konnte es... auch nicht. Auch nicht lesen... aber man kann es lernen. Wenn du willst, kann ich dir zeigen wie... irgendwann. Und Raven..." er dreht sich auf die Seite, stopft das Kissen unter seinem Arm zurecht und schließt die Augen. "Nimm morgen lieber eine Axt mit. Dieser närrische Druide hatte dich gar nicht verdient."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 14. März 2005, 14:00 Uhr
Bei Caewlins spöttisch erhobenen Brauen und seinem mehr als anzüglichem Grinsen wäre Raven am liebsten im Erdboden versunken und als er dann auch noch zielstrebig auf die Truhe mit ihren Zeichnungen zusteuert, um die 'wirklich interessanten' Bilder zu begutachten, ist es ganz aus mit ihrer mühsam aufrecht erhaltenen Fassung und sie kann nur noch entsetzt nach Luft schnappen. Nicht, dass sich in der Kiste irgend etwas befinden würde, das er nicht sehen dürfte - aber allein der Unterton, mit dem er das Wort 'Reste' ausspricht, lässt ihre Wangen beinahe die Farbe reifer Tomaten annehmen. Er hat genau dieses typische Mörderlächeln im Gesicht, bei dem man sich fühlt, als wäre man ein saftiges Kotelett und er ein hungriger Wolf, der gerade genüsslich sein Abendessen betrachtet. "Das sind nur anatomische Studien", nuschelt sie und macht sich hektisch an den Fellen auf dem Bett zu schaffen, als gäbe es im Moment nichts wichtigeres zu tun, als imaginäre Staubkörnchen zu entfernen und Falten glattzustreichen. "Völlig harmlos. Außerdem hast du sie schon alle gesehen." Raven Schattenhaar! Halt um Himmels Willen jetzt endlich die Klappe!

Als Caewlin auf halbem Wege wieder kehrt macht, fällt ihr kein Stein vom Herzen, sondern ein halbes Gebirge. Allerdings muss sie gleich darauf mit wachsender Unruhe feststellen, dass er sich ohne jegliches falsches Schamgefühl aus seinen Kleidungsstücken schält. Stell dich bloß nicht so an, schimpft sie sich, du hast ihn schon mit weit weniger am Leib durch irgendwelche Kanäle geschleppt. Es gibt aber definitiv einen Unterschied zwischen einem schwerverletzten, blutüberströmten, besinnungslosen Nordmann, den man aus Not und Verzweiflung durch die Gegend schleift, und einem, der frischgewaschen und ziemlich lebendig in Unterwäsche neben einem steht und mit süffisantem Gesichtsausdruck auf einen heruntergrinst, wie sie mit einem ziemlich flauen Gefühl im Magen bemerken muss. Als er in aller Seelenruhe zu ihrem Lager herüberschlendert, betrachtet sie ihn zwei, drei Herzschläge lang, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen - ein Kerl, groß wie ein Schrank, der trotz des Gewichts, das er in den letzten Wochen verloren hat, noch immer erschreckend gut gebaut ist, mit einer wilden Haarmähne und einem noch wilderen Grinsen, mit Muskeln, die sich wie gemeißelt unter seiner Haut abzeichnen und einer Präsenz, die den ganzen Raum auszufüllen scheint. Würde sie ihn nicht so gut kennen, würde sie spätestens in diesem Moment kopflos die Flucht ergreifen oder zumindest sicherheitshalber in Ohnmacht fallen.

Raven kann sich noch gut an ihre erste Begegnung erinnern: es hatte wie aus Kübeln gegossen und sie war zusammen mit Morholdrim auf dem nächtlichen Marktplatz gestanden und hatte in heller Panik den Zwerg zu überreden versucht, mit ihr nach ihrem Pferd zu fahnden, das irgendwo weit draußen vor der Stadt mit einem verstauchten Bein verlorengegangen war, als wie aus dem Nichts auf einmal eine riesenhafte Gestalt im schüttenden Regen aufgetaucht war - ein Hüne von Mann, ganz in schwarz gekleidet, mit einer furchterregenden Narbe im grimmigen Gesicht und einem noch furchterregenderem Morgenstern am Gürtel, der auf einem schnaubenden Ungetüm von Pferd saß und aus luftiger Höhe zu ihnen hinunter fragte, ob er ihnen helfen könnte. Er hatte ausgesehen, als wäre er mitsamt seinem riesenhaften Gaul direkt einer der Neun Höllen entsprungen und Morholdrim und sie hatten bei seinem Anblick um die Wette geschlottert. Nun hockt er vor ihr auf der Bettkante, sanft wie ein Lämmchen, lässt sich von ihr an den Haaren herumzerren und Raven kann nur mit Mühe ein Kichern zurückhalten. Was für eine verrückte Welt... Als sie kurze Zeit später zusammengerollt unter den Fellen liegt und seinem Atem lauscht, verschwindet das Grinsen jedoch wieder und die Erinnerungen verblassen und machen anderen, weit weniger angenehmen Gedanken Platz, Gedanken an den kommenden Tag, an einen leeren Baum und ein leeres Leben und es erfüllt sie mit einem vagen Gefühl der Furcht. Was soll nun werden, wo soll sie hin? Zurück in das kleine Haus? Oder doch in eine andere Stadt, wie sie kurzzeitig überlegt hatte? Sie kann nicht ewig hier bleiben und irgendwann, wenn die Tage länger und die Nächte wärmer werden, wird sie Ninianes Baum verlassen müssen und jeder von ihnen wird wieder seiner eigenen Wege gehen. Der Gedanke daran hinterlässt eine leise Traurigkeit und sie weiß jetzt schon, dass sie das alles vermissen wird - die lebendige Wärme des alten Baumes, das fröhliche Kindergeschrei, das Lachen, die langen Gespräche am Kaminfeuer und den lärmenden Alltag zwischen Kindern und Pferden und Hunden. Und auch die tiefen Atemzüge neben sich, die leisen Geräusche der Nacht, den Geruch und die Nähe eines großen, warmen Körpers. Es ist ihr in den vergangenen Wochen so vertraut geworden, dass sie es sich kaum mehr anders vorstellen kann.

Caewlins Stimme, die neben ihr durch das Dämmerlicht flüstert, schreckt sie aus ihren schläfrigen Gedanken. >Willst du Schreiben lernen?< fragt er. >Irgendwann einmal, meine ich. Mit einem Buchstabenkasten. Cal... Calyra. Sie konnte es... auch nicht. Auch nicht lesen... aber man kann es lernen. Wenn du willst, kann ich dir zeigen wie... irgendwann.<
Sie rollt sich zu ihm herum und sucht seinen Blick. Seine Augen sind zwei hellschimmernde Punkte in der Dunkelheit. "Ich kann nur meinen Namen schreiben", gesteht sie leise. Und wieder ist da dieses seltsam brennende Gefühl der Scham. "Und ein bisschen lesen. Naja, es reicht, um einzelne Wörter zu entziffern, aber viel ist es nicht. Wenn du ... würdest du es mir denn beibringen? Ich würde es gerne lernen." Sein Angebot rührt sie zutiefst. "Das würde ich wirklich gern." Er grunzt noch irgend etwas in das Kissen, dann verschwinden die beiden schimmernden Punkte im Dunkel, als sich seine Lider über ihnen schließen. >Und Raven ...nimm morgen lieber eine Axt mit. Dieser närrische Druide hatte dich gar nicht verdient.< Einen Moment lang starrt sie sprachlos auf die dunkle Silhouette neben sich, bevor sie den Kopf wieder in die Kissen sinken lässt und ihr Gesicht darin vergräbt. Und es ist auch nur das Kissen, das das winzige Lächeln in ihren Mundwinkeln sieht, als sie endlich einschläft.

Als sie im Morgengrauen erwacht, nach einer unruhigen Nacht und einem Strudel beängstigender Träume von verdorrten Bäumen und seltsamen Steinhallen, die sie hin und wieder aufgeschreckt haben, kriecht draußen vor dem eisblumenverzierten Fenster gerade der erste blasse Lichtstreifen über den Ildorel. Mit einem Auge blinzelt sie zu Caewlin hinüber, der noch in tiefem Schlummer zu liegen scheint. Leise, um ihn nicht zu wecken, schwingt sie die Beine aus dem Bett und angelt nach Hemd und Hose, um gleich darauf aufzustehen, sich am Waschtisch einen Schwall kalten Wassers ins Gesicht zu klatschen und ihr zerzaustes Haar zu einem dicken Zopf zu flechten. Als sie das Zimmer verlässt, ist von oben das leise, schlaftrunkene Quengeln eines Kindes zu hören, aber ansonsten scheint noch niemand wach zu sein und das ist ihr ganz recht. In der Küche schürt sie das Herdfeuer und setzt den Wasserkessel auf, trinkt im Stehen eine Tasse Tee und schlüpft dann in Stiefel und Umhang, um sich lautlos nach draußen zu stehlen. Der Himmel hat sich mittlerweile zu einem blassen, eisighellen Blau aufgeklart und es ist so klirrend kalt, dass sich die Luft anfühlt, als würde sie aus Millionen von Nadeln bestehen.

Raven wickelt sich fest in ihren Umhang und stapft durch den tiefen, knirschenden Schnee zum Stall hinüber. Eine Reihe schläfriger, langbewimperter Augen blickt ihr entgegen und gleich darauf wird ein einträchtliches Schnauben laut, als die hungrigen Pferde energisch Futter fordern. Raven schöpft mit einem Holzeimer Hafer aus der Futterkiste und wirft jedem Pferd zwei Scheffel voll in die leeren Krippen, packt jedem noch einen Armvoll Heu dazu und macht sich daran, den Braunen zu putzen und zu satteln. Aus der Nebenbox begrüßt Caewlins Grauer den morgendlichen Störenfried freundlich wie immer, indem er wild mit den Augen rollt und die langen, gelben Zähne in ihre Richtung bleckt. Der Braune erträgt die Störung dagegen mit stoischer Ruhe, hat im Handumdrehen den Hafer verschlungen und das Heu in sich aufgesaugt und schnobert bettelnd an ihren Taschen herum. "Nimm deine Nase da raus, du gefräßiges Ungeheuer", tadelt sie ihn und führt ihn am Zügel aus dem Stall, wo sie ächzend in den Sattel klettert. Ihr tun von den Rutschpartien gestern sämtliche Muskeln weh, vor allem die in den Beinen und im Allerwertesten und so macht sie vermutlich beim Aufsteigen nicht gerade eine elegante Figur, aber zumindest schafft sie es auf den Rücken des Braunen. Mit einem kurzen, prüfenden Blick sucht sie nach den Spuren, die Niniane und Cron am Vortag mit ihren beiden Pferden hinterlassen haben und folgt dem ausgetretenen Pfad im hohen Schnee um den Baum herum und dann Richtung Nordtor.

----> Larisgrün

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 16. März 2005, 23:46 Uhr
In der Nacht


Niniane steigt mit gemischten Gefühlen die gewendelte Treppe, die der gewölbten Innenseite des gewaltigen Baumstammes folgt, in ihr Schlafgemach unter der ausladenden Krone hinauf. Shaerela regt sich kurz in ihrem Körbchen, wacht jedoch nicht auf - dennoch wiegt sie das Weidenbettchen ihrer Tochter ganz automatisch mit einem leisen, beruhigenden Gurren. Wir müssen uns etwas einfallen lassen... für diesen Korb und ihre Wiege ist sie jetzt endgültig zu klein, sie braucht ein Kinderbett. Caewlin wach und offenbar halbwegs bei Verstand vorzufinden, hatte sie ermutigt und erleichtert... und ihr Herz zugleich  mit nagender Sorge erfüllt. Noch immer gibt sie sich zumindest größtenteils die Schuld am Tod Phelans und Calyras. Den einen hatte sie an ihrer Statt in die Tunnel geschickt, die andere hatte sie geschworen zu beschützen und dabei versagt. Sie weiß, dass sie machtlos gegen das Schicksal ist, dass es jeden hätte treffen können, dass niemand mit Whytfisks verschlagenem Mörderplan hatte rechnen können, aber so oft sie sich all das auch vorbetet, das Schuldgefühl bleibt. Sie würde mit Caewlin reden müssen, früher oder später... jetzt, wo er vielleicht bereit war, aus seinem wochenlangen Schweigen herauszutreten. Was willst du... dein Gewissen erleichtern? Absolution? Als sie ihr Schlafgemach betritt, ist das Feuer in der ummauerten Grube in der Mitte bereits abgedeckt und die dicke Stundenkerze neben dem Bett brennt, doch sie findet Cron zu ihrer Erleichterung noch wach vor. Er steht nur mit Hosen bekleidet am Fenster und starrt durch die mit dicken Eisblumen verzierten bleigefassten Scheiben hinaus in die Nacht, doch als er sie hereinkommen hört, wendet er sich um. Sie lächelt, wenn auch etwas gequält und bettet Shaerela in ihre Wiege, deckt sie sorgsam mit der weichen, daunengefüllten Decke aus Eichhörnchenpelzen zu, und sieht dann nach Brynden, der auf seinem kleinen Bett im Botanikum friedlich vor sich hinschnarcht, sein Stoffhäschen fest in der Hand.

Als sie zu ihm tritt, weiß er auch ohne dass sie irgendetwas sagen muss, was ihr im Kopf herumgeht und sie lehnt sich dankbar für seine Wärme und Nähe an ihn. "Ich weiß. Ich weiß, ich fange schon wieder damit an, aber ich kann einfach nicht anders. Wir müssen es Caewlin sagen... wie Calyra gestorben ist, meine ich. Irgendwann wird er danach fragen und ich will, dass er weiß, dass ich... nun ja, dass ich bereit bin, es ihm von mir aus zu... zu beichten. Verstehst du?" Er murmelt etwas in ihr Haar, das sie nicht versteht, aber sie hört den tröstlichen Unterton in seiner Stimme und schmiegt sich an ihn. Niniane ist wirklich nicht klein für eine Frau, aber in seinem Arm fühlt sie sich immer so - was nicht weiter verwunderlich ist, immerhin geht sie ihm gerade bis zur Schulter und wenn sie vor ihm steht, kann er bequem das Kinn auf ihren Kopf legen. Aber es fühlt sich gut an - hier darf sie klein und schwach, verletzlich und verwundbar und genauso menschlich und mit menschlichen Fehlern behaftet sein, wie jeder andere auch. "Ich weiß, du hast mir schon hundertmal gesagt, ich soll mir nicht die Schuld an dem geben, was passiert ist, aber ich kann nicht anders. Und ich wette mit dir, Caewlin, Raven und Borgil geben sich ebenso die Schuld. Vielleicht sogar Aurian, deren Magie diese Halle oder Honigwabe oder was auch immer zum Einsturz gebracht hat. Die Wahrheit ist, wir haben alle einen Teil Schuld an den Geschehnissen... alle und keiner. Ach, ich weiß doch auch nicht. Wir können ja eine Runde Baumstammwerfen darum spielen, wer von uns Recht hat... Borgil gewinnt," fährt sie mit unfrohem Grinsen fort. "Normalerweise würde ich ja auf Caewlin wetten, aber der ist noch nicht ganz wieder in Form." Sie spürt, das halbunterdrückte Lachen, das Crons Brust erschüttert und hebt den Kopf, um ihm ins Gesicht zu sehen. Zu ihrer Überraschung ist er frisch rasiert, auf seinem Kinn glänzt noch ein Fleck Feuchtigkeit.

"Nun, immerhin ist er aufgestanden und hat sogar mit uns gegessen," fährt sie leise fort. "Und er hat gebadet. Aber mit mir jedenfalls hat er kaum gesprochen. Mit dir?" Ihr Blick wird fragend, aber er schüttelt nur sacht den Kopf. "Auch nicht... Mist. Er kann doch nicht... nicht ewig schweigen. Ach... verflixt!" Am Ende mit ihrer Weisheit ist sie was Caewlins Verfassung angeht schon lange... aber dieser Tag scheint wenigstens ein Anfang. Immerhin hatte es so ausgesehen, als habe er wenigstens mit Raven gesprochen, als sie vorhin Shaerela aus dem Kaminzimmer geholt hat. "Er wird mit Raven reden," behauptet sie zuversichtlich und löst sich dann von Cron, um ihr Gewand abzulegen. "Bestimmt. Er hat ihr heute mit den Kindern geholfen." Sie löst die Schnüre ihres Mieders und streift es ab. Röcke und Leibwäsche folgen. "Wenn er mit ihr spricht, wird er es irgendwann auch mit uns tun." Hoffe ich. Sie huscht für eine Katzenwäsche in die Dunkelheit ihres Botanikums, versucht dabei ihre wirren und größtenteils unguten Gefühle loszuwerden und schlüpft dann in eines von Crons abgetragenen Hemden, nur, um es postwendend wieder über den Kopf gezogen zu bekommen. Sie schmiegt sich wortlos an ihn und hört auf Zuversicht vorzutäuschen. In seinen großen, warmen Händen und der Hitze seines Körpers findet sie Zuflucht. Ihn zu lieben und sich lieben zu lassen löscht das lähmende Gefühl der Hilflosigkeit aus und besänftigt ihr aufgewühltes Gemüt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 19. März 2005, 11:42 Uhr
"Das brauchst du nicht," das alte Hemd von ihm, eines von denjenigen, die sie so gern zum Schlafen anzieht, segelt davon in die Dunkelheit und landet mit leisem Rascheln irgendwo auf dem breiten Refektoriumstisch. Es hätte zwanglos klingen sollen, tut es aber nicht. Sie zögert dennoch keinen Wimpernschlag, als er die Arme nach ihr ausstreckt und ihr mühsam aufrechterhaltener Optimismus bröckelt. "Nan..." Cron nimmt ihr Gesicht in beide Hände und streicht mit dem Daumen über ihren Mund. Raven und Caewlin mag sie die Unerschütterliche vorspielen, aber er kennt sie besser: seit Calyras Bestattung schleicht sie herum wie ein geprügelter Hund, wenn sie sich allein und unbeobachtet glaubt und er weiß nicht, wie oft sie diese und ähnliche Diskussionen in den letzten Wochen geführt haben. Nichts was er sagt, scheint ihr zu helfen, die Schuldgefühle abzuschütteln und er hasst es, sie so kreuzunglücklich zu sehen. "Hör auf, dich selbst zu kasteien. Du hast keine Schuld... die hast du wirklich nicht, auch wenn ich verstehen kann, warum du dich schuldig fühlst. Du konntest nicht wissen, was geschehen würde. Woher hättest du das wissen sollen? Was geschehen ist, ist geschehen und ganz egal, was du getan hast oder nicht, Nan, du hättest es nicht verhindern können. Ich weiß, wie du es hasst, dich hilflos zu fühlen, aber manchmal, Cariad, manchmal ist jeder hilflos. Sogar du." Er hebt den Kopf vom Kissen und küsst sie, hungrig nach ihrer Nähe und erfüllt von dem Wunsch sie zu beschützen und ihr wieder Mut zu geben. "Ich kann dir die Schuldgefühle nicht nehmen, Nan. Das kann niemand außer Caewlin. Sieh mich an." Sie schlägt prompt die Augen nieder und er rollt sich mit ihr im Arm herum, so dass sie neben ihm auf dem Rücken liegt. "Sieh mich an." Mit sanfter Gewalt zwingt er ihr Kinn nach oben. Das leuchtende Gold ihrer Augen ist zu schimmerndem Bernstein gedunkelt. "Ich liebe dich." Sie wenden sich einander mit wortloser Heftigkeit zu und dann teilen sie sich den Geschmack und das Gefühl glatter Haut und die lange, warme Dunkelheit.

Als der Morgen dämmert, mischen sich zartes Grau und weiche Goldsprenkel der aufgehenden Sonne in die Lavendelschatten der vergehenden Nacht. Das Botanikum mit seinen nach Osten gewandten Fenstern und nach einer Weile auch das restliche Gemach unter der Baumkrone füllen sich mit zitternden goldenen Lichtreflexen, Spiegelungen des Ildorel, so dass es wirkt, als läge der ganze Raum unter Wasser. Cron schlägt die Augen auf und einen Moment lang weiß er nicht, was ihn geweckt hat - dann hört er es. Auf der Lichtung draußen und in der Krone des Baumes singen die Vögel in Scharen. Frühling. Ein rascher Blick aus dem Fenster offenbart allerdings noch eine weiße Winterlandschaft. Er dreht sich um, als er hört, wie Niniane sich leise regt und streckt die Hände nach ihr aus. "Aufwachen, Cariad." Seine Stimme ist noch dunkel und leicht heiser vom Schlaf und er schließt die Augen, als er beide Hände in ihr Haar gräbt. "Die Sonne steht schon am Himmel. Komm her zu mir, min koerlighed." Ihr offenes Haar fließt über ihre Schultern und umgibt sie beide wie ein seidiges Zelt aus schimmerndem Herbstrot, als er sie zu sich hinab zieht, um sie zu küssen. Dann hält er sie ein Stück von sich weg, als ihm plötzlich noch etwas auffällt. Kein Baby im Bett, das ihn mit dem Strampeln und treten kleiner Füße in seine Seite geweckt hätte. Kein vierzahniges Grinsen neben ihm, keine kleinen Finger, die an seinem Haar zupfen und ihre Brüste sind schwer und voller Milch. "Hat Shaerela die ganze Nacht durchgeschlafen?" Sie hält ebenso überrascht inne wie er und sie fixieren beide erstaunt und mit derselben unbegründeten, aber nichtsdestotrotz leise vorhandenen plötzlichen Unruhe die Wiege, über deren Rand prompt im selben Moment ein schwarzer Haarschopf auftaucht und langsam in ein breites Grinsen ausbricht. Cron lässt sich mit einem leisen Seufzen der Erleichterung in die Kissen zurückfallen, während Niniane mit entzücktem Gurren zu ihrer Tochter eilt, um sie unter Küssen und lobendem Gemurmel mit ins Bett zu holen. Shaerela, die nie Nein sagt, wenn es Futter gibt, rollt sich in den Armen ihrer Mutter zusammen und widmet sich begeistert schmatzend ihrem Frühstück.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 20. März 2005, 15:20 Uhr
Niniane kehrt noch einmal ins Bett zurück, lehnt sich mit dem Rücken an die weichen Kissen und das warme Holz des Betthauptes und stillt ihre Tochter. Sie ist gerade dabei, Shaerela für eine ganze Nacht ohne Hungergeschrei oder Zahnprobleme über den grünen Klee zu loben, als sie seinen Blick auf sich fühlt, dunkelblau und offen wie der nächtliche Himmel. Seine Augen wandern über das Baby an ihrer Brust über ihre Schultern und Kehle, ihr Kinn und ihren Mund, bis sie ihrem Blick begegnen - und was sie in ihnen lesen kann, weckt unruhige, kleine Geister unter ihrer Haut. Er sieht sie an, bis sein vernehmliches Magenknurren den Bann bricht und sie beide grinsen lässt. "Hunger?" Einladend zieht sie den Ausschnitt ihres - oder besser seines - Hemdes ein wenig weiter herunter und sein inbrünstiges "Und wie!" lässt sie laut lachen. "Sobald unser kleines Ferkelchen hier fertig ist, bist du dran," verspricht sie mitfühlend. "Du hast die Wahl zwischen Eiern und Speck, Marmelade, Honig und geröstetem Weißbrot, Pfannkuchen, Butter, Haferbrei oder Grütze. Such's dir aus. Ich will heute... huch? Brynden, wo willst du denn hin?" Caewlins Sohn tappt auf nackten Füßen durch ihr Schlafgemach in Richtung Tür, reibt sich verschlafen die Augen und schleppt das allgegenwärtige Stoffhäschen an einem Ohr hinter sich her. Cron folgt ihrem Blick und dreht sich im Bett um, dann wühlt er sich nach einem letzten sehnsuchtsvollen Blick seufzend aus den warmen Pelzen und angelt mit einem Arm nach einem Kleidungsstück. Brynden wirft ihr unter den silbrigen Fransen seiner Haare einen indignierten Blick zu und nuschelt gerade noch etwas von "Papagehen", als er sich auch schon wieder in Richtung Tür in Bewegung setzt. Genauso ein Morgenmuffel wie sein Vater! "Gut!" Ruft Niniane ihm nach. "In Ordnung, wirf ihn aus dem Bett. Sag ihm, er soll die Feuer anschüren, wenn er schon mal auf ist. Und fall die Treppe nicht hinunter!"

Mit einem nölenden Brynden an seiner Seite hatte Caewlin einfach nicht die Möglichkeit, wieder in der Apathie zu versinken, insofern ist es vielleicht gar keine so schlechte Idee, die Betreuung seines Sohnes wieder weitgehend ihm zu überlassen. Sie nimmt Shaerela hoch, die genug getrunken hat, und klopft ihr sacht den Rücken, dann drückt sie ihre Tochter dem inzwischen angezogenen Cron in die Arme, damit er ihr eine frische Windel geben und sie sich selbst ankleiden kann. Sie wäscht sich an dem sprudelnden kleinen Quell in ihrem Botanikum, wählt ein einfaches Gewand aus dunkelgrüner Wolle, flicht sich das Haar zu einem langen Zopf und nimmt dann ihre gewaschene, wohlduftende und pappsatte Tochter wieder in Empfang. "Gehen wir Frühstück machen, für was auch immer dein Vater sich entschieden hat," murmelt sie in eines der winzigen, seidenweichen Ohren, die Spitze, die das Elbenblut verrät, kaum mehr als eine Andeutung am oberen Ende. Wie sich herausstellt, ist Caewlin bereits wach und in allen Kaminen, sowie dem großen Herd in der Küche brennen helle, warme Feuer, als sie herunterkommt. Sie setzt Shaerela auf den Boden des Esszimmers, des einzigen Raumes neben der Küche mit keiner offenen Feuerstelle, wo sie gefahrlos umherkrabbeln kann, und macht sich dann daran, Teewasser aufzubrühen und so etwas wie ein Morgenmahl zuzubereiten. Als ein paar Minuten später der Haferbei vor sich hinköchelt, die Eier in der Pfanne vor sich hinbrutzeln und der Tisch gedeckt ist, sieht sie nach, wo Caewlin und Brynden stecken und findet die beiden mit Cron, den beiden Hunden und einer mehr als neugierigen Shaerela, die eifrig versucht, sich an den Möbeln hochzuziehen, im Kaminzimmer, wo Cron sich gerade um Bryndens Morgenhygiene kümmert. Caewlin hebt zur wortlosen Antwort auf ihren fragenden Blick die handlose Rechte mit dem breiten, schwarzen Eisenring am Gelenk und Niniane nickt verständnisvoll.

Einen quirligen Zweijährigen mit zwei gesunden Händen zu wickeln ist mitunter schon eine akrobatische Höchstleistung - mit nur einer Hand ist es so gut wie unmöglich. "Du solltest versuchen, ihn jetzt über den Sommer an einen Nachttopf zu gewöhnen. Ich weiß, er ist eigentlich noch zu jung, aber Brynden ist viel aufgeweckter als andere in seinem Alter und einen Versuch ist es wert. Puh! Junger Mann, was hast du nur gegessen, das stinkt ja zum Himmel!" "Puhpuhpuh!" Imitiert Brynden auf dem Rücken liegend fröhlich ihre gerümpfte Nase und lässt sich huldvoll den Hintern putzen. "Kommt frühstücken, wenn ihr hier fertig seid, ja? Und dann könnt ihr mir verraten, was ich mit diesem unverschämt teuren, komischen Zeug anfangen soll, das ich gestern gekauft habe und euch Gedanken über den Hühnerstall machen." Gesagt getan: sie frühstücken also und Caewlin wechselt zwischen dem Verschlingen einer ganzen Pfanne Rühreier mit Speck und Zwiebeln und eines halben Brotlaibes mit einem knappen Pfund frischer Butter sogar ein paar Worte mit ihnen. Niniane lauscht seiner Stimme ebenso hoffnungsvoll wie argwöhnisch, aber als er nach dem Morgenmahl noch im Esszimmer sitzen bleibt, sich sowohl mit den Hunden, als auch den Kindern abgibt, zusehends auftaut und sogar leise mit Cron so etwas wie eine Unterhaltung führt, ist sie schon halb geneigt, zu glauben, dass er gar nicht vorhat, sich wieder in Schmerz und Schweigen zu vergraben. Nachdem Kinder wie Männer abgefüttert und ihre Küche wieder in halbwegs respektablen Zustand ist, widmet sie sich mit Feuereifer den geheimnisvollen kleinen, harten schwarzen Bohnen, die sie auf dem Markt erstanden hatte... aber wie sie daraus ein Getränk brauen soll, ist ihr nach wie vor vollkommen schleierhaft. Der Vormittag vergeht demzufolge mit gut zwei Dutzend kläglich scheiternder Versuche, diesen verflixten Dingern so etwas wie eine Flüssigkeit zu entlocken.

Nachdem alles braten, dünsten, kochen, mit Wasser, Öl und allen möglichen anderen Ingredenzien vermischen, zerstampfen, einweichen und schälen nichts nützen will, ist sie nahe daran aufzugeben. Ihre Küche sieht mittlerweile längst wieder aus wie ein Schlachtfeld und mit schwarzem Schlick und Bohnenresten beschmierte Töpfe, Pfanne, Siebe und Kochbeutel stapeln sich neben dem Spülstein - wenigstens hat sie mit ihren verzweifelten Versuchen dem Rest ihrer Familie, Caewlin und Brynden (der hierbei eine Menge neuer Wörter gelernt hat, von denen immerhin nur die Hälfte obszön war) eingeschlossen, Erheiterung und amüsante Kurzweil beschert. Nach dem Mittagessen - Kaninchenpfeffer - verkündet sie zerknirscht, dass sie es jetzt aufgeben würde, doch dann ist es Brynden und ein Zufall, der sie auf die richtige Spur bringt und sie noch einen letzten Versuch wagen lässt. Sie hatte Caewlins Spross irgendwann am Vormittag eine klapprige alte Getreidemühle und eine Handvoll der schwarzen Bohnen überlassen, weil er ihr, erfüllt von ebenso rührendem wie trotzigem Eifer zu "helfen" , in der Küche überall im Weg gestanden war. Das ewige kreischende Quietschen der Handmühle mit ihrer altersschwachen Kurbel hatte die beiden Männer, die über einem groben Bauplan für ein Hühnerhaus die Köpfe zusammengesteckt hatten, zwar an den Rand des Wahnsinns getrieben, aber Brynden beschäftigt gehalten und Shaerela zu andächtiger Bewunderung hingerissen. Als die Kinder nach dem Essen ihren Mittagsschlaf halten und ihr Cron mit gequältem Lächeln die Mühle bringt, entdeckt sie im Schuber ein feines, schwarzes Pulver, das einen überwältigenden Duft verströmt - und nach einem Augenblick des Überlegens beschließt sie, es doch einfach damit zu versuchen.

Keine halbe Stunde später zieht zum ersten Mal der verführerische Duft von frisch aufgebrühtem Kofea azuria durch den Baum am Smaragdstrand und die beiden Nordmänner stehen andächtig um eine bauchige Kanne, die sich zusehends mit einem schwarzen, dampfenden Gebräu füllt, während Niniane grinsend durch ein feines Gazetuch in einem Holzrahmen, das als Filter fungiert, heißes Wasser über schwarzbraunes Pulver schüttet. Sie hat von dem "schwarzen Trank" der Azurianer und dekadenten reichen Kaufleute der Sommerinseln bereits gehört, selbst gekostet hat sie es jedoch noch nie - nördlich der Erikarberge dürfte Kofea ungefähr so bekannt sein wie Schnee auf den Sommerinseln - und jetzt brennt sie darauf, diesen so exotischen Trank selbst zu probieren. Umso enttäuschter ist sie, als sie nach dem ersten, vorsichtigen Schluck keineswegs das erwartete Ambrosia, sondern ein furchtbar bitteres, dickflüssiges Etwas im Mund hat, das frappierend an verbrannten Hustensaft erinnert. "Buäh!" Mit angewidertem Gesicht spuckt sie alles in den Spülstein und starrt dann voller Ekel in ihren Becher. Cron und Caewlin schnuppern selig und kosten mit sichtlichem Genuss. "Was ist das denn? Das ist ja furchtbar! Wie könnt ihr so etwas trinken! Brrr...oh, diesen Händler wenn ich erwische! Er wird solange als Ochsenfrosch sein Dasein fristen, dass er nicht einmal mehr wissen wird, wie man aufrecht geht, wenn er wieder... oh... oh, alles umsonst!" Maßlos enttäuscht starrt sie schnaubend auf die noch leise gluckernde Kanne, während Cron sich mitfühlend erkundigt, was sie denn habe, es sei köstlich. "Zu bitter und zu äh... bitter," schließt sie unglücklich. "Trinkt nicht zuviel davon, man sagt, es sei sehr äh... anregend." Was immer man sich dann darunter vorstellen darf. Dann fällt ihr etwas ein. Sie holt Sahne und ein wenig von dem kostbaren Zucker aus der Vorratskammer und verwandelt den schwarzen Inhalt ihres Bechers so in eine hellbraunen, süßen Trank - Ambrosia, endlich.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 23. März 2005, 21:20 Uhr
Caewlin erwacht kurz nach Sonnenaufgang mit der leisen Gewißheit, allein zu sein und als er die Augen aufschlägt findet er Ravens Bettseite leer und kalt vor - sie muß schon eine Weile fort sein. Der Gedanke, daß sie den weiten Weg zum Druidenbaum durch den eisigen Winterwald ganz allein auf sich genommen hat, schmeckt ihm noch nicht besser als gestern. Vielleicht, weil es auch ein wenig so ist, als würde sie dem Druiden und ihrem Leben mit ihm damit eine Art letzter Ehre erweisen... etwas, das der Mistkerl in Caewlins Augen nicht verdient hat. Vielleicht sitzt sie jetzt weinend in einer leeren, kalten Baumkrone vor den Scherben ihrer Träume und... hmmpf. Er wälzt sich auf die Seite und klappt entschlossen die Augen zu. Es ist so still, daß er sich atmen hören kann und die kalte Gewißheit seiner eigenen Einsamkeit steigt in ihm auf und droht, ihn zu ersticken. Calyra ist tot. Lange Zeit in seinem Leben war es ihm mit der Einsamkeit gegangen wie anderen mit dem Segen der Götter - er hatte selten eine Tür hinter sich geschlossen oder war für Wochen in die Wälder zur Jagd gezogen, ohne sich der Tatsache bewußt zu sein, daß er für sich selbst damit einen Akt der Barmherzigkeit vollbrachte. Jetzt scheint er nicht einmal mehr die Stille zu ertragen. Du warst einfach so lange zu zweit, daß du nicht mehr weißt, wie es sich anfühlt, allein zu sein. Kurz darauf trippelt Brynden herein, krabbelt zu ihm ins Bett und klammert sich eiskalt und klein an seinen warmen Rücken. Die kameradschaftliche Ruhe, in der sie noch ein wenig dösen, währt allerdings nur kurz, dann zerren kleine Finger an seinem Haar "Papa sauber!", treten ihm kleine Füße in die Nieren "Papa, aufstehen! Brynden hungrig.", blickt ihn ein paar schräger grünblauer Augen hemmungslos offen an und läßt aller grauen Melancholie keinen Raum mehr.

Einen Moment kann Caewlin nicht widerstehen und drückt den Jungen fest an sich. Bryndens glucksendes Kichern an seinem Hals ist Balsam für seine gefrorene Seele und während er ihn hält, kommt so etwas wie Trost mit der Gewißheit, daß er, obwohl er Calyra und sein Leben verloren hatte, doch nie wieder völlig allein sein würde. Der Vormittag vergeht damit, daß er in einen ebenso grimmigen, wie beharrlichen Kokon aus liebevoller Aufmerksamkeit, den Plänen für ein Hühnerhaus und dem hyperaktiven Vandalismus zweier Kleinkinder eingesponnen wird - Trübsinn chancenlos. Er füttert die Hunde, leiht sich von Cron ein paar Kamiken und geht mit ihnen nach dem Morgenmahl für eine Stunde voller Stille und Kälte hinaus in den Wald. Weil Arbeit das einzige ist, das ihn halbwegs ablenken kann, nimmt er Brynden mit und mistet den Pferdestall aus, schichtet den Heuboden um, putzt und fettet das Geschirr und die Sättel von vier Pferden, nur um seine Hände beschäftigt zu halten... solange er etwas tun kann, irgendetwas, bleibt der Schmerz in seinem Inneren gleichmäßig und er muß nicht nachdenken - und das ist ihm nur recht. Nur das Mittagessen und Ninianes Rufen unterbricht sein Vorhaben, auch noch auf der Lichtung Schnee zu schippen. Nach dem Essen wird es merklich stiller im Baum, da beide Kinder schlafen, und Caewlin sieht sich noch einmal Crons grobe Skizze für den Hühnerschuppen an, macht ein paar Vorschläge zur Statik und einer Klappe in der Wand hinter den Nestern, durch die man bequem an die Gelege käme und folgt dem Tronjer dann in die Küche, um sich den letzten Versuch der Waldläuferin, ihren geheimnisvollen Trank herzustellen, anzusehen.

Wie es scheint, hat es diesmal tatsächlich funktioniert - das Gebräu, das Niniane ihnen einschenkt, verströmt einen intensiven Duft, anders, als alles, was er je gerochen hat und ist so dunkel wie Mooreiche. Einen Moment zögert Caewlin - Zaubertrank, Hexengebräu... das Wasser des Lebens oder schlicht nur ein dekadentes Gesöff aus dem tiefen Süden? Dann versucht er vorsichtig davon und seine Augen weiten sich überrascht... was immer es ist, es ist so stark, daß er schon nach dem ersten Schluck sein Herz spürt. Die Wirkung ist ein augenblicklicher Rausch, der im Magen beginnt und sich dann bis in seine Füße und Fingerspitzen ausbreitet. "Götter... das ist gut, aber..." er blickt zweifelnd in seinen Becher und spürt dem vollkommen fremden, aber nicht unangenehmen Geschmack auf seiner Zunge nach. "Werden wir unsere Augen je wieder zumachen?" Cron prostet ihm nur lächelnd mit seinem dampfenden Becher zu und Caewlin schüttelt sacht den Kopf. Weiches, gelbes Winterlicht fällt durch die blattförmigen Fenster herein und vergoldet Ninianes Küche, die Kräuter in den Terrakottatöpfen auf der Fensterbank, die honigfarbenen Wände, glänzt auf Kupfergeschirr und glasiertem Steingut. Caewlin spürt die Stille, die sich ausbreitet - die Kinder schlafen, die Hunde schlafen, selbst der gewaltige Baum scheint friedlich vor sich hinzudösen und nur das Prasseln und Knacken der Feuer in den Kaminen ist zu hören... und gedämpft beharrlicher Vogelgesang von draußen. Wann waren die Vögel aus ihren Winterquartieren zurückgekehrt? Zum ersten Mal, seit er gestern von Raven und seinem Sohn aus der grauen Lethargie gerissen worden war, fragt er sich, welcher Tag eigentlich ist... oder besser welcher Mond.

Er hat jedes Zeitgefühl verloren, während er in dem alles betäubenden Grau vor sich hingedämmert war... alles war gleichgültig, alles einerlei gewesen, jeder Sonnenaufgang nur ein weiterer Tag... und er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie zu zählen. Aber er fragt nicht danach und plötzlich will er es auch gar nicht mehr wissen. Als er den Blick schließlich vom Fenster und der weißen Welt davor nimmt, sieht er gerade noch, wie Niniane und Cron einen Blick tauschen und sich ihm dann zuwenden, doch noch ehe sie etwas sagen können, schüttelt er den Kopf. "Nein. Ich weiß, was ihr vorhabt... ich sehe es in euren Augen. Bitte... sagt es nicht. Nicht... nicht jetzt. Teilt mit mir euren Frieden, wenn auch nur geborgt... wenigstens diesen Tag noch." Die Worte klingen wie eine Anklage, obwohl er fast flüstert. "Morgen. Erzählt mir alles morgen." Sich all dem Ungehörten und bisher Ungesagten zu stellen, hieße in den Fluß der Zeit zurückzukehren und sich dem Schicksal zu beugen. Nach vorn zu schauen und wieder so etwas wie ein Leben in einem Meer von Bitterkeit zu suchen. Er war aufgestanden und unter dem dicken, grauen Tuch der Gleichgültigkeit hervorgekrochen. Er hatte angefangen, sich wieder selbst um seinen Sohn zu kümmern, dem er es schließlich schuldig war... aber er erträgt es noch nicht, über Calyra zu sprechen. Sehr wahrscheinlich wäre er Morgen noch nicht bereiter als jetzt, die Einzelheiten über ihren Tod und das Schicksal der anderen zu hören... aber so hat er sich wenigstens eine Galgenfrist erkauft.

Eine Weile sehen ihn beide nur kummervoll an, aber schließlich ist es Cron, der nickt und zustimmt, während Niniane noch zweifelnd und nachdenklich zwischen ihnen hin und herblickt. Der Rest des Tages vergeht in sehr viel melancholischerer Stimmung und kaum ist Brynden nach dem Nachtmahl schlafen gelegt - er weigert sich standhaft, sich wieder auf das kleine Bett im Botanikum der Waldläuferin verfrachten zu lassen, also zieht er samt seiner Bettstatt nach unten zu Caewlin um, wo ihm dann allerdings "Tante Nan" die obligatorische Gute-Nacht-Geschichte erzählen muß - geht Caewlin noch einmal mit den beiden Hunden hinaus und an den schneeverwehten Strand. Er kehrt erst zurück, als die Sterne bereits kalt am schwarzen Nachthimmel schimmern und von Raven ist immer noch nichts zu sehen oder zu hören.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 25. März 2005, 18:22 Uhr
Im Laufe des Tages hat die grimmige Kälte ein wenig nachgelassen und vom Ildorel herauf weht eine milde Brise über das Larisgrün hinweg, die ahnen lässt, dass der lange, harte Winter bald vorüber sein wird. Dennoch ist die Nacht noch immer eisig und im Licht des Mondes glitzert silbrigblau der Frost auf den kahlen Zweigen. Unter dem sternenübersäten Nachthimmel stapft Ravens Brauner mit der stoischen Ruhe eines alten Karrengauls durch den Wald, zieht Schlangenlinien um die gewaltigen Stämme der Bäume und folgt seinen eigenen Spuren, die er am Morgen in den tiefen Schnee gegraben hat, zurück zu Ninianes Baum. Er muss sich den Nachhauseweg alleine suchen, denn seine Reiterin ist mit den Gedanken überall, nur nicht bei den Pfaden vor sich, die unter einer dicken, weißglitzernden Decke begraben sind. Raven würde es vermutlich nicht einmal bemerken, wenn sie plötzlich durch duftende Blumenwiesen reiten würde. Sie hat sich bis zur Nasenspitze in ihren Fellmantel gewickelt und ist in düsteres Brüten versunken, während der Braune am langen Zügel voranstapft. Ebenso wie sie hat auch der Hengst kein Auge für die Schönheit der mondbeschienenen Winterlandschaft, ihn interessiert vielmehr, wie er schnellstmöglich zurück zum Stall und zu seiner gefüllten Futterkrippe kommt, die ihm wesentlich wichtiger scheint als ein paar Sterne und ein Haufen Schneeflocken. Den Weg zurück findet er demnach auch mit der unbeirrten Zielstrebigkeit eines verfressenen Pferdes, das darauf brennt, sich den Bauch mit Heu und Hafer vollzuschlagen, und so trottet er mit seiner geistesabwesenden Herrin auf dem Rücken den weiten, beschwerlichen Weg durch das Larisgrün zurück, bis vor ihnen zwischen den Stämmen bernsteingoldenes Licht aufblitzt, das aus dem Baum der Waldläuferin dringt.

Raven erwacht erst aus ihrer gedankenversunkenen Starre, als der Braune vor dem Stall, der sich dunkel und schweigend unter den schneebeladenen Ästen duckt, zum Stehen kommt und ungeduldig mit den Hufen um Einlass scharrt. Steifbeinig und mit klammen Fingern und halberfrorenen Zehen steigt sie aus dem Sattel und streift dem Hengst die Zügel über den Hals, froh darüber, in den warmen Stall schlüpfen zu können, wo sie dem Braunen in der schmalen Gasse zwischen den Boxen Gepäck und Sattelzeug abnimmt. Ihre Finger sind trotz der wollenen Handschuhe so kalt und steif, dass sie Mühe hat, die Schnallen an Sattelgurt und Zaumzeug zu lösen und sie muss sich erst eine geraume Weile die Hände reiben, bis sie wieder warm und beweglich werden. Als sie den Hengst in seinen Verschlag bringt, macht er sich mit einem Grunzlaut des Wohlbehagens sogleich über seine Futterkrippe und die gefüllte Heuraufe her und hat augenblicklich alles andere um sich herum vergessen. Die übrigen Pferde haben ihre abendliche Futterration offenbar schon längst erhalten, wie Raven bemerkt, und auch die Boxen sind ausgemistet, frisches Stroh eingestreut und die Stallgasse ist sauber gefegt, so dass es für sie kaum noch etwas zu tun gibt. Sie spart es sich, eine Laterne anzuzünden, denn das Mondlicht, das durch die kleinen Fenster hereinfällt, ist hell genug und taucht alles in einen bleichen Silberschein. Der Kopf von Calyras kleiner, milchweißer Stute taucht über der Trennwand auf und sie mustert mit sanften, dunklen Augen die lärmenden Störenfriede, bevor sie sich mit einem leisen Ächzen im Stroh niederlegt. Müde räumt Raven Sattel und Zaumzeug auf, säubert dem Braunen mit einem kleinen, eisernen Haken die Hufe, wirft ihm noch ein paar Rüben in die Krippe und lehnt sich dann gegen die hölzerne Trennwand seines Verschlages.

Im Stall herrscht friedliche, dämmrige Stille, nur unterbrochen von gelegentlichem Schnauben oder dem leisen Stampfen von Hufen, und zusammen mit dem unverwechselbaren Duft nach Heu und Dung, warmen Pferdeleibern und Sattelzeug, strahlt er etwas ungemein tröstliches aus. Vor allem stellen Pferde keine unangenehmen Fragen, sie machen keine Vorwürfe und bedenken niemanden mit schiefen Blicken. Sie sind einfach nur da, still und groß und warm. "Du hast es gut", murmelt Raven leise, während sie dem Braunen beim Fressen zusieht und auf die gleichmäßigen Mahlgeräusche lauscht, mit denen er auf dem Heu herumkaut. "Deine einzige Sorge ist, genug Futter in der Krippe zu haben. Warum muss dagegen bei Menschen nur immer alles so kompliziert sein? Warum müssen sie überhaupt eine Seele und ein Herz haben, die weh tun können?" Sie lehnt den Kopf an den klobigen Balken, der die Verschläge voneinander trennt, und schließt für einen Moment die Augen, sucht in ihrem Inneren nach einem Anflug von Zorn oder einem Funken Wut, die ihr helfen würden, mit all dem leichter fertig zu werden. Doch da ist nichts außer einem Gefühl bitterer Enttäuschung und grenzenloser Einsamkeit. Und niemand, der ihr sagt, dass alles irgendwann wieder gut werden wird, niemand, der sie hält und umfängt und tröstend an seiner Schulter birgt. Sie schluckt ihre Tränen hinunter und ballt in dem Versuch, den Aufruhr in ihrem Inneren zu beruhigen, verzweifelt die Fäuste, bis ihre Fingernägel kleine, halbmondförmige Spuren ins Fleisch graben. Es ist spät geworden. Geh hinein und melde dich zurück und dann leg dich einfach schlafen, mahnt sie sich. Und reiß dich vor allem zusammen, was sollen sie sonst von dir denken? Raven verharrt noch einen Augenblick reglos an den Balken gelehnt, bis sie sich wieder einigermaßen im Griff hat, bevor sie den vollgestopften Seesack schultert, den Stall verlässt und durch die kalte, sternklare Nacht hinüber zum Baum der Waldläuferin stapft. Sie hasst es, sich so elend und hilflos und schwach zu fühlen und versucht, all ihre Gefühle hinter einer spröden Mauer der Abwehr zu verbergen. Ihre Miene ist so verschlossen wie eine verriegelte Tür, als sie den Baum betritt.

Prompt läuft sie Niniane vor die Füße, die gerade die letzten Kerzen löscht und das Feuer im Kaminzimmer für die Nacht abdeckt. Auf dem Arm hat sie Shaerela, die das schlafende Gesichtchen in ihrer Halsbeuge und die kleinen Fäuste in der Flut kupferroter Haare vergraben hat, und ist offenbar mit ihr gerade auf dem Weg in ihr Schlafgemach. Sie wechseln einige leise Worte, bevor Niniane mit ihrer Tochter nach oben verschwindet und endgültig tiefe, nächtliche Stille in den Baum einkehrt. In der Küche schenkt Raven sich den kalten Rest aus dem Teekessel ein und wirft im schwachen Glimmen des Kaminfeuers einen Blick auf all die Pläne und Skizzen, die kreuz und quer auf dem großen Tisch im Esszimmer ausgebreitet sind und offensichtlich den Stall für Ninianes Neuerwerbungen darstellen sollen. Sie hat nicht viel Ahnung von solchen Dingen und kann mit den vielen Zahlen und Linien kaum etwas anfangen, doch auf den ersten Blick betrachtet scheint das geplante Hühnerhaus ein wahrer Palast zu werden. Der kalte Tee schmeckt gallebitter, aber Raven leert den Becher trotzdem, bringt ihn in die Küche zurück und tappt durch den dunklen Vorraum hinüber zu dem kleinen Gästezimmer, das sie sich mit Caewlin teilt. Er scheint bereits zu schlafen, denn von drinnen ist kein Laut zu hören. Noch bevor sie auch nur den Türriegel angefasst hat, ertönt jedoch ein leises Knurren, als die wachsame Akira die Störung bemerkt, gefolgt von einem verschlafenem Grunzen aus Stelzes Kehle. "Schhhh, ich bin es doch nur", wispert sie, während sie leise durch die Tür in das Zimmer schlüpft und versucht die Hunde zu beruhigen, um Caewlin nicht aufzuwecken, doch kaum dass sie sich wieder umgedreht hat, fällt sie fast über ein großes, eckiges Möbelstück, von dem sie schwören könnte, dass es am Morgen noch nicht da gestanden hatte. Bei näherer Betrachtung entpuppt es sich als Kinderbett mit einem selig schlummernden Brynden darin.

Einen atemlosen Herzschlag lang hat Raven Angst, dass sie ihn durch den Rempler aufgeweckt haben könnte, aber er bewegt nur sacht die Lippen, als würde er leise Worte murmeln, und schläft einfach friedlich weiter. Das Mondlicht, das durch die blattförmigen Fenster in den Raum fällt, taucht seine runden Wangen und den hellen Haarschopf in flüssiges Silber. Bis auf das weißblonde Haar ist er seinem Vater wirklich sehr ähnlich und einen Moment lang überlegt sie, ob Caewlin als pausbäckiger, zweijähriger Bengel wohl ebenso ausgesehen hat - eine Vorstellung, die einen Moment lang das ernste Dunkel ihrer Augen heller und ihre verschlossene Miene weicher werden lässt. Der Anblick des schlafenden, kleinen Nordmannes hat etwas eigentümlich anrührendes. Der des schlafenden, großen Nordmannes ebenso, und als ihr Blick durch das Zimmer zu seiner reglosen, mondlichtüberfluteten Gestalt hinüberwandert, fühlt sie eine seltsam raue Zärtlichkeit für diesen Mann in sich aufsteigen. Aber auch die traurigen Schatten kehren auf Ravens Gesicht zurück. Während Brynden in friedvoller Unschuld schlummert, wirkt Caewlin so angespannt, als würde er sogar noch im Schlaf verzweifelt gegen die Dämonen anfechten, die ihn so grausam heimgesucht haben. Ihn hat es so viel schlimmer getroffen, denkt sie kummervoll, während sie ihre klammen Kleidungsstücke ablegt, in das Leinenhemd schlüpft, das ihr als Nachtgewand dient, und unter die warmen Felle kriecht. Und er wird noch lange Zeit damit zu kämpfen haben.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 26. März 2005, 16:35 Uhr
Caewlin ist nach drei Stunden unruhigen Herumwälzens auf dem leeren, runden Lager - nach zwei Bechern von Ninianes komischem, schwarzen Gebräu war er den ganzen Abend über entsetzlich wach und so unruhig gewesen, wie Mais in der Pfanne -  gerade in eine Art  dämmrigen Halbschlaf geglitten, nicht mehr wirklich wach oder fähig, klare Gedanken zu fassen, aber auch noch nicht wirklich tief schlafend, als er Raven hereinkommen hört. Angenehm abwesend von der Realität, regt er sich nicht, sondern lauscht nur mit halbem Ohr auf die leisen Geräusche ihrer Rückkehr - bis er ein dumpfes Poltern hört. Sein schläfriger Verstand braucht eine geraume Weile, um sich wachzukämpfen, doch als er in der folgenden Stille die Augen öffnet, sieht er sie vor dem Fenster, das Gesicht halb abgewandt und dennoch voller Kummer. Einen Moment verharrt sie ganz still und er öffnet schon den Mund, um etwas zu sagen, doch dann streift sie das Hemd über den Kopf, schlüpft aus Stiefeln und Beinlingen, löst ihr Haar und steht nackt im Gegenlicht, umrandet von Silber. Der geisterhafte Schimmer des Mondlichts dämpft alle Farben zu blauen Schatten und bleicher Helle, aber er  zeichnet ihre Konturen klar aus der Nacht, von den zierlichen Füßen mit den schmalen Zehen bis hin zur Linie von Stirn und Nase... nur einen Herzschlag lang, bis ihr Haar, lang und dicht, herabfällt und sie wie einen Umhang einhüllt.

Caewlin schließt die Augen, ignoriert die Stimme in seinen Gedanken, die ihm vorhält, daß wenigstens ein Räuspern angebracht gewesen wäre, hört das Rascheln von Stoff, das Tappen nackter Füße, und spürt kurz darauf fröstelnd einen Schwall eisiger Kälte unter die warmen Pelzdecken wehen, als Raven sie zurückschlägt, und ins Bett kriecht. Sie liegt mehr als eine sichere Armlänge entfernt, dennoch spürt und hört er, wie sie sich frierend zusammenrollt und sich nach einem Moment des Zögerns scheu so weit wie möglich an die Wärme heranschiebt, die er ausstrahlt. "Ist dir kalt? Dann komm her - ich kann dich bis hierher mit den Zähnen klappern hören." Er dreht sich um, stützt sich auf einen Ellenbogen und erkennt ihr Gesicht hier in den dunklen Schatten, die das Mondlicht nicht erreicht, nur noch als blassen Schemen... aber selbst so kann er sehen, daß irgendetwas ganz und gar nicht stimmt. Sie sieht beinahe so aufgelöst aus, wie an jenem Tag im Nebelmond, als sie verzweifelt auf seiner Türschwelle aufgetaucht war - wenn auch auf eine sehr viel stillere Art. Er streckt die Hand aus, ohne nachzudenken, als wolle er ihr Gesicht berühren, tut es dann aber doch nicht. "Alles in Ordnung? Raven?"  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 26. März 2005, 22:52 Uhr
Mit weit geöffneten Augen starrt Raven an die Decke über sich, auf die das Mondlicht seine bleichen Silberfinger wirft, und ihre Kiefer pressen sich fest aufeinander in dem Versuch, ihre fröstelnd aufeinanderschlagenden Zähne zu beruhigen und die Beherrschung nicht zu verlieren, die sie sich im Stall draußen so mühselig aufgebaut hatte. Sie hatte geglaubt, dass Caewlin bereits tief und fest schlafen würde - den leisen, rauen Klang seiner Stimme so unerwartet neben sich zu hören, bringt sie mit einem Schlag völlig aus der Fassung. >Ist dir kalt? Dann komm her - ich kann dich bis hierher mit den Zähnen klappern hören.< Zaghaft rutscht sie unter den Fellen ein Stück näher, und dann noch ein Stück, bis sie in der glühenden Wärme versinkt, die sein großer Körper verströmt und sich ihre eiskalten Füße zögernd zu ihm hinüber tasten, um sich unter seine warmen Beine zu schieben. Sie wagt es nicht, ihn anzusehen, obwohl sie Caewlins Blick unverwandt auf sich ruhen fühlt. "Ich .... mir geht es gut. Alles in Ordnung." Raven versucht ihrer flatternden Stimme einen festen Klang zu geben, aber sie gehorcht ihr erst beim zweiten Anlauf und sie muss mit wachsender Verzweiflung feststellen, dass ihre mühsam aufrecht erhaltene Fassade zusehends zu bröckeln beginnt. Sie will sich vor Caewlin keine Blöße geben und ihm mit ihrem Kummer auch nicht zur Last fallen, weil ihn selbst viel schlimmere Dinge peinigen als nur ein treuloser Gefährte. Ihre eigenen Sorgen kommen ihr im Gegensatz zu seinen eher lächerlich vor. Aber als sich ihre Blicke im blauschattigen Dämmerlicht treffen, ist es schon zu spät und sie weiß, dass sie ihm nichts vormachen kann. Und auch nichts vormachen braucht. Manchmal scheint Caewlin durch sie hindurch und bis auf den Grund ihrer Seele blicken zu können, als bestünde sie aus Glas, und ihn anschwindeln zu wollen, ist ohnehin völlig zwecklos. Zögernd hebt er die Hand und seine Finger verharren unschlüssig einen Wimpernschlag lang in der Luft, bevor er sie wieder auf die Felle sinken lässt.

"Nichts ist in Ordnung", kommt es leise und kläglich aus ihrer Kehle und ihr Blick richtet sich auf seine Hand und hält sich daran fest. "Ganz und gar nichts. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe.... ich habe ... ich..." Sie ist so verwirrt und so randvoll mit Kummer und Zweifeln, dass sie nicht einmal Worte für das findet, was sie quält. "Er ist so schnell verschwunden, als hätte er nur auf eine Gelegenheit gewartet, mich loszuwerden ... ohne ein Wort des Abschieds, er hat nur ein paar Zeilen hinterlassen, dass er weg müsse und mich nicht mitnehmen will ... und ... und..." Deutlich kann Raven das Bild des kahlen, leblosen Baumes vor sich sehen, den sie vor wenigen Stunden verlassen hat, seine zerfledderte Krone, das schneebedeckte Lager, und sie muss einen Moment die Augen schließen, weil sie sich mit Tränen füllen. "Ich war so blind in meiner Unerfahrenheit, so blind und dumm. Ich wollte nicht wahrhaben, dass es für ihn nichts bedeutet und dass ich.... dass ich anscheinend nichts weiter war als ein netter Zeitvertreib. Und für mehr tauge ich wohl auch nicht." Die Wahrheit auszusprechen, tut weh und sie schmeckt bitter, als sie ihr über die Lippen kommt. Irgend etwas in ihrem Inneren fühlt sich auf einmal ganz abgestorben und wie tot an und einen Augenblick lang versagt ihr die Stimme, bevor sie leise weiterspricht. "Er hatte sich schon lange abgewandt, ich habe es nur nicht gemerkt. Vielleicht war es von Anfang an schon zum scheitern verurteilt. Und es ist ....es ist jetzt auch gleichgültig." Die Endgültigkeit, die in ihren Worten liegt, erschreckt sie selbst und es ist, als würde sie mit ihrem Aussprechen auch noch die letzten Brücken in ihr altes Leben abbrechen. Übrig bleiben nur bittere Enttäuschung und Tränen, die auf ihr Kopfkissen tropfen. "Selbst wenn er eines Tages zurückkehren sollte ... ich will ihn niemals mehr wiedersehen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 27. März 2005, 10:50 Uhr
Raven rückt nur so zaudernd näher, daß er ein Lächeln unterdrücken muß - aber dann siegt doch ihr Bedürfnis nach schlichter Wärme und sie rutscht dichter an ihn heran - gleich darauf wandern zwei kleine Eisklumpen unter sein rechtes Bein, um dort aufgetaut zu werden. "Agh! Ich wußte, ich würde es bereuen," murmelt er, hört sich aber gar nicht bedauernd an und hält ihre Füße mit sanftem Druck fest. Sie geht nicht auf seinen Scherz ein, sondern versichert erst mit brüchiger Stimme, es gehe ihr gut und sie sei in Ordnung, nur um gleich darauf unter seinem fragenden Blick alles zu revidieren. >Nichts ist in Ordnung. Ganz und gar nichts. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe.... ich habe ... ich... <
"Psst... du hast nichts falsch gemacht," erwidert er, doch überwältigt von ihrem Kummer scheint sie ihn gar nicht zu hören, sondern fährt stockend fort und er kann an ihrer Stimme hören, daß sie mit den Tränen kämpft. Ihre nächsten Worte allerdings verschlagen ihm einen Augenblick lang die Sprache. >Ich war so blind in meiner Unerfahrenheit, so blind und dumm. Ich wollte nicht wahrhaben, dass es für ihn nichts bedeutet und dass ich.... dass ich anscheinend nichts weiter war als ein netter Zeitvertreib. Und für mehr tauge ich wohl auch nicht.<

Im allerersten Moment glaubt er, seinen Ohren nicht zu trauen. Und für mehr tauge ich auch nicht? Aber da ist keine Koketterie in ihrer Stimme, nur eine leise, endgültige Bitterkeit. Sie meint tatsächlich, was sie sagt. "Blödsinn", erwidert er weich, aber bestimmt. "Blödsinn. Komm her." Er setzt sich ein wenig auf, stopft das Kissen in seinen Rücken und zieht sie wortlos an sich, streicht mit der Linken über ihr Haar und ihren Rücken und murmelt leise, beruhigende Worte in ihrer beider Muttersprache, während ihre Tränen warm und salzig über seine Schulter rinnen. Einen Moment glaubt er, sie würde nicht weitersprechen, aber dann tut sie es doch - dicht an seinem Hals und ihre Verzweiflung scheint sie dabei zu ersticken. >Er hatte sich schon lange abgewandt, ich habe es nur nicht gemerkt. Vielleicht war es von Anfang an schon zum Scheitern verurteilt. Und es ist ....es ist jetzt auch gleichgültig. Selbst wenn er eines Tages zurückkehren sollte ... ich will ihn niemals mehr wiedersehen.< "Gut so," grollt er sacht und wiegt sie sacht, wie er ein Kind trösten würde. "So ist es richtig. Vergiß diesen blöden Druiden. Er ist es gar nicht wert, daß du ihm auch nur eine Träne nachweinst. Und wenn er je wieder auftauchen sollte, mache ich dir eine Kette aus seinen Zähnen." Oh ja, dafür ist sie dir dann bestimmt dankbar, spöttelt seine Selbstironie.

"Psst... schon gut. Es ist in Ordnung, wein soviel du willst, es ist gut. Alles wird gut." Er weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, während er sie hält. Er verdankt Raven sein Leben und mehr als das... schließlich ist allein ihre Sturheit schuld, daß er begonnen hatte, aus dem grauen Sumpf auch wieder herauszuwaten. Eine Schulter zum Ausweinen und seine Nähe, auch wenn sie vielleicht nichts nützen mag, ist das mindeste, das er ihr geben kann. Er hat sie schon früher gehalten, getröstet oder aufgemuntert und das in weit ernsteren Situationen... auf dem unseligen Weg nach Liedberg, als sie so plötzlich bei ihnen aufgetaucht war - auch damals war Mottenfaenger sang- und klanglos einfach verschwunden gewesen. In der Kanalisation, als sie die Wurmnester ausgeräuchert hatten, ein kurzer bittersüßer Moment voller Vertrautheit in einem stinkenden Tunnel ...und wo war der Spaßmacher da? Nicht bei ihr. Auf der Hochzeit des Lord Commanders... gut, da hatte er sie nicht getröstet, sondern sie gezwungen, mit ihm zu tanzen. Barfuß. Mottenfaenger hätte ihr nachgehen müssen und hat es nicht getan. Er streicht über ihr Haar und spürt irgendwann, wie ihr Körper schwerer wird und sich entspannt. Sie schläft ein, ab und an noch immer schniefend, und er liegt wach im Dunkeln... und was immer sie eigentlich genau getan hat, außer ihm ihr Herz auszuschütten, er fühlt sich nicht mehr halb so erbärmlich, wie vorher.    

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 27. März 2005, 18:20 Uhr
Ravens eiserne Maske der Selbstbeherrschung hält so lange wie dieses letzte kleine Restchen Distanz, das sie von Caewlin trennt und als sie seine sanfte Stimme an ihrem Ohr hören kann, die leise Worte murmelt und seine Hand auf ihrem Rücken spürt, hilft es auch nichts mehr, die Tränen wegblinzeln zu wollen. Es sind schon zu viele und sie sprudeln, als hätte er mit seiner bloßen Nähe einen brüchigen Damm zum einstürzen gebracht. Einen Moment lang kämpft sie mit sich selbst, hin und her gerissen zwischen dem vergeblichen Versuch, keine Schwäche zu zeigen und dem Wunsch, sich ihre ganze Angst und Verzweiflung vom Herzen zu heulen. Obwohl sie sich dabei fast in Grund und Boden schämt, schwemmt ein wahrer Sturzbach heißer Tränen wie eine Flut all den verborgenen Kummer nach draußen, der sich in den letzten Monden angesammelt hat, und all die Zweifel und Vorwürfe, die sie im Stillen plagen, drängen mit einem Mal unaufhaltsam nach oben. Es ist ein ganz und gar ungewohntes Gefühl, einmal nicht stark sein und eine Maske der Beherrschung tragen zu müssen, sondern sich selbst einfach gehen lassen und hingeben zu dürfen, und es ist etwas, das Raven nicht kennt und das ihr völlig fremd ist. Ist es nicht immer schon Caewlin gewesen, der für mich da war und mir Schutz und Trost geboten hat, wann immer ich ihn brauchte? Mein Gefährte hat dies nie für mich getan. Zitternd liegt sie an seiner breiten Brust, die Arme um ihn geschlungen, und vergräbt das Gesicht an der warmen Haut seiner Schulter, bis ihr bitterliches Schluchzen allmählich leiser wird. Einen Augenblick lang empfindet sie ein so starkes Gefühl der Vertrautheit, dass es ihr beinahe Angst macht, aber seine Nähe und Wärme hüllen sie in einen schützenden Mantel und vertreiben alle Furcht. Absurderweise fühlt sie sich bei diesem düster anmutenden Ungeheuer von Nordmann, der auf andere oft so finster und abschreckend wirkt, so behütet und sicher, als ob nichts und niemand ihr je etwas anhaben könnte. Es dauert lange, bis Ravens Tränen endgültig versiegen und ihr die rotgeweinten Augen zufallen. Und während der letzten wachen Momente, bevor sie in einen völlig erschöpften Schlaf sinkt, wird ihr klar, dass es weder Anstand noch Gewissen waren, die sie versuchen ließen, das bisschen Abstand zu wahren, das sie voneinander trennt, sondern die Angst, dass er in ihr etwas wecken könnte, was besser im Verborgenen ruhen sollte.

Raven erwacht aus einem tiefen, traumlosen Schlaf, gerade als die Sonne ihre ersten Strahlen über den Ildorel schickt und das Zimmer in weiches, goldenes Morgenlicht taucht. Merkwürdigerweise kann sie direkt unter ihrem Ohr einen starken, gleichmäßigen Herzschlag spüren, den ihr schlafwirrer Geist zuerst nicht einordnen kann. Erst als sie die Augen aufschlägt, realisiert sie, wo sie sich befindet und was ihr gerade als Kopfkissen dient und diese Tatsache treibt ihr eine sanfte Röte ins Gesicht, als sie sich vorsichtig aus starken Armen befreit. Der Rückzugsweg in die eigene Betthälfte scheitert jedoch an eisernem Widerstand, der – wie sie mit einem Blick über ihre Schulter feststellt – aus zwei nackten Füßen besteht, die sich ihr in den Rücken bohren und zu einem kleinen silberblonden Nordmann gehören, der sich offenbar irgendwann in der Nacht heimlich, still und leise aus seiner eigenen Bettstatt hinüber zu ihrem Lager geschlichen hat. Aus dem geordneten und vor allem unbemerkten Rückzug wird demnach ein heilloses Durcheinander aus Armen und Beinen und es dauert eine Weile, bis sie sich aus dem Knäuel befreit hat und über Caewlin hinweg aus dem Bett klettert. Sie zieht es sicherheitshalber vor, das Ankleiden auf später und auf einen ungestörten Ort zu verschieben, und schleicht sich im Nachtgewand, mit vom Schlaf zerzausten Haaren und auf bloßen Füßen in die Küche hinaus, wo sie das Feuer im Herd und anschließend auch das im Kaminzimmer schürt und sich dann an die Zubereitung eines Frühstücks macht, wenn sie nun schon einmal wach ist. Gerade als sie siedendes Wasser in den Teekessel gießt, kann sie von draußen die leisen Geräusche eines langsam erwachenden Baumes und seiner Bewohner hören .

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 27. März 2005, 19:30 Uhr
Als Niniane am nächsten Morgen in die Küche herunter kommt, eine quengelnde Shaerela auf dem Arm, die zwar nachts keinen großen Hunger gehabt, sie dafür aber mit einem leuchtend roten Ausschlag auf dem kleinen Hinterteil trotzdem stundenlang wach gehalten hatte, ist Raven bereits auf den Beinen, der Tisch halb gedeckt, die Feuer lustig am Prasseln und der Tee schon fast fertig. „Huch, du bist ja schon auf. S’leja, min Ija,“ sie huscht an der zierlichen jungen Frau – noch im Nachtgewand und barfuss, wie sie selbst - vorbei und berührt sie kurz und warm an der Schulter, während Shaerela heulende Quietschlaute von sich gibt. „Oh, schon gut, schon gut... gleich, min Lia. Einen Moment Geduld wirst du noch haben.“ Zu Raven gewandt fügt sie mit einem gequälten Lächeln hinzu: „Sie ist wund und war die halbe Nacht wach, weißt du? Und jetzt tut sie so, als sei sie am Verhungern.“ In einem Arm das zappelnde Baby, in der anderen Hand einen Becher Tee, kehrt sie ins Esszimmer zurück, setzt sich mit ihrer Tochter an den Tisch und füttert sie gleich dort. Übermüdet und unleidlich, wie sie ist, ist Shaerela jedoch kaum an einem Frühstück interessiert, sondern unterbricht ihr Trinken alle paar Naslang, um empörtes Zorngeschrei von sich zu geben oder sich unruhig hin und herzuwinden, bis Niniane es schließlich aufgibt und sie ins Kaminzimmer bringt, um ihr eine frische Windel zu geben – die zehnte seit Mitternacht. Ich muß der Wäscherin sagen, dass ich ihre Dienste von nun an zweimal im Siebentag benötige, mit zwei Kindern im Baum, die ständig frische Windeln brauchen... Sie trägt dünn und vorsichtig Zinksalbe auf die geröteten Hautstellen auf und Shaerela, endlich gnädiger gestimmt, schläft beim folgenden Stillen prompt an ihrer Brust ein. Erleichtert, den kleinen Quälgeist beruhigt zu haben, legt sie die Kleine zum Schlafen in ihr Weidenkörbchen und kehrt mit schmerzendem Nacken und einem unterdrückten Gähnen ins Esszimmer zurück. „Du hast Frühstück gemacht,“ stellt sie angesichts von Marmelade, Honig, geröstetem Brot, dampfendem Porridge mit Honig und Milch auf dem Tisch angenehm überrascht fest. Dann fällt ihr ein, wo die ehemalige Diebin den gestrigen Tag verbracht hat und leise Sorge mischt sich ins Goldbraun ihrer Augen.

„War es sehr schlimm für dich gestern? Zum Baum zu reiten, meine ich?“ Raven wirft ihr einen langen Blick zu, während sie die Teekanne mitten auf dem Tisch abstellt, doch nach einem Moment schüttelt sie den Kopf... und irgendetwas an der Art, wie sie das tut, lässt Niniane stutzig werden. Sie hätte schwören können, dass der Ritt zum Baum Raven sehr viel mehr aus der Bahn geworfen hätte, doch die junge Frau wirkt zwar durchaus geknickt, aber längst nicht so verzweifelt, wie Niniane es erwartet hat. Zwischen zwei Bissen Honigbrot beobachtet sie das noch ein wenig winterblasse, schmale Gesicht neben ihr aufmerksam und stellt fest, dass Raven überhaupt längst nicht mehr so verzweifelt wirkt, wie noch vor ein paar Wochen... noch vor ein paar Tagen. Vorgestern, um präzise zu sein. Was war vorgestern? Cron und ich waren auf dem Markt. Sie hat auf die Kinder aufgepasst... Schneerutschen... Hühnerkauf... Cofeabohnen... sie hat Essen gekocht und ...oh. „Schläft Caewlin noch? Cron will heute mit ihm sprechen, wegen Calyras Tod. Das wollten wir gestern schon tun, aber er hat sich noch einen Tag ausbedungen, ehe er die Wahrheit erfahren will...“ sie zuckt leicht ratlos mit den Schultern. „Er weiß es ja immer noch nicht... nichts über ihren Tod und den Mann, der sie erschlagen hat, nichts von Borgil, Phelan und den anderen.“ Ihre Augen umschatten sich mit Trauer und Mitleid, während sie einen Moment in ihren Becher starrt, als berge der Jasmintee Geheimnisse. „Tu mir einen Gefallen und... und halte dich in der Nähe, wenn er es hört, ja? Ich weiß nicht, was er tun wird, verstehst du? Ich meine, ich kann es mir denken und das kann ihm auch niemand verwehren... aber es wäre doch nett, wenn er dabei nicht gleich halb Talyra in Schutt und Asche legt. Und du bist die Einzige, die ihn vielleicht aufhalten kann, wenn er... äh...“ wenn er was? Eine blutige Schneise vom Nordtor bis zur Steinfaust schlägt? „Was ich meine ist, er wird dich brauchen.“ Sie unterstreicht ihre Worte mit einem beschwörenden Blick, doch noch bevor Raven irgendeine Antwort geben kann, ist es mit der vertraulichen Ruhe im Esszimmer vorbei, das sich nacheinander mit drei hungrigen Nordmännern, zwei groß, einer klein, und zwei nicht weniger beeindruckenden Hunden füllt, die allesamt Frühstück wollen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 31. März 2005, 23:17 Uhr
Mit der Gewissheit im Nacken, mit Caewlin reden zu müssen verläuft das Morgenmahl in reichlich gedrückter Stimmung, auch wenn die Versorgung Bryndens und der Hunde ihm noch einen gnädigen Aufschub verschaffen. Cron löffelt appetitlos eine Schale Haferbrei mit Honig und trödelt endlos mit einem Stück geräuchertem Schinken herum, bis er merkt, dass er Zeit schindet. In den vergangenen Wochen von Caewlins und Ravens langsamer Genesung hatte er zahllose Versuche unternommen, mit dem Sturmender über Calyras Tod und ihren Mörder zu sprechen, doch wann immer er davon angefangen hatte, hatte Caewlin ihm sehr deutlich klargemacht, dass er nichts davon hören wollte... jetzt hat sich das geändert und plötzlich weiß Cron nicht mehr, was er sagen, wie er anfangen, geschweige denn, wie um Himmels Willen er enden soll. Caewlin hat Calyra so geliebt und ich muss ihm beibringen, dass sie vor meinen Augen gestorben ist, erschlagen von einem Mann Whytfisks. Alle Worte, die ihm einfallen wollen, erscheinen ihm völlig unzulänglich, nichts als leeres, hohles, fadenscheiniges Gerede. Aber er muss es erfahren, unbedingt. Sein Blick wandert zu Niniane, die mit ihren schlanken Händen ein Stück Brot bricht und es mit Butter und dunkler Marmelade bestreicht. Selbst diese absolut alltägliche Geste erscheint ihm so anmutig wie ein Tanz und wenn er sich vorstellt, er hätte sie durch ein so perfides Rachespiel eines Feindes verloren, kann er nicht einmal mehr atmen, weil sich ein Ring aus Eis um seine Brust legt. Ach, Cariad... du hattest Recht. Es ist schwerer, als ich dachte... Sie blickt auf, als habe sie seinen Blick oder vielleicht auch seine Gedanken gespürt und lächelt und er merkt, wie er das Lächeln erwidert, obwohl ihm gar nicht danach zumute ist. Also schön. Verbrennt das, was er von mir übrig lassen wird, seid so nett, und schickt meine Asche in den Norden. Er schiebt seinen Teller von sich, holt tief Luft und steht auf.

"Caewlin..." Der Sturmender wirft ihm einen langen, blaugrünen Blick zu, nickt dann aber, schiebt Brynden mit ein paar leisen Worten zu Raven hinüber und folgt ihm ins Kaminzimmer. Die Sonne ist längst aufgegangen und das Wasser des Ildorel jenseits der Böschung und des Strandes unter ihnen, leuchtet grünblau in ihrem goldenen Licht. Caewlin folgt seinem Blick, aber er sieht abwesend aus, so als wäre er in Gedanken weit fort und Cron ahnt, was er sieht: keinen friedlichen See im Morgenlicht, sondern ein brennendes Boot unter einem sternklaren Nachthimmel. "Wir müssen reden, Caewlin... du hättest das alles schon viel früher erfahren müssen, aber Himmel... ich weiß nicht, wie ich beginnen soll." Cron starrt über das kühle Grün des Ildorel hinweg und fängt an, mit leiser Stimme zu erzählen... alles zu erzählen, angefangen von dem Tag, an dem er von der Jagd zurückgekehrt war erfahren hatte, was geschehen war, von seinem Angebot an Calyra, ihm, Borgil und Phelan zu folgen, von ihrem langen Warten und schließlich der Nachricht des Botenjungen, Borgil sei zurück. Von ihrem angstvollen Ritt durch die Winterkälte zur Harfe und wie sie dort von Borgil von seinem und Ravens vermeintlichem Tod erfahren hatten. "Es war alles so vollkommen... irrsinnig, Caewlin. Borgil schwer verwundet, dieser Junge und das andere Mädel, die Diebin, die euch begleitet hat halbtot... Phelan, sterbend vor Borgils Kamin, Cal, so voller Angst um dich, mittendrin die weinenden Kinder, die überhaupt nicht begriffen haben, was vor sich ging und Niniane... völlig verzweifelt und geschockt. Nur Cal... sie hat... sie hat nur an dich gedacht." Ungeheure Traurigkeit legt sich über sein Gesicht, aber sein Blick ist jetzt entschlossen - er hat es angefangen, also würde er es auch zu Ende bringen. Caewlin sieht noch immer hinaus auf den Ildorel, aber Cron weiß, dass er ihm zuhört, dass er auf jedes Wort wartet, obwohl es ihn innerlich zerreißen muss. "Ich meine, wir wollten es alle nicht glauben," fährt er nach einer Weile leise fort. "Aber wir mussten, denn Borgil hat es uns wieder und wieder versichert. Er sagte, es sei alles eingestürzt, ihr wärt verschüttet... tot... er war ziemlich außer sich.

Nur Cal... Calyra hat sich einfach geweigert, es zu glauben. Sie fauchte uns an wie eine wütende Katze, du wärst nicht tot, sie wüsste es... und dann ist sie hinausgerannt. Ich folgte ihr, aber... Caewlin, es tut mir so leid, aber ich habe einfach nicht damit gerechnet. Niemand hat damit gerechnet. Sie ist... sie ist... zum Seehaus gelaufen. Sie war vielleicht hundert Schritt vor mir, ich konnte sie sehen. Er trat aus einer Nische zwischen zwei Häusern und hat sie erschlagen, mitten auf der Straße. Es ging sehr schnell... ich glaube nicht, dass sie gelitten hat. Es tut mir leid, Caewlin. Es tut mir so ungeheuer leid."  Caewlin hat den Blick noch immer abgewandt, aber er hält den Kopf jetzt gesenkt. Cron kann nur sein markantes Profil mit den hohen Wangenknochen und der geraden Nase hinter einem Vorhang an kastanienbraunem Haar erkennen... aber er hat noch nie einen schrecklicheren Ausdruck auf dem Gesicht eines Menschen gesehen wie in diesem Augenblick auf Caewlins Zügen. Lange Zeit sagt keiner von ihnen ein Wort, bis Caewlins heiseres Flüstern irgendwann die Stille bricht. Er hat ohne Nachzudenken in Normandik gesprochen, so dass Cron überrascht blinzelt... bis ihm auffällt, dass er selbst schon die ganze Zeit in ihrer beider Muttersprache erzählt. Ich hoffe, ihr Mörder hat gelitten. Cron schüttelt den Kopf. "Nej. Ich habe ihren Mörder nicht erschlagen, Caewlin," erwidert er leise. "Oh, ich wollte es und beinahe hätte ich es getan. Aber dann musste ich an Calyras Worte denken. 'Er ist nicht tot. Wenn er tot ist, wüsste ich es.' Und ich hoffte... ich glaubte... ich dachte, wenn du doch noch am Leben bist und dich irgendwie retten kannst..." er zuckt mit den Schultern. "Der Mann sitzt in der Steinfaust. Er gehört dir."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 01. Apr. 2005, 20:38 Uhr
Mit ernstem Gesicht lauscht Raven den Worten der Waldläuferin, während sie sich einen Kanten Brot dick mit Butter und Honig bestreicht. Sie selbst weiß schon lange, was in jener Nacht geschehen und wie Calyra gestorben ist, Cron und Niniane hatten es ihr schon bald nach ihrer Rückkehr erzählt, nachdem sie aus ihrem Fieberdelirium wieder aufgewacht war. Seither hatten sie oft genug darüber gesprochen, an stillen Abenden im Schein des Kaminfeuers, das die Trauer und das Entsetzen auf ihren Gesichtern in leuchtendes Gold gefasst hatte. Nur Caewlin weiß noch immer nichts darüber, weiß nicht, wer Calyra den Schädel eingeschlagen hat und nicht, dass ihr Mörder in der Steinfaust sitzt und auf sein letztes Stündlein wartet. Raven ahnt, was Niniane mit ihren Worten meint, auch wenn die Waldläuferin den angefangenen Satz in der Luft hängen lässt, ohne ihn zu beenden, aber ihre beschwörenden Blicke kann sie trotzdem nur mit einer Geste der Hilflosigkeit erwidern. Wieso sollte ausgerechnet ich ihn aufhalten können? steht deutlich in ihrem Gesicht zu lesen und ein Funken ratloser Verzweiflung mischt sich in das warme Braun ihrer Augen. Du weißt so gut wie ich, dass nichts und niemand einen wutschäumenden Nordmann bremsen kann. Schon allein der Versuch, Caewlin bei irgend etwas aufzuhalten, was er sich in den Kopf gesetzt hat, wäre ungefähr so sinnlos, als wolle man einen brodelnden Vulkan am Ausbrechen hindern - es ist schlichtweg unmöglich. Die Worte, die ihr als Antwort auf der Zunge liegen, schluckt sie jedoch ungesagt hinunter, als sich das Esszimmer nach und nach mit einer Horde hungriger Nordmänner und zwei Hunden füllt. Nachdenklich kaut sie auf ihrem Honigbrot herum und mustert dabei durch den dunklen Schleier ihrer schlafzerzausten Haarmähne Caewlins Gesicht. Wie wird er reagieren, wenn er erfährt, wie Calyra zu Tode gekommen ist? Raven weiß es einfach nicht. Sie kennt ihn gut und hat im Lauf der Zeit gelernt, in seinem Mienenspiel zu lesen, aber sie kann beim besten Willen nicht sagen, was er tun wird. So verzweifelt, so niedergeschmettert und des Lebens müde wie im Moment hat sie Caewlin überhaupt noch nicht erlebt und sie hat keine Ahnung, ob er mit wildem Zorn oder eisiger Ruhe oder vielleicht auch ganz anders reagieren wird. Eins glaubt sie jedoch zu wissen, so sicher, wie jeden Morgen die Sonne über dem Ildorel aufgeht - dass er den Kerl töten wird, der seine Frau umgebracht hat, und dass er sich durch niemanden davon abbringen lassen wird.

Mit Rorge, der seit Calyras Tod in den Verliesen der Steinfaust darbt, hat sie allerdings nicht einen Funken Mitleid, genauso wenig wie er Mitleid mit ihr gehabt hatte, als sie blutüberströmt und mit gebrochenen Knochen vor seinen Füßen gelegen hatte. Dabei ist dieses grobschlächtige, stupide Muskelpaket von einer Kanalratte nur Whytfisks Handlanger gewesen und hat, dem Bleichen treu ergeben wie ein Hündchen seinem Herrn, lediglich seinen Befehl ausgeführt. Whytfisk .... er ist ihr wahrer Mörder, er ist es, der Calyra auf dem Gewissen hat. Und ich hoffe, dass er dafür in den allerschlimmsten der Neun Höllen schmort und sich die Ratten an dem gütlich tun, was von ihm übrig geblieben ist. Bei der Vorstellung, wie eine wimmelnde, quiekende Flut von Ratten seinen bleichen Kadaver zerlegt, wird ihr jedoch ziemlich flau im Magen und sie spürt bei der Erinnerung an die düstere Krypta und die Geschehnisse dort unten ein vages Gefühl von Übelkeit in sich aufsteigen. Hastig legt sie das angebissene Brot auf den Teller zurück und ist auf einmal ziemlich blass um die Nase. Als Caewlin ihr Brynden auf den Schoß setzt, um mit Cron hinüber ins Kaminzimmer zu gehen, ist sie reichlich froh, den Kleinen auf den Knie schaukeln und mit ihm das restliche Honigbrot teilen zu können, denn das lenkt sie wenigstens vorübergehend ab und lässt trübsinnige Gedanken und böse Erinnerungen gar nicht erst zu. Ihr Blick fliegt über den weichen, silberblonden Haarschopf hinweg zu Niniane, die den beiden Männern stirnrunzelnd und mit Sorge im Blick nachsieht und dann lauschen sie wortlos und mit angehaltenem Atem den leisen Wortfetzen, die aus dem Kaminzimmer zu ihnen herüber dringen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 01. Apr. 2005, 23:29 Uhr
Einen Moment lang bleibt Caewlins Gesicht noch völlig reglos... dann erreichen ihn Crons Worte. >Ich habe ihren Mörder nicht erschlagen, Caewlin. Der Mann sitzt in der Steinfaust. Er gehört dir.< Die Wut schießt unvorbereitet in ihm hoch, ein weißglühendes Rad aus Feuer, das sich durch seine Brust brennt und ihn beinahe erstickt. Er braucht seine ganze Selbstbeherrschung, sie unter Kontrolle zu halten. Kalter Schweiß rinnt ihm über den Rücken und alle Farbe ist aus seinem Gesicht gewichen. Seine Kiefernmuskeln sind so angespannt, daß seine Zähne schmerzhaft knirschen. Als er nach einer halben Ewigkeit nach Atem ringt, ist das Geräusch so laut, als zerreiße Tuch. Kälte kriecht in ihm hoch und läßt den schwarzen Zorn zu einem kalten, dumpfen Ring aus Eis erstarren. Noch einmal holt er tief Luft, blickt auf, beißt die Zähne zusammen und sieht Cron direkt ins Gesicht. "In der Steinfaust, sagst du?" Seine Stimme ist sehr kalt und ruhig. Cron mustert ihn aufmerksam, forscht in seinem Gesicht, aber dann nickt er und tritt einen halben Schritt beiseite. Caewlin nickt, dann dreht er sich mit plötzlicher Heftigkeit um und geht hinaus. Er sieht weder Niniane, noch Raven oder seinen Sohn an, aber eine knappe Handbewegung, nicht mehr als ein Zucken der Finger, läßt die Bluthündin mitten im Aufspringen innehalten, mit dem sie ihm hat folgen wollen. Im Vorraum findet er seine Waffen, den ledernen Gurt mit den beiden Jagddolchen, den Morgenstern mit den drei eisendornbewehrten Schlagkugeln, nimmt sie vom Haken und eilt hinaus, legt sie noch im Gehen an. Ehe die Tür hinter ihm ins Schloß fällt, kann er Ninianes Stimme hören, die hastige Worte hervorsprudelt, kann er hören, wie Cron und Raven nach ihm rufen, er solle warten, er solle nichts Unüberlegtes tun, sie würden mitkommen... aber er hält nicht einmal Inne. Caewlin betritt die heuduftende Wärme des Pferdestalls am Rand der Lichtung, sattelt und zäumt den Grauen, führt ihn hinaus, steigt auf und donnert in Richtung Talyra davon, ohne sich ein einziges Mal umzusehen.

-> Steinfaust

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 03. Apr. 2005, 10:26 Uhr
Niniane legt ihr Messer beiseite und lauscht so angespannt wie Raven auf die Worte aus dem Kaminzimmer, die nur als Murmeln an ihr Ohr dringen, während Brynden neben ihr auf Ravens Schoß fröhlich mit seinen Fingern das Honigbrot zerlegt, unberührt von dem plötzlichen Gefühlsumschwung um ihn her. Ihr ganzes, feines Elbengehör nützt ihr jedoch nicht das Geringste, denn beide sprechen Normandik - was immer ein wenig klingt, als grollten und knurrten große Hunde leise vor sich hin - und so kann sie nur hin und wieder einen Fetzen aufschnappen. Dennoch hält sie den Atem an und wechselt einen alarmierten Blick mit Raven, denn die Atmosphäre gefährlicher Ruhe, die unvermittelt aus dem Kaminzimmer sickert, wirkt hundertmal bedrohlicher als es ein lauter Wutausbruch oder verzweifelter Zorn gewesen wären. Einen Augenblick später kommt Caewlin heraus und sein Gesichtsausdruck läßt Niniane beinahe aufspringen. Aus seinen Augen ist jedes Blau gewichen, sie sind grün und kalt wie Flußwasser. Sie schiebt hastig ihren Stuhl zurück, doch er sieht weder sie noch Raven oder seinen Sohn auch nur einmal an und ist zur Tür hinaus, noch ehe sie auch nur seinen Namen über die Lippen bringt. "Caewlin... warte! CAEWLIN!" Sie hört ihn im Vorraum rumoren, ist aber nicht rasch genug um den Tisch herum, weil sie mit ihrem Batistnachthemd an einer Stuhllehne hängenbleibt. Im nächsten Moment spürt sie Crons warme Hände auf ihren Schultern, als er sich an ihr vorbeischiebt. "Verflixt!" Mit einem leisen Ratsch! reißt der Stoff, doch sie kann sich jetzt beim besten Willen nicht darum kümmern.

"Genau das hatte ich befürchtet. Cron... Raven... ihr müßt ihm nach, ihr seid die einzigen, die ihn vielleicht..." sie hat noch nicht zu Ende gesprochen, als Cron, der offenbar den gleichen Gedanken hatte, Raven auch schon kurz entschlossen an der Hand gepackt hat, und vom Stuhl und hinter sich herzerrt - barfuß und im Nachthemd, einen erschrocken loskreischenden Brynden mit klebrigem Honiggesicht und noch verschmierteren Fingern auf dem Arm. Mit einem leisen Angstlaut eilt sie ihnen nach und während Cron den Gürtel mit dem Katzbalger und seinem Dolch anlegt, nimmt sie Raven den weinenden Brynden ab, reißt einen ihrer Umhänge vom Haken und drückt ihn stattdessen der verdatterten Diebin in die Hand. "Hier. Gib mir den Kleinen und nimm den Umhang mit und... und..." sich einmal um sich selbst drehend entdeckt sie ein paar geringelter Socken in goldgelb und schwarz, rafft sie zusammen, zieht sie auseinander und nötigt sie Raven auf. "Schnell, zieh das an...hier, du kannst nicht ohne... warte ich hole dir Stiefel..." Sie wendet sich ab, um eine der Truhen zu öffnen, doch zu spät - Raven hatte gerade noch Gelegenheit, zeternd in einen Strumpf zu schlüpfen und sich den Umhang um die Schultern zu werfen, als sie auch schon wieder von Cron von den Füßen geholt und hinter ihm her in Richtung Pferdestall davongezogen wird... und Niniane kann ihnen nur noch ein inbrünstiges "Beeilt euch!" hinterherrufen, denn Caewlin donnert auf dem gewaltigen, rauchgrauen Schlachthengst bereits in Richtung Talyra davon... eine Lawine aus Fleisch und Zorn.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 03. Apr. 2005, 12:10 Uhr
Kaum dass Caewlin - das Gesicht eine Maske aus mühsam beherrschtem, eiskaltem Zorn - mit langen Schritten das Zimmer durchmessen hat und nach draußen in den Vorraum verschwindet, wo sie ihn rumoren und dann die schwere Eingangstür hinter ihm ins Schloss fallen hören, bricht im Esszimmer ein wahres Chaos aus. Wo eben noch die friedliche Stille eines sonnigen Morgens den Raum gefüllt hatte, kläffen nun zwei aufgebrachte Hunde wild durcheinander, Brynden auf Ravens Arm kreischt zu Tode erschrocken los und Shaerela, die bis dahin in aller Seelenruhe vor sich hin gedöst hat, stimmt ein solch gellendes, sirenenartiges Geschrei an, dass ihnen die Ohren klingeln. Dazwischen flattert Ninianes angsterfüllte Stimme durch den Raum wie ein aufgeschreckter Vogel und Raven weiß überhaupt nicht, wie ihr geschieht, als Crons kräftige Finger sie abrupt von ihrem Stuhl hochreißen. Einen Herzschlag lang ist sie so überrumpelt, dass sie nur hektisch den brüllenden Brynden an sich drücken kann, der ihrem Arm zu entgleiten droht, und sich einfach willenlos von dem Tronjer mitschleifen lässt. Das einzige, woran sie mit klopfendem Herzen denken kann, ist der kaltlodernde Zorn in Caewlins Gesicht. Aber dann werden ihre Augen plötzlich schmal und sie rammt energisch die Fersen in den Boden, als sie begreift, was Cron vorhat. "Nein! Oooh nein! Nordmann hin oder her - ich werde verdammt noch mal nicht im Nachthemd zur Steinfaust reiten! Lass mich sofort wieder los! Cron! Nein! Halt .... brrr! Jetzt warte gefälligst!" Und da ist es wieder, das Problem mit den sturen Nordmännern, die durch nichts zu bremsen sind, wenn sie einmal in Fahrt geraten, auch nicht durch lautstark zeterndes Weibsvolk, das sie hinter sich her schleifen. "Verflucht noch eins, Cron! Ich muss mir erst was anziehen, ich kann doch nicht in diesem Fetzen .... Himmeldonnerwetter, jetzt bleib doch mal stehen! Ich  .... ich hab ja nicht einmal Schuhe an!" Er umklammert ihr Handgelenk wie ein Schraubstock und zerrt sie mit sich hinaus, wo Niniane ihr Brynden aus dem Arm nimmt und ihr stattdessen mit fliegenden Fingern einen Umhang zuwirft, wobei sie ihren Redeschwall nicht einmal zum Luftholen unterbricht und hastig etwas von Strümpfen und Stiefeln vor sich hin murmelt. Sie nötigt Raven eine höchst albern aussehende, gelbschwarzgeringelte Socke über den Fuß, aber bevor sie an die zweite oder ihre Stiefel auch nur denken kann, bugsiert Cron sie schon zur Tür hinaus.

"Willst du jetzt wohl stehenbleiben, du halsstarriger Tronjer! Götterverdammt!" Wutschnaubend hüpft sie auf einem Bein hinter ihm her den schlammigen Weg Richtung Stall entlang und von dem Schwall deftiger Flüche, die auf Crons Rücken niederprasseln, könnte vermutlich sogar Borgil noch ein paar neue Wörter lernen, die ihm die Schamesröte ins bärtige Zwergengesicht treiben würden. Bevor sie sich versieht, findet sie sich auf dem breiten Rücken eines Normander Schlachtrosses wieder und klammert sich an Cron fest, der den Hengst in selbstmörderischem Tempo durch die dichtstehenden Baumstämme Richtung Nordtor treibt. Donners gewaltige Hufe lassen den Schlamm hoch aufspritzen und reißen faustgroße Erdbrocken aus dem Boden, als er die schmalen Wege entlangprescht und Raven hat reichlich zu tun, sich auf seinem Rücken zu halten, den tiefhängenden Zweigen auszuweichen und sich unterdessen auch noch die fürchterliche Socke von den Zehen zu pulen. Ich sehe aus wie eine wildgewordene Vogelscheuche, denkt sie grimmig und verflucht zum wiederholten Male ihre ungekämmte Haarmähne, die ihr immer wieder vors Gesicht weht, sämtliche Nordmänner im Allgemeinen und zwei ganz im Besonderen. Aber was tut man nicht alles, um einen Freund vor Unglück zu bewahren. "Was ist das denn für ein lahmer Gaul? Kann der nicht schneller oder will er nicht?" brüllt sie gegen den Wind in Crons Ohr. "Gib ihm die Sporen, sonst holen wir Caewlin nie ein!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 08. Apr. 2005, 20:27 Uhr
Noch Rückweg von der Steinfaust

Gar nicht mal so ü....? Raven öffnet den Mund, um etwas auf Caewlins Bemerkung zu erwidern, dann klappt sie ihn perplex wieder zu, nur um ihn sogleich erneut aufzusperren - doch auch diesmal dringt nicht mehr als ein heiseres Krächzen aus ihrer Kehle und sie ist vor Überraschung so sprachlos, dass sie nur wie ein Fisch auf dem Trockenen hektisch nach Luft schnappen kann. Kein Mensch hat sich jemals Gedanken über ihr Hinterteil gemacht, geschweige denn es so genau betrachtet, dass er darüber auch noch einen Kommentar hätte abgeben können - noch nicht einmal ihr Gefährte, der vermutlich gar nicht bemerkt hatte, dass sie so etwas überhaupt besitzt. Caewlins Worte lassen ihr vor Verlegenheit das Blut in die Wangen schießen und sie wird sich seiner Nähe und der Wärme seines Körpers dicht an ihrem Rücken auf einmal mehr als deutlich bewusst. Wo sich besagter Diskussionsgegenstand gerade befindet, darüber will Raven lieber erst gar nicht nachdenken, aber sie bemüht sich - rot bis zu den Haarwurzeln und auf einmal stocksteif und wie versteinert im Sattel sitzend -, sich möglichst wenig zu bewegen, obwohl das eng aneinander gedrückt auf einem schaukelnden Pferderücken nicht gerade ein leichtes Unterfangen ist. Sie ist heilfroh, dass Caewlin in diesem Augenblick ihr Gesicht nicht sehen kann.

Der leise Spott weicht schnell wieder aus seiner Stimme und obwohl sie es nicht sieht, kann sie spüren, dass auch das Lächeln in seinen Mundwinkeln erlischt, als seine Gedanken in die dunklen Tiefen des Kerkerturms zurückkehren. >Eine Weile habe ich fast gehofft... sie erschießen mich, diese Armbruster auf den Wehrgängen<, beginnt er leise zu sprechen und in jedem seiner Worte meint Raven etwas von dem abgrundtiefen Schmerz mitklingen zu hören, der in seinem Inneren wüten muss. Sie hat schon oft, auch früher schon, zu begreifen versucht, was in solchen Momenten in ihm vorgehen mag, in Momenten, in denen er tötet, in denen seine Augen kalt und dunkel wie Eis werden und sich ein grausamer Zug um seinen Mund legt, in Momenten, in denen sie ihn fürchtet, in denen sie diesen Teil von ihm fürchtet - es ist ihr nie ganz gelungen. Das Gefühl, von dem Caewlin gerade spricht, kennt sie jedoch nur zu gut. >aber... als ich nach oben kam und all diese Blaumäntel sah, da habe ich einen Moment lang wirklich gehofft, irgendeiner von ihnen würde mich angreifen... oder mir einen Grund geben, ihm den Schädel einzuschlagen. Dann hätten sie mich erledigt und alles wäre vorbei gewesen.< "Aber es ist nicht vorbei und darüber bin ich wirklich froh", antwortet sie leise. "Das gleiche habe ich mir dort unten in den Tunneln gewünscht, als ich ... als ich zu Whytfisk gegangen bin. Dass jemand all dem ein Ende setzen und diesen Schmerz auslöschen würde. Und doch ist es letztendlich ganz anders gekommen."

Schweigend und in Gedanken versunken setzen sie ihren Weg durch das aufblühende Larisgrün fort. Der Nachmittag ist erfüllt von goldenem Licht und dem Rauschen und Murmeln der übersprudelnden Bäche, und es ist so friedlich und still, dass Raven das blutige Spektakel in der Steinfaust fast wie ein ferner Traum erscheint, als sie den letzten halben Tausendschritt zum Smaragdstrand hinunterreiten. Ein einziger Blick auf ihre blutverkrusteten Kleidungsstücke genügt allerdings, sie davon zu überzeugen, dass es kein Hirngespinst, sondern eine ziemlich handfeste Angelegenheit gewesen ist und sie braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie Niniane auf ihren Anblick reagieren wird. Wenigstens scheint Caewlin sich wieder gefasst zu haben und auf ihre besorgte Frage hin nickt er nur und umschließt fest ihre Hand mit seiner. >Die Priester predigen immer, man soll die Rache den Göttern überlassen... vielleicht haben sie ja recht und ich schmore irgendwann in den Neun Höllen für all jene, die ich aus Rache getötet habe.< "Vielleicht haben sie recht und du wirst tatsächlich in den Neun Höllen schmoren", gibt Raven unumwunden zu und lenkt den Grauen zwischen den Baumstämmen hindurch. "Dann wirst du aber in guter Gesellschaft sein, denn niemand ist frei von Fehlern und Sünden und Gedanken an Rache. Vielleicht haben sie aber auch unrecht. Was wissen die Priester schon .... wenn ich mein Dasein behütet hinter dicken Tempelmauern verbringe und das aufregende Gefühlsleben einer toten Makrele habe, dann kann ich anderen leicht solche Dinge wie Rache, Hass und Zorn vorwerfen und behaupten, dies sei allein den Göttern vorbehalten. Es gibt keinen Wunsch nach Rache, wenn nicht vorher etwas diese Seele verletzt hat. Es gibt keinen Zorn ohne Schmerz und keinen Hass ohne Liebe. Es gibt kein Schwarz und kein Weiß, so wie es einem die Priester oft erzählen wollen, es gibt nur grau. Und Menschen sind nun einmal grau."

Nachdenklich betrachtet sie Caewlins Hand, die still auf ihrer ruht. In ein paar Tagen würden die Schwellungen zurückgehen und der Schorf heilen und sie würde wieder sein wie vorher - eine große Hand mit schlanken, kräftigen Fingern und starken Gelenken, rau und schwielig und doch irgendwie schön. Eine Hand, die Rorge einen qualvollen, grausamen Tod beschert hat, die Whytfisks Gesicht zu einem blutigen Trümmerhaufen geschlagen und unzählige Männer verwundet, verletzt, verstümmelt, gefoltert und getötet hat. Aber es ist auch die Hand, in die sie schon so viele Male ihr Leben gelegt hat, die sie schützt und die so unglaublich sanft sein kann. Sie drückt sie fest. "Nein, es gibt kein Gut ohne Böse und kein Böse ohne Gut. Nirgendwo. Das eine kann ohne das andere nicht existieren. Und du hast nicht nur gehasst und getötet, du hast auch geliebt. Und du hast ein neues Leben erschaffen. Auch wenn du es nicht glaubst, Caewlin von Sturmende...." Einen Moment lang legt sie sacht den Kopf zurück an seine Brust und lauscht auf das kraftvolle Pochen an ihrem Ohr. "...da drin schlägt ein großes Herz. Und jetzt hilf mir, meine Haare von deinem Hemd loszukriegen, ohne dass ich sie abschneiden muss..."

Vor dem Baum der Waldläuferin angelangt, zügelt sie den Hengst, der vom Stall her schon mit einem kehligen Wiehern begrüßt wird - Cron scheint mit Donner schon längst wieder zurück zu sein. Auch der Graue drängt zum Stall, doch an Absteigen ist vorerst nicht einmal ansatzweise zu denken. Raven gelingt es zwar noch, sich wie eine Schlange windend aus dem blauen Umhang der Stadtgarde zu schälen, doch das blutverkrustete Haar von Caewlins Hemd zu lösen, ist eine ganz andere Sache - vor allem auf einem schnaubenden, herumtänzelnden Pferd, das sich in den Kopf gesetzt hat, sofort in gestrecktem Galopp zum Stall zu rasen, sobald man auch nur einen Zügel loslässt. Niniane, die den nahenden Hufschlag gehört hat und nun mit verschränkten Armen und hochgezogenen Brauen im Türrahmen lehnt, kann sich über das Knäuel aus Armen, Beinen, Haaren und flatternden Kleidungsstücken nur wundern, das auf dem Rücken von Caewlins Grauem zu immer verwirrenderen Formen mutiert und zudem auch noch irritierende Laute von sich gibt. "Aua, nicht so grob .... kannst du das nicht ausziehen? ... bei allen Göttern, was machst du denn da? .... lass mir bitte noch ein paar Haare dran....argh, halt doch mal einer dieses verdammte Pferd still!" Endlich schaffen sie es aus dem Sattel, wobei Raven sich fühlt wie frisch skalpiert und an Caewlins Hemdbrust büschelweise lange, dunkle Haare kleben. "Ja," seufzt sie erschöpft und mustert den blutbesudelten Nordmann, bevor sie an sich selbst herunter sieht, "ein Bad wäre jetzt wirklich nicht schlecht."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 08. Apr. 2005, 22:00 Uhr
Angelockt vom Geräusch dumpfen Hufschlags ist Niniane hinaus vor ihren Baum geeilt - doch der Anblick Caewlins auf seinem riesenhaften grauen Schlachtroß, blutig von den Stiefeln bis zur Stirn, hat sie noch auf der Türschwelle verharren lassen. Vor ihm im Sattel sitzt Raven, reichlich aufgelöst, eingehüllt in einen blauen Gardistenumhang und von ihrem gemeinsamen Ritt nicht minder blutig wie er - in ihren Gedanken dankt sie den Göttern, daß Cron bereits vor einer halben Stunde etwa im Baum angekommen war und ihr alles bereits erzählt hat... wenn er dabei auch auf die grausamen Details verzichtet hatte. Sie kann sehen, was Caewlin mit dem Mann, der Calyra erschlagen hatte, angestellt haben muß, um so auszusehen... und die Schatten in seinen Augen sprechen Bände. Einen Moment ringt sie nach Luft, kann die Wellen der Düsternis fühlen, die immer noch von ihm ausgehen, kalt und schwarz - und als sie in seine Augen sieht, bekommt sie einen vagen Eindruck von den Abgründen dahinter. Caewlin zügelt den Hengst direkt zwischen den Baumwurzeln und sie strafft sich, bemüht um ein möglichst ungezwungenes Lächeln, doch bevor sie die beiden in Empfang nehmen kann, folgt zunächst ein konfuses Gerangel auf einem engen Sattel, um überhaupt absteigen zu können - offenbar hatten die roten Blutlachen Ravens Umhang und Haar an Caewlins Hemd festgetrocknet. Irgendwann schaffen sie es allerdings doch, sich voneinander loszueisen und Caewlin hebt Raven einfach herunter als wöge sie nichts, steigt dann selbst ab und führt sein Pferd ohne ein weiteres Wort oder einen Blick in den Stall hinauf - nicht einmal für Akira, die ihm nachstürmt, hat er eine Geste übrig. Niniane sieht ihm nach und schüttelt leise den Kopf, während Raven, immer noch mit einer inzwischen feuchten und reichlich schmutzigen Socke an einem Fuß, zu ihr hinaufhumpelt, von einem hektisch wedelnden Stelze überschwenglich in Empfang genommen wird und dabei irgendetwas von einem Bad murmelt. "Wie geht es ihm?"  Raven blickt Caewlin fast zaghaft nach und zuckt dann mit den Schultern. "Das siehst du ja selbst."

Niniane nickt. "Cron hat mir erzählt, was geschehen ist. Komm. Nimm erst einmal ein heißes Bad, ich kühle dir das Wasser. Dann bringe ich dir etwas zum Anziehen. Wir haben heute eben Badetag - Cron war schon vorhin mit den Kindern im Becken. Jetzt sind beide kurz vor dem Wegdösen, aber wir haben mit dem Essen auf euch gewartet." Sie nimmt die junge Frau sanft am Arm und dirigiert sie in Richtung ihrer heißen Quellen, wo sie bereits ein lackiertes Holztablett mit verschiedenen Duftölen und Seifen und einen Stapel weicher lederner Tücher zum Abtrocknen bereitgelegt hat. "War es... sehr schlimm?" Erkundigt sie sich mitfühlend, während sie mit der linken Hand Stelze am Nackenfell packt und ihn sanft davon abhält, Raven die nackten Beine unter dem dünnen Nachtgewand in seiner Wiedersehensfreude blutig zu kratzen. "Hier, zieh das aus. Dein schönes Haar... ich fürchte, alles davon ist nicht zu retten. Wenn du einverstanden bist, kürze ich es dir nachher ein wenig, die Enden sind völlig verfilzt." Ein paar Beschwörungsformeln und tanzende Gesten später, hat das brodelnde Wasser in dem von glatten Steinplatten mit verschlungenen Muster eingefassten Becken erträgliche Temperatur und Raven kann hineinsteigen, um sich Blut, Staub und Schlammspritzer abzuwaschen. Niniane wendet sich um und holt aus dem Baum rasch frische Unterkleidung, ein Hemd, Strümpfe und eine weiche Lederhose aus Ravens Truhe, doch auf dem Rückweg hinaus zu ihrer Quelle wäre sie fast Caewlin in die Arme gelaufen, der sich, wenn er will, trotz seiner Größe so verflixt leise bewegen kann wie ein Schatten. "Du nimmst erst ein Bad," erklärt sie sanft, aber nachdrücklich. "So gehst du nicht hinein. Erstens habe ich heute den ganzen Tag die Böden geschrubbt und zweitens würdest du die Kinder zu Tode erschrecken - gut, mein Kind," räumt sie nach einem Moment ein, "denn dein Sohn ist ja ein ebensolcher Nordmannschädel wie du. Hier - bring das Raven, aber erschreck sie nicht, sie sitzt in der Wanne. Und schleich dich ja nicht an! Ich hole dir auch frische Kleider, und wenn ihr fertig seid, auf dem Herd stehen ein paar gebratene Moorhühner für euch. Und eine Kanne Cofea."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 09. Apr. 2005, 17:01 Uhr
Kaum sind sie beide aus dem Sattel gestiegen, was schwieriger war, als erwartet, da Raven wirklich an ihm geklebt hatte wie eine Fliege am Honigtopf, ruckt der Graue energisch am Zügel und schiebt ihm ungeduldig die wuchtige Ramsnase unter den Arm. Ihre Verrenkungen auf seinem Rücken um voneinander loszukommen, ohne Raven dabei sämtliche Haare auszureißen, hatte seiner vorübergehenden Friedfertigkeit ohnehin ein jähes Ende gesetzt und sie hatten alle Hände voll mit ihren verklebten Kleidern und dem Grauen zu tun gehabt, der drauf und dran war, ernsthaft durchzugehen und sie beide unsanft auf den Waldboden zu befördern. "Sluta nu!" Caewlin ruckt an den Zügeln, nicht mehr in Stimmung für weitere Widersinnigkeiten, und der Hengst rollt die Augen, scharrt mit den Hufen und reibt seinen wuchtigen Schädel an Caewlins Seite. Raven bringt sich mit zwei hüpfenden Schritten außer Reichweite von Hufen und Zähnen, bleibt aber noch einen Augenblick bei ihm stehen und mustert skeptisch erst ihn, dann sich selbst, während sie seufzend bemerkt, daß ein Bad jetzt wirklich nicht schlecht wäre. Auf dem letzten Stück ihres Rittes zu Ninianes Lichtung und dem gewaltigen Baumriesen hatte sich die aufkeimende Unbeschwertheit zwischen ihnen irgendwie wieder davongestohlen, ihre Ankunft hier die plötzlich todernst gewordene Unterhaltung abrupt beendet. Dennoch lächelt er kaum merklich bei ihrem Versuch, ein möglichst unangewidertes Gesicht zu machen und keiner von ihnen beiden scheint sich jetzt einfach so umdrehen und schulterzuckend davongehen zu können. Sein Blick schweift zu Niniane hinauf, die ihn von ihrer Türschwelle her aus unergründlichen Goldaugen mustert und nickt sacht. "Geh. Ich komme nach... ich bringe nur den Grauen in den Stall." Er braucht ein paar Augenblicke mit sich allein und der Hengst erinnert ihn ohnehin schon augenrollend an seine Pflichten.

Selbst die dämmrige, warme und vom friedlichen Schnauben der Pferde erfüllte Atmosphäre des Stalls, die sonst nie ihre besänftigende Wirkung verfehlt, nimmt die Beklommenheit nicht von ihm und als er den Grauen schließlich mit einer höllisch schmerzenden, blauschwarz verfärbten Hand abgesattelt und trockengerieben hat, ist er äußerlich vielleicht ruhig, aber seine Gedanken kreisen wirbelnd durcheinander und der Zorn ist immer noch in ihm, schwelend wie ein eingedämmtes Feuer - überlagert zwar von anderen Gefühlen, allesamt wirr und paradox -, doch noch lange nicht verloschen. Als er den Stall verlässt und zum Baum hinunter geht, begegnet er in der Tür Niniane, die erschrocken zurückfährt. Einen Moment lang macht sie ein Gesicht, als wolle sie ihn ausschelten, aber dann wird ihm einfach nur ein Stapel Kleider in die Hand gedrückt. Die Waldläuferin verliert kein Wort über das Geschehene oder sein Aussehen und dafür ist er mehr als dankbar - stattdessen wird er mit der Order, das Raven zu bringen und es ja nicht zu wagen, in seinem Zustand den Baum zu betreten und die Kinder zu erschrecken resolut in Richtung der heißen Quellen davon geschoben. Einen Moment lang blickt er unschlüssig auf den Stapel Kleidung in seiner Hand, dann zuckt er mit den Schultern und macht kehrt. Auf dem Weg zum Steinbecken veranstaltet er gehorsam soviel Lärm wie eine Büffelherde und räuspert sich sogar ganz brav, ehe er näher tritt - doch das wäre gar nicht nötig gewesen, denn im Wasser ist soviel duftender Seifenschaum, dass Raven völlig darin versinkt. Sie blickt auf, als sie ihn hört, aber sie sagt gar nichts, sondern sieht ihn nur an und er legt ihre Kleider auf eine kleine geschwungene Ausbuchtung des nächsten Wurzelstrangs neben einen Stapel Handtücher. "Hier." Einen Moment verharrt er unschlüssig, schon halb abgewandt, aber dann bleibt er doch stehen, ihre Worte von vorhin so deutlich im Ohr, als habe sie sie eben erst ausgesprochen.

"Rede mich nicht vor dir selbst schön, Raven," er schüttelt sacht den Kopf und sucht ihren Blick. Das Lächeln ist von seinem Gesicht verschwunden, aber es schimmert noch vage in seinen Augen, wenn auch sehr viel melancholischer als vorher. "Calyra hat mich einmal gefragt, warum ich ein Krieger wurde und ich habe ihr geantwortet, weil ich nicht singen oder tanzen kann. Aber eigentlich war es überhaupt keine bewusste Entscheidung. Ich bin was ich bin. Und manchmal bin ich das Ungeheuer, für das mich alle halten." Er zuckt mit den Schultern und setzt sich auf das moosige Ende eines dicken, knotigen Wurzelstrangs, das Gesicht dem Ildorel und Raven den Rücken zugewandt. Der See liegt im beginnenden Dämmerlicht perlmuttgrau unter ihm und in den Heckenrosen am Rand der Lichtung stimmt eine Amsel ihr Abendlied an. "Wir Menschen sind elende Kreaturen. Vielleicht erwartet mich die Hölle, vielleicht auch nicht. Vielleicht ist die Hölle ein Ort, der nur in unserer Vorstellung existiert, vielleicht ist sie so real wie die Erde unter meinen Füßen und ich werde in ihr brennen. Wenn es je eine Hoffnung auf Rettung meiner verdammten Seele gegeben hat, dann ist sie mit Cal gestorben." Einen Moment schweigt er und sein Blick irrt über den See hinaus - seine Oberfläche ist so glatt wie ein Spiegel. "Früher hätte ich an solche Dinge nicht einen Gedanken verschwendet," fährt er fort und jetzt flüstert er fast. "Ich folgte nur einem Pfad und auf dem Weg des Stahls hast du kein Gewissen und keine Seele... du lebst nur im Hier und Jetzt, rechnest deine Lebenszeit nach Stunden, nicht nach Jahren. Doch auf diesen Weg kann ich nicht zurück. Das wäre... " er schnaubt leise, halb belustigt, halb verächtlich... "zu einfach. Und ich will es auch nicht."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 10. Apr. 2005, 00:58 Uhr
Noch bevor sie überhaupt die Eingangstür erreicht, wird Raven schon von der ungeduldig wartenden Waldläuferin in Empfang genommen und gleich wieder rückwärts die Stufen hinab geschoben, wobei Niniane ohne Unterlass auf sie einredet und von dem zurückgekehrten Tronjer und den Kindern erzählt, den kläffenden Stelze beiseite scheucht und sie in Richtung des Steinbeckens bugsiert, das weiße Dunstschleier in die kühle Abendluft steigen lässt. Die Aussicht auf ein Bad beschleunigt tatsächlich Ravens müdes Gehumple und sie ist froh, endlich aus dem schmutzigen, blutverklebten Hemd schlüpfen und sich in das heiße Wasser sinken lassen zu können, das Niniane mit einem kleinen Zauber so weit abgekühlt hat, dass es einem Normalsterblichen nicht gleich das Fleisch von den Knochen löst. Auf dem Rand des Steinbeckens findet sie ein ganzes Tablett mit allerlei Tiegeln, Fläschchen und Phiolen, die wohlriechenden Inhalt versprechen und neugierig, wie sie ist, kann sie es sich nicht verkneifen, jedes einzelne zu entkorken und daran zu schnuppern. Mmh.... Rosenöl... und was ist das hier? Ah, Lavendel.... und das hier riecht nach ... riecht nach .... Maiglöckchen? Igitt..... Sie schüttet ein paar Tropfen von irgend etwas Violettem, das ihrer Nase nach besonders gut riecht, in das heiße Wasser, hält die Luft an und taucht so lange wie möglich unter, um den widerlich metallischen Geruch von Blut loszuwerden, der ihr anhaftet. Prustend und spuckend kommt sie wieder nach oben, sucht sich eine bequeme Stelle an den steinernen Stufen und lässt sich dort eine Weile im Wasser treiben. In der Hitze der Quelle dauert es nicht allzu lange, bis sie sich fühlt wie ein Krebs, den man gerade in der Schale weichgekocht hat.

Bevor sie sich jedoch aufraffen kann, nach Seife und Lappen zu greifen, die Niniane bereitgelegt hat, kann sie hinter sich das Geräusch schwerer Stiefeltritte und gleich darauf ein vernehmliches Räuspern hören und sie müsste nicht erst hochsehen, um zu wissen, dass es Caewlin ist. Sie tut es trotzdem und als sich ihre Blicke treffen, findet sie seinen weit und offen und so unverhüllt, wie sie es noch nie an ihm gesehen hat. Schweigend tritt er an den Rand des Beckens, legt einen säuberlich gefalteten Stapel Kleidungsstücke ab und wendet sich zum gehen, doch dann hält er noch einmal inne und was er sagt, lässt ihr überrascht den Mund offen stehen. >Rede mich nicht vor dir selbst schön, Raven.< Vor allem die leise Bitterkeit, die sie in seiner Stimme hört, lässt sie ihn bekümmert anblicken. "Ich brauche dich mir nicht schönreden", gibt sie zurück, "ich weiß, was du bist." Caewlin geht nicht auf ihren Widerspruch ein, sondern kehrt ihr den Rücken zu und lässt sich auf einer Wurzel hinter dem Wasserbecken nieder. Sie starrt auf seinen breiten Rücken, der sich dunkel gegen den Abendhimmel abhebt, gebeugt von Schuld und Schmerz und einer Last, die ihn völlig niederzudrücken scheint. Seltsam rau klingen seine Worte durch die Dämmerung und seine Stimme wird sehr leise, als er von Calyra spricht. >Wenn es je eine Hoffnung auf Rettung meiner verdammten Seele gegeben hat, dann ist sie mit Cal gestorben,< murmelt er und klingt so verzweifelt, dass sich ihr Herz schmerzhaft zusammenkrampft.

Es tut ihr weh, ihn so zu sehen, zu sehen, wie er sich quält und in Hoffnungslosigkeit zu versinken droht. Aber sie fühlt auch noch eine andere Regung in sich aufsteigen, zuerst nur leise und kaum wahrnehmbar, aber dann immer heftiger nach oben sprudelnd - Wut. "Caewlin von Sturmende - du bist ein Idiot", stellt sie fest, stemmt die Fäuste in die Hüften und funkelt zornig seinen Rücken an. "Ein Riesenhirsch, ein Hornochse, ein .... ein ... ein verdammter normander Sturschädel! Und dazu noch dumm wie Stroh. Ich will dir mal was sagen, du ... du ... du bist halsstarrig! Du bist eingebildet, du bist arrogant, eitel, rachsüchtig, blutrünstig, kaltschnäuzig, berechnend, grausam, kalt, brutal und roh und du bist störrischer als ein Maultier, jawohl!" Wutschnaubend klatscht sie mit der flachen Hand so fest auf das Wasser, dass es nur so spritzt, dann setzt sie sich wild gestikulierend in Bewegung. "Du bist rechthaberisch, immer musst du das letzte Wort haben, dein Grinsen bringt einen zum Wahnsinn und dein Pferd ist ganz und gar unmöglich, von deinem mörderischen Hund ganz zu schweigen! Aber wir lieben dich, so wie du bist, kapierst du das nicht? Ganz genau so." Mit grimmigem Gesicht baut sie sich vor ihm auf, Wassertropfen und Wut versprühend, lächerlich klein gegen ihn - und völlig außer sich. "Liebt Cron dich nicht wie einen Bruder? Und Niniane? Und dein Sohn? Und Calyra, hat sie dich nicht trotzdem geliebt? Du bist immer für uns da, du setzt dein Leben für uns aufs Spiel und du ... du ... du hast uns noch niemals im Stich gelassen, zählt das wohl überhaupt nicht?" Obwohl er sitzt und sie steht, sind ihre Gesichter auf gleicher Höhe und ihre Nasen berühren sich fast, als sie ihn zornbebend anschreit: "Und du bist ein Ungeheuer - na und?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 10. Apr. 2005, 20:58 Uhr
Das Schweigen nach seinen Worten dehnt sich, unendlich und weit wie der Himmel, und der Wald um die Lichtung ist mit einem Mal vollkommen still, seine beständigen Geräusche zu einem monotonen Wispern verblasst, ein anhaltendes Flüstern aus dem Lied des Windes in verschlungenen Baumkronen, dem leisen Rascheln der Blätter und dem sanften Murmeln des Baches zwischen den Farnen. Kein Tier regt sich, kein Vogel singt. Das letzte Abendlicht vergoldet den See, den Strand unter ihm und die grasbewachsene Böschung, die zu seinen Füßen abfällt, die winzigen Triebe der wilden Erdbeeren zwischen den Baumwurzeln und das grüne Moos. >Caewlin von Sturmende - du bist ein Idiot,< Ihre Worte fallen in diese perfekte Stille wie ein Hammerschlag aus dem Nichts und lassen Caewlin vollkommen überrumpelt zusammenzucken. Ein was?! Sprachlos starrt er auf den in Kupfer und Purpur getauchten Ildorel. >Ein Riesenhirsch, ein Hornochse, ein .... ein ... ein verdammter normander Sturschädel! Und dazu noch dumm wie Stroh.< Tönt es hinter ihm und er vergisst völlig, dass er ihr eigentlich taktvoll den Rücken zuwenden hatte wollen. Als er ungläubig halb den Kopf dreht, steht sie aufrecht im Wasser, die Hände in die Hüften gestemmt und starrt angriffslustig auf seine Schultern, Seifenschaumfetzen wie einen löchrigen Umhang am Leib. >Ich will dir mal was sagen, du ... du ... du bist halsstarrig! Du bist eingebildet, du bist arrogant, eitel, rachsüchtig, blutrünstig, kaltschnäuzig, berechnend, grausam, kalt, brutal und roh und du bist störrischer als ein Maultier, jawohl!< fährt sie fort und klingt dabei so rechtschaffen empört, dass er einen Herzschlag lang ernsthaft nicht weiß, ob er lachen oder schnauben soll. Seine Zähne knirschen aufeinander, aber er muss auch gegen ein Lächeln ankämpfen und extrem trocken meldet sich ein leiser Gedanke zu Wort, der ihr auch noch beipflichtet. All das und noch mehr.

Bevor er jedoch auch nur den Mund öffnen kann, um etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen, klatscht es hinter ihm so laut, dass er erschrocken vollends herumfährt und prompt eine Salve nach Rosen duftenden Badewassers abbekommt. Sprachlos starrt er sie an und zweifellos steht ihm auch der Mund offen - und das nicht nur, weil sie brodelt wie ein Kessel Loas Öl, kurz vor dem Siedepunkt. Die Seifenschaumschleier haben sich verflüchtigt, verdampft in der Hitze des Wassers, und ihre noch ein wenig winterblasse Bronzehaut hebt sich dunkel von den weißen Dampfschwaden über dem Wasser ab, bernsteinfarben wie Waldhonig. Das letzte Abendlicht glänzt in Goldfäden in ihrem Haar, säumt ihre Konturen mit Feuer, glitzert in Wassertropfen auf ihrer Haut und lässt das sonst so warme Braun ihrer Augen unter den langen, dunklen Wimpern kupferne Funken sprühen. Dann geht sie endgültig auf ihn los: >Du bist rechthaberisch, immer musst du das letzte Wort haben, dein Grinsen bringt einen zum Wahnsinn und dein Pferd ist ganz und gar unmöglich, von deinem mörderischen Hund ganz zu schweigen!< Sie rudert mit den Armen, redet mit Mund und Händen, unterstreicht mit wütenden, nachdrücklichen Gesten temperamentvoll jedes Wort, das sie ihm an den Kopf wirft und merkt dabei in ihrer Rage überhaupt nicht, dass sie aus dem Wasser steigt... und als er es merkt, ist es bereits zu spät. Sie ist unleugbar außer sich vor Zorn, auch wenn er beim besten Willen nicht sagen, kann, womit er sie eigentlich so wütend gemacht hat, aber da ist noch mehr in ihrer Stimme, ein leiser Unterton, den er nicht einordnen kann - und sie hat nie schöner ausgesehen. Wasser perlt von ihren Schultern, ihrer Brust, ihrem Bauch, rinnt in glitzernden Bächen an ihren Beinen hinab und aus den glänzend schwarzen Haarsträhnen, die sich über ihren Rücken ringeln, hinterlässt Lachen aus geschmolzenem Gold unter ihren Füßen, die unaufhaltsam auf ihn zutappen, während sie weiter auf ihn einredet. Ihr Anblick trifft ihn so unerwartet wie ihr plötzlicher Zorn und sein Herz setzt einen Schlag aus.

Sie ist noch immer zu dünn - wenn er noch zwei Hände gehabt hätte, hätte er ihre Taille mit Leichtigkeit damit umspannen können - , ihre Hüften sind schmal, ihr Knochenbau wirkt leicht, aber nicht zerbrechlich, die Linien ihrer Muskeln schlank und elegant, ihre Brüste hoch und fest und überraschend voll, und sie bebt wie eine vibrierende Bogensehne. >Aber wir lieben dich, so wie du bist, kapierst du das nicht? Ganz genau so.< Sie tritt direkt vor ihn, so nahe, dass er die Hitze spüren kann, die noch immer von ihrer Haut dampft, und er nimmt instinktiv den Kopf ein Stück zurück - das hat nur zur Folge, dass sie sich auf die Zehenspitzen stellt. Braune Augen glitzern zornig in einer Handbreit Entfernung  und er spürt ihren Atem auf seinem Gesicht, einen halben Herzschlag lang, bevor sie ihn Nase an Nase anschreit: >Liebt Cron dich nicht wie einen Bruder? Und Niniane? Und dein Sohn? Und Calyra, hat sie dich nicht trotzdem geliebt? Du bist immer für uns da, du setzt dein Leben für uns aufs Spiel und du ... du ... du hast uns noch niemals im Stich gelassen, zählt das wohl überhaupt nicht? Und du bist ein Ungeheuer.... na und?< Vollkommen überrumpelt von ihrer Wut, diesem fauchenden Wildkatzenauftritt und ihrer Nacktheit kann er sie einen Moment lang nur fassungslos von ihren niedlichen kleinen Zehen bis hinauf zu ihren flammenden Augen anstarren und atmet Feuer. Dann sucht er ihren Blick, hält ihn fest und sieht sie so lange schweigend an, bis er spürt, wie in ihrer Wut Verwirrung aufkeimt, obwohl ihn das seine ganze Selbstbeherrschung kostet - aber sie merkt immer noch nicht, in welche Gefahr sie sich gerade gebracht hat. "Richtig," stimmt er zu und irgendwie gelingt es ihm sogar, dabei halbwegs normal zu klingen. "Und ungeduldig, skrupellos und hinterlistig, das hast du noch vergessen. Außerdem selbstgefällig." Seine Hand schließt sich langsam, aber fest um ihren rechten Arm und  zieht sie noch ein wenig näher. Er neigt den Kopf ein Stück zur Seite, so dass seine Wange fast an ihrer liegt und spürt die feuchte Hitze ihrer Haut. "Und Raven", schnurrt er dicht an ihrem Ohr, gefährlich sanft. "Ungeheuer fressen nackte kleine Mädchen."

Sie starrt ihn an, schnappt nach Luft, starrt an sich hinunter, dann fliegt ihr Blick zurück zu seinen Augen und weitet sich in erschrockenem Begreifen. Seine Mundwinkel zucken, eindeutig bemüht, nicht in ein Wolfsgrinsen auszubrechen, und flammendes Rot steigt in ihre Wangen. Sie zuckt zurück, fort von ihm, irgendwohin - vermutlich zurück ins Wasser, doch er hält sie ohne nachzudenken fest und sie landet mit einem erschrockenen Quietschen wieder an seiner Brust. "Raven..." Caewlin kann ihren Herzschlag sehen, ein flatterndes Pulsieren unter der Haut an ihrem Hals. Zorn, Verwirrung, Sehnsucht, alte Zärtlichkeit und so neues, wie unvermitteltes Begehren, vermischen sich in seinem Inneren zu einem strudelnden Sog und er fällt in einen Mahlstrom verworrener Gefühle, die er allesamt nicht haben sollte, nicht haben darf. Sein Blick bleibt an ihrem Mund hängen, dann reißt er sich von ihr los und schiebt sie von sich. Seine Finger öffnen sich so langsam, als koste es ihn eine gewaltige Anstrengung, sie von ihrer Haut zu nehmen und ein Zittern läuft durch ihn hindurch. "Geh, Raven. Sofort." Sie blinzelt, verwirrt, als erwache sie eben aus einem Traum und er steht so heftig auf, dass er beinahe hinterrücks über die Wurzel gestolpert wäre. "Heilige Götter!" Er greift unsanft nach ihrer Hand und seine Augen lodern. Die Finger um ihr Handgelenk geschlossen reißt er ihre Rechte hoch und hält sie ihr vor das erschrockene Gesicht. "Wenn ich noch einmal versuchen sollte, dich zu küssen, dann kratz mir die Augen aus!" Er lässt ihre Hand fallen, als hätte er sich verbrannt, dann dreht er sich um und stapft brodelnd vor Wut auf sich selbst und erschrockenem Entsetzen über das, was er beinahe getan hätte, davon. Sein Körper schmerzt von Kopf bis Fuß und sein Herz schlägt ihm bis zum Hals. Und ich bin ein Narr. Das hast du auch vergessen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 11. Apr. 2005, 19:56 Uhr
Ihre Wut schäumt so wild über wie ein ausbrechender Geysir und Raven ist ihr hilflos ausgeliefert, ohne dass sie auch nur den Hauch einer Chance hätte, sich dagegen zu wehren. Und sie weiß selbst nicht, warum Caewlin sie so aus der Fassung bringt - vielleicht weil zu viel passiert ist, vielleicht weil er sich beharrlich weigert, auch nur ein gutes Haar an sich selbst zu lassen, vielleicht auch, weil er wirklich all das ist, was sie ihm zornfunkenversprühend ins Gesicht schleudert. Vielleicht, weil sie ihn nicht schönreden will, sondern genau das Gegenteil - als würde ihr Zorn sie vor ihm schützen wollen, als würde eine Stimme in ihrem Inneren ihr verzweifelt zubrüllen: Sieh genau hin. Sieh dir an, was er ist. Wenn du nicht brennen und dein Herz und deine Seele nicht verlieren willst, dann lauf, so schnell du kannst, lauf weg, bevor es zu spät ist. Aber sie steuert schnurstracks auf ihn zu und redet sich ungestüm in Rage, ohne überhaupt zu merken, was sie tut - klitschnass, heftig gestikulierend und eine Spur aus glitzernden Wassertropfen hinter sich her ziehend, bis ihr Gesicht keine Handbreit mehr von seinem entfernt ist und sich ihre Blicke treffen, als würden loderndes Feuer und kaltschimmerndes Eis aufeinanderprallen. Völlig überrumpelt von ihrer eigenen Wut und dem tobenden Chaos in ihrem Inneren, verschwendet sie nicht einen Gedanken daran, wie er auf all ihre wilden Anschuldigungen reagieren wird und was sie damit anrichten könnte. >Ungeduldig, skrupellos und hinterlistig, das hast du noch vergessen, bemerkt er nur trocken, als sie ihren zornigen Wortschwall beendet hat. Außerdem selbstgefällig.< Caewlins Stimme ist leise und ruhig, aber so kratzig wie Sandpapier und in ihr schwingt ein mühsam in Zaum gehaltenes Beben mit, das in Raven sämtliche Alarmglocken losschrillen lässt. "Ja, das auch", schnaubt sie, aber ihre Kehle ist auf einmal wie ausgetrocknet und ihre Stimmbänder scheinen sich mit einem Schlag in Luft aufgelöst zu haben. Etwas in den türkisdunklen Schatten seiner Augen bringt ihre Knie zum Flattern und lässt plötzlich heillose Verwirrung in ihr aufsteigen, weil sie dort etwas findet, auf das sie absolut nicht vorbereitet ist. Sein Atem streift ihr warm über Hals und Wange und der Klang seiner Worte, rau und sanft zugleich, fühlt sich an wie schwerer, nachtschwarzer Samt, als er flüstert >Und Raven .... Ungeheuer fressen nackte kleine Mädchen...<

Einen Herzschlag lang, einen viel zu langen Herzschlag dauert es, bis sie begreift, was er sagt, bis das ungezügelte Feuer ihrer Wut zu glühenden Funken in den Abendhimmel zerstiebt und sie, jäh in das Hier und Jetzt zurück katapultiert, nur ungläubig an sich hinabblicken kann und schockiert aufkeucht. Götter im Himmel! Was ... was hab ich getan? Mit einem wilden Satz weicht sie vor Caewlin zurück, die Wangen flammend vor Scham und die dunklen Augen angefüllt mit Angst und Entsetzen und mit noch etwas, das sie verzweifelt zu verbergen versucht und von dem sie hofft, dass er es nicht finden wird. Aber er hält sie fest und zieht sie zurück und gleich darauf ist sie so dicht bei ihm, dass sie sein Herz schmerzhaft gegen ihre Brust hämmern spüren kann, so heftig, dass sie jeden Schlag vom Hals bis hinab in ihre Zehenspitzen fühlt. Seine Augen sind so nah, dass Raven jeden einzelnen der winzigen Goldsprenkel erkennen kann, die darin schimmern wie schmelzende Splitter aus Eis, so nah, dass sie einen atemlosen Moment darin zu versinken droht. Sie findet etwas in diesem funkelnden Meer aus Blau und Grün, das sie erzittern lässt, das sie nicht glauben will, nicht glauben kann und sie will erschrocken den Blick abwenden, aber sie kann sich diesen Augen nicht entziehen, die sie festhalten, die sie ansehen, wie noch niemals ein Augenpaar sie angesehen hat, die sie in einen bodenlosen, wilden Strudel hinabreißen, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Sie brennt, brennt lichterloh. Ihre Haut scheint in Flammen zu stehen, dort wo seine Finger sie berühren und einen Herzschlag lang, der wie eine Ewigkeit währt, sieht sie nichts mehr außer seinem Gesicht, so nah und so vertraut, dass es schmerzt - bis Caewlin völlig unvermittelt ihr Handgelenk packt und unsanft nach oben reißt. Sie fahren so heftig auseinander, als hätte jemand einen Kübel Eiswasser über ihnen ausgekippt. >Wenn ich noch einmal versuchen sollte, dich zu küssen, dann kratz mir die Augen aus!< flüstert er rau und blankes Entsetzen liegt in seiner Stimme, als er von der Wurzel hochfährt, sich heftig umwendet und davonstolpert, als wäre ihm Sithech der Leibhaftige auf den Fersen.

Einen Moment steht Raven da wie vom Donner gerührt, panischen Schrecken und abgrundtiefe Verwirrung in den aufgerissenen Augen, unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, dann macht sie einen Schritt rückwärts und stürzt sich verzweifelt in das dampfende Wasserbecken. Allmächtige Götter ... ich kann nicht glauben, dass ich wirklich all diese Dinge zu ihm gesagt habe! Ich muss verrückt sein .... was ... was habe ich getan! Und was hat er .... Caewlin ... Götter, was ist bloß geschehen? Wie ein Stein lässt sie sich bis hinab auf den Grund des Beckens sinken, hüllt ihre Scham und ihr Entsetzen in rosenduftendes Wasser und Berge von Seifenschaum und ist fest entschlossen, nie wieder aufzutauchen und sich auf der Stelle in Ninianes Badewanne zu ersäufen. Allein die schiere Panik treibt sie wieder aus dem Wasser und der wilde Gedanke an Flucht. Weg! ist das einzige, was sie noch denken kann. Weg! Ich muss hier weg! Ich kann nicht in diesen Baum zurück, ich kann unmöglich .... Sie hält sich gar nicht erst mit den Handtüchern auf, sondern zerrt hektisch ihre ledernen Beinlinge aus dem Kleiderstapel, den Caewlin neben dem Becken abgelegt hat, schlüpft nass, wie sie ist, hinein und wirft sich mit flatternden Fingern das Hemd über die dampfenden Schultern und einen angstvollen Blick über die Lichtung und zum Baum hinauf. Götter ... ich kann ihm nie wieder in die Augen sehen ... Völlig verstört setzt sie sich in Bewegung, hat keine Ahnung, wo sie hin soll und am liebsten wäre sie vor sich selbst davongelaufen. Hastig klettert sie über die Böschung und rennt auf nackten Füßen zum Strand hinunter, doch auch dort lassen sich ihre Gedanken und der Aufruhr in ihrem Herzen nicht abschütteln, noch nicht einmal dieses wilde Pochen in ihrer Brust lässt sich beruhigen. Sie läuft blind in irgendeine Richtung und es ist ihr im Moment auch völlig egal, wohin - nur weg von hier und weg von diesem Nordmann, der sie so durcheinanderbringt, dass sie nicht weiß, wo ihr der Kopf steht. Was hast du mit mir angestellt, du verflixter Normander, dass ich ständig irgendwelche blödsinnigen Dinge tue, sobald du in der Nähe bist? Ich lasse mich von Cron im Nachthemd durch die Gegend schleifen, um dir zu folgen, ich mache mich vor vier Hundertschaften Blaumänteln zum Narren, ich bin so wahnsinnig und lege mich mit Whytfisk an, ich lasse mir von dir einen Dolch durchs Bein schmettern und ich schleppe mich wegen dir Dutzende Meilen durch einen stinkenden Kanal, ich werfe dir Schimpfworte an den Kopf und springe dir splitterfasernackt an die Kehle... ich muss vollkommen irre sein! Was, bei allen Neun Höllen, ist nur mit mir los? Götter...

Sie stapft durch den tiefen Sand, mit flatternden Haaren und einem nassen Hemd, das ihr am Leib klebt, völlig durcheinander und mit einem chaotischen Wirrwarr von Gefühlen in ihrem Inneren, von denen sie die meisten nicht einmal versteht, geschweige denn benennen kann. Und sie hat Angst. Angst vor sich selbst, Angst vor dem, was mit ihr geschieht, Angst vor dem, was sie fühlt, dort ganz tief drinnen, und Angst davor, es sich einzugestehen. Sie will es nicht aussprechen, sie will es noch nicht einmal denken und sie schiebt es weit, weit fort, weil sie fürchtet, dass diese kleine lodernde Flamme, die sie schon so lange in ihrem Inneren birgt, die sie nie zu ersticken vermocht hat, sich zu einem Flächenbrand ausbreiten könnte, den niemand mehr zu löschen in der Lage wäre. Es ist schon lange dunkel und hoch über ihr glitzert der wolkenlose Nachthimmel im Licht tausender Sterne, als sie still und verzweifelt wie ein Häuflein Elend zum Baum zurückkehrt. Hinter seinen Fenstern schimmert anheimelnd und verlockend der Goldschein von Kerzen und Kaminfeuer, sie sieht dunkle Schatten durch die goldene Helle huschen und hört leise Stimmen in die Nacht dringen, aber sie bleibt im Schutz der Dunkelheit stehen und wagt es nicht, ihn zu betreten. Stattdessen tappt sie auf bloßen Füßen um den alten Baumriesen herum und verschwindet lautlos im Inneren des Pferdestalls. Sie will mit niemandem reden, will niemanden mehr sehen, niemandem begegnen und ihr Herz und ihre Gedanken sind bis obenhin angefüllt mir Zorn und Kummer, Verzweiflung und einer hilflosen Wut auf sich, auf Caewlin und auf den ganzen verdammten Rest der Welt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 11. Apr. 2005, 20:53 Uhr
Es ist Niniane, die Raven schließlich im Pferdestall findet - und das nicht ganz zufällig. Cron und sie selbst hatten am Abend sprachlos das Spektakel an der heißen Quelle mitverfolgt. Sie hatten gerade die Kinder an den Tisch gesetzt, als sie alarmiert von Ravens Zorngeschrei, aufgeschreckt an die blattförmigen Fenster des Baumes geeilt waren - und dort hatten sie fassunglos zugesehen, wie Raven splitterfasernackt und klitschnass auf Caewlin losgegangen war, in ihrer Wut alles vergessend. Sie hatten nicht gehört, was Caewlin zu ihr gesagt hatte, aber Niniane hat Augen im Kopf - und sie hat sein Gesicht gesehen. Seine letzten Worte allerdings hatten sie gehört, sein entsetztes 'Heilige Götter!' ebenso wie das wütende 'Wenn ich noch einmal versuchen sollte, dich zu küssen, dann kratz mir die Augen aus!' Ihnen war synchron die Kinnlade heruntergeklappt, dann hatten sie blinzelnd einen verwirrten Blick getauscht und besorgt mitangesehen, wie Caewlin davongestapft war und Raven sich wieder ins Wasser gerettet hatte. Ihr erster Impuls war gewesen, hinauszueilen zu ihr oder ihm - oder ihnen beiden, doch Cron hatte sie zurückgehalten und bestimmt den Kopf geschüttelt. "Laß sie gehen, Cariad," hatte er gesagt. "Sie brauchen eine Weile, um sich davon zu erholen."

Seine Stimme hatte durchaus ernst geklungen, aber auch irgendwie... belustigt. Und ziemlich selbstzufrieden obendrein, so als wäre das eine durchaus positive Entwicklung der Dinge. Und seine Mundwinkel hatten sich eindeutig zu einem Lächeln gekräuselt, als er noch hinzugefügt hatte: "Hast du das Knistern zwischen ihnen gesehen? Himmel, ich dachte, der Blitz schlägt ein." Da sie weit weniger geneigt war, das ganze grinsend als Schicksalsfügung hinzunehmen und sie dem aufbrandenden Gefühlschaos auf ihrer Lichtung auch nicht vollkommen ihre Sinne hatte verschließen können, war sie den ganzen Abend über ruhelos in ihrem Baum herumgetigert - vor allem deswegen ruhelos, weil weder Raven noch Caewlin hereingekommen waren. Sie hatte die Kinder gefüttert und ins Bett gebracht, die Reste der Moorhühner in den Herd geschoben, den Cofea seufzend in den Ausguß gekippt, da er mittlerweile die Farbe und Konsistenz von Rohöl angenommen hatte, die Hunde nach draußen gescheucht und sich dann zum Pferdestall aufgemacht - vorgeblich, um dort nach dem Rechten zu sehen, aber in Wahrheit, weil sie Raven von ihrem Küchenfenster aus hineinhuschen hat sehen.

"Min Ija?"
Im Inneren des Stalls mit seinen hohen Dachsparren und dem halboffenen Heuboden ist es warm, riecht anheimelnd nach frischem Stroh und Pferdedung, Leder und Kräutern und Wachs - und nach den Tieren selbst. Eine durchbrochene Bronzelaterne brennt sicher in ihrer Halterung an einer der glatten Holzsäulen zwischen den Boxen und auf dem Strohballen darunter sitzt Raven, die Beine angezogen, das Kinn auf den Knien. Niniane tritt zu ihr. Sie hat eine Decke, ein wenig kaltes Moorhuhn, Butterbrote und einen Krug Malzbier in einem Weidenkorb mitgebracht und setzt sich kurzerhand vor Raven ins raschelnde Stroh, breitet die Decke aus und reicht der jungen Frau einen Becher Bier und etwas zu Essen. "Ich kann nicht glauben, daß du gesagt hast, was du gesagt hast," beginnt sie und auf Ravens Blick hin nickt sie. "Ihr äh... wart ziemlich laut. Du warst ziemlich laut." Sie lächelt. "Iß etwas von dem Hühnchen, Süße, du hast seit dem Morgen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 11. Apr. 2005, 22:06 Uhr
Die Pferde haben sich zur Ruhe im Stroh niedergelegt, alle bis auf Caewlins Grauen, der im Stehen döst und ab und an mürrische Blicke über die Trennwand seiner Box zu dem ungebetenen Gast hinüberblitzen lässt, der sich zähneklappernd auf einem Strohballen niedergelassen hat, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen und die nackten Füße zwischen den stachligen Halmen vergraben. Ravens Inneres sieht nicht weniger widerborstig aus als der Strohballen, auf dem sie kauert. Auch sie hat sämtliche Stacheln aufgestellt und zieht sie auch nicht ein, als Niniane im Dämmerlicht des Stalles auftaucht, eine Decke und einen gefüllten Weidenkorb im Arm, als wäre sie zu einem Picknick unterwegs. Die Waldläuferin lässt sich im Stroh zu ihren Füßen nieder, völlig unbeeindruckt von Ravens geknurrtem "Lass mich allein, ich will niemanden sehen" und ihrem abweisendem Gesichtsausdruck, und drängt ihr einen Krug Malzbier, Brot und Hühnchenfleisch auf. Brot und Huhn sieht Raven nicht einmal an und Hunger ist das letzte, was sie im Moment verspürt, den Bierkrug leert sie jedoch in einem einzigen Zug, obwohl im Moment nicht einmal ein ganzes Fass Verder Dunkel ausreichen würde, ihren Kummer darin zu ertränken.

Niniane mustert sie mit einem langen Blick, der sie noch mehr verwirrt, als sie ohnehin schon ist, und nach einer Weile verbissenen Schweigens platzt die Waldläuferin freimütig heraus: >Ich kann nicht glauben, daß du gesagt hast, was du gesagt hast. Ihr äh... wart ziemlich laut. Du warst ziemlich laut,< schiebt sie als Erklärung auf den unmutigen Seitenblick hinterher, den Raven ihr zukommen lässt. "Ich kann es auch nicht glauben." Seufzend stellt sie den Krug neben sich ins Stroh, streicht sich ein paar verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht und lässt das Kinn wieder auf die Knie sinken. "Ich ... ich weiß nicht einmal genau, was geschehen ist oder warum. Ich weiß nicht, warum er mich ständig dazu bringt, solch ... solch idiotische Dinge zu tun." Sie blickt auf und im Dunkel ihrer Augen mischt sich absolutes Unverständnis mit Zweifeln und Angst. Von der überschäumenden Wut ist kaum etwas übrig geblieben, dafür ein leises, banges Zittern in ihrer Stimme. "Götter .... was hab ich nur angerichtet? Ist er ... ist er im Baum?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 11. Apr. 2005, 22:45 Uhr
Niniane ignoriert die stachlige kleine Wüstenpflanze auf dem Strohballen und beobachtet mit hochgezogenen Brauen, wie der ganze Krug Bier in Ravens Kehle verschwindet, als sei es seichtes Quellwasser. Den Göttern sei Dank bin ich nicht auf die Idee gekommen, Feuerwein mitzubringen... Sie mustert Raven lange und liebevoll und schüttelt sacht den Kopf, als die junge Frau spröde erklärt, sie wisse wirklich nicht, was eigentlich passiert wäre und warum schon gar nicht und wieso er - Caewlin - sie ständig dazu bringe, so idiotische Dinge zu tun. Bei jeder anderen Frau hätte das vermutlich wie die reine Koketterie geklungen, nicht aber bei ihr - und Ravens Blick ist so herzzerreissend ahnungslos und verwirrt, daß Niniane nur noch einmal sacht den Kopf schütteln kann. "Du hast gar nichts angerichtet... ich meine, was du ihm gesagt hast, war schließlich alles wahr. Und er hatte noch nie Schwierigkeiten mit der Wahrheit, das wissen wir ja alle," fährt sie mit einem leisen Lächeln in der Stimme fort, Ravens wütendes Fauchen noch immer im Ohr: >Caewlin von Sturmende, du bist ein Idiot... ein Riesenhirsch, ein Hornochse!< Mit Mühe unterdrückt sie ein Lachen. "Nur, daß du das splitterfasernackt getan hast, hat ihn wohl ein wenig... überfordert," schließt sie so diplomatisch wie möglich und prompt liefert ihr ihre stets hilfreiche Erinnerung ein lebhaftes Bild von Caewlins Gesichtsausdruck, als er Raven angesehen hatte...

Überfordert - das war die Untertreibung des Tages. Ja, aber Raven hat es nicht erkannt - ich verwette mein letztes Hemd, daß Mottenfaenger sie so nie angesehen hat und wahrscheinlich vor ihm auch kein anderer. "Du hast gar nichts angerichtet, min Ija. Im Augenblick ist er noch nicht zurück, jedenfalls war er das nicht, als ich gegangen bin und er... braucht wahrscheinlich auch eine Weile, ehe er das mit dem Hornochsen verdaut hat... " Sie zuckt hilflos mit den Schultern und kann nicht mehr wirklich gegen ein Grinsen ankämpfen, auch wenn es nichts spöttelndes an sich hat. Ihr Herz zieht sich allerdings mitleidig zusammen - denn sie hatte das Knistern gesehen, ebenso wie Cron - sie hatte Caewlins Augen gesehen und Ravens Zittern. Und sie sieht, welcher Abgrund sich dazwischen auftut - angefüllt mit Verleugnung, Angst und Schuld und dem Schatten einer Toten.
"Du bedeutest ihm viel, und das weißt du auch, Raven. Ebenso wie er dir. Ihr habt soviel miteinander erlebt und durchgestanden, daß das auch kein Wunder ist und ihr hattet schon immer eine... ganz besondere Verbundenheit. Rede mit ihm, wenn du kannst, das wird das Beste sein. Und jetzt komm, wir gehen hinein. Es ist spät und du mußt ins Warme. Nein, keine Widerrede, Raven. Komm, hilf mir, die Sachen zusammenzupacken."

Eine kleine Weile später löschen sie das Licht und verlassen den Pferdestall. Obwohl der Frühling unleugbar Einzug gehalten hat in den Herzlanden, ist es nachts empfindlich kühl und der Himmel ist sternenklar. Sie kehren in den Baum zurück und Raven huscht sofort davon in das Zimmer, das sie sich im Augenblick nur mit Brynden teilt. Cron schüttelt auf Ninianes fragenden Blick hin nur den Kopf - Caewlin war noch nicht zurück. Einen Moment zögert sie, überlegt, wo sie Raven vielleicht unterbringen könnte, damit sie die Nacht nicht in diesem Bett verbringen muss, aber dann schüttelt sie innerlich über sich selbst den Kopf. Den Teufel wirst du tun! Während eine andere Stimme warnt: Misch dich nicht ein! "Ich denke gar nicht daran, mich einzumischen," murmelt sie zu sich selbst, als sie Cron nach oben folgt und auch dort, wie überall unten im Baum, das Feuer für die Nacht abdeckt. Sie überzeugt sich davon, daß Shaerela in ihrer Wiege gut zugedeckt ist und friedlich schläft und öffnet dann eines der Fenster, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. "Es ist wohl kaum Einmischung, wenn ich das Ersatzbettzeug leider einfach nicht finden kann."  Ein Windstoß fährt durch die gewaltige Baumkrone und reibt die Blätter aneinander - es klingt wie tausend kleine Gelächter.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 12. Apr. 2005, 11:53 Uhr
Er läuft und läuft, schnell und wütend genug, dass ihm sein eigener Atem rau in den Ohren klingt und seine Stiefel kleine Sandwolken aufwirbeln - doch der Schmerz hält mühelos mit ihm Schritt, begleitet ihn mit jedem Atemzug und mit jedem Schritt wird seine Stimmung katastrophaler. Unerfülltes Verlangen, Zorn, maßlose Wut auf sich selbst... Caewlin von Sturmende, du bist ein Idiot!... Trauer, Leid, Schuld und grenzenlose Einsamkeit zerren und zerren an ihm, bis er glaubt, in Tausend Stücke zerrissen zu werden und sich niemals wieder zu finden. Er ist innerlich so zerbrochen, als seien Teile von ihm abgerissen, zackige, gesplitterte Scherben, die jetzt nicht mehr richtig zusammenpassen.
Irgendwann beenden hohe Felsen seine Flucht, die wie ein paar dicke, arthritische Steinfinger aus dem Wald ragen und ein Stück weit in den See hineinreichen - und als er sich schließlich schweratmend umwendet, sieht er den Smaragdstrand bestimmt einen Tausendschritt weit entfernt im letzten, sterbenden Dämmerlicht. Er lehnt sich mit dem Rücken gegen die moosüberzogenen Steine und sinkt in den Sand. Ab und an versetzt er dem harten, kalten Fels hinter ihm einen Fausthieb, als könne der körperliche Schmerz, der ihm dabei durch die geschundenen Finger, die Hand und den halben Arm hinauf schießt, ihn wieder zur Besinnung bringen - aber er ist leider ein Nichts gegen das heulende Kreischen in seinem Inneren. "Cal!" Er flüstert ihren Namen in den kalten, schwarzen unbarmherzigen Himmel und über den kalten, schwarzen unbarmherzigen See, doch er erhält keine Antwort. Selbst sein Herz gibt keinen Laut mehr von sich, denn es ist niemand da, der es schlagen hören könnte.

Der Wald hinter ihm ist inzwischen vollkommen schwarz, über ihm fern im Westen, dehnt sich nur noch eine zartfahle Ahnung von Orange und Rot am Himmel und die ersten Sterne schimmern längst über ihm am Firmament. Vor drei Monden hatten die Ahornbäume, die Buchen, Eichen, Birken und Ulmen noch ihre nackten Äste in den fahlen Winterhimmel gereckt wie dürre, schwarze Hände. Jetzt zittern sie grünbetupft in der kühlen Frühlingsnacht und im seltsam warmen Ostwind. In vier Monden würden ihre Blätter, satt und grün, schlaff in der feuchten Sommerhitze an den Zweigen hängen. Noch sechs Monde und sie würden rot und golden leuchten und seine Frau wäre immer noch tot. Auch wenn sich sein Herz bei diesem Gedanken in unerträglicher Qual zusammenzieht, ändert sich an der Tatsache nichts. Und an anderen Tatsachen genauso wenig. Er hatte geglaubt, nie wieder eine Frau so anzusehen, nie wieder das zu empfinden, was er empfunden hat und auch, wenn er es noch im selben Atemzug weit von sich gewiesen hat, es ist immer noch da, hat sich zwischen Trauer und Entsetzen häuslich eingerichtet und verspottet ihn. Die zersplitterten, zerbrochenen Teile in ihm verändern schmerzhaft ihre Lage. Du bist nicht nur ein Riesenhirsch und ein Hornochse, sondern auch noch ein Lügner und Verräter. Er war nie ein Mensch mit einer ausgeprägten Moral, von ausgeprägter Rechtschaffenheit ganz zu schweigen. Oh, er weiß durchaus, was Recht und Unrecht ist, aber er war schon immer jemand, der Zeit seines Lebens Mühe gehabt hat, sich zu benehmen und eigentlich auch nie Lust hatte, es ernsthaft zu lernen. Ein paar eiserne Grundsätze gibt es jedoch sogar in seinem Leben und bisher hatte er an ihnen festgehalten.

Du hast Cal nie betrogen, erinnert er sich streng und es ist wahr, aber es nützt ihm rein gar nichts  - Calyra ist tot. Du hast nie auch nur einen Gedanken an andere Frauen verschwendet. Auch wahr, aber Calyra ist tot. Ja, seit vier Monden tot, götterverdammt! Ihre Asche ist noch nicht einmal... nicht einmal... kalt! Das ist nicht wahr, aber es ist Salz in seinen Wunden und er reibt es mit voller Absicht hinein. Diese Absicht scheint sich recht gut mit Regel Nummer Eins angefreundet zu haben - brich niemals einen Schwur! und schmiegt sich dicht an Regel Nummer Zwei -  Belüge dich niemals selbst! Wie sie sich zusammenballen, seine Regeln. Was immer in jener regnerischen Nacht im Wald eigentlich gewesen war zwischen ihm und Raven, bevor es Calyra in seinem oder den Spaßmacher in ihrem Leben gegeben hatte - es ist immer noch da. Immer noch oder wieder? Er hat sie immer gemocht und er hat sich immer für sie verantwortlich gefühlt seit jenen langen, dunklen entsetzlichen Stunden in denen sie zum ersten Mal gemeinsam durch stinkende Tunnel gekrochen waren. Auf eine schwer zu beschreibende Weise hat er sie sogar geliebt und sie war ihm näher gekommen, als jeder andere Mensch, seine Frau und sein Sohn ausgenommen. Sie ist es auch jetzt noch, nach allem, was geschehen ist, vielleicht näher als zuvor. Aber begehrt hatte er sie nie. Bis heute. Die zerbrochenen, zersplitterten Stücke verändern ihre Lage von neuem. Aber es ist so sicher wie das Gebet in einem Tempel, dass er auf solche Gefühle nicht reagieren muss. Wenn es bedeutet, sie nicht anzusehen, sich von ihr fernzuhalten, dann würde er es tun. Wenn es bedeutet, nicht an sie zu denken, dann gut, er kann auch das. Aber er wird nicht zulassen, dass es geschieht... was auch immer.

Sein Blick wandert über den See hinaus, in dessen schwarzem Spiegel sich kalt und fern die Sterne spiegeln. "Cal. Und wenn ich tausend Jahre tot bin und mein ganzes Leben vergessen ist, ich werde dich immer noch lieben." Es ist wahr. Er weiß, dass es wahr ist und dennoch fühlt er sich wie ein Verräter. Denn diese fremde Wärme in seinem Inneren ist immer noch da, breitet sich in ihm aus wie Wellen auf einem Teich und er kann nichts tun, als ihr nachzugeben.  
Irgendwann steht er einfach auf und geht langsam zurück. Als er merkt, was er tut, ist er schon halb den Strand hinuntergelaufen. Auf halbem Weg zurück zu Ninianes Lichtung rauscht Raven an ihm vorbei, flüchtig wie ein Geist und ihr Hemd leuchtet weiß in der Dunkelheit. Sie hat ihn nicht gesehen und nicht gehört und er verharrt endlose Augenblicke, bis er sicher ist, dass sie den Strand verlassen hat. Nein, er würde es auf gar keinen Fall zulassen.
Es ist lange nach Mitternacht, als er endlich in die Wärme und Stille des Baumes zurückkehrt. Er hatte sich die halbe Nacht am Strand um die Ohren geschlagen, irgendwann ein langes, heißes Bad genommen und sogar frische Kleidung für ihn an der heißen Quelle vorgefunden. Irgend jemand, vermutlich Cron oder Niniane, hatte sich umsichtig daran erinnert, dass er noch immer von Kopf bis Fuß mit dem Blut von Calyras Mörder verschmiert war. Als er den Raum betritt, den er seit Wochen mit Raven und nun auch mit seinem Sohn bewohnt, ist er jedoch mehr als überrascht, sie hier im Bett vorzufinden... er hätte schwören können, sie würde nicht mehr neben ihm schlafen wollen, so panisch, wie sie vor ihm zurückgewichen war. Er streift die Stiefel ab und setzt sich leise auf einem Schemel am Kamin.

Die Hunde heben kurz die Köpfe, begrüßen ihn mit müdem Gähnen und leisem Schweifwedeln und legen sich wieder hin und ein kurzer Blick auf Brynden offenbart, dass auch er nicht aufgewacht ist. Raven schläft arglos wie ein Kind, auf der Seite zusammengerollt, eine Hand unter ihrem Kinn und ihr langes Haar fächert sich wie ein dunkler Schleier über die Kissen. Caewlin sitzt einfach nur da und sieht sie an, bis die Morgendämmerung perlgrau heraufzieht. Verlangen... was ist das nur für ein seltsames und erschreckendes Ding. Man kann entscheiden, was man nimmt und was man kauft, was man behält und was man weggibt.
Aber nicht, was man will.
Als sie die Augen aufschlägt, und ihn ansieht, verändert sich ihr Gesicht. Es geschieht kaum merklich, nicht mehr als die Andeutung einer Ahnung, aber es verändert sich. "Du brauchst... du hast nichts vor mir zu befürchten. Ich war gestern nicht ganz bei mir."  




Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 12. Apr. 2005, 22:19 Uhr
Selbst Ninianes besänftigende Worte können den Aufruhr in ihrem Inneren nicht beruhigen, eher im Gegenteil. Als die Waldläuferin grinsend meint, Caewlin würde wohl noch eine Weile brauchen, bis er den 'Hornochsen' verdaut hat, kann Raven beim besten Willen nicht mitlachen und wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sie die Worte zurücknehmen könnte, die sie ihm in ihrer Wut ins Gesicht geschleudert hat. Wissen die Götter, welcher Teufel mich geritten hat, ihm all diese Dinge zu sagen und dann auch noch mit nichts am Leib als ein paar Wassertropfen.... Sogar im Nachhinein noch schießt ihr die Schamesröte in die Wangen, wenn sie auch nur daran denkt. Sie hebt nur kurz einen Mundwinkel, aber bringt nicht einmal annähernd so etwas wie ein Lächeln zustande und auf Ninianes Vorschlag, sie solle mit Caewlin reden, umwölkt sich düster ihre Stirn. Reden? Natürlich muss ich mit ihm reden .... aber was soll ich ihm sagen? 'Tut mir leid, ich habe mich wie ein Volltrottel benommen'? Das wird die Worte nicht wieder zurücknehmen und nicht diesen ... Auftritt. Und auch nicht seinen Blick... Die Kehle wird ihr trocken, als sie daran denkt und sie spürt ein zartes Flattern in sich, irgendwo zwischen Herz und Bauch, wie das sanfte Beben von tausend kleinen Falterflügeln. Hört auf. Hört .... auf! Verschwindet, ihr verdammten Biester!

Mit grimmigem Gesicht kaut sie auf einem kalten Hühnerbein herum und versucht, der Verwirrung Herr zu werden, die in ihr tobt. Dabei ist Verwirrung noch milde ausgedrückt - Raven hat eher das Gefühl, dass ein wirbelnder Orkan über sie hinweg gefegt ist und ihr Innenleben in einen völlig verwüsteten Trümmerhaufen verwandelt hat. Jetzt weiß ich auch, warum sie ihn Sturmlord nennen.... Er hat Dinge zutage gefördert, die irgendwo in einem stillen Winkel ihres Herzens verborgen gewesen waren, gut verschlossen und versteckt, Gefühle, die sie vor sich selbst weggesperrt hatte, weil sie ihr Angst machen in ihrer Wucht und Urgewalt und sie nicht damit umgehen kann. Sie weiß nicht einmal, wie er überhaupt dort hinein gelangen konnte und sie bemüht sich verzweifelt, all diese Regungen wieder dorthin zu verbannen, wo sie ihrer Meinung nach hingehören, in die Dunkelkammer ihrer Seele, in der gut behütet all ihre zerbrochenen Träume und unerfüllte Wünsche ruhen, all ihre Ängste, ihr Schmerz und ihre Sehnsüchte. Sie würde sie nicht wieder anrühren. Sie darf sie nicht wieder anrühren. Und sie ist entschlossen, dafür zu sorgen, dass auch er sie nicht wieder anrühren kann. Vielleicht ist es besser, wenn wir uns aus dem Weg gehen. Ich sollte den Baum verlassen, es wäre wohl Irrsinn, noch länger hier zu bleiben. Sie haben mich aufgenommen und für mich gesorgt, ohne zu fragen, ohne zu klagen, und vielleicht kann ich es ihnen eines Tages irgendwie vergelten. Aber ich sollte gehen, auch wenn es schwer fällt. Ich war mein halbes Leben allein und ich kann es wieder sein. Es macht mir nichts. Ich bin es gewohnt. Ich brauche niemanden. Und niemand braucht mich. Und ... ich will niemanden. Und ...und ... Und sie denkt an ein Paar blaugrüner Augen, sie spürt das Flattern in ihrer Brust und sie weiß, dass sie sich gerade selbst in die Tasche lügt. Irgend etwas in ihrem Gesicht muss Niniane aufgeschreckt haben, denn die Waldläuferin berührt sachte ihren Arm. >Und jetzt komm, wir gehen hinein. Es ist spät und du mußt ins Warme. Nein, keine Widerrede, Raven. Komm, hilf mir, die Sachen zusammenzupacken...< Sie fügt sich widerspruchslos und folgt ihr in den Baum, wo sie sich unglücklich und ohne ein weiteres Wort in ihr Zimmer verkriecht, in dem Brynden schon in seinem Kinderbett und die Hunde vor dem Kamin schlummern und das große, runde Elbenlager ihr leer und kalt entgegenstarrt.

Als sie nach einem unruhigen Schlaf mit dem ersten zaghaften Grau des Morgens erwacht, weiß Raven, dass Caewlin im Zimmer ist, noch bevor sie die Augen aufschlägt. Kein Geräusch ist zu hören außer dem verschlafenen Singsang der ersten Vögel draußen vor dem Fenster und im Raum selbst ist es still, aber sie kann spüren, dass er da ist. Am liebsten hätte sie sich irgendwo tief unter den schützenden Fellen vergraben und ihn angeschrieen, dass er weggehen soll, und sie braucht geraume Zeit, bis sie sich soweit in der Gewalt hat, dass sie die Augen aufschlagen kann. Als sie es tut, schaut sie direkt in seine. Lange Momente sehen sie sich nur an, wortlos und still und mit einer seltsamen Befangenheit, bis Caewlins leise Stimme das Schweigen durchbricht. >Du brauchst... du hast nichts vor mir zu befürchten. Ich war gestern nicht ganz bei mir.< Das getrocknete Blut ist von seiner Haut und aus seinen Haaren verschwunden und er trägt frische Kleidung, aber er sieht müde und elend aus und unter seinen Augen liegen tiefe Schatten, so dass Raven sich fragt, wie lange er schon auf diesem Schemel neben dem Bett sitzt. "Das war ich auch nicht", seufzt sie und stützt sich auf die Ellbogen, während sie mühsam nach Worten sucht. "Ganz und gar nicht. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war, aber es .... es tut mir leid. Ich hätte das alles nicht sagen sollen und ich hätte nicht ... ich ... ich wollte dich nicht..." Die Stimme versagt ihr plötzlich den Dienst und sie muss die Augen abwenden, so tief geht sein Blick. Sie weiß einfach nicht, was sie sagen soll, weil alles irgendwie nur hohl klingt, und sie weiß auch nicht, wieso diese blöden Flattertiere in ihrem Bauch schon wieder herumrandalieren wie ein Schwarm aufgeschreckter Falter. "Ich weiß, dass ich nichts von dir zu fürchten brauche. Und ich fürchte mich auch nicht. Nicht vor dir." Nur vor mir selbst.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 13. Apr. 2005, 23:42 Uhr
So lange der Winter gebraucht hatte, um sich aus den Herzlanden zurückzuziehen, so rasch wird es im Taumond warm. In den hügeligen Waldlanden nördlich Talyras bildet sich Dunst und hängt dort wie Pfeifenrauch in einer Taverne. Der Himmel darüber ist von so strahlendem Blau, dass einem die Augen schmerzen, wenn man hineinblickt, und bis auf ein paar Federwolken bleibt er blank und leer. Der Schlamm, den der schmelzende Schnee und das Tauwetter überall hinterlassen haben, trocknet und die Waldpfade und Wege rund um die Stadt werden zu aufgesprungenen Krusten, die von Hufen, Stiefeln und Wagenrädern zu Staub zermalmt werden. Überall im Larisgrün wird die dicke, schwammige Humusschicht des moosigen Waldbodens von Leberblumen, weißen Anemonen und rosa Kreuzkraut durchbrochen, die Luft wird warm und frühlingshaft, und ist jeden Tag erfüllt vom Gesang der Vögel in den Heckenrosen und dem Summen der Bienen. Auf der Lichtung am Smaragdstrand gesellen sich zu den Waldveilchen Schlüsselblumen und wilde Hyazinthen ins dunkle Waldgras und mit Beginn des Sturmwindmonds steht der Baum in einem Meer aus dunklem Violett, sonnenwarmem Gelb und schimmerndem Grün. Das Leben im Baum verläuft allerdings weniger sonnig und heiter, da Caewlin und Raven zwar offenbar beschlossen hatten, eine Art Burgfrieden zu halten, sich aber beim geringsten Anlass  belauern wie zwei Schwertkämpfer im Ring, von denen keiner klein beigeben will - und sich ganz allgemein gegenseitig durch ihre bloße Nähe in den Wahnsinn treiben. In den ersten beiden Wochen nach ihrem nächtlichen Was-auch-immer sprechen beide nur das absolut Notwendigste miteinander, finden ständig Entschuldigungen, sich möglichst aus dem Weg zu gehen und halten bei den Mahlzeiten brütendes Schweigen, aber sie teilen sich nach wie vor das Gästezimmer und das Bett - und jedes Mal, wenn einer von beiden, ganz unabhängig vom jeweils anderen, die Sprache auf eine mögliche baldige Rückkehr ins eigene Heim bringt, gelingt es Niniane mit lächelnder Leichtigkeit, ihn davon zu überzeugen, unbedingt noch ein Weilchen im Baum bleiben zu müssen.

Der Taumond vergeht, den Sturmwind am Mantelsaum, und Cron kann weder Caewlin noch Raven mehr ansehen, ohne dabei in breites Grinsen auszubrechen. Raven bemüht sich nach Kräften, Caewlin wie Luft zu behandeln oder ist, wenn es sich nicht vermeiden lässt, so kühl, dass man sich Frostbeulen holen könnte, während er im Gegenzug alles und jeden mit Blicken voll brodelndem Unmut bedenkt und die Lichtung jeden Tag vom Echo seiner wuchtigen Axtschläge wiederhallt – am Ende des Carsairmonds haben Niniane und Cron soviel Brennholzvorrat, dass sie alle Kamine und Feuerstellen des Baumes drei Winter lang Tag und Nacht schüren könnten. Das einzige gemeinsame Anliegen, das die beiden ein wenig unbefangener miteinander werden lässt, ist Brynden. Caewlins kleiner Sohn hat einen Narren an Raven gefressen – kein Wunder, denn er vermisst seine Mutter schrecklich und Raven verbringt viel Zeit mit den Kindern (obwohl sie keine Gelegenheit auslässt, zu beteuern, sie habe von kleinen Kindern keine Ahnung und so etwas sei eigentlich gar nicht ihre Art und ihr liege das alles auch ü-b-e-r-h-a-u-p-t nicht). Sie schnitzt ihnen Spielzeug aus Holzresten und bemalt sie ihnen mit bunten Farben. Sie opfert ein paar ihrer Pinsel und malt stundenlang mit kleinen Kinderpfoten wilde Farbklecksereien. Sie nimmt Brynden mit, wenn sie mit den Hunden zum Forellenfischen an den Bach geht, hin und wieder auch auf kurze Ausritte mit ins Larisgrün auf ihrem Braunen und sie hält Shaerelas kleine Hand bei deren ersten Gehversuchen. Doch ganz gleich, wie sehr sich Raven und Caewlin auch meiden und wie verbissen sie sich gegenseitig mit Schroffheiten auf Abstand halten – jedes Mal, wenn einer von ihnen vergisst, vorsichtig zu sein und sich ihre Blicke für einen Wimpernschlag ungeschützt treffen, summt die Luft zwischen ihnen wie bei einem Gewitter in der Sekunde zwischen Donner und Blitz.

Höchstwahrscheinlich ist es Crons penetrantes Grinsen bei solchen und ähnlichen Anlässen, das Niniane dazu veranlasst, nachdrücklich auf den Bau des Hühnerstalls zu bestehen - und so verbringen Caewlin und er jede freie Minute mit dem Ausheben eines etwa zwei Handbreit tiefen, rechteckigen Fundaments von zwei mal vier Schritt an der Ostseite des Pferdestalls. Sie schlagen Holz im Larisgrün, Schälen und Kerben die jungen Baumstämme, Hämmern und Sägen und schneiden Schindeln für das Dach. Aus passenden Steinen vom Flussufer wird ein kniehohes Fundament gemauert, dem sie Wände aus grobbehauenen Baumstämmen aufziehen, während die beiden Frauen Kräuter sammeln, die Pferde bewegen und die Kinder hüten. Shaerela, deren erster Namenstag näherrückt, lernt endgültig zu Laufen und nichts mehr ist vor ihr sicher und Brynden, der ständig mit ihnen am Stall arbeiten will, gibt erst Ruhe, als Raven ihm mit ein paar rasch geschnitzten Holzwerkzeugen eine eigene Werkbank auf einem umfunktionierten Baumstumpf einrichtet. An dem Morgen, an dem der Schuppen für die Hühner endlich fertig werden soll, geht die Sonne schon in einem Dunstschleier auf und der Tag verspricht nicht nur warm, sondern geradezu sommerlich heiß zu werden. Da Brynden schon nach dem Frühstück solchen Trotzradau schlägt, mit ihnen zu gehen und sich mit stur verzogenem Mund und funkelnden Augen, abwechselnd bettelnd und kreischend an die Hosenbeine seines Vaters klammert, nehmen sie ihn gleich mit hinüber zum Pferdestall, bewaffnet mit Werkzeugkisten und einem Korb marmeladegefüllten Hefegebäcks, das Niniane eigentlich für den Nachmittag gebacken hatte.

Am Abend zuvor hatten sie unter Ächzen und Fluchen die sperrigen Rahmenteile eines alten Rundbootes über die enge Treppe aus dem Keller des Baumes nach oben geschafft und vor dem Stall aufgebaut. In den Rahmen hatten sie alte Lederhäute gehängt, so dass eine Art fester Bottich entstanden war, und dann endlose Eimer voll weichen, fahlbraunen Lehms aus dem Wald geholt und hineingekippt, so dass es jetzt aussieht, als habe jemand einen allmächtigen Scheißehaufen in einer überdimensionalen Schüssel angesammelt. Niniane und Raven hatten seit Tagen Strohgarben mit Sicheln zu fingerlangen Schnipseln geschnitten, die sie später unter den Lehm mengen und dann darin einstampfen wollten, um mit der so entstandenen Pampe die Wände des Hühnerstalls innen zu verkleiden und alle Ritzen im Balkenwerk zu stopfen. Caewlin füttert und tränkt die Pferde und lässt sie hinaus auf die Lichtung, da zur Abwechslung einmal keine der beiden Stuten rossig ist, und er mistet derweil mit Brynden die Boxen. Schon nach einer halben Stunde ist das frische, weiße Hemd des Kleinen schmuddelig, mit Grasflecken und Dreck verziert und Cron schüttelt den Kopf. "Wie hast du das wieder so schnell geschafft, du Naseweis? Die Frauen bringen dich um, wenn du dir schon wieder ein Hemd zerreißt, sie haben erst gestern einen Ärmel wieder angenäht und ein Hosenbein mit einem Flicken versehen. Götter, du bist schlimmer als dein Vater... hierher, Freundchen." Er erwischt Brynden gerade noch am Hosenboden, ehe er kopfüber in die Haferkiste fallen kann und legt ihn sich schwungvoll rittlings über die Schulter, was einen quietschenden Kicheranfall auslöst. "Komm mit, du Oberschurke. Dein Vater wartet schon auf uns mit den Baumstämmen. Aber du gehst schön an deine Werkbank, hast du gehört? Nachher, wenn Tante Nan und Raven kommen, um den Lehm zu stampfen, darfst du ihnen bestimmt helfen."
"Brynden helfen? Nan helfen, Waiven helfen?"
"Ja. Bestimmt. Und dabei darf man sich sogar ganz, ganz dreckig machen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 14. Apr. 2005, 11:05 Uhr
Kaum sind die Männer samt Brynden in Richtung Stall verschwunden und haben dabei obendrein den Korb mit dem Nachmittagsimbiss mitgehen lassen, der mit Sicherheit höchstens bis zum zweiten Frühstück reichen würde, sieht es in Ninianes Küche aus, als seien Asgrims wilde Horden durchgefegt und auf dem Rückweg gleich noch einmal vorbeigekommen. Caewlins und Crons Frühstück zu noch götterverbotener Zeit hatte sie nicht nur zwei ganze Laibe Brot, sondern auch noch ein Dutzend Eier und einen Krug Malzbier gekostet.... seit die beiden täglich gemeinsam an diesem verflixten Hühnerpalast arbeiteten und Caewlin obendrein beschlossen hatte, zur Rettung seines Seelenheils das Larisgrün im Alleingang abzuholzen, fraßen ihr beide mit schöner Regelmäßigkeit die Speisekammern leer. "Nicht ein halbes Pfund Butter mehr da, ich muss schon wieder auf den Markt! Jetzt sieh dir diesen Saustall an, hungrige Männer sind schlimmer als jeder Heuschreckenschwarm."

Raven tritt hinter sie, eine sich windende Shaerela auf dem Arm und mustert mit hochgezogener Braue das Schlachtfeld auf dem Esszimmertisch, bevor sie belustigt bemerkt: "Wo bei allen Göttern futtern die beiden das nur hin?" Niniane unterdrückt ein Schnauben, aber sie grinst, als ihr Blick aus dem Fenster geht, wo Cron und Caewlin, Brynden zwischen sich, gerade zum Stall hinauf gehen. Wenigstens haben sie die kleine Nervensäge mitgenommen. Beide Männer sind groß und kräftig gebaut. Breitschultrig und hochgewachsen, besitzen beide trotz aller Kraft Eleganz und die Ausstrahlung raubtierhafter Geschmeidigkeit. Ungebleichte Leinenhemden spannen sich über die sanften Wölbungen von Schulter- und Rückenmuskeln, weiche, abgetragene Lederhosen schmiegen sich um lange, muskulöse Beine und zwei Hintern, die selbst eine Schweigende Schwester verführen könnten. "Sieh sie dir an, den ganzen Tag fressen, aber kein Gramm Fett am Leib! Ich schwöre dir, wenn ich..." sie dreht sich zu Raven um und der gebannte Ausdruck auf dem Gesicht der jungen Frau lässt Niniane grinsend verstummen.

"Komm schon, Süße. Ziehen wir uns um und dann gehen wir diesen Lehm stampfen." Raven fährt zusammen als hätte man sie beim Bonbonklauen ertappt und wendet hastig den Blick ab. "Äh... umziehen? Wieso denn?" Sie sieht an sich herunter und betrachtet stirnrunzelnd die alte Arbeitshose und das verwaschene Hemd, das sie trägt. "Ich hab schon Arbeitssachen an, wieso umziehen?" "Weil du so nicht Lehm stampfen kannst außerdem haben wir einen wunderbaren Sommertag mitten im Frühling. Und jetzt komm." Niniane zieht Raven ohne eine Antwort abzuwarten hinter sich her nach oben in ihr Schlafgemach und wühlt ihr aus einer Holztruhe einen alten Unterrock und ein Leinenleibchen heraus, das ihr schon lange zu klein ist. "Hier, zieh dir das an. Den Rock musst du aber hochbinden. Lehm stampfen ist eine Heidenarbeit, in Hosen kannst du das nicht machen, abgesehen davon könntest du die danach wegwerfen." Sie nimmt  ihr Shaerela  ab, die sie in ein einfaches, braunes Kittelchen steckt, da die Kleine bestimmt nicht vom Lehmbottich fernzuhalten wäre, und schlüpft dann selbst in ein altes, vom vielen Waschen reichlich fadenscheiniges Unterkleid.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 14. Apr. 2005, 13:36 Uhr
Während Niniane - einem Raubtierbändiger nicht unähnlich - ihre herumzappelnde Tochter in einen losen Kittel bugsiert, zerpflückt Raven mit misstrauisch gerunzelter Stirn das Knäuel zerknitterter Leinenwäsche, das die Waldläuferin aus einer ihrer unzähligen Kleidertruhen hervorgewühlt und ihr in den Arm gedrückt hat. Ein erstaunlich kleines Knäuel Leinenwäsche. "Das ... ist alles?" fragt Raven ungläubig nach und hält mit spitzen Fingern den dünnen Unterrock und die Winzigkeit von Schnürleibchen hoch, die ihr als 'Arbeitskleidung' dienen soll. "Ich dachte, wir gehen Lehmstampfen", schnaubt sie empört, "wo steht dieser Bottich, im Pfirsich? Das kann ich nicht anziehen - unmöglich!" Entschlossen knüllt sie die Wäsche wieder zusammen und lässt sie auf das Bett fallen, aber Niniane klaubt sie ungerührt wieder auf, drückt sie ihr, keinen Widerspruch duldend, grinsend ein zweites Mal in die Hand und ihr Blick macht deutlich, dass sie keine Skrupel haben wird, sie notfalls auch eigenhändig in die Kleidungsstücke zu stopfen. Erboste Knurrlaute und Verwünschungen von sich gebend, schlüpft Raven aus ihren Sachen und zwängt sich in Unterrock und Mieder, aber ein Blick in den Spiegel reicht, ihr die Schamesröte in die Wangen zu treiben.

"Ich werde auf keinen Fall so vor die Tür gehen!" japst sie entsetzt. "Und dann auch noch die Röcke hochbinden, du musst verrückt sein! Ich kann unmöglich so vor ... vor .... Caewlin wird mir den Kopf abreißen!" Die Erinnerung an ihr nächtliches Bad und an seine Folgen, die nun schon seit Wochen aus Geknurre und düsterem Schweigen und daraus bestehen, dass Caewlin und sie sich verbissen aus dem Weg gehen, macht sich mit einem flauen Gefühl im Magen bemerkbar und sie hat ganz sicher nicht vor, das alles noch schlimmer zu machen. "Nein, min Ija, ich kann nicht. Er ist ohnehin schon so wütend auf mich und redet kaum noch mit mir, als ob ... als ob ich ein Schwerverbrechen begangen hätte." Behandelst du ihn denn anders? meldet sich trocken eine Stimme in ihrem Inneren zu Wort. Hilflos und plötzlich ziemlich kleinlaut geworden lässt sie die Hände sinken und den Kopf hängen. "Ja, es war dumm und ich hätte all diese Dinge nicht sagen dürfen und vor allem nicht auf ihn losgehen sollen ...an dem Tag ist so vieles passiert, dass alles einfach völlig durcheinander geraten ist. Und er hat selbst gesagt, dass er nicht ganz bei sich war. Also hatte es doch auch keine ... keine Bedeutung", versucht sie sich einzureden und zerrt seufzend an den Schnürbändern und dem unzüchtigen Ausschnitt des Leibchens herum. "Aber stinkwütend ist er wohl immer noch. Hast du kein Mieder, in das alles reinpasst? Das hier ist einfach .... schamlos."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 14. Apr. 2005, 15:15 Uhr
"Auch nicht schamloser als dein Lederwams, das du immer zum Bogenschießen anhast," kontert Niniane ungerührt, fragt sich im Stillen aber ernsthaft, ob Raven die Kleidungsstücke tatsächlich für gewagt hält. Einfach, schlicht geschnitten ohne irgendwelche Stickereien und Spitzensäume und keineswegs frivol, sondern schlichte, wenn auch etwas abgetragene Unterkleidung. Leicht, natürlich, aber schließlich hat es draußen sommerliche Temperaturen und durchsichtig sind die Röcke auch nicht... das kann unmöglich die Vorstellung der jungen Frau von "schamlos" sein. Sie stellt die noch ein wenig wacklig auf eigenen Beinen stehende Shaerela auf den Boden, um Raven notfalls selbst umzuziehen, das eindeutige Vesprechen dazu in den Augen, als Raven sich schließlich doch fügt und ihre Kleider wechselt. Kaum hat sie das verwaschene Oberteil und den Rock an und erhascht einen Blick auf sich selbst im Spiegel, macht sie allerdings schon Anstalten, sich das leinerne Unterzeug wieder vom Leib zu zerren, eindeutig so etwas wie Panik in den dunklen Augen. >Ich werde auf keinen Fall so vor die Tür gehen!Und dann auch noch die Röcke hochbinden, du musst verrückt sein! Ich kann unmöglich so vor ... vor .... Caewlin wird mir den Kopf abreißen!< "Ach Papperlapapp!" erwidert sie, längst dabei das eigene Gewand bis über die Knie zu schürzen und kann sich gerade noch davon abhalten, mit süffisantem Grinsen zu bemerken, gerade Caewlin hätte ja wohl schon weit mehr von ihr gesehen. Gleichzeitig kommt ihr der Gedanke, daß wohl genau dort der Hase im Pfeffer liegt. Sie hält Shaerela fest, die sich mit leisen Gurrlauten an ihr Bein klammert und dann wackelnd und schwankend auf nackten Füßchen den halben Schritt zum Bett tapst, um sich an dessen Rand entlang weiter vorzuarbeiten. Ravens nächste Worte allerdings lenken sie von ihrer Tochter ab.

>Nein, min Ija, ich kann nicht. Er ist ohnehin schon so wütend auf mich und redet kaum noch mit mir, als ob ... als ob ich ein Schwerverbrechen begangen hätte.< Mit einem Mal blickt Raven ganz kläglich drein und das Blut steigt ihr in die Wangen. Die Röte in ihrem Gesicht läßt ihre von Natur aus dunkle Haut blühen und einen Moment lang unterdrückt Niniane ein Seufzen. >Ja, es war dumm und ich hätte all diese Dinge nicht sagen dürfen und vor allem nicht auf ihn losgehen sollen ...an dem Tag ist so vieles passiert, dass alles einfach völlig durcheinander geraten ist. Und er hat selbst gesagt, dass er nicht ganz bei sich war. Also hatte es doch auch keine ... keine Bedeutung,<fährt Raven ziemlich resigniert fort. "Ahm... Ravenschatz. Caewlin ist nicht wütend auf dich. Ich bezweifle ja nicht, daß er inzwischen vor Wut kocht und er versucht vielleicht wütend auf dich zu sein, aber in Wahrheit gilt sein Zorn allein ihm selbst. Ich glaube dir auf's Wort, wenn er gesagt hat, daß er nicht ganz bei sich war, aber Süßes, das war wohl kaum wegen dem Kerl in der Steinfaust. Oh gut, vermutlich war es auch wegen dem Kerl in der Steinfaust und überhaupt wegen allem, was im letzten halben Jahr geschehen ist, aber... wenn ein Mann dich küssen will, nachdem du ihn einen... äh... wie war das noch?.... einen Idioten, einen Riesenhirschen und einen Hornochsen genannt hast, ganz zu schweigen von all den anderen Nettigkeiten, die du ihm sonst noch an den Kopf geworfen hast, dann wohl kaum, weil er dich so entsetzlich findet, oder?" Sie stupst der völlig fassungslos dreinblickenden Raven sacht mit dem Finger vor den Bauch, wie sie es so oft bei Shaerela tut. Einen Moment lang fürchtet sie sogar, die junge Frau würde sich wie ihre Tochter bei diesem Spiel rittlings auf ihren Hintern setzen, so perplex blinzelt sie drein. Misch dich nicht ein, Cariad... hört sie Crons warme dunkle Stimme in ihrem Kopf, die jedoch einen deutlich warnenden Unterton hat. Tue ich nicht. Ich äh... schubse sie nur ein bißchen in die richtige Richtung. Jawohl.

"Und jetzt komm, sonst trocknet uns der ganze Lehm in der Sonne weg, das geht nicht." Ohne auf weitere Widerworte zu achten, schnappt sie sich Shaerela, nimmt Raven an der Hand und zieht sie mit sanfter Gewalt hinter sich her aus dem Baum. Die Hunde begrüßen sie mit Jappen und Bellen und streichen ihnen schweifwedelnd um die Beine, als sie hinaus in die warme Sonne treten. Es ist wirklich heiß, über ihnen wölbt sich der endlose Baldachin des tiefen, blauen Himmels, und in der Luft liegt der würzige Duft von sonnenwarmem Gras und Wermut. Das Kreuzkraut am Stall hat über Nacht unzählige, rosa Blüten geöffnet und Niniane lächelt, jedesmal, wenn ihr Blick darauf fällt. Das Rundboot liegt in der Sonne wie eine flache Schüssel, Brynden spielt selbstvergessen an seiner Baumstumpfwerkbank vor dem Stall und keine zehn Schritt entfernt hört man Caewlin und Cron unter Ächzen und Fluchen im halbfertigen Hühnerstall rumoren - die Wände sind bereits mannshoch und schön gerade, wenn auch mit sichtbaren Abständen zwischen den einzelnen Balken, doch noch fehlt das Dach und die beiden wuchten gerade unter knurrendem, abgehackten Atmen den Balken für den Türsturz an seinen Platz. Niniane setzt Shaerela auf eine Lederdecke in den Schatten des Pferdestalls und stellt ihr den mitgebrachten Spielzeugkorb hin, und dann schleppen Raven und sie das vorbereitete Stroh und einige Eimer Wasser herbei. "So. Das alles muss jetzt da hinein und dann stampfen wir." Sie blickt auf die rotbraunen Klumpen, die sich unter ihren nackten Füßen, vermischt mit Stroh und Wasser, bald zu einem sämigen Brei verwandeln würden. "Weißt du jetzt, warum ich dir gesagt habe, du sollst deine Hosen ausziehen?" Neckt sie, dann steigt sie ins Rundboot und verteilt Stroh über dem Lehm, während Raven mit zweifelndem Blick Wasser zugibt. Der Lehm riecht nach feuchter Erde und schwach nach Eisen und fühlt sich herrlich glitschig, warm und weich zwischen ihren Zehen an, als sie beginnt, immer am Rand entlang zu treten und zu stampfen, mit den Armen rudernd, um das Gleichgewicht auf dem rutschigen Untergrund nicht zu verlieren. "Einen Eimer Wasser noch, aber nicht mehr. Und dann hilf mir, dieses Zeug hier weich zu kriegen, ja?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 14. Apr. 2005, 18:46 Uhr
Raven fühlt sich in der Kleidung derart ungemütlich, dass sie nicht aufhören kann, daran herumzuzupfen, als könne sie Rock und Leibchen allein durch ihr Ziehen und Zerren dazu bringen, plötzlich auf wundersame Weise ihr Stoffvolumen zu verdoppeln. Auch Ninianes Argument, ihr Wams sei nicht weniger schamlos, will sie nicht gelten lassen. "Es ist ein Wams. Und ich trage es über meinem Hemd. Aber das hier ist Unterwäsche!" protestiert sie. "Es sagt ja schon der Name ... man trägt sie darunter - nicht stattdessen!" Mit einem gebieterischen 'Papperlapapp' schneidet die Waldläuferin ihr jedoch das Wort ab und angelt mit einer Hand nach Shaerela, die Anstalten macht, schwankend das Bett zu umrunden und auf ihren noch unsicheren Beinchen herumtorkelt, als hätte sie zu tief ins Weinfass geschaut. Was Niniane ihr allerdings gleich darauf in ihrer unnachahmlich diplomatischen Art und Weise und mit dem liebevollen Einfühlungsvermögen eines Axtmörders mitten ins Gesicht sagt, lässt Raven vor Verblüffung den Mund offen stehen. >Ich glaube dir auf's Wort, wenn er gesagt hat, daß er nicht ganz bei sich war, aber Süßes, das war wohl kaum wegen dem Kerl in der Steinfaust. Oh gut, vermutlich war es auch wegen dem Kerl in der Steinfaust und überhaupt wegen allem, was im letzten halben Jahr geschehen ist, aber... wenn ein Mann dich küssen will, nachdem du ihn einen... äh... wie war das noch?.... einen Idioten, einen Riesenhirschen und einen Hornochsen genannt hast, ganz zu schweigen von all den anderen Nettigkeiten, die du ihm sonst noch an den Kopf geworfen hast, dann wohl kaum, weil er dich so entsetzlich findet, oder?<

"Aber .... äh ... ", ist alles, was sie in ihrer Sprachlosigkeit aus der Kehle bringt und Ninianes Gedankengang erscheint ihr so abwegig, dass sie nur den Kopf schütteln und sie entgeistert anstarren kann. "Nein", wehrt sie energisch ab, obwohl sich schon wieder diese kleine gemeine Stimme in ihrem Hinterkopf meldet, die seit Wochen nichts besseres zu tun hat, als sie zu verwirren, sie zu verunsichern und ihr das Leben schwer zu machen mit ihren hinterlistigen Einwürfen. Was war es denn, was du in seinen Augen sehen konntest? "Nein! Nein, er war nur nicht bei sich, das hat er ja gesagt. Und .... und ... er war ... verwirrt. Ja genau. Verwirrt. Ich meine, welcher Mann, der einigermaßen bei Sinnen ist, würde sich schon an einem giftigen kleinen Kaktus vergreifen, wenn er einen ganzen Garten voller duftender Blumen haben könnte? Nein, min Ija, du täuschst dich." Und sein Herz gehört noch immer Calyra und es wird ihr gehören, so lange es schlägt.

Ihre letzten Worte gehen in Shaerelas Quietschen unter, die von ihrer Mutter am Kittelsaum hochgezerrt wird und dann lässt sich auch Raven mit hinaus ins Freie ziehen, zwar immer noch unter Protest, aber auch mit der Aussicht auf ein paar Stunden anstrengender Arbeit, die vielleicht diese verwirrenden Gedanken vertreiben würden, die sie plagen. Sie sind noch keine Stunde draußen vor dem Baum, als ihnen in der Wärme des Tages schon der Schweiß über die Gesichter läuft und Raven ist inzwischen mehr als froh, sich zu der dünnen Kleidung überredet haben zu lassen, anstatt die ledernen Hosen anzubehalten, die ihr nur verschwitzt wie eine zweite Haut am Leib kleben würden. Während Niniane schon mit hochgeschürzten Röcken in dem riesigen Bottich herumstapft, schleppt sie noch einige Eimer Wasser und Stroh heran und kippt sie über den hölzernen Rand, bis die Beschaffenheit der braunen Pampe dem entspricht, was mit viel Glück einen Hühnerstall zusammenhalten könnte. "Das sieht .... eklig aus", rümpft Raven die Nase und schüttelt sich angewidert, als sie in den Bottich klettert. Sie ist nicht gerade zimperlich, aber das hier fühlt sich an, als würde sie in ein Fass voller glitschiger Kröten steigen. Und es klingt auch so, als sie versucht, die Füße wieder aus dem zähen Lehm zu ziehen. "Igitt! Wie lange müssen wir dieses Zeug denn treten?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 14. Apr. 2005, 19:16 Uhr
Sie kann einfach nicht anders, über Ravens Gesicht, das in sekundenschnelle von zweifelnder Neugier zu leicht angewidertem Staunen, wieder zurück zur Neugier und schließlich zu naserümpfendem Ekel wechselt, muß sie kichern. "Sei kein Frosch, komm schon. Das macht Spaß, wirklich!" Zur Verdeutlichung ihrer Worte hopst sie energisch mit beiden Füßen auf und ab, nur um sich augenblicklich mit einem "Woaaaahuuuuuuuuuumist!" an den Bootsrand zu klammern, um nicht der Länge nach im Lehmmatsch zu landen. "Ups. Das ist äh... rutschig."
"Woaaaaaaaahuuuuuumiss! Woaaaaaaahhhhuuuuuuumiss! Miss!" Kräht Brynden prompt und winkt fröhlich von seiner Werkbank herüber. Bemüht, sich möglichst würdevoll auf den Füßen zu halten, ist Niniane versucht, Caewlins vorlautem Sprössling die Zunge herauszustrecken, lässt es aber angesichts seiner Nachahmungsfreude doch lieber sein. Grätschend und kichernd, rudernd und balancierend, stampfend und schnaubend und noch mehr kichernd scheucht sie Raven eine Runde lang durch das Rundboot. "Naja, wir müssen," japst sie schließlich, "das ganze Stroh einstampfen und den Lehm mit dem Wasser so zu einem Brei treten. Das dauert eine Weile, bis es weicher wird. Hier, die Stellen wo das viele Wasser ist, sind schon gut, aber noch zu flüssig. Und dort hinten ist es noch viel zu fest... ich schätze, wir müssen es einfach ordentlich vermischen und dann gut durchwalken. Das kriegen wir schon... huch!" Quietschend vor Schreck und Lachen gleichermaßen rutscht sie schon wieder über einen glatten Lehmbrocken unter ihren Füßen und kann sich gerade noch fangen... "äh hin, wollte ich sagen."  Wie zwei Schlittschuhläufer, die ihre Kunst alles andere als beherrschen (oder die schlicht zu tief ins Glas geschaut hatten) schliddern sie also mit hochgebundenen Röcken und wehenden Haaren in dem Rundboot herum, bis zu den Knien beschmiert mit Lehmbrei und sich immer wieder aneinander festhaltend, um nicht zu fallen. Der Tag ist warm und mehr als frühlingshaft und viel zu schön, für trübe Gedanken - auch wenn sie ahnt, dass sie Raven vorhin wohl einiges zu denken gegeben hat. Gut so! Dennoch.... im Augenblick, jetzt und hier, wünscht sie sich nur, die junge Frau, die ihr in den letzten Wochen eine mehr als gute Freundin geworden ist, ein wenig abzulenken, sie zum lachen zu bringen oder wenigstens... ihr Trübsal ein wenig zu vertreiben. Abgesehen davon hat sie heute ohnehin der Hafer gestochen und die Wärme der Sonne singt in ihrem Blut wie Sommerwein. "Mylady? Darf ich um diesen Tanz bitteeeeen... mach doch so etwas nicht mit.... Raven, halt. Nein, nicht loslassen, nicht loslassen! Nicht... das wagst du nicht...du... na warte..."  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 14. Apr. 2005, 23:13 Uhr
Zu beschäftigt mit dem Hochhieven der geschälten Baumstämme -  und vor allem damit, sie an die richtigen Stellen in den halbfertigen Wänden zu bugsieren, haben weder Caewlin, noch er die beiden Frauen bemerkt, die sich inzwischen, abgeschirmt durch die Ecke des Pferdestalls und die kurze Seite dessen, was einmal ein Hühnerhaus werden soll, daran gemacht haben, den Lehm zu stampfen. Zu überhören sind sie allerdings nicht. Die Sonne brennt unbarmherzig von einem Himmel, so wolkenlos und ozeanblau, als sei es bereits Sonnenthron und nicht erst Sturmwindmond, und die Vögel  liefern sich in den Heckenrosen ringsum hektische Sangeswettstreite um die besten Nistplätze. Cron bückt sich nach dem Ende eines weiteren, zurechtgehauenen Balkens und gräbt seine Hände darunter. "Jetzt der hier, in Ordnung. Auf drei. Eins... zwei..." ihre Gesichter glänzen längst vor Schweiß und Anstrengung und ihre Hemden kleben ihnen bereits an den Schultern. "Drei." Keuchend heben sie das schwere, sperrige, etwa vier Schritt lange Stück hoch, das über der Tür als Sturz dienen soll und im Ganzen auf die sorgfältig angebrachten Holzzapfen der darunter liegenden Balken gesetzt werden muss - erst einmal jedoch heißt es, mit dem dreimalverfluchten Ding überhaupt hinüber zur Türwand zu kommen. "Ich habe keine Ahnung, wo Ukko steckt und ehrlich gesagt, Caew, ich will es auch nicht wissen. Dieser Gnom ist eine Landplage. Aber Mut hat er, das muss man ihm... Vorsicht, Mann, die Axt!"

Caewlin schreitet zielsicher über das Handbeil und den Holzstrunk hinweg, indem es steckt und wendet sich um, so dass sie mit ihrer Last ein Stück zurückgehen können, um Schwung zu holen. "... muss man ihm lassen. Hat mit einem Dolch gegen die Narge gekämpft, weißt du... bei... Liam... Cai uuh... hoch damit!" Grunzend vor Anstrengung heben sie den Stamm auf Schulterhöhe, stemmen ihn über ihre Köpfe und dann an seinen Platz. Natürlich rastet er nicht sofort ein, so dass sie hinaufklettern und ihn umsichtig hin und herrucken müssen, um ihn auszurichten. "Nach Links. Bei dir. Hier vorn geht es so... zurück." Ächzend und fluchend mühen sie sich ab. "Hab ihn mit zurückgenommen, aber irgendwann... ich glaube... noch ein Stück....nachdem er einmal baden musste... noch ein Stück. So ist es gut." Der Stamm senkt sich gehorsam und gleitet mit einem dumpfen Knirschen an seinen Platz – nicht der allerkleinste Spalt bleibt  zwischen ihm und den Balken darunter. Cron nickt mit grimmiger Genugtuung. "Nachdem er baden musste, hat er das Weite gesucht." Er streicht sich eine Haarsträhne aus dem schweißnassen Gesicht und hört hinter sich Ninianes heiseres, dunkles Lachen. "Was bei allen Neun Höllen haben diese Weiber eigentlich so zu gackern?" Sie wenden sich um, um von ihrem erhöhten Sitz aus um die Ecke zu spähen, und was sie sehen, lässt sie beide beinahe hintenüber kippen.

Kaum sind sie vom Türsturz des Hühnerhauses heruntergeklettert und stehen im Inneren von dreieinhalb Wänden, keinem Dach und keiner Tür, tauschen sie einen  halb verzweifelten, halb belustigten, typisch männlichen Blick über närrisches Weibsvolk. Caewlin, der die Arme vor der Brust verschränkt hat, schnaubt schwer atmend etwas von Verschwörung, während er auf die beiden Frauen starrt, die gerade quietschvergnügt und leichtbekleidet ausgelassen in einem Lehmbottich herumalbern - vielmehr auf eine von ihnen. "Zweifellos," stimmt Cron ihm zu, stützt einen Fuß auf das gemauerte Fundament und die Schultern auf die halbfertige Wand, die ihm gerade bis zur Brust reicht, und beobachtet ungeniert das Spektakel. Obwohl seine Mundwinkel verdächtig zucken, sind seine Augen weich – und das nicht, weil er sich gerade am Anblick einer halbnackten und lehmverschmierten Niniane erfreut. Sie lacht und tanzt herum, unbeschwert wie ein Kind, albern vielleicht, ja, aber dafür umso aufregender. Wunderschön. Er schüttelt den Kopf und murmelt dann leise. "Verschwörung, was? Und ich hatte ihr gesagt, sie soll sich nicht einmischen, verflixtes Weibsbild. He, Cariad," ruft er hinüber. "Ich dachte, ihr wolltet Lehm stampfen, stattdessen hüpft ihr herum, als hättet ihr beide eine Ladung Kröten im Hemd. Macht's Spaß?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 15. Apr. 2005, 09:36 Uhr
Ravens grimmige und angeekelte Miene hält in dem lehmgefüllten Rundboot nur so lange, bis Niniane zum ersten Mal quietschend fast den Boden küsst und einen unfreiwilligen Spagat hinzaubert, der die Gaukler und Artisten vom letzten Sommerfest vor Neid erblassen lassen würde. Grinsend schliddert sie zu ihr hinüber und haarscharf an einer Karambolage mit dem Bootsrand vorbei, um ihr aufzuhelfen, aber das ganze endet nur damit, dass sie aneinander hängen wie ein Pärchen besoffener Tanzbären und unter wilden Kicheranfällen versuchen, sich am Rand des Bottichs entlangzuhangeln und dabei auf den Füßen zu bleiben. Angelockt von dem Spektakel und dem Gelächter der beiden Frauen japst auch noch Stelze, der ohnehin immer für jeden Unfug zu haben ist, mit flatternden Ohren heran und umkreist hüpfend und kläffend den schaukelnden Bottich, und Raven hat alle Hände voll zu tun, ihn davon abzuhalten, über den Rand und zu ihnen in die matschige Brühe zu klettern.

Aber an ernsthaftes Arbeiten ist sowieso nicht zu denken und jeder Versuch, ihr Vorhaben mit dem nötigen Ernst anzugehen, währt bestenfalls drei Herzschläge lang, bevor Niniane und sie wieder in prustendes Gekicher ausbrechen und sich gegenseitig wild schwankend davon abhalten, bäuchlings im Dreck zu landen. Über die Technik der Lehmbearbeitung sind sie sich allerdings nicht ganz einig und sie können sich nicht entscheiden, ob sie treten, stampfen oder hüpfen sollen und so machen sie alles irgendwie abwechselnd und doch gleichzeitig und schaukeln sich gegenseitig immer wieder zu kreischendem Gelächter hoch, während sie in einem wilden, armerudernden Tanz Runde um Runde in der Lehmwanne drehen. Nach kaum einer halben Stunde sind sie völlig außer Atem und ihre erhitzten Gesichter, die nackten Arme und Beine und die ausgeblichenen Unterröcke sind über und über mit Lehmspritzern gesprenkelt, als sie sich japsend und keuchend für einen Moment an den Bootsrand lehnen. Niniane gönnt ihnen jedoch kaum eine Pause und scheucht sie mit einem energischen "Los jetzt!" und dem Argument armer, obdachloser Hühner, die auf ihr Zuhause warten, wieder in die nächste Runde. "Du bist ein elender Sklaventreiber!" meutert Raven und rafft kichernd die Röcke. "So viele Eier können diese Hühner gar nicht legen, um den Muskelkater zu rechtfertigen, den ich morgen haben werde! Na, dann los."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 16. Apr. 2005, 12:27 Uhr
Caewlin tritt neben den Tronjer, kreuzt die Arme vor der Brust und fixiert den Lehmbottich mit den beiden ausgelassen herumalbernden Frauen aus schmalen Augen. Die Lichtung um den Baum leuchtet von den Blüten der Schlüsselblumen wie eine Schale voll Sonnenlicht und mittendrin steht ein schwankendes Rundboot, das man Närrischerweise zur Lehmgrube gemacht hatte. Niniane und Raven tragen alte Leinenunterkleidung, tanzen darin herum, als hätten sie zuviel Wein erwischt und haben die Welt ringsum vergessen. Raven hebt ihre Röcke und jagt die Waldläuferin durch den Matsch und die Sonne fängt sich in ihrem Haar, in ihren Augen, schmilzt auf ihren nackten Schultern und Armen und im verblichenen Leinen ihrer Kleider und lässt sie strahlen, als scheine das Licht aus ihr heraus. In den vergangenen Tagen war sie ihm so oft wie möglich aus dem Weg gegangen und er hatte alles getan, um ihr nicht zu begegnen, sich beschäftigt zu halten, nicht an sie denken zu müssen. Er hatte sich an alle Erinnerungen an Calyra geklammert, ihr Gesicht vor seinem inneren Auge heraufbeschworen, ihre Stimme, ihren Geruch und sich geschworen, sie nie zu vergessen. Aber der hohle Schmerz in seinem Inneren war geblieben, das Loch in seiner Seele zu einem Riss geworden und irgendwann hatte er bestürzt festgestellt, dass er Calyra vielleicht in seinem Inneren tragen wird, solange er lebt... aber dass es nicht mehr sie ist, die ihm fehlt. Manchmal war er in den vergangenen Tagen nachts wachgelegen und hatte Raven neben sich beobachtet, auf ihren Atem gelauscht, ihre kleine, verlorene Wärme gespürt und seine Hand zur Faust geballt, um sie nicht zu berühren.

Im Schlaf war ihr tagsüber so verschlossenes Gesicht weich, verloren in Träumen, also hatte er die Stundenkerze gelöscht und war wachgelegen und der leise Gedanke hatte sich eingeschlichen, was wäre, wenn es kein Morgen gäbe? Jetzt weht ihr Lachen zu ihnen herüber, hebt sich hell von Ninianes dunklerer Stimme ab und Caewlin spürt sein Herz langsam und schmerzhaft schlagen. Verdammt. Er fühlt sich so hilflos, als hätte ihn die Strömung zwischen den Felsen in der Seehundsbucht erwischt und das gefällt ihm ganz und gar nicht - außerdem ist sein Mund plötzlich so trocken wie Stroh. >Verschwörung, was? < murmelt Cron neben ihm gedankenverloren, die Augen gebannt auf Niniane gerichtet. >Und ich hatte ihr gesagt, sie soll sich nicht einmischen, verflixtes Weibsbild.< "Einmischen!" Grollt er. "Was soll das heißen?" Cron sieht ihn nur mit hochgezogener Braue an und grinst, dann nickt er in Richtung der kichernden Frauen. Caewlin schnaubt ungehalten. "Ich brauche keine Einmischung, besten Dank auch." Er versetzt der halbfertigen Wand aus geschälten Baumstämmen neben ihm einen Stoß. Der Schlag auf seine gerade wieder verheilten Fingerknöchel, die inzwischen in verblassenden Gelb -und Grüntönen schillern, lässt ihn nach Luft schnappen. Am liebsten hätte er das ganze verdammte Ding eingerissen. "Ich bin so glücklich wie die Made im Fleisch, wie ein Floh im Fell und die Wanze im Bett. Ich bin so glücklich, verdammt noch mal, wie ein Kater im Katzenhaus! Und jetzt lass uns weitermachen, wir haben zu tun!" Cron wendet nicht einmal den Blick von seiner Frau ab. Caewlin lässt mit einer hilflosen Geste die Arme sinken und verdreht die Augen zum unermesslich blauen, windigen Himmel über ihnen. "Ah djävla!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 16. Apr. 2005, 19:56 Uhr
Cron reißt seinen Blick von Niniane los, die ihm allerdings nur frech die Zunge herausstreckt und dann Arm in Arm mit Raven weiterstampft. Einen kurzen Moment aber sehen sie sich an und obwohl sie weiter mit der jungen Frau redet, gilt das sachte Glitzern in ihren Augen und das Leuchten auf ihrem Gesicht einen Herzschlag lang nur ihm. Seufzend wendet er den Kopf und sieht Caewlin von der Seite in das finstere Gesicht. "Ach, du bist glücklich. Aha. Und wie ich feststelle, schwimmt seit neuestem auch der Kabeljau in dichten Schwärmen durch Talyra!" Caewlins einzige Antwort ist ein erbostes Schnauben, aber er sieht nicht ihn dabei an, sondern Raven, die kichernd und mit geröteten Wangen eine weitere Runde durch aufspritzenden Lehmbrei absolviert. Der Wind erfasst eine ihrer langen, dunklen Haarsträhnen und drückt sie gegen ihre Wange. Geistesabwesend und in ihr Gespräch mit Niniane vertieft, neigt Raven den Kopf ein wenig zur Seite und streicht sie hinter ihr Ohr - eine einfache, frauliche Geste. Es ist eine ganz banale Sache, aber in Caewlins Gesicht verändert sich etwas... oder vielleicht auch nur in seinen Augen.

Cron räuspert sich vernehmlich und Caewlin schnaubt ebenso vernehmlich zurück – aber er sieht sie immer noch an. Cron unterdrückt ein Lachen, obwohl er dem Sturmender gleichzeitig am liebsten mitfühlend auf den Rücken geklopft hätte. "So ist das also," bemerkt er leise und in völlig verändertem Tonfall. "Und ich dachte, es ginge hier nur um Ja und Nej und Nehmen." Caewlin schließt die Augen, öffnet sie wieder und tritt einen halben Schritt zurück, tiefer hinein in die Schatten ihres halbfertigen Hühnerschuppens. Sein Blick geht über Balken und Nägel, Einkerbungen und Zapfungen, krumme Wände mit mehr Ritzen als der Unterrock eines Pfirsichs und die Holzböcke in der Mitte ihres dachlosen Kunstwerks, auf denen sie gesägt und gehämmert hatten. Crons Augen werden schmal und sein Grinsen bekommt etwas hinterhältiges, als er ihn mustert. "Und warum bei allen neun Höllen bist du dann so wütend? Wartest du vielleicht darauf, dass sie zu dir kommt und sagt: 'Caewlin von Sturmende, mein lieber Junge, du bist grauenhaft, aber du bist der Held meiner Träume'? Soweit ich mich erinnern kann, hat sie das auf ihre äh... unnachahmlich nette Art sogar bereits getan und obendrein nackt wie am Tag ihrer Geburt und du warst der blöde Ochse, der ihr gesagt hast, dass du davon nichts hören willst!"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 17. Apr. 2005, 08:23 Uhr
>Ach, du bist glücklich. Aha. Und wie ich feststelle, schwimmt seit neuestem auch der Kabeljau in dichten Schwärmen durch Talyra!< Caewlin versucht, Cron mit einem bohrenden Blick zum Schweigen zu bringen, doch der Tronjer zuckt nicht einmal mit der Wimper und seine eigenen verräterischen Augen wandern wie von selbst zu Raven zurück. Raven in einem dünnen Leinengewand, badend im Sonnenlicht, lachend mit Niniane, geküsst vom Wind, herumhüpfend  in einem Rundboot voller Lehmbrei, bis zu den Knien rotverschmiert und für den Moment unbeschwert wie ein fröhliches Kind. An manchen Gedanken klebt Leim. An manchen Bildern auch. >So ist das also. Und ich dachte, es ginge hier nur um Ja und Nej und Nehmen.< Caewlin tritt zurück in die Schatten und spürt einen Schmerz im Nacken, der allein von der Anstrengung kommt, nicht den Kopf zu wenden und durch die löchrigen Wände zu spähen, nur um einen weiteren Blick auf sie zu erhaschen.
"Nein," widerspricht er entschlossen. "So ist es ganz bestimmt nicht! Ganz so ist es..."
Cron unterbricht ihn unbarmherzig, offenbar nicht bereit, auch nur eines seiner Worte anzuhören. >Wartest du vielleicht darauf, dass sie zu dir kommt und sagt: 'Caewlin von Sturmende, mein lieber Junge, du bist grauenhaft, aber du bist der Held meiner Träume'? Soweit ich mich erinnern kann, hat sie das auf ihre äh... unnachahmlich nette Art sogar bereits getan und obendrein nackt wie am Tag ihrer Geburt und du warst der blöde Ochse, der ihr gesagt hast, dass du davon nichts hören willst!< Caewlin öffnet den Mund, um dem Tronjer selbigen zu verbieten und klappt ihn angesichts einer vollkommen unerwarteten Möglichkeit wieder zu. Aber wir lieben dich, so wie du bist, kapierst du das nicht? Ganz genau so.

Götter... hatte Raven am Ende gar nicht Niniane, noch Cron, noch seinen Sohn oder Calyra gemeint, auch wenn sie sie alle ins Feld geführt hatte, sondern vor allem sich selbst? Nein. Davon hat sie kein Wort gesagt. Ja schon, aber... Ungeheuer fressen nackte kleine Mädchen. Verdammt, was hatte er sich dabei nur gedacht? Gar nichts. Du hattest auch nicht mehr genug Blut im Hirn, um noch etwas zu denken. "Würdest du bitte dieses dämliche Grinsen aus deinem Gesicht wischen, damit ich dir ein paar reinhauen kann?"
Cron grinst unerbittlich und Caewlin wirft in einer durch und durch männlichen Geste der Verzweiflung über ein weibliches Wesen - obwohl er gar keines vor sich hat - die Arme hoch und lässt sie wieder sinken. Dann wird er wirklich wütend. "Nein," erklärt er zähneknirschend. "Es geht hier um überhaupt nichts. Weder um Ja und Nej und Nehmen, noch um irgendetwas anderes. Calyra war meine Frau. Ich habe sie geliebt und ich werde sie nicht vergessen. Ich werde mir ganz bestimmt nicht vier Monde nach ihrem Tod eine neue Frau anlachen!" Seine Augen werden dunkel und auf seinem Gesicht streiten sich Schmerz und Schuldgefühl um den besten Platz. Seine Stimme wird noch ein wenig rauer als gewöhnlich, als er mit einem bitteren Lächeln fortfährt. "Das ist, als würde ich auf ihr Andenken spucken. Ich will das nicht." Cal, es tut mir so leid. Ich wusste nicht, dass das geschehen würde. Ich wollte nicht, dass es geschieht. Aber ich werde es nicht zulassen. Sei unbesorgt, es wird ein Ende haben, noch bevor es beginnt. "Und ganz abgesehen davon: was würde Raven schon von einem Mann wie mir wollen? Sie hatte ihren Druiden. Ein weltfremder, baumanbetender Träumer, aber sie hat ihn geliebt." Ja. Und ich verrate meine tote Frau im gleichen Atemzug, indem ich mich selbst belüge. Das muss ein Ende haben. Nur... warum... fühlt es sich dann so richtig an, wenn es so falsch ist? "Raven ist.... sie hatte Recht, mit jedem Wort. Ich bin ein Ungeheuer."


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 18. Apr. 2005, 10:49 Uhr
Crons Mundwinkel zucken amüsiert, aber sein Grinsen verändert sich kein Stück. "Wenn du dich prügeln willst, nur zu. Ich war schon immer der Meinung, dass ich es mit dir aufnehmen kann, aber dazu muss ich mir nichts aus dem Gesicht wischen." Caewlin schnaubt wütend und macht eine noch viel wütendere, wegwerfende Geste, bevor er, plötzlich todernst geworden, fortfährt. >Calyra war meine Frau. Ich habe sie geliebt und ich werde sie nicht vergessen. Ich werde mir ganz bestimmt nicht vier Monde nach ihrem Tod eine neue Frau anlachen! Das ist, als würde ich auf ihr Andenken spucken. Ich will das nicht.< Cron lauscht ihm ungerührt, wenn auch nicht ohne Mitgefühl, doch als der Sturmender, kaum dass er damit fertig ist, vom Andenken an seine tote Frau zu predigen, schon wieder Ravens Namen im Mund hat, kann er nur noch ungläubig den Kopf schütteln. >Raven ist.... sie hatte Recht, mit jedem Wort. Ich bin wirklich ein Ungeheuer.< Endet Caewlin schließlich bitter. Oh und wie sie recht hatte! Pflichtet Cron ihm in Gedanken bei. Störrischer als ein Maultier, aye? "Bist du jetzt fertig damit, dich ans Kreuz deiner guten Absichten zu schlagen? Schön. Niemand fragt mich um Rat, aber wenn ich gefragt werden sollte, dann würde ich dir sagen: Bullenscheiße, Caewlin! Verstanden? Heilige Götter... ich bin es leid. Raven und du,  ihr hättet in den vergangenen zwei Monden jeden Tag nach Hause zurückkehren können, aber ihr seid alle beide  immer noch hier und das nur aus einem einzigen Grund.

Calyra ist tot. Sie ist tot Caewlin. Es mag erst vier Monde her sein, aber wir wissen alle, wie sehr du sie geliebt und um sie gelitten hast. Du hast das mit Raven nicht beabsichtigt und noch weniger gewollt und dennoch ist es jetzt so gekommen... was für eine Rolle spielt es, ob es dann auch jetzt oder erst in drei Jahren geschieht? Abgesehen von der Kleinigkeit, dass es in drei Jahren zu spät sein könnte? Ich kann daran absolut nichts verwerfliches erkennen. Du bestrafst dich doch nur deshalb so hart, weil du dir in Wahrheit die Schuld an Calyras Tod gibst. Die hast du aber nicht. Du konntest nicht wissen, was passiert, niemand konnte das. Cal war eine wunderbare Frau. Sie hat dir einen Sohn geboren und dich sehr geliebt... aber vor allem hat sie dir ein Leben geschenkt, Caewlin. Ich weiß, wie du warst, als du den Norden verlassen hast. Glaubst du wirklich, sie würde wollen, dass du wieder so einsam und bitter wirst und nie wieder eine Frau in deinen Armen hältst, die dir etwas bedeutet? Ich denke nicht." Der Wind lässt einen Schauer winziger, gelber Birkenblüten auf sie niedergehen, kaum mehr als Goldstaub in der warmen Luft. "Wenn du ihr Andenken in Ehren halten willst, dann lebe, verdammt noch mal! Niemand hat von dir verlangt, Cal zu vergessen. Erinnere dich an sie, soviel du willst. Raven hat sie auch gekannt und sie hat sie gemocht, oder nicht? Teilt eure Trauer. Bewahrt sie in euren Herzen und in euren Gedanken. Erzählt Brynden von ihr, wenn er es verstehen kann. Aber kette dich nicht an eine Tote, wenn das Leben da drüben auf dich wartet."

Er deutet in Richtung des Rundbootes, das gerade bedenklich schwankt, weil Raven und Niniane über den Rand klettern und sich kichernd den gröbsten Dreck von den Beinen streichen... offenbar ist der Lehmmörtel so gut wie fertig. "Entzückende neunzig Pfund Leben obendrein." Caewlins Blick wandert wie von selbst zu Raven zurück und Cron beobachtet ihn aufmerksam. "Sie kann dich heilen, sie hat die Kraft dazu... und du weißt es. Wenn du auch nur soviel Verstand hättest, wie die Götter einem Regenwurm geschenkt haben, dann würdest du alles dafür tun, dass sie den Rest deines Lebens mit dir verbringen will. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich es nicht glauben - der Caewlin von Sturmende, den ich kenne, hatte Mumm in den Knochen. Und Raven? Tja, wie edelmütig von dir, sie nicht in Versuchung zu führen. Stell dir nur vor, was sie aufgeben würde - ein einsames, armseliges, langweiliges Leben in einer baufälligen Bruchbude von Haus... und das wo Bogenbauer in dieser Stadt so gefragt sind." Ein neuer Windstoß fährt durch die Bäume und Cron verschränkt die Arme vor der Brust, den Blick noch immer auf  Niniane und Raven gerichtet. Die beiden Frauen schöpfen Lehmbrei mit Holzeimern aus dem Rundboot, zwischen sich die Kinder, die ihre neugierigen Nasen über den Rand schieben und dabei bestimmt alle zwei von Kopf bis Fuß rotbraun werden. "Und stell dir auch vor, was dein Sohn erst aufgeben müsste - eine Kindheit und Jugend ohne eine Frau, die ihn wie eine Mutter liebt." Cron dreht sich vollends um, bückt sich kopfschüttelnd unter dem eben eingesetzten Türsturz hindurch und geht dann zu den Frauen und Kindern hinüber, um ihnen mit den schweren Lehmeimern zu helfen. Nach zwei Schritt hält er inne und dreht sich noch einmal um. " Oh ja, du bringst wirklich ein großes, ehrenwertes Opfer. Cal wäre stolz auf dich."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 19. Apr. 2005, 18:04 Uhr
>Bist du jetzt fertig damit, dich ans Kreuz deiner guten Absichten zu schlagen? Schön. Niemand fragt mich um Rat, aber wenn ich gefragt werden sollte, dann würde ich dir sagen: Bullenscheiße, Caewlin! Verstanden?<
"Cron!"
>Heilige Götter... ich bin es leid. Raven und du, ihr hättet in den vergangenen zwei Monden jeden Tag nach Hause zurückkehren können, aber ihr seid alle beide immer noch hier und das nur aus einem einzigen Grund.<
"Ach, woher willst du wissen, dass sie aus diesem Grund..."
>Calyra ist tot. Sie ist tot Caewlin. Es mag erst vier Monde her sein, aber wir wissen alle, wie sehr du sie geliebt und um sie gelitten hast. Du hast das mit Raven nicht beabsichtigt und noch weniger gewollt und dennoch ist es jetzt so gekommen... was für eine Rolle spielt es, ob es dann auch jetzt oder erst in drei Jahren geschieht?<
"Was für eine Rolle es spielt? Ich..."
>Du bestrafst dich doch nur deshalb so hart, weil du dir in Wahrheit die Schuld an Calyras Tod gibst. Die hast du aber nicht...<
"Aye, die habe ich. Ich ganz allein. Hätte ich ihr damals erlaubt... hätte ich nicht darauf bestanden, dass sie... "
>Glaubst du wirklich, sie würde wollen, dass du wieder so einsam und bitter wirst und nie wieder eine Frau in deinen Armen hältst, die dir etwas bedeutet? Ich denke nicht.<
"Naja, ich..."

> Wenn du ihr Andenken in Ehren halten willst, dann lebe, verdammt noch mal!<
"Halt, warte..."
>Sie kann dich heilen, sie hat die Kraft dazu... und du weißt es. Wenn du auch nur soviel Verstand hättest, wie die Götter einem Regenwurm geschenkt haben, dann würdest du alles dafür tun, dass sie den Rest deines Lebens mit dir verbringen will.<
"Aber was ist, wenn..."
> Und Raven? Tja, wie edelmütig von dir, sie nicht in Versuchung zu führen. Stell dir nur vor, was sie aufgeben würde - ein einsames, armseliges, langweiliges Leben in einer baufälligen Bruchbude von Haus... und das wo Bogenbauer in dieser Stadt so gefragt sind.<
"Wenn ich ein einziges Mal einen Satz zu Ende bringen könnte..."
>Und stell dir auch vor, was dein Sohn erst aufgeben müsste - eine Kindheit und Jugend ohne eine Frau, die ihn wie eine Mutter liebt. Oh ja, du bringst wirklich ein großes, ehrenwertes Opfer. Cal wäre stolz auf dich.<
Caewlin klappt den Mund auf und unverrichteter Dinge wieder zu und blickt dem breiten Rücken des Tronjers in seinem verschwitzten Hemd nach, Mordlust in den Augen, der sich unter dem Grünen Gewölbe von Ahorn und Buchen entfernt und ihn einfach stehen lässt. So ist es nicht! Will er schreien. Und es wird nie so sein, weil ich es nicht zulassen werde! Und jetzt komm gefälligst zurück, damit ich dir die Nase zu Brei schlagen kann, so wie du es eigentlich verdient hast! - aber aus seinem staubtrockenen Mund kommt nur ein wütendes Knurren.

Cron tritt zu Niniane, ohne sich auch nur noch einmal umzusehen, berührt ihre Schultern, sagt irgendetwas dicht an ihrem Ohr, das die Waldläuferin lachen lässt und als sie zu ihm aufblickt, leuchtet ihr Gesicht, als habe jemand eine ganze Kiste Kerzen hinter ihren goldenen Augen angezündet. Sein Blick wandert wie von selbst weiter zu Raven neben ihnen und er spürt einen nadelfeinen Stich in seinem Inneren - und eine leise, penetrante Stimme in seinen Gedanken, die ihm zuflüstert, dass es einfach zu spät ist, noch dann behaupten zu wollen, man gehe ganz bestimmt nicht Schwimmen, wenn man schon halb ertrunken ist. Raven hält den Kopf gesenkt und müht sich mit einem schweren Eimer. Der dünne Saum des Leinenrocks, an einer Seite hoch und in den Bund gesteckt, klebt feucht und lehmverschmiert an ihren Beinen, ihr Rücken ist gebeugt und angespannt, und der schlanke Nacken hell unter der dunklen Flut ihrer Haare. Caewlin ballt die Linke zur Faust und gräbt die Nägel in die Handfläche. Aber dann blickt sie doch auf, wendet den Kopf und sieht ihn an, als hätte sie seinen Blick gespürt. In ihrem Gesicht bewegt sich nichts... überhaupt nichts und sie senkt rasch wieder die Augen. Doch das ist auch nicht wichtig. Es ist nicht wichtig, denn in diesem Augenblick weiß er es.
Und dann gibt es plötzlich gar nichts mehr zu entscheiden und nichts weiter zu tun, als zu ihr zu gehen. "Gib her und lass mich das tragen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 19. Apr. 2005, 22:43 Uhr
Raven kann sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann sie zuletzt so ausgelassen gewesen ist, zumindest muss es schon sehr, sehr lange her sein - viel zu lange schon. Es tut so gut, für eine Weile einmal alle Sorgen und sich selbst zu vergessen und richtig albern sein zu können, zu lachen und die warme Frühlingsluft zu genießen, den Duft von frischem Lehm und blühenden Schlüsselblumen in der Nase und die Sonne auf dem Gesicht zu spüren. Als Cron, auf dem dachlosen Hühnerhaus thronend wie ein Gockel auf seinem geheiligten Misthaufen, etwas zu ihnen herüberschreit, streckt Niniane ihm nur grinsend die Zunge heraus und der Rest seines Satzes geht in ihrem vergnügten Gelächter unter. Sie ernten nur belustigtes Kopfschütteln, bevor die beiden Nordmänner sich von dem Türsturz herabschwingen und sich dann heftig diskutierend in das halbfertige Innere des Stalles zurückziehen. Was sie bereden, können Niniane und sie allerdings nicht hören, denn die Entfernung und ihr eigenes Gekicher schlucken jedes Wort, bevor es auch nur in ihre Nähe gelangen könnte. "Ich schätze, sie denken gerade darüber nach, ob sie nicht lieber uns statt des Federviehs in den Hühnerstall sperren sollen", lacht Raven und spreizt imaginäre Flügel, während ihr Blick den beiden hinterherflattert und schließlich an einer großen, breitschultrigen Silhouette kleben bleibt, die sich gestikulierend hinter der hochgezogenen Balkenwand bewegt. Seltsamerweise flattert nicht nur ihr Blick, sondern auch ihr Herzschlag und erst ein heftiger Ellbogenrempler der Waldläuferin bringt sie dazu, die Augen ab- und sich selbst mit einem erschrocken blinzelnden "Was denn?" wieder der Arbeit zuzuwenden.

Lange dauert ihr wildes Gehopse in dem schwankenden Rundboot allerdings nicht mehr, denn endlich, endlich, endlich scheint die dicke Lehmpampe die richtige Konsistenz zu haben und hält auch Ninianes gestrengen Blicken stand, die offenbar genau weiß, wie perfekter Hühnerstallmörtel auszusehen hat. Raven hat zwar nicht die leiseste Ahnung, woran sie das erkennt, aber sie glaubt es ihr einfach - und sie will es auch unbedingt glauben, denn inzwischen tun ihr die Füße vom Treten und den stachligen Strohhalmen weh und der Bauch vom Lachen und ihre Beine fühlen sich an wie zu lange gekochter Haferbrei, als sie kichernd über den Rand der Wanne klettern, wo Brynden und Shaerela in einem gelb und weiß gesprenkelten Meer aus Gänseblümchen und Löwenzahn sitzen und die aus dem Zuber gefallenen Lehmbrocken dazu verwenden, sie sich gegenseitig vergnügt quietschend in die Haare zu schmieren. Nach einer Verschnaufpause, die sie lang ausgestreckt neben den Kindern im weichen Gras und damit verbringen, sich die getrockneten Lehmkrusten von den Beinen zu schrubben, beginnen sie dann, die bereitgestellten Eimer und Zuber mit dem sämigen, rotbraunen Brei zu füllen, um sie hinüber zum Stall zu schleppen.

Hilfe mit den schweren Kübeln naht in Form von Cron, der sich grinsend zu ihnen auf die sonnenlichtüberflutete Lichtung gesellt und bereitwillig mit anpackt. Aber er ist allein und Caewlin nicht bei ihm, als er zu ihnen an den Bottich kommt, und auch Ravens verstohlen suchender Blick kann ihn nicht aufspüren. Als sie sich einen Atemzug später wieder an dem bleischweren Eimer zu schaffen macht und ächzend versucht, ihn vom Boden hochzuzerren, kann sie jedoch plötzlich seinen Blick auf ihrem Rücken spüren, so deutlich, als würde eine unsichtbare Hand sie berühren. Sie sieht auf und hinüber zum Stall und quer über eine sonnenlichtgefleckte Wiese hinweg, die sich mit einem Mal wie ein bodenloser Abgrund anfühlt, treffen sich einen Herzschlag lang ihre Augen, bevor sie hastig den Blick abwendet. Caewlin steht einfach nur da und sieht sie an, und sein Gesicht, in das Licht- und Schattenspiel der Sonne in den Bäumen getaucht, ist so unergründlich wie die spiegelnde Oberfläche des Ildorel, die verbirgt, was darunter in der Tiefe liegt. Das gleichmäßige Pochen in ihrer Brust wird zu einem wilden Stolpern und dann ist er so plötzlich neben ihr wie aus dem Boden gewachsen. >Gib her und lass mich das tragen.<

Seine Stimme ist völlig ruhig, auch wenn in ihr ein leiser Unterton mitschwingt, der sie verwirrt. Raven ist so verblüfft, dass sie nicht einmal mehr dazu kommt, irgendwelche Abwehrstacheln auszufahren, geschweige denn ein abweisendes Gesicht zu machen oder eine schroffe Bemerkung von sich zu geben, wie sie es sonst seit dem verhängnisvollen Abend an der Quelle der Waldläuferin ständig tut. Noch immer singt das atemlose Lachen in ihrem Blut und die Wärme der Sonne in ihren Augen und als Caewlin sich nach dem Eimer bückt, ohne eine Antwort abzuwarten, kann sie gar nicht anders, als wortlos zu nicken. Irgend etwas an ihm hat sich verändert, auch wenn sie nicht sagen kann, was - und genau das bringt sie völlig durcheinander. Sie folgt ihm mit einem zweiten Lehmeimer, kleiner und leichter als der erste, zum Stall hinauf, wo Niniane und Cron bereits damit beschäftigt sind, den Lehm aus den herangeschleppten Kübeln auf einen Haufen zu kippen und mit den geleerten Behältnissen wieder zurück zum Rundboot zu laufen, um neuen zu schöpfen. Während sie neben Caewlin herstapft, wirft Raven ihm einen vorsichtigen Seitenblick zu und fragt sich verwirrt und fast ein wenig beunruhigt, woher der plötzliche Umschwung seiner Stimmung kommt. Die letzte Zeit sind sie sich aus dem Weg gegangen, wann immer es möglich gewesen war, und die Sätze, die sie gewechselt hatten, lassen sich bequem an einer Hand abzählen. "Was ... was ist los? Gar keine schlechte Laune heute?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 20. Apr. 2005, 22:25 Uhr
"Schlechte Laune?" Echot er halb belustigt, halb betroffen und auf seinem Gesicht erscheint so etwas wie ein vages Lächeln, als er auf sie hinunterblickt. Irgendwo in seinem Hinterkopf spukt das leises Echo von Crons aufgebrachter Stimme durch seine Gedanken. Calyra ist tot. Sie ist tot Caewlin.... Glaubst du, wirklich, sie würde wollen, dass du wieder so einsam und bitter wirst und nie wieder eine Frau in deinen Armen hältst, die dir etwas bedeutet? Ich denke nicht... was für eine Rolle spielt es, ob es dann auch jetzt oder erst in drei Jahren geschieht?.... Sie kann dich heilen, sie hat die Kraft dazu... und du weißt es. Was gab seiner schlechten Laune eigentlich das Recht, sich rapide in Sehnsucht zu verwandeln? Ihr Gesicht ist erhitzt und feucht, aus ihrem dicken Zopf haben sich zahllose Strähnen gelöst und ihre dunkle Haut schimmert durch den hellen Stoff des hochgesteckten Rockes, der lehmfleckig an ihren Beinen klebt. "Durch und durch, bis ins Innerste meines schwarzen Herzens," beteuert er dann und die Bosheit in seiner Stimme ist so sanft wie der Wind, der über ihnen durch die Kronen der Bäume wispert. Cal wäre stolz auf dich. Cal wäre stolz auf dich... Bullenscheiße, Caewlin! Verstanden? Seltsamerweise ist es Ravens Lächeln, dass auf diesen Gedanken antwortet. Cron und Niniane kommen ihnen entgegen und trennen sich auf dem schmalen Pfad, um ihnen auszuweichen, leere Eimer in den Händen, stille Belustigung im Blick. Irgendwo hinter ihnen quietschen die Kinder, völlig selbstvergessen damit beschäftigt, sich gegenseitig in kleine Lehmmonster zu verwandeln, und die Hunde liegen hechelnd im Schatten des Pferdestalls... doch in diesem Moment hätte er ebenso gut mutterseelenallein mit ihr an einem vergessenen Ort sein können. "Höre ich da etwa leises Missfallen in deiner Stimme, Raven?" Er deutet spöttisch eine leichte Verbeugung an und lässt ihr den Vortritt unter dem frischgebackenen Türsturz hindurch in einen Hühnerschuppen ohne Dach.

Sie rauscht dermaßen hoheitsvoll an ihm vorbei und kippt ihren Eimer dann so heftig aus, dass er sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen kann. "Verständlich. Wie kann ich es auch wagen, schlechte Laune zu haben, wo du doch in den letzten Tagen die Herzensgüte in Person warst..." Er leert seinen Eimer, schüttelt alles heraus und folgt ihr zurück zum Rundboot. Sie wirft ihren Kübel in die braune Brühe, schaufelt mit beiden Händen Lehmbrei hinein und zerrt ihn schnaubend über den Rand. "Was hat der arme Lehm dir getan?" Erkundigt er sich, tritt dicht hinter sie, neigt den Kopf und blickt ihr neugierig über die Schulter. Sein Mund ist so nahe an ihrer Stirn und Wange , dass sich einzelne Haarsträhnen unter seinem Atem bewegen und ihm ihr Geruch in die Nase steigt; eine ungewöhnliche Mischung aus kühlem Schlamm, zertretenen Schlüsselblumen, grünem Gras, Frau, Sonnenwärme und Frühling. "Hat ein Bad eigentlich immer solche Wirkung auf dich? Ich frage nur vorsichtshalber, denn wenn ja, dann sag mir doch bescheid, bevor du das nächste nimmst und ich bringe mich rechtzeitig in Sicherheit..." Sie zerrt ihre überschwappende Last so heftig hoch, dass er einen halben Schritt zurücktritt und sieht einen Moment lang aus, als wolle sie ihm den Eimer samt dem braunen Brei darin an den Kopf werfen, wenn er nur nicht so schwer wäre. Er sieht sie aus schmalen Augen an und hätte gern eine bitterböse Miene aufgesetzt. Er hätte sie auch gern in den Lehm geworfen. Stattdessen kämpft er mit einem Lächeln. "Wag es ja nicht." Sie steht ganz still und sieht ihn an, obwohl er sich nicht ganz sicher ist, dass sie wirklich ihn sieht. Er hebt die Hand, fängt eine verirrte Haarsträhne ein und legt sie hinter ihr Ohr. Seine rauen Finger verfangen sich in ihrem Haar und sein Handrücken streift ihren Hals. "Raven." Er spricht ihren Namen aus, als hätte er es noch nie zuvor getan, als probiere er seinen Klang und Geschmack. Dann lächelt er doch, ein langsames, halbes Lächeln. "Waffenstillstand?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 21. Apr. 2005, 15:03 Uhr
Einen Moment lang ist sie über Caewlins Angebot, ihr zu helfen, einfach nur völlig verblüfft und es liegt etwas Erleichtertes in ihrem Lächeln, aber mit jedem Schritt, den Raven neben ihm herstapft, merkt sie, wie sich der Glanz in ihren Augen durch die sanfte Bosheit in seiner Stimme schon wieder in wütendes Funkeln verwandelt und sich einer nach dem anderen ihre eingezogenen Stacheln wieder aufstellen. Wenn sie nur wüsste, wie er es immer schafft, sie im Handumdrehen auf die Palme zu bringen und dazu, genau das Gegenteil von dem zu tun, was sie eigentlich tun will. >Höre ich da etwa leises Missfallen in deiner Stimme, Raven?< Caewlin folgt ihr wie ein zu groß geratener Schatten und seine spöttischen Worte summen um sie herum wie ein Schwarm angriffslustiger Stechmücken, nach denen sie am liebsten wild geschlagen hätte, um sie zu verscheuchen. >Verständlich. Wie kann ich es auch wagen, schlechte Laune zu haben, wo du doch in den letzten Tagen die Herzensgüte in Person warst.< Wutschnaubend lässt sie den Lehm auf den stetig anwachsenden rotbraunen Berg klatschen und fährt herum, um mit wild schlenkerndem Eimer wieder hinauszurauschen, aber ihr hoheitsvoller Abgang wird von siebeneinhalb Fuß Nordmann gebremst, die vor ihr aufragen und dummerweise den Eingang versperren. Caewlins Gesicht, das die Frühlingssonne der letzten Tage mit einem goldbraunen Schimmer überzogen hat, glänzt vor Schweiß und das dünne Hemd klebt ihm verschwitzt am Körper. Einen schmerzhaften Herzschlag lang sieht sie ihn an, seine hochgewachsene Gestalt, eingerahmt von warmem Sonnenlicht, das hinter ihm in langen Streifen durch die halbfertigen Wände und die Türöffnung sickert und die feinen Härchen auf seinen Unterarmen vergoldet. "Mmpf! Ich bin die Herzensgüte in Person! Und du stehst mir im Weg mit deinen großen ... Füßen!"

Raven zwängt sich an ihm vorbei, doch unten beim Rundboot hat die spöttelnde Stimme sie schon wieder eingeholt und treibt allmählich ihren Pulsschlag vor unterdrücktem Groll in die Höhe. Und mit einem Nordmann direkt hinter sich, der ihr mit quälender Deutlichkeit bewusst werden lässt, dass sie außer eingetrockneten Lehmkrusten nicht gerade viel am Leib trägt, ist an ein Ignorieren desselben auch nicht zu denken. Er steht so nah bei ihr, dass sie seine Wärme an ihrem Rücken und seinen Atem in ihrem Haar spüren kann und plötzlich scheint ihr ihre eigene Haut zu eng zu werden. >Hat ein Bad eigentlich immer solche Wirkung auf dich? Ich frage nur vorsichtshalber, denn wenn ja, dann sag mir doch bescheid, bevor du das nächste nimmst und ich bringe mich rechtzeitig in Sicherheit...<
"Ein Bad nicht!" schnaubt sie und reißt wütend den vollen Eimer aus dem Bottich. "Nur starrsinnige Nordmänner - ganz besonders einer! Wenn du meinst, dass du dich in Sicherheit bringen musst, dann tu das besser gleich, denn heute werde ich ganz gewiss noch ein Bad brauchen!" Sie weiß, dass seine Sticheleien nicht bitterernst gemeint sind, aber diesmal tut der sanfte Spott in seiner Stimme dennoch weh und er trifft sie mit einem gemeinen, kleinen Stechen an einer ziemlich verletzlichen Stelle. Und Raven - Ungeheuer fressen nackte kleine Mädchen .... Seine Worte hat sie noch so deutlich im Ohr, als hätten sie sich in ihre Gehörgänge eingebrannt. Er lacht nur über mich. Und er hat recht damit. "Du kannst aber ganz unbesorgt sein, das wird ganz bestimmt kein zweites Mal mehr passieren."

In ihrem Inneren brodeln Wut und Scham und noch ein ganz anderes Gefühl wild durcheinander und sie ist wirklich nahe dran, ihm den Lehmkübel mitsamt seinem Inhalt um die Ohren zu hauen. Am liebsten hätte sie ihn in eine Kröte verwandelt. >Wag es ja nicht.< "Nicht wagen?" funkelt sie und stellt verblüfft fest, dass sich so etwas wie ein widerstrebendes Lächeln in seinen Mundwinkeln zeigt. "Glaub bloß nicht, weil du lang wie ein Baum und größer bist als ich, dass ich ... dass du mir ... dass du ..." Einen Atemzug lang kann sie seinen sonnenwarmen Handrücken und seine Finger an ihrem wild jagenden Puls entlang streifen spüren und plötzlich weiß sie nicht einmal mehr, was sie gerade sagen wollte. Ihr Verstand scheint sich zusammen mit ihrer Wut schlagartig irgendwo ins Himmelsblau über ihr verflüchtigt zu haben und sie merkt noch nicht einmal, dass sie den Eimer fallen lässt. Erst die braune Lehmbrühe, die sich über ihre nackten Füße ergießt, reißt sie aus ihrer Starre und einen verlegen sprudelnden Wortschwall von ihren Lippen. "Oh ... uh ... verfluchter Mist .... was hab ich denn jetzt wieder gemacht ... so was blödes, verdammt ... " Sie lässt sich auf die Knie sinken und macht sich hektisch daran, den Lehm wieder zurück in den Kübel zu schaufeln und ihren herumstolpernden Herzschlag zu beruhigen. Als sie mitsamt dem Eimer und ziemlich geröteten Wangen wieder in die Höhe kommt, wartet in Caewlins Gesicht ein Lächeln. "Waffenstillstand? Das ... das muss ich mir erst noch überlegen", stottert sie, bemüht, eine möglichst grimmige Miene zu machen. Aber plötzlich muss sie selbst lächeln - über ihre lehmverschmierten Füße, über den windschiefen Hühnerschuppen, über ihre eigene Kratzbürstigkeit und überhaupt über alles und weil der Tag einfach zu schön ist, um ihn damit zu verbringen, sich gegenseitig an die Gurgel zu springen und das Leben schwer zu machen. "Ja", erwidert sie seinen Blick und berührt seltsam scheu seine Hand. "Waffenstillstand. Und jetzt lass uns diesen Matsch endlich hochschleppen."

Als sie zu viert endlich das ganze Rundboot leergeschöpft und allen Lehm hinauf zum Hühnerstall gekarrt haben, lassen sie sich im sonnengesprenkelten Schatten seiner Wände nieder und vertilgen den ganzen Korb voller Hefegebäck, dazu noch jede Menge Brot mit Butter, zwei Kannen Cofea, die Niniane im Baum aufgebrüht hat, und einen großen Krug wasserverdünnten Sommerwein. Shaerela und Brynden, die sich beim Herummatschen völlig verausgabt haben, liegen zusammengerollt schlummernd neben den Hunden im Schatten und schlafen immer noch friedlich, als sie selbst sich schon lange wieder an die Arbeit gemacht haben und damit beginnen, die Wände des Schuppens mit der Lehmpampe zu verstreichen. Cron und Caewlin opfern einige von den Dachschindeln, die sie geschnitten haben und die sich wunderbar als Kellen eignen, um die rotbraune Masse auf die geschälten Holzstämme zu klatschen und in die Ritzen zu stopfen, und dann alles mit Wasser glattzustreichen. Während die beiden langen Nordmänner sich die oberen Wandhälften vornehmen, knien Niniane und Raven auf dem inzwischen völlig lehmbeschmierten Boden und kümmern sich um die Baumstämme darunter und wieder geht es nicht ohne Gekicher und Gelächter ab, als sie feststellen, dass sich der weiche Lehmbrei hervorragend dafür eignet, die absonderlichsten Figuren daraus zu formen und die Wände damit zu verzieren. Als der Ildorel sich im Licht der sinkenden Sonne allmählich in leuchtendes Gold verwandelt, haben sie fast den ganzen Lehmbrei verarbeitet und alle Wände sind zwar reichlich holprig, aber immerhin von innen und außen einigermaßen dicht verputzt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 21. Apr. 2005, 23:37 Uhr
Die Sonne sinkt bereits, als sie im Hühnerstall endlich fertig werden und nicht nur die Wände glatt und braun mit Lehm verputzt sind, sondern auch noch der Boden festgestampft ist. Caewlin und Cron hatten das letzte Stück fehlender Giebelseite noch aus kürzeren Balken fertig hochgezogen und ihnen dann beim Verputzen geholfen, eine elende, schweißtreibende Arbeit, die den ganzen restlichen Tag angedauert hatte. Wenigstens waren die Kinder so gnädig gewesen, den sonnigen Nachmittag über im weichen Smaragdgras zu verschlafen, verdreckt wie kleine Erdmännchen. Cron und Caewlin räumen ihre Werkzeugkisten zusammen, waschen das Rundboot aus und versorgen die Pferde, während Raven und sie die Kinder einsammeln und die schmerzenden Füße ausruhen. Zu träge und zu erschöpft, um auch nur einen Finger zu rühren, geschweige denn aufzustehen und gefangen vom Frieden des sommerlichen Frühlingsabends lassen sie ihnen gönnerhaft den Vortritt, was das heiße Bad angeht und unterhalten sich leise inmitten eines Flecks gelber Schlüsselblumen, die ihre Blüten bereits schließen. Niniane, unfähig ihre Neugier oder ihre Zunge im Zaum zu halten, quetscht Raven mit sanfter Beharrlichkeit aus, was Caewlin denn nur zu ihr gesagt hätte, daß sie erst so wutschnaubend und dann so friedlich geworden war. Die junge Frau sieht ganz und gar hin und hergerissen aus und gibt nur widerwillig Auskunft... rückt aber schließlich doch mit der Sprache heraus und Niniane kichert hilflos. "DAS hat er gesagt?!" Raven nickt unglücklich und kaut nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum, ehe sie resigniert bemerkt, sie fände es überhaupt nicht komisch, wenn Caewlin sich über sie lustig mache.

"Oh Himmel! Ravenschatz... wenn ein Mann wie Caewlin anfängt, eine Frau zu necken, dann ist es höchste Zeit, daß sie die Flucht ergreift," erklärt Niniane immer noch lachend und nimmt Shaerela auf den Arm, während sie sich auf die Füße quält. "Komm, ich glaube, die Badewanne ist gerade frei geworden. Gehen wir uns waschen, wir haben es bitter nötig." Verdrießlich blickt sie an ihren lehmverkrusteten Beinen herab und fragt sich, wie sie all den Dreck jemals wieder losbringen soll. Dann fällt ihr Blick auf Brynden, der sich mit müden Augen an Ravens Beine klammert. "Und euch... Himmel, die Kinder sehen aus, als wären sie Schlammkobolde. Am besten, wir nehmen sie gleich mit ins Wasser. Na? Wollt ihr baden, ihr zwei?" Ein einstimmig gekrähtes "Jaaaa!" macht alle weiteren Fragen überflüssig und so verlassen sie den Pferdestall mit der heraufziehenden Abenddämmerung. Niniane läßt Shaerela kurz in Ravens Obhut, humpelt in den Baum und kommt gleich darauf mit einem Stapel frischer Kleidung und Handtücher für Raven, die Kinder und sich selbst und einem Korb mit verschiedenen Tiegeln, Flakons und Phiolen wieder. Sie kühlt das Wasser ab und dann schälen sie die Kinder und sich selbst aus ihren verdreckten, steiffleckigen Lumpen und tappen über die Steinstufen ins Wasser. Shaerela quietscht und rudert begeistert mit den Armen, als sie eingeweicht, eingeseift und dann gründlich gewaschen wird. Brynden, ganz der stolze Nordmann, läßt die Prozedur auf der obersten Stufe bis zum Bauch im Wasser sitzend mit stoischer Ruhe über sich ergehen, wendet aber kein einziges Mal seinen vorwurfsvollen Blick von Ravens Gesicht ab, nicht einmal, als sie ihm das lehmverschmierte Haar auswäscht. "Er zieht wahrscheinlich nur deshalb so ein Gesicht, weil das Wasser warm ist," bemerkt Niniane irgendwann. Raven und sie tauschen einen amüsierten Blick und erklären dann wie aus einem Mund. "Normander!" Brynden funkelt sie beide mit der ganzen Inbrunst eines Zweijährigen unter seinen silbrigen Stirnfransen hervor an und hat exakt denselben Gesichtsausdruck wie sein Vater, wenn er die Arme vor der Brust verschränkt und schnaubt: "Weiber!"

Angesichts seines Daseins als noch relativ kleiner und harmloser Nordmann, erntet er von den beiden Frauen allerdings nur einen liebevollen Klaps und zeigt sich wieder versöhnlich, als er "schwimmen" darf - unter Aufsicht auf den Stufen, wo er stehen kann. Raven nutzt die Gelegenheit, um sich selbst zu schrubben, bis ihre Haut glüht, und das lange Haar von Lehmspritzern und Staub zu befreien, und als sie fertig ist, reicht Niniane ihr Shaerela, um sich selbst zu waschen. Auf einer Stufe sitzend streckt sie ihr linkes Bein aus und begutachtet kritisch den Erfolg ihrer Bemühungen. Der ganze Schlamm ist zweifellos ab, doch der Lehm hat an ihren Füßen und Händen schwache rote Ränder hinterlassen, die sie vermutlich noch tagelang als sichtbare Spuren auf der Haut tragen würde. "Das kriegen wir nicht so schnell ab, fürchte ich." Raven sieht keinen Deut besser aus, sauber mit Sicherheit, aber genauso rotbefußt wie sie. Eine Weile bleiben sie noch im Becken, genießen die Hitze und das Nachlassen der Schmerzen in ihren Armen und Beinen, bis nur noch wohlige Mattigkeit zurückbleibt und selbst die Kinder träge und schläfrig geworden an ihnen kleben und unterhalten sich leise... aber als die ersten Sterne aufblinken, treibt der Hunger sie aus dem Wasser. Raven kümmert sich um Brynden und Niniane trocknet Shaerela ab, wickelt sie für die Nacht und zieht sie an, wobei die Kleine sich fast schon wegdöst, ehe sie sich selbst ein Handtuch um das nasse Haar windet und dann fröstelnd in ihre eigenen Kleider schlüpft. "Brauchst du noch Hilfe mit ihm? Sonst gehe ich hinein, es ist ziemlich kühl geworden und die kleine Maus muss ins Bett." Raven schüttelt nur den Kopf und steckt Bryndens Windelenden fest, bevor sie ihn in ein warmes Handtuch hüllt und ihm das nasse Haar trockenrubbelt. Dann erwidert sie leise, sie solle ruhig gehen, sie würde das schon schaffen, ziehe ihn nur noch an und käme dann nach. Niniane sieht sie lange an, aber es ist offensichtlich, daß Raven einen Moment allein sein will, also zuckt sie mit den Schultern und lächelt. "In Ordnung. Dann bis gleich."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 21. Apr. 2005, 23:59 Uhr
Raven rubbelt Brynden, der schon wieder mit schläfrigen Augen wegdöst, die Haare trocken, packt ihn warm in ein Handtuch und bleibt noch eine Weile auf der steinernen Umrandung des Beckens sitzen, das neben ihr Wärme und weiße Dampfschwaden in die Abendluft entlässt. Sie will nur eine Minute Ruhe haben, um nachdenken zu können, aber dann vergisst sie völlig die Zeit. Brynden ist schwer geworden in ihrem Arm und als sie nach einer Weile auf ihn hinunterblickt, merkt sie, dass er eingeschlafen ist, die Ärmchen um ihren Nacken geschlungen und den Kopf so vertrauensvoll und selig schlummernd in ihre warme Halsbeuge gebettet, dass Raven unwillkürlich lächeln muss und die Nase in seinem hellen, weichen Haar vergräbt. Er riecht nach feinem Badeöl, nach Wind und Lachen und der Wärme der Sonne, und er riecht so fantastisch gut, wie nur Kinder riechen können. "Kleiner Nordmann", murmelt sie zärtlich und streicht ihm das helle Silberhaar von den Wangen, die Schlaf und Abendlicht mit einem rosigen Schimmer überziehen. "Du bist wirklich ein Oberschurke, genau wie dein Vater. Es wird nicht viele Jahresläufe dauern, bis du genau so groß und schön und stark bist wie er, und ich möchte fast wetten, dass du später einmal reihenweise Mädchenherzen brechen wirst." Sie betrachtet die winzigen Sommersprossen, die sich auf seiner Stupsnase zusammendrängen, die langen Schatten, die seine Wimpern über die runden Wangen werfen, und stellt mit leiser Überraschung fest: "Du tust es ja jetzt schon .... schleichst dich hinterrücks an und bringst einen dazu, dich zu lieben und wenn man es endlich merkt, ist es schon viel zu spät und man will dich gar nicht mehr loswerden." Während ihr Blick sich über weißblonden Haarflaum hinweg auf den See hinausträumt, der wie geschmolzenes Gold in der Abendsonne glänzt, senkt sich ihre Stimme zu einem Flüstern. "Und auch das hast du mit deinem Vater gemein, du kleines Ungeheuer..."

Wie von selbst lösen sich Ravens Gedanken von dem kleinen Ungeheuer, das friedlich in ihren Armen schlummert, und wandern zu dem großen Ungeheuer, das sich in diesem Moment wohl irgendwo hinter ihr in der verwirrend verschlungenen Zimmerflucht von Ninianes Baum aufhält. Und so sehr sie es auch versucht und sich mit Händen und Füßen dagegen sträubt, sie kann die Gedanken an ihn nicht vertreiben und auch nicht dieses Gesicht, das sich immer wieder in den Vordergrund drängt, ein Gesicht mit eisklaren Augen und einer langen Narbe, eingerahmt von rotbraunem Haar, glänzend wie dunkle Kastanien. Raven kennt es schon so lange und so gut, und doch scheint es auf einmal ein anderes zu sein. Vielleicht sieht sie es aber auch nur mit anderen Augen. "Götter...", murmelt sie in das weiche, windverwehte Blondhaar an ihrem Hals und starrt auf den See hinaus. "Wann? Wann hat sich das alles so verändert? Wann ist das geschehen?"

Es ist noch nicht allzu lange her, dass sich alles in ihrem Inneren wie abgestorben angefühlt hat, leer und kalt und voller Bitterkeit, und sie hatte geglaubt, dass es nichts geben könnte, das diese abgrundtiefe Stille jemals wieder mit Leben füllen würde. Dass sich irgend etwas verändert, hatte sie anfangs nicht einmal gemerkt und wenn, hätte sie es nicht wahrhaben wollen. Und nun sitzt sie hier und fragt sich verwirrt, warum sie sich ständig wie der allerletzte Idiot benehmen muss, sobald dieser verflixte Nordmann in ihrer Nähe ist, warum ihr Herz wie verrückt hüpft und ihr die Knie weich werden, sobald er sie auch nur ansieht, warum sie weder ihre Gedanken noch ihre Augen mehr von ihm abwenden kann und die Vorstellung, diesen Baum und somit auch ihn irgendwann verlassen zu müssen, sie schier um den Verstand bringt. Sie hätte gehen können, hundertmal, tausendmal, aber sie ist noch immer hier und lauscht jede Nacht still auf seinen Atem. Und in manchen Nächten, wenn sie nicht schlafen kann, weil er ihr viel zu nah und doch zu fern ist, starrt sie dabei in die Dunkelheit und beschwört jenen Abend an der Quelle und jenes Gefühl wieder herauf, zutiefst verwirrt über die Heftigkeit, mit der ihr verräterischer Körper auf seinen reagiert hatte ... die lodernden Funken in den Tiefen seiner Augen, seinen wilden, schweren Herzschlag direkt an ihrem, den rauen Klang seiner Stimme, der ihr mittenhinein ins Rückgrat und von da aus kribbelnd in jede noch so winzige Nervenbahn geschossen ist, seinen Atem, seine Nähe, seinen Blick, seine warmen Finger auf ihrer Haut - und ihre Augen werden dunkel vor Sehnsucht und Schmerz. Caewlin.

"Götter.... warum gebt ihr mir solche Gedanken?" flüstert sie verzweifelt in Bryndens Haar. "Es ist nicht recht. Es ist einfach nicht recht .... und ich habe nicht das Recht, auch nur daran zu denken. Er ist nicht frei. Er ist es nicht und vielleicht wird er es auch nie sein ... sein Herz gehört Calyra, es gehört ihr noch immer und es wird ihr gehören bis in alle Ewigkeit." Sie weiß, dass Caewlin seine Frau geliebt hat, wie man einen anderen Menschen nur lieben kann, und dass er es noch immer tut, selbst nach ihrem Tod. "Sie ist sein Leben gewesen und nichts wird sie ihm ersetzen, niemand wird wohl jemals ihren Platz einnehmen können, in tausend Jahren nicht." Brynden an ihrer Schulter bewegt sich ein wenig, bettet sein rotwangiges Gesichtchen um und schläft dann friedlich weiter, eine kleine Faust fest um eine ihrer Haarsträhnen geschlossen. "Deine Mutter war eine wunderbare Frau, das war sie wirklich. Und sie hat dich sehr geliebt." Ravens Stimme flüstert so leise und so traurig wie der Wind, der schimmernde, weißgoldene Blütenschauer über das stille Seeufer treibt. "Sie war so schön, mit ihrem silbernen Haar und ihren strahlenden Augen, und sie konnte so wundervoll singen. Jeder hat sie gemocht. Sie hat alle Herzen im Sturm erobert und jeder, der sie kannte, musste sie einfach gern haben, weil sie etwas Besonderes war. Ich habe sie auch sehr gemocht. Und auch bewundert und ... ich habe mir manches Mal gewünscht, ich wäre so wie sie, weißt du ... so freundlich, so fröhlich und so liebenswert ... und kam mir neben ihr doch immer irgendwie klein und schäbig vor, wie ein ... ja, wie ein struppiges, zotteliges Hochlandpony neben einem prächtig glänzenden Vollblut ...so ungefähr jedenfalls."

Der Wind vom See her hat aufgefrischt, lässt ihr Haar flattern und trägt einen Vorgeschmack auf die kalte, sternklare Nacht mit sich. Er hatte Calyra mit ihrer seharimgleichen Schönheit, wie kannst du auch nur eine Sekunde lang annehmen, dass Caewlin ... dass er ... dass er ... ja, was? Dass ein Mann wie er auch nur einen Gedanken an ein dummes, kleines, unerfahrenes Ding verschwendet? Ungeheuer fressen nackte kleine Mädchen .... Hat ein Bad eigentlich immer solche Wirkung auf dich? Ich frage nur vorsichtshalber, denn wenn ja, dann sag mir doch bescheid, bevor du das nächste nimmst und ich bringe mich rechtzeitig in Sicherheit. Noch immer hört sie den spöttischen Ton seiner Stimme in sich brennen und auch Ninianes vorhin so scherzhaft geäußerte Worte können nicht darüber hinweg täuschen. Trotzdem... da war etwas in seiner Stimme, ein Unterton, nein, ein Vibrieren, ein Summen ... ein Echo ... irgendetwas .... ach, sei nicht albern, das bildest du dir alles nur ein. Da war nichts. Gar nichts. Er hat dich nur aufgezogen, also rede dir ja nichts ein. Kein Mann wie Caewlin würde auch nur einen zweiten Blick an jemanden wie dich vergeuden, also solltest du das alles einfach vergessen. Schnell vergessen. Und er braucht es auch nicht zu wissen. "Und wir gehen jetzt nach drinnen, kleiner Mann", murmelt sie in Bryndens blonden Schopf und versucht, auf die Beine zu kommen, ohne ihn dabei aufzuwecken. "Hier draußen wird es wirklich zu kalt."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 24. Apr. 2005, 17:46 Uhr
Als Niniane mit der schon halb schlafenden Shaerela im Arm in den Baum kommt, steigt ihr der Duft nach frischaufgebrühtem Cofea und aufgewärmten Eintopf vom Vortag in die Nase, vermischt sich mit dem rauchigen Geruch des Birkenholzfeuers in den Kaminen und den zarteren Düften von Sandelholz und Pflaumenblüten, die ihrem Heim immer anhaften. Ihr Magen knurrt vernehmlich, doch sie bringt zuerst ihre Tochter nach oben. Shaerela ist so müde, daß sie nicht einmal gestillt werden will und nach mehreren Versuchen, sie dazu zu bringen, wenigstens noch ein wenig zu trinken, gibt Niniane auf und lässt die Kleine schlafen. Als sie nach unten kommt, findet sie Cron, sauber, frisch rasiert und mit noch leicht feuchtem Haar im Kaminzimmer vor. Die bauchige Steingutkanne mit Cofea, vier Becher, Rahm und ein paar kleine Stückchen Zucker stehen schon wartend bereit und sie lächelt dankbar, doch als er ihr eine Tasse des dampfenden Gebräus in die Hand drückt, spürt sie einen Moment seine Finger auf ihren, rauh wie die Haut eines Hais. Sie stellt ihren Becher rasch beiseite und nimmt seine Hände genauer in Augenschein. Von der Arbeit mit den sperrigen Balken ist die Haut seiner Handflächen und Finger mit Harzflecken übersät und voller Holzsplitter und winziger Rindenstückchen, die er sich eingerissen hat. "Setz dich und gib mir deine Hände." Sie entzündet zwei der dicken Kerzen auf dem Zedernholztischchen und ist gut eine halbe Stunde mit Nadel und Pinzette beschäftigt, um seine armen Finger zu entholzen. Während sie sich leise unterhalten, kommt Caewlin herein, angelockt vom Duft des brodelnden Eintopfs in der Küche, doch ehe er vollends an ihnen vorbei kann, hält Niniane ihn auf. "Nein, bleib gleich hier. Deine Finger sehen bestimmt keinen Deut besser aus. Erst wird entsplittert, dann gegessen. Außerdem hat Cron Cofea gemacht. Möchtest du?"

Sie schenkt ihm einen Becher ein, ohne die Antwort abzuwarten und Caewlin läßt sich mit einem leisen Ächzen in den Sessel neben Cron fallen. Sie holt die Flasche Feuerwein aus der Vorratskammer, tupft etwas davon auf ein weiches Tuch und reibt damit vorsichtig die zahllosen Kratzer, Risse und kleinen Wunden an Crons Händen ein, ehe sie Caewlins Linker mit der Pinzette zu Leibe rückt und seine Finger dann der gleichen Säuberungsprozedur unterzieht. Sie ist gerade dabei einen gut drei Sekhel langen, blutigen Splitter aus seinem Daumenballen zu ziehen, als Raven hereinkommt, das Ende ihres langen Haares zusammengerafft in der einen Hand, einen grobzinkigen Holzkamm in der anderen, das Gesicht voll entnervter Verzweiflung. "Brynden schläft selig. Aber hier ist nichts mehr zu machen," erklärt sie seufzend. "Bitte abschneiden." Die Köpfe der beiden Männer rucken herum und Niniane hält Caewlins Hand fest. "Verflixt noch mal! Halt still. Wie abschneiden, min Ija?" Fragt sie über die Schulter. Dann fällt ihr Blick auf das dicke wirre  Haarbüschel in Ravens Hand, das anklagend erhoben wird. "Aber nicht... nicht kurz oder? Caewlin, ich kann die Wunden nicht desinfizieren, wenn du eine Faust machst." Er blickt schuldbewußt zu ihr auf und öffnet langsam und mit einem leisen, schmerzvollen Zischlaut die Finger. Sie reibt auch seine Hand mit einem feuerweingetränkten Tuch ab und wendet sich dann an Raven, die sich inzwischen versorgt mit einer Schale Cofea - sie trinkt ihn schwarz und bitter, wie die beiden Nordmänner, worüber Niniane immer noch nur den Kopf schütteln kann - auf die andere Seite des Kamins verzogen hat. "Ich hole nur rasch eine Schere und ein paar Hornkämme und Ravenschatz... " Sie mißt die schiere Länge des Haars der jungen Frau skeptisch mit den Augen. "Du äh... wirst dich auf einen Stuhl stellen müssen." Gesagt getan: Cron holt Raven einen der Stühle aus dem Esszimmer, während Niniane ein Ledertuch, eine geschärfte Schere und ein paar Haarnadeln und Kämme zum Aufstecken besorgt. Dann wird Raven unter den amüsierten Blicken der beiden Männer am Kamin auf den Stuhl gestellt, das Ledertuch hinter ihr ausgebreitet und ihr Haar ausgekämmt soweit die langen Flechten das zulassen.

Die letzte Elle ist leider so gründlich verknotet, daß sie wohl wirklich nicht mehr zu retten ist. Als Niniane der jungen Frau jedoch zeigt, wie viel sie abschneiden muss, reißt Raven entsetzt die Augen auf. "Auf keinen Fall," protestiert sie. "Höchstens die Hälfte!"
"Dann ist die andere Hälfte immer noch verfilzt. Raven, ich kann nicht weniger abschneiden und sieh mal, auch so wären sie immer noch lange genug."
"Zwei Handspannen wenigstens weniger."
"Eine."
"Eineinhalb!"
"Also schön, eineinhalb. Aber beschwer dich hinterher nicht, wenn du sie immer noch nicht durchkämmen kannst!"
Entschlossen macht sie sich ans Werk, kürzt Ravens Haar zunächst einmal um das ausgehandelte Stück und beginnt dann, die Spitzen sorgfältig auf eine Länge zu schneiden. Mit jedem Sekhel, der zu Boden fällt wie weicher, dunkler Daunenflaum, wird Ravens Jammern lauter, sie könne sie doch nicht kahl scheren, schließlich sei sie kein Schaf, das sei alles schon viiiieeel mehr als ausgemacht, die Knoten seien doch alle längst weg und überhaupt. "Gar nicht wahr! Dein Haar geht immer noch bis über die Hüften, also beschwer dich nicht. Und jetzt ist es wieder weich und glatt wie Seide." Niniane streicht sacht über eine gewellte Strähne und begutachtet dann einen Moment zufrieden ihr Werk, ehe sie Ravens Kehrseite von Haarschnipseln befreit und dann hastig das Ledertuch mit den Spuren ihrer Schnitterarbeit zusammenschlägt. Cron, der ihren Blick aufgefangen hat, nimmt es ihr ab und läßt es unauffällig verschwinden, während Raven vom Stuhl steigt und Caewlin in seinem Sessel sichtlich gegen ein Lachen ankämpfen muss. "So. Möchte noch irgendjemand ein Furunkel geöffnet haben, zur Ader gelassen werden oder einen brandigen Zeh versorgt wissen? Nein? Gut. Dann gehen wir jetzt essen. Der Eintopf ist hoffentlich noch nicht angebrannt."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 25. Apr. 2005, 23:13 Uhr
Caewlin spürt jeden einzelnen Muskel seines Körpers , als er auf nackten Füßen, ein Handtuch um die Hüften und eines im Nacken, dampfend von einem heißen Bad in seinen Raum im Baum zurückkehrt. Schon aus dem steingefassten Becken zu steigen war fast über seine Kräfte gegangen... am liebsten wäre er einfach in dem heißen Wasser liegen geblieben. Am nächsten Morgen hätte Niniane ihm seinetwegen das gargekochte Fleisch von den Knochen lösen und ihn als Suppeneinlage verwenden können, wenn er sich nur nicht mehr bewegen müsste. Die Frauen hatten ihnen gnädigerweise zuerst die heiße Quelle überlassen, er hatte sie am Stall oben in der Abendsonne sitzen sehen, als Cron und er ihre Werkzeuge zusammengepackt und das Hühnerhaus für heute Hühnerhaus hatten sein lassen. Niniane hatte geredet und gelacht, Raven zweifelnd vor sich hingestarrt und er muss kein Hellseher sein, um zu wissen, worüber sie sich unterhalten hatten. Seine nackten Füße hinterlassen feuchte Abdrücke auf Ninianes glänzend dunklen Bodendielen und Crons ebenso, der genauso nass und erhitzt und mindestens ebenso erledigt wie er, die Treppe nach oben nimmt. Besser als schlammige Lehmstiefelspuren allemal. Im ersten Moment glaubt er, er würde es nicht einmal mehr schaffen, die Hand an zierlichen Türknauf zu legen. Seine Arme sind Schwer wie Blei, seine Finger pochen taub, die überanstrengten Muskeln zittern vor Erschöpfung, und die Hitze des Bades hatte seine Beine in weiche Butter verwandelt. Zweimal hebt er die Linke und seine steifen, schmerzenden Finger, stachlig und blutig von zahllosen Spreißeln und Splittern und großzügig mit Harzflecken verklebt, gleiten jedes Mal wieder an glattem Holz ab. Verdammt, musste alles in diesem Haus rund und verschlungen blattförmig und so verflixt zerbrechlich sein?

Als er es endlich schafft, die Tür zu öffnen und ins dämmrige Halbdunkel tritt, fällt sein Blick auf ein paar von Ravens Sachen - kleine, belanglose Gegenstände. Er rührt sie nicht an, aber er betrachtet sie lange... ein Schnitzmesser auf der Kommode, eines ihrer Hemden über einer Stuhllehne, ihr Kamm und ein Bronzespiegel auf der Zedernholztruhe neben ihrer Seite des Bettes, ein Lederband von der Art, wie sie es immer um das Ende ihres langen Zopfes schlingt... und er fragt sich, wohin sich eigentlich die unbefangene Vertrautheit zwischen ihnen verabschiedet hat. Dieser Raum ist voll davon. Sie teilen ihn sich seit Wochen und haben beide längst aufgehört, hier Gast zu sein. Sie schlafen in einem Bett, verdammt noch mal, auch wenn es ein großes Bett ist. >Raven und du, ihr hättet in den vergangenen zwei Monden jeden Tag nach Hause zurückkehren können, aber ihr seid alle beide immer noch hier und das nur aus einem einzigen Grund. < Die alte Raven, die Raven, die er so gut gekannt, mit der er so unbefangen hatte umgehen können, ist immer noch da, aber gleichzeitig scheint auch eine Fremde an ihre Stelle getreten zu sein... eine Frau, der es schon gelingt, ihn zu provozieren, indem sie einfach nur neben ihm steht und dieselbe Luft atmet. Hatte Cron recht? War sie noch hier, weil er hier war? Er sucht sich frische Kleidung heraus, zieht sich an und schürt das Feuer im Kamin. Das fahle Blau  der anbrechenden Nacht breitet sich bereits im Zimmer aus, also öffnet er das Fenster, um Luft und Licht hereinzulassen und von draußen dringen gedämpft die Stimmen der beiden Frauen, das Quietschen zweier Kinder und das Plätschern von Wasser an sein Ohr... offenbar nehmen sie alle gerade ein Bad in Ninianes heißer Quelle. >Wenn du meinst, dass du dich in Sicherheit bringen musst, dann tu das besser gleich, denn heute werde ich ganz gewiss noch ein Bad brauchen!< Für einen Moment ist er versucht, sich aus dem Fenster zu lehnen und hinauszurufen, ob sie meine, hier drinnen sei er sicher genug, aber dann lässt er es sein und tritt zurück.

Aus seinem nassen Haar rinnt ihm ein eiskalter Tropfen über den Nacken den Rücken hinunter und er schüttelt den Kopf. Wassertropfen sprühen in alle Richtungen davon, doch seine Gedanken lassen sich nicht so leicht abschütteln. Raven. Als sie sein Friedensangebot angenommen hatte, hatte die Luft zwischen ihnen vor Spannung geknistert wie kurz vor einem Sommergewitter, während er stumm in ihr Gesicht geblickt und sie seinen Blick ebenso stumm erwidert hatte. Danach hatte er sie nicht mehr aufgezogen und sie hatte ihn nicht mehr angefaucht. Sie hatten überhaupt nicht mehr gesprochen und sich kaum noch angesehen... aber Seite an Seite mit Niniane und Cron bis zum Abend gearbeitet... und die zerrissenen Bruchstücke seines Wesen, die er seit Wochen scharfkantig und kalt wie Glasscherben in seinem Inneren getragen hat, waren in Bewegung geraten und hatten sich auf eine Weise wieder zusammengesetzt, wie es nicht hätte geschehen dürfen... er hatte versucht, es irgendwie zu verhindern, es nicht zuzulassen, aber ebenso gut hätte er versuchen können, nicht mehr zu atmen. Vor dem Fenster wird es still und Caewlin hebt lauschend den Kopf und sieht sich um, als würde ihm eben erst bewusst, dass er in Gedanken versunken, einen schwarzen Wollstrumpf am Fuß, den anderen noch in der Hand, am Bettrand sitzt... seit wer weiß wie lange. Sein erwartungsvoll knurrender Magen erinnert ihn daran, dass er aufstehen und besser etwas essbares suchen sollte, bevor er vor Müdigkeit einfach zur Seite kippen und einschlafen würde, also quält er sich seufzend hoch, kämmt das inzwischen trockene Haar aus und bindet es im Nacken zusammen. Sein Blick fällt aus dem Fenster, gerade als er sich umwendet, um das Zimmer zu verlassen und er bleibt stehen. Die Sonne ist längst gesunken, aber die durchbrochenen Bronzelaternen in der gewaltigen Baumkrone werfen bernsteingelben Schimmer über die Lichtung und er sieht Raven allein draußen am Rand der heißen Quellen sitzen. Sie hat dem Baum halb den Rücken zugewandt und hält Brynden im Arm, der sich auf ihrem Schoß zusammengerollt hat, als wolle er dort einschlafen, flüstert in sein Haar und wiegt ihn sacht.

Er kann nicht hören, was sie spricht, hört nur das an- und abschwellende Murmeln ihres Tonfalls und die leise, drängende, herzzerreißende Sanftheit in ihrer Stimme. Sie trifft ihn mitten ins Herz. Er sieht sie an und hat Mühe zu atmen. Ihr langes Haar fällt ihr dunkel, nass und glänzend über den Rücken und ringelt sich auf dem Wurzelstrang, auf dem sie sitzt, zu schimmernden Seidenschlangen. Er kann ihr Gesicht nur von der Seite sehen, die hohe, sanfte Rundung ihrer Wange, die Spitze ihrer geraden Nase, den Schwung ihres Kinns und ihn überläuft ein kalter Schauer. Sie hat ihren weichen, vollen Mund leicht geöffnet und die Augen halb geschlossen und murmelt immer noch in Bryndens Ohr. Caewlin atmet langsam ein und aus, dann weicht er zurück, bis er die Wand in seinem Rücken spürt. Die kühle Nachtwind verursacht ihm plötzlich Schmerzen auf der Haut und jeder Herzschlag hämmert schwer und hart in seiner Brust. Verlangen... es wäre so leicht gewesen, es auf seine Einsamkeit zu schieben, auf die Leere in seinem Inneren, auf ihre Verletzlichkeit oder die alte Freundschaft zwischen ihnen. Es wäre noch leichter gewesen, es auf die Tatsache abzuwälzen, dass er einfach zu lange keine Frau mehr gehabt hat, dass es ebenso gut irgendeine Frau tun würde, in deren Bett er seine Einsamkeit betäuben und Trost finden könnte, wenigstens für eine Nacht oder eine kleine Weile. Aber unter dem Verlangen liegt noch etwas anderes und tief in seinem Inneren weiß er es. Eine Frau zu lieben bedeutet etwas anderes, als sie nur in seinem Bett haben zu wollen und selbst in seinem berechnenden, kaltschnäuzigen Bewusstsein als eingebildetes, grausames und brutales Ungeheuer sind das zwei verschiedene Dinge. Brynden hat einen Arm um Ravens Nacken geschlungen und sein Gesicht an ihrer Halsbeuge vergraben und Caewlin fragt sich, wie er so fühlen kann und dabei doch geglaubt hat, sich vormachen zu können, überhaupt nichts für sie zu empfinden.

Er wagt es nicht zu atmen, während das Gefühl in seinem Inneren wächst und wächst, aber als er nach einer halben Ewigkeit wieder aus dem Fenster sieht, ist sie fort. Brynden. Sie bringt Brynden ins Bett. Hierher. Er verlässt den Raum gerade noch rechtzeitig und will durch das Kaminzimmer in Richtung Küche, als Niniane ihn abfängt. Irgendwo hinter ihm geht leise eine Tür. Wenn er geblieben wäre, hätte Raven in seinem Gesicht und in seinen Augen die Wahrheit gesehen, und er erinnert sich nur zu gut an den Ausdruck panisch verwirrten Entsetzens in ihrem Blick, als er sie an jenem Abend beinahe geküsst hätte. Im Kaminzimmer entfernt Niniane ihm geduldig alle Spieße und Splitter aus der Hand und den Fingern, eine langwierige und schmerzhafte Prozedur, doch er hätte es wahrscheinlich nicht einmal gemerkt, wenn sie ihm mit einem weißglühenden Schürhaken irgendwelche Muster eingebrannt hätte. Dann kommt Raven herein, ohne Brynden, dafür mit gelöstem Haar, dessen Enden sie der Waldläuferin unter die Nase hält. Caewlin lehnt sich zurück, bis seine Augen in den tiefen Schatten verschwinden, die der Kaminsims und das flackernde Feuer werfen - vollkommen überflüssigerweise, denn Raven sieht ihn nicht einmal an. Allerdings mahnt Niniane ihn ungeduldig, gefälligst stillzuhalten, während sie gleichzeitig mit ihr spricht und ihm dabei einen Splitter entfernt, so lang wie ein verdammter Zahnstocher. Als jedoch die Worte "abschneiden" und "kurz" fallen, wäre es beinahe er gewesen, der protestiert hätte. Stattdessen ballt er die Hand zur Faust und Niniane schimpft unbarmherzig. Er öffnet gehorsam seine Finger, lässt sich das Blut abtupfen und die zahllosen Kratzer einreiben und beobachtet dann still im Schutz der Schatten, wie Raven auf einen Stuhl gestellt und ihr die verfilzten Haarflechten abgeschnitten werden. Das Gezeter, das sie dabei veranstaltet, während sie um jeden Fingerbreit feilscht, bringt allerdings auch ihn zum Grinsen und als sie einmal nahe daran ist, mit dem Fuß aufzustampfen, muss er sich lange und fest auf die Zunge beißen, um nicht zu lachen. In diesem Moment weiß er, dass er sie zum Leben braucht, wie die Erde, die Sonne und die Luft zum atmen. Es gibt sie, und es muss sie in seinem Leben geben.

Ihr Haar ist von einem satten, warmen Braun und sehr lang und dicht, selbst jetzt, als Niniane es um gut eine halbe Elle gekürzt hat. In diesem Licht wirkt es fast schwarz, aber wenn die Sonne darauf fällt, mischen sich tausend Schattierungen von Honigblond und Kupfergold darunter... er hat schon früher nie verstanden, warum sie so etwas schönes ständig in diesem schmucklosen Zopf versteckt. Ninianes Stimme reißt ihn unsanft aus seinen Gedanken. >So. Möchte noch irgendjemand ein Furunkel geöffnet haben, zur Ader gelassen werden oder einen brandigen Zeh versorgt wissen? Nein? Gut. Dann gehen wir jetzt essen. Der Eintopf ist hoffentlich noch nicht angebrannt.< "Du verstehst es wirklich, einem das Essen schmackhaft zu machen," erwidert er, als er aufsteht, aber in seinen Mundwinkeln sieht es verdächtig nach einem halben Lächeln aus... obwohl ihm ganz und gar nicht nach Lächeln zumute ist. Cron klappert im Esszimmer bereits vernehmlich mit dem gußeisernen Schmorkessel herum. "Furunkel sind leider aus und brandige Zehen habe ich gerade auch nicht im Angebot." Raven geht ein paar Schritt vor ihnen her, damit beschäftigt, sich im Gehen einen Zopf zu flechten, dessen Ende ihr noch immer über die Hüften baumelt und verschwindet dann in der Küche, um ein paar Löffel und Schalen zu holen - doch als sein Blick auf ihren Hintern in den weichen Lederhosen fällt, fügt er so leise grollend hinzu, dass vermutlich noch nicht einmal Niniane ihn hört. "Aber das mit dem Aderlass überlege ich mir vielleicht." Als sie am Tisch sitzen und sich herausstellt, dass der Eintopf, der überwiegend aus schwarzen Nudeln, allen möglichen Gemüseresten und zartem, dunklem Eichhörnchenfleisch besteht, nicht angebrannt ist, hat sie ihn immer noch kein einziges Mal angesehen.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 26. Apr. 2005, 18:18 Uhr
Niniane erweist sich als ziemlich harter Brocken und sie feilschen um die Haarlänge, die abgeschnitten werden soll, wie zwei zänkische Marktweiber um die Fischpreise, bis sie sich schließlich knurrend auf ein halbwegs annehmbares Maß einigen. Während die Waldläuferin auf Knien und mit Kamm und Schere bewaffnet hinter ihr auf dem Boden herumrutscht, äugt Raven misstrauisch über die Schulter und versucht einen Blick auf die herabfallenden Haarschnipsel zu erhaschen, wird aber jedes Mal nur mit einem entnervten "Nicht zappeln, sonst wird das alles krumm und schief" zum Stillhalten verdonnert. Also steht sie reglos wie ein lebendes Standbild auf dem Holzstuhl, anklagende Empörung in den dunklen Augen, stößt bei jedem Ratschen der Schere abgrundtiefe Seufzer und den ein oder anderen halblaut gemurmelten Fluch aus und lässt ihren Blick im Zimmer umher wandern, während Strähne um Strähne Ninianes geschärften Klingen zum Opfer fällt ... über das honigfarbene Holz der Wände und Decke, über Tisch und Stühle, ein prasselndes Kaminfeuer, zwei dösende Hunde und Crons belustigtes Grinsen. Nur die tiefen Schatten neben dem Kamin, in die sich Caewlin zurückgezogen hat, lässt sie aus und versucht angestrengt, nicht in diese Richtung zu sehen, obwohl ihr Blick gerade von dieser Stelle wie magisch angezogen wird. Aus den Augenwinkeln kann sie nur seine Hand auf der Lehne und ein Paar langer, in weiches Leder gehüllter Beine erspähen, die aus dem Sessel ragen und in ihrer ganzen Haltung auf ziemliche Erschöpfung hindeuten, doch alles andere bleibt im flackernden Dämmerlicht verborgen.

Raven kann sein Gesicht nicht erkennen und doch weiß sie, dass er zu ihr herüberschaut und sie kann die Luft im Raum summen spüren, als wäre sie mit knisternden Funken aufgeladen. Obwohl sie nichts lieber täte, als ihn anzusehen, zwingt sie sich dazu, ihre Augen von diesem lichtlosen Schattentümpel neben dem Kamin fernzuhalten, aus dem die seinen sie beobachten. Sie hat Angst, sich zu verraten und zu viel von dem preiszugeben, was in ihrem Inneren vor sich geht, Angst, dass er all die Gefühle entdecken könnte, die sich in ihren Augen wiederspiegeln - und doch regt sich gleichzeitig in ihr leise und verzweifelt der Wunsch, sie ihm zeigen zu können. Aber sie wagt es nicht, weil sie fürchtet, dass er vielleicht nur lachen würde oder sie damit unbedacht auch noch das letzte bisschen ihrer alten Vertrautheit zerstören würde, das sie verbindet. Und genau diese Vertrautheit ist es, die sie mit einem Mal so sehr vermisst, dass es ihr in der Kehle schmerzt, all die kleinen, derben wie liebevollen Scherze, ihre wortlose Verständigung, seine knochenbrecherischen Umarmungen ... und dennoch weiß sie, dass sich all das nicht mehr zurückholen lässt. Nicht mehr so wie früher. Dieses Früher gibt es nicht mehr, es hat sich verändert und ist einer Spannung gewichen, die ihr das Gefühl gibt, sich mitten in einem brodelnden Vulkan zu befinden. Außerdem macht es sie nervös, inmitten des Zimmers auf einem Stuhl herumzustehen und sich von drei Augenpaaren angestarrt zu wissen, und sie hat Mühe, die flatternden Finger stillzuhalten. Sie ist froh, als Niniane ihre Arbeit schließlich für beendet erklärt, ihr die Haarflusen vom Hinterteil kehrt und sie endlich von diesem zum Präsentierteller umfunktionierten Stuhl heruntersteigen kann.

Als sie dann im Esszimmer den Tisch decken und sich dort niederlassen, schleppt Cron den Suppenkessel aus der Küche herüber und schöpft ihnen aus einer eisernen Kelle die Schalen mit dampfendem Eintopf voll, den sie zusammen mit frisch gerösteten Brotscheiben heißhungrig verdrücken. Während des Essens kann Niniane es sich nicht verkneifen, immer wieder halb skeptische, halb belustigte Blicke unter den Tisch auf ihre eigenen und Ravens bloße Füße zu werfen und die leuchtend rotbraunen Ränder und Flecken, die der Lehm hinterlassen hat, scheinen sie sichtlich zu amüsieren. Ihre kichernde Bemerkung, so würden sie sich beim kommenden Inarifest wenigstens die Hennafarbe für die roten Fußsohlen sparen, lässt Cron mit blitzenden Augen aufsehen und ihr ein entrüstetes Schnauben zukommen. Raven dagegen erstarrt bei ihren Worten und ihr Löffel bleibt auf dem Weg zum Mund zitternd in der Luft hängen. Angestrengt starrt sie in ihren Teller, als gäbe es nichts wichtigeres auf der Welt als den Eintopf darin, während ihr ein kalter Schauer über den Rücken rieselt und sie den Löffel wieder sinken lässt. Inarifest? Rotfüße? Götter... Vorsichtshalber geht sie gar nicht erst auf die Scherze der Waldläuferin ein und tut so, als betreffe sie das alles überhaupt nicht, obwohl sie weiß, dass sie in diesem Jahr zum ersten Mal, seit sie in der Stadt lebt, tatsächlich allein und mit rotbemalten Füßen als Zeichen ihrer Ungebundenheit zum Fest gehen könnte. Und Niniane scheint das ebenfalls zu wissen, denn sie will mit ihren Sticheleien gar nicht wieder aufhören und klappt den Mund erst wieder zu, als sie ihr einen bitterbösen Blick zuwirft. Das amüsierte Grinsen verschwindet dennoch nicht aus ihren Mundwinkeln und Raven hätte ihr am liebsten trotzig die Zunge herausgestreckt. Bloß nicht. Keine zehn Pferde werden mich zu diesem Fest in die Stadt kriegen. Dann flattert ihr allerdings Ninianes bittender Augenaufschlag zu, als die Waldläuferin hinterlistig und mit zuckersüßer Stimme meint, wenn sie sowieso nicht in die Stadt will, könne sie ja an diesem Tag auch gleich auf die Kinder aufpassen, damit sie selbst sich beim Feiern amüsieren können. Raven seufzt und nickt ergeben, aber dann zupft die leise Frage in ihrem Geist, wen Niniane wohl mit "wir" gemeint hat und lässt sie einen vorsichtigen Seitenblick auf Caewlin werfen, der ungerührt in seiner Suppenschale herumlöffelt. Was ... was er wohl tun wird? Er wird sicher in die Stadt gehen. Er bräuchte ja nur einmal quer über den Marktplatz laufen und hätte prompt zehn Mädels an jedem Finger kleben ...

Als der Kessel leergegessen und kein einziger Brocken Eintopf mehr darin ist, macht sich träge Erschöpfung am Tisch breit und sie sind allesamt so faul und müde, dass sie sich kaum aufraffen können, das schmutzige Geschirr in die Küche zurückzubringen. Eine Weile plätschert das Gespräch noch über den leeren Eisenkessel und ein Meer von Brotkrümeln hinweg, aber allmählich wird es still im Raum. Die Kerzen und das Kaminfeuer sind beinahe schon heruntergebrannt, als von einer hungrigen Shaerela aus dem Schlafgemach über ihnen leises Gewimmer zu hören ist und Niniane mit entschuldigenden Blicken verschwindet. Cron scheint hin und her gerissen zwischen dem Wunsch ihr zu folgen und der lästigen Pflicht, sich des Chaos in Küche und Esszimmer anzunehmen, aber Raven erbarmt sich und scheucht ihn mit einer wedelnden Handbewegung davon. "Lass nur, ich mach das schon." Sie schleppt den Kessel in die Küche und stapelt die leeren Schalen zusammen, während sie unterdessen immer wieder zu Caewlin hinüberblickt, der aussieht, als würde er gleich wegdösen und vom Stuhl kippen, aber trotzdem keine Anstalten macht, aufzustehen. Schließlich stellt sie den Geschirrstapel beiseite, geht zu ihm und berührt ihn sanft an der Schulter. "Willst du nicht schlafen gehen? Du siehst so schrecklich müde aus." Er nickt und sie spürt ihr Herz schneller schlagen, als sie sich einen Moment gegen seine Schulter lehnt und ihre Augen sich begegnen. "Ich räume das hier noch auf und decke die Feuer für die Nacht zu."

Als sie den Tisch abgeräumt, das Geschirr gespült und weggestellt, die Klappen am Küchenherd geschlossen und die Kerzen gelöscht hat und alle Kamine für die Nacht abgedeckt sind, liegen der Baum und seine Bewohner schon in tiefem Schlaf. Raven ist nicht weniger müde und erschöpft und sie spürt in Armen und Beinen jeden einzelnen Muskel schmerzen, als sie im Dunkeln unter die Felle auf ihrem Lager krabbelt, aber einschlafen kann sie trotzdem nicht. Irgendwann, es muss fast schon Morgen sein, ertappt sie sich dabei, dass sie zusammengerollt auf der Seite liegt und Caewlins schlafendes Gesicht betrachtet, das im schwachen Licht des untergehenden Mondes gerade noch als blasser Schemen zu erahnen ist. Es ist so nah, dass sie nur die Hand ein wenig ausstrecken bräuchte, um es berühren zu können. Und doch scheint sich jedes Mal, wenn sie es versucht, plötzlich ein endlos weiter Abgrund aufzutun, den sie nicht überwinden kann und ihre Finger krallen sich nur in den kühlen, glatten Stoff der Laken. Dann finden sie doch seine Wange und berühren sein Haar, irgendwo zwischen Herzklopfen und Dunkelheit, und sie bleiben dort liegen, warm und bebend und wie eine scheue Frage, bis ihr schließlich doch die Augen zufallen. "Es ist alles wahr, was ich dir an den Kopf geworfen habe", murmelt sie leise in ihr Kissen. "Caewlin von Sturmende. Jedes verdammte Wort. Sie nennen dich einen narbengesichtigen Riesen. Einen Bluthund. Und Schlimmeres. Dein Herz ist ein rabenschwarzer Eisklumpen und du bist ein arroganter Scheißkerl. Und ein Ungeheuer. Und du bist der Mann, den ich liebe. Ganz genau so." Im Grunde spricht sie nur etwas aus, was sie schon lange weiß und in ihrem Inneren bewahrt, aber die Erkenntnis erschreckt sie nun doch. "Ich sollte mich besser ersäufen ... aber erst muss ich schlafen."
Raven kommt es vor, als wäre sie gerade erst eingedöst, als graues Licht und nervtötendes Vogelgezwitscher in den Raum dringen und sich hinterhältig daran machen, sie aus dem Schlaf zu reißen. Sie murmelt nur einige verschlafene "Hm's" und "Mmpf's", zieht sich die Decke über den Kopf und während aus der Küche schon das aufreizend fröhliche Geklapper von Geschirr und das Quäken zweier hungriger Kinder dringt, die lautstark nach Frühstück verlangen, schlummert sie friedlich weiter.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 27. Apr. 2005, 00:03 Uhr
Cron erwacht am nächsten Morgen, das Gesicht in einer seidenweichen Flut roter Haare vergraben, die Rundung von Ninianes Schulter dicht unter seinem Mund und ihr Körper warm und glatt der ganzen Länge nach an seinem. Die Sonne steigt eben über den Horizont, taucht den Rand der Welt in rote Glut und überzieht den östlichen Himmel mit rosigen Tönen, verwandelt den Waldsaum um die Lichtung in ein flammendes Meer brennender Baumgipfel und haucht den dunklen, stillen Wassern des Ildorel einen Purpurschimmer über. Er ist zu wach, um wirklich weiterzuschlafen und zu müde, um die Augen endgültig zu öffnen, also bleibt er in angenehmem Halbschlaf liegen und zieht sie noch ein wenig fester an sich. Sie hatten sich trotz ihrer beider Schläfrigkeit die halbe Nacht über Caewlin und Raven, Calyra und das Dilemma der beiden unterhalten. Er hatte leise von seinem Gespräch mit dem Sturmender im halbfertigen Hühnerschuppen erzählt und Niniane hatte ihrerseits von dem wenigen berichtet, das Raven preisgegeben hatte, aber was immer bei ihrer halbgemurmelten Diskussion herumgekommen war, herausgekommen war dabei gar nichts. Sie sind beide voller Mitgefühl für die Lage ihrer Freunde, aber sie wollen und dürfen sich nicht einmischen, jedenfalls nicht mehr, als Nan es ohnehin schon getan hat. Kein Ersatzbettzeug, von wegen! Und Raven in Unterwäsche zum Lehmstampfen zu schleppen... ganz zu schweigen von ihrer Aktion beim Abendessen, sie erst mit Rotfüßen aufzuziehen und sie dann zum Kinderhüten zu verdonnern.

Caewlin hatte kein Wort dazu gesagt, aber Cron hatte sein Gesicht beobachtet und er kennt ihn lange und gut genug, um zu wissen, was in diesem Augenblick in ihm vorgegangen war - das war kein Wink mehr mit dem Zaunpfahl, sondern mit einem ganzen Sägewerk gewesen und Caewlin weiß das vermutlich sehr wohl. Die Gefühle der beiden füreinander sind nicht das Problem... eine Hundertschaft Blinder könnte sehen, wie es zwischen ihnen steht. Sie lieben sich, ein anderes Wort dafür gibt es nicht.
"Ach zum Kuckuck!" Er wälzt sich herum und Niniane protestiert mit einem leisen Unmutslaut. "Tut mir leid, Cariad. Mir ist nur gerade der Gedanke gekommen, dass Caewlin und Raven beide so blind sind, dass sie ein Wildschwein in einer Schneewehe nicht fänden, selbst wenn es ihnen ins Gesicht grunzt!" Er küsst ihre Schulter und überlässt die beiden Blinden ihrem Schicksal, um sich der weitaus angenehmeren Aufgabe zu widmen, seine Frau zu wecken.
Eine Stunde später sind sie mit den Kindern... Brynden war auf nackten Füßen in die Küche getappt und hatte schmollend verkündet, sein Vater und "Wäiven" würden noch schlafen... im Esszimmer und löffeln süßen Haferbrei und weichgekochte Eier mit frischem Brot (allerdings ohne Butter, denn die ist aus.). Das heißt, sie löffeln abwechselnd in aufgerissene Mündchen, er hat Brynden auf dem Schoß und sie Shaerela und sind froh, wenn sie selbst hin und wieder wenigstens einen Schluck Cofea aus ihren Bechern ergattern, bis die kleinen Monster abgefertigt sind und sich in Kleinkindergespräche vertieft unter den Tisch verziehen, wo sie sich hingebungsvoll der Aufgabe widmen, Spielkistenchaos anzurichten.

Danach teilen sie sich in stillem Einverständnis die Reste von honigsüßem Brei und trockenem Brot. Weder von Raven, noch von Caewlin ist auch nur eine Spur zu sehen oder zu hören, während des ganzen Morgenmahls nicht, und sie hüten sich, nachzusehen, wo sie stecken. Vermutlich schlafen sie einfach nur, wir haben ja den kleinen Quälgeist versorgt und sie waren gestern beide erledigt und bestimmt die halbe Nacht damit beschäftigt, sich die Köpfe zu zerbrechen. Das ist zwar ins Blaue geraten, aber er kann sich noch gut daran erinnern, wie miserabel er in der Zeit geschlafen hatte, in der er sich nach Niniane krank sehnte. Nach dem Frühstück räumt sie die Küche auf und er geht mit den Hunden nach draußen und versorgt die Pferde, begutachtet eine Weile den Hühnerschuppen mit seinen Lehmwänden und dem noch nackten Dachgebälk und als er vom Stall zurückkommt, "hilft" Brynden ihm, sämtliche Klingenwaffen, die auch nur im Baum zu finden sind, zusammenzutragen und im Kaminzimmer zu versammeln. Shaerela wird unter Protestgeschrei ins Esszimmer verbannt und Caewlins Sohn muss ihr nach einem mittleren Trotzanfall, er wäre schon ein großer Junge, er könne doch helfen, folgen. Zwischen Kurzschwertern, Langschwertern, zahllosen Jagddolchen, Hirschfängern, einem Morgenstern und einem Zweihänder aus Drachenstahl kann er beim besten Willen keine neugierigen, kleinen Kinderfinger brauchen. Zu dem ansehnlichen Waffenarsenal, das er zusammengetragen hat, holt er sich noch Öl, Wetzsteine, Arniser Kalk und weiche, alte Lederlappen und macht sich dann ans Werk.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 27. Apr. 2005, 19:04 Uhr
Die Sonne scheint durch die blattförmigen Fensterscheiben, als Caewlin die Augen aufschlägt, fächert lange, blassgoldene Strahlen wie dünne Finger über den Boden und malt helle Kringel auf glänzend dunkles Holz. Betäubt vor Erschöpfung hatte er geschlafen wie ein Toter... und zwar ziemlich lange, wenn man nach dem Stand der Sonne gehen will - er will nicht. Das viele Feuerholzhacken der vergangenen Siebentage hatte seinen von der langen Zeit der Genesung geschwächten Körper zwar wieder halbwegs in Form gebracht und er hat auch beinahe wieder sein altes Gewicht erreicht, aber sich einen ganzen Tag lang mit schweren Balken und sperrigen Baumstämmen herumzuquälen, das Holz zu schälen, es zurecht zu sägen, einzupassen, umherzuwuchten und zu hämmern, hätte ihn auch zu seinen besten Zeiten erledigt. Noch jetzt spürt er eine träge Schwere in seinem Körper, einen ziehenden Vorgeschmack auf einen allmächtigen Muskelkater in Schultern und Armen und eingehüllt in die Wärme samtweicher Pelze und einer daunengefüllten Bettdecke, verspürt er nicht geringste Lust, auch nur einen Finger zu rühren. In das angenehme, schläfrige Gefühl, nicht ganz bei Bewusstsein zu sein und trotzdem alles um sich her klar wahrzunehmen, schleicht sich Verwirrung und die sichere Gewissheit, dass ihn etwas geweckt hat, er aber beim besten Willen nicht sagen kann, was. Eben hatte er noch einen Traum... einen seltsamen, aber angenehmen Traum. Auch wenn Raven ihn darin schon wieder als Ungeheuer und... was hatte sie noch gesagt? Scheißkerl... beschimpft hat, ihre Stimme war dabei so warm und schwer, wie die Luft in einer Sommernacht und so sanft, als spräche sie immer noch mit Brynden. Was hatte sie noch gesagt? Sie hatte noch mehr gesagt, er weiß es, aber er kann sich nicht erinnern, denn in seinem Traum waren plötzlich Schmetterlinge auf seinem Mund, in seinem Haar, an seiner Wange... wispernde, hauchzarte Berührungen seidenweicher Flügel.
Dann fällt es ihm ein.

Er war aufgewacht, als die Dämmerung fahl und perlgrau über den östlichen Himmel gekrochen war und ihre Hand lag an seiner Wange. Seltsamerweise hatte er sich überhaupt nicht darüber gewundert, sondern sie so selbstverständlich, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, in seine genommen, unter seine Wange gelegt, sich ihr zugewandt und prompt weitergeschlafen. Jetzt liegt ihre Hand immer noch in seiner. Er hebt den Kopf vom Kissen und blickt in ihr schlafendes Gesicht. Zwischen ihren Brauen ist eine steile, kleine Falten, als träume sie und könne sich nicht entscheiden, ob es ein guter oder ein schlechter Traum ist, aber ihr Mund ist entspannt. Vorsichtig legt er ihre schmale Hand neben sie auf das Kissen und schiebt eine Haarsträhne zur Seite, die auf ihren dunklen Wimpern liegt. Sie bewegt sich sacht, murmelt etwas im Schlaf und dreht sich um, aber sie wacht nicht auf... dennoch genügt es, um den Bann zu brechen und alles, was er von ihr sieht, erscheint ihm wieder so vollkommen unerreichbar, dass er den Verstand zu verlieren glaubt. Mit einem halblauten Knurren stößt er den angehaltenem Atem aus und steht auf. Er kleidet sich an, doch ehe er hinausgeht, dreht er sich noch einmal um. Die Decke ist ihr bis über die Schultern gerutscht, aber als er sich über sie beugt und sie nach oben zieht, wird sie ihm nur mit einem unwilligen "Mmpf!" aus den Fingern gerupft und Raven verschwindet völlig unter ihr. Caewlin unterdrückt ein Lachen, auch wenn es einen leise bitteren Unterton hat. "Das hat man davon, wenn man einmal seine guten Manieren hervorholt..." Er schließt leise die Tür hinter sich und verlässt den Baum, um sich an den heißen Quellen zu waschen und die kratzigen Bartstoppeln abzunehmen, wobei ihm der nicht ganz angenehme Gedanke kommt, dass er, der mit Schmelzbädern und Eislöchern aufgewachsen war, langsam aber sicher vom Luxus ständig verfügbaren, heißen Wassers anhängig zu werden droht. Langsam wirst du alt. Irgendwann in diesem bittersüßen Frühling, war unbemerkt sein Namenstag gekommen und gegangen und es ist ihm nur recht, dass es niemandem aufgefallen war.

Als er in den Baum zurückkommt, stirbt im Esszimmer unter Ninianes beruhigendem Gemurmel gerade in steinerweichenden Schluchzern das Trotzgeschrei zweier Kinder und die Waldläuferin wirft ihm einen dankbaren Blick zu, als er ihr ohne weitere Fragen seinen Sohn abnimmt und bringt ihm dann wortlos Haferbrei, Honig, Brot und einen Becher Malzbier und stellt alles vor ihm ab. "Danke." Sie mustert sein Gesicht, die Schatten unter seinen Augen... und vermutlich auch die Schatten in ihnen und sieht einen Moment lang aus, als wolle sie den Kopf schütteln. Niniane gegenüber die wachsende Verzweiflung in seinem Inneren verbergen zu wollen ist ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, also versucht er es erst gar nicht. Seine Miene genügt allerdings, um klarzustellen, dass er nicht darüber reden wird. Er leert mit Brynden in friedlicher Eintracht eine Schale Haferbrei, auch wenn sein Sohn immer wieder spekulative Blicke in Richtung Kaminzimmer wirft, wo Cron sich auf einer alten Lederdecke mit sämtlichen Waffen ausgebreitet hat und Schwerter reinigt. "Nej, min Skrollan," er dreht Bryndens Gesicht sanft zurück in Richtung Tisch, Schüssel und Löffel. "Alles zu seiner Zeit. Tante Nan hat recht, das ist noch nichts für dich." Brynden schnaubt missmutig, aber Caewlin ist mit seinen Gedanken zu weit fort, um sich darüber zu amüsieren. 'Tante Niniane' pustet gerade sanft auf die feuchten Locken im Nacken ihrer Tochter, deren rotgeweinte Wangen noch von Tränenspuren verziert werden, aber sie sieht ihn immer noch enervierend ernst an, nicht im Geringsten beeindruckt von seinem finsteren Gesicht. "Nein," warnt er. "Sag nichts." Sie schnaubt nur, eine perfekte Imitation von Bryndens vernehmlichem Ausatmen eben und er ist sicher, so etwas wie Belustigung in diesen unergründlichen Goldaugen zu finden. "Oder habe ich irgendetwas angestellt?"  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 27. Apr. 2005, 20:56 Uhr
Caewlin schiebt seine leere Schüssel von sich und stellt Brynden auf den Boden, der sich, alle Waffen und Cron vergessend, daran macht, Stelze das Fell zu zausen. Der Arduner Wolfshund rollt sich auf den Rücken, streckt alle vier Pfoten in die Luft, lässt theatralisch seine lange Zunge aus dem Maul hängen und brummt entzückt. Shaerela, abgelenkt von ihrem Vater, folgt Brynden auf allen Vieren und krabbelt dabei respektlos über Akira hinweg, die überrascht den Kopf hebt, dann aber nur gelassen hechelt. >Sag nichts. Oder habe ich irgendetwas angestellt?< Ninianes Mundwinkel zucken amüsiert und sie kann sich gerade noch davon abhalten, zu sagen: Nein, das Problem ist eher, dass du nichts  angestellt hast. Sie blickt in seine verschlossene Miene und schweigt einen Moment, dann dreht sie sich ein wenig und wendet sich ihm zu. Am liebsten hätte sie ihn geschüttelt und gleichzeitig tröstend in den Arm genommen. Auf seiner Wange zuckt ein Muskel. Misch dich nicht ein, Cariad, hört sie Crons sanfte, aber bestimmte Stimme in ihren Gedanken und presst die Lippen zusammen. Ach zum Henker damit!

"Du liebst sie," stellt sie leise fest. Caewlins Gesicht bleibt so unbewegt wie eine Bronzemaske, aber er atmet langsam und tief aus und seine Zähne sind so fest zusammengebissen, dass sich die Haut über seinen Kiefermuskeln spannt. "Und sie ist nur deshalb so ekelhaft zu dir, weil sie ebenso empfindet. Sie liebt dich, Caewlin. Ich weiß, du hast das Gefühl, du dürftest nicht so empfinden, wegen Calyra und all dem, was geschehen ist, aber Caewlin... Cal... sie hätte gewollt, dass du um sie trauerst und sie schrecklich vermisst - und das hast du getan – aber genauso hätte sie sich gewünscht, dass du wieder liebst. Und wenn sie es einer Frau gewünscht hätte, an deiner Seite zu sein, dann Raven, denn sie hat sie sehr gemocht. Ihr beide redet euch fest ein, der Abgrund zwischen euch wäre so breit wie ihr Schatten, aber in Wahrheit habt ihr nur Angst. Elende Feiglinge, alle beide. Du hast Angst, weil du schon einmal alles verloren hast und es nicht ertragen könntest, das noch einmal durchzumachen und Raven... Raven hat überhaupt Angst. Aber es bist nicht du, vor dem sie Angst hat. Ihre Erfahrungen mit Männern beschränken sich darauf, mit vierzehn Jahren brutal misshandelt und dann von einem durchaus sanften, aber leider völlig vergeistigten Druiden ignoriert zu werden. Und jetzt kommst du."

Er starrt sie völlig entgeistert an und sie kann sehen, wie schwer er schluckt. Mit was immer er gerechnet hatte, mit derart offenen Worten wohl kaum. Sie streicht ihm mit der Hand über den Nacken. Seine Haut ist kalt, seine Muskeln so angespannt, dass sie das Gefühl hat, eine Marmorstatue zu berühren. "Ach Caewlin... Üblicherweise gebe ich niemandem Ratschläge, der liebeskrank ist, denn mir ist selbst das Herz oft genug gebrochen worden." Sie fasst die Aufschläge seines Hemdes und schüttelt ihn sacht. "Aber dieses eine Mal will ich dir sagen, was du tun musst. Als erstes passt du in der Inarinacht sehr gut auf sie auf, damit sie nicht am Ende noch auf dumme Gedanken kommt, sich die Füße rot färbt, in die Stadt geht und dann vor lauter Verzweiflung ihr Herz bricht und deines dazu." Sie schüttelt ihn noch einmal. "Und wenn du klug bist, dann packst du Raven bei der erstbesten Gelegenheit an den Haaren und schleifst sie zum nächsten Priester... und sieh dabei ja nicht mich an, denn sie würde nie wieder ein Wort mit mir reden... bevor jemand anderes auf den Gedanken kommt. Sie wird zetern wie ein Fischweib, aber das musst du ignorieren. Deinen Stolz wirst du vielleicht hintanstellen und ihren Mund wirst du vermutlich zuhalten müssen. Und zieh stahlgepanzerte Stiefel an, aber tu es, hörst du? Und lass dich nicht beirren."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 28. Apr. 2005, 11:25 Uhr
>Du liebst sie.< Caewlin erstarrt zwei, drei Herzschläge lang, dann stößt er langsam den angehaltenen Atem aus. "Aye," erwidert er leise. "Götter steht mir bei, das tue ich."  >Und sie ist nur deshalb so ekelhaft zu dir, weil sie ebenso empfindet. Sie liebt dich, Caewlin.< Sein Kopf zuckt zurück, als hätte sie ihn geschlagen. Eine schier endlosen Augenblick starrt er sie an, blinzelt, kommt dann zu dem Schluss, sich verhört zu haben und weiß tief in seinem Inneren doch, dass es die Wahrheit ist. "Was?!" Niniane nickt nur und fährt unbarmherzig fort. >Ich weiß, du hast das Gefühl, du dürftest nicht so empfinden, wegen Calyra und all dem, was geschehen ist, aber Caewlin... Cal... sie hätte gewollt, dass du um sie trauerst und sie schrecklich vermisst - und das hast du getan - aber genauso hätte sie sich gewünscht, dass du wieder liebst. Und wenn sie es einer Frau gewünscht hätte, an deiner Seite zu sein, dann Raven, denn sie hat sie sehr gemocht. Ihr beide redet euch fest ein, der Abgrund zwischen euch wäre so breit wie ihr Schatten, aber in Wahrheit habt ihr nur Angst. Elende Feiglinge, alle beide. Du hast Angst, weil du schon einmal alles verloren hast und es nicht ertragen könntest, das noch einmal durchzumachen und Raven... < Ihre Art, ihm die Meinung zu sagen, ist zwar sehr viel sanfter als die Crons, aber kein bisschen weniger unverblümt und für einen wilden Moment lang hätte er beinahe gelacht. Ungeheuer. Scheißkerl. Blöder Ochse. Feigling. Langsam reicht es wirklich... Aber noch bevor er auch nur den Mund aufmachen kann, um sich endlich einmal über die ganzen Beleidigungen zu beschweren, die ihm ständig an den Kopf geworfen werden, spricht die Waldläuferin schon weiter und was sie sagt, lässt ihn schlagartig alles andere vergessen. >Raven hat überhaupt Angst. Aber es bist nicht du, vor dem sie Angst hat. Ihre Erfahrungen mit Männern beschränken sich darauf, mit vierzehn Jahren brutal misshandelt und dann von einem durchaus sanften, aber leider völlig vergeistigten Druiden ignoriert zu werden. Und jetzt kommst du.<

Ihr Blick liegt todernst und golden auf ihm und er spürt unvermittelt Wut in sich aufsteigen. Vierzehn Jahre alt, ein halbes Kind... Götter! Wer... wann...wo? Und vor allem: war der Bastard noch am Leben? Er würgt den plötzlichen Zorn hinunter und zwingt sich, ruhig zu atmen. Caewlin ist immer noch damit beschäftigt, das zu verdauen und kommt nicht einmal dazu, nachzuhaken oder irgendwelche Schlüsse zu ziehen, geschweige denn, Fragen zu stellen, denn Niniane packt ihn am Hemdkragen und rüttelt daran, als wolle sie ihn wieder zur Besinnung bringen - ihre Hand auf seinem Nacken hat er nicht einmal gespürt. Kaum hat sie das halbwegs erreicht, schon kommt der nächste Schock. >Aber dieses eine Mal will ich dir sagen, was du tun musst. Als erstes passt du in der Inarinacht sehr gut auf sie auf, damit sie nicht am Ende noch auf dumme Gedanken kommt, sich die Füße rot färbt, in die Stadt geht und dann vor lauter Verzweiflung ihr Herz bricht und deines dazu.< Raven als Rotfuß? Am Inarifest in der Stadt? In diesen Hosen... und ohne ihn? Allmächtige Götter... ein Alptraum! Er ist gerade dabei, sich zu schwören, dass das niemals geschehen wird und wenn es das letzte ist, was er tun würde, als die nächsten Worte der Waldläuferin ihn erreichen. >Und wenn du klug bist, dann packst du Raven bei der erstbesten Gelegenheit an den Haaren und schleifst sie zum nächsten Priester... und sieh dabei ja nicht mich an, denn sie würde nie wieder ein Wort mit mir reden... bevor jemand anderes auf den Gedanken kommt. Sie wird zetern wie ein Fischweib, aber das musst du ignorieren. Deinen Stolz wirst du vielleicht hintanstellen und ihren Mund wirst du vermutlich zuhalten müssen. Und zieh stahlgepanzerte Stiefel an, aber tu es, hörst du? Und lass dich nicht beirren.< Er klappt den Mund auf und wieder zu wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich soll... was? Dann steht er so heftig auf, dass sein Stuhl nach hinten kippt und sich polternd der Schwerkraft ergibt. "Ich soll... was tun?" Zischt er.

"Kannst du mir vielleicht verraten, wie ich das anstellen soll? Raven kastriert mich, bevor ich sie auch nur in der Nähe eines Tempels habe, verdammt noch mal! Sie würde ein Geschrei veranstalten, dass halb Talyra zusammenläuft! Mit dir kein Wort mehr reden? Ha! Was glaubst du, dass sie mit mir anstellt? Sie würde kratzen, beißen, treten und spucken, den Priester beschimpfen, den Tempel entweihen und sie wäre...."er verstummt und sein unleugbar schockierter Gesichtsausdruck wandelt sich nach einem Moment nachdenklichen Zögerns in etwas ganz anderes... "meine Frau." Beendet er leise den Satz. Die Worte fühlen sich so richtig an, dass er sie noch einmal wiederholt. "Meine Frau." Er sieht sich im Zimmer um, als erwarte er von irgendwo her Beistand, sein Blick schweift über die spielenden Kinder, die ihn bei seinem Ausbruch einen Moment erschrocken gemustert, sich dann aber wieder den Hunden zugewandt hatten, über Niniane, die ihn sardonisch anlächelt, über den Tisch, die Orchideen an den verschlungenen Wänden... über alles und nichts und plötzlich ist auch nur noch wichtig, wo zur Hölle eigentlich seine Stiefel sind. "Stolz hintanstellen und Mund zuhalten. Aye, das kann ich. Mich nicht beirren lassen kann ich auch. Ich werde diesen Tag nicht überleben, aber was soll's." Er dreht sich um, lässt eine völlig verwirrt dreinblickende Niniane zurück und eilt in den Vorraum, findet seine Stiefel, schlüpft hinein und verschwindet in Richtung Pferdestall. Es dauert jedoch nicht lange, bis er mit dem Grauen zurückkommt, gesattelt und gezäumt, und wieder im Baum erscheint. Er schaufelt seine Geldkatze voller Münzen, was schwierig ist, weil er sie, einhändig wie er ist, mit den Zähnen festhalten und zuzerren muss, schlingt seinen Waffengurt um, eilt mit drei, vier großen Schritten ins Kaminzimmer und sucht aus dem Waffenchaos am Boden seinen Katzbalger und einen Dolch (nur für alle Fälle), den er dem protestierenden Cron vor der Nase wegschnappt.

Niniane, Shaerela auf dem Arm, eilt hinter ihm her, aber er ignoriert ihre verwunderten Fragen und ihre Bemühungen, ihn zu irgendeiner Aussage zu bewegen, völlig, bis er schließlich mit angehaltenem Atem vor der Tür zu seinem und Ravens Raum ankommt. Dahinter ist noch immer nicht das allerkleinste Geräusch zu hören. "Ich sollte diesen Baum auf der Stelle verlassen. Ich sollte mich an meinen Stolz erinnern, wenn er schon das einzige ist, was ich noch habe. Man könnte meinen, ich sollte mittlerweile gelernt haben, dass Liebe nur Leid bringt. Sie ist für Träumer und Narren! Mit Sicherheit ist es nicht das, was ich tue, denn ich stehe hier und bin im Begriff, den allergrößten Narren überhaupt aus mir zu machen. Wenn du nicht Recht hast, Niniane, bei allen Göttern, wenn du nicht Recht hast, drehe ich dir den Hals um! Und jetzt geh aus dem Weg und wünsch mir Glück." Er holt noch einmal tief Luft und drückt die Tür auf. Lass dich nicht beirren... also schön. In Ordnung. Alles oder nichts und nach dir die Sintflut. Er hat Glück, denn Raven ist zumindest auf den Beinen, so dass er sie nicht schlaftrunken unter der Bettdecke hervorzerren muss. Allerdings scheint sie auch gerade erst aufgestanden zu sein, denn sie ist im Nachthemd und eben dabei, ihr Haar auszukämmen. Als sie die Tür auffliegen hört, fährt sie verwirrt herum, und was immer sie in seinem Gesicht sehen kann, es scheint alarmierend genug zu sein, dass sie erschrocken einen Schritt vor ihm zurückweicht und das Nachthemd so fest am Kragen zusammenhält, dass ein Schnürband reißt. Er hätte gern gesagt: Vertrau mir. Er hätte gern gesagt: Am Anfang habe ich nicht gewagt, auf irgendetwas zu hoffen und jetzt hoffe ich auf alles. Ich habe nie beabsichtigt, dich zu lieben und doch ist es so, ich liebe dich. Er hätte sicherlich sagen sollen: Ich will, dass du meine Frau wirst, jetzt, für immer. Heute noch. Ich weiß, es ist verrückt, aber es ist richtiger als alles, was ich je getan habe. Alles, was er sagt ist: "Du kommst mit mir."

Er lässt ihr keine Chance, zum Widerspruch, geschweige denn, sich irgendwelche Kleidung anzuziehen - wenn er ihr dazu die Gelegenheit gäbe und am Ende noch den Grund nennen würde, wäre sie ohnehin über alle Berge, ehe sie ihn auch nur ausreden hätte lassen... und geredet hat er jetzt auch genug. Ihr Nachthemd wird genügen müssen, aber immerhin es ist ein Kleid. Er nimmt ihre Hand und der Kamm fliegt in hohem Bogen davon, als er sie mit einem Ruck herum und dann hinter sich her, durch den Vorraum und aus dem Baum zerrt. Sie stolpert erschrocken bald hinter ihm, bald neben ihm und verwirrte Fragen prasseln auf ihn ein, aber er reagiert auf keine einzige davon, nicht einmal auf Ninianes hervorsprudelnde Proteste, die endlich aus ihrer schockierten Starre erwacht. Als Raven den gesattelten Grauen sieht, stemmt sie sich gegen ihn, aber er wirft ihr nur ein unbußfertiges Grinsen zu, setzt sie in den Sattel und steigt hinter ihr auf, ehe sie auf der anderen Seite hektisch wieder hinunterkrabbeln und flüchten kann. Der hohe Vorderzwiesel drückt sie eng an ihn und sein freier Arm legt sich um ihre Mitte. "Du bleibst hier. Hier bei mir, wo du hingehörst." Sie erstarrt und dreht den Kopf soweit, dass sie ihn über ihre Schulter hinweg vollkommen entgeistert ansehen kann. Der Graue, mit einem untrüglichen Gespür für die Stimmungen seines Reiters gesegnet, macht einen Satz vorwärts und ist über die halbe Lichtung davon, ehe Caewlin ihn abfangen kann und er kollernd und schnaubend seitwärts geht. Raven starrt ihn immer noch an, als hätte er etwas völlig idiotisches von sich gegeben, auch wenn sie sich an seinen Arm klammert, als gelte es das liebe Leben - er kann beim besten Willen nicht sagen, ob das an den Kapriolen des verdammten Pferdes oder an ihm und seinen Worten liegt. Dann gibt er dem Hengst die Zügel frei und der Graue donnert den Saumpfad in Richtung Nordtor entlang. "Mach den Mund zu, Liebling. Du brauchst nachher noch ein wenig Luft, um Ja zu sagen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 29. Apr. 2005, 23:36 Uhr
Wenn sie auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätte, was sie mit ihren Worten ausgelöst hat, dann hätte sie tunlichst ihren Mund gehalten. Diesen und sehr ähnliche Sätze betet Niniane sich wie eine Litanei vor, während sie im Baum auf und abtigert wie ein eingesperrter Panther (ein gereizter, eingesperrter Panther) und auf die Rückkehr von Caewlin und Raven wartet. Kaum hatte sie nämlich ihren zwar offenen, aber wie sie meint auch durchaus wohlmeinenden Ratschlag - einen Ratschlag für die Zukunft, bitteschön! - ausgesprochen, war der verrückte Sturmender schnurstracks in sein und Ravens Zimmer gerauscht und hatte die Ärmste buchstäblich vom Fleck weg und im Nachthemd obendrein (schon wieder!) hinter sich hergezerrt, wie einen Mehlsack auf sein Pferd geworfen und war mit ihr in Richtung Talyra davon gerauscht. Männer! Normander! Blutrünstige, raubgierige Bestien, allesamt – herrje, was hatte sie da angerichtet? Sicher, sie hat jedes Wort so gemeint, wie sie es gesagt hatte, aber sie hatte doch nicht gesagt sofort! Nein, du hast ihm nur zur erstbesten Gelegenheit geraten und er hat sie auch ganz brav sogleich beim Schopf ergriffen! Als sie seine Absicht durchschaut hatte, und das war spät genug geschehen, hatte sie noch versucht, ihn aufzuhalten - ein lächerliches Unterfangen angesichts von Siebeneinhalb Fuß festem Fleisch und Muskeln und ihren eigenen bescheidenen 120 Pfund. Aber immerhin, sie hatte es versucht und auf ihn eingeredet wie auf eine kranke Kuh, aber Caewlin hatte vermutlich nicht einmal bemerkt, dass sie überhaupt noch da war. "Caewlin!" Hatte sie erschrocken gerufen und wie oft weiß sie gar nicht mehr. Sie weiß nur noch, dass sie hastig ihre Röcke gerafft und ihm von einer Seite auf die andere hopsend gefolgt war. "Caewlin! Halt, warte! Caewlin, Stopp! Caewlin, das kannst du nicht machen! Caewlin... Raven, er will... Caewlin, so habe ich das aber nicht gemeint! Es ist ja durchaus löblich, dass du dir meinen schwesterlichen Rat zu Herzen nimmst, aber um Himmels Willen, so doch nicht! Caewlin, bitte, lass sie doch wenigstens etwas anziehen... Caewlin!" Und dann... tja, dann hatte sie nur noch dem davon stürmenden Grauen nachsehen und ein Stoßgebet an alle Zwölf Götter schicken können. Cron, alarmiert von dem plötzlichen Aufruhr, war aus dem Kaminzimmer gekommen, neben sie getreten und ihrem Blick gefolgt, Waffenöl an den Fingern und einen fleckigen Leinenlappen noch in der Hand. "Cariad... warum reitet Caewlin mit Raven im Nachthemd davon?"

"Äh... tja, nun. Ich schätze, das was sie da gerade tun nennt man... Durchbrennen."
"Hast du dich etwa eingemischt?"
"Also, das kann man so eigentlich nicht sagen... ich äh..."
"Nan!" Hatte er gestöhnt. "Was um aller Götter Liebe Willen hast du getan?"
Sie erzählt es ihm mit leisem Unbehagen, schließlich hatte sie versprochen, sich nicht einzumischen und beobachtet mit leisem Erstaunen, wie seine Miene die erstaunlichsten Wandlungen durchläuft. Von Besorgnis, über Unglauben bis hin zu offener Belustigung und schließlich sichtlicher Zufriedenheit. Dann hatte er mit den Schultern gezuckt, als sei es das Selbstverständlichste auf Rohas weitem Rund, eine Frau im Nachtgewand zum Traualtar zu schleppen, ohne sie vorher zu fragen, ob sie denn will, geschweige denn ihr gegenüber auch nur einmal das Wort Liebe auch nur in den Mund genommen zu haben. "Sehr schön," hatte er gemurmelt und war drauf und dran gewesen, schnurstracks zu seinem Waffenarsenal zurückzukehren, um ungerührt mit der Arbeit fortzufahren, doch sie hatte ihn wild gestikulierend aufgehalten. "Sehr schön? Was soll denn das heißen, sehr schön?"
"Nan, erzähl mir nicht, du wüsstest nicht, dass sie ihn liebt. Die Sonne geht in ihrem Gesicht auf, wenn er den Raum betritt."
"Ja schon, aber..." Sie war verstummt, hatte ihn zweifelnd angesehen und sich dann gefragt, warum sie sich eigentlich jetzt Sorgen macht. Schließlich hatte sie Caewlin genau das geraten: alle ihre Proteste zu ignorieren und sie einfach... nun ja. Zu ihrem Glück zu zwingen, wie auch immer. "Stimmt," hatte sie schließlich zugegeben und vage gelächelt. "Also dann... sehr schön."
Seitdem marschiert sie schwankend zwischen Besorgnis und Erleichterung in ihrem Baum umher, putzt das Esszimmer und die Küche, um ihre Hände irgendwie beschäftigt zu halten und überlegt fieberhaft, wann und vor allem in welcher Stimmung... und in welchem Zustand... die beiden wieder am Baum auftauchen würden, während Cron in aller Seelenruhe seinen Waffenreinigungsmarathon beendet und das Kaminzimmer räumt. Selbst als sie ihm rät:"Räum lieber alle scharfen und spitzen Gegenstände sicherheitshalber außer Reichweite," lacht er nur. Sie essen zu Mittag, aber Niniane hat keinen rechten Hunger und das, obwohl es gebratene Moorhühner mit gebackenen Kartoffeln und frischen Pilzen gibt, und dann heißt es einfach nur warten.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 01. Mai 2005, 00:17 Uhr
Auf den Straßen Talyras herrscht das übliche, lärmende Treiben wie stets unmittelbar vor dem Inarifest und summende Aufregung. Der Graue, der es gar nicht schätzt, irgendetwas vor sich zu haben, ganz egal ob ein anderes Pferd oder sonst etwas, drängt energisch voran, sobald sich auch nur eine Lücke in dem bunten Gewimmel auf der breiten Nordstraße auftut. Wildgewordene Hausfrauen schrubben in geschürzten Röcken die Plätze vor ihren Häusern, während Tempeldiener und Bauern mit Ochsengespannen und Eselskarren die letzten Fuhren Feuerholz für die morgige Nacht in die Stadt schaffen und sich Hausbesitzer auf wackligen Leitern abmühen, Sonnensegel und Laternenketten über die schmalen Gassen zu spannen. Raven hat kein Auge für das fröhliche Chaos ringsum, sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, wütend auf ihn zu sein, ihm hin und wieder kleine Ellenbogenstöße zu verpassen und ihm eine Strafpredigt nach der anderen zu halten, was er insgeheim sehr erheiternd findet, auch wenn er sich bemüht, ein möglichst zerknirschtes Gesicht zu machen. Als es jedoch kurz vor dem Nordtor aus ihr herausbricht: >Irgendwann wirst du es bereuen und mich in die finstersten Höllen schicken wollen. Wie ... wie ... wie kannst du nur? Irgend jemand muss dir dein Gehirn zu den Ohren herausgezogen haben - wie könntest du sonst so etwas wie mich freiwillig heiraten wollen? Und ich blödes Weibsbild sag auch noch ja dazu. Mmmpf, hör sofort auf, so bescheuert zu grinsen - ich seh das genau!<, lacht er fast lautlos, aber so sehr, dass er kaum noch Luft bekommt. >Heiraten .... allmächtige Götter, was ist nur in dich gefahren!< schimpft Raven verzweifelt weiter. >Du ahnst ja nicht einmal, wen du gerade zu deiner Frau gemacht hast, du verrückter Kerl. Was weißt du denn schon von mir ... götterverdammt, du hättest mir zuhören sollen, aber nein - rennst einfach in den nächsten Tempel und stürzt dich in dein Unglück! Du ... du hättest mich ja wenigstens vorher fragen können...<

"Wenn ich dich vorher gefragt hätte," erwidert er und die Erheiterung schwingt immer noch in seiner Stimme mit, "hättest du nur 'Nein!' gesagt und dann ein halbes Jahr damit vertan, vor mir davonzulaufen." Dann wird er plötzlich ernst. "Wenn ich etwas gelernt habe in den letzten Wochen, Raven, dann, dass Zeit etwas sehr kostbares ist. Ich will nicht einen Moment meines Lebens mehr verschwenden." Er hätte ihr vieles gern gesagt und er hätte ihr seine Handlungsweise erklären sollen, soviel ist klar. Aber er weiß nicht, wo er beginnen soll, bezweifelt sogar, ob er überhaupt eine Erklärung dafür hat. Es wäre einfach nicht genug gewesen, sie nur in seinem Bett zu haben, obwohl er sie weiß der Himmel dort haben will... so überstürzt das alles gekommen war, so erschreckend und so bittersüß, es hätte nicht genügt. Alles oder nichts, ganz - oder gar nicht. Und in seinem Inneren ist noch immer nicht der Hauch eines Zweifels, ob es richtig oder falsch, egoistisch oder gedankenlos, unüberlegt oder vollkommen verrückt war - was er ihr gesagt hatte, war die Wahrheit: er war sich in seinem ganzen Leben noch keiner Sache so sicher gewesen, wie dieser hier. Sie lassen die Nordstraße mit ihrem wimmelnden Durcheinander von Gauklerwägen, Ochsenkarren, Händlern, Huren und Reisenden hinter sich und tauchen ins goldgesprenkelte Zwielicht des Waldes ein. Irgendwann hält sie tatsächlich einmal lange genug inne mit ihrem atemlosen Gezeter, um seine reichlich mitgenommene Hand zu bedauern. Ihre Zähne haben tiefe Abdrücke darauf hinterlassen, von ihren Fingernägeln ganz zu schweigen. Jetzt streicht sie ganz sacht darüber und fährt die Umrisse seiner Blessuren nach... und obwohl sie mit ihrer denkbar unschuldigen Geste ganz sicher nichts erotisches beabsichtigt hat, reagiert er augenblicklich. Im Gegensatz dazu ist das verflixte Frauenzimmer vor ihm im Sattel schon wieder mit Unsinn reden beschäftigt, ohne zu ahnen, welche Verwüstung sie in ihm angerichtet hat, und das ohne jede bewusste Anstrengung.

> Aber es geschieht dir auch ganz recht, mich vor einer gaffenden Meute Kuttenträger in einen Tempel zu schleppen .... und dann auch noch dieser komische Eierkopf von Priester, Götter...< Er fasst sie enger um die Taille, spürt die Wärme ihrer Haut durch den dünnen Stoff, neigt seinen Kopf und flüstert dicht an ihrem Ohr: "Quak, quak, quak..."
Als sie den Baum erreichen, liegt er trügerisch still und friedlich vor ihnen im Sonnenlicht... und das bleibt er sogar, als er Raven den Arm hinhält, damit sie vom Pferd gleiten kann, bevor er selbst absteigt. Keine Tür fliegt auf und niemand stürzt ihnen entgegen, um sie mit Fragen zu überschütten... aber das steht ihnen höchstwahrscheinlich noch bevor. Halb rechnet er damit, dass sie sich sofort umdrehen und wütend und hoheitsvoll davon rauschen würde, halb damit, dass sie anfangen würde, mit dem Fuß aufzustampfen, die Türen zu knallen und Gift und Galle zu spucken - zu seinem maßlosen Erstaunen tut sie nichts von alledem, sondern bleibt neben ihm stehen und sieht ihn mit einer rührenden Mischung aus Verzweiflung und Ratlosigkeit in den Augen an, ehe sie ausgerechnet bei ihm Zuflucht sucht und sich an ihn klammert. >Es ist einfach verrückt. Götter, was haben wir getan...<
Er lässt den Grauen Grauen sein, drückt ihren Kopf an seine Brust und streicht über ihr Haar. "Wir haben nur geheiratet, Raven. Ja, es war verrückt. Aber es war richtig." Er hält sie ein Stück von sich weg, damit er ihr Gesicht sehen kann. Mit nichts als den allerbesten Absichten hebt er ihr Kinn ein Stück an, aber dann trifft ihn ihr Blick, noch immer verunsichert, noch immer aufgebracht, noch immer von einer schwelenden Unruhe erfüllt, aber gleichzeitig liegt auch etwas ganz anderes darin und er weiß nicht mehr, was er eigentlich sagen wollte.

Die Luft ringsum beginnt zu knistern und er senkt den Kopf und im nächsten Moment fliegt die Tür des Baumes auf und spuckt nacheinander zwei jappende Hunde, eine neugierige Waldläuferin, zwei kreischende Kinder und einen bis über beide Ohren grinsenden Cron aus. Anstatt sie zu küssen, streicht er nur mit dem Handrücken über ihre Wange, aber er lässt sie nicht los. In Sekundenschnelle sind sie von lachendem Durcheinander umgeben. Brynden klammert sich an Ravens Beine und verlangt nachdrücklich: "Hoch!", während Cron ihnen Glück wünscht, Niniane sie beide erleichtert umarmt und die Hunde, die keine Ahnung haben, aber die allgemeine Hochstimmung spüren, versuchen, hechelnd an ihnen hochzuspringen. Jeden Gedanke daran, sie wieder in den Sattel zu setzen und mit ihr irgendwo hin zu verschwinden, wo sie allein wären, kann er vorerst wohl vergessen. Auch das Mittagessen - wenn dieser Hochzeit auch bisher sehr an Feierlichkeit gemangelt hat, das Essen geht als Festmahl durch - und den ganzen Rest des Tages müssen sie mit Geselligkeit bezahlen. Am Nachmittag erscheint zu allem Überfluss ein Bote des Anukistempels, doch der junge Novize, der ihnen einen dicken Packen Pergamentblätter - die Urkunden samt Siegel und Unterschriften, nur dort, wo ihre Namen eingesetzt werden müssen klaffen noch eklatante Lücken - überreicht, ist eine angenehme Überraschung im Gegensatz zu dem kahlköpfigen Elend, das sie zu Mann und Frau erklärt hatte. Er überbringt neben den Dokumenten seine ganz persönlichen Glückwünsche und die der restlichen Priesterschar und erklärt grinsend, man hätte sich inzwischen im Tempel zwar wieder einigermaßen von dem Schrecken erholt, werde jedoch ganz gewiss noch nach Jahren von diesem Tag reden. Und Bruder Galbert sitze jetzt noch schlotternd in seiner Kammer und wolle sie nie wieder verlassen (was am Ende gar nicht einmal so übel sei). Als Caewlin die Hochzeitsurkunde entrollt, kann er sich ein Lachen nicht verbeißen, denn über dem Siegelwachs des Tempels prangen sage und schreibe zwei Dutzend Zeugenunterschriften in roter Tinte, und Niniane und Cron setzen ihre gleich noch dazu.

Der Rest des Tages zieht an ihm vorbei wie ein seltsam unwirklicher Traum, so als stehe er neben sich und beobachte sich selbst. Er spricht mit Niniane und Cron, sieht, wie sie sich ausschütten wollen vor Lachen, als sie hören, wie es zu dieser Hochzeit kam, er beobachtet Brynden, der sich an Raven hängt, als wolle er sie nie wieder loslassen, er trinkt Cofea und unterhält sich, scherzt und lächelt mit seinem gewohnten Spott und hilft irgendwann Cron dabei, die Feuerstelle draußen herzurichten, während Niniane und Raven weiche Felle und Kissen anschleppen, weil der Tag viel zu schön ist, um ihn im Bauminneren zu verbringen. Aber all das rauscht an ihm vorbei, als gehe es ihn gar nichts an. Die einzig wirklichen Momente des Tages sind kurze Augenblicke... wenn Raven den Blick hebt und ihn ansieht, wenn sie zufällig einen Moment allein im Raum sind, wenn sie im Hinaus- oder Hineingehen eine Berührung tauschen. Sie wechseln nicht viele Worte und wenn, dann geht es um allgemeine Dinge, aber seine Aufmerksamkeit gilt mit einer solchen Ausschließlichkeit ihrer Gegenwart, dass er manchmal Mühe hat, dem übrigen Geschehen um ihn her zu folgen. Raven wirkt immer noch ziemlich mitgenommen und verwirrt, ist auffallend still und in sich gekehrt, aber sie hält sich tapfer, und ab und an versucht sie sich sogar an einem Lächeln. Als der Abend dämmert und sie sich alle auf den Kissen und Decken um das hell in den rasch dunkler werdenden Himmel prasselnde Feuer draußen zwischen den Baumwurzeln versammeln, Kartoffeln in der Glut rösten und sich einen Krug Sommerwein teilen, Niniane ein paar erheiternde Geschichten aus ihrer Vergangenheit als Priesterin Shenrahs zum Besten gibt und die Kinder sich irgendwann, müde vor Aufregung und schläfrig vom vielen Essen, in den Pelzdecken verkriechen, sucht sie sogar zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr in den Baum seine Nähe.

Cron und Niniane unterhalten sich leise auf der anderen Seite des Feuers, ihre schlafende Tochter zwischen sich, die Gesichter einander zugewandt und als sie endlich bemerken, dass die Kinder beide leise schnarchen, haben sie gnädigerweise doch ein Einsehen, sammeln Shaerela, Brynden und die Hunde ein und verabschieden sich. Raven rutscht tatsächlich zaghaft eine ganze Handbreit näher. Caewlin lehnt mit dem Rücken an einer der hohen Baumwurzeln und hat die Beine leicht angezogen und die Arme auf die Knie gestützt. Jetzt legt er den Kopf in den Nacken und blickt durch das dichte, grüne Blätterdach über ihnen. Der Mond schwebt kalt und weiß über den höchsten Baumwipfeln und er hat das Gefühl, in die große, samtigblaue Schale des Himmels mit seinen unzähligen, milchweißen Sternen zu fallen. Dann sieht er sie an und streckt gleichzeitig die Hand nach ihr aus. "Komm her." Sie tut es zögernd und er zieht sie an sich. Sie lehnt sich mit dem Rücken an seine Brust und er legt die Arme um ihre Mitte. Nach ihrer Rückkehr in den Baum hatte sie ihr Nachthemd gegen eine ihrer abgetragenen Hosen und ein einfaches Hemd vertauscht und das lange Haar zu einem Zopf geflochten, so wie sie es meistens trägt, aber ihre Füße sind noch bloß und sie gräbt die Zehen tief in den weichen Pelz, auf dem sie sitzen. "War es so schlimm?" Fragt er leise. "Wenn ja... noch kannst du zurück, Raven. Dein Name steht noch nicht in den Urkunden und die Ehe wurde noch nicht vollzogen... und ist damit noch nicht gültig."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 01. Mai 2005, 18:57 Uhr
Von dem Augenblick an, in dem sich die Tür des Baumes auftut und seine Bewohner sich wie ein Schwarm Heuschrecken über sie ergießen - lachend, plappernd, Glückwünsche hervorsprudelnd und sie mit strahlenden Gesichtern völlig vereinnahmend - haben sie kaum eine ruhige Minute mehr und Raven kommt es vor, als würde sie im Fieberwahn durch die Gegend taumeln. Ihre Wut ist inzwischen beinahe verraucht und ihr unablässiges Geplapper verstummt, aber noch immer fühlt sie sich schrecklich verwirrt und überrumpelt und ihre Gedanken rasen so wild durcheinander, als hätte jemand in ihrem Inneren einen überdrehten Brummkreisel in Gang gesetzt, der alles durcheinanderwirbelt und sie keinen klaren Satz mehr denken lässt. Und sobald ihr Blick dem Caewlins begegnet, ist es sowieso aus und vorbei mit Vernunft, von der sie ohnehin nie viel besessen hat, und gesundem Menschenverstand, die sich jedes Mal ins Nirgendwo verabschieden. Sie klammert sich abwechselnd an ihm und an Brynden fest und versucht, den Tag einigermaßen zu überstehen, ohne durchzudrehen, ohnmächtig zu werden oder einfach den Boden unter den Füßen zu verlieren und davonzuschweben.

In den wenigen lichten Momenten, die sie während des ganzen Trubels hat, versucht sie einige Male, die Tragweite dessen zu erfassen, was geschehen ist, aber es will ihr beim besten Willen nicht gelingen. Der narbengesichtige Riese, der dort am Tisch sitzt und sich mit Cron unterhält, ist ihr Mann und der Junge, der sich in ihrem Schoß zusammengeringelt hat und dort selbstvergessen mit den kleinen, buntbemalten Holzrittern spielt, die sie ihm geschnitzt hat, ist damit ihr Sohn – eine Tatsache, die ihr so unglaublich scheint, dass sie nur jedes Mal verwirrt den Kopf schütteln kann. Er ist tatsächlich mein Mann, denkt sie immer noch völlig fassungslos und wohl zum hundertsten Mal an diesem Tag. Auf einmal ist er zum Mittelpunkt ihres Universums geworden und in ihren Gedanken ist einfach kein Platz mehr für andere Dinge. Und doch ertappt sie sich immer wieder dabei, dass sie ihn nur verstohlen ansieht – verstohlen und bereit, schnell den Blick abzuwenden, als wolle sie es immer noch vor ihm und aller Welt verbergen, so wie sie es die ganzen letzten Wochen über getan hat. Raven, du bist ein Hasenfuß! Er ist dein Mann und du kannst ihn ansehen wann immer du willst und so lange du magst. Und er wird dir mit Sicherheit auch nicht den Kopf abreißen, wenn du ihn anlächelst. Sie versucht es auch probehalber – und der Blick, den sie dafür von ihm erntet, bringt prompt ihr Blut zum Summen und lässt ihr das Herz auf einmal bis in den Hals schlagen. Und in die Gegenrichtung auch. Herrje....

Es dauert lange, bis sie an diesem Tag alle zur Ruhe kommen und endlich um das Feuer sitzen, die Kinder allmählich wegdösen und sich die ganze Anspannung ein wenig von Raven löst – nur um kurz darauf in abgewandelter Form über sie herzufallen, als Cron und Niniane sich mitsamt Kindern und Hunden schließlich in den Baum verkrümeln – zwar sparen sie sich anzügliche Bemerkungen, das anzügliche Grinsen jedoch keineswegs - und Caewlin und sie allein zurückbleiben. Irgendwann streckt er die Hand nach ihr aus und sie kriecht zu ihm hinüber, lehnt sich an ihn, spürt seinen Herzschlag in ihrem Rücken und überlässt sich der Wärme, die von seiner großen Gestalt ausgeht. Geraume Zeit sitzen sie schweigend im rotglühenden Schein des Feuers und als er nach einer Weile leise das Wort an sie richtet, klingt seine Stimme merkwürdig ernst. >Wenn ja... noch kannst du zurück, Raven. Dein Name steht noch nicht in den Urkunden und die Ehe wurde noch nicht vollzogen... und ist damit noch nicht gültig.< Raven macht sich aus seinen Armen los, dreht sich um und kniet sich vor ihn, so dass sie ihn anschauen kann. Sie nimmt Caewlins Hand in ihre und ihr Blick ist todernst, als sie ihn einen langen, langen Moment ansieht - bis ihre Mundwinkel verräterisch zucken. "Quak, quak, quak." Sie muss fast lachen über seinen Gesichtsausdruck, doch dann wird ein seltsam stilles Lächeln daraus und ihre Stimme klingt auf einmal ganz flatterig. "Dann sollten wir dafür sorgen, dass sie gültig wird." Irgendwo in den dunklen Tiefen ihrer Augen schimmert ein warmes, helles Licht, ein Licht, das nur er sehen kann, weil es nur für ihn allein leuchtet. Und auf einmal verspürt sie das übermächtige Bedürfnis, ihm nahe zu sein und ihn zu berühren, als hätte sie Angst, er könnte sich plötzlich in Luft auflösen. Sie nimmt sein Gesicht in beide Hände und was ihre Augen schon so oft getan haben, jede Linie, jede Wölbung, jede Kontur und die Umrisse der langen, gezackten Narbe in sich aufzunehmen, tun nun sacht ihre Finger. Sie zeichnet seine Züge nach, als wäre sie blind und gleichzeitig erzählen ihm ihre Hände von Sehnsucht und Wünschen, Furcht und Hoffnung, Träumen und Verlangen. "Aber erst muss ich dir einige Dinge sagen, wichtige Dinge .... und vielleicht wirst danach du es sein, der umkehren will. Nichts und niemand wird mich daran hindern können, meinen Namen unter diese Urkunde zu setzen, aber dort wird nicht der Name stehen, den du kennst. Raven ist nur ein Kosename, den mir meine Mutter gegeben hat, und Schattenhaar hieß mein Ziehvater. Mein Vater ist Torgal von Corwyness, der Flusslord und Wächter der westlichen Grenzen Normands, und mein wirklicher Name ist Ingariad." Der Name klingt so seltsam in ihrem Mund, als würde er aus einer anderen Welt und aus einer anderen Zeit stammen, so lange hat sie ihn nicht ausgesprochen. "Lange Zeit hatte all dies keine Bedeutung mehr für mich, aber nun ist es auf einmal wieder wichtig geworden, weil... weil...."

Einen Moment lang versagt ihr einfach die Stimme. Fast widerwillig nimmt sie die Hände von seinem Gesicht und senkt den Blick. "Vielleicht kennst du Gerüchte und die Geschichten, die sie sich in den Nordlanden erzählen, über den merkwürdigen Tod des alten Flusslords von Stenford und vom Verschwinden seiner Braut, die nie wieder aufgetaucht ist ... ich habe gehört, dass man sie inzwischen für tot hält, aber das ... das stimmt nicht." Ihre Finger flattern plötzlich und sie zupft fahrig an ihrem Hemd herum und muss tief Luft holen, bevor sie weitersprechen kann. "Ich war diese Braut ... und er ist auch nicht bei einem Jagdunfall gestorben, wie behauptet wird, sondern durch meine Klinge, nachdem er ... nachdem... nachdem er mich..." Sie verstummt und ihr Gesicht wird für einen Moment so leer, dass klar ist, was sie hätte sagen sollen, ohne dass sie es aussprechen kann. "Seine beiden Söhne wissen es, sie wissen, dass ich es gewesen bin ... und auch wenn sie es in der Öffentlichkeit immer vertuscht haben, um die Ehre ihres Vaters zu schützen .... wenn sie wüssten, dass ich noch am Leben bin, würden sie mich wohl bis ans Ende der Welt jagen und ich ... ich werde wohl niemals nach Normand zurückkehren können. Ich werde dir nicht folgen können, solltest du eines Tages in Sturmende dein Erbe antreten. Das alles wollte ich dir schon sagen, bevor du mich in diesen Tempel gezerrt hast... und ... und ... und wie du gesagt hast, die Pergamente sind noch nicht unterschrieben und die Ehe nicht vollzogen, und du kannst noch .... du kannst immer noch zurück."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 02. Mai 2005, 22:55 Uhr
Kaum hat er die Worte ausgesprochen, als sie sich von ihm löst und zu ihm umdreht, so dass sie ihn ansehen kann. Ihr Gesicht ist so ausdruckslos, dass er einen halben Herzschlag lang fürchtet, sie könne ihn beim Wort nehmen und ihn verlassen, aber dann bebt ihr Mund und sie flüstert >Quak, quak, quak.< Beinahe hätte er gelächelt, aber sein Herz schlägt zu schnell und seine Brust ist so zugeschnürt, dass es schmerzt, zu atmen. >Dann sollten wir dafür sorgen, dass sie gültig wird.< Er bewegt sich nicht, obwohl er  sie so sehr berühren will, dass seine Finger schmerzhaft pochen, aber er lächelt ein wölfisches, halbes Lächeln. "Du wirst mit deinen Worten gefährlich mutig, Raven." Sie sieht ihn an und in den unergründlichen Tiefen ihrer Augen bewegt sich etwas, regt sich und steigt schimmernd an die Oberfläche. Ihr Blick ist ein furchtlos überreichtes Geschenk, denn in diesem Moment liegt ihr ganzes Herz in ihren Augen, nackt und verletzlich, und dann kann er nichts mehr in ihnen sehen, außer sich selbst. Sie hebt ihre Hände und er glaubt einen Augenblick lang, sie werde ihn küssen, aber sie berührt nur sein Gesicht mit ihren Fingern. Sie formt die Linien von Wangenknochen und Kiefern nach, tastet über sein Kinn, fährt über die Narbe auf seiner Wange und legt sacht ihre ganze Hand darüber. Sie streicht mit ihren Fingerspitzen über seine Augen, zeichnet den Schwung seiner Brauen nach und berührt seinen Mund. Ihre Augen sehen ihn die ganze Zeit über unverwandt an und ihr Blick erzählt ihm stumm von einem Gefühl, für das es kein Wort gibt... aber dann hält sie inne. Das Lied ihrer Hände verstummt und ihre Finger ziehen sich scheu, beinahe fragend zurück, ohne sich ganz von seiner Haut zu lösen. >Aber erst muss ich dir einige Dinge sagen, wichtige Dinge .... und vielleicht wirst danach du es sein, der umkehren will. Nichts und niemand wird mich daran hindern können, meinen Namen unter diese Urkunde zu setzen, aber dort wird nicht der Name stehen, den du kennst. Raven ist nur ein Kosename, den mir meine Mutter gegeben hat, und Schattenhaar hieß mein Ziehvater. Mein Vater ist Torgal von Corwyness, der Flusslord und Wächter der westlichen Grenzen Normands, und mein wirklicher Name ist Ingariad.<

Was immer er für Offenbarungen erwartet hat, das ganz bestimmt nicht. Er hat gewusst, dass sie aus Normand stammt, er hätte sogar an ihrem Akzent gehört, dass es der Westen Normands sein muss, er hätte vielleicht sogar auf Corwyness getippt, hätte er raten müssen... aber zu hören, dass sie niemand anderes, als die vor zehn Jahren verschollene Ingariad von Corwyness ist, ist etwas ganz anderes. Aus der Tiefe seiner Erinnerung taucht damals Halbgehörtes und heute lang Vergessenes wieder auf... all das Gerede, das nach dem Tod des alten Thursis und dem verschwinden seiner jungen Frau im Nordland die Runde gemacht hatte - Caewlin war damals zwanzig Jahre alt und schon halb auf dem Weg in den Krieg, und ganz bestimmt nicht am Klatsch der Waschweiber oder den blumigeren Geschichten der Skalden interessiert gewesen, aber er hätte taub sein müssen, um nichts davon gehört zu haben. Sie sieht ihn noch einen zitternden Moment lang an und senkt dann ihren Blick wie ihre Hände. Die Berührung ihrer Finger wird zu einer Erinnerung, die fast schmerzt, weil sie sein Innerstes erreicht hatte, als hätte sie ihre Hände direkt um sein Herz geschlossen. >Vielleicht kennst du Gerüchte und die Geschichten, die sie sich in den Nordlanden erzählen, über den merkwürdigen Tod des alten Flusslords von Stenford und vom Verschwinden seiner Braut, die nie wieder aufgetaucht ist ... ich habe gehört, dass man sie inzwischen für tot hält, aber das ... das stimmt nicht. Ich war diese Braut ... und er ist auch nicht bei einem Jagdunfall gestorben, wie behauptet wird, sondern durch meine Klinge, nachdem er ... nachdem... nachdem er mich... < Sie spricht es nicht aus, aber das ist auch nicht nötig. Er kann die Wahrheit in ihren Augen sehen und Ninianes Worte vom Morgen geistern durch seine Gedanken. >Raven hat überhaupt Angst. Aber es bist nicht du, vor dem sie Angst hat. Ihre Erfahrungen mit Männern beschränken sich darauf, mit vierzehn Jahren brutal misshandelt und dann von einem durchaus sanften, aber leider völlig vergeistigten Druiden ignoriert zu werden.< "Götter, Raven... was..."

Etwas in ihrem Gesicht bringt ihn dazu, zu verstummen und dann spricht sie so hastig weiter, als fürchte sie, am Ende den Mut zu verlieren. >Seine beiden Söhne wissen es, sie wissen, dass ich es gewesen bin ... und auch wenn sie es in der Öffentlichkeit immer vertuscht haben, um die Ehre ihres Vaters zu schützen .... wenn sie wüssten, dass ich noch am Leben bin, würden sie mich wohl bis ans Ende der Welt jagen und ich ... ich werde wohl niemals nach Normand zurückkehren können. Ich werde dir nicht folgen können, solltest du eines Tages in Sturmende dein Erbe antreten. Das alles wollte ich dir schon sagen, bevor du mich in diesen Tempel gezerrt hast... und ... und ... und wie du gesagt hast, die Pergamente sind noch nicht unterschrieben und die Ehe nicht vollzogen, und du kannst noch .... du kannst immer noch zurück.<
Nachdem sie geendet hat, sagt er einen endlosen Augenblick lang kein einziges Wort. Sein Gesicht ist völlig ruhig, aber das ist es immer, wenn er Gefühle verbirgt und im Moment verbirgt er heilloses Chaos. Verwirrung, Liebe, rasende Wut auf Stenford, Schmerz um ihretwillen, Zorn, Mitleid, nach wie vor Begehren und gleichzeitig den Wunsch, sie einfach nur festzuhalten und die bitteren Erinnerungen auszulöschen, die sie jetzt unweigerlich haben muss, in dieser Lage und mit dem eben Erzählten noch in ihren Gedanken.
"Du warst vierzehn Jahre alt, als du Thursis versprochen wurdest?"
Sie nickt, aber ihr Ja ist so leise, dass er es beinahe nicht gehört hätte und sie sieht ihn nicht an.
"Und du hast ihn erstochen, nachdem er dich vergewaltigt hat?"
Wieder ein Nicken. Ihr Kopf ist immer noch gesenkt, so als drücke ein schwerer Stein ihren Nacken gewaltsam nach unten.
"Und seine Söhne wissen davon? Von allem?"
Noch ein Nicken. Der Stein in ihrem Nacken muss so schwer sein wie ein Mühlrad, als sie flüstert, sie hätten ihm geholfen.
"Ah djävla!" Verdammt.

"Raven." Er zieht sie an sich und hält sie fest, birgt ihr Gesicht an seinem Hals und obwohl ihn selbst das fast benommen vor Verlangen nach ihr macht und sie noch nicht einmal ahnt, wie sehr er sie will, gelingt es ihm sogar in halbwegs normalem Tonfall zu sagen. "Erzähl es mir. Erzähl mir alles, wenn du kannst. Und wenn du's nicht kannst, dann sag nichts und lass dich eine Weile von mir halten." Sie schweigt lange, aber dann spricht sie doch, halberstickt an seiner Haut... vom Tod ihrer Mutter, von ihrem Vater, der ihr dafür die Schuld gegeben und sie an Stenford verschachert hatte, um seine südlichen Grenzen zu sichern, von Thursis und seinen Söhnen und ihrem Martyrium in jener Nacht und wie sie irgendwie überlebt hatte und fliehen konnte. Von ihrer Rache, die so kurz gewesen war. Von Rairdri Schattenhaar, dem Mann, der sie gefunden und gepflegt hatte, bis sie wieder halbwegs ein Mensch wurde, und der ihr schließlich alles beigebracht hatte, was er über den Bogenbau und das Leeren der Taschen reicher Leute wusste...
Irgendwann löst er ihre beiden Hände von seinem Hemd, in dem sie sich festgekrallt hat, nimmt sie in seine Linke und hält sie an sein Herz. In den Venen, die zartblau am Gelenk durch die Haut schimmern, kann er ihren Puls fühlen. Er schlägt so rasch wie sein eigener. "Ich will nicht zurück. Ingariad. Raven. Corwyness oder Schattenhaar. Es ist mir völlig gleich, wie du heißt oder wer du warst oder bist. Du bist meine Frau. Du trägst meinen Namen und gehörst zu meiner Sippe. Wenn ich irgendwann in den Norden zurückkehre, dann gehst du mit mir und niemand wird dich jagen, noch es wagen, je wieder Hand an dich zu legen." Er legt seine Wange auf ihren Scheitel, hell und verletzlich unter diesem weichen, schweren dunklen Haar. "Wenn der Mann nicht schon tot wäre, würde ich ihn umbringen für das, was er getan hat." Und seine Söhne werden ihm folgen. Einen Moment lang spannt sich die Haut über seinen Wangenknochen, als er die Kiefer zusammenpresst und seine Augen richten sich über ihren Kopf hinweg auf einen unsichtbaren Pfad, der klar und schnurgerade vor ihm liegt. Er weiß, was er zu tun hat und er wird es tun... sobald sich ihm Gelegenheit dazu bietet.

Sie richtet sich ein wenig auf, legt ihre Hände auf seine Brust und sieht ihn an, als wolle sie gleich lächeln, aber dann wird der Ausdruck auf ihrem Gesicht zu etwas anderem, und was immer sie vielleicht noch hatte sagen wollen, bleibt ungesagt. Ihr Körper liegt weich und schwer an seinem und sie wissen beide, dass sie nicht mehr zurück können, selbst wenn sie wollten - und sie wollen nicht. Einen endlosen Herzschlag lang starren sie sich atemlos an, dann schließt sich seine Hand um ihren Arm und er zieht sie an sich, bis sein Herz gegen ihres schlägt. Seine Finger streichen ihren Hals hinauf und schließen sich um ihren Nacken. Er will ihr Haar lösen. Er will mit seiner Hand hineinfahren, seine Faust darin vergraben, sein Gesicht daran reiben und den Geruch ihrer Haut einatmen, bis er ihn auf der Zunge schmecken kann, wenn er nur die Augen schließt. Er will ihren Mund küssen, ihren Atem, ihr Seufzen, ihr Verlangen und ihr Lachen trinken und sie lieben, bis sie sich selbst vergessen hat. Einen Moment lang knirscht er mit den Zähnen und ringt um Fassung, um sie nicht auf der Stelle zu verschlingen, aber es ist zu spät. Hier auf dieser weiten, dunklen Lichtung gibt es keine Zeit und kein Zurück mehr. Und auch keine Beherrschung.
Sie neigt ihren Kopf und er fährt mit dem Daumen einmal über die ganze Breite ihrer weichen, vollen Lippen - und dann löscht ihr Mund alle anderen Gedanken aus und macht auch noch seine letzten guten Absichten zunichte, sanft mit ihr umzugehen. Ein langer Kuss, der hungrig beginnt und mit nackter Gier endet, der nach all dem sucht, was er will und es findet. Ihre Kleider segeln in die Dunkelheit davon und landen unrettbar in der noch schwelenden Glut, wo sie knisternde kleine Flammenherde entzünden, aber das bemerken sie nicht. Seinen ergeht es kaum besser, aber auch dafür haben sie weder Augen noch Ohren. Er kann nicht mehr sprechen, er kann sie nur noch berühren, alles von ihr, alles auf einmal. Er nimmt sich jeden Millimeter ihrer Haut, ihre zarten und doch festen Knochen, ihr weiches Fleisch und ihr hungriges Herz und dann landen sie beide in einem Bett aus weichen Pelzen und Smaragdgras, Moos und Regenfarn und bestickten Kissen. Mein, ist der letzte klare Gedanke, den er hat, ehe er ihren Körper unter sich begräbt und sich in ihrem Inneren verliert. Und dann sind nur noch sie und er übrig und die Hitze, in der sie brennen, sonst nichts.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 03. Mai 2005, 21:38 Uhr
Der Morgen des Inaritages dämmert so warm und sommerlich wie die letzten Tage. Die Sonne flammt über dem Ildorel auf, verwandelt Tau und Nebel in goldenen Dunst und füllt den Wald um die Lichtung am Smaragdstrand mit Wärme und Licht und lässt die ersten Vögel mit fröhlichem Lärmen nach Nahrung suchen. Es verspricht, ein schöner Tag zu werden... wie gemacht, zum Feiern. Niniane erwacht wenig romantisch vom hungrigen Quäken Shaerelas und kann Brynden gerade noch davon abhalten mit seinem Stoffhäschen bewaffnet über die Treppe nach unten zu verschwinden, um seinen Vater und seine heißgeliebte "Wäiven" bei sonst etwas zu stören.  Sie hat keine Ahnung, wo genau die beiden gerade sind... vermutlich waren sie irgendwann im Lauf der Nacht doch in den Baum und in ihr Bett zurückgekehrt, vielleicht aber auch nicht... von unten ist jedenfalls nicht das leiseste Geräusch zu hören und das letzte Mal, als etwas von ihnen zu hören gewesen war, hatten sie sich wild im Smaragdgras herumgewälzt. Niniane hatte alle ihre empathischen Elbensinne eisern unter Verschluss gehalten... bei der geballten Wucht dort unten am Feuer eine geradezu heldenhafte Anstrengung... und jetzt leichte, aber penetrante Kopfschmerzen davon. Die Blätter des gewaltigen Baumriesen rascheln und wispern noch immer mit verhaltenen Stimmen. Sie weckt Cron, der sich schlaftrunken neben ihr bewegt und befreit sich aus seinem Arm, dann steht sie auf und erlöst ihre Tochter vom Hungerjammer. "Brynden, komm her. Caewlin und Raven schlafen noch, lass sie noch ein Weilchen in Ruhe und bleib bei uns. Wir machen gleich Frühstück. Cron, komm schon. Mach die Augen auf und nimm den Kleinen, während ich den Quälgeist hier füttere." Cron nuschelt etwas von "Gleich", dreht sich auf die andere Seite und anstatt aufzustehen, hebt er Brynden einfach zu sich in die Wärme der spinnseidenen Decken und Kissen - Caewlins Sohn kuschelt sich grinsend in seinen Arm, tritt und wälzt sich in eine bequeme Lage und schließt prompt noch einmal für ein halbes Stündchen die Augen. Niniane tauscht einen Blick mit ihrer Tochter. "Nordmänner sind Schnarchnasen," verkündet sie - und dann geht sie vorsichtig die Lage auskundschaften. Im Baum ist alles ruhig und an der Feuerstelle draußen zwischen den gewaltigen Wurzeln ist niemand mehr außer ein zerwühltes Lager aus Pelzen und Kissen. "Ah. Da hat jemand doch noch ein Bett gefunden. Sehr schön, min Lia, dann können wir ja jetzt ein Bad nehmen."

Als sie nass und erwärmt vom Wasser ihrer heißen Quellen mit Shaerela im Arm, der die köstliche Hitze genauso wenig etwas ausmacht, wie ihr, in den Baum zurückkommt, sind Cron und Brynden bereits dabei, den Tisch für das Morgenmahl zu decken... das heißt, Brynden schleppt heran, was er tragen kann und Cron ist neben ihm, bereit, jederzeit zuzupacken, falls Milchkrug und Brotkorb sich selbstständig machen sollten. Sie frühstücken, versorgen die Kinder, die Hunde, die Pferde, kontrollieren ein paar Kaninchenschlingen und haben kein Glück dabei, fischen dafür ein paar fette Forellen aus dem Bach und hören den ganzen Vormittag über immer wieder das leise, an- und abschwellende Murmeln zahlloser Stimmen und Gesänge, das der Wind ab und an von den Mauern der Stadt heranträgt. Cron nimmt Brynden mit zum Baden, während sie Shaerela mit ihrer Spielkiste ablenkt und sich an die Zubereitung eines Mittagsmahles macht. Die Sonne steigt schon hoch und von Caewlin und Raven ist immer noch keine Spur zu sehen oder zu hören. Niniane unterdrückt ein Lächeln, während sie in ihrem Gewürzregal nach getrocknetem Dill sucht. "Sie hatten in der Nacht auch wirklich etwas besseres zu tun, als zu schlafen und heute ist Inari," murmelt sie, findet endlich das kleine Gläschen hinter den anderen und fischt es vorsichtig heraus. Inaritag. Vor zwei Jahresläufen war es auch am Inaritag, dass Cron und ich endlich wieder zusammenfanden nach.. nach dem Sturmtal. Und im letzten Jahr... ihre Augen werden dunkel und einen Moment lang lehnt sie sich an den geschwungenen Rand des Spülsteins, verloren in bitteren Erinnerungen. Letztes Jahr am Inaritag war er meilenweit fort gewesen, auf dem Weg zurück in den Norden, während sie ihm die Neun Höllen an den Hals gewünscht hatte. Dann lächelt sie und schüttelt den Kopf mit melancholischer Zärtlichkeit. "War ich eine Närrin. Was habe ich mir für Gründe eingeredet, dass er und ich niemals... dass wir nie... " Sie dreht sich um und sieht ihre Tochter an, die zu ihr aufsieht und ihr zuhört, ohne dabei ein Wort zu verstehen. "Und jetzt sieh uns an." Shaerela gibt eine Reihe glucksender Laute von sich und wendet sich dann mit teuflischem Grinsen der Schüssel mit den Hundeknochen zu. "Nein, lass das!" Niniane fischt sie vom Boden und setzt sie zu sich auf die hölzerne Arbeitsfläche. "Hier, kau darauf herum," sie drückt der Kleinen ein Stück Brotrinde in die Hand, nimmt die Fische aus, spült sie in klarem Wasser, würzt sie ein, erstickt sie in Mehl, ertränkt sie in Wein und überlässt sie dann auf einem Bett aus angedünstetem Gemüse in der brodelnden Hitze des Herdes ihrem Schicksal als Mittagessen. Die vage besorgten Gedanken, die sich allesamt um die Elbenlande und die Tatsache drehen, dass man dort inzwischen möglicherweise davon gehört haben könnte, dass sie einen Nordmann geheiratet und ihm ein Kind geboren hatte, schiebt sie so weit von sich, wie ihr Verstand es zulässt, doch sie bleiben gegenwärtig... treiben sich am Rand ihres Bewusstseins herum und lassen sich nicht ganz aussperren. Manchmal kann sie es wochenlang ignorieren... dann wieder überfallen sie Unruhe und Angst. Nicht um Ihret- oder Seinetwillen, sondern weil andere die bloße Tatsache für ihre Zwecke benutzen könnten, anstatt sie einfach nur in Ruhe zu lassen. Sie will sich vor keinen... wie sagen die Menschen doch gleich? Vor keinen Karren mehr spannen lassen, das hat sie lange genug getan.

Als die Kinder nach dem Essen - gewaschen und mit frischen Windeln versehen - beide müde und satt eingeschlafen sind, kleiden sie sich für das Fest um. Da von den beiden Frischvermählten immer noch kein Lebenszeichen zu hören ist, die Kinder aber mit Sicherheit zwei Stunden wenigstens schlafen würden, beschließen sie, Raven und Caewlin einfach eine Nachricht zu hinterlassen und die Türen zu ihrem Schlafgemach weit zu öffnen, damit sie die Kinder hören würden, wenn sie aufwachen.  Cron, der bereits fertig ist, kratzt mit einem Gänsekiel über ein Stück Pergament und schreibt ein paar Zeilen für die beiden, während sie Goldfäden in ihr Haar flicht und ein Gewand aus leichter, dunkelgrüner Wildseide anlegt, das verschwenderisch mit zarten Goldmustern bestickt wurde, die man nur aufschimmern sieht, wenn das Licht darauf fällt. Dann fällt ihr etwas ein, das sie gestern in der ganzen Aufregung vollkommen vergessen hatte und sie eilt auf nackten Füssen nach unten, um es zu holen. Ein Botenrabe hatte irgendwann am Vormittag eine Botschaft mit einem flachen, daumenlangen in Leder gewickelten Gegenstand gebracht, doch auf dem Pergament hatte nur ein Name gestanden: Raven. Sie muss nicht mehr sehen, um zu wissen, von wem es ist und im ersten Moment schämt sie sich, weil sie vergessen hat, es ihr zu geben... aber dann kommt ihr der Gedanke, dass das angesichts der Tatsache, dass Raven gestern Caewlin geheiratet hatte... oder von ihm geheiratet worden war... vielleicht doch gar nicht so schlecht gewesen war. Sie lassen die Nachricht für die beiden Schlafmützen gut sichtbar auf dem Esszimmertisch liegen und nach kurzem Zögern legt Niniane die Botschaft von Mottenfaenger dazu. Sie vergewissern sich, dass im Herd das Essen warm steht, die Kinder fest schlafen und alle Türen nur angelehnt sind und verlassen dann Hand in Hand den Baum, um sich auf den Weg nach Talyra zu machen. Während sie schweigend nebeneinander durch zartgrüne Rainfarnwedel, daunenweiches Waldgras und ein Meer von Schlüsselblumen gehen, sieht sie ihn an und beobachtet sein Gesicht. Er scheint nicht wirklich nachdenklich, denn er erwidert ab und an ihren Blick und lächelt, aber er ist schweigsam und sie sagt ebenfalls nichts. Sie will ihn nur ansehen.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 03. Mai 2005, 22:44 Uhr
"Erzählen?" Raven glaubt fast, an ihrer eigenen Stimme ersticken zu müssen - und an der Scham und dem Entsetzen, die sich bei Caewlins Worten irgendwo in ihrem Inneren lösen und sich schmerzhaft und qualvoll aus dem finsteren Kerker winden, in den sie vor langer Zeit all diese Erinnerungen gebannt hatte, um nicht an ihnen zu zerbrechen. Sie kann nicht davon sprechen, sie will nicht davon sprechen, sie will sich noch nicht einmal daran erinnern. Nicht hier, nicht jetzt. Nie mehr. Aber er hat ein Recht darauf, zu erfahren, was geschehen ist und sie will, dass er weiß, wer sie ist und was sie ist. Sie will, dass er die Wahrheit kennt und wählen kann, ohne dass eine Lüge zwischen ihnen steht und wenn es bedeutet, dass sie in den finstersten Winkeln ihrer Seele herumgraben muss, wo Schmerz und Qual ihr entgegenschreien, so wird sie auch das tun. "Was willst du hören?" Ravens Stimme ist nur noch ein zitterndes Flüstern und sie muss sich an seiner Wärme festhalten, an seiner Nähe, seinem Geruch und an seiner unerschütterlichen Stärke und Lebendigkeit, um nicht in ein bodenloses Nichts zu stürzen. Ihre Finger klammern sich haltsuchend an ihn, an seinen Arm, seine Schulter, seinen warmen Nacken, als würde sie untergehen und in eine kalte schwarze Leere davontreiben, wenn sie ihn losließe. "Was soll ich dir erzählen - dass sie lachend und gröhlend in meine Kammer kamen? Dass sie mich an den Haaren über den Boden geschleift und mich in Eisen gelegt haben wie ein Stück Vieh? Dass sie mir die Peitsche zu schmecken gegeben haben, als ich versucht habe, mich zu wehren und sie sich an meinem Flehen und Schreien ergötzt haben? Ich.... ich kann dir nicht erzählen, was sie ... getan haben, ich ..." Ihr Mund ist plötzlich so trocken, dass sie kaum mehr ein Wort herausbringt. "Sie ließen mich auf dem Fußboden liegen, in meinem eigenen Blut, mit gebrochenen Rippen und mit zerschlagenem Gesicht, sie warfen mich weg wie ein kaputtes, unbrauchbar gewordenes Ding, dessen sie überdrüssig geworden waren, und sie lachten und spuckten auf mich...."  

Raven starrt in die Nacht hinaus und ihr Gesicht ist so reglos wie kalter, glatter Stein. Sie hat keine Tränen mehr für all die Erinnerungen, keine Worte, nur ihr Atem streift zitternd über Caewlins warme Haut und einen Moment lang sind ihre Augen so leer, als würde niemand mehr dahinter wohnen. Es dauert lange, bis sie ihre Stimme wiederfindet und ihm von der Zeit danach erzählen kann. Als ihre Worte leise ersterben und mit den letzten glühenden Funken des niedergebrannten Feuers in den blauschwarzen Nachthimmel über ihnen verwehen, schweigen sie lange, dann nimmt Caewlin ihre Hände und legt sie auf sein Herz. Sie spürt es hart und schwer gegen ihre Handflächen schlagen und es erfüllt sie auf einmal mit einem so wilden Verlangen, dass sie erschauert ... nach ihm, nach seinen Berührungen, nach seiner Nähe und nach Leben, nach köstlichem, süßem Leben.
>Ich will nicht zurück. Ingariad. Raven. Corwyness oder Schattenhaar. Es ist mir völlig gleich, wie du heißt oder wer du warst oder bist. Du bist meine Frau. Du trägst meinen Namen und gehörst zu meiner Sippe. Wenn ich irgendwann in den Norden zurückkehre, dann gehst du mit mir und niemand wird dich jagen, noch es wagen, je wieder Hand an dich legen. Wenn der Mann nicht schon tot wäre, würde ich ihn umbringen für das, was er getan hat.< Einen Moment lang legt er weich seine Wange an ihr Haar, aber in seiner Stimme schwingt etwas mit, das sie in seinem Ernst und seiner Entschlossenheit bestürzt. Raven kennt ihn gut genug, um zu wissen, dass er es nicht nur so dahin sagt, um sie zu trösten, dass es nicht nur ein simples Lippenbekenntnis ist, sondern dass es ihm bitterernst ist damit. Irgendwo in ihrem Bewusstsein keimt eine leise Ahnung, dass alles, was am heutigen Tag geschehen ist und noch geschehen wird, Folgen nach sich ziehen wird, die sie noch gar nicht abschätzen können. Doch in diesem Augenblick ist es ihr gleichgültig. Nichts scheint mehr eine Bedeutung zu haben, außer dem hämmernden Herzschlag, den sie unter ihren Händen fühlt.

Sie spürt sein Begehren in jeder seiner Bewegungen, in der Art, wie er sie ansieht, im Zittern seines Atems und im Beben seiner Finger, die sich um ihren Arm schließen. Sie sieht den Hunger in seinen Augen und in deren blaugrünem Spiegel ein Echo ihres eigenen Verlangens, das sie beinahe erschreckt in seiner Wildheit. Sie sollte Angst haben. Sie sollte ihn fürchten, seine schiere Größe, und körperliche Stärke, von seinem unbeugsamen Willen ganz zu schweigen, denn sie hat ihm nichts entgegenzusetzen. Es wäre ein Leichtes für ihn, ihr mit bloßer Hand die Knochen zu brechen und sie kann die vibrierende Kraft in seinen Fingern spüren, direkt unter der Haut, doch er tut ihr niemals weh. Und sie vertraut ihm. So, wie sie ihm erst ihr Herz und ihre Seele überlassen hat, nackt und bloß und verwundbar, so gibt sie ihm jetzt ihren Körper. Sie öffnet und schenkt sich ihm und die brennende Hitze in ihren Adern verwandelt sich unter seinen Berührungen in loderndes Feuer und singt lauter und lauter in ihrem Blut. All ihre Sinne strecken sich nach ihm aus ... sie will ihn spüren und riechen und schmecken, ihn atmen und in ihm versinken, die Wärme seiner nackten Haut an ihrer fühlen, seine Kraft in sich spüren und seinen Hunger stillen und wieder und wieder aufs Neue entfachen. Ihre Hände schieben sich in seinen Nacken, graben sich in seine Schultern und dann ist auf einmal kein Platz mehr für Gedanken und Worte und alles, was aus ihrer Kehle dringt, ist ein erstickter, atemloser Laut, als sie in einem Strudel von Gefühlen untergeht, von denen sie nicht einmal geahnt hat, dass es sie gibt. Sie hat nicht gewusst, dass es so sein könnte, hat keinen Namen für das, was sie fühlt, und sie ist so benommen, schwach und zittrig, dass sein Körper ihr einziger Halt scheint, als sie wieder zu Atem kommt.

Sie können einander nicht loslassen und halten sich umklammert wie zwei Ertrinkende, die schweißnassen Körper aneinandergepresst, Haut an Haut und ineinander verschlungen, während der Nachtwind über ihnen in den Zweigen singt und der Mond über die Lichtung wandert. "Ich bin dein", flüstert sie an seinem Mund und trinkt seinen Atem, "für immer und alle Zeit." Und mehr Worte gibt es auch nicht zu sagen. Es sind nur noch Hände und Lippen und Körper, die sprechen und sich bebend von Sehnsucht und brennender Zärtlichkeit erzählen, die fragen und einander wortlos antworten und sich ihre Geheimnisse anvertrauen, bis über dem Ildorel ein fahler, perlmuttfarbener Schimmer aufsteigt und eine erste verschlafene Vogelstimme sich über ihnen im Geäst regt. Irgendwann im Morgengrauen, als noch kalter Dunst über dem See hängt, schälen sie sich widerwillig aus den warmen Pelzen, suchen den Platz rund um die Feuerstelle und ihr Nachtlager nach ihren Kleidungsstücken ab - wobei jedoch nur noch die Hälfte davon aufzutreiben ist und der Rest auf wundersame Weise verschwunden zu sein scheint - und finden den Weg zurück in den Baum. Raven ist so müde, dass sie eigentlich im Stehen einschlafen müsste, aber ihr Geist ist viel zu wach und sie viel zu aufgewühlt, um Ruhe zu finden und außerdem kann sie weder ihre Augen noch ihre Hände mehr von Caewlin nehmen. All die Scheu und die Befangenheit der letzten Siebentage haben sich in dieser Nacht verflüchtigt wie Morgennebel in der Sonne, und sie kann ihm auf einmal nicht nah genug sein und wird es nicht müde, ihn anzuschauen und ihn zu berühren. Irgendwann schläft sie doch ein, geborgen in seinem Arm und umhüllt von seiner Wärme. Götter ... wenn ich eines Tages sterben muss, dann lasst es mich in diesen Armen tun, ist das letzte, was sie denken kann, bevor ihr völlig erschöpft die Augen zufallen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 05. Mai 2005, 12:44 Uhr
Caewlin erwacht vom Klappen einer Tür und dem leisen Geräusch sich entfernender Schritte, Ravens Geruch in der Nase, ihre Wärme neben ihm und in seinem Inneren. Durch den trüben Dunst seines schlaftrunkenen und vom Nachhall der vergangenen Nacht noch völlig benebelten Verstandes geistern ein paar haltlose Gedankenfetzen. Niniane. Cron. Inarifeiern. Stadt. Aufstehen. Wir sollten aufstehen. Wir. Schlagartig ist er hellwach. Sie sind sie immer noch miteinander verschmolzen wie Kerzenwachs, so gründlich verschlungen, dass es völlig aussichtslos ist, herausfinden zu wollen, was zu wem gehört und er hat nicht die Absicht, irgendetwas daran zu ändern, nie mehr. Ihre Haut liegt glatt und warm und weich an seiner, ihr  Kopf an seiner Schulter. Ihr Arm ruht quer über seiner Brust, ihre Finger mit seinen verschränkt in seiner Hand. Sie ist vollkommen entspannt im Tiefschlaf und doch hält sie ihn fest und er sie, als wollten sie einander nie wieder loslassen. Er betrachtet ihr schlafendes Gesicht und fragt sich einen Moment lang, wie das geschehen konnte, wie in so kurzer Zeit ein so alles veränderndes Ereignis hatte stattfinden können... aber dann ist ihm ein "Warum" nicht mehr wichtig. An den meisten Morgen seit jener Sithechnacht, in der er in tausend Scherben zerbrochen und in der Hölle wieder zu sich gekommen war, war er aus dem Schlaf , der ihm nachts wenigstens für eine Weile Vergessen gebracht hatte, nur wie durch zähen Schlamm ins Bewusstsein zurückgewatet, seine Seele unter bitterschwarzer Asche erstickt, sein Herz unter einem Stein begraben, seine Füße fest in Selbstmitleid zementiert. Und lange Zeit hatte er sogar dort in der Kälte und Dunkelheit bleiben wollen. Aber Raven hatte all die zackigen, kalten Splitter seiner Selbst eingesammelt und zusammengefügt, irgendwo in der kalten Asche einen Funken gefunden, ihn geborgen, gewärmt und genährt, und den tonnenschweren Stein in seiner Brust zu Staub zermahlen.

Er löst seine Finger von ihren, streicht eine Haarsträhne aus ihrer Stirn, die ihr dunkel und glänzend über Nase und Wangen fällt, und sieht sie an. Ihre gesenkten Wimpern bilden dunkle Halbmonde, die tiefschwarzen Brauen feingezeichnete Vogelschwingen auf ihrer honiggoldenen Haut. Die Augen darunter sind groß, ganz leicht mandelförmig und von einem so tiefen Goldbraun wie sehr, sehr dunkler Bernstein. Ihr Gesicht ist schmal und wirkt jung, jünger als sie eigentlich ist, hat aber mit seinen klar gezeichneten Linien nichts mädchenhaftes an sich. Die Wangenknochen sind hoch und ausgeprägt, ebenso die fast kühnen Linien von Kinn und Unterkiefern, der Mund breit, voll und sinnlich. Zuerst hat er geglaubt, es seien die Augen, die ihr Gesicht beherrschen, aber das ist nicht wahr, es ist ihr Mund. Ihre Nase ist nicht stupsig, sondern weist einen hauchzart gebogenen Schwung auf und ist vielleicht eine Spur zu lang... aber gerade das macht ihre Eleganz aus. Er beobachtet, wie sie schläft und kann sich nicht satt sehen an ihr - und schüttelt dann über sich selbst den Kopf. Er kennt dieses Gesicht seit drei Jahren und für ausnehmend hübsch hatte er sie schon immer gehalten, aber jetzt ist sie schon schön, dass es fast weh tut, sie anzusehen. Warum hast du das vorher nie gesehen? Hatte er? Nein. Doch. Gesehen schon. Aber es hatte ihn nicht berührt, weil... er hat bis jetzt kein einziges Mal an Calyra gedacht, aber nun tut er es. Einen Moment lang hält er fast verwirrt den Atem an, weil er feststellt, dass er sich an sie erinnern kann, ohne dass sich alles in ihm in Eis verwandelt - und ohne, dass er sich erbärmlich schuldig fühlt, weil es nicht so ist. Ich werde dich nicht vergessen, Cal. Nie. Das weißt du. Du warst meine Frau, du hast mir einen Sohn geboren und du hast mir ein Leben gegeben. Ich habe dich geliebt. Das habe ich wirklich. Es ist wahr - ebenso wahr, wie die Tatsache, dass er die Frau, die er jetzt in den Armen hält nicht weniger liebt, und dass sich nichts daran ändert, nur weil er nicht jahrelang um die tote Calyra getrauert hat, bis kaum noch Leben in ihm übrig gewesen wäre. Cron hatte recht. Es spielt keine Rolle.

Er dreht sich zur Seite und schiebt sich ein Stück nach unten, ohne Raven dabei loszulassen, hält sie fest, bis er Gesicht an Gesicht mit ihr liegt. Ihre Lider flattern und sie gibt einen unwilligen kleinen Protestlaut von sich, ehe sie sich noch enger an ihn drängt und Arme und Beine um ihn schlingt, bis sie wieder so ineinanderverheddert sind wie vorher. "Götter, Frau, du bringst mich um. Und dich dazu." Sie ist wund von Kopf bis Fuß, wundgeküsst und wundgeliebt - er war nicht gerade behutsam mit ihr umgegangen. Sie aber auch nicht mit ihm. Sie hatte ihn gewollt und ihn mehr als hungrig in sich aufgenommen - sacht brennender Schmerz überzieht seinen Nacken und seine Schulterblätter und wenn er den Kopf drehen würde, könnte er den Ansatz der Spuren sehen, die ihre Fingernägel dort hinterlassen haben. Allerdings kann er gerade unmöglich den Kopf drehen, denn ihre Nase berührt seine und ihr Mund und ihre weiche Haut sind eine viel zu große Verlockung, von ihren Brüsten, die sich rund und weich an ihn drücken, ganz zu schweigen. Er küsst ihren Mund, ihre Wangen, ihre Nasenspitze, die geschlossenen Augen, ihre Kehle und jeden erreichbaren Rest von ihr und seine Finger zeichnen das Netz der dünnen, weißen Narben auf ihrem Rücken nach. Er erinnert sich an ihren Geschmack und ihre Wärme, an ihre rückhaltlos Hingabe und ihren Hunger und zittert, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sie schlafen zu lassen und sie einfach zu nehmen. Sie nimmt ihm die Entscheidung ab, als sie der Länge nach einmal erschauert, aufwacht und tief in ihrer Kehle eine Art Schnurrlaut hervorbringt, der jeden restlichen halbwegs klaren Gedanken, wenn er überhaupt noch einen hat, ins Nirgendwo schickt. Sie lieben sich schweigend, langsam und quälend zart, schweißnass miteinander verschmolzen bis ihr Verlangen gestillt ist und sie in absolutem Frieden zurückbleiben. "Wir müssen damit aufhören," murmelt er schläfrig in ihr Haar, als er wieder weiß, dass er noch einen Körper hat und mit ihm ein Herz, das wieder schlägt und Lungen, die sich bestimmt bald daran erinnern, was sie zu tun haben. Ihre einzige Antwort ist ein leises, fragendes Prustgeräusch, in dem eindeutig so etwas wie Belustigung mitschwingt.

"Wir müssen," wiederholt er leise, nur noch vom Wunsch erfüllt, sich nie wieder von ihr zu trennen, "sonst kann ich in zwei Tagen nur noch kriechen. Lach nicht." Daran sich zu bewegen ist nicht zu denken, geschweige denn an Aufstehen, also bleiben sie liegen, wie sie sind, warm, bleischwer und knochenlos, bis sein Magen vernehmlich knurrt. Er streckt sich wie eine große Katze und rollt sich mit ihr herum, um sie nicht zu zerquetschen. "Ich muss mir etwas zu Essen suchen. Niniane und Cron haben uns mit den Kindern allein gelassen," er dreht den Kopf und wirft einen blinzelnden Blick aus dem Fenster, wo der Stand der Sonne von einem gelbgoldenen Nachmittag erzählt. "Und lange werden sie nicht mehr schlafen, es ist spät."
Er löst sich nur widerwillig von ihr, steht auf, kleidet sich an und geht hinaus, um sich an Ninianes heißer Quelle zu waschen und zu rasieren. Die Pferde grasen friedlich auf der Lichtung und heben die Köpfe, als er vor den Baum tritt, um die Hunde hinauszulassen, die sich hechelnd in den Wald verabschieden. Irgendwo hinter dem grünen Dach der Bäume ringsum liegt ein Summen in der Luft, durchbrochen von Liedfetzen und Trommelschlag und aus dem Baum dringt das Quäken zweier Kinder und Ravens leise Stimme. Er findet sie im Esszimmer, wo sie gerade Shaerela einfängt, die sich mit wirren Locken und bloßem Hintern selbstständig gemacht hat und kichernd auf nackten Füssen vor einer frischen Windel unter den Tisch flüchtet. Auf dem Tisch liegt eine Nachricht von Cron auf einem kleinen Fetzen Pergament, ein in Leder gewickeltes Päckchen, auf dem Ravens Name steht und, zusammengerollt neben einer Schale mit Zuckerwerk für die Kinder, die Urkunden aus dem Tempel. Er hebt Brynden hoch, der sich an Ravens Bein klammert und ihr erschwert, Ninianes widerspenstige Tochter einzufangen und drückt einen Kuss auf ihren gebeugten Nacken. Meine Frau. Der Gedanke überflutet ihn mit Wärme, aber als sie prustend hochkommt, die kleine Halbelbin auf dem Arm, fällt sein Blick auf ihre Hände. "Ich hatte noch nicht einmal einen Ring für dich." Er verlagert Brynden auf den anderen Arm und berührt den nackten, vierten Finger ihrer rechten Hand. "Aber bald, sobald ich dazu komme. Auf dem Tisch liegt noch etwas, das wir unterzeichnen sollten," fährt er fort, ohne den Blick von ihren Augen zu nehmen. "Und etwas für dich. Dein Name steht drauf. Raven... was ich gestern gesagt habe, war mein Ernst. Ob hier oder im Norden, vor den Flusslords hast du nichts mehr zu befürchten. Wenn ich irgendwann nach Normand zurückkehren muss... wirst du mit mir gehen?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 06. Mai 2005, 00:08 Uhr
Eingehüllt in wolkenweiche Schwerelosigkeit treibt Raven irgendwo zwischen Schlafen und Wachen hin und her und klammert sich an den Saum eines seligen Traumes. Sie hat das Gefühl, sacht von sonnenwarmen Wellen umspült zu werden, getragen von deren sanftem, einschläferndem Auf und Ab und ist gerade dabei, wieder in den Schlaf und zurück in diesen Traum zu sinken, als eine leise Bewegung an ihrer schlafwarmen Haut den angenehm benebelten Dämmerzustand unterbricht. Der Traum droht ihr zu entgleiten, was sie mit einem leisen Unmutslaut und dem Versuch quittiert, sich daran festzuklammern, um ihn hinüber ins Aufwachen zu retten. Völlig unnötig, wie sich herausstellt, denn das, woran sie sich tatsächlich festklammert, ist weitaus wunderbarer, als all ihre Träume es je sein könnten. Und vor allem ist es aus Fleisch und Blut und fühlt sich herrlich warm und lebendig an, als sie sich dagegendrängt - sehr lebendig sogar. Obwohl sie sich völlig zerschunden fühlt, muss sie unwillkürlich lächeln, als sie an die vergangene Nacht denkt und an all das, was sie gesagt und getan haben und allein der Gedanke daran reicht, ihren Herzschlag schon wieder in schwindelerregende Höhen zu treiben. Sie schlingt die Beine um Caewlins Hüften und die Arme um seinen Nacken und lässt die langen, weichen Strähnen seines Haares durch ihre Finger gleiten.
>Götter, Frau, du bringst mich um. Und dich dazu.< flüstert seine raue Stimme dicht an ihrem Mund und sie kann seinen warmen Atem und seine Lippen auf ihrem Gesicht und dann ihren Hals entlang langsam abwärts wandern spüren, jede Berührung eine köstliche Folter. "Gut, dass du's sagst", murmelt sie atemlos und presst ihr Gesicht in sein Haar. "Ich dachte, ich sei schon tot und im Himmel." Sie fühlt sein verhaltenes Zittern und die ganze Schwere und Wärme seines Körpers an ihrem, die ihr eine jähe Hitzewelle durch die Adern jagt. Ein heiserer Laut dringt aus ihrer Kehle, als sie engumschlungen herumrollen, bis sie auf ihn hinabschaut, die Augen dunkel und warm, voller Zärtlichkeit und Verlangen, und ihre Lippen sich auf seine legen.

Irgendwann findet sie sich dicht an seine Seite geschmiegt wieder, schweratmend und völlig trunken von seiner Nähe, berauscht, benommen und unfähig, auch nur einen Zeh zu bewegen. >Wir müssen damit aufhören<, hört sie Caewlin in ihr Haar murmeln, das sich schweißfeucht um ihre Schläfen kringelt. >Wir müssen, sonst kann ich in zwei Tagen nur noch kriechen. Lach nicht.< Raven schlingt die Arme um ihn und bohrt die Nase in seine Schulter, während sie versucht, ihren rasenden Herzschlag allmählich wieder auf Normalgeschwindigkeit zu beruhigen. "Glaubst du, mir geht es besser?" kichert sie hilflos. "Dann kriechen wir eben .... und auf eine Fortbewegung zu Pferd würde ich die nächsten Tage ohnehin gern verzichten." Sie legt ihren Kopf auf seine Brust und lauscht seinem Herzschlag, während ihre Finger sanft die Linien seiner Muskeln nachzeichnen, von den breiten Schultern bis hinab zu den Hüften. Seine warme Haut scheint ihr das aufregendste und schönste zu sein, was ihre Hände je berührt haben und ihre streichelnden Fingerspitzen kosten jeden einzelnen Millimeter von ihr. Ihn neben sich zu wissen, erfüllt sie mit einem so überwältigenden Glücksgefühl, dass sie glaubt, das Herz müsse ihr zerspringen und ihr ist, als hätte er sie nach einem langen, dunklen Schlaf zum Leben erweckt und ein helles, strahlendes Licht in ihr entzündet.

Angefüllt mit einer wohligen, trägen Mattigkeit und unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren, bleiben sie liegen, bis die Nachmittagssonne sich goldleuchtend in das Zimmer ergießt und Caewlin sich schließlich widerwillig von ihrem Lager erhebt und sich einige Kleidungsstücke zusammensucht. Einen Augenblick lang steht er am Fenster und die Sonne taucht ihn in flüssiges Gold, überflutet seine hochgewachsene Gestalt, die breiten Schultern, die langen Beine mit schimmerndem Licht und lässt sein Haar, das ihm lang und offen auf den Rücken fällt, in dunklem Kupfer leuchten. Er sieht aus, als würde er nur aus Kraft und Muskeln bestehen und Raven kann nicht einmal blinzeln, während sie ihn betrachtet, aus Angst, sie könnte auch nur einen Lidschlag lang seinen Anblick verpassen. "Wenn du dich noch länger da im Sonnenlicht baden willst, dann kannst du dir das Anziehen gleich sparen", tönt es hinter ihm, "weil ich dir in diesem Fall sowieso die Kleider wieder vom Leib reißen werde. Und dann wirst du kriechen, ich schwör's." Kichernd flüchtet sie unter die Felle, als er mit einem Kissen nach ihr schlägt, und dann bleibt sie noch einen herrlich langen Moment liegen, vergraben in weichen Pelzen und Laken und seinem Geruch, während Caewlin grinsend nach draußen verschwindet.

Nach einer Weile hievt Raven sich dann schließlich doch aus dem Bett, ächzend und völlig zerschlagen, gönnt sich eine schnelle Katzenwäsche und schlüpft in Hemd und Hose. Dann tappt sie barfuß und mit aufgelösten Haaren aus dem Zimmer, um zwei inzwischen hellwache Kinder einzusammeln, die die Gunst der Stunde und der mangelnden Aufsicht dazu nutzen, Shaerelas Kinderbett in seine Einzelteile zu zerlegen. Sie klemmt sich Brynden unter den Arm und das vergnügt quietschende kleine Spitzohr unter den anderen und nimmt sie mit ins Esszimmer hinunter, um Shaerela eine frische Windel zu verpassen, wobei sie sich inbrünstig die Zeiten zurückwünscht, in denen sie sich noch krabbelnd fortbewegt hat, denn auf ihren zwei kurzen, stämmigen Beinchen ist Ninianes Tochter nun überhaupt nicht mehr zu halten. Einige Runden muss Raven auf allen Vieren unter dem Tisch und um Stuhlbeine herumkriechen, um diesen quecksilbrigen Wirbelwind wieder einzufangen, der das alles für ein großartiges, neues Spiel zu halten scheint und von Brynden sofort begeisterte Unterstützung erhält. Eifrig klammert er sich an Ravens Knöchel fest, als gelte es das liebe Leben - bis er auf einmal in verzücktes Krähen ausbricht, als ihn völlig unerwartet eine starke Hand am Hosenboden packt und ihn in der Luft herumbaumeln lässt. Sie lächelt, als sie Caewlins Lippen in ihrem Nacken spürt, aber dann weicht das Lächeln Verwunderung, als sie sich aufrichtet und bemerkt, dass er stirnrunzelnd ihre Finger anstarrt. >Ich hatte noch nicht einmal einen Ring für dich.< Fast bedauernd berührt er ihre Hand. "Einen Ring?" Gute Götter... ich habe in meinem Leben noch nie einen Ring getragen. Sie sieht ihn mit großen Augen an - an all diese Dinge hat sie noch keinen einzigen Gedanken verschwendet. Und bei der Geschwindigkeit, in der sich die Ereignisse überstürzt hatten, wäre ohnehin keine Zeit gewesen, daran zu denken. "Du.... du musst mir doch keinen Ring kaufen", stottert sie fast ein wenig verlegen und ihre Blicke verschlingen sich ineinander, als er leise weiterspricht.

>Raven... was ich gestern gesagt habe, war mein Ernst. Ob hier oder im Norden, vor den Flusslords hast du nichts mehr zu befürchten. Wenn ich irgendwann nach Normand zurückkehren muss... wirst du mit mir gehen?< "Ob ich mit dir gehen werde?" Raven starrt ihn einen Moment lang an, als habe er den Verstand verloren. Dann setzt sie Shaerela wieder auf den Boden, verflucht den knappen halben Schritt Größenunterschied, der sie daran hindert, ihm direkt in die Augen sehen zu können, tastet hinter sich, ohne Caewlins Blick loszulassen, zieht sich einen der Stühle heran, steigt hinauf und nimmt sanft sein Gesicht in ihre Hände. "Ob ich mit dir gehen werde? Du dummer Kerl", flüstert sie. "Ich liebe dich und ich werde mit dir bis ans Ende der Welt und durch sämtliche neun Höllen gehen, wenn es sein muss." Sie schlingt die Arme um seinen Nacken und gibt ihm einen langen Kuss und vergisst beinahe schon wieder, dass sie noch die Pergamente unterzeichnen wollen und zwei tatendurstige Kinder durch den Baum hopsen. Mit einem bedauernden Seufzen löst sie sich wieder von ihm und es dauert eine ganze Weile, bis sie schließlich beide Kinder eingesammelt, versorgt und abgefüttert und anschließend selbst etwas gegessen haben, und sich dann mit den Pergamenten, Federkiel und Tintenfass bewaffnet am Tisch in Ninianes Esszimmer niederlassen. Das kleine, eingewickelte Päckchen mit ihrem Namen liegt noch immer unangetastet dort und eine Sekunde lang betrachtet Raven es mit zusammengepressten Lippen und regloser Miene, aber sie rührt es nicht an. Eine vage Vermutung beschleicht sie und sie ahnt bereits, was es enthält, aber sie will sich im Moment nicht damit auseinandersetzen und straft es mit Nichtachtung, stattdessen faltet sie die Schriftrollen auseinander.

Im Grunde ist es keine große Sache und nicht viel Aufwand, einen Namen auf ein Stück Pergament zu schreiben, aber Raven ist angesichts der vielen Unterschriften und der ganzen furchteinflößenden Siegel auf dem Bogen mit einem Mal so nervös und aufgeregt, dass sie schon anfängt, mit der Tinte herumzuklecksen, bevor sie überhaupt den Federkiel richtig in das Fässchen getaucht hat. Caewlin setzt seinen Namen auf das Dokument ohne mit der Wimper zu zucken, dann schiebt er Federkiel und Tintenfässchen zu ihr hinüber und sieht sie erwartungsvoll an. Ravens Wangen überziehen sich mit einer feinen Röte und sie wird plötzlich ziemlich verlegen, weil sie an dem ungewohnten Namen, der zwar ihr eigener, aber fast schon vergessen ist, so lange herumbuchstabieren muss. Sie hat auf einmal so Angst, etwas falsch zu schreiben, dass ihre Hände flattern und sie sich auf jeden Buchstaben einzeln konzentrieren muss - die Haare wirr im Gesicht, eine steile Falte auf der Stirn und die Zunge angestrengt zwischen die Zähne geklemmt, schafft sie es schließlich doch einigermaßen fehlerlos, auch wenn das Gekritzel letztendlich aussieht, als wäre eine besoffene Krähe in das Tintenfass gesprungen und anschließend im Vollrausch über den Pergamentbogen getorkelt. Mit einem tiefen Seufzer streut sie schließlich Löschsand auf die Tinte und schiebt das Pergament von sich. "Der erste Teil, die Ehe zu vollziehen, war entschieden angenehmer", meint sie mit einem schiefen Grinsen und schmiegt sich in seinen warmen Arm. Dann wird ihre Miene nachdenklich und sie richtet den Blick fragend und ein bisschen unsicher auf Caewlin. "Würdest du dich mit deiner Frau auch in die Öffentlichkeit wagen? Wahrscheinlich werden sie sich fürchterlich die Mäuler zerreißen, aber .... was hältst du davon, wenn wir diese zwei Flöhe und die beiden Hunde einpacken und noch einen Abstecher in die Stadt zu dem Fest machen?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 07. Mai 2005, 19:14 Uhr
>Einen Ring?<
"Ein Ring. Du weißt schon, diese kleinen Reifen aus Silber oder Gold, die man auf den Finger steckt und dort trägt, in diesem Fall als Symbol für Ewigkeit und Treue," erwidert er mit sanftem Spott, aber unter ihrem Blick stirbt jede weitere Neckerei. >Du.... du musst mir doch keinen Ring kaufen.< "Nein, vielleicht muss ich das nicht." Er sieht auf sie hinunter und legt den Kopf leicht schräg. "Aber ich will es. Vielleicht will ich dir etwas schenken. Vielleicht will ich, dass du ihn trägst und keinen anderen... als sichtbares Zeichen auf deiner Haut, dass du meine Frau bist." Seine Finger umtasten ihre und er zieht sie ein Stück näher an sich. Er hat Brynden noch immer auf dem Arm, doch als sie Shaerela vorsichtig auf den Boden stellt, lässt er auch seinen Sohn hinunter, während er auf eine Antwort wartet. Würde sie mit ihm gehen? Würde sie im Süden bleiben wollen? Vielleicht würde sie ihr Leben gar nicht auf einer windumtosten Burg am kalten, kalten Nordmeer irgendwo am Rand der Welt verbringen wollen, wo die Sommer kurz sind und die Winter sechs Monde dauern? Vielleicht... Dann jedoch tut sie etwas völlig unerwartetes. Sie angelt nach einem Stuhl, klettert hinauf, geht ihm damit doch tatsächlich bis zum Kinn und er weiß nicht, ob er lachen oder sie vor Rührung festhalten soll. Sie nimmt sie sein Gesicht in ihre Hände und ihre Augen umschließen ihn einen endlosen Moment, ehe sie flüstert. >Ob ich mit dir gehen werde? Du dummer Kerl. Ich liebe dich und ich werde mit dir bis ans Ende der Welt und durch sämtliche neun Höllen gehen, wenn es sein muss.<  Das ist eindeutig ein Ja, sechs Monde Winter mit Schnee, der vierzig Fuß hoch liegen kann, hin oder her, und ihr Kuss besiegelt es. Was mit träger Sinnlichkeit beginnt, wird allerdings sehr schnell so atemlos und hungrig, dass sie sich beinahe auf dem Tisch zwischen Zuckerwerk und Pergamentrollen vor den Augen zweier neugieriger Kinder und noch viel neugieriger Hunde geliebt hätten, ehe sie gerade noch rechtzeitig zur Besinnung kommen und beide erstarren. Einen Moment verharren sie vollkommen reglos, ihre Gesichter einander so nahe, dass sie sich noch immer den Atem teilen, seine Finger zwischen ihrem Haar auf der weichen Haut ihres Nackens, ihre Hände unter seinem Hemd, starren sich wortlos an, die Augen weit und blind, blinzelnd wie Betrunkene, die gerade aus dem Rausch auftauchen.

Sie bricht den Bann, indem sie sich leise und beinahe verlegen räuspert, aber er lässt sie nur widerwillig los, stellt sie auf den Boden und tritt einen halben Schritt zurück. Brynden und Shaerela sitzen in friedlicher Eintracht unter dem Tisch, führen brabbelnde Unterhaltungen und haben keinen Sinn für die plötzliche Dramatik um sich her, aber Caewlin muss trotz der Armlänge Sicherheitsabstand, die er hält, die Hand zur Faust ballen, um sie nicht wieder an sich zu ziehen. Sein Blick irrt über den Tisch - Pergamentfetzen, Urkunden, glasiertes Steingut, Zuckerwerk - ehe er sich ihr zuwendet und sie ansieht. Seine Augen tasten über ihr Gesicht, finden ihren Blick, fangen ihn ein und halten ihn fest. "Aufhören... das ist es, was ich gemeint habe. Ich kann nicht bei dir sein, ohne dich haben zu wollen, und ich kann dich nicht haben, ohne dich wieder haben zu wollen." Sie lächelt ein wenig zittrig, aber ein wenig auch so, als wüsste sie viel zu gut über seine Gedanken bescheid, doch dann dreht sie sich entschlossen nach den Kindern um, die schon wieder den nächsten Unfug aushecken und für eine Weile kehrt sogar so etwas wie Alltag ein... so alltäglich wie ein Nachmittag mit zwei ausgeschlafenen Kleinkindern sein kann. Sie plündern Ninianes Küche und was auf dem Herd noch vom Mittagsmahl übrig ist, verfüttern die ganze restliche Milch mit eingeweichten Hefelaibchen an die Kinder und Caewlin vertilgt obendrein noch alles übrige Brot bis auf den allerletzten Krümel. Nach dem Essen lassen sie die Kinder unter der wachsamen Aufsicht der Hunde spielen und haben Zeit und Gelegenheit, die Urkunden aus dem Anukistempel zu unterzeichnen, um diese Ehe damit endgültig rechtskräftig zu machen. Vierundzwanzig Zeugenunterschriften, du lieber Himmel... Und vermutlich war das noch nicht einmal ganz die Unwahrheit, denn er hätte schwören können, dass sich die Hälfte der Tempeldiener nach dem ersten Schrecken irgendwo im grünen Dämmerlicht hinter den Säulen verborgen gehalten hatte, um dort andächtig Bruder Galberts denkwürdiger, hochfeierlicher Zeremonie zu lauschen. Neben all den Namen der Priester, die ihm rein gar nichts sagen und teilweise recht abenteuerlich klingen, prangen aber auch die Ninianes und Crons. Zeugen, ja. Auch wenn sie nicht die Nacht wachend vor unserer Tür verbracht haben, sondern wir eher die Nacht vor ihrer... Er setzt seinen Namen sicher und rasch auf das dicke, gelbliche Pergament. Auch wenn er inzwischen mit der Linken fast so gut schreibt, wie mit der Rechten, seine Schrift würde für immer ein wenig eckig bleiben. Raven müht sich mehr ab, allerdings nicht, weil ihr in letzter Sekunde Zweifel gekommen wären, sondern mit dem Schreiben an sich und er erinnert sich an ein Gespräch an jenem Tag... an jenem Tag, als er zum ersten Mal wieder aufgestanden war und sie ihm die Zeichnung von Calyra geschenkt hatte.

Ich hab's nie gelernt.
Willst du Schreiben lernen? Irgendwann einmal, meine ich. Mit einem Buchstabenkasten. Wenn du willst, kann ich dir zeigen wie... irgendwann.
Ich kann nur meinen Namen schreiben. Und ein bisschen lesen. Wenn du ... würdest du es mir denn beibringen? Ich würde es gerne lernen. Das würde ich wirklich gern.

Jetzt kämpft  sie mit den einzelnen Buchstaben ihres Namens... ihres wahren Namens, aber Caewlin hat überhaupt keine Augen für ihre Tintenkleckserei, sondern beobachtet ihr Gesicht. Sie hält den Kopf gesenkt, ihre Augen sind schmal, zwischen ihren Brauen ist eine steile Konzentrationsfalte und ihre kleine, rosa Zungenspitze tastet sich selbstvergessen über ihre Unterlippe, während sie entschlossen Linien und Punkte malt und schließlich mit einem erleichterten Seufzen Löschsand über alles streut. >Der erste Teil, die Ehe zu vollziehen, war entschieden angenehmer,< verkündet sie derart indigniert, dass er leise lachen muss, aber bei ihren nächsten Worten wird er ernst.  >Würdest du dich mit deiner Frau auch in die Öffentlichkeit wagen? Wahrscheinlich werden sie sich fürchterlich die Mäuler zerreißen, aber .... was hältst du davon, wenn wir diese zwei Flöhe und die beiden Hunde einpacken und noch einen Abstecher in die Stadt zu dem Fest machen?<
"Ich wage mich mir dir überall hin." Sein Mund streift ihre Schläfe, dort wo ihr Puls dicht unter der Haut pocht. "Ich werde mich nie mit dir schämen, Raven und was die Leute reden war mir schon immer gleich. Außerdem... 'Wo du hingehst'," zitiert er mit einem halben Lächeln, " 'da will auch ich hingehen', aye? Dann zieh dir Schuhe an, wenn du nicht barfuss mit mir tanzen willst, steck die Kinder in saubere Sachen und wir können gehen." Sie brauchen nicht lange, um in ihre Stiefel zu schlüpfen, Brynden und Shaerela eine lederne Tasche mit Ersatzwindeln und Kleidung einzupacken und sie umzuziehen, die Feuer abzudecken und die Pferde in den Stall zu bringen. Dann verlassen sie den Baum mit zwei quietschenden Kindern und hechelnden Hunden, als die Sonne schräg und golden am Himmel steht, der summenden Aufregung und den letzten, trunkenen Stunden eines Inaritages in Talyra entgegen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 08. Mai 2005, 19:44 Uhr
>Ich wage mich mir dir überall hin,< hört sie Caewlin auf ihre Frage antworten und sie verspürt bei seinen Worten ein Gefühl der Erleichterung in sich aufsteigen, auch wenn ihr nicht ganz wohl ist bei dem Gedanken an neugierige Fragen und schiefe Blicke, die unweigerlich kommen werden, sollten sie auf dem Inarifest Bekannte und Freunde treffen. Sie alle wissen von Calyras Tod, seufzt Raven innerlich. Und sie werden sich entweder taktvoll drumherumschweigen oder Caewlin ihr Mitgefühl und Beileid aussprechen und damit alles wieder hochzerren, was nun langsam zur Ruhe gekommen ist. Sie kann damit leben, wenn ihr jemand übel nachredet, sie kann mit anklagenden Blicken und mit Vorwürfen leben und sie weiß, dass ohnehin kaum jemand verstehen wird, was sie getan haben, so schnell, so unerwartet, so überstürzt, und das ist es auch nicht, was ihr Sorgen macht - aber sie fürchtet, dass ihn all das wieder in diesen finsteren Strudel aus Schuld und Bitterkeit und Trauer reißen könnte und eine leise Angst nagt in ihr, dass er beim Gedanken an Calyra seinen Entschluss vielleicht doch noch bereuen könnte. Doch Caewlins Stimme und sein warmer Atem an ihrer Schläfe wischen die unbehaglichen Gedanken vorerst beiseite. >Ich werde mich nie mit dir schämen, Raven und was die Leute reden war mir schon immer gleich. Außerdem... 'Wo du hingehst, da will auch ich hingehen', aye?< Sie wendet den Kopf zu ihm um, küsst seinen Hals und muss all ihre Beherrschung aufbringen, um sich aus seinem Arm losreißen zu können. "Aye", lächelt sie. "Dann lass uns gehen. Ich bin gleich fertig."

Sie nimmt die zappeligen Kinder mit nach oben in Ninianes Schlafgemach und stopft sie in die erstbesten sauberen Kleidungsstücke, die ihr in die Finger fallen, packt eilig einige notwendige Utensilien zusammen, die sie für die beiden mitnehmen müssen, fängt ein halbes Dutzend Mal die herumhüpfende Shaerela ein und antwortet geduldig auf Bryndens tausendundeine "Wiesoweshalbwarum"-Fragen ... und er will wirklich alles wissen: wo sie hingehen und warum und wie lange und weshalb da ein Fest ist und ob er sein Holzschwert mitnehmen kann und ob es dort Ritter gibt und ob sie Honigwaffeln bekommen und wer Inari ist und ob sie auf den Pferden reiten dürfen und wie weit es ist und ob Akira mitdarf und so weiter und so fort .... bis Raven sich in schierer Verzweiflung die Haare rauft, weil sein eifriges kleines Mundwerk einfach nicht stillstehen will und weil die hibbelige Aufregung der Kinder zudem schrecklich ansteckend ist. Als sie die rutschenden Windelpakete der beiden schließlich so festgezurrt und gesichert hat, dass sie an ihren winzigen Hinterteilen auch einen mittleren Wirbelsturm überleben würden, ohne davonzuflattern, sie in ordentliche Sachen gesteckt und ihre Gesichter und Finger von Schmutzrändern, Krümeln und klebrigen Milchresten befreit hat, macht sie sich mit den beiden wieder auf den Weg nach unten.

Im Hinausgehen bleibt ihr Blick einen flüchtigen Wimpernschlag lang an Ninianes großem Spiegel hängen und sie ist schon halb aus dem Schlafgemach, als sie innehält, noch einmal zwei Schritte zurückgeht und verwundert auf das Bild starrt, das ihr entgegenblickt - und es ist nicht das kleine schwarzlockige Zappelding mit seinem dämonischen Vierzahngrinsen auf ihrem Arm, das sie noch einmal genauer hinsehen lässt, sondern die Frau dahinter, die ihr auf einmal völlig verwandelt erscheint, obwohl sie nicht sagen kann, was genau sich verändert hat. Götter, bin ich das? Das Gesicht ist noch genau das gleiche wie gestern, aber wo ist der ewig grimmige Ausdruck? Ihre verschlossene Miene? Die gerunzelte Stirn? Der angriffslustige Blick? Die kleinen giftigen Stacheln? Aus dem Spiegel blickt ihr mit leuchtenden Augen ein Wesen entgegen, das so frischgeküsst aussieht, dass es ein Blinder auf zehn Schritt Entfernung noch sehen könnte. Was hat dieser Mann nur mit mir angestellt? kann sie nur still den Kopf schütteln und prompt landen ihre Gedanken wieder bei Caewlin und ihr Herzschlag beginnt sich zu beschleunigen, ohne dass sie auch nur irgend etwas dagegen tun kann.

>Aufhören... das ist es, was ich gemeint habe. Ich kann nicht bei dir sein, ohne dich haben zu wollen, und ich kann dich nicht haben, ohne dich wieder haben zu wollen.< Seine Worte hat sie noch deutlich im Ohr. Und sie weiß genau, was er gemeint hat, denn ihr selbst geht es keinen Deut anders. Sie kann ihn nicht einmal ansehen, ohne dass ihr Herz schneller schlägt und sie kann ihn nicht berühren, ohne gleichzeitig den Wunsch zu verspüren, ihm so nah zu sein, dass keiner von ihnen mehr weiß, wo der eine anfängt und der andere aufhört. Es ist noch nicht allzu lange her, dass sie ihr Herz noch hinter hohen Mauern aus Schmerz und Bitterkeit verborgen hatte, bis ihr einstiger Gefährte sich zögerlich zu einer kleinen Pforte in diesem stachligen Schutzwall vorgetastet und sie einen Hauch geöffnet hatte, so wie ein leiser Luftzug eine Tür einen winzigen Spaltbreit aufdrücken würde. Doch was nun gegen diese Mauern anbrandet, gleicht eher der Sturmgewalt eines Orkans und rennt sie einfach nieder, reißt die Türen aus den Angeln und anstatt zu flüchten, stellt sie sich noch mitten hinein in den brüllenden Wind, der ihr völlig den Atem raubt und sie in sämtliche Einzelteile zerfleddert - und sie genießt es auch noch. "Raven Schattenhaar, du bist völlig verrückt ...", seufzt sie und ihre innere Stimme gibt ihr auch noch uneingeschränkt Recht und ergänzt den angefangenen Satz: ... und verrückt nach diesem Kerl, der sich mit einem halben Lächeln deinen Verstand, deinen Körper und dein Herz geraubt hat.

Ihr Blick wandert von ihrem Spiegelbild fast ein wenig wehmütig zu den unzähligen Gewändern der Waldläuferin, die überall im ganzen Raum verteilt sind, auf dem Bett, über Sessellehnen und an den Schranktüren hängend, achtlos auf die Zedernholztruhen geworfen - raschelnde, schimmernde Haufen seidigen Stoffes. Und obwohl Raven sich im Grunde nichts aus solchem Tand macht - in diesem Augenblick hätte sie sich für ihn doch gern ein wenig schön gemacht. So bleibt ihr nur, ausnahmsweise einmal auf den obligatorischen Zopf zu verzichten und sich das Haar auszubürsten, bis es ihr weich und glänzend über den Rücken fällt. An ihrer Kleidung jedoch kann sie nicht viel ändern und sie tut es mit einem lapidaren Schulterzucken ab. "Er wird eben so mit mir Vorlieb nehmen müssen. Und jetzt kommt mit, ihr kleinen Monster, wir sind hübsch genug. Und Caewlin wartet bestimmt auch schon auf uns."

---> Straßen der Stadt

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. Mai 2005, 22:50 Uhr
In der Inarinacht


"Cron.... die Kinder schlafen und werden bestimmt auch nicht aufwachen und Caewlin und Raven müssen dringend ein paar Takte reden... wenn sie denn reden. Hast du ihre Gesichter nicht gesehen?" Eine wedelnde Handbewegung lässt den Schein der Laternen ihres Baumes zu einem schwachen Glimmen abflauen, während sie die Stufen hinaufsteigt und die Tür nach einem leise geflüsterten "Ijon" nach Innen aufschwingt. Brynden regt sich kurz, wacht aber nicht auf und Niniane klopft ihm sacht den Rücken. "Schsch...schon gut, Kleiner. Schlaf schön weiter, ja?" >Außer dir habe ich überhaupt nichts gesehen,< tönt es leise hinter ihr und sie lächelt langsam, während sie hüftschwingend im Dunkel ihres nach Pflaumenblüten und Zedernholz duftenden Heimes verschwindet. "So? Dann sieh besser noch einmal genau hin, denn ich muss erst einmal diesen kleinen Quälgeist ins Bett bringen." Sie trägt Brynden in den Raum, der seit der Sithechnacht Ravens und Caewlins Heim hier im Baum geworden war, während Cron Shaerela mit einem so theatralischen Seufzen nach oben bringt, dass sie leise lachen muss. Sie will Brynden nicht mit seiner feuchten Windel hinlegen, also muss sie ihn noch einmal halb aufwecken, um ihm eine frische Hose zu verpassen. Caewlins Sohn reibt sich schlaftrunken die Augen, ist aber so müde, dass er willenlos alles mit sich geschehen lässt. Nur einmal hebt er blinzelnd den Kopf, die blaugrünen Augen voller Träume und fragt nuschelnd nach seiner "Wäiven."
"Pssst... Raven und dein Vater kommen nach, sie feiern noch ein bisschen. Akira ist auch hier, sieh mal, du kannst ganz beruhigt weiterschlafen. Schlaaf weiter... schlaaaf weiter..." so hypnotisch wie möglich säuselt sie flüsternd auf ihn ein, während sie ihm eine frische Windel umlegt, ihn aus seinem verklebten Hemdchen schält und ihm sein Schlafkittelchen überzieht. "So, jetzt sind wir bettfertig." Die riesige Bluthündin tappt vor den Kamin und lässt sich auf den Pelzen davor nieder, während Stelze sich an ihrem breiten Rücken zusammenrollt, so dass die beiden in der Dunkelheit aussehen, als hätte jemand einen riesigen, grauschwarzen Fellberg aufgetürmt. Brynden hat weder Augen noch Ohren mehr für irgendwelche Hunde. Er tastet nur noch nach seinem Stoffhäschen, als Niniane ihn in sein kleines Bett steckt und ihm die Decke bis zur Nasenspitze hochzieht, dann ist er weg.

Shaerela erweist sich als nicht so gnädig. Als sie Brynden verlässt und ins Kaminzimmer hinübergeht, um die Glut des Feuers dort unter weicher, weißgrauer Asche neu anzufachen, hört sie Cron oben leise und beruhigend auf ihre Tochter einsprechen, die mit unwilligen, schlaftrunkenen Lauten ihrem Ärger Luft macht, mitten in der Nacht geweckt zu werden – vermutlich ebenfalls, um eine frische Windel verpasst zu bekommen. Niniane wirft ein paar Handvoll Kienspäne in die rote Glut und legt dann trockenes Birkenholz nach. Sie fühlt sich angenehm fließend, so als schwebe sie leicht und sie spürt den Nachhall all der Stimmungen des vergangenen Abends noch in sich. Shugorn flattert von seinem Sitz über der Tür herbei, holt sich ein paar Streicheleinheiten, bettelt um Korn und pickt dann am Fenster, um hinausgelassen zu werden. Sie öffnet ihm die blattförmige Scheibe und der Rubinrabe flattert krächzend in die Nacht hinaus, während angenehm kühle Luft vom See her hereinströmt. Weit draußen über dem Ildorel schimmert ein runder, goldener Mond in einer Lache aus gelborange und die Sterne schmieden glitzernde Muster ins Mitternachtsblau. Beim Gedanken an all die frivolen Tischgespräche und  die anzüglichen Bemerkungen, die sie sich gegenseitig an den Kopf geworfen hatten, könnte sie immer noch kichern - Borgils Gesicht, als sie Caewlin das zerstoßene Eis zugeschoben hatte, würde sie in tausend Jahren nicht vergessen. Und Morganas völlig entgleiste Miene, als die Heilerin von Caewlins und Ravens Heirat erfahren hatte, erst recht nicht. Ich konnte ja selbst kaum glauben, dass er meinen... sagen wir schwesterlichen Rat gleich wortwörtlich befolgt... und das außerdem noch auf der Stelle... Sie denkt jedoch ebenso an all die warmen, vertrauten Empfindungen, die hin- und hergeschwirrt waren, an die tiefe Verbundenheit zwischen ihnen allen und hat zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Gefühl, dass trotz Elend und Schrecken letztlich alles gut werden könnte... Und dass im Großen und Ganzen alles im Leben zum Teilen da ist. Cron kommt die Treppe herab, gerade als sie ihren Gedanken nachhängend am Fenster steht und in die Nacht hinaussieht. Als sie ihn hört, dreht sie sich um und winkt ihn zu sich. "Komm her und sieh dir das an."

Er tritt hinter sie und sie schmiegt sich in seine Arme. In der Bucht am Strand unten gleiten lautlos und ruhig zwei Schwäne vorbei. Im seltsam gelben Mondlicht wirken ihre weißen, eleganten Körper, als wären sie mit Goldstaub überzogen und so ätherisch, als schwebten sie über das dunkle, kristallene Wasser. "Ich liebe dich." Sie spürt, wie er kurz erstarrt, dann langsam und tief ausatmet und seine Arme sich fester um sie schließen. "Ich weiß, ich sage es nicht oft... viel zu selten. Aber deswegen ist es nicht weniger wahr. Cron..." von einem ziemlich plötzlichen Drängen und einem selbst für sie völlig überraschenden Gefühlsumschwung getrieben, dreht sie sich zu ihm um und sieht ihn an. "Ich muss mich bei dir entschuldigen," platzt sie heraus und sprudelt ohne auch nur einmal Atem zu holen weiter. "Unbedingt. Es tut mir so leid." Ihre Hände legen sich auf seine Brust, als wolle sie ihn wegschieben, aber sie krallt sich fest in sein Hemd. "Es tut mir so leid. Ich habe mir so lange eingeredet, nichts für dich zu empfinden. Ein ganzes kostbares Jahr habe ich verschwendet. Und dann... selbst, als ich Shaerela schon unter dem Herzen trug, habe ich es dir nie gesagt, nie, obwohl ich es schon die ganze Zeit wusste. Nicht, als du in die Schlacht geritten bist und nicht, als wir nach Sherershen So'tar gingen. Und als du... als du mich gebeten hattest, deine Frau zu werden, habe ich Nein gesagt, obwohl ich hätte Ja sagen sollen... müssen... wollen, und dann bist du fortgeritten und ich hatte es dir immer noch nicht gesagt und wenn du nicht... wenn du nicht wiedergekommen wärst, dann... Ich liebe dich. Wirklich."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 12. Juni 2005, 22:12 Uhr
Cron hatte schon geglaubt, Shaerela schlafe nie wieder ein, bis sie sich endlich wieder wegdöst. Unten im Kaminzimmer findet er Niniane am weit geöffneten Fenster. Sie steht sehr still, die Arme vor der Brust verschränkt, nicht mehr als ein blasser Schemen in der Dunkelheit und das silbriggoldene Mondlicht glänzt in schimmernden Schlieren auf den Schleiern ihrer Röcke. >Komm her und sieh dir das an.< Er tritt hinter sie, legt seine Arme um ihre Mitte und stützt das Kinn auf ihr weiches Haar... sie ist soviel kleiner als er, dass er es bequem auf ihren Kopf legen kann, wenn sie vor ihm steht. Die Schwäne gleiten durch Säulen weichen gelben Mondlichts und tiefe Schatten, so entrückt und unwirklich wie Wesen aus einer Feenlegende, und einen Moment lang halten sie beide den Atem an. Ihr leises "Ich liebe dich" lässt ihn tief und langsam Atemholen und wärmt ihn bis in die Zehenspitzen - ihr folgender Wortschwall kommt jedoch ziemlich überraschend und ist obendrein reichlich verwirrend, aber er rührt ihn auch zutiefst, obwohl es ihn einige Beherrschung kostet, nicht zu laut loszuprusten. Hin- und hergerissen zwischen Rührung, Verlangen, Liebe und einem Lachanfall, schafft er es immerhin, sich soweit zu bezwingen, dass nur seine Mundwinkel amüsiert zucken. Er sieht in ihre sinnverwirrend goldenen Augen von einem fast heiligen Ernst erfüllt und nimmt ihr aufgewühltes Gesicht schließlich in beide Hände, um sie zu beruhigen. "Cariad, du hast doch nicht etwa zuviel getrunken, oder doch?" Er neigt den Kopf und küsst sie, gründlich genug, um selbst betrunken zu werden, wenn sie es denn wäre, aber er kann nur noch ein schwaches Echo von Sommerwein auf ihrer Zunge schmecken. "Nein, bist du nicht. Schscht," er legt seine Daumen auf ihren Mund, bevor sie mit ihrer Selbstkasteiung fortfahren kann.


"Ich habe es dir auch nicht gesagt und es doch die ganze Zeit über getan. Ich redete mir ein, es unbedingt erst aus deinem Mund hören zu müssen und kam mir sehr schlau dabei vor - und das nur, weil ich zu stolz war, es auszusprechen. Einen schönen Narren habe ich aus mir gemacht... und aus dir auch. Ich weiß, dass du mich liebst," fährt er leise fort und in seiner Stimme liegt keinerlei Selbstgefälligkeit. "Ich sehe es in deinen Augen, wenn du mich ansiehst und ich höre es in deiner Stimme, wenn du meinen Namen sagst und ich kann es spüren, wenn du mich berührst... das ist meine Gewissheit. Und nur die brauche ich. Ich muss es nicht dauernd von dir hören..." ein winziges Zögern schiebt sich zwischen seine Worte, ehe er mit einem belustigten Schniefen fortfährt, "ein halbes Dutzend Mal am Tag, würde mir schon vollkommen... autsch!" Sich stellt sich kichernd auf die Zehenspitzen und beißt ihn, sanft, aber nachdrücklich, und ihr leises, heiseres Lachen verklingt erst, als sie ihre Zähne dankenswerterweise wieder von seiner Haut nimmt. "So ist das also... beißen, hmmm?" Seine Hände wandern über ihren Rücken und in ihren Augen ist ein seltsamer Glanz, noch sehr viel rätselhafter als sonst, als er ihr Mieder aufschnürt, so bernsteindunkel, als scheine eine Kerzeflamme durch ein Honigglas. Die bestickte Seide landet achtlos auf dem Boden, ebenso wie nach und nach seine Kleidung, während er sie langsam rückwärts aus dem Raum und dann die Treppe hinaufdrängt. Sich vor einem Kamin auf weichen Fellen im flackernden Schein prasselnder Flammen zu lieben, ist furchtbar romantisch. Vor der grauen Asche einer kalten Feuerstelle ist es das allerdings schon weniger und außerdem ist der Boden des Kaminzimmers großflächig mit dem verstreuten Inhalt einer geleerten Spielzeugkiste gepflastert... davon, dass Raven und Caewlin irgendwann auftauchen würden, ganz zu schweigen. Ihre Röcke, ihre Seidenstrümpfe und ihr Untergewand folgen und hinterlassen eine Spur aus glänzenden Stoffstücken auf ihrem Weg, bis auch die hauchzarte Spinnwebseide ihrer Leibwäsche, so dünn und durchscheinend wie die Flügelmembrane frischgeschlüpfter Schmetterlinge, unter den Schwielen seiner Hände reißt und in die Dunkelheit davon weht.

Auch ihr  Schlafgemach unter der ausladenden Baumkrone ist halbdunkel, nur erhellt von den winzigen Lichtern, die wie Glühwürmchen aus Gold in den weißen Blüten leuchten, die sich um den Durchgangsbogen zum Botanikum ranken. Er vergräbt sein Gesicht an ihrem Hals, in ihrem Haar, an ihrer weichen Haut, drängt sie zum Bett, hebt sie hoch, taucht in sie ein und füllt sie aus. Dann sind sie verschmolzen im ewigen Gleichmaß aus Fleisch und Bewegung, das sie irgendwo zwischen gierigem Hunger und dem Wunsch, es auszukosten, gefangen hält. Sie lieben sich den Rest der Nacht hindurch an der verschwommenen Grenze von hellhöriger Rücksichtslosigkeit, sinnlicher Zartheit und wildem Verlangen, bis sie ein Fleisch und ein Gedanke und zwei Herzen sind, die im Takt schlagen... und sich mit der heraufziehenden Dämmerung die Schranken zwischen ihren schweißnassen Körpern und ihren verwundbaren Seelen schließlich vollkommen verwischt haben. Eingehüllt in leichte Sommerdecken und die Wärme, die von Ninianes schlankem Körper ausgeht, träge vor Liebe, und so satt und zufrieden wie ein Kater in einer lauen Sommernacht, liegt er wach neben ihr und beobachtet, wie der Tag anbricht. Er ist zu müde, um aufzustehen und zu wach, um wirklich einzuschlafen, also lauscht er mit halbem Ohr auf die Geräusche der erwachenden Welt und hängt seinen Gedanken nach. "Cariad... "

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 13. Juni 2005, 22:13 Uhr
Vom Smaragdstrand zum Baum



>Steh auf. Es ist kalt.< "Kannnichtaufstehen," murmelt er in ihren halbgeöffneten Mund, während ein Chor fernes Vogelgezwitscher penetrant an seine Ohren dringt. Er will es ignorieren und er will auch die Augen nicht öffnen, wenn ihr Mund dafür noch länger so köstlich sacht über seinen wandert, um ihn zu wecken - auch wenn allmählich die Erkenntnis durchsickert, dass es Morgen sein muss. Schon? Er hat das Gefühl, vor einem Herzschlag erst die Augen geschlossen zu haben, aber dann ist überhaupt nicht mehr wichtig, ob es gestern oder heute, Morgen oder Mitternacht ist, oder ob nebenbei gerade die Welt untergeht. Sie räkelt sich frierend, dehnt und streckt sich und drängt sich dann auf der Suche nach Wärme noch näher an ihn. "Unmöglich," erklärt er im Brustton der Überzeugung, halberstickt von ihrer Haut, während er seine Nase mit ihrem Geruch und seinen Mund mit ihrem Geschmack füllt und seine Hand über ihren Rücken wandert, an ihrer Wirbelsäule entlang tastet, über Schulterblätter und Rippenbögen, die Rundung ihrer Hüften und ihren kleinen, runden Hintern streicht und alles davon in Besitz nimmt. Als der breite Eisenring an seinem rechten Handgelenk, noch kalt von der Nachtluft, sie berührt, zischt sie überrascht, aber dann nimmt sie seine handlose Rechte und hält sie an ihr Herz. "Istnichtkalt," schnurrt er und vergräbt seine Nase in ihrem Haar, an ihrem Hals auf der Suche nach den weichen, geheimen Stellen und den pulsierenden Vertiefungen unter ihrem Ohr. "Kanngarnichtkaltsein. Kannichbeweisen," fährt er leise und ein wenig heiser fort ohne die Augen zu öffnen und presst sie an sich. "Aye?" Sie liegt in seinen Armen und er wärmt sie mit seiner Haut und seinem Atem und mit noch etwas ganz anderem, bis sie aufhört zu zittern, nur um gleich darauf von vorn damit zu beginnen - allerdings aus einem völlig anderen Grund. Danach hält er sie fest, sein Gesicht in ihrem Haar vergraben und spürt in Gedanken noch immer den Nachhall der vergangenen Stunden, alles, was sie geteilt hatten, alles, was er ihr offenbart und sie ihm dafür gegeben hatte.

>Ich liebe dich, Caewlin, und ich will bei dir sein, ich...< Sie hatte sich gegen ihn gedrängt und er hatte in ihrer Stimme, im Zittern ihres Atems gehört, was sie wollte, noch bevor sie es ausgesprochen hatte. Er hatte es durch ihre Fingerspitzen gespürt, als sei ihre Sehnsucht überall dort, wo sie ihn berührt hatte, auf ihn übergegangen, als wäre sie durch Haut und Fleisch direkt in sein Blut gesickert - und die Intensität seiner Reaktion darauf, hatte ihn um Selbstbeherrschung ringend mit den Zähnen knirschen lassen. Sie hatte sein Hemd abgestreift, sich an ihn geschmiegt, ihre Arme um seinen Hals gelegt und seinen Kopf zu ihrem hinabgezogen. Flau im Magen und mit einem Körper so schwer wie Blei hatte er noch halbherzig versucht, es ihr auszureden, benebelt vor Verlangen. "Nej, Raven... nicht. Wir können nicht... du bist und... ich will dir nicht... " Wehtun, hatte er eigentlich sagen wollen, aber seine Worte waren vergebens gewesen, denn sie hatte ihn nicht losgelassen und unter ihrer Berührung war sein Widerstand in sich zusammengefallen wie ein Kartenhaus im Wind. Ihr Kuss war so berauschend in seiner Sanftheit und verheerend in seinem Hunger gewesen und jeder Gedanke daran, es nicht zu tun, um sie zu schonen, hatte sich in einem Strudel willenloser Lust verflüchtigt wie Morgennebel in der Sonne. >Komm zu mir ... jetzt .... bitte...< hatte sie geflüstert und ihn mit sich in ein Bett aus Moos und Waldfarn gezogen, ihre Haut so blass und glatt wie Mondstein in der Dunkelheit. Und dann hatten sie sich den  Rest der Nacht hindurch geliebt, bis die reine Erschöpfung ihnen Einhalt geboten hatte und sie sich gefühlt hatten, als würden ihre Knochen schmelzen... und so fühlt er sich im Großen und Ganzen noch immer.

Sie stehen erst auf, als die Sonne den östlichen Himmel in Brand steckt und den Rand des Hains, ihre Lichtung und den ganzen Smaragdstrand in Gold taucht und im Licht des anbrechenden Tages suchen sie mit nichts als grüngoldenen Sonnensprenkeln am Leib zwischen Rainfarn und Waldgras nach den Resten von Ravens Kleidung. Was sie schließlich finden, ist jedoch nicht einmal mehr gut genug für einen Flickenlumpen. >Du schuldest mir ein Hemd,< verkündet sie und er reicht ihr seines. Es ist so groß, dass sie es bequem auch als Kleid tragen könnte, aber sie schlüpft dennoch in ihre Hosen. "Aye. Genaugenommen sogar zwei," erwidert er mit einem ganz und gar unreuigen Grinsen, zieht sie an sich, hebt sie ein Stück vom Boden und küsst sie. "Also gehen wir einkaufen, damit du armes Weib nicht in Lumpen gehen musst." Er stellt sie wieder auf die Füße und bindet seine Stiefel zusammen, um sie über die Schulter zu legen - seine Strümpfe hat er beim besten Willen nicht mehr gefunden. Sie suchen sich ihren Weg entlang des Waldrandes und schlendern dann Arm in Arm über den breiten, schneeweißen Strand hinauf nach Norden. >Du musst mir mehr erzählen: Wenn du es erzählen willst. Auch das, was im Krieg passiert ist. Aber erst brauche ich ein ordentliches Frühstück.< Er nickt, sein Magen knurrt bei dem Wort "Frühstück" allerdings so laut, dass sie es hört und sie lächeln beide. "Hmm. Und ein Bad." Sie hat ihren Kopf gehoben, um ihn anzusehen und er blickt auf sie hinunter. Die Sonne wirft Goldstaub auf ihre Haut und in ihren Haaren hängen kleine Zweige, Reste von Farnwedeln und Schlüsselblumenblüten. Er pflückt ein kleines grünes Blatt heraus und hält es ihr unter die Nase. "Und dein Hintern ist auch grün," fügt er leise mit einem halben Lächeln hinzu. "Das kommt davon, min koerlighed, wenn man die Nacht nackt im Moos verbringt."

"Grün?" Echot sie zweifelnd und verrenkt sich den Hals, als könne sie durch Hemd und Hosen ihre Kehrseite sehen. "Grün," bestätigt er. "Soll ich es dir beschreiben? Es ist ein hübsches Muster aus einem Dutzend schöner, moosgrüner Grasflecken, mit Abdrücken wie von kleinen Farnblättern und..." Sie stößt ihm ihren Ellenbogen in die Seite und wird tatsächlich rot, als würde sie sich plötzlich daran erinnern, dass er noch sehr viel mehr getan hatte, als sich ihren Hintern nur genau anzusehen. Er lacht leise, beugt sich zu ihr hinunter und küsst sie, während er sie die Böschung mit den wilden Erdbeeren hinaufdrängt, auf deren Kamm sich Ninianes Baum erhebt. "Wenn es dich beruhigt," flüstert er in ihren Mund, während sie sich rückwärts die Steigung empor tastet, bis ihre Gesichter auf gleicher Höhe sind, "sieht meiner vermutlich keinen Deut besser aus." Einen langen Augenblick bleiben sie einfach stehen, küssen sich selbstvergessen im weichen Licht der Morgensonne, ihre Schatten auf dem weichen grünen Smaragdgras zu einem einzigen verschmolzen. An ein Bad im brodelnd heißen Wasser von Ninianes Quelle ist ohne einen Zauber der Waldläuferin, der die Temperatur auf das Maß Normalsterblicher abkühlen würde, nicht zu denken, aber Niniane scheint wie alle restlichen Baumbewohner noch zu schlafen, und sie haben beide wenig Lust darauf, erst eimerweise kaltes Seewasser vom Ildorel heranzuschaffen, also begnügen sie sich mit einer Katzenwäsche an dem dampfenden Steinbecken. Die Sonne lässt den gewaltigen Stamm des Baumes und seine Wurzeln glühen und färbt seine Krone mit Purpur und Feuer, doch in seinem Inneren ist alles noch ruhig. Im Vorraum finden sie eine Spur von Kleidungsstücken, die aus dem Kaminzimmer die Treppe hinaufführen, stumme Zeugen der vergangenen Nacht und tauschen einen vielsagenden Blick über einen Seidenstrumpf und schwere Hosen aus weichem Kalbsleder hinweg. Dann tappen die Hunde heran, strecken sich, jappen gähnend und streichen ihnen wedelnd um die Beine - zu ihrem Glück ist selbst der sonst so überschwängliche Stelze noch morgenmufflig und begnügt sich damit, Raven die Haut von den Beinen zu fetzen, ohne dabei Serenaden zu heulen und somit den ganzen Baum aufzuwecken.

Caewlin scheucht die beiden hinaus auf die Lichtung und nimmt sie mit zum Stall hinauf, wo er die Pferde tränkt und dann zum Grasen hinauslässt, während Raven nach Brynden sieht, der noch tief und fest schläft und dann etwas von Omelett murmelt. Als er in den Baum zurückkommt, findet er sie in der Küche. Aus dem Herd steigt der aromatische Geruch nach anbrennendem Birkenholz auf und in einer gusseisernen Bratpfanne verflüssigt sich langsam ein Stück Butterschmalz. "Hier, sieh mal." Er hat Ninianes zukünftigem Hühnervolk sieben Eier abgenommen und Raven pflückt sie ihm vorsichtig aus den Fingern, die er nicht bewegen kann, ohne seine kostbare Fracht dabei zu zerdrücken. Sie brät Zwiebeln, Lauch und ein paar Würfel geräucherten Schinkens an, verrührt die Eier mit einem Schuss Milch, würzt sie mit Salz und Pfeffer und gießt sie dann zischend in die Pfanne, die sie ganz an den Herdrand stellt. Er steht im Durchgang zur Küche, sieht ihr zu und ihm kommt ein Gedanke, den er bisher noch nie zu Ende gedacht hat. "Raven..." Er tritt zu ihr, hebt sie hoch und setzt sie auf die Anrichte neben dem Spülstein, damit sie ihm ins Gesicht sehen kann. "Wo werden wir leben? Ich meine, hier können wir nicht ewig bleiben und..." er verstummt und nimmt ihre Hände in seine. "Ich würde dich gern mit nach Hause nehmen. Ins Seehaus. Aber ich weiß nicht, ob du das willst. Ich wollte sowieso hinreiten in den nächsten Tagen.... ich werde es ausräumen lassen, das hätte ich ohnehin getan. Zu viele Erinnerungen, als dass ich darin leben könnte, aber ganz aufgeben will ich es nicht, schon wegen Brynden nicht. Er hat soviel verloren, dass sein Zuhause nicht auch noch darunter sein muss, also dachte ich mir: mach reinen Tisch und fang ganz neu an. Aber wenn du nicht... nicht in einem Haus mit uns leben willst, das Cal gehört hat, dann sag es und wir suchen uns etwas anderes."


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 15. Juni 2005, 09:14 Uhr
Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis sie sich von der kleinen, stillen Lichtung am Smaragdstrand und voneinander hatten losreißen können, und Raven hatte feststellen müssen, dass es eine sehr ausführliche Angelegenheit sein kann, einen schlafenden Nordmann aufwecken zu wollen - und eine aufregende noch dazu. Nach seinem heiser geflüsterten >Kanngarnichtkaltsein. Kannichbeweisen.< hatte Caewlin sie auch prompt davon überzeugt, dass er nicht nur leere Worte macht und sie hatte besagten Beweis mehr als deutlich gespürt, noch bevor er den Satz ganz zu Ende gemurmelt hatte. An Aufstehen war überhaupt nicht zu denken gewesen - nicht mit seinem verlockenden Körper an ihrem, seiner warmen Haut und seinem seidenweichem Haar unter ihren Fingern, seinem Mund auf ihren Lippen und einem so köstlichen Versprechen als Hinderungsgrund. Als sie nach einer geraumen Weile schließlich doch noch mit einträchtlich knurrenden Mägen und Sand zwischen den nackten Zehen den Baum der Waldläuferin erreichen, hat sich die Morgensonne schon ein ganzes Stück weit über den Ildorel empor geschoben und überflutet seine glitzernde Oberfläche, den Strand und den gewaltigen Baumriesen mit weichem, goldenen Licht. Während sie die letzten paar Schritte durch den feinkörnigen, weißen Sand stapfen und der Gedanke an ein reichliches Frühstück lockt, zupft Caewlin ihr kleine Blätter aus dem Haar und hält ihr eines davon unter die Nase, wobei er einen Mundwinkel zu einem Lächeln kräuselt. >Und ein Bad<, schlägt er mit so unschuldiger Miene vor, dass sie kichern muss, und mit einem Blitzen in den Augen fügt er noch hinzu: >Und dein Hintern ist auch grün. Das kommt davon, min koerlighed, wenn man die Nacht nackt im Moos verbringt.< Als er dann allerdings anfängt, eine sehr detaillierte Beschreibung ihres Hinterteils abzugeben, die sie lebhaft an die vergangene Nacht erinnert und an all das, was zwischen ihnen geschehen war und was sie getan hatten, wird sie vor Verlegenheit rot bis zu den Haarwurzeln und boxt ihn unsanft in die Rippen.

Obwohl sie sich in den letzten Tagen so vertraut geworden sind, verspürt sie in diesem Augenblick ein Gefühl der Scheu und auch eine leise Unsicherheit, weil sie irgendwo in ihrem Inneren Angst hat, vielleicht etwas falsch gemacht oder ihn enttäuscht zu haben in ihrer himmelschreienden Unerfahrenheit. Niemand ist ihr je so nahe gekommen wie Caewlin, niemandem hat sie je so viel von sich preisgegeben, niemand hat je ein solches Verlangen in ihr geweckt. Niemand hat sie jemals so berührt wie er. Nicht so. Mit kraftvollen und zugleich unendlich zärtlichen Fingern, mit weichen Lippen, mit seinem ganzen Körper. Allein der Gedanke daran lässt ihr das Herz im Hals hämmern und sie wendet verlegen den Blick ab. Caewlin lacht nur, ein tiefes, weiches Lachen, küsst sie und schiebt sie rückwärts die steile Böschung hinauf, bis ihre Gesichter sich auf gleicher Höhe finden und er zwischen zwei Küssen murmelt: >Wenn es dich beruhigt, sieht meiner vermutlich keinen Deut besser aus<. "Das glaube ich erst, wenn ich es sehe", flüstert Raven atemlos an seinen Lippen und berauscht sich an seinem Geschmack. "Ich werde mich nachher wohl am besten selbst davon überzeugen." Sie muss die Augen schließen, weil sein Mund sie ganz schwindlig macht und es dauert eine halbe Ewigkeit, bis aus ihren nahtlos verschmolzenen Schatten wieder zwei einzelne werden. Das ersehnte Bad an der dampfenden Quelle zwischen den Baumwurzeln fällt dann allerdings sehr dürftig aus, denn das Wasser im Becken ist so siedendheiß, dass es jedem außer der Waldläuferin das Fleisch von den Knochen schälen würde. Stattdessen wenden sie sich gleich dem Baum zu, wehren die verschlafene Wiedersehensfreude zweier Hunde ab und amüsieren sich im Stillen über die Spur aus achtlos hingeworfenen Kleidungsstücken, die quer durch den Baum und die geschwungene Treppe hinauf ins Obergeschoss führt. Mit einem Seufzer der Erleichterung stellt sie fest, dass Niniane und Cron sich den Abend des Inarifestes zum Glück nicht durch die beiden Kinder hatten verderben lassen, die sie ihnen kurzerhand einfach überlassen hatten und ihr schlechtes Gewissen deswegen ist wenigstens halbwegs wieder beruhigt. Ihr knurrender Magen allerdings noch lange nicht und mittlerweile ist sie so hungrig, dass sie auf der Stelle Ninianes gesamte Speisekammer leerfuttern könnte, so dass sie beschließt, sich schleunigst auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen.

Auf dem Weg in die Küche hält Raven allerdings an der Eingangstür inne, durch die Caewlin gerade mit den beiden Hunden nach draußen verschwindet. Sie lehnt sich in die Rundung des verzierten Türrahmens und blickt ihm nach, als er den schmalen, sonnengefleckten Weg zum Stall hinaufgeht. Einen Herzschlag lang schiebt sich ein Bild vor ihr inneres Auge und sie fühlt sich an den kristallklaren, bitterkalten Tag im Eisfrostmond erinnert, an den Tag, an dem er nach endlos langen Wochen zum ersten Mal wieder den Baum verlassen hatte, nachdem sie aus dem Kanal zurückgekehrt waren. Den Ausdruck in seinen Augen würde Raven niemals vergessen können. Es war nicht ein Funken Lebensmut mehr in ihnen gewesen, nur eine tiefe, stille Verzweiflung und eine abgrundtiefe Leere, die ihr mehr Angst gemacht hatte als alles andere. Sie hatte um sein Leben gekämpft, dort unten in den stinkenden Kanälen, hatte gebangt und gehofft, ihn weitergezerrt, weil sie ihn nicht aufgeben wollte und weil sie nicht gewollt hatte, dass er sich aufgab, und später, als sie in diesem Baum gelandet waren, war sie nicht von seiner Seite gewichen, hatte mit ihm gesprochen, obwohl er sie nicht einmal wahrgenommen hatte, hatte seine Hand gehalten und verzweifelt gehofft, dass der kleine Funke in seinem Inneren, der ihn am Leben hält, wieder aufflammen würde - und doch hatte sie ihm nicht helfen können und war manche Nacht verzagt wachgelegen, bis obenhin angefüllt mit Kummer und der Angst, dass sie ihn verlieren könnte. Damals hatte er ausgesehen wie der leibhaftige Tod. Und er hatte sich vermutlich auch so gefühlt - eine hagere, hohlwangige Gestalt, dünn und ausgezehrt und so bleich wie eine frischgekalkte Wand, nur noch ein Schatten seiner selbst. Und nun? Nun lehnt sie hier, still und glücklich, und sieht ihm nach, wie er unter grüngoldenen, sonnendurchfluteten Baumkronen einen schmalen Waldpfad entlang schlendert, vibrierend vor Kraft, mit langen, ausholenden Schritten und zwei Hunden an der Seite, die ihm hechelnd und japsend um die Beine tollen. Die letzten Wochen hier im Baum haben ihm gutgetan und beinahe wieder den Mann aus ihm gemacht, der er war, zumindest äußerlich. Er trägt noch immer kein Hemd und seine Haarmähne fällt ihm offen über den nackten Rücken und über breite, muskulöse Schultern, die die milde Frühlingssonne mit einem warmen Bronzeton überzogen hat. Weiches Morgenlicht schimmert auf seiner Haut und zeichnet die scharfgeschnittenen Linien seines Gesichts nach, lässt Goldfäden durch sein Haar rieseln und seine Augen so klar und hell wie den weiten Himmel über ihnen leuchten und Raven kann sich einfach nicht sattsehen an ihm. Er lebt. Er ist hier. Und er ist mein Mann....

Der Gedanke hat noch immer etwas Unglaubliches und doch ist sie gleichzeitig völlig erfüllt von ihm, jede Faser ihres Körpers schreit seinen Namen und mit jedem einzelnen Herzschlag singt sein Lied durch ihr Blut. Sie kann spüren, wie sich irgendwo unterhalb ihres klopfenden Herzens flatternd etwas regt, sich zusammenballt, wie es wächst und zu einer glühenden Kugel wird, zu einem Knäuel aus unbegreiflichem Glück, aus tiefer Liebe, Zärtlichkeit und einer puren, reinen, überschäumenden Freude, das unaufhaltsam nach oben drängt und sich als wilder Schrei einen Weg aus ihrer Kehle zu bahnen versucht. Neineineineinein! Mach um Himmels willen bloß nicht den Mund auf... Atemlos hält sie inne, vibrierend von den Zehen bis zur Nasenspitze, spürt mit schmerzender Kehle, halb hingerissen, halb entsetzt über sich selbst, ihr Herz irgendwo in ihrem Hals schlagen und weiß, sie würde einfach in tausend Stücke zerspringen, wenn sie versuchen würde, all das zurückzuhalten. Verzweifelt ballt sie die Hände zu Fäusten und beißt die Zähne zusammen, aber es ist schon zu spät, und aus ihrem Inneren steigt drängend ein Laut auf und bahnt sich einen Weg durch ihre raue Kehle und dann tönt ein wilder, glockenheller Schrei über die Lichtung, so barbarisch und voller Kraft und Lebensfreude, dass sie über sich selbst erschrickt. Über ihr wird klappernd ein Fenster aufgestoßen und Ninianes Kopf erscheint verschlafen und eingerahmt von einer wirren roten Haarflut in der blattförmigen Öffnung. Sie blinzelt verstört auf sie hinunter, nuschelt etwas, was so ähnlich klingt wie "GötterimHimmelhöraufsozuschreien" und "HaltdieKlappebevordunochdieganzeStadtaufweckst", dann zieht sie sich kopfschüttelnd in ihr Schlafgemach zurück wie eine Schnecke in ihr Haus. Raven grinst nur, wirft ihr eine Kusshand zu und hüpft in die Küche zurück wie ein übermütiges Eselsfohlen. Hunger! Sie stopft Birkenscheite in den Herd und entzündet ein Feuer, während sie den Wasserkessel füllt, schwarze Cofeabohne in die Mühle füllt, die Speisekammer ausräumt, Geschirr aus den Schränken zerrt, dicke Scheiben von einem Laib Schwarzbrot absäbelt, Cofea aufbrüht, Schmalz in einer schweren Pfanne zerlaufen lässt und ständig die Finger in einer Schale frischer wilder Walderdbeeren hat - alles auf einmal und alles gleichzeitig, bis Caewlin plötzlich hinter ihr steht und ihr die Ausbeute seines Hühnerstallbesuches vor die Nase hält. Während das schnell zusammengerührte Omelett in der Pfanne vor sich hin brutzelt, hebt er sie hoch und setzt sie auf die Holzplatte neben dem Spülstein. Er nimmt ihre Hände in seine und sieht sie forschend an. >Raven... Wo werden wir leben? Ich meine, hier können wir nicht ewig bleiben und ... ich würde dich gern mit nach Hause nehmen. Ins Seehaus. Aber ich weiß nicht, ob du das willst. Ich wollte ohnehin hinreiten in den nächsten Tagen.... ich werde es ausräumen lassen, das hätte ich ohnehin getan. Zu viele Erinnerungen, als dass ich darin leben könnte, aber ganz aufgeben will ich es nicht, schon wegen Brynden nicht. Er hat soviel verloren, dass sein Zuhause nicht auch noch darunter sein muss, also dachte ich mir: mach reinen Tisch und fang ganz neu an. Aber wenn du nicht... nicht in einem Haus mit uns leben willst, das Cal gehört hat, dann sag es und wir suchen uns etwas anderes.<

Raven schaut ihn an, überrascht und ein wenig perplex und sieht sich mit einer Frage konfrontiert, über die sie bislang noch gar nicht nachgedacht hatte. Bei der rasanten Geschwindigkeit, mit der sich die Ereignisse in den letzten Tagen überstürzt hatten, war überhaupt noch keine Gelegenheit gewesen, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wo sie leben sollten. Sie selbst hat im Moment genaugenommen überhaupt kein Zuhause, den Baum des Druiden hat sie verlassen und ihr eigenes Häuschen ist in einem so bedauernswerten Zustand, dass kaum daran zu denken ist, dort zu wohnen. Nun legt sie die Stirn in Falten und blickt Caewlin ins Gesicht. "Naja, ich hätte da noch eine schicke, kleine Zweizimmer-Villa zu bieten, zentral in der Innenstadt gelegen, mit einem netten Dschungel als Garten und einem verrotteten Gartenzaun ...." Ihr Blick umfasst ihn und sie sieht ihn von oben bis unten an, und als sie wieder oben angekommen ist, fügt sie kichernd hinzu: "Allerdings müssten wir wohl die Decke durchbrechen, denn das Häuschen ist beim besten Willen nicht für Nordmannmaße gebaut." Sie schlingt die Beine um seine Hüften und die Arme um seinen Rücken und birgt ihr Gesicht an seiner Brust. "Es ist mir gleich, wo ich lebe, so lange ich bei dir bin. Wenn du willst, dann lass uns im Seehaus leben - es ist dein Zuhause und das von Brynden, warum es also aufgeben? Vielleicht wird es anfangs ein wenig seltsam sein und .... ja, ich fürchte mich vor Calyras Schatten. Und auch davor, wie es werden wird ....ich meine, was werden Dalla und Pyp sagen, wenn du plötzlich mit einer fremden Frau nach Hause kommst? Und es ist überhaupt alles noch so ... fremd..." Das Herz sinkt ihr plötzlich in die Hosen, als sie an all das denkt, was auf sie zukommen wird. Ein riesiges Haus, ein Gut, Land, Arbeit, Verantwortung, Pflichten .... sie fühlt sich auf einmal wie erschlagen. Aber mit ihrem Ohr an seiner Brust kann sie Caewlins Herz klopfen hören, stark und gleichmäßig und unerschütterlich, und sie weiß, dass sie sich vor nichts und niemandem zu fürchten braucht, so lange er bei ihr ist. "Wir müssen nichts anderes suchen", erklärt sie mit fester Stimme und hebt den Kopf, damit sie ihn ansehen kann. "Lass uns dort leben. Mein Zuhause ist da, wo du bist, du und dein Sohn, gleichgültig wo das sein mag." Sie nimmt sein Gesicht in beide Hände und küsst ihn, und in diesem Moment können ihr sowieso alle Häuser der Welt gestohlen bleiben und alle Bratpfannen, in denen die Überreste eines Omelettes vor sich hin schmurgeln, gleich dazu. "Wann willst du hinreiten?" fragt sie, als sie ihre Lippen einen Augenblick lang freibekommt. "Wir werden wohl bald zu Phelans Bestattung aufbrechen müssen, also solltest du nicht mehr allzu lange damit warten. Soll ich ... soll ich mitkommen oder willst du das lieber allein tun?" Sie ist sich nicht sicher, ob sie dorthin will, jetzt und zu diesem Zeitpunkt, wo alles noch an Calyra erinnert, aber wenn Caewlin sie dabei haben will, wird sie mit ihm kommen. Die Entscheidung wird ihnen für den Moment allerdings abgenommen, als sich draußen im runden Vorraum die Hunde regen und sie verschlafene Stimmen und Schritte die Treppe herabtapsen hören können. Gleich darauf erscheint eine völlig zerzauste Niniane im Türrahmen, die einen zerknitterten Morgenrock über den Schultern und eine geradezu unverschämt ausgeschlafene und hungrige Shaerela auf dem Arm trägt. Hinter ihr späht Crons müdes, stoppelbärtiges Gesicht in die Küche und Raven kann sich bei ihrem Anblick ein Grinsen nicht verkneifen. "Cofea ist gleich fertig", verkündet sie. "Und Omelett auch."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 15. Juni 2005, 21:59 Uhr
Niniane treibt am Rand angenehmen Halbschlafes entlang, nicht träumend, aber die Gedanken voller Bilder und Erinnerungen an die vergangenen Stunden, durchlebt jeden Augenblick all dessen, was sie geteilt hatten noch einmal. Sie weiß nicht, wie lange sie so neben ihm liegt, geborgen in seiner Wärme, aber während sie die Augen noch geschlossen hat, unwillig den Schlaf ganz aufzugeben, kommt das Licht. Nicht langsam, sondern plötzlich, bricht durch den Dunstschleier der Dämmerung und wischt das diffuse Perlmutt fort. Danach kommt die Wärme, kommen die Geräusche, die Düfte, steigt der Herzschlag der erwachenden Welt langsam vom Ruhepuls zur Lebendigkeit an. Sie spürt, dass er neben ihr nicht schläft, sondern nachdenklich die Dämmerung beobachtet, aber sie weiß, dass seine Gedanken ihr gelten, sie kann es im Klang seiner Stimme hören, als er Cariad flüstert, nicht fragend, nicht fordernd, sondern einfach, um es auszusprechen. Und sie kann es in der Berührung seiner Hände fühlen, die sacht über ihre Haut streichen und sie immer noch halten. Sie hebt langsam ihre Hand, streckt sie aus und legt sie auf seine Brust, direkt über sein Herz. Seine Haut ist warm, glatt und weich, und doch liegt unter der flüchtigen Zartheit verborgen die spürbare Kraft und Fülle von festem Fleisch und  Muskeln, die einzigartig männliche, substantielle Härte wie von erhitztem Granit. Als sie den Kopf dreht und die Augen aufschlägt, füllt die harte Wölbung seines Armes die ganze Welt, macht ihr, was sie so oft vergisst, einmal mehr deutlich bewusst, wie groß er ist, wie viel größer und stärker als sie selbst, wie leicht er sie einfach zerdrücken könnte. Sie räkelt sich und schmiegt sich an ihn und will gerade den Mund öffnen, um Ich liebe dich zu sagen. In diesem Augenblick klingt Ravens Schrei durch den Baum. Niniane ist sofort auf den Beinen und hat die Hände vorgestreckt. Ihr Herz schlägt ihr augenblicklich irgendwo zwischen den Mandeln und aus den Augenwinkeln registriert sie, dass Shaerela schlaftrunken aus ihrer Wiege auftaucht und  mit schrägen goldenen Katzenaugen verwirrt in die Welt blinzelt und Cron den Griff seines Kurzschwertes, das immer irgendwo in erreichbarer Nähe zu liegen scheint, schon in der Hand hat, als wolle er ihrer aller Leben so teuer wie möglich verkaufen.

Dann dringt der Klang, der Tonfall unter dem reinen Laut in ihr Bewusstsein, keine Angst, keine Furcht oder Warnung, kein Schmerz- oder Wutschrei, sondern die reine, widerhallende Essenz von pulsierendem Leben. Sie stürzt ans Fenster, reißt es auf  und späht hinunter. Caewlin verschwindet gerade im Stall oben und einen närrischen Augenblick fühlt sie heiseres Kichern in sich aufsteigen, als sie Raven auf den Stufen zum Eingang unter ihr stehen sieht. "Götter im Himmel, hör auf, so zu schreien," zischt sie hinab, noch immer bemüht, die Füße wieder auf den Boden zu kriegen - eine solide Panik aufzubauen, dauert nur den Bruchteil eines Herzschlages. Sie wieder loszuwerden ist längst nicht so einfach. "Halt die Klappe bevor du noch die ganze Stadt aufweckst!" Das Echo von Ravens Schrei hallt immer noch in ihr wider, als sie sich zu Cron umdreht, der Shaerela aus ihrem Bettchen gehoben hat und ihr beruhigend den Rücken tätschelt. Über den dunklen Lockenkopf ihrer Tochter hinweg tauschen sie einen Blick, dann lächelt sie, noch ein wenig beklommen zwar, aber langsam siegt verwunderte Erheiterung. "Heiliges Erddrachenauge," entfährt es ihr und sie unterdrückt ein glucksendes Lachen, während sie mit wirrem Haar in ihr Morgengewand schlüpft. "Wenn sie letzte Nacht auch so laut war, dann ist es das reinste Wunder, dass nicht die Stadtgarde angerückt ist, um nachzusehen, ob Caewlin sie vielleicht umbringt. Komm, gib mir die Kleine und zieh dir etwas an, denn wenn du weiter da so nackt herumspazierst, bekommst du noch länger kein Frühstück." Sie schnuppert in die Luft. "Raven macht nämlich gerade welches."
"Aye," erwidert er, während er ihr Shaerela in die ausgestreckten Arme drückt und dann nach einem Hemd und einer Hose angelt und in beides schlüpft. Amüsiert verschwindet sein Gesicht unter dem Hemdleinen, nur um noch breiter grinsend wieder aus dem Halsausschnitt aufzutauchen. "Wenn, dann ist er jetzt taub. Ich habe Raven überhaupt noch nie soviel Krach machen hören," fährt er fort und legt demonstrativ einen Finger ans Ohr. Als sie in die Küche hinunterkommen, ist Caewlin bereits aus dem Stall zurück. Cron wirft nur einen kurzen Blick über ihre Schulter, murmelt etwas von waschen und rasieren und geht dann hinaus an ihre heiße Quelle.

Niniane steht im Durchgang vom Esszimmer zur Küche und zahlt Ravens wissendes Grinsen mit gleicher Münze zurück. >Cofea ist gleich fertig. Und Omelett auch.< erklärt Raven  über Caewlins  Arm hinweg. Sie thront neben dem Spülstein auf der Anrichte, hat Arme und Beine um ihren Mann geschlungen und klebt an ihm wie ein kleines Senfpflaster. Caewlin macht allerdings  auch keine Anstalten, sie loszulassen, dreht nur den Kopf und lächelt. "Och, lasst euch nicht stören." Im Vorbeigehen tätschelt sie schwesterlich Ravens Knie und verschwindet kurz in der Speisekammer, um einen Krug Milch und ein wenig Haferkleie herauszuholen - von Brynden war zwar noch nichts zu sehen, aber er würde sich bestimmt bald melden und zum Frühstück brauchten beide Kinder ihre Grütze. "Cofea? Ambrosia! Und ein Omelett... du bist meine Rettung." Sie atmet den verführerischen Duft von anbratendem Speck und Zwiebeln und spürt, wie ihr Magen sich erwartungsvoll zusammenzieht. Ihre Tochter quietscht und rudert solange mit den Armen, bis sie sie auf den Boden stellt, wo sie sich mit kleinen Fingern an ihrem Rockzipfel festhält und auf wackligen Beinchen eigene Schritte neben ihr her macht. Niniane ist das nur recht, denn Shaerelas noch recht mangelhaftes Gehvermögen kaschiert hervorragend ihre eigenen, vorsichtigen Bewegungen und wie sülzenartig sich ihre Beine anfühlen. Ihre Tarnung fliegt allerdings schmählich auf, als das Omelett fertig, der Tisch gedeckt, das Brot hinübergetragen, die Grütze gekocht, die Hunde gefüttert und auch sonst alles für ein Morgenmahl bereit ist. Cron kommt ins Esszimmer, mit einem noch gähnenden Brynden auf dem Arm und Shaerela, die kleine Verräterin, hat nichts besseres zu tun, als sich auf alle Viere niederzulassen und ihr in Windeseile davon zu krabbeln. Caewlin folgt der Kleinen, trägt die bauchige, dampfende Kanne mit Cofea hinüber und lässt Raven und sie allein zurück. Da stehen sie also - das heißt, sie steht, Raven sitzt, bis sie mit einem leisen Zischlaut von der Anrichte rutscht. Aha. Unter Ninianes wissendem Blick röten sich Ravens Wangen sehr verdächtig. "Hmmpf. Geteiltes Leid, ist halbes Leid, oder wie war das? Also äh... gehen wir. Und lass dir ja nichts anmerken," schärft sie ihr ein. "Sie sind so schon unerträglich genug." Gesagt getan - die fünf Schritt zum Esstisch zurückzulegen, ist eigentlich keine große Sache. Wenn man sich fühlt, als hätte einen eine Schar Riesen schonungslos verprügelt allerdings schon - und sie erinnern wohl beide gerade frappierend an Bambis auf dem Eis.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 17. Juni 2005, 12:17 Uhr
Während er am Seeufer entlangreitet, erfreut sich Galrin ein ums andere Mal an dem vielfältigen Farbenspiel der Natur. Ein Fischerboot zieht seine Bahn über die im Licht des jungen Tages glitzernden Wellen, ein junger Kormoran sitzt mit ausgebreiteten Flügeln auf einem umgestürzten und halb im See liegenden Baumstamm, ein Specht klopft irgendwo auf der Suche nach Insekten und Würmern gegen einen Baum.

Schließlich erreicht der Nordmann den Baum der Waldläuferin und ihm bleibt für ein paar Augenblicke der Mund offen stehen: So groß hatte er sich die Behausung Ninianes und Crons von Tronje wirklich nicht vorgestellt. Zwar hatte er den Baumriesen schon einige Male aus der Luft gesehen, während er mit der "Windkind" darüber hinweg gesegelt war. Doch die wahren Ausmaße des Giganten erkennt man eigentlich nur vom Boden aus.
Die Borke des Baumes ist vom Wetter und Moos zerfurcht. Jahrhunderte voll Schnee, Regen, Sonnenschein und Wind haben ihm nichts anhaben können, und seine Blätter und Triebe sind frisch und grün wie die einer jungen Birke.

Der Schiffbauer ertappt sich dabei, wie er das starke Holz mit Kennerblick mustert und sich selbst fragt, wieviele gute Schiffsplanken man aus diesem Baum wohl fertigen könnte. Vermutlich würde der Baum für einen Drakkar oder eine Knarr völlig ausreichen. Doch Galrin schüttelt lächelnd über sich selbst den Kopf. Vermutlich würden weder Cron noch Niniane tatenlos zusehen, wie dieser Gigant des Waldes für ein Schiff, und sei es auch das Flaggschiff der Flotte von Fa'Sheel, abgeholzt würde.

Aus den offenen Fenstern... Fenster? Tatsächlich... Fenster! des Baumes dringt das Klappern von Geschirr. Offenbar ist man drinnen beim Frühstücken. Dabei will Galrin nicht stören. So steigt er von seinem Rappen, nimmt dem Pferd den Sattel ab und läßt es grasen, während er es sich selbst auf einem Bett aus duftendem Klee gemütlich macht.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 18. Juni 2005, 00:03 Uhr
Er kann an ihrem leicht ratlosen Gesichtsausdruck sehen, dass sie mit dieser Frage nicht gerechnet, sich vermutlich noch überhaupt keine Gedanken darüber gemacht hatte, wo sie leben würden. Doch dann erscheint eine kleine, steile Falten zwischen ihren geschwungenen Brauen und die Versuchung, sie genau dort zu küssen, ist zu verlockend. Während Raven seine Worte aufnimmt und über das nachdenkt, was er ihr gesagt hat, beobachtet er ihr Gesicht. Das Echo ihres Schreis hallt immer noch in ihm nach, nicht als hörbarer Klang, aber als Summe aller Gefühle, die er hinterlassen hat. Laut und aus voller Kehle, mit  ganz und gar nichts Zurückhaltendem an sich, hatte er ihn erreicht, als Caewlin noch etwa fünf Schritt vom Türbogen ins Innere des Pferdestalls und dem angenehmen Halbdunkel dort entfernt gewesen war. Im allerersten Augenblick war er zusammengezuckt, wie jeder zusammenfährt, der unvorbereitet ein solches Geräusch hört, aber dann hatte der Klang ihrer Stimme ihn getroffen und war durch ihn hindurchgehallt. Ihr Schrei hatte etwas triumphierendes und anrührendes gleichzeitig, als seien ihre Gefühle einfach übergelaufen, hatte nach Euphorie und reiner Lust am Leben, nach übersprudelndem Glück und geballter Energie geschmeckt. Und sein Ton hatte sich absolut unwiderstehlich direkt auf Caewlins Inneres gelegt und es zum Klingen gebracht. Einen Moment lang war er vollkommen reglos stehengeblieben, vibrierend wie eine Stimmgabel, während sich auf seinem Gesicht langsam ein Grinsen ausgebreitet und das Echo ihrer Stimme in ihm nachgeklungen hatte, bis er von Kopf bis Fuß mit Wärme erfüllt war. Die letzten paar Schritt zum Stall war er über reines Sonnenlicht gegangen, nichts anderes. Selbst jetzt noch wirft er ab und an sicherheitshalber einen Blick auf seine Füße... nur für den Fall, dass er vielleicht doch eine Handbreit über dem Boden schwebt. Sie räuspert sich leise. >Naja, ich hätte da noch eine schicke, kleine Zweizimmer-Villa zu bieten, zentral in der Innenstadt gelegen, mit einem netten Dschungel als Garten und einem verrotteten Gartenzaun ....< Als sie ihn von oben bis unten mustert, als nehme sie vorsorglich schon einmal an ihm Maß, schnaubt er belustigt. Ihr Häuschen ist zwar ein niedliches kleines Ding, aber er kann es nicht einmal betreten, ohne den Kopf einziehen zu müssen, geschweige denn, dass er in den Räumen wirklich aufrecht stehen könnte. Auf Dauer würde er sich dort vermutlich fühlen wie ein Hering im Salzfass.

Sie scheint in die gleiche Richtung zu denken, denn ehe sie ihn näher an sich zieht und ihren Kopf an seine Brust legt, erklärt sie unter leisem Kichern: >Allerdings müssten wir wohl die Decke durchbrechen, denn das Häuschen ist beim besten Willen nicht für Nordmannmaße gebaut.< "Hmpf. Willst du mir damit vielleicht sagen, ich sei dir zu groß...?" Sie schüttelt grinsend den Kopf, aber dann wird sie ernst. Ihre ersten Worte lassen ihn lächeln. >Es ist mir gleich, wo ich lebe, so lange ich bei dir bin. Wenn du willst, dann lass uns im Seehaus leben - es ist dein Zuhause und das von Brynden, warum es also aufgeben? Was sie nach einem kurzen Zögern jedoch hinzufügt, versetzt ihm paradoxerweise einen leisen Stich und belustigt ihn gleichzeitig... und es stimmt ihn nachdenklich. Vielleicht wird es anfangs ein wenig seltsam sein und .... ja, ich fürchte mich vor Calyras Schatten. Und auch davor, wie es werden wird ....ich meine, was werden Dalla und Pyp sagen, wenn du plötzlich mit einer fremden Frau nach Hause kommst? Und es ist überhaupt alles noch so ... fremd...< "Fremd?" Echot er. "Ich weiß, dass dein Hintern grün ist, kleine Frau, wie fremd ist das?" Einen Moment lang sieht er amüsiert auf sie hinunter, aber dann wird er ebenso ernsthaft wie sie. "Nein, hör mir zu. Ich weiß, was du meinst... oder wenigstens glaube ich, dass ich's weiß. Dalla wird überhaupt nichts sagen, und Pyp erst recht nicht. Sie ist meine Magd, nicht mehr und nicht weniger, und Pyp ist ein naseweiser Stalljunge. Ein Anwesen wie das Seehaus kann man nicht allein bewältigen, Raven, man braucht mehr als zwei oder vier Hände, um mit der Arbeit fertig zu werden," er zuckt mit den Schultern, "aber dafür bringt es auch etwas ein und vor allem trägt es sich, und ernährt einen selbst, das Gesinde und das Vieh dazu. Ich kann mir vorstellen, dass vieles anfangs fremd für dich sein wird, aber die eigentliche Frage ist, ob du es überhaupt möchtest... ein solches Leben, meine ich. Ein so anderes Leben als dein bisheriges. Du bist meine Frau, aber ich will dich nicht in etwas zwingen, das du nicht willst."

Er streicht über ihr Haar und legt dann die Finger unter ihr Kinn, um ihr Gesicht anzuheben, und im selben Augenblick nimmt sie den Kopf hoch und erklärt mit fester Stimme: >Lass uns dort leben. Mein Zuhause ist da, wo du bist, du und dein Sohn, gleichgültig wo das sein mag.< Ihr Kuss hinterlässt den Hunger nach mehr, den süßen Geschmack wilder Erdbeeren und noch süßere Gewissheit - und dazwischen weitere Fragen. Wann willst du hinreiten? Soll ich mitkommen oder willst du das lieber allein tun? Er kommt gerade noch dazu, ein "Ich liebe dich" dicht an ihrem Mund zu murmeln, als Niniane hereinkommt, eine krähende Shaerela auf dem Arm, und ihr Gespräch damit unterbricht. Er denkt gar nicht daran, Raven loszulassen und so wendet sie sich über seinen Arm hinweg an die Waldläuferin hinter ihm.  Niniane wirft ihnen nur einen nachsichtigen Blick zu, murmelt angesichts des fast fertigen Morgenmahls und der gluckernden Cofeakanne etwas von Ambrosia und Rettung, kramt dann klappernd in der Vorratskammer herum, ihre Tochter bald auf dem Arm, bald am Rocksaum und rührt Haferbrei für die Kinder zusammen. Caewlin hebt Ravens Gesicht an um sie noch einmal zu küssen. "Nein. Ich reite allein hin. Reiner Tisch, aye? Ich muss auch ein paar Dinge holen und einiges mit dem Gesinde besprechen." Dann fällt ihm etwas ein und er wendet sich an die Waldläuferin. "Niniane... wenn wir Phelan das letzte Geleit geben, bringe ich Brynden zu Dalla ins Seehaus und wenn ihr wollt, könnt ihr Shaerela auch dort lassen. Sie kennt meine Mägde zwar nicht, aber Dalla liebt jedes Kind und sie würden sich gut um die Kleine kümmern." Niniane, mit der wundersamen Fähigkeit aller Frauen, zehn Dinge gleichzeitig tun zu können, gesegnet, rührt gerade gedankenverloren in einem Tiegel, bewahrt zugleich ihre Tochter mit einer Hand davor, sich am heißen Herd zu verbrennen, öffnet außerdem ein Honigglas, süßt den Brei und wendet das Omelett. Aber sie nimmt sein Angebot dankend an, während sich die Kleine quietschend von ihr löst und kichernd ins Esszimmer hinüberkrabbelt, wo gerade Cron mit einem gähnenden Brynden auf dem Arm auftaucht. Caewlin tauscht einen Blick mit Raven, schnappt sich die Kanne mit Cofea und steigt mit einem großen Schritt über die wuselnde Shaerela hinweg, um das kochendheiße Gebräu auf dem Tisch abzustellen. Dann nimmt er dem Tronjer seinen Sohn ab. Dankenswerterweise hatte Cron sich bereits um die dringendsten Sauberkeitsbedürfnisse Bryndens gekümmert und angezogen ist er außerdem. "Tack så mycket. Hej Schlafmütze."

Brynden nuschelt eine Antwort und dann geht dicht an Caewlins Ohr eine Flut von Wo-, Warum- und Wann-Fragen auf ihn nieder. Wo er gewesen war und wo "Wäiven" war und warum er Blätter im Haar hat und ob er wirklich im Wald geschlafen hatte und wann es Frühstück gibt und wo Raven jetzt ist und ob sie auch im Wald geschlafen hat und warum und so fort. Caewlin unterdrückt ein Stöhnen, stellt seinen Sohn auf die Füße und schiebt ihn sanft in Richtung Tisch. "Setz dich, Naseweis. Tante Nan bringt dein Frühstück gleich und Raven ist bei ihr in der Küche." Als die beiden Frauen schließlich herüberkommen, tauschen Cron und er einen hastigen Blick und entscheiden sich dann geistesgegenwärtig dafür, umgehend absolut unergründliche Mienen aufzusetzen - alles andere hätte sie vermutlich auch auf der Stelle Kopf und Kragen gekostet, auch wenn er sich dabei die Zunge blutig beißen muß, um nicht in ein haarsträubend selbstzufriedenes Grinsen auszubrechen. Sie fallen wie die Wölfe über Omelett und Haferbrei her und verputzen, was die Speisekammern des Baumes sonst noch hergeben, sowie den allerletzten Rest Brot, der noch aufzutreiben ist - ohne Butter, dafür mit geräuchertem Schinken, Käse, Erdbeeren einem Glas eingeweckten Aprikosen, das hauptsächlich in den hungrigen Kindermündern landet und dem Überbleibsel einer Wildpastete. Den Rest des Tages sind sie faul und verbringen ihn mit den Kindern draußen vor dem Baum und am Strand unten, redend, lachend und in paradiesischem Frieden. Die nächsten Tage vergehen weniger geruhsam. Niniane und Raven erledigen dringende Einkäufe und füllen die Vorratskammern wieder auf, während Cron und er selbst das Dach des Hühnerstall mit Schindeln decken und endlich fertigstellen, fischen, jagen und die Pferde zum Schmied schaffen. Außerdem reitet Caewlin wie geplant nach ein paar Tagen zu seinem Anwesen, um dort nach dem Rechten zu sehen, Dalla und dem übrigen Gesinde die Nachricht von seiner Heirat mit Raven zu bringen und seine Anweisungen zu geben.

Er ist fast den ganzen Tag fort und kehrt erst mit der sinkenden Sonne zum Baum am Smaragdstrand zurück, die Satteltaschen vollgestopft mit Kleidung, Sommersachen für Brynden und zahllosen anderen Kleinigkeiten, ohne die er nach Dallas Überzeugung ganz bestimmt nicht länger auskommen würde. Seine Ohren klingeln noch immer von all dem, was die dralle kleine Mogbarsfrau ihm zittrig wie Espenlaub über die vergangenen Wochen und Monde berichtet hatte, aber das Anwesen war tadellos geführt worden. Die unendliche Erleichterung seiner obersten Magd, die sich auch nach mehr als zwei Jahren in seinem Dienst noch immer zu Tode fürchtet, wenn sie mit ihm sprechen muss, als sie gehört hatte, dass er wieder verheiratet war, war unübersehbar gewesen. Und ihr auf dem Fuß folgendes Schuldbewusstsein deswegen noch viel mehr. Er hatte fünf Minuten gebraucht, um ihr begreiflich zu machen, dass er ihr deswegen bestimmt nicht den Kopf abreißen würde, und sie hatte ihm immer noch nicht ganz geglaubt, als er davon geritten war. Von seinem Haus, wo sein Gesinde hastig damit begonnen hat, seine Befehle auszuführen, reitet er in die Stadt und erledigt dort etwas, das ihm schon seit Tagen auf den Nägeln brennt und wozu er bisher einfach noch nicht gekommen war. Und als er mit dem Abend dann endlich zum Baum zurückkehrt, findet er seine Frau und seinen Sohn in der dampfenden Hitze der heißen Quelle, von oben bis unten in kleine Schaummonster verwandelt, die sich auch ganz ohne ihn prächtig damit amüsieren, unter frenetischem Gekicher Ninianes Lichtung in eine Sumpflandschaft zu verwandeln. Etwa eine Woche danach und zwei Wochen nach dem Inarifest bricht er noch vor Sonnenaufgang vom Baum in die Stadt auf und reitet im grauen Zwielicht der Dämmerung nach Talyra, quer über den morgendlich hektisch betriebsamen Markt und dann durch stille, verschlafene Gässchen. Er hatte Raven nichts gesagt und sich heimlich in der Dunkelheit der endenden Nacht von ihrer Seite gestohlen, ein hintergründiges Lächeln im Gesicht. Was er in Talyra zu schaffen hat, dauert nicht allzu lange und als die Sonne flammend über dem  Ildorel aufsteigt, und die Welt in ein Meer aus pfirsichfarbener Glut und goldenem Feuer taucht, reitet er bereits am Strand entlang wieder in Richtung Norden.

Auf der Lichtung zwischen Rainfarn und Smaragdgras findet er ein fremdes Pferd vor, das ohne Sattel grast und denkt sich nichts weiter dabei, während er den Grauen zum Stall hinaufbringt. Es war in seiner ganzen Zeit hier seit der Sithechnacht immer wieder vorgekommen, dass irgendjemand Niniane aufgesucht, ihr eine Nachricht gebracht oder eine Frage an sie gehabt hatte. Womit er allerdings nicht rechnet, ist der Anblick des Schiffbauers Galrin Ragnarsson, der vor dem Baum zwischen zwei Wurzelsträngen auf einem Fleck Weißklee sitzt, während aus dem Inneren Kindergeschrei, Stimmen und geschäftiges Hantieren in Küche und Esszimmer dringen. Caewlin hält einen Moment überrascht inne, dann nickt er. "Tjänare, Galrin," eines seiner seltenen, offenen Lächeln begleitet seine Worte und nimmt ihnen etwas von ihrer Förmlichkeit. "Was führt Euch hierher? Und warum sitzt Ihr hier draußen... wollt Ihr nicht hineingehen?"  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 19. Juni 2005, 05:11 Uhr
Während Shenrahs Auge höher steigt und das Land mit seiner Wärme erfüllt, reißt drinnen die Geräuschkulisse nicht ab. Aber gegen ausdauerndes Frühstücken ist noch nie etwas einzuwenden gewesen, und so kann Galrin die Bewohner dieses so ganz anders gearteten "Hauses" verstehen, wenn sie den Morgen genießen. Er selbst hat sich von zuhause ein Stück Brot, eine Scheibe geräucherten Schinkens und eine tönerne Trinkflasche mit frischem Quellwasser mitgebracht, so daß er gut und gerne ein paar Stunden hier ausharren kann, sollte es nötig sein.

Doch Stunden vergehen gar nicht, nicht einmal eine. Das gedämpfte Stampfen von Hufen kündigt einen Reiter an, und dieser ist kein anderer als der Lord von Sturmende, der mit seinem Grauen zum Baum am Smaragdstrand zurückkehrt. Für einen Moment kann der Kapitän den ungetrübten Anblick eines Nordlords genießen, der wirklich und wahrhaftig perplex ist, einen Angehörigen seines eigenen Volkes hier zu erblicken. Doch dann lächelt der Sturmender freundlich und reicht Galrin die Hand - die linke, wie schon einmal auf dem Feldzug gegen die Narge. So schlägt auch Galrin mit seiner Linken ein, umfaßt mit der Hand den Unterarm seines Landsmannes und begrüßt ihn mit der gleichen Herzlichkeit: "Góðan daginn, herra Caewlin."

Als der Sturmlord fragt, was Galrins Begehr sein, und warum der Schiffbauer hier im Freien säße, statt den Baum zu betreten, grinst der Angesprochene und antwortet zunächst auf die zweite Frage des Herrn von Sturmende: "Ich weiß selbst, wie unangenehm es zuweilen ist, wenn man beim Frühstücken unterbrochen wird. Und da, verzeiht mir diese Bemerkung, aus den Fenstern Geräusche drangen, als würde ein Heerzug sich zum Kampf rüsten, hielt ich es für ratsamer, zunächst zu warten, bevor ich die Anwesenden beim Essen oder anderen wichtigen Tätigkeiten unterbreche."

Caewlin murmelt etwas, das wie "Papperlapapp." klingt, faßt den Kapitän an der Schulter und schiebt ihn kurzerhand Richtung Eingang des Baumes.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 19. Juni 2005, 19:44 Uhr
Schlaftrunken tastet Raven neben sich, doch anstatt des großen, warmen Körpers, den sie eigentlich an ihrer Seite erwartet und erhofft hatte, findet sie in einem Berg aus Decken und Bettlaken nur ein quietschendes Etwas, das sich bei näherer Betrachtung als Brynden entpuppt. Der kleine Nordmann scheint offenbar schon hellwach zu sein und sich in seinem Kinderbett am anderen Ende des Zimmers ziemlich gelangweilt zu haben, denn er versucht gerade vergnügt und mit Feuereifer, das Ende ihres langen Zopfes um seine nackten Füße zu binden. Raven reibt sich gähnend den Schlaf aus den Augen und schaut eine Weile schmunzelnd zu, wie seine kleinen Patschhändchen erfolglos kunstvolle Knoten und Schleifen zu schnüren versuchen, bevor ihn die Geduld verlässt und er mit einem erbosten Unmutslaut an ihren Haaren rupft, als könne er sie so dazu bringen, sich von selbst zu Knoten zu schlingen. "Au! Hör auf, das ziept. Du sollst mich nicht skalpieren." Hastig bringt sie ihren Zopf in Sicherheit, bevor er wirklich noch Bryndens ungeschickten Frisierkünsten zum Opfer fällt. "Wo ist denn dein Vater?" will sie neugierig wissen, doch der Kleine schweigt hoheitsvoll und funkelt sie nur mit hintergründig blitzenden Augen an. Ahja. Zeit für ein Spielchen. Raven unterdrückt ein Kichern, setzt eine todernste Miene auf und mustert ihn aus zusammengekniffenen Augen. "Los, raus mit der Sprache, du kleines Monster - wo ist dein Papa?" Brynden presst die Lippen zusammen und schüttelt heftig den Kopf, als Zeichen, dass er keinen einzigen Ton von sich geben wird, obwohl er vor unterdrücktem Glucksen kaum noch an sich halten kann, weil er genau weiß, was nun kommt. Keinen Wimpernschlag später jagen sie sich auf allen Vieren krabbelnd, mit lautem Johlen und Quietschen und unter Zuhilfenahme von fliegenden Kissen quer über das riesige, runde Bett, bis sie völlig außer Atem sind und ihnen vor Lachen die Tränen über die Wangen laufen. "Halt! Halt! Ich ergebe mich!" Theatralisch lässt Raven sich in die weichen Kissen plumpsen und stellt sich tot, was zur Folge hat, dass sie gleich darauf einen kleinen Nordmann am Hals kleben hat, der sie kichernd wiederzubeleben versucht. Es fühlt sich ungefähr so an, als würde man von einem Hundewelpen angefallen - überall Arme und Beine, feuchte Küsschen und freudiges Gequietsche. Auf die Frage, wo sein Vater sei, weiß er aber außer einem schulterzuckenden "fortgegangen" trotzdem keine Antwort. "Na gut, dann werde ich eben Tante Nan fragen. Vielleicht hat sie auch etwas zum Frühstück für uns, komm mit."  

Nachdem sie sich gewaschen und angezogen haben, finden sie Niniane in der Küche, wo sie mit Schüsseln, Näpfen und dem dampfenden Wasserkessel herumhantiert und gleichzeitig Shaerela davon abzuhalten versucht, sich über die gefüllten Hundenäpfe herzumachen. Doch auch die Waldläuferin weiß nicht, wo Caewlin sein könnte und entlockt Raven mit ihrer Antwort ein ratloses Stirnrunzeln. Wo steckt er denn nur? Sie verfrachtet Brynden und das kleine Spitzohr kurzerhand hinaus auf die Wiese vor dem Baum, wo sie toben und herumalbern können, bis das Frühstück fertig ist, schärft den Hunden ein, die beiden nicht aus den Augen zu lassen und schlüpft dann wieder nach drinnen, wo sie Niniane zur Hand geht und den Tisch im Esszimmer deckt. Nachdem sie in der Stadt reichlich Vorräte eingekauft hatten, einen Teil auf den wie Packeseln beladenen Pferden zum Baum transportiert hatten und den anderen Teil von einem Händler hatten liefern lassen, sind nun auch die Speisekammern wieder gut gefüllt und sie würden im Moment auch eine ganze Horde Nordmänner satt bekommen, sollte zufälligerweise eine über den Baum herfallen. Trotzdem scheinen Brot, Butter, Speck, Käse und Eier ständig zur Neige zu gehen und Raven kann im Stillen nur den Kopf darüber schütteln, welche Mengen ein sechsköpfiger Haushalt täglich vertilgen kann. Als sie alle längst beim Frühstück sitzen, ist Caewlin noch immer nicht aufgetaucht und Ravens Blicke bleiben immer wieder sehnsüchtig an der Tür hängen, in der Hoffnung, dass er bald zurückkehren würde, wo immer er auch zu dieser frühen Stunde sein mag. Sie hat keine Ahnung, was ihn dazu bringen könnte, schon im Morgengrauen seinen Hengst zu satteln und still und leise davonzureiten, und sie zermartert sich das Hirn nach dem Grund. Vor ein paar Tagen war er zum Seehaus geritten, um nach dem Rechten zu sehen und den Mägden und Knechten seine Anweisungen zu hinterlassen, doch dort scheint alles seinen gewohnten Gang zu gehen und er war sichtlich zufrieden zurückgekommen. Er wird eben etwas zu erledigen haben, du dummes Ding, schilt sie sich selbst, während sie sich einen dicken Kanten frischen, knusprigen Brotes mit Butter und Honig bestreicht. Außerdem ist er dir ja nicht über jeden Schritt Rechenschaft schuldig, den er tut. Trotzdem kreisen ihre Gedanken ständig um ihn und ihre Hände fühlen sich schrecklich leer an, wie jedesmal, wenn er fort und nicht in ihrer Nähe ist. Nicht einmal Brynden ist ein Trost, der sich nach Kräften bemüht, sie auf andere Gedanken zu bringen, sich auf ihrem Schoß häuslich einrichtet und sich von ihr mit Honigbrot und Haferbrei vollstopfen lässt.

Zwischen Geschirrgeklapper und vergnügtem Kindergebrabbel hören sie dann plötzlich Stimmen im Vorraum und gleich darauf taucht Caewlin im Esszimmer auf, in seinem Kielwasser einen reichlich großen, reichlich wohlbeleibten Mann mit gelocktem Haar, der in eine wollene Tunika gekleidet ist. Im ersten Moment nimmt Raven den Fremden nicht einmal richtig wahr. Sie hat nur Augen für ihren Mann und könnte den Blick nicht einmal von ihm abwenden, wenn er Shenrah und Faeyris mitsamt ihren Archonen im Schlepptau hätte. Es dauert eine Weile, bis sie die Augen von ihm losreißen kann, dann betrachtet sie neugierig und ein wenig verwirrt den Gast, den Caewlin mitgebracht hat. Raven hat ihn noch nie gesehen, doch als Niniane und Cron sich beinahe gleichzeitig von ihren Stühlen erheben und ihn begrüßen, stellt sich schnell heraus, dass es der Schiffsbauer Ragnarsson sein muss. Auch wenn sie ihn nicht kennt, so kennt sie doch seinen Namen, so wie jeder in Talyra von ihm und seinem fliegenden Schiff weiß. Er war mit Caewlin und Cron in Liam Cailidh, fällt ihr ein und sie nickt Galrin grüßend zu, aber in ihrem Lächeln liegt reichlich Verwirrung, als ihre Augen Caewlins Blicke auffangen. Als Niniane den Gast freundlich, aber bestimmt dazu nötigt, sich mit an den Tisch zu setzen und mit ihnen zu frühstücken, pflückt Raven Brynden von ihrem Schoß, deponiert ihn auf einen Stuhl und schlängelt sich um Tisch und Stühle, um in der Küche frisches Geschirr für den Neuankömmling zu holen. Auf dem Weg nach draußen nimmt sie Caewlin beiseite und schlingt den Arm um seine Hüften. "Ich hab dich vermisst", flüstert sie an seiner Wange, als er sich zu ihr herunterbeugt, "wo warst du denn nur? Und wieso hast du den Schiffsbauer mitgebracht?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 20. Juni 2005, 22:20 Uhr
Als Caewlin zum Baum zurückkehrt, schlagen die Hunde an und stürmen dann aus dem Esszimmer, wo sie es sich in den Nischen unter den Fenstern bequem gemacht hatten, um ihn zu begrüßen. Offenbar ist er jedoch nicht allein, denn Niniane kann ihn im Vorraum mit jemandem reden hören. Auf das Gesicht Galrin Ragnarssons, den der Sturmender ins Esszimmer führt, ist sie jedoch nicht gefasst, und wie ihr die überraschten Mienen Crons und Ravens verraten, auch niemand sonst im Baum. Sie ist gerade beidhändig damit beschäftigt, Shaerelas Gesicht und ihr Haar so gut es geht von klebrigem Brei zu befreien und kann den Schiffbauer nur anlächeln. Sie mag Galrin nicht gut kennen, schließlich war sie bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie bisher auf ihn getroffen war, kaum dazu gekommen, mehr als ein paar Worte mit ihm zu wechseln, aber er ist ihr aus der Zeit des Feldzugs gegen die Narge gut in Erinnerung geblieben... schließlich hatte er eine völlig aufgelöste Kizumu und sie selbst ohne Fragen zu stellen oder zu zögern mit seinem Windschiff nach Liam Cailidh gebracht. "Galrin.... das ist eine Überraschung, Euch hier zu sehen." Dann wird ihr Gesicht plötzlich besorgt. "Es ist doch nichts geschehen, oder?" Das hastige Kopfschütteln des Schiffbauers beruhigt sie. "Wolltet Ihr zu mir oder zu Euren Landsleuten? Aber ganz gleich, das kann noch einen Augenblick warten, oder? Setzt Euch doch und esst mit uns. Seid Ihr hungrig? Ich hoffe doch, denn ich habe ein paar Hefelaibchen mit Rosinen... Caewlin, in der Küche sind noch mehr....  gebacken und gestern hat Cron ein Stück geräucherten Schinken angeschnitten."

Sie säubert ihre Tochter von den letzten Resten süßen Haferbreis und schiebt ihren Stuhl vorsorglich ein wenig außer Reichweite der Schüsseln, während Cron Ragnarsson begrüßt und Caewlin und Raven in der Küche verschwinden, um gleich darauf mit Geschirr für den Schiffbauer zurückzukommen. "Wollt Ihr Cofea versuchen? Im Süden Azuriens ist es sehr beliebt und ich fürchte, wir sind ihm hier inzwischen alle rettungslos verfallen, aber ich kann Euch nur raten, Rahm oder Milch und etwas Zucker hineinzutun... dann ist es gut. Ohne schmeckt es wie Morganas Hustensaft." Ein kurzes Katzengrinsen huscht über ihr Gesicht eingedenk der Tatsache, dass weder Raven, noch Caewlin, noch Cron ihre Meinung darüber teilen wollen, sondern das verflixte Gebräu rabenschwarz und gallenbitter in sich hineinschütten und dabei so andächtige Gesichter machen, als hätten sie allesamt Honigkugeln im Mund. "Nehmt Euch, was immer Ihr mögt, bitte, und bedient Euch." Sie weist mit einer wedelnden Handbewegung quer über den Tisch und nimmt die quengelnde Shaerela dann auf den Schoß. Caewlin, der zu nachtschlafender Zeit bereits fortgeritten war, frühstückt ebenfalls und  Niniane nascht hier und da noch eine frische Erdbeere oder ein Löffelchen Honig, ist aber eigentlich längst satt und leert nur noch ihren Becher. Mit Rahm und Zucker - Ambrosia, selbstredend.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 20. Juni 2005, 22:51 Uhr
"Unsinn. Kommt mit. Vielleicht haben wir Glück und bekommen noch etwas zwischen die Zähne," Caewlin schiebt Galrin die Stufen hinauf und durch die Eingangstür, die wie von Zauberhand bewegt nach innen aufschwingt. Es klingt vielleicht nicht nach einem aufbrechenden Heereszug - schnatternde Kinderstimmen, hechelnde Hunde, dazwischen das beständige Klappern und Klirren von Geschirr, Wortfetzen, ab und an eine mahnend erhobene Stimme, aber es herrscht dieselbe, lärmende Geschäftigkeit, laut, chaotisch, bunt und warm. Sie haben noch keinen Schritt in den runden Vorraum getan, als aus dem Esszimmer grollend und schweifwedelnd gleichzeitig die beiden Hunde drängen. Einen Augenblick wird der für sie fremde Schiffbauer neugierig und wachsam umkreist, dann schießen sie an ihm vorbei und springen an Caewlin hoch, der unter Akiras und Stelzes vereintem Gewicht einen halben Schritt zurücktreten muss, um nicht in die Knie zu gehen. Er nickt zu dem Türbogen zu ihrer Linken hinüber, durch den das Stimmengewirr und der Duft nach frischaufgebrühtem Cofea dringen, während er spielerisch einen Moment mit den Hunden ringt. "So wie es aussieht, sind alle noch beim Morgenmahl. Akira, lass das, genug jetzt." Er schiebt die Bluthündin von sich, die sich hechelnd auf ihren Platz trollt und wehrt Stelze ab, der versucht, an ihm hochzuspringen und seine Finger mit seiner feuchten Zunge zu bearbeiten, dann führt er Galrin ins Esszimmer hinüber. "Hier entlang." Sie finden Niniane, Cron, Raven mit Brynden auf dem Schoß, der ihm fröhlich und mit vollen Backen kauend zuwinkt, und eine von einem Ohr bis zum anderen mit Haferbrei verschmierte Shaerela mit teuflischem Grinsen im kleinen Gesicht um den Tisch versammelt vor, und Caewlin bleibt einen Moment stehen. Seine Augen suchen die Ravens und für einen Herzschlag sind jedes Morgenmahl und jeder unerwartete Besuch, alle Kinder und alle Hunde vergessen. Sie lächeln  sich über den Tisch, die Kinder und die Köpfe der anderen hinweg an, und sie wissen, dass sie leuchten.

Dann besinnt Caewlin sich auf den Schiffbauer hinter ihm und weist mit einer formlosen Geste in die Runde. "Galrin, das Raven, meine Frau, und mein Sohn Brynden. Niniane und Cron kennt Ihr ja. Das kleine Breimonster im Hochstuhl ist ihre Tochter Shaerela." Er überlässt Galrin Niniane und Cron, die ihn lächelnd grüßen und einladen, das Morgenmahl mit ihnen zu teilen, angelt über Shaerelas Lockenkopf hinweg nach einem Stück Hefelaibchen aus dem Brotkorb, und will gerade um den Tisch herum zu seiner Familie gehen, als Raven plötzlich vor ihm steht und ihn mit sich in die Küche zieht. Er beugt sich zu ihr hinab, um sie hochzuheben und als er es tut, flüstert sie: >Ich hab dich vermisst. Wo warst du denn nur? Und wieso hast du den Schiffsbauer mitgebracht? Er drückt sie fest an sich, lacht leise und vergräbt seine Nase in ihrem Haar. "Mm. Sag mir, dass du mich schrecklich vermisst hast." Er wartet keine Antwort ab, aber er küsst sie gründlich genug, um für einen Augenblick zumindest jeden Gedanken an ein zusätzliches Gedeck aus ihrem Kopf zu vertreiben und stellt sie dann wieder auf die Füße. "Ich war in der Stadt." Er küsst die Spitze ihrer sich unmutig kräuselnden Nase und kämpft mit einem Lächeln angesichts ihres Aber-ich-will-wissen-warum-Blicks, und bevor sie Luft holen kann, um nachzubohren, streicht er über ihre Wange. "Warum zeige ich dir später. Und Galrin habe ich nicht mitgebracht, der ist mir auf der Lichtung draußen zugelaufen - ich habe keine Ahnung, was er hier will, oder ob er etwas braucht. Zuerst dachte ich, er käme zu Niniane, aber er ist aus Normand, aye, es kann ebenso gut sein, dass er etwas von Cron oder mir will..." Einen Moment sieht er sie nachdenklich an. Oder von... Dass Raven aus Corwyness stammt, kann er vielleicht an ihrem Akzent erraten, wenn er sie Normandik sprechen hört, aber er weiß nicht, wer sie ist. Caewlin nimmt einen Teller vom Wandbord, wie alles Geschirr in diesem elbischen Baum blattförmig und hauchdünn, glasiert wie ein herbstrotes Ahornblatt, und einen dazu passenden Becher und drückt beides Raven in die Hände, während er noch mehr Hefelaibchen und Brot mitnimmt.

"Hier. Komm, ich sterbe vor Hunger und Galrin wird uns... oder Niniane... schon verraten, was ihn hergeführt hat."
Sie frühstücken gemeinsam, das heißt, der Schiffbauer und er selbst frühstücken, Niniane, Cron und Raven beenden ihr Morgenmahl nur noch. Brynden krabbelt irgendwann auf seinen Schoß und isst aus Solidarität noch einmal ein Honigbrot, was dazu führt, dass nicht nur seine, sondern auch Caewlins Finger großzügig kleben. Als er seinen Teller schließlich von sich schiebt und sein naseweiser Sohn sich ins Kaminzimmer trollt, um dort zu spielen, schenkt er sich noch einmal Cofea nach und lehnt sich mit seinem dampfenden Becher zurück. Raven sitzt so nahe neben ihm, dass ihre Beine sich unter dem Tisch berühren, nascht hin und wieder eine Erdbeere oder ein Stück Brot von seinem Teller, und lauscht wie er selbst mit halbem Ohr Niniane und mit halbem Ohr auf Brynden, den man nebenan mit der allgegenwärtigen Spielzeugkiste rumoren hört und der gerade lautstark einen seinen Holzritter ausschimpft.  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 20. Juni 2005, 23:51 Uhr
Freundlich wird der Mann aus Dirholmar bei den Bewohnern des Baumes aufgenommen. Seine Landsmann, Cron von Tronje, begrüßt ihn herzlich nach Nordmannsart, und auch die Halbelbe mit den goldenen Augen freut sich offenbar über den unerwarteten Besuch. Galrin verbeugt sich höflich, und das "Khel Dar, Lady Niniane." kommt ihm dank des Sprachunterrichtes von Jolanthe so einfach und akzentfrei über die Lippen, als hätte er nie in seinem Leben eine andere Sprache als die der Elben gesprochen. Die schwarzhaarige, schlanke Frau an Caewlins Seite hat der Kapitän bislang noch nicht gesehen. Doch bevor er sich noch fragen kann, wer sie ist, stellt der Sturmlord sie dem Landsmann als >Raven, meine Frau< vor. So verneigt er sich auch vor ihr, und begrüßt sie mit Höflichkeit und gebührender Ehrerbietung.

Das Kind, das die Waldläuferin auf dem Schoß hält, zieht, ebenso wie Brynden, die Aufmerksamkeit des Schiffbauers auf sich. Die schwarzen Haare hat Ninianes Tochter von Cron geerbt, aber die Augen und die Wangenknochen stammen ohne Zweifel von ihrer Mutter. Galrin schnalzt mit der Zunge und zwinkert Shaerela zu, woraufhin diese interessiert ein Ärmchen nach dem Fremden ausstreckt und ihn anstrahlt. Und als wäre zwei kleine Sonnen in ihrem Gesicht aufgegangen, leuchten die Augen des Kindes in hellem Gold.

Die Frage der Halbelbe, ob er zu ihr oder zu seinen Landsleuten wolle, holt den Nordmann rasch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Galrin lächelt um Entschuldigung heischend, und erklärt:
"Verzeiht, Mylady, daß ich nicht sofort geantwortet und den Grund meines Hierseins genannt habe, doch ich bin selbst erst vor Kurzem Vater geworden, und Kinder üben daher zur Zeit auf mich eine besondere Faszination aus."

Das Festmahl, das ihm als Frühstück angeboten wird, nimmt Galrin dankbar an. Zwar hat er seine Zwillinge am Morgen bereits versorgt, doch sein eigener Magen ist dabei doch deutlich zu kurz gekommen. So greift der Nordmann dankbar zu, als ihm Hefegebäck mit Rosinen, geräucherter Schinken und andere Delikatessen angeboten werden. Die dunkle Flüssigkeit mit dem eigenartigen Geruch hat Niniane "Cofea" genannt. Auch wenn er noch nie die Gelegenheit hatte, dieses Nationalgetränk Südazuriens zu kosten, so erinnert er sich doch genau an die bitter schmeckenden Säfte, die Morgana ihm nach seiner Verwundung durch den Dämonenhund im Larisgrün verabreicht hat. Da er dem Urteil der Waldläuferin vertraut, und den bitteren Geschmack nicht auf seiner Zunge zu spüren wünscht, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist, befolgt er ihren Rat, sein Getränk mit Rahm und Zucker zu vermischen. Doch dann schmeckt das heiße Gebräu durchaus passabel und für einen Moment denkt Galrin darüber nach, das Reiseziel aus dem hohen Norden nach Azurien zu verlegen. Doch er bleibt seiner Entscheidung treu.

So kommt der Schiffbauer, nachdem er seinen Teller geleert und sich artig für das überreiche Frühstück bedankt hat, auf den Grund seines Besuches zu sprechen:
"Myladies, Mylords... ich habe in absehbarer Zeit vor, in den hohen Norden der Immerlande zu reisen, um dort nach dem verschwundenen Kontinent Gronaland zu suchen und ihn, so ich ihn finde, so genau als möglich zu erforschen und zu kartographieren."
Die erstaunten und vielleicht zu einem geringen Teil auch erschrockenen Mienen der Zuhörer entgehen Galrin nicht. Bereits der Zwergenwirt Borgil hatte ja seiner Besorgnis über das Ziel dieser Reise und die dort lauernden Gefahren Ausdruck verliehen. Doch zunächst erhebt noch niemand Einwände, und so redet Galrin weiter:
"Da ich bei dieser Reise, die ich mit der 'Windkind' unternehmen möchte, ohnehin die Nordlande und somit auch die Heimat von Euch, Lord Caewlin, und Euch, Lord Cron, erreichen werde, entbiete ich mich, sofern Ihr Nachrichten oder Waren von oder nach Normand zu senden wünscht, dies für Euch zu erledigen. Ich hoffe, vor dem Einbrechen des Winters wieder in Talyra zu sein."

Daß Raven aus Corwyness stammt, ist Galrin nicht bekannt, und da sie auch nicht unbedingt dem Bild einer typischen Frau aus Normand entspricht, kommt der Kapitän auch nicht auf die Idee, sie zu fragen, ob sie Kontakt mit ihrer Heimat aufzunehmen wünscht.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 21. Juni 2005, 16:51 Uhr
>Mm. Sag mir, dass du mich schrecklich vermisst hast.< "Schrecklich ist gar kein Ausdruck", murmelt sie dicht an Caewlins Mund, legt die Arme um seinen Hals und drückt sich an ihn, als wäre er nicht nur einige wenige Stunden, sondern mindestens mehrere Tage lang fort gewesen. Am liebsten hätte sie ihm noch ganz andere Dinge ins Ohr geflüstert, aber sie verkneift es sich und hebt sich dies für eine bessere Gelegenheit auf. Er riecht nach Sattelzeug, nach Wald und kühler Morgenluft und unter diesem flüchtigen, oberflächlichen Hauch ganz nach sich selbst, und von seinem Geruch kann Raven einfach nicht genug bekommen. Von seinem Geschmack auch nicht. Und von seinen Küssen erst recht nicht. Als ihre in der Luft herumbaumelnden Füße wieder festen Boden und die blankgescheuerten Fußbodenbretter der Küche unter sich haben, kann sie sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was sie hier draußen eigentlich wollte, außer ihren Mann zu küssen - bis Caewlin ihr einen Teller und einen Becher in die Hand drückt. Stimmt. Da war noch was. >Ich war in der Stadt<, verkündet er, aber bevor ein Schwall neugieriger Fragen aus ihr heraussprudeln und auf ihn niederprasseln kann, gebietet er ihr mit einem Kuss auf die Nase Einhalt, vertröstet sie mit der Antwort und einem halben Lächeln auf später - und schweigt wie ein Grab. "Argh, jetzt weiß ich auch, woher dein Sohn das hat", bemerkt sie und murmelt frustriert noch etwas von 'furchtbar redseligen Nordmännern' und 'stumm wie Stockfische', aber ihre Augen leuchten, als Caewlin mit seharimgleicher Unschuldsmiene und amüsiert zuckenden Mundwinkeln auf sie hinab blickt und dann gibt sie einen belustigten Prustlaut von sich, als er behauptet, Galrin wäre ihm draußen zugelaufen.

"Kleine Kätzchen laufen einem zu", klärt sie ihn kichernd auf. "Oder herrenlose Hunde. Manchmal auch ehemalige Diebinnen. Aber keine ausgewachsenen, zweihundertfünfzig Pfund schweren Nordmänner." Sie schüttelt energisch den Kopf, als wäre das völlig ausgeschlossen, und wirft durch den offenen Durchgang einen zweifelnden Blick auf Galrin, der gerade Anstalten macht, sich am gedeckten Frühstückstisch niederzulassen. "Na gut", korrigiert sie sich beim Anblick seiner mehr als stattlichen Gestalt. "Dreihundert Pfund." >Ich habe keine Ahnung, was er hier will, oder ob er etwas braucht,< beendet Caewlin seinen angefangenen Satz und sein Lächeln weicht einer nachdenklichen Miene. >Zuerst dachte ich, er käme zu Niniane, aber er ist aus Normand, aye, es kann ebenso gut sein, dass er etwas von Cron oder mir will.< Mehr scheint auch er nicht über den Begehr ihres Landsmannes zu wissen, denn offenbar war Galrin mit der Sprache noch nicht herausgerückt. Ein reiner Höflichkeitsbesuch scheint es jedenfalls nicht zu sein, der ihn in den Baum der Waldläuferin geführt hat. "Dann lass uns hören, was ihn hierher treibt und was er zu sagen hat." Raven ist noch immer ein wenig irritiert von der Begrüßung des Schiffsbauers, der sich tatsächlich vor ihr verneigt hat und beinahe hätte sie in diesem Moment hinter sich geblickt, ob er nicht vielleicht doch jemand anderen damit meinen könnte.

Sie folgt Caewlin, der sich den Arm voller Brotscheiben und Hefelaibchen geschaufelt hat und sie in das Esszimmer hinüber balanciert, und stellt Teller und Becher vor Galrin ab, dem Niniane gerade eine Kostprobe des Cofeas aufzuschwatzen versucht. Raven kann nur schmunzelnd mit den Augen rollen, als die Waldläuferin steif und fest behauptet, das bittere Getränk sei nur in Verbindung mit reichlich Sahne und Zucker genießbar und würde ansonsten schlimmer als Morganas Hustensaft schmecken. "Glaubt ihr kein Wort", wirft sie grinsend ein und lässt sich neben Caewlin auf einen Stuhl sinken, "mit Zucker und Rahm verschandelt man nur seinen Geschmack." Aber der Schiffsbauer scheint ein überaus vorsichtiger Mensch zu sein und befolgt Ninianes weisen Ratschlag. Während er herzhaft zulangt und sich Brot, Butter, geräucherten Schinken und die frischen Rosinenbrötchen schmecken lässt, schäkert er mit Shaerela, die ihn mit ihren Goldaugen und einem verschmitzten Grinsen längst schon für sich eingenommen hat, und erzählt dabei, dass er selbst gerade erst Vater geworden sei. Nachdem sie ihn alle mit Glückwünschen gequält haben, kommt er zum eigentlichen Anliegen seines Besuchs und berichtet von seiner geplanten Reise in den Norden. Gronaland? Erstaunt hebt Raven eine der geschwungenen Brauen. Mit seinem fliegenden Schiff? Hm, er wird schon wissen, was er tut. Und er kann nur hoffen, dass seine Kinder zum Ende des Winters noch einen Vater haben ... Bevor sie jedoch auch nur einen weiteren Gedanken an diese Reise oder sein wundersames Luftschiff verschwenden kann, wendet er sich Caewlin und Cron zu und bietet ihnen an, Nachrichten oder Waren mit nach Normand zu nehmen - ein äußerst netter und aufmerksamer Zug von ihm, wenn man bedenkt, dass er den beiden in keiner Weise verpflichtet ist.

Raven stockt trotzdem der Atem. Normand? Er segelt auf dem Luftweg auch nach Normand? Götter, er wird unser aller Heimat sehen... Auf einmal wollen sich ihre Gedanken schier überschlagen und durcheinanderwirbelnde Bilderfetzen blitzen vor ihrem inneren Auge auf .... die weiten, weißen Eisöden, Corwyness mit seiner dunklen Burg über dem schäumenden Meer, die zerklüftete Sturmküste, Kingsala und Myrme und die windumtosten Gipfel des Wolkenthrons, Raidris klappriger Planwagen, die mit den Jahren fast schon verblassten Gesichter ihrer Brüder ... und auch Crons Familie lebt dort und Caewlins kleiner Bruder, seine Schwestern, sein Vater. Sein Erbe wartet dort auf ihn. Völlig verdattert, weil ihr ein aberwitziger Gedanke durch den Kopf schießt, lässt sie die Erdbeere wieder sinken, die sie eben von seinem Teller stibitzt hat. Götter, was ist, wenn Ragnarsson ihn fragt, ob er ... mitkommen und ihn begleiten will? Eine plötzlich aufkeimende Panik droht ihr beinahe die Luftzufuhr abzuschnüren und ihr Blick sucht Caewlins Augen. Die Reise dort hinauf in den Norden würde normalerweise wohl lange Monde dauern, aber mit diesem Flugdings .... es wird sich wohl kaum noch einmal die Chance bieten, so schnell und so bequem nach Normand zu reisen, was ist, wenn er nicht nur Waren und Botschaften schicken will, sondern selbst ...? Er sitzt völlig entspannt neben ihr, so nah, dass sie sich berühren, einen Becher dampfenden Cofeas vor sich und die Finger voll klebrigem Honig, und lauscht aufmerksam Galrins Worten. Raven versucht ihre überschäumende Fantasie in Zaum zu halten und sich ihre Beklommenheit nicht anmerken zu lassen und fragt bei Galrin vorsichtig nach: "Wann werdet Ihr denn aufbrechen? Und wer wird Euch auf dieser gefahrvollen Reise begleiten?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 21. Juni 2005, 21:11 Uhr
>Myladies, Mylords... ich habe in absehbarer Zeit vor, in den hohen Norden der Immerlande zu reisen, um dort nach dem verschwundenen Kontinent Gronaland zu suchen und ihn, so ich ihn finde, so genau als möglich zu erforschen und zu kartographieren.<
Cron starrt den Schiffbauer einen Moment lang so verblüfft an, als rede der von fliegenden Purpurdrachen am Himmel oder etwas ähnlichem und der Cofea in seinem Mund verwandelt sich tatsächlich in Morganas Hustensaft. Er würgt ihn trotzdem hinunter und Galrin nutzt die erschrockene Stille am Tisch, um zum eigentlichen Grund seines Besuches hier zu kommen: >Da ich bei dieser Reise, die ich mit der 'Windkind' unternehmen möchte, ohnehin die Nordlande und somit auch die Heimat von Euch, Lord Caewlin, und Euch, Lord Cron, erreichen werde, entbiete ich mich, sofern Ihr Nachrichten oder Waren von oder nach Normand zu senden wünscht, dies für Euch zu erledigen. Ich hoffe, vor dem Einbrechen des Winters wieder in Talyra zu sein.< Sein nobles Angebot geht, zumindest was Cron betrifft, zunächst einmal in der Bestürzung über seine Ankündigung, Gronaland erforschen zu wollen, unter. "Äh... sehr aufmerksam von Euch, Galrin, was mich betrifft komme ich gern darauf zurück, aber... Gronaland?" Wie alle Normander ist auch er mit den sagenhaften Geschichten über Riesen und Aurochmagr, über Mondwale und die Lande des ewigen Eises am Rand der Welt aufgewachsen, auch wenn Tronje fernab aller rauen Küsten am Rand des Wolkenthrons liegt. Nicht einmal ein Dutzend wagemutiger nordischer Seefahrer hatte es in den vergangenen Jahrhunderten versucht, das legendäre Eisland zu finden. Bis auf ein oder zwei Drachenschiffe, war auch kein solcher Erkundungstrupp je zurückgekehrt. Das wenige, was diejenigen, die ihre Fahrt überlebt hatten, zu berichten wussten, hatte nie ausgereicht, um ein einigermaßen klares Bild von Gronaland zu bekommen und soweit Cron weiß, existieren nur vage Küstenkarten von seiner äußersten Südspitze. Aber dafür hatten die Männer, die es versucht hatten, vom Packeis erzählt, vom "Grab der Eisberge" und von Gewässern an der Küste, so voller Treibeis, kalbender Eisberge und Eislawinen, die von mahlenden Gletschern ins Meer rutschen, dass jede Fahrt hindurch völlig unmöglich ist. Von Buchten, in denen sich plötzlich das Eis hinter einem schließt, so dass man nie wieder herauskommt und von hundert Schritt hohen Eisbergen, die unter Wasser gigantische Ausmaße haben und alles niederwalzen, was ihnen in den Weg kommt… und von der Kälte: von einer alles durchdringenden, allmächtigen Kälte, der man nichts entgegenzusetzen hat und die selbst hartem Eisen nach einer Weile so zusetzt, dass man es mit dem Fingernagel auseinanderpulen kann.

Aber Galrin kennt all diese Geschichten ebenso wie er, er muss sie kennen. Die ganze Küste Normands entlang, von Nordwacht an der See bis zum Fjord von Kentyr, könnte man jeden Kapitän eines Drakkar fragen, wie er es - ganz gleich zu welcher Jahreszeit - mit dem Meer nördlich von Grindavík hätte, und die Antwort wäre überall die gleiche: verdammt miserabel. Der Schiffbauer jedoch nickt nur entschlossen. Er befährt ja auch nicht das Meer, er hat sein Windschiff, ruft Cron sich ins Gedächtnis. Er fliegt. Dennoch oder gerade deswegen… "Galrin, Ihr kennt das Nordmeer viel besser als ich, aber ich war im Krieg oft genug auf einem Drachen und wir sind weit in den Norden des Kalten Ozeans gekommen. Seid Ihr Euch wirklich sicher, dass die Windkind das schaffen kann? Ich kenne mich nicht aus mit fliegenden Schiffen, zugegeben, aber…" er schüttelt den Kopf. "Seid Ihr sicher, dass sie der Kälte gewachsen ist? Und der Vereisung? In der Luft seid ihr zwar keinen Brechern ausgesetzt, die aufs Deck schlagen und festfrieren, aber was ist mit dem Nebel?" Er tauscht einen Blick mit Caewlin, der kaum merklich nickt und Cron beugt sich auf seinem Stuhl vor und stützt die Unterarme auf die Tischplatte. "Im Krieg mit Barsa…" er holt langsam Luft und starrt auf das Muster aus Krümeln auf seinem Teller, "wurden wir einmal während eines Sturmes bis ins Nebelmeer abgetrieben. Wir waren auf dem Weg in die Sklavenbucht, als wir hineingerieten und ich weiß nicht, wie weit wir tatsächlich nach Norden kamen, aber es war weit genug. Von den sieben Schiffen, die es erwischt hatte, kamen nur zwei wieder heraus… dabei war es nach dem Sturm ruhiger, kurze, kabbelige See und nicht viel Wind. Aber da war der Nebel. Vier weiße Wände um das Schiff und man sah nichts mehr, nicht einmal mehr die Hand vor Augen. Das Eis legt sich einfach um alles. Ich hoffe wirklich, Ihr seid gut auf das vorbereitet, was Ihr da vollbringen wollt… wenn es jemand gelingen kann, dann vielleicht euch mit der Windkind, aber... die Götter mögen mit Euch sein." Er zuckt vage mit den Schultern und versucht ein möglichst aufmunterndes Lächeln. Dann fällt ihm Galrins Angebot wieder ein. "Ich hätte einige Briefe an meine Familie, die ich Euch mitgeben würde. Und Raven…eine deiner Zeichnungen von Niniane und Shaerela, wenn du sie mir gibst, würde ich gern nach Tronje schicken. Und vielleicht ein paar Kleinigkeiten, aber mehr als eine Truhe wird es nicht werden. Und wenn Ihr im Gegenzug dafür in Tronje Vorräte und Trinkwasser aufnehmen oder Euch sonst mit Nötigem versorgen müsst, dann sollt Ihr es bekommen, ich setze gleich ein Schreiben für Euch auf. Caewlin, was ist mit dir…?" Er blickt auf, doch der Sturmender sieht Raven an, die gerade sehr gefasst, aber mit einem ein wenig beklommenen Unterton in der Stimme bei dem Schiffbauer nachfragt, wann er aufbrechen wolle und wer ihn auf seiner Reise begleite. Cron tauscht einen Blick mit Niniane, die Raven und Caewlin aufmerksam mustert, dann jedoch nur mit den Schultern zuckt. "Caewlin?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 21. Juni 2005, 23:39 Uhr
>Glaubt ihr kein Wort. Mit Zucker und Rahm verschandelt man nur seinen Geschmack.<, erwidert die Frau des Sturmlords auf den Rat der Waldläuferin, den Cofea nur mit diesen geschmacklichen Hilfsmitteln zu genießen. Galrin indes hat sich bereits Zucker und Milch in die Tasse gegeben, und da man diese Ingredenzien nur schlecht wieder aus dem Gefäß entfernen kann, entscheidet er sich zu einer diplomatischen Antwort.

"Ich werde es beim nächsten Mal versuchen. Allerspätestens dann, wenn mir eine gewisse Heilerin wieder einmal helfen muß.", sagt Galrin mit einem Lachen, bevor er seinen Cofea probiert und von dem Geschmack doch recht angetan ist. Ob dies nun an Milch und Zucker, oder an dem Getränk selbst liegt, vermag der Nordmann nicht zu sagen, das würde er erst nach seinem Experiment ohne die geschmacksverändernden Stoffe wissen.
Die Glückwünsche, die er zur Geburt der Zwillinge entgegennehmen muß, sind noch reichhaltiger als das Frühstück, wenn dies denn überhaupt möglich ist. Hände werden geschüttelt, Schultern geklopft und auf das Leben der beiden neugeborenen Bürger Talyras angestoßen - mit Cofea zwar, doch das tut den Glückwünschen keinen Abbruch.

Ravens betroffene Miene, die für jeden im Raum mehr als offensichtlich ist, mißdeutet der Kapitän, als er der Frau seines Landsmannes hastig erklärt, ein solcher Freundschaftsdienst sei ihm sicher keine Mühe. Vielmehr sei es seine Pflicht als Angehöriger des Nordvolkes, seinen Landsleuten dieses Angebot zu unterbreiten, und ihm eine besondere Ehre obendrein, es auch durchführen zu können.
"Immerhin habe ich auch dem Zwergen Borgil versprochen, für ihn Waren aus Torhof mitzubringen, wenn wir auf unserer Reise dort rasten. Und was wäre ich für ein Normander, wenn ich denen, die ebenso weit von der Heimat entfernt sind wie ich, nicht das Gleiche anbieten würde?"

Die Stimme der Lady von Sturmende zittert leicht, als sie abermals das Wort an den Schiffsbauer richtet: >Wann werdet Ihr denn aufbrechen? Und wer wird Euch auf dieser gefahrvollen Reise begleiten?<
"Wir haben vor, in spätestens drei Siebentagen loszusegeln. Bis dahin haben wir das Windschiff für seine Reise gerüstet und alle wichtigen Vorkehrungen getroffen, um den Werftbetrieb am Laufen zu halten."
Der Nordmann greift nochmals nach einem der köstlichen Rosinenbrötchen, bevor er weiter redet: "Einige meiner Besatzungsmitglieder sind natürlich unabkömmlich auf einer solchen Reise. Andere werde ich, zu meinem Bedauern, hier lassen müssen. Immerhin führt sich die Werft nicht von allein, und die Arbeit wird nicht weniger, nur weil der Herr Kapitän im Norden unserer Welt herumgondelt."

Nach einem kräftigen Bissen von dem süßlichen Gebäck fährt Galrin fort: "Aber um Eure Frage zu beantworten, Mylady, so begleiten mich natürlich meine Frau, meine Kinder, eine Amme für die Kinder, sowie etwa ein Drittel meiner Knechte. Der Rest der Besatzung rekrutiert sich aus Matrosen, die ich in Talyra angeheuert habe und die die Fahrt ins Ungewisse ebenso reizt wie mich. Überdies werden noch meine Eltern und meine Geschwister den ersten Teil der Reise mitmachen. Sie waren zu meiner Hochzeit hier, und statt nun tage-, wochen- oder gar mondelang quer durch das Land zu reisen, bringen wir sie mit der 'Windkind' nach Dirholmar zurück."
Abermals atmet Raven leise, aber doch hörbar ein.
Dirholmar, das Dorf aus dem Galrin stammt, liegt nicht einmal hundert Meilen von Corwyness entfernt. Nicht nur möglicherweise, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird die "Windkind" also Ravens Heimatstadt überfliegen. Doch die schwarzhaarige Frau läßt sich nichts anmerken, und selbst wenn, hätte in diesem Moment doch Cron Galrins ganze Aufmerksamkeit für sich beansprucht.

>Äh... sehr aufmerksam von Euch, Galrin, was mich betrifft komme ich gern darauf zurück, aber... Gronaland?<, fragt der Tronjer mit einem Blick, als hätte sich der Schiffsbauer vor seinen Augen in eine Laiginer Lilie verwandelt. Offenbar zweifelt der Gemahl der Waldläuferin an dem Wahrheitsgehalt von Galrins Aussagen - oder an seinem Verstand. Möglicherweise auch an beidem.
Cron führt seine Zweifel weiter aus. Zwar gäbe es für das Windschiff keine Wellen, die das Deck vereisen und das Schiff so in seinen Untergang reißen könnten, doch der Nebel sei tückisch und unberechenbar.
Nur mit Mühe kann der Kapitän ein paar Bedenken des Tronjers zerstreuen: "Ich danke Euch für Eure guten Ratschläge, Mylord Cron, und fühle mich geehrt, daß Euch an meiner sicheren Rückkehr so viel gelegen ist. Seid versichert, daß ich nicht vorhabe, das Wetter auf dem Weg nach und über Gronaland zu unterschätzen. Ich habe ja schon einmal ein Windschiff gebaut, das am Krieg gegen Barsa teilgenommen hat. Und wenn die 'Windkind' sich als nur halb so widerstandsfähig erweist, wie die 'Albatros', dann bin ich zuversichtlich, daß wir sicher wieder heimkehren."

Cron indes hat das Kinn in die Hand gestützt und scheint zu überlegen, was er seinen Verwandten im fernen Normand senden könnte: >Ich hätte einige Briefe an meine Familie, die ich Euch mitgeben würde. Und Raven, eine deiner Zeichnungen von Niniane und Shaerela, wenn du sie mir gibst, würde ich gern nach Tronje schicken. Und vielleicht ein paar Kleinigkeiten, aber mehr als eine Truhe wird es nicht werden.<
Der Kapitän lächelt und nickt. Er hat genug Platz an Bord, um nötigenfalls den kompletten Hausrat des Tronjers nach Normand zu schaffen, und den halben des Sturmlords noch dazu. Und eine Seekiste nach Tronje zu bringen, und dafür dort die Möglichkeit zu haben, Wasser und Vorräte zu ergänzen, ist ein glänzender Handel, den Galrin sich nicht entgehen lassen will.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 23. Juni 2005, 11:01 Uhr
Ninianes Blick wandert zwischen Galrin, Cron, Caewlin und Raven hin und her, während der Schiffbauer von seinem Vorhaben berichtet und damit allgemeinen Schrecken am Tisch auslöst. Gronaland, sagenhafter Eiskontinent im höchsten Norden Rohas, ein Land, von ewigem Eis bedeckt, voll frostiger Gletscher und heulender Winde, zu kalt, als dass irgendwelche Lebewesen außer Frostriesen und Minotauren dort leben könnten... so jedenfalls heißt es bei den Gelehrten der Elben. Iôrtamarun haben die wenigen elbischen Seefahrer Dúnes, die je bis in seine Sichtweite kamen, es genannt - und das ist neben der Tatsache, dass das Eismeer um Gronaland für elbische Schiffe schlicht nicht zu befahren ist, auch schon das einzige, was die Kinder des Morgens darüber wissen... und dass von dort über Packeiswege und Barsa immer wieder Riesen und andere Schrecken der Polarnacht in den Norden der Immerlande eingefallen waren. Raven erkundigt sich mit einem kaum Wahrnehmbaren Zittern in der Stimme: >Wann werdet Ihr denn aufbrechen? Und wer wird Euch auf dieser gefahrvollen Reise begleiten?< Etwas in ihrem Ton reißt Niniane aus ihren Gedanken und sie mustert Raven aufmerksam, ebenso wie Caewlin. Er hat es auch gehört. Was hat sie plötzlich? Ravens Miene ist nachdenklich, aber das sind ihrer aller Gesichter nach Galrins Worten, aber von ihr geht eine spürbare Unruhe aus, die Niniane nicht ganze einordnen kann. Sie sieht ihre Freundin fragend an, erntet aber nur vages Kopfschütteln, das stumme Äquivalent zu einem "Später, nicht jetzt". Cron ist gerade dabei, den Schiffbauer wegen all der Risiken seiner Reise zu warnen und seine Worte lassen ihr zumindest nur zu deutlich werden, wie waghalsig sein Vorhaben tatsächlich zu sein scheint. Galrin allerdings bescheidet ihnen nur, er habe nicht vor, sein Unterfangen auf die leichte Schulter zu nehmen. >Seid versichert, daß ich nicht vorhabe, das Wetter auf dem Weg nach und über Gronaland zu unterschätzen. Ich habe ja schon einmal ein Windschiff gebaut, das am Krieg gegen Barsa teilgenommen hat. Und wenn die 'Windkind' sich als nur halb so widerstandsfähig erweist, wie die 'Albatros', dann bin ich zuversichtlich, daß wir sicher wieder heimkehren<  Niniane zieht nachdenklich die Stirn in Falten. "Aber Barsa ist, zumindest in seinem Westen, viel milder als das übrige Nordland, nach allem, was ich gehört habe. Wegen der Meeresströmung und der vielen Vulkane auf der Insel. Weiter nördlich muss es sehr viel kälter sein.

Ihr mögt das vielleicht aushalten mit der richtigen Kleidung und Ausrüstung, aber was ist mit Euren Kindern? Sie sind doch noch so klein, gerade erst geboren – ihr könnt sie kaum in Eisbärfellhosen stecken und über die Kohlebecken halten...." Dann fällt ihr etwas ein. "Ich habe ein paar Riayael übrig, die ich Euch mitgeben könnte. Sie haben den großen Vorteil, Wärme zu spenden wie ein Feuer, aber nichts zu verbrennen. Sie werden allerdings nicht ewig halten, wenn sie Tag und Nacht glühen und sie sind... magisch. Wenn Ihr wollt, hole ich sie Euch." Ihr Gesicht wird noch nachdenklicher, als sie in lange vergessenen Erinnerungen gräbt. "Kennt Ihr die Legende von Iôrtamarun? So nennen die Elben Gronaland." "Es heißt, als die Götter das Weltenlied sangen und Roha erschufen, waren es Kenen, die Frostmaid und Chol, der Winterwind, die traurig wurden, weil alles grün und blühend war, wuchs und gedieh. Also sprach Sithech zu ihnen: nehmt euch den hohen Norden und grämt euch nicht. Und das taten sie dann auch...Die Elben Dúnes wussten von Gronaland, aber ich kann mich nicht erinnern, je etwas gelesen oder gehört zu haben, dass sie tatsächlich bis dorthin gesegelt wären. Es gibt allerdings ein paar ungenaue Karten von Buchten und Eisgrenzen des Südostens von Iôrtamarun... ich kann Euch nur nicht sagen, wie sie aussehen. Ich habe sie in Corvallen im Haus Zedernherzens einmal gesehen, aber es ist zu lange her, als dass ich mir die Einzelheiten ins Gedächtnis zurückrufen könnte. Aber etwas anderes, Galrin. Ihr sagt, ihr fliegt nach Normand, um Eure Familie nach Dirholmar zurückzubringen. Eure Frau ist doch eine Halbelbin... habt Ihr keine äh... Bedenken deswegen?" Sie weiß, das heißt in diesem Moment geht ihr auf, dass sie damit ein heikles Thema angeschnitten hat, zumal hier an ihrem Tisch drei Nordmänner, Raven, deren Elbenblut durch viele nachfolgende Generationen zwar kaum noch durchschimmert, aber durchaus vorhanden ist, und sie selbst, die erste Halbelbin überhaupt sitzen - aber sie kann ihre vorschnellen Mund einfach nicht halten. Mist. Schön, jetzt ist es auch gleich...  "Und Eure Frau? Gut, sie hat Euch geheiratet und ich weiß nicht, wie viel sie über die Geschichte ihres Elbischen Erbes weiß, aber... ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich gern unter Menschen bewegt, deren Sippen so klangvolle Namen tragen wie Aelfmord und einen gehäuteten Elben im Wappen haben..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 23. Juni 2005, 12:27 Uhr
Galrin lächelt Niniane offen an, als diese ihre Bedenken in Richtung der Fahrt nach Gronaland äußert. Er weiß um die Kälte und die Wetterverhältnisse im Norden. Er weiß über Kälte und Wind Bescheid und auch darüber, wie man sich gegen beides wirkungsvoll schützt. Und er weiß, welche Möglichkeiten ihm und seiner Familie an Bord des Windschiffes zur Verfügung stehen, um nicht zu erfrieren.

"Mylady, ich danke auch Euch ebenso wie Eurem Manne für die guten Ratschläge, die ihr mir gebt. Und ich bin mir darüber bewußt, daß eine Fahrt in den Norden unserer Welt keine Ausflugsfahrt nach Brioca darstellt. Doch bitte ich Euch, mir zu glauben, wenn ich sage, daß ich Land und Wetter des Nordens kenne. Auch ich bin schon im Treibeismeer gesegelt, an Bord des Drakkar meines Vaters. Und damals war ich mehr ein Kind denn ein Mann."
Der Nordmann überlegt für einen Moment, ob er Niniane einen Vortrag über den Einsatz von Leder und Wolle als Schutz gegen Wind und Kälte halten soll, doch ist er sich sicher, daß die Halbelbin, über deren Alter Gerüchte zwischen zwanzig und zwanzigtausend Jahre kursieren, solche Dinge weiß.
"Im Übrigen ist die 'Windkind' kein Drakkar, der ein offenes Deck hat, sondern ein Schiff mit geschlossenen Kajüten, die man zudem recht gut heizen kann. Ihr habt es ja bei der Fahrt von Talyra nach Liam Cailidh selbst gemerkt, oder?"

Galrin lächelt verschmitzt, während er einen Schluck von seinem Cofea nimmt. Das Gebräu schmeckt ihm wirklich, was er sich bei einem Getränk, das so weit aus dem Süden kommt, kaum hätte träumen lassen. Doch es ohne Milch und Zucker zu trinken erscheint ihm recht gewagt.
Die Zweifel der Halbelbe nimmt ihr der Kapitän nicht übel. Es beweist ihm, daß auch sie sich Gedanken über seine Rückkehr macht und das ehrt ihn. Daß sie nicht oder nur wenig von der Beschaffenheit und den Fähigkeiten des Windschiffes weiß, liegt nur in der Natur der Sache. Immerhin war sie bei dem einzigen Flug, den sie mit der "Windkind" getätigt hatte, mit den Gedanken bei ihrem Mann gewesen und bei Lord Olyvar, der zu diesem Zeitpunkt auf den Tod verletzt darniedergelegen hatte. Woher soll Niniane von den Fenstern und Türen wissen, die zum Schutz vor der Kälte lederne Dichtungslaschen besitzen? Woher sollte sie wissen, daß das Steineichenholz des Rumpfes so isolierend wirkt, daß kaum Wärme nach draußen verloren geht?
Keine der Erfahrungen, die Galrin mit der "Windkind" oder der "Albatros" gemacht hat, sind einfach so erklärbar. Und jemand, der sie nicht gemacht hat, könnte, egal wie weise er sonst sein mag, sein Unternehmen für ein wahres Selbstmordkommando halten.

"Auf Euer Angebot, was die Riayael betrifft, komme ich gern zurück, Mylady. So Ihr sie entbehren könnt, wären sie eine große Hilfe. Die Legende von Iôrtamarun ist mir in Auszügen bekannt. Auch in Normand kursieren ähnliche Geschichten und Sagas, die von dem gleichen Land erzählen. Und was die Bedenken meiner Frau gegenüber angehen..."

Galrin macht eine Pause, während der er abschätzt, wieviel seiner Überzeugung und Hoffnungen er preisgeben kann, ohne damit zu beleidigen oder zu verletzen. Doch dann entscheidet er sich schlicht für die ungeschminkte Wahrheit:
"Dirholmar ist nicht Kingsala oder Corwyness, Mylady. Und glücklicherweise hält sich der Haß den Elben gegenüber in diesem Dorf in Grenzen. Ich bin ein einfacher Handwerker, dessen Herz der Frau gehört, die ihn ebenfalls liebt. Doch sollte jemand auf die unvorsichtige Idee kommen, sein Mütchen an meiner Frouwe kühlen zu wollen, dann wird er sehen, was er davon hat."

Galrin zuckt die Schultern und stellt seine Tasse mit Cofea auf den Tisch. Der Durst ist ihm vergangen und auch der Geschmack der Rosinenbrötchen verwandelt sich in seinem Mund in den von kalter Asche. Zu einem gewissen Teil hat Niniane recht. Die Anwesenheit Jolanthes an Bord der "Windkind" könnte die Reise zu einem Politikum werden lassen, das weit über die Erforschung Gronalands hinausgeht. Doch verstecken wird sich der Kapitän keinesfalls, und auch seine Frau wird das nicht tun.
Die Stimme Galrins ist nach wie vor noch offen und ohne jeglichen Groll, doch die stille Vergnügtheit, die seine Worte zuvor geprägt hat, ist verschwunden:
"Ich jedenfalls halte es, und ich bitte Euch, mir diese Offenheit zu verzeihen, für lächerlich und engstirnig, aufgrund von lange vergangenen Kriegen noch immer Haß und Leid zu schüren. Und in dieser Hinsicht, das weiß ich genau, bin ich eins mit meiner Mannschaft und meinen Angehörigen. Sollte jemand seine Hand gegen meine Familie erheben wollen, werde ich nicht zögern, ihn davon mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln abzuhalten. Und Narreteien wie 'Aelftod' oder ähnliches stumpfsinnige Getue der ewig Gestrigen, seien sie nun normandischer oder elbischer Abstammung, haben die Welt noch keinen Schritt voran gebracht."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 25. Juni 2005, 17:28 Uhr
Dass der Schiffbauer den Weg ins Eismeer über Normand  nimmt, damit hat Caewlin gerechnet - auch wenn Galrin es nicht selbst erwähnt hätte, hätte der Gedanke nahe gelegen, schließlich ist das Nordland auch seine Heimat. Caewlin hat dennoch kein Ohr mehr für die am Tisch entbrannte Diskussion über die Risiken und Gefahren einer Reise nach Gronaland, ihn beschäftigt ein ganz anderer Gedanke. Er ist nicht neu, der Entschluss längst gefasst... aber war er bisher nur ein vages Vorhaben, schon durch die reine Entfernung außerhalb seiner unmittelbaren Möglichkeiten, rückt er jetzt plötzlich in greifbare Nähe. Caewlin atmet langsam ein und aus. Äußerlich wirkt er nach wie vor vollkommen entspannt, aber in seinem Inneren sieht es ganz anders aus. Stenford. Er hatte im selben Atemzug Rache geschworen, als Raven ihm ihre Geschichte anvertraut hatte, und er hat nichts davon vergessen... nicht den Schmerz in ihrem Gesicht, nicht die Angst in ihren Augen, nicht die Demütigung, die sie erdulden musste und erst recht nicht die Tiefe der Wunden, die das Leid, das sie in Stenford erlitt, in ihrem Inneren hinterlassen hatte... von all dem, was man ihrem Körper angetan hatte, ganz zu schweigen. Er spürt Raven neben sich flattern, obwohl sie sich sehr um ein möglichst unverbindliches Gesicht bemüht, hört das leise, drängende Beben in ihrer Stimme, als sie sich erkundigt, wann der Schiffbauer aufbrechen und wer ihn begleiten würde, und weiß, dass sie ahnt, in welche Richtung seine Gedanken gehen. Ragnarsson fliegt nach Normand, in drei Siebentagen. Caewlin sagt kein Wort, als Galrin ihr antwortet und dann von Cron mit guten Ratschlägen und Warnungen über Gronaland eingedeckt wird, er sieht sie nur an.

An seinen Absichten hat es nie den geringsten Zweifel gegeben. Er weiß genau, was er zu tun hat, nur hatte er damit gerechnet, lange, möglicherweise noch Jahre, darauf warten zu müssen, gezwungen zu warten durch die Umstände, die unzähligen Meilen der Entfernung, seinen Pflichten, allem, was ihn hier hält... und vagen Gedanken an mögliche Folgen. Dieser Gedanke, war ihm manches Mal bitter aufgestoßen... in den dunklen Stunden der Nacht, wenn er neben ihr gelegen und ihr schlafendes Gesicht betrachtet hatte, um sich jede Linie und jede weiche Kurve einzuprägen, den Schwung ihrer Lippen, den Bogen ihrer Wimpern, das winzige Grübchen unter ihrer Nase, die Form ihrer Brauen, ein Muttermal an ihrem linken Ohrläppchen, kaum größer als eine Sommersprosse... und dann hatte er ihr Gesicht vor sich gesehen, zerschlagen, blutig, verschwollen und aufgerissen. Raven hat niemals, mit keinem Wort, von ihm verlangt, ihr Gerechtigkeit zu schaffen, obwohl es ihr gutes Recht wäre, sie ist seine Frau. Nein. Sie hat schon viel zu lange darauf gewartet. Galrin segelt nach Normand. Nach Tronje, nach Sturmende, nach Corwyness. Dirholmar liegt am Fjord von Kentyr... Von Corwyness nach Stenford können es nicht mehr als dreihundert Tausendschritt sein... mit diesem fliegenden Schiff ein Nichts. Während am Tisch von Vereisung, Kälte und Spitzohren in Normand die Rede ist, ist Caewlin mit seinen Gedanken noch immer bei dieser unerwarteten Wendung. Es ist, als hätte der Schiffbauer ihm unwissentlich in einem langen, dunklen Gang eine Tür geöffnet.  Er serviert dir Stenford auf dem Silbertablett. Warum zögerst du? Segle mit. Schneid ihnen mit deinem Dolch das Wort Schänder auf die Stirn und häng sie an ihren eigenen Gedärmen an die höchsten Zinnen ihrer verdammten Burg, damit die Raben und Krähen fressen, was von ihnen übrig bleibt...

Er weiß, warum er zögert... oder warum er zögern sollte und es sind keine naheliegenden Gründe. Dann sieht er Ravens wildes Kopfschütteln, ihre erschrocken aufgerissenen Augen und wendet sich an Galrin, gerade als der Schiffbauer etwas von Narreteien, Abstammung und Schritten erzählt. "Ihr segelt in drei Siebentagen nach Normand," hakt er nach und löst damit verwirrte Blicke aus, schließlich ist seit geraumer Zeit am Tisch von nichts mehr anderem die Rede, obwohl es eher eine Feststellung, als eine Frage ist. Caewlins entspannte Haltung verändert sich so wenig wie sein Tonfall, aber seine Miene zeigt eindeutig Entschlossenheit und seine Augen werden schmal. "Würdet Ihr auch über Stenford segeln?" Noch bevor Galrin auch nur den Mund aufmachen kann, um irgendetwas zu erwidern, zischt Niniane gegenüber leise und beschwört ihn dann mit einem Blick, der gefährlich golden wird, während Cron, der ihn gut genug kennt, um verborgene Zusammenhänge zu erfassen, auch wenn er von den Gründen dafür keine Ahnung hat, beunruhigt fragt: Stenford? Was willst du denn in Stenford? und Raven mit beiden Händen seinen Arm packt. Er schüttelt sie nicht ab, aber er sieht sie auch nicht an. "Tut Ihr es?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 26. Juni 2005, 11:56 Uhr
Stenford? Was will er denn in ... oh!  Ninianes Blick schwirrt von Raven, die schon vorher begriffen oder geahnt haben muss, woran er denken könnte, zu Caewlin und sie kann ein erschrockenes Zischen nicht unterdrücken. Caewlin hat seine fast lässige Sitzhaltung nicht im geringsten verändert, sein Tonfall ist absolut gleichmütig geblieben, und seine Miene vollkommen ausdruckslos, aber dennoch bekommt er von einem Herzschlag auf den anderen etwas Lauerndes, während er den Schiffbauer aus schmalen Augenschlitzen mustert. Plötzliche Spannung zittert in der Luft auf und legt sich bebend über den Tisch, halb geahnt und halb gespürt, voll von Unausgesprochenem und schlagartiger Wachsamkeit. Caewlin lümmelt immer noch wie ein fauler Kater auf seinem Stuhl, aber von ihm geht ein fast körperlich spürbarer, kalter Hauch aus. Tu etwas! Niniane  steht abrupt auf, nimmt Shaerela von ihrem Stuhl hoch, setzt sie sich auf die Hüften und wendet sich dann entschlossen an Galrin, der auf Caewlins Frage gerade nickt. "Galrin, bitte," sie weist mit der Hand in Richtung Tür. "Es tut mir leid. Eine ahm... alte, aber sehr persönliche Geschichte. Kommt mit mir. Wir suchen die Riayael heraus und ich packe einstweilen die Kiste meines Mannes, die er Euch mitzugeben wünscht..." sie wirft einen eindringlichen Blick zu Cron hinüber. "Der hoffentlich dafür sorgen wird, dass sein verrückt gewordener Freund hier zur Vernunft kommt." Ohne abzuwarten, führt sie den Schiffbauer hinaus und durch den runden Vorraum mit seinen Haken aus Efeuranken und seinen Wandborden, die sich aus dem Holz der Wände herausschälen wie gewachsene Ablagen (was sie ja auch sind), bis zur Tür, die in die tiefen Keller zwischen den Baumwurzeln führt.

Hinter der Tür führt eine Treppe in schmalem Bogen ein paar Stufen nach unten und an ihrem Fuß erstreckt sich ein breiter Gang aus, dessen Wurzel und Erdwände über und über von silbrigen Spinnweben verhangen sind. Durch das Gewirr der seidenen Fäden schimmern matte Lichter, als trügen die Wände einen leuchtenden Mantel: in den verschlungenen Netzen brennen winzige Lichter, nicht größer als Glühwürmchen, und erhellen den Gang mit ihrem flimmernden Licht. Die dunklen Wände sind von in diesem Dämmerlicht schwer erkennbaren Gebilden gesäumt, welche die schlanken, geschmeidigen Formen von Elben haben; vielleicht sind es Statuen, vielleicht Holzpuppen für Harnische oder Rüstungen, jedenfalls verhalten sie sich völlig still. Mehrere Vorratskammern gehen von diesem Gang ab, runde, dunkle und kühle Räume, in denen geräuchertes Fleisch und Fisch an Haken von der Decke hängen, in hölzernen Darren und Regalen Obst und Gemüse lagert, und irdene Krüge und Amphoren in langen Reihen aufbewahrt werden. Nach etwa sieben Schritt wird der Gang breiter und erweitert sich zu einem Gemach, das nach Zedern und Pflaumenblüten und anderen, weniger leicht erkennbaren Essenzen schmeckt. Die winzigen, wechselhaften Lichter sind hier geringer an Zahl und der große Raum voll von langen, warmdunklen Schatten. Mehrere eisenbeschlagene Truhen stehen hier an den Wänden, stapeln sich teilweise aufeinander und sehen allesamt fest verschlossen aus.

Irgendwo her kann man das leise Plätschern von Wasser vernehmen und der höhlenartige Raum verengt sich weit hinten in der Dunkelheit zu zwei weiteren Gängen, einer nach links, einer nach rechts führend, in denen die sanftleuchtenden Lichter fast gänzlich verschwinden, so dass dort tiefe Schwärze herrscht. Niniane führt Galrin bis in den großen Raum und auf einen leisen Summton aus ihrer Kehle hin flackern die Lichter im seidenen Kleid der Wände zu hellerem Schein auf. Sie reicht dem Schiffbauer ihre Tochter. "Haltet sie kurz bitte," und beginnt, in einer der nächststehenden Truhen zu wühlen. "Hier sind sie schon einmal nicht... verflixt, wo habe ich sie nur hingetan? Ich muss hier dringend einmal aufräumen, ich weiß, aber... " sie zuckt mit den Schultern. "Ah, dort vielleicht." Aus einer Ecke zieht sie eine schwere, eisenbeschlagene Kiste hervor, macht sich an deren Schloss zu schaffen und öffnet den knarrenden Deckel. Im Inneren ist sie ganz mit mitternachtsblauem Samt ausgeschlagen, und auf dessen weichen, schweren Falten ruhen ein paar Steine, so groß und glatt wie Straußeneier. Sie leuchten in milchig-rotem  Schein und Niniane nimmt eines heraus und reicht es Galrin. "Hier. Das ist ein Riayael, ein Feuerstein. Streicht mit Eurer Hand darüber und er wird beginnen, zu glühen. Er wird allerdings mit der Zeit heiß, man sollte ihn also in eine Kohlenpfanne legen. Gebt mir die Kleine und nehmt Euch ein paar Steine... ich habe hier irgendwo... ah, hier." Sie dreht sich um sich selbst, während sie sich suchend umblickt und dann von einem Haken an der Wand einen leeren Lederbeutel nimmt. "Da könnt ihr sie einpacken."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 26. Juni 2005, 13:30 Uhr
Für's Erste scheint die Antwort des Nordmanns Lady Niniane zu genügen. Sie bohrt nicht mehr weiter, hat sie doch offenbar gemerkt, wie wenig er von den miserablen Beziehungen zwischen seinem Heimatland und dem Reich der Elben hält. Auch wenn Galrin gelernt hat, mit Schwert und Speer, Schild und Langmesser, Bogen und Pfeil umzugehen, so hat ihn doch der Tod seines Lehrmeisters Halgor eins gelehrt: Für jedes fühlende und denkende Wesen, das man tötet, bezahlt man auf die ein oder andere Weise. Der Krieg ist ein furchtbarer Herrscher, doch wenn man den Klauen des Todes oft genug ausgewichen ist, verliert er seinen Schrecken, und zurück bleibt nur die dumpfe Gewißheit, daß Kriege letzten Endes sinnlos sind. Möglicherweise fühlt die Halbelbe ganz ähnlich, denn sie schweigt für einen Augenblick.

Stattdessen meldet sich der Sturmlord abermals zu Wort. In der Zeit, in der Cron und Niniane mit dem Schiffbauer gesprochen haben, hat der Herr von Sturmende beinahe so still wie eine Marmorstatue auf seinem Platz gesessen. Nur Caewlins Blick, der zwischen seiner Frau Raven, der Halbelbe, dem Tronjer und dem Schiffbauer hin und her wandert, zeigt deutlich an, daß den "Bluthund" das Gespräch - oder doch zumindest der Hintergrund desselben - stark bewegt.
>Ihr segelt in drei Siebentagen nach Normand.<, läßt Caewlin sich vernehmen, und der Kapitän ist sich nicht sicher, ob es sich bei diesen Worten um eine Feststellung oder eine Frage handelt. Sicherheitshalber nickt Galrin schlicht, bestätigt damit die Worte des Sturmlords oder beantwortet seine Frage, je nachdem. Und obwohl der Mann aus Nordwacht sich nicht wesentlich bewegt oder seine Stimme verändert, erscheint es dem Schiffbauer, als würde sein Landsmann sich wie ein Wolf zum Sprung bereit machen. Der Blick Caewlins wird scharf und doch hell wie der eines Falken, als der Sturmender fragt, ob der Weg der "Windkind" sie auch über Stenford führt.
Der Sohn Ragnar Erikssons nickt. Das fliegende Schiff und seine Mannschaft würde die Stadt am Kentyr ohnehin überfliegen, wenn es der Bernsteinstraße von Cap Ardun nach Osten folgt. Denn obwohl Galrin sich auf den Kompaß und seine Navigationskünste verlassen kann, hat der Nordmann sich auf seinen Karten Landmarken und Wege gesucht, denen er folgen kann, um nicht möglicherweise an seinen Zielen Torhof, Corwyness und Dirholmar vorbeizusegeln.

Doch bevor er Caewlin fragen kann, was - oder wen - er nach Stenford bringen soll, bittet Niniane den Schiffbauer eindringlich, ihr zu folgen. So ist ein bedauerndes Achselzucken der einzige Weg, den Sturmlord auf einen späteren Zeitpunkt zum Reden zu vertrösten.
Als Galrin der Halbelbe in den Keller ihrer seltsamen und doch so wunderbaren Behausung folgt, bietet sich ihm ein Bild, das er noch nie gesehen hat. Die silbrig leuchtenden Spinnweben an den Wänden lassen den ersten Eindruck entstehen, daß hier seit Jahrzehnten niemand mehr gegangen oder zumindest sauber gemacht hat. Doch der Boden ist ordentlich gefegt, die Lebensmittel, die an natürlich gewachsenen Haken und auf ebenso natürlich entstandenen Regalen lagern, sind frisch, und die Luft trägt nicht das muffige Aroma eines alten Kellergewölbes, sondern die unterschiedlichsten Wohlgerüche.

Eine ganze Weile gehen Niniane und der Nordmann durch diese unterirdische Wunderwelt. Schließlich erreichen sie einen großen Lagerraum. In ihm stehen mehrere eisenbeschlagene Truhen, von denen Niniane eine öffnet und darin grummelnd und leise vor sich hin murmelnd nach den Feuersteinen sucht, die sie Galrin angeboten hat. Während sie allen möglichen Hausrat neben den Kisten auf den Boden wirft, hält der Nordmann ihre Tochter auf dem Arm. Die Kleine lächelt ihn an und zupft neugierig an dem Bernstein, den der Mann aus Dirholmar an einer Lederschnur um den Hals trägt, und der entfernt an ein beinahe daumenlanges Herz erinnert. Der Normander indes kann sich eines leisen Lachens nicht erwehren, als er sagt: "Nun, Sheraela, wenn Dir das Ding so gut gefällt, dann muß ich Dir wohl eines davon aus dem Norden mitbringen, hm?" Das Kind legt den Kopf schräg und schaut den großen Mann verwundert an, der so vertraut mit ihr spricht und offenbar ihren Namen kennt.

Inzwischen hat Niniane die Riayael gefunden und beobachtet stillschweigend den Nordmann und ihre Tochter, bevor sie ihm die Kleine wieder abnimmt und ihn auffordert, sich an den glühenden Steinen zu bedienen. Dies tut Galrin auch nach kurzem Zögern. Doch nimmt er nicht allzu viele davon mit, denn er ahnt, daß diese Gegenstände sehr wertvoll sind. Niniane oder Cron quasi unter dem Vorwand der Hilfsbereitschaft auszunehmen ist nicht nach Galrins Sinn. Als er sich wieder erhebt und dankend die Hand der Halbelbe schütteln will, packt diese ihm noch zwei zusätzliche Riayael in sein Bündel. Dem Widerstand Galrins begegnet sie mit dem Hinweis, Wärme könne man auf einer Fahrt in den hohen Norden Rohas wohl kaum genug haben.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 27. Juni 2005, 01:28 Uhr
Cron verfolgt reichlich verwirrt und noch viel sprachloser, wie Niniane den Schiffbauer, kaum dass dieser ein perplexes Schulterzucken zustande gebracht hat, im wahrsten Sinne des Wortes entschlossen hinauskomplimentiert, und ihn mit einer blass um die Nase gewordenen Raven und einem brodelnden Caewlin allein zurücklässt... mit der Bitte, nein eher der Aufforderung, gefälligst dafür zu sorgen, dass der Sturmender zur Vernunft käme. Aha. Dazu müsste ich erst einmal wissen, was hier offenbar jeder zu wissen scheint, nur ich nicht! Einen Moment lang blickt er noch seiner Frau nach, dann wendet er sich an Caewlin und Raven. Der Sturmender ist immer noch kalt wie Eis, aber in ihm gärt es, umso mehr, als dass Niniane ihm Ragnarsson einfach entführt hat - und Raven neben ihm sieht aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Am Tisch herrscht gespanntes Schweigen, während die Schritte des Schiffbauers draußen im Vorraum verhallen und dann eine Tür klappt. Weder Caewlin noch Raven machen Anstalten, von sich aus auch nur ein Wort zu sagen, so fragend er sie auch ansieht. "Also schön," beginnt er. "Würde mir vielleicht mal jemand erklären, was zur Hölle hier eigentlich vor sich geht? Was ist auf einmal los mit dir, Caewlin? Stenford, aye? Du warst doch nie in Stenford, was..." Er sieht von Caewlin zu Raven, deren Blick so unruhig umherwandert, als hätte sie Angst, irgendjemanden direkt anzusehen und war sie vorher blass, wird sie jetzt kalkweiß, als er den Namen erwähnt. Es hat mit ihr zu tun, nicht mit ihm. "Oh. Also geht es hier um Raven. Caewlin? Geht es um Raven?" Auch diesmal bekommt er eine ganze Weile keine Antwort, auch wenn Raven aussieht, als würde sie jeden Moment aufstehen und davonlaufen wollen. Niniane weiß es. Schön, Cariad, dass ich noch nicht einmal weiß, wovon ich Caewlin eigentlich abhalten soll... Cron wirft in einer verzweifelten Geste die Hände hoch und da der Sturmender sich hartnäckig in Schweigen hüllt, wendet er sich an Raven: "Nan hat gesagt, ich soll dafür sorgen, dass er zur Vernunft kommt, Raven. Würdest du mir also bitte erklären, warum er plötzlich unbedingt nach Stenford will?" Sein Blick sucht den Caewlins und begegnet einem paar Augen, so kalt und blaugrün wie Eissplitter. "Du willst doch dorthin, also..."
Caewlin wirft einen vernichtenden Blick auf den offenen Durchgang zum Vorraum, wo Niniane vorhin mit dem Schiffbauer verschwunden ist, steht so abrupt auf, dass sein Stuhl beinahe kippt, dreht sich um, nimmt Ravens Hand und bringt sie ins Kaminzimmer hinüber. Cron folgt ihnen, immer noch ratlos, aber inzwischen mehr als alarmiert von ihrem seltsamen Verhalten. Caewlin steht am Fenster, Raven neben ihm. Sie zittert nicht gerade, aber sie hat die Arme um sich geschlungen, als wolle sie sich an sich selbst festhalten und presst die Lippen zusammen. Auf ihren bleichen Wangen blühen hektische rote Flecken und ihre Augen schimmern verdächtig blank. Cron schließt leise die Tür hinter sich. "Was ist in Stenford geschehen?"

Eine Weile erntet er nur Schweigen, dann tauscht Caewlin einen langen Blick mit Raven und sagt etwas, so leise, dass er ihn nicht versteht. Sie dreht sich um und starrt aus dem Fenster, ihr schmaler Rücken kerzengerade, vibrierend wie eine Bogensehne. "Raven...?" Sie schüttelt nur stumm den Kopf, und so ist es Caewlin, der ihm schließlich leise und in kurzen, knappen Sätzen antwortet: wer Raven in Wirklichkeit ist, was ihr in Stenford widerfahren war und was sie getan hatte. Dass man sie für tot hält... dass niemand, außer Nan, Caewlin und jetzt ihm weiß, wer sie ist. "Allmächtige..." ist alles, was Cron im ersten Augenblick herausbekommt. "Deswegen also... Himmel, Caewlin! Oh Raven, es tut mir so leid... wenn ich irgendetwas..." er verstummt und zuckt hilflos mit den Schultern, während brodelnder Zorn in ihm aufsteigt. Er hatte Raven kennen und schätzen gelernt und sie lieb gewonnen wie eine kleine Schwester. Sie ist Ninianes beste Freundin, viel mehr als bloß eine Vertraute, für Shaerela wie eine Tante, und in den letzten Wochen und Monden war sie endgültig und unwiderruflich zu einem Familienmitglied geworden. Was man ihr angetan hat damals in Stenford, macht ihn wütend, mehr als wütend... und er kann Caewlin jetzt absolut verstehen. Sein Blick zuckt von Ravens gebeugten Schultern zu Caewlin, der jetzt so dicht bei ihr steht, dass sie sich an ihn lehnen kann. "Aye... aye, ich verstehe. Und als du von Galrin gehört hast, dass er nach Normand fliegt, da war die Gelegenheit da... Kann ich verstehen, absolut." Er nickt, während seine Gedanken sich überschlagen und in hundert Richtungen schwirren, weil er versucht, das Gehörte zu vedauen, alles, was er je über Stenford gehört hat und weiß, zusammenzukratzen, seine eigene Wut im Zaum zu halten, klar zu denken, Ninianes Worte nicht zu vergessen und ruhig zu bleiben...  Stenford. Flussland. Thoron Vassdrag ist dort Flusslaird und Wächter des Kentyr. Thoron den Blutigen nennen sie ihn.... jetzt wissen wir auch, warum. Hat einen Bruder... Bernas,  Bernid... Berner oder so ähnlich, über den kein Mensch etwas weiß...war das nicht der, von dem man munkelt, dass er schon zwei Felsweiber unter die Erde gebracht hat? "Aber Caewlin... Niniane hat recht. Sie hat recht. Hör zu, nein, hör mir zu! Nimm deine Rache. Nimm sie und ich stehe dabei an deiner Seite. Raven ist wie eine Schwester für mich. Aber nicht so, nicht so schnell, nicht jetzt... nicht ohne vorbereitet zu sein....Caewlin, sieh mich an. Denk an Teja. Denk an den Tag, an dem wir ihm Treue geschworen haben, in Kingsala. Ich stand neben dir. Er muss es wissen... vorher. Tu ihm keinen Blutrachekrieg aus dem Nichts an..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 29. Juni 2005, 10:38 Uhr
Im Keller


"Sie hat wie alle Elben... oder Halbelben eben eine Vorliebe für Bernstein," erwidert Niniane mit einem vagen Schmunzeln in den Mundwinkeln, als Shaerela den Anhänger Galrins betrachtet, als wäre er ein hervorragender Beißring. "Untersteh dich, min Lia!" Warnt sie und Shaerela zieht einen Schmollmund, gehorcht jedoch überraschenderweise. Sie nimmt dem Schiffbauer ihre Tochter wieder ab und nötigt ihm noch zwei weitere Feuersteine auf. "Wer weiß, was Euch dort oben so alles widerfährt. Sie sind praktisch und platzsparend und Ihr könnt sie mir immer noch wieder zurückbringen, wenn Ihr sie nicht braucht," erklärt sie kategorisch. Das glaube ich allerdings kaum. Nachdem das erledigt ist, kehrt sie mit Galrin wieder in den Vorraum des Baumes zurück und da aus dem Kaminzimmer noch immer aufgebrachte Stimmen dringen, bleibt sie unschlüssig stehen. "Ich glaube, es ist besser, Galrin, wenn wir das, was mein Gemahl Euch mitzugeben wünscht, zu Euch bringen. Seht Ihr, wir müssen morgen früh zu Phelans Beerdigung aufbrechen und Cron könnte Euch die Truhe leicht vorher zur Schiffswerft bringen... im Augenblick scheint es jedenfalls nicht sehr günstig zu sein." Sie wirft einen zweifelnden Blick in Richtung der fest verschlossenen Tür zum Kaminzimmer. Redet es ihm aus, bitte... Dann kommt ihr siedendheiß der Gedanke, dass es möglicherweise ein Fehler war, Cron zu bitten, Caewlin zur Vernunft zu bringen. Sie kennt ihren Mann... Raven ist wie eine Schwester für ihn. Er wusste es bisher ja nicht. Götter, was... wenn er... wenn er... auf der Stelle... ins selbe Horn bläst und mit ihm nach Stenford mit diesem Windschiff fliegen will? Oh nein... "Äh.. Galrin, ich denke, so wäre es das beste, wirklich. Ich fürchte, ich muss... ich meine... äh... es tut mir furchtbar leid, dass ich Euch jetzt so stehen lassen muss, aber... " sie zuckt hilflos mit den Schultern und sieht ganz zerknirscht aus. "Ich danke Euch jedenfalls im Namen meines Mannes und auch Caewlins von Sturmende für Euer großzügiges Angebot und ich verspreche Euch, was immer sie Euch für ihre Heimat mit auf den Weg geben wollen, wird morgen vor Sonnenaufgang bei Euch abgegeben." Wenn ich sie bis dahin nicht alle drei in Kröten verwandeln und in ein Einmachglas setzen musste, heißt das...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 29. Juni 2005, 12:48 Uhr
Die recht lebhaft gewordene Debatte, die über den Esstisch und ein Meer aus geleerten Tellern, Brotkrümeln, honigverschmierten Holzlöffeln und halbvollen Tassen hin und her wogt und sich größtenteils um Gronaland, das Flugschiff und die unmenschlichen Bedingungen im ewigen Eis dreht, bekommt Raven nur in Bruchstücken mit. Ihre Aufmerksamkeit hat sich längst auf etwas anderes geheftet und sie schnappt nur gelegentlich zusammenhanglose Gesprächsbrocken auf. Als Galrin auf ihre Frage hin verkündet, er würde neben der Schiffsbesatzung und seinen Knechten auch seine Frau und seine beiden Kinder - Neugeborene, die zu dem Zeitpunkt gerade mal vier Siebentage alt sein werden - mit in den unerforschten Norden und in klirrende, alles lähmende Kälte mitnehmen, kann sie allerdings nur ungläubig den Kopf schütteln und ihr liegt schon eine spitze Bemerkung auf der Zunge, doch dann besinnt sie sich. Misch dich nicht ein, es ist allein seine Sache. Für ihre Begriffe ist es einfach verantwortungslos und gefährlich, was er vorhat, vor allem für seine Kinder, aber dennoch schweigt sie, auch wenn es in ihrem Inneren schäumt und brodelt. Nur ihre Augen werden schmal und in ihnen zeigt sich ein nicht zu deutendes Funkeln. Auf Crons Frage, ob er seiner Familie in Normand einige ihrer Skizzenblätter mit Zeichnungen von Niniane und Shaerela schicken könne, nickt sie nur abwesend und murmelt "Ja, natürlich, so viele du willst. Ich werde dir gleich welche heraussuchen", doch in Gedanken ist sie schon wieder ganz woanders und ihr Blick wandert ihnen unwillkürlich hinterher und zu Caewlin an ihrer Seite. Sie kann nicht sagen, was an ihm sie so plötzlich beunruhigt. Sie fühlt die aufkeimende Spannung mehr, als dass sie sie sehen oder greifen kann, aber ohne Zweifel ist sie vorhanden und scheint auf einmal den ganzen Raum auszufüllen. Während des ganzen Gespräches hat er kaum ein Wort gesagt und mit unergründlicher Miene vor sich hin geschwiegen. Warum? Woran denkt er? An seine Familie? An Sturmende? Oder an ... Unter der straff gespannten Haut seines Kiefers zuckt ein Muskel, ansonsten ist seine Miene völlig unbewegt. Eine ungute Ahnung steigt in Raven auf und lässt plötzlich jede Faser ihres Körpers vibrieren, und noch bevor Caewlin den Mund öffnet, um sein Wort an Galrin zu richten, weiß sie, was er vorhat und kaltes Entsetzen kriecht ihr wie mit Spinnenbeinen über den Rücken. Ihre Augen weiten sich vor Schreck und ihre Lippen formen unter wildem Kopfschütteln ein lautloses "Nein!", als er völlig unvermittelt seine Frage an Ragnarsson richtet: >Würdet Ihr auch über Stenford segeln? Tut Ihr es?<

Caewlins Stimme klingt ruhig, viel zu ruhig, aber in ihr schwingt ein eisiger Unterton mit, der auf der Stelle den Ildorel gefrieren lassen könnte. Sag nein, fleht sie in Gedanken den Schiffsbauer an und umklammert Caewlins Arm. Sag um Himmels Willen nein! Von mir aus flieg sonstwohin, aber nicht nach Stenford - bevor du Caewlin dort hin bringst, werde ich eher noch dieses vermaledeite Windschiff zu Kleinholz hacken! Doch Galrin blickt nur in ahnungsloser Verwirrung von einem zum anderen und nickt, das breite, freundliche Gesicht unter dem lockigen Haarschopf ein einziges Fragezeichen - und Crons Miene wirkt nicht viel anders. Caewlin sieht sie nicht an, aber Ravens Augen hängen an seinem Gesicht, in ihrem Blick eine unausgesprochene, verzweifelte Bitte. Ich habe es dir erzählt. Weil du mein Mann bist und weil du es wissen musst - aber es geht niemanden sonst etwas an, am allerwenigsten einen Fremden. Niniane mit ihrer untrüglichen Spürnase scheint die plötzlich in der Luft liegende Spannung zu wittern wie ein Bluthund seine Fährte. Während sie sich hastig von ihrem Stuhl erhebt und Shaerela aus ihrem Sitz nimmt, wendet sie sich Galrin zu, murmelt entschuldigend etwas von einer 'alten Geschichte' und bugsiert ihn entschlossen zur Tür hinaus - nicht ohne dem Tronjer vorher beschwörende Blicke zuzuwerfen. Cron bleibt ratlos sitzen, macht eine auffordernde Geste und wartet darauf, dass sie ihm erklären, was das alles zu bedeuten hat, doch Raven, plötzlich so weiß wie eine frischgekalkte Wand, weicht seinen bohrenden Blicken aus, bis er schließlich drängt: >Nan hat gesagt, ich soll dafür sorgen, dass er zur Vernunft kommt, Raven. Würdest du mir also bitte erklären, warum er plötzlich unbedingt nach Stenford will.<

Sie kann Cron nur in stummer Verzweiflung anstarren und bringt kein einziges vernünftiges Wort heraus. Ihr Finger klammern sich so hart um die Tischplatte, als müsse sie sich daran festhalten, und sie kann spüren, wie bei dem verhassten Namen etwas in ihr aufbricht und sich langsam und lautlos die Wunde in ihrem Inneren öffnet. Zuerst tut es nur leise weh, aber dann erfasst sie ein immer weiter um sich greifendes Schmerzgefühl, als sich all die bitteren Erinnerungen aus der tiefen Schwärze ihrer Verbannung befreien und über sie hinwegfluten. In der Inarinacht hatte sie es Caewlin erzählt und sich ihm anvertraut, geborgen in seinem Arm, das Herz voller Angst und Verwirrung, aber sie hatte gewollt, dass er es weiß, bevor sie im rotgoldenen Schein des Feuers zu seiner Frau wird. Sie hatte Zeit gehabt zu erzählen, hatte sich darauf vorbereiten und sich die Antworten überlegen können, und vorsichtig Stück für Stück der Vergangenheit ausgegraben - und er hatte sich die Zeit genommen zuzuhören. Aber jetzt treffen die Worte und die Fragen sie so unvermittelt, als hätte ihr jemand ins Gesicht geschlagen, und was nun in ihr empor sprudelt, droht ihr einfach den Boden unter den Füßen wegzureißen. Caewlin steht polternd auf, packt ihre Hand und schiebt sie ins Kaminzimmer hinüber, gefolgt von dem verwirrt dreinblickenden Tronjer. Ihre leise, zitternde Stimme scheint ihn gar nicht erreichen zu können. "Caewlin, bitte ... vergiss es doch einfach, es ist nicht mehr wichtig..." Im gleichen Atemzug, in dem die Worte über ihre Lippen kommen, weiß sie jedoch, dass es für ihn sehr wohl wichtig ist und dass er die Sache unmöglich auf sich beruhen lassen kann. Wie auch? Wenn du später der Laird von Sturmende sein wird, dann wirst du diesen Männern gegenüberstehen, du wirst im Königsrat von Kingsala mit ihnen an einem Tisch sitzen und mit ihnen Verhandlungen führen müssen. Wie könntest du das, wenn du weißt, dass du den Männern gegenübersitzt, die deine Frau geschändet haben? Und dabei .... dabei weißt du das Schlimmste noch nicht einmal...

Sie bleibt im Kaminzimmer am Fenster stehen, den beiden Nordmännern den Rücken zugekehrt. Die Arme hilflos um ihre Mitte geschlungen, starrt sie mit brennenden Augen hinaus in den hellen Morgen. Die Sonne leuchtet warm und golden auf zartgrünem Laub und verspricht einen strahlenden Frühsommertag, doch in ihrem Inneren spürt sie nur kaltes Eis und eine betäubende Leere, während Caewlin dem Tronjer in knappen, eindringlichen Worten die Situation schildert. Die Namen kreiseln in Ravens Gedanken ... Stenford. Thursis. Thoron. Berner ... während ihr Geist unablässig und ohne einen Funken Erbarmen längst verschüttet geglaubte Bilder ausspuckt. Vieles hatte die Zeit im Lauf der Jahre gnädig verwischt und verblassen lassen, aber ihre Gesichter würde sie niemals vergessen. Auch nicht ihr Lachen. Ihre Stimmen. Ihren Hohn. Die Eisen. Die groben Hände. Den Schmerz. Die endlose Leere, die dem Hass und den Schmerzen gefolgt war, die sie länger als einen Jahreslauf in stummem Schweigen verbringen hatte lassen, weil sie keine Worte, keine Sprache mehr gehabt hatte für all die Qual. Mehr als zehn Jahre sind seitdem vergangen. Sie war noch ein halbes Kind gewesen, unbedarft und völlig ahnungslos, den Kopf voller Träume von glorreichen Heldentaten und Abenteuern und schneeweißen Rössern, die Welt hatte sie im Sturm erobern wollen - und war über Nacht in einen Sturm aus Schmerz und Elend gestürzt. >Caewlin, sieh mich an. Denk an Teja. Denk an den Tag, an dem wir ihm Treue geschworen haben, in Kingsala. Ich stand neben dir. Er muss es wissen... vorher. Tu ihm keinen Blutrachekrieg aus dem Nichts an...< Crons Stimme dringt wie durch dichten Nebel an ihr Ohr, aber sie kann dem Sinn seiner Worte nicht folgen. In ihrem Rücken kann sie Caewlin spüren, brodelnd wie ein Vulkan, und seine Nähe ist das einzige, woran sie sich festhalten kann, um nicht in diesen tiefen Abgrund zu stürzen, der sie um den Verstand zu bringen droht. Sie tastet nach seiner Hand und versucht, das Flattern in ihrer Stimme zu verbergen. "Geh nicht nach Stenford. Bitte. Lass es ruhen. Selbst wenn du die beiden tötest, es ändert nichts mehr an dem, was geschehen ist."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 29. Juni 2005, 19:48 Uhr
"Ich werde auf Euren Boten... oder Euren Gemahl, wenn er es selbst vorbeizubringen wünscht... warten, Mylady.", antwortet Galrin mit einem Nicken. Die Halbelbe stottert und druckst herum, als bestünde irgendeine Gefahr, die von dieser Fahrt nach Normand ausgeht, aber die sie dem Kapitän nicht erläutern kann oder will. Doch sich über das Verhalten von Frauen im Allgemeinen und Halbelbinnen im Besonderen dem Kopf zu zerbrechen, hat Galrin längst aufgegeben. So verabschiedet er sich freundlich, streicht Shaerela noch einmal über die Wange, was die Kleine mit einem strahlenden Lächeln quittiert, und verläßt dann den Baum am Smaragdstrand.

Draußen angekommen blickt Galrin noch einmal auf den See hinaus, der in der Morgensonne glänzt, als wäre er ein riesiger, saphirblauer und smaragdgrüner Edelstein. Sobald er mit der "Windkind" nach Norden segelt, wird er Haus und Freunde vermutlich für eine lange Zeit nicht sehen. Doch der Flug in das unerforschte Land jenseits des kalten Ozeans zieht an Galrin wie ein Magnet an einer Eisennadel. Und auch wenn einige Mitglieder der illustren Gesellschaft in dieser nicht minder illustren Behausung Zweifel an seinem Vorhaben hegen mögen, so wird er sich um nichts in der Welt von ihm abbringen lassen.

Eine weitere Überlegung läßt den Kapitän nachdenklich werden: Die Einmischung in die Angelegenheiten Caewlin von Sturmendes. Was ist so wichtig, daß die Halbelbe den Normander bewußt von seinem Landsmann weggeholt hat? Ja, daß man dem Sturmlord offenbar nicht einmal zutraut, für sich selbst Entscheidungen zu treffen und ihn (noch dazu vor Fremden) fast schon bevormundet. Allerdings ist sich der Kapitän sicher, daß Caewlin genug normandisches Blut in seinen Adern hat, um nötigenfalls auch gegen den Willen seiner Freunde sich selbst treu zu bleiben.

Wir hätten den Frauen niemals Schuhe geben sollen., denkt der Nordmann belustigt, bevor er sich in den Sattel seines Rappen schwingt und den Smaragdstrand hinter sich läßt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 30. Juni 2005, 01:07 Uhr
Cron starrt ihn unverwandt an, als würde er zuerst gar nicht erfassen, was Caewlin ihm sagt, während Raven bei jedem seiner leisen Worte zittert und ihr Kopf sich senkt, als zerre ihre Vergangenheit sie mit eisernen Gewichten zurück... und es zerreißt ihn, sie so zu sehen. >Aye,< meint der Tronjer schließlich mit hörbarem Stocken in der Stimme. >Und als du von Galrin gehört hast, dass er nach Normand fliegt, da war die Gelegenheit da... Kann ich verstehen, absolut.< Caewlin nickt nur und erwidert Crons Blick, ihre Mienen wie zwei Spiegelbilder... beide mit einem Ausdruck äußerst gespannter, aber absolut ruhiger Entschlossenheit. Innerlich ist er längst nicht so ruhig, wie er sein sollte... wann immer ihn im Leben Zorn gepackt hatte, war er immer kalt gewesen, kalt und berechnend, ganz gleich, wie heftig er gewesen sein mochte... aber nicht, wenn es um Raven geht. Diese Wut ist anders, blind, schwarz und brodelnd wie ein Mahlstrom in seinem Inneren, der an ihm zerrt und zerrt und jeden klaren Gedanken und alle Vernunft ausschaltet, als hätte das Chaos ihn erfasst und verschlungen. Cron mustert ihn noch immer so nachdenklich, als würde er seinen eigenen Zorn abwägen... oder vielleicht auch, als versuche er, sich zu entscheiden, ob er es ihm ausreden oder ihm lieber gleich etwas möglichst schweres über den Schädel ziehen solle. Fürs Erste entscheidet er sich zum Reden. >Aber Caewlin... Niniane hat recht. Sie hat recht. "Was...." Der Tronjer lässt ihn nicht zu Wort kommen, spricht beinahe hastig weiter, ohne ein einziges Mal den Blick von ihm abzuwenden. >Hör zu, nein, hör mir zu! Nimm deine Rache. Nimm sie und ich stehe dabei an deiner Seite. Raven ist wie eine Schwester für mich.< Caewlin nickt, hört jedoch das "Aber" in seiner Stimme, noch ehe Cron es ausspricht. >Aber nicht so, nicht so schnell, nicht jetzt... nicht ohne vorbereitet zu sein....Caewlin, sieh mich an. Denk an Teja. Denk an den Tag, an dem wir ihm Treue geschworen haben, in Kingsala. Ich stand neben dir. Er muss es wissen... vorher. Tu ihm keinen Blutrachekrieg aus dem Nichts an...< Caewlin hört seine Worte, weiß, dass er Recht hat und kann nur in hilfloser Wut die Linke zur Faust ballen. Dann schüttelt er schweigend den Kopf, als hätte er sich verhört oder weigere sich schlicht, es zu glauben. Denk an Teja. Denk an Teja. Denk an den Tag, an dem wir ihm Treue geschworen haben, in Kingsala. Ich stand neben dir. Er muss es wissen... er muss es wissen... "Verdammt sollst du sein, Cron," murmelt er halblaut zu sich selbst, die Augen leer, den Blick starr in sein Inneres gerichtet. Erst Ravens kleine, klamme Hand, die mit zitternden Fingern nach seiner tastet, bringt ihn wieder zu sich. >Geh nicht nach Stenford. Bitte. Lass es ruhen. Selbst wenn du die beiden tötest, es ändert nichts mehr an dem, was geschehen ist.< Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, aber sie zittert vor Eindringlichkeit.

Er starrt in ihr Gesicht. "Es ruhen lassen?! Bei allen Göttern, Raven! Ich soll die Männer am Leben lassen, die..." einen Moment sprachlos vor Zorn ringt er nach Luft. "Du willst mir ausreden, an den Männern Rache zu nehmen, die dich gefoltert und geschändet haben und dich in dann in deinem eigenen Blut liegen ließen?  Das kannst du unmöglich ernst meinen... heilige Götter, Raven!" Er wendet sich halb um, zitternd vor unterdrückter Wut, unfähig noch länger still zu stehen und beginnt unruhig im Zimmer auf und abzugehen. "Niemals." Er schüttelt den Kopf. "Niemals, und wenn es das letzte ist, was ich tue. Du bist meine Frau. Ich werde sie ganz bestimmt nicht am Leben lassen." Irgendwann bleibt er vor ihr stehen und sieht auf sie hinunter, hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, sie festzuhalten, sie zu trösten, sie zu wiegen wie ein Kind und ihr zu versprechen, dass alles wieder gut werden würde und dem ebenso starken Wunsch, sie anzuschreien und zu schütteln. Sie sieht furchtbar klein und verloren aus, aber sie weicht keinen Schritt zurück. "Du hast recht. Sie zu töten ändert nichts an dem, was sie getan haben. Ich kann nicht ungeschehen machen, was du erleiden musstest. Ich wünschte, ich könnte es. Aber ich kann dir Gerechtigkeit verschaffen, aye... wenigstens das könnte ich tun. Auf unserer Heiratsurkunde steht dein Name - Ingariad von Corwyness. Was glaubst du, wird geschehen, wenn wir irgendwann in den Norden zurückkehren müssen, weil man mich nach Sturmende ruft? Was glaubst du, werden die Vassdrags tun? Meinst du, sie begnügen sich damit, dich eine Lügnerin zu nennen und deinen Namen in den Dreck zu ziehen oder marschieren sie gleich mit vierzigtausend Mann nach Sturmende? Oder glaubst du, sie erkundigen sich im Raed des Königs vielleicht höflich nach deinem Befinden?" Er wirbelt herum und hämmert die Faust gegen das honigbraune Holz der Wand, die seinen Hieb mit dumpfem Knirschen hinnimmt. Eine lange Weile steht er schweigend am Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt, starrt hinaus ohne irgendetwas zu sehen und versucht, sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Draußen auf der Lichtung verklingt Hufschlag... Galrin, der mit Sicherheit von Niniane verabschiedet wurde. Caewlins Miene ist undurchdringlich, die Augen vollkommen ausdruckslos. "Wenn Ragnarsson im Herbst wiederkehrt," ist alles, was er schließlich nach einer Ewigkeit des Schweigens sagt. Dann dreht er sich um und geht hinaus, verlässt das Kaminzimmer und den Baum, pfeift die Hunde zu sich und verschwindet mit langen Schritten im grünen Dämmerlicht des Waldes.

Es ist lange nach Sonnenuntergang, als er schließlich zurückkehrt und der Baum ist dunkel und liegt in tiefem Schlaf. Die Hunde hecheln zu ihren Wassernäpfen und Futterschüsseln und im Vorraum stapeln sich Schlaffelle und prall gefüllte Satteltaschen, dazwischen Lederbeutel vollgestopft mit Kinderkleidung und Spielsachen. Einen Moment starrt Caewlin auf den Gepäckberg, dann fällt ihm ein, dass sie morgen bei Tagesanbruch die Kinder ins Seehaus bringen und dann zu Phelans Beerdigung aufbrechen wollten.... nach allem, was heute geschehen und so wütend wie er gewesen  war, hatte er das vollkommen vergessen. In ihrem Gemach findet er Brynden leise schnarchend auf seinem Bett unter dem Fenster und das Mondlicht fängt sich in seinem silbrigen Haar und auf den runden Wangen. Er liegt auf dem Rücken, vollkommen entspannt, vollkommen wehrlos. Caewlin betrachtet ihn lange, dann zieht er ihm die leichte Zudecke vorsichtig bis zur Brust und streicht einmal über sein seidenweiches Haar. Das Mondlicht schluckt alle Farben, Ravens Körper ist nicht mehr als ein schlanker Umriss unter dünnen Laken, ihr Atem kaum zu hören, doch er weiß, dass sie nicht schläft. Sie regt sich nicht, als er sich auf den Rand des runden Elbenlagers setzt und seine Stiefel abstreift, und auch, als er sich aus seinen Kleidern schält und ins Bett kommt, rührt sie sich nicht, noch dreht sie sich zu ihm um oder spricht auch nur ein Wort. Er starrt auf die Rundung ihrer Schulter, bleich im Mondlicht und ihren schmalen Rücken, die dunkle Flut ihrer Haare und fährt sich müde mit der Hand über die Augen. Oh bitte... tu nicht so, als hättest du das nicht erwartet. Und du hast es auch verdient... "Raven... " Er streckt die Hand nach ihr aus, zieht sie aber wieder zurück, lässt sich in die Kissen fallen und starrt eine Weile in die tiefen Schatten, die sich unter der gewölbten Decke ballen. Nein. Nein, verdammt noch mal. Er hebt noch einmal die Hand und diesmal berührt er ihre Haut. Sie ist kühl und glatt wie Marmor, obwohl es warm im Raum ist. "Dir ist kalt." Er rückt näher, bis ihr Rücken sich an seine Brust schmiegt, zieht sie an sich und hält sie fest. Einen Herzschlag lang hält sie sich stocksteif und leistet ihm Widerstand, und er fürchtet schon, sie würde ihn fortschieben, aber dann gibt sie nach und atmet bebend ein.

Er vergräbt seine Nase in ihrem Haar und presst sie an sich, dann dreht er sie zu sich um, so dass er in ihr Gesicht sehen kann und berührt ihre Wangen, ihre Stirn, ihr Kinn und ihren Mund mit seinen Fingerspitzen. "Ich liebe dich. Götter, Raven, ich liebe dich so." Sie erwidert nichts, aber sie lässt zu, dass er sie festhält, bis die Kälte von ihr weicht und seine Wärme sie einhüllt. "Es tut mir leid, wenn ich alte Wunden aufgerissen habe. Ich wollte nicht, dass du dich wieder an alles erinnern musst und als Galrin sagte, er würde nach Normand fliegen, nach Corwyness und nach Stenford, da... "er verstummt und lange Zeit starrt er schweigend in die Dunkelheit, ehe er leise fortfährt. "Es ist wahr, was du gesagt hast. Rache wird es nicht ungeschehen machen. Nichts wird das je können. Aber immer davonzulaufen, macht es auch nicht ungeschehen. Die Schatten der Vergangenheit holen einen doch immer wieder ein, egal wie weit man läuft. Sie sind wie eine alte Wunde, die immer wieder schwärt und sich nie wirklich schließen will. Eine Weile kann man ganz gut mit ihr leben, kann sie vielleicht sogar vergessen... aber heilen wird sie nur, wenn man sie öffnet und ausbluten lässt. Und eine Narbe wird immer bleiben. Ich kann Vassdrag und seinen Bruder nicht am Leben lassen, Raven. Verlang das nicht von mir..."

Der nächste Morgen dämmert klar und voller goldenen Lichts, und in den Sonnenstrahlen, die durch die Fenster fallen und helle Streifen über den Boden malen, glitzern Staubkörnchen. Im Baum herrscht weniger träge Friedfertigkeit, eher hektische Aufbruchsstimmung - und das seit der ersten vagen Ahnung von Grau am östlichen Himmel. Niniane und Raven hatten am vergangenen Abend, während er sich kochend vor Wut im Wald herumgetrieben und Cron nach den Pferden und dem Sattelzeug gesehen hatte, bereits alles für einen mehrtägigen Ritt durch Wald und Wildnis zusammengepackt, und so übernimmt Caewlin das Satteln, Zäumen und Beladen der Pferde, während die anderen noch mit ihrem Morgenmahl beschäftigt sind, das ist das mindeste, was er tun kann. Als die Sonne über den Ildorel steigt und den Wald mit ihrem Licht füllt, ist alles getan und sie sind aufbruchbereit. Caewlin hat Brynden vor sich im Sattel und Niniane Shaerela, während Raven Halbmond als Handpferd mitführt, die sie ebenso wie die Kinder zum Seehaus bringen würden und Cron eine sperrige Kiste vor sich hat, die er mit der Windkind nach Tronje bringen lassen will.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 30. Juni 2005, 20:53 Uhr
Als sie endlich vom Baum loskommen und ihre Pferde im Gänsemarsch die mit reifen, wilden Erdbeeren übersäte Böschung hinunterlenken, um über den Smaragdstrand zum Seeviertel zu reiten, steht die Sonne bereits ein paar Handbreit hoch am Himmel. Shaerela hatte noch eine frische Windel gebraucht, Brynden musste dreimal aus den Erdbeeren geholt werden und Niniane hatte sich mindestens ein halbes Dutzend mal überzeugen müssen, ob auch alle Türen sicher verschlossen, magisch verriegelt und die Hühner ausreichend Futter für einen Siebentag oder mehr hatten, ehe sie endlich fortgekommen waren. Es ist warm und über den See weht eine leichte Brise, die ihnen die Gerüche von Wasser, Tang und grüner Tiefe zuträgt. In dem kleinen grünen Hain zwischen Smaragdstrand und dem Nordostende der Stadtmauer hängt zu ihrer Erheiterung in den Himbeerhecken am Wegesrand ein einsamer schwarzer Strumpf, wohl ein Überbleibsel der unlängst vergangenen Inarinacht... sein Gegenstück allerdings bleibt verschollen. Im Seehaus werden sie bereits von Caewlins Gesinde erwartet, das sich in einer kleinen Traube an der Strandpforte drängt und die beiden Kinder, vor allem natürlich Brynden, samt ihrem Gepäck in Empfang nimmt. Die dralle kleine Mogbarsfrau, Caewlins oberste Magd, nimmt den Sohn des Sturmenders unter Tränen in die Arme, herzt und küsst ihn, als hätte sie ihn seit Jahren nicht mehr gesehen und schnattert unaufhörlich, während die Knechte und das übrige Gesinde neugierig zu Raven hinüberspähen und Halbmond in den Stall bringen. Caewlin spricht kurz mit ihnen allen, während  Niniane Dalla einige Ratschläge für den Umgang mit Shaerela gibt. Der Abschied von den Kindern fällt nur ihnen schwer, denn Brynden und Shaerela sind bereits vollauf damit beschäftigt, ihre Aufmerksamkeit den um sie herumgluckenden Mägden zu widmen und frischgebackene Rosinenküchlein in sich hineinzustopfen, als hätten sie nicht erst vor einer Stunde gefrühstückt.

-> Schiffswerft am Ildorel

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 01. Juli 2005, 00:50 Uhr
Starr und mit bleichem Gesicht blickt sie Caewlin nach, als er brodelnd vor Zorn und mit eisiger Miene das Kaminzimmer verlässt. Gleich darauf kann sie ihn durch die blattförmige Fensteröffnung mitsamt den Hunden zwischen den dämmrig grünen Schatten der Bäume draußen verschwinden sehen, schnaubend und mit langen, wütenden Schritten. Raven ballt in stiller Verzweiflung die Hände zu Fäusten und muss zitternd ein paar Mal tief Luft holen, weil der Wunsch, ihm zu folgen, so übermächtig wird, dass er einen Augenblick lang sogar Schmerz und Erinnerungen vergessen macht. Nur Crons Blick und sein stummes Kopfschütteln halten sie davon ab, Caewlin hinterherzustürzen. Das Echo seiner Worte hallt immer noch bitter in ihr nach und einen Herzschlag lang wünscht sie sich, ihm nie von all dem erzählt zu haben. Aber dann verwirft sie den Gedanken wieder, denn irgendwo in ihrem Inneren weiß sie, dass er Recht hat, und auch, dass es einfach nicht möglich sein würde, alles zu vergessen und unter den Teppich zu kehren. Nicht für ihn und nicht für sie selbst. Eines Tages würde er nach Sturmende zurückkehren und sie würde an seiner Seite sein. Und sie wünscht sich nichts mehr, als dass er es aufrecht und erhobenen Hauptes tun kann, ohne wegen ihr schiefe Blicke, Gespött oder Schlimmeres ernten zu müssen, sie wünscht sich, dass er stolz sein kann und sich für nichts und niemanden zu rechtfertigen braucht, am allerwenigsten für seine Frau. Aber um das alles zu erreichen, würden sie ein für alle mal reinen Tisch machen und die ganze Sache zu Ende bringen müssen, selbst wenn es schmerzlich werden würde, das ist ihr klar. Dabei kann sie Caewlins Gründe mehr als gut verstehen. Als er ihr in der Inarinacht von seinen Brüdern erzählt hatte und davon, was Caeron ihm angetan hatte, war ihr der Schmerz darüber bis ins Mark gekrochen und sie hätte wer weiß was dafür gegeben, wenn sie all das hätte ungeschehen machen können, wenn sie ihm wenigstens einen Teils seines Kummers und der bösen Erinnerungen hätte abnehmen können - und sie hatte Caeron die Pest an den Hals gewünscht, sie hatte ihn dafür gehasst und das übermächtige Bedürfnis verspürt, ihn bezahlen zu lassen, für das, was er getan hatte. Wie kann ich ihm vorwerfen, dass er das gleiche für mich tun würde?

Raven braucht lange, bis sie sich wieder einigermaßen gefasst hat und das einzige, was sie tun kann, ist, sich mit Arbeit abzulenken. Während Cron am Tisch im Esszimmer Pergamentbogen um Pergamentbogen mit Tinte und Feder und seiner geschwungenen Schrift füllt und Briefe an seine Familie verfasst, sucht sie aus der hölzernen Truhe in ihrem Gemach einige Zeichnungen für ihn heraus, die sie säuberlich zusammenrollt und mit Leder umwickelt. Sie hilft Niniane beim Zusammensuchen der Sachen, schnürt Proviantpakete und füllt Wasserschläuche und Satteltaschen, holt Fackeln und Schlaffelle aus den kühlen Kellerräumen unter dem Baum, überprüft das Lederzeug der Pferde, packt für Brynden Kleidung und Spielsachen ein und auch eine Satteltasche mit Caewlins Sachen. Als Cron im abendlichen Dämmerlicht vom Füttern der Pferde zurückkommt, ist Caewlin noch immer nicht aufgetaucht und allmählich beginnt Raven sich Sorgen zu machen, auch wenn sie nach außen hin eine unbewegte Miene zur Schau trägt. Der Abend vergeht mit den letzten Vorbereitungen für ihren Aufbruch am kommenden Tag, bevor sie Niniane und Cron schließlich leise Gute Nacht wünscht und Brynden, dem ohnehin schon fast die Augen zufallen, ins Bett bringt. Doch der Schlaf will nicht kommen, als sie unter die Laken kriecht, selbst dann nicht, als sie Caewlins Kopfkissen zu sich herüberzieht und die Nase darin vergräbt, um noch einen Hauch seines Geruchs zu atmen. Das Bett fühlt sich einfach schrecklich leer und schrecklich kalt an ohne ihn und ihr wird bewusst, wie sehr sie ihn schon vermisst, wenn er nicht bei ihr ist. Mit offenen Augen starrt sie in das silberblaue Dämmerlicht, das den Raum erfüllt, bis irgendwann das Knarren der Tür und fast lautlose Schritte zu vernehmen sind, die an Bryndens Bett kurz innehalten, bevor sie sich nähern. Raven hört einen Stiefel leise zu Boden poltern und das Rascheln von Stoff, und gleich darauf spürt sie einen Schwall kühle Nachtluft unter die Laken fluten und ihren nackten Rücken emporkriechen. Sie dreht sich nicht um, nur ihr Herz schlägt einen schmerzhaften Takt schneller, als sie Caewlin neben sich spürt.

Noch immer ist sie aufgewühlt von all dem, was er ihr an den Kopf geworfen hat, und einen Moment lang ist sie so durcheinander, dass sie überhaupt nicht weiß, was sie tun soll. Aber bevor sie irgendwelche Stacheln ausfahren oder sich überlegen kann, was sie sagen soll, findet sie sich an dem Platz wieder, der ihr zum liebsten ihrer Welt geworden ist und an den sie sich so sehnsüchtig zurückgewünscht hatte, seitdem Caewlin am Morgen den Baum verlassen hatte - in seinem Arm und seiner glühenden Wärme, seine Haut an ihrer, seine Finger und sein warmer Atem auf ihrem Gesicht, während seine Stimme rau und dunkel leise Worte flüstert, und alles andere ist auf einmal vergessen und völlig unwichtig geworden. Sie drängt sich in stummer Verzweiflung an ihn und hält ihn fest, als hätte sie Angst, er könne plötzlich wieder verschwunden sein. >Es tut mir leid, wenn ich alte Wunden aufgerissen habe. Ich wollte nicht, dass du dich wieder an alles erinnern musst und als Galrin sagte, er würde nach Normand fliegen, nach Corwyness und nach Stenford, da...< Raven blickt auf, legt ihm die Finger auf die Lippen und schüttelt sacht den Kopf. "Schon gut, es ist ... es ist nicht schlimm", sagt sie leise. "Es kam nur alles so plötzlich hervorgesprudelt und als du sagtest, dass du nach Stenford gehen willst ... ich hatte so Angst, dass du ihnen dort blind ins Messer laufen würdest, dass dir etwas geschehen könnte. Ich will nicht, dass du wegen mir in Gefahr gerätst, verstehst du das nicht? Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir meinetwegen etwas zustoßen würde. Aber vielleicht hast du recht, vielleicht muss ich mich endlich erinnern. Vielleicht ist es an der Zeit. Ich bin mein Leben lang davor weggelaufen und es war niemand da, der .... der mir geholfen hätte. Der an mich geglaubt hätte." Ihre Stimme stockt und sie vergräbt das Gesicht an seinem Hals und an der weichen, warmen Kurve seiner Schulter. Ihre Finger berühren seine Wange, seinen Mund, beinahe so als könne sie nicht glauben, dass er tatsächlich bei ihr ist, warm und wirklich und lebendig, und diese Gewissheit raubt ihr völlig den Atem. "Aber du bist hier", flüstert sie. "Du bist hier. Und ich liebe dich."

Als sie am Morgen aufbrechen, gleicht ihr kleiner Tross eher einer bunt zusammengewürfelten Karawane als einem Beerdigungszug. Die Pferde sind allesamt bis an die Ohren mit Packtaschen, Beuteln und Kisten beladen, so dass auf ihrem Rücken kaum noch Platz für ihre Reiter ist. Wenigstens müssen sie einen Teil der Last nur bis zum Seehaus befördern und der Weg durch den weißen, weichen Sand am Ildorel entlang ist zum Glück nicht allzu weit. Als sie das Gepäck abgeladen haben und Pip ihnen Halbmond abgenommen hat, verabschieden sie sich von den Kindern, die das angesichts eines Korbs voll süßer Rosinenwecken herzlich wenig interessiert, dann setzen sie ihren Weg fort und trennen sich von Cron, der zuerst zur Schiffswerft reiten will, bevor er ihnen zum Tempelviertel nachkommt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 11. Aug. 2005, 00:47 Uhr
Die  Rückkehr von Phelans Bestattung und die ersten  Wochen danach


Nachdem Niniane nicht in der Lage ist, auch nur einen Schritt ohne ihr Kotzkübelchen zu tun - tatsächlich hatte sie den kleinen Eimer die letzten Tage sogar vor sich im Sattel, was nicht wirklich zur Hebung ihrer Laune beitrug - wurde von Raven und Caewlin kurzerhand beschlossen, noch ein Weilchen im Baum zu bleiben und sie ist mehr als dankbar dafür. Cron und der Sturmender würden im Larisgrün nach dem Rechten sehen können und sie wäre mit Raven an ihrer Seite nicht allein mit ihrer grauenhaften Übelkeit, einer mehr als aufgeweckten Shaerela und der vielen Arbeit, die der Frühsommer naturgemäß mit sich bringt. Als sie also, noch immer zu viert, schließlich nach einer halben Ewigkeit endlich die Lichtung am Smaragdstrand erreichen, war kein Anblick je so schön, wie der schattenhafte Umriss des Baumes, der sich vor ihnen aus dem trüben Nebelgrau schält, das dick wie Haferschleim über dem Ildorel hängt. Sie sind alle bepackt wie azurianische Lastkamele, denn sie hatten die Kinder vom Seehaus abholen müssen, die nun nach der langen Trennung ganz und gar anhänglich an ihnen kleben, und von Caewlins schnatternder oberster Magd (neben einem Rattenschwanz an guten Ratschlägen bezüglich des miserablen Wetters und der Vorbeugung aller möglichen Erkältungskrankheiten) auch noch drei Schließkörbe mit Schinken, Brot, Würsten, Käse, Butter, Milch, diversen wohlduftenden Eintöpfen und anderen Spezereien erhalten. Kochen wenigstens würden sie vorerst nicht müssen und Hunger leiden erst recht nicht. Der Baum allerdings schmollt, nicht gerade, dass er seine Äste vor dem Stamm verschränkt, mit den mächtigen Wurzeln unmutig auf den Boden trommelt und ihnen naserümpfend die kalte Schulter zeigt. Immerhin lässt er sich nach einem flehenden "Wir sind nass!" dazu herab, ihnen die Tür zu öffnen und in seinem Inneren riecht es wie stets nach Pflaumenblüten und Zedernholz... und vor allem ist es trocken. Sie sind alle erledigt, doch bevor sie sich selbst Ruhe gönnen können, gilt es noch, die Pferde zu versorgen, den Stall herzurichten, das Gepäck zu verstauen, die Schmutzwäsche zusammenzutragen, die Hühner zu füttern und die Eier einzusammeln, sofern sie nicht bebrütet werden, die Zelte zum Trocknen auszubreiten und ähnliche, unaufschiebbare Arbeiten zu erledigen. Und erst als das diffuse nebelfeuchte Tageslicht verblasst und die Kinder schlafen, können sie sich alle ein langes heißes Bad im dampfenden Steinbecken und einen ruhigen Abend vor prasselndem Kaminfeuer gönnen. Selbst die Hunde geben an diesem Tag keinen Mucks mehr von sich, sondern schnarchen in friedlicher Eintracht auf den weichen Pelzen.

Die nächsten Tage vergehen mit trübem Regenwetter und im Baum erlaubt man sich noch ein wenig süßes Nichtstun - da Niniane die Vormittage über ohnehin kaum ansprechbar ist, hat es auch wenig Sinn, irgendetwas anfangen zu wollen, außer ihr Tee zu kochen und ein wenig Brot zu rösten, meist das einzige, was sie wirklich zu sich nehmen kann. Doch mit der wohlverdienten Ruhe ist es gegen Ende des Grünglanzmondes wieder vorbei, denn die Apfelbäume blühen und der Frühsommer kehrt in die Herzlande zurück - und mit ihm auch das Ende der ewigen Spuckerei. Und da Niniane nunmehr morgens nur noch ein wenig übel ist, und sie nicht mehr stundenlang über irgendwelchen Nachttöpfen hängt, erwachen auch ihre Lebensgeister und vor allem ihr lange gebremster Tatendrang. Dafür passen die gewöhnlichen Schnürleibchen und engeren Gewänder nicht mehr, aber einerlei - sie war noch nie so eitel, als dass sie nicht in weiten, ungebleichten Leinenhemden und einfachen Röcken hätte herumlaufen können. Aber sie nutzt die Gunst der Stunde und die Gelegenheit, Raven und Caewlin, für sie längst feste Mitglieder ihrer kleinen, wachsenden Familie, noch ein wenig länger um sich zu haben, auch wenn es ihr eindeutig besser geht und so beutet sie Ravens Anwesenheit und Arbeitskraft folglich den ganzen Goldscheinmond über schamlos aus: die Walderdbeeren sind reif und werden von Ninianes und Ravens emsigen Händen eingesammelt, sofern sie nicht in schier unersättlichen Kindermägen landen. Den Erdbeeren folgen die Frühkirschen, die Blau-, Johannis- und Himbeeren, die Aprikosen und Pfirsiche und auf ausgedehnten Marktbesuchen kommen noch Rhabarber, Melonen, Stachelbeeren und unzähliges Gemüse wie Zucchini, Kürbisse, Gurken, Bohnen, Rettiche, Radieschen und tausenderlei Grünzeug mehr dazu... von den zahllosen Kräutern und Pilzen, die sie im Wald sammeln, ganz zu schweigen. Tagelang wird in der Küche des Baumes Marmelade, Mus und Gelee gekocht, werden Früchte gedörrt, Wein angesetzt und gesaftet oder Gemüse eingelegt und eingemacht, und werden Kräuterbündel zum Trocknen aufgehängt. Die Regale in den Vorratskellern und die Schränke in den Speisekammern füllen sich mit langen Reihen von Gläsern, Amphoren, Flaschen, Krügen und Schließkörben, während die Männer täglich stundenlang im Wald über Stock und Stein reiten, um dort die Wildwechsel zu kontrollieren, Niniane als Protektorin zu vertreten, zur Jagd oder zum Forellenfischen gehen und außerdem am Rand der Lichtung hinter dem Pferdestall einen Räucherschuppen errichten. Sie bringen einiges Kleinwild mit nach Hause, Kaninchen, Hasen, ein paar Überläufer, so dass sie stets gut mit frischem Fleisch versorgt sind und weiches Leder gerben oder Felle zum Walken aufspannen können.

Es ist Goldscheinmond und auf den Feldern überall im talyrischen Umland blüht das Korn, man riecht es bis zum Baum. Im Schilf öffnen sich die ersten Wasserlilien, auf den Waldbauernhöfen in der Nähe mäht man das erste Gras. Im Baum ist keine Garten- und erst recht keine Feldarbeit zu erledigen, aber sie haben auch so genug zu tun und sind von Sonnenaufgang bis zum Abend auf den Beinen. Wann immer das Wetter es erlaubt, sitzen sie zum Abendmahl draußen im weichen Waldgras, auf bestickten Kissen und warmen Pelzen, erzählen sich Geschichten am Feuer, grillen im warmen Abendlicht Fleisch und Gemüse und beschäftigen sich mit kleinen Handarbeiten. Raven schnitzt viel, wenn sie so zusammensitzen, während Niniane Leder bearbeitet und die Männer Schindeln schneiden oder ihre Waffen ölen und polieren. An einigen solcher Abende entstehen so unter Ravens geschickten Fingern auch wundervolle Rahmen, für ein paar ihrer Zeichnungen, die Niniane ihr mit wahren Seharimzungen abgeschwatzt hat. Die filigranen Ranken und Blütenornamente, welche die junge Frau mit unendlicher Geduld in das helle Lindenholz treibt, passen perfekt zur übrigen Einrichtung des Baumes - das Aufhängen der Bilder am nächsten Morgen gestaltet sich dann allerdings etwas schwieriger. Die Männer sind an diesem Tag im Stall oben beschäftigt und haben Kinder und Hunde bei sich, so dass die beiden Frauen Ruhe haben, aber nachdem die Zeichnungen gerahmt und passende Stellen ausgesucht sind, rückt Raven unbedarft mit Hammer und Nägeln an und kann von Niniane gerade noch aufgehalten werden. "Nicht doch! Du wirst doch wohl keinen Nagel in meinen Baum schlagen wollen?"
Raven blickt verdattert drein und erklärt schulterzuckend, dass sie eigentlich genau das vorgehabt hatte, wo solle sie das Bild denn auch sonst aufhängen. Niniane hebt die Brauen und erklärt todernst, man müsse den Baum überreden, dort etwas wachsen zu lassen, einen kleinen Haken am besten. Raven sieht sie nicht gerade an, als hätte sie nicht mehr alle ihre Sinne beieinander, aber reichlich misstrauisch ist ihr Blick doch. Gleich darauf rümpft sie ihre kleine Nase und murmelt "Schon wieder so einer" und noch etwas von "bin nur froh, dass ich bald in einem ganz und gar unbeseelten Steinhaus wohne..." Aber sie legt Hammer und Nägel beiseite, hebt den Bilderrahmen und fügt sich in ihr Schicksal. "Den Baum überreden?"
"Hmm, genau."  

Raven zieht ihre Stirn in kleine, zweifelnde Falten, aber dann zuckt sie noch einmal mit den Schultern, fixiert die auserkorene Stelle an der Wand und schickt einen beschwörenden Blick an das Bauminnere ganz allgemein. Sie räuspert sich leise und deklamiert dann. "Hier bitte! Einen Nagel. Oder ein kleines Ästchen... äh...gekrümmt. Wie ein Haken. Genau hier. Möglichst mittig. Du hast sie gehört, oder? Also tu was sie sagt." Dann warten sie. Niniane, Raven und das Bild. Nichts passiert. Ravens Stirn umwölkt sich, während sie versucht eine möglichst überzeugende Miene aufzusetzen (wobei sie sich wahrscheinlich fragt, was für einen Baum wohl am überzeugendsten wäre), aber auch nach einer Minute geschieht immer noch nichts. Sie hebt demonstrativ das Bild in ihren Händen, als wolle sie dem begriffsstutzigen Baum die Aufhängevorrichtung zeigen und eine weitere Minute verstreicht ereignislos. "Ähem. Heute noch." Nichts. "Du willst mich ärgern, oder?" Immer noch nichts. "Du-machen-Haken-ich-hängen-Bild-auf." Nicht die allerkleinste Ausbuchtung im Holz. "Hör mal, wenn du Ärger haben willst, ich hab' Hammer und Nägel immer noch hier..." Unbeeindrucktes Schweigen. Ravens Miene verfinstert sich zusehends, aber dann ändert sie schlagartig ihre Taktik, richtet sich auf, macht ein ganz und gar hochmütiges Gesicht, zuckt ein drittes und letztes Mal mit den Schultern und verkündet gelangweilt. "Ha! Ich wusste doch gleich, dass du das gar nicht kannst!"
Das lässt sich Mylord Rotholz nicht zweimal sagen, und mit einem leisen Plopp erscheint ein wundervoll geschwungener, kleiner Haken in der Wand. Niniane beißt sich auf die Lippen, um nicht laut zu lachen und Raven wendet sich mit einem triumphierenden Hüftschwung und einem leisen Zungenschnalzen wieder um und hängt gönnerhaft das Bild daran. "Na also. War doch gar nicht so schwer, oder?" Das Rascheln und Wispern der Blätter in der gewaltigen Krone klingt ganz nach einem beleidigten "Pffff!", aber die restlichen Bilder aufzuhängen ist das reinste Kinderspiel. Der übrige Grünglanzmond vergeht ganz und gar ereignislos, sieht man von den wöchentlichen Besuchen der Mogbarsfrau ab, die die Wäsche besorgt und dank der zusätzlichen Baumbewohner und zweier Windelkinder schon bald bei jedem Schritt klingelt, wenn sie den Smaragdstrand wieder verlässt. Sie kommt einmal im Siebentag und versorgt die Waldläuferin nicht nur mit reiner Kleidung, sondern auch mit dem allerneuesten Stadtklatsch und den wildesten Gerüchten. So erfahren sie zum Beispiel, dass Galrin Ragnarsson mit dem Windschiff zu seiner geplanten Expedition aufgebrochen war, dass ein Elbenschmied sich in der Schmiede am Marktplatz eingerichtet hatte oder gerade dabei ist, dies zu tun, dass in den Handwerkergassen und im Mogbarviertel die Masern wüten, es aber keinen Grund zur Sorge gäbe, die Heilkundigen der Tempel und die Maester der Stadt hätten alles im Griff und es sei auch nicht schlimm, gestorben wäre niemand und die meisten Kranken seien auch schon auf dem Weg der Besserung. Zur Sicherheit der übrigen Bürger habe die Stadtgarde aber einige Ausgangssperren und Quarantäne verhängt. Und überhaupt, das allerwichtigste sei doch, dass die Weiße Dame nach Talyra zurückgekehrt war, ja wie, man hätte hier davon noch nicht gehört? und das schließlich beweise eindeutig, dass Götter und Schicksal Talyra noch immer hold wären und somit gar kein größeres Unglück geschehen könne. Mehr über jene geheimnisvolle "Weiße Dame" weiß die Wäscherin jedoch auch nicht zu berichten und lässt somit eine ziemlich nachdenkliche Niniane zurück.

Der letzte Tag des Grünscheinmondes sorgt dann doch noch für einige Aufregung. Niniane und Raven haben sich schon am Morgen mit zwei geflochtenen Rückenkiepen auf nach Norden gemacht, allerdings ohne die Kinder und die Hunde, die an diesem Tag mit Cron und Caewlin am Strand sind, um ein wenig ungestört zu sein, die Kaninchenschlingen zu kontrollieren und vielleicht in ein paar felsigen Buchten am Ildorel ein paar Forellen zum Abendessen zu fangen, vor allem aber, um die ersten reifen wilden Himbeeren einzuheimsen. Auf  einer sonnigen Lichtung ein paar Tausendschritt nördlich des Baumes werden sie fündig und sammeln bis zum Nachmittag, durchglüht von Sonnenwärme, ihre Kiepen voll. Sie gönnen sich ein langes, erfrischendes Bad im Ildorel, führen lange Unterhaltungen über Götter und Roha und fangen sieben fette Forellen, die zusammen mit einem Himbeerkuchen und im Feuer gerösteten Kartoffeln das reinste Festmahl zum Abendessen abgeben würden... dann stattet ihnen unerwartet und uneingeladen der alte Grymauch Einaug einen Überraschungsbesuch ab. Das Zwielicht steigt bereits aus See und Wald auf, als sie sich zum Aufbruch von der Himbeerlichtung aufmachen. Die Dunkelheit erhebt sich wie Nebel, verschlingt den Boden, die langen Gräser und die Talmulden, kriecht an den Baumstämmen empor und steigt auf, um sich mit den ersten aufblinkenden Sternen zu vereinen. Im Westen ist der Himmel noch flammendrot und glühend orangegelb, darüber zartgrau und purpurn und verdunkelt sich nach Osten hin zu zarter Bläue. Es war den ganzen Tag über sehr heiß gewesen, doch jetzt in der Dämmerung kühlt der leichte Abendwind ihre Gesichter, als sie ihre Körbe schultern und sich zum Gehen wenden und sie genießen beide die laue Brise nach der schweißtreibenden Hitze  der vergangenen Stunden. Dann kracht es vernehmlich im Unterholz, keine zehn Schritt von ihnen entfernt, und was dann folgt, hört sich an, als pflüge sich bedächtig, aber stetig ein azurianisches Dreihorn durch den Wald. Niniane fährt herum, verstreut eine kleine Salve Himbeeren aus ihrer Kiepe und hat nichts als einen Dolch, ihre Schleuder, ein paar Steine und einen lächerlichen Froschspeer in der Hand, von dem überdies vier Forellen baumeln - zweifellos sehr einschüchternd. Sie kennt nur ein Tier in ihrem Wald, das groß genug ist, ein solches Getöse zu veranstalten, sie kommt allerdings nicht mehr dazu, die im ersten Moment ebenso wie sie erschrockene Raven zu warnen, denn in diesem Augenblick teilt sich der Wald sechs Schritt rechts von ihnen und spuckt einen gigantischen Höhlenbären aus.

Der Bär scheint wesentlich weniger überrascht, sie hier anzutreffen, als sie, dennoch bleibt er stehen, lässt ein Brummen hören, das durch den ganzen Boden zu vibrieren scheint und schwenkt den mächtigen Schädel hin und her. Seine schwarze Nase zieht prüfend die Luft ein und das letzte Dämmerlicht rändert jedes einzelne Haar seines braungrauen Pelzes mit Feuergold. Außerdem beleuchtet es auf beeindruckend dramatische Weise das Fehlen seines linken Auges und Ohrs und die zahllosen größeren und kleineren Narben, die sein Fell durchziehen. Und zu guter Letzt schlägt ihnen auch noch einen überwältigende Duftwolke von penetrantem Raubtiergeruch, Ammoniak und Aas entgegen. Niniane allerdings atmet beim Anblick dieses Urgroßvaters sämtlicher Höhlenbären trotz seines schockierenden Aromas nur beruhigt auf und schüttelt grinsend den Kopf. "Du sollst mich nicht immer so erschrecken," faucht sie in gespielter Empörung, ist jedoch viel zu erleichtert, um ernstlich böse zu klingen. Im nächsten Moment wird sie unsanft zur Seite geschubst, der Froschspeer wird ihr energisch aus der Hand gerissen und herumgeschwenkt, die Forellen segeln träge in den Abendhimmel davon und landen klatschend im Gras, und Raven baut sich, lächerlich winzig, aber todesmutig und fauchend wie eine Katzenmutter vor dem Nest, vor ihr auf und fixiert den etwas verwirrt dreinblickenden Bären mit wildentschlossenem Blick. "Lauf!"
"Häh?"
"Mach schon! Ich lenke ihn irgendwie ab. Lauf jetzt, verschwinde!"
"Aber warum denn?"
"Warum??!!" Ninianes verwunderte Frage verwirrt die junge Frau so sehr, dass sie schlagartig sogar den Bären vergisst und sich entgeistert zu ihr umdreht. Der Bär indes, nicht weniger verwundert als die Waldläuferin, setzt sich erst einmal. Aber er angelt geistesgegenwärtig nach einer der verstreuten Forellen und zerlegt sie schmatzend in ihre Einzelteile... wenn er denn schon einmal hier ist und ihm das Futter auf dem Silbertablett serviert wird. "Weil da ein Höhlenbär von der Größe eines verdammten Elefanten keine sechs Schritt von uns entfernt im Wald hockt, deswegen!" Erwidert Raven aufgebracht.
Niniane blinzelt einen Herzschlag lang vollkommen perplex, dann breitet sich ein entzücktes Lächeln über ihr Gesicht aus. "Aber ich kenne den Bären.... und so wie ich ihn kenne, amüsiert er sich wahrscheinlich gerade köstlich über seinen kleinen Auftritt." Sie senkt ihre Stimme zu einem Flüstern und raunt: "Er hat einen Hang zur Theatralik. Außerdem," bemerkt sie mit einem Seitenblick auf ihren unerwarteten Besucher trocken, "hat er auch einen Hang zu frischen Forellen. Raven, du hast doch bestimmt von Mottenfaenger schon einmal etwas über ihn gehört... darf ich vorstellen? Das ist Grymauch Einaug, der berühmteste - und verfressenste - Höhlenbär  im Larisgrün. Zu dieser Jahreszeit treibt er sich meistens hier in der Gegend herum, er ist nämlich ein altes Schleckermaul. Die reifen Himbeeren werden ihn angelockt haben..." Grymauch, vollkommen unbeeindruckt von seinem Ruf, erhebt sich und tapst zur nächsten Forelle im Gras. Niniane öffnet schon den Mund, um ihn daran zu hindern, als ihr auffällt, dass er seine linke Vorderpfote nicht belastet. "Oh. Da stimmt aber etwas nicht. Halt mal, ja?"

Sie schlüpft aus ihrer Kiepe, stellt sie ab und nähert sich dem Bären langsam. Waldläuferin und durchaus gute Bekanntschaft hin oder her, der alte Einaug ist ein launischer Geselle, ganz abgesehen von der Tatsache, dass er ihr mit einem einzigen Tätscheln seiner Pranke auch ganz aus Versehen das Rückgrat brechen könnte. Der Bär ist jedoch trotz aller Schmerzen, die er ganz offensichtlich hat, in recht friedlicher Stimmung und lässt sie nahe genug herankommen, dass sie sehen kann, wo das Problem liegt: ein gut fingerlanger Dorn, der sich in die weichen Ballen seiner linken Vordertatze gebohrt hat und dort feststeckt. Ein wenig Blut klebt im Fell, aber die Wunde scheint noch nicht entzündet. Um das genauer in Augenschein nehmen zu können, müsste sie aber näher heran... vom alten Grymauch her kein Problem, von ihrer Seite aus schon, denn sein bestialischer Gestank wirft sie beinahe um. "Oh... nein... oh, gar nicht gut, wuuääh!" Sie hält sich mit zwei Fingern die Nase zu und zwingt ihren Mageninhalt wieder nach unten. "Worin hast du dich gewälzt? In einem sieben Wochen alten Hirschkadaver?" Damit kommt sie der Wahrheit sogar ziemlich nahe, auch wenn sie das nie erfahren wird. Dafür wird ihr mit einem anklagenden Brummen die geschwollene Tatze unter die empfindliche Nase gehalten und das reicht aus, um sie, grün im Gesicht, zwei Schritte zurückzutreiben. "Oh, tut mir leid, alter Junge. Aber ich fürchte, ich kann das nicht, ohne dich voll zu kotzen. Und du bringst mich um, wenn ich dir auf den Pelz spucke, ich weiß es. Äh... Ravenschatz... könntest du mal herkommen?"
"Herkommen?" Raven sieht sie an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank, doch Niniane nickt und weist entschuldigend auf die verwundete Bärenpranke. Raven folgt ihrem Blick und starrt den alten Grymauch dann von den Krallen bis hinauf zu den ausgefransten Ohren entgeistert an. Der Bär erwidert ihren Blick spekulativ und bemüht sich sehr um ein möglichst klägliches Aussehen, untermalt mit erbärmlichem Gebrumm und zitternder Pranke, ein Bild des Jammers. Grymauchs Schauspielkünste - Niniane ist sich ziemlich sicher, dass der Dorn zwar bestimmt schmerzhaft, die Verletzung aber keineswegs gleich tödlich ist - verfehlen denn auch ihre Wirkung nicht.

Das Misstrauen weicht keinen Deut aus Ravens Augen, aber ihre Miene scheint doch ein wenig weicher zu werden, auch wenn sie noch eine ganze Weile aussieht, als überlege sie ernsthaft, nicht sicherheitshalber doch die Flucht zu ergreifen. "Komm schon, Raven. Tu's für mich, ja? Er tut dir bestimmt nichts."
"Ja, das sagst du. Weiß er das auch?" Noch immer äugt Raven skeptisch herüber, aber nach einem weiteren, langgezogenen Brummen und bettelnd erhobener Tatze seitens des alten Einaug gibt sie sich doch geschlagen. "Na gut - aber du erklärst meinem Mann, was mit meinem Kadaver geschehen ist, falls der hier mich doch als Nachtisch verspeist. Und zu deiner Information," wendet sie sich an Grymauch persönlich, "mein Mann ist fast so groß wie du! Und rachsüchtig. Überleg dir das also..."
Wie sich herausstellt, verspeist der gute Einaug letztlich nur die Hälfte ihrer mühsam gesammelten Himbeeren, und zwar als Beruhigungsmittel, während Raven sich mit seiner schweren Pranke im Schoß daran macht, den langen, blutigen Dorn aus dem Ballen zu ziehen. Als er einmal zusammenzuckt und sie dabei beinahe umwirft, vor Schmerzen brummt und Niniane mit einem beiläufigen Schulterheben nahezu von den Füßen holt, bleibt ihnen beiden fast das Herz stehen. Aber er hält still so gut es geht, bis Raven genug von dem glatten, dunklen Schaft aus dem zerrissenen Fleisch herausgearbeitet hat, um ihn mit zwei Fingern packen zu können. Er kommt glatt und sauber aus dem Ballen und die Wunde blutet ein wenig, scheint aber nicht weiter schlimm. Nachdem er den lästigen Störenfried endlich losgeworden ist, schüttelt sich der Bär, wuchtet seine enorme Masse auf die Pfoten und trabt dann in Richtung der rankenden Himbeersträucher auf der anderen Seite der Lichtung von dannen ohne sie noch eines weiteren Blickes zu würdigen. "Undankbares Mistvieh!" Niniane rümpft die Nase, sammelt ein, was von ihrer Beeren- und Fischbeute noch übrig ist und schultert ihre Kiepe wieder. "Was du getan hast... oder tun wolltest... war sehr mutig. Und dass du ihm geholfen hast auch. Danke, min Ija. Komm, lass uns gehen... ich sterbe vor Hunger und der Fisch wird auch nicht frischer. Zu Hause gibt es Cofea, für heute haben wir wirklich genug getan."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Raven am 11. Aug. 2005, 17:30 Uhr
Als sie spät am Abend zum Baum zurückkehren - Raven noch immer schlotternd von der Begegnung mit dem alten Einauge, Niniane dagegen amüsiert vor sich hin glucksend - werden sie schon ungeduldig von zwei Nordmännern in Empfang genommen, die sich offensichtlich in höchster Alarmbereitschaft befinden und so besorgte Gesichter machen, als wären sie zu einer lebensgefährlichen Expedition unterwegs gewesen und nicht nur zum Beerenpflücken. Auf Ninianes verständnislosen Blick hin erklärt Cron ziemlich beunruhigt, dass Caewlin und er beim Kontrollieren der Wildwechsel ganz in der Nähe zahllose Spuren eines Bären gefunden hätten, der den gigantischen Pfotenabdrücken nach ein wahres Monster und bestimmt gefährlich und angriffslustig sein müsse. Dabei steht ihm der unausgesprochene Satz "So lange dieses Vieh sich hier herumtreibt, geht ihr keinen Schritt mehr alleine in den Wald!" so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass die Waldläuferin sich nur mit Mühe das Lachen verbeißen kann. Sie tauscht einen belustigten Blick mit Raven, bevor sie beide in wildes Gekicher ausbrechen und ihre Erlebnisse mit besagtem "Monster" zum Besten geben, wobei Raven als Beweis für den Wahrheitsgehalt ihrer haarsträubenden Geschichte den blutigen, fingerlangen Dorn, den sie dem Bären aus der Tatze gepult hat, wie eine Trophäe ins flackernde Licht des Kaminfeuers hält. "Und überhaupt müsstet ihr Grymauch Einauge eigentlich aus Liam Cailidh kennen", ruft Niniane den beiden Männern ins Gedächtnis, "immerhin hat der alte Kämpe dort mit seinen Pratzen mehr Narge über die Purpurnen Flüsse geschickt als so mancher Templer mitsamt seinen Mannen."

So aufregend, wie der Goldscheinmond angesichts des Bärenbesuches im Larisgrün endet, so ruhig beginnt dagegen der Sonnenthron. Die restlichen Beeren, die nicht im Rachen eines verfressenen Höhlenungetiers oder in zwei unersättlichen Kindermägen gelandet sind, werden zu süßer Marmelade verkocht und wandern in die Vorratskammern und mit ihnen neigt sich die erste große Flut an Arbeit, die der Sommer mit sich bringt, dem Ende zu. Es hatte einige Wochen gedauert, doch inzwischen scheint sich der Nachwuchs in Ninianes Bauch häuslich eingerichtet zu haben und das morgendliche Spucken hatte götterlob endlich nachgelassen. So lange die Waldläuferin jeden Morgen bleich wie ein frischer Käselaib, mit vor den Mund gepresster Hand und unter lauten Würgegeräuschen aus dem Bett geschossen und vor dem Mittagsmahl nicht ansprechbar gewesen war, hatte Raven die lästige Pflicht übernommen, ihren Eimer zu entsorgen und war tagtäglich tapfer zum Misthaufen hinter dem Pferdestall gestiefelt, um dort Ninianes Speikübelchen auszukippen. Es war nicht unbedingt die angenehmste Arbeit gewesen, aber sie hatte sie klaglos und ohne Murren übernommen. Nachdem Niniane und der Tronjer Caewlin und sie im Winter so bereitwillig aufgenommen hatten, sie gesundgepflegt, ihnen Tee eingeflößt und Essen gekocht, ihre blutenden Wunden versorgt und genäht, ihre Wäsche gewaschen, Bettpfannen geleert und Verbände gewechselt hatten, war dies auch das Mindeste, was sie für die beiden tun konnte und so war wegen des Eimers nie auch nur ein einziger Protestlaut über ihre Lippen gekommen. Grund zum Protestieren hat Raven dann allerdings kurze Zeit später, denn kaum dass zu Beginn des Sonnenthrons das Spuckzeremoniell endlich abflaut, das die Waldläuferin allmorgendlich veranstaltet hatte, scheint sie ihre überflüssige Energie sofort in andere Bahnen lenken zu müssen und verkündet eines Morgens beim Frühstück, während sie auffordernde Blicke in die schläfrige Runde wirft, dass es Zeit für einen gründlichen Baumputz wäre,. Zwar versucht Raven händeringend und unter Aufbietung ihrer ganzen Überredungskunst, Niniane dieses aberwitzige und ihrer Meinung nach höchst überflüssige Vorhaben wieder auszureden, aber genauso gut könnte sie versuchen, die Sonne davon zu überzeugen, dass sie fortan im Westen statt im Osten aufgehen müsse.

Nach einer ausschweifenden Putz- und Schrubborgie steht ihr nach der ganzen Arbeit mit dem vielen Obst und Gemüse nun wirklich nicht der Sinn und sie liebäugelt eher mit einer wohlverdienten Ruhepause, aber sie muss feststellen, dass es beinahe an Selbstmord grenzt, einer schwangeren und putzwütigen Waldläuferin widersprechen zu wollen. Und auch der Versuch, die ihr dabei zugedachte Rolle auf jemand anderen abzuwälzen, misslingt, denn weder Caewlin noch Cron lassen sich beschwatzen, mit ihr zu tauschen und anstatt ihrer dem Schmutz im Baum zu Leibe zu rücken. Stattdessen schütteln die beiden wie auf ein geheimes Zeichen hin hundert und eine Ausrede aus dem Ärmel, die sie möglichst schnell und möglichst unauffällig weit weg vom Geschehen bringt und behaupten steif und fest, sie müssten unbedingt mit den Pferden in die Stadt zum Schmied, um sie beschlagen zu lassen - und das sei dringend und unaufschiebbar und schon lange fällig und überhaupt bräuchten die Tiere auch längst einmal wieder richtig Bewegung. Nachdem Caewlin sich auf seinen Grauen und Cron sich auf den Rücken des Thunderländers geschwungen hat und sie mitsamt dem Braunen und Ninianes Jagdstute als Handpferden ziemlich überstürzt Richtung Stadt entschwunden sind, bleibt Raven also kaum etwas anderes übrig, als widerwillig in den sauren Apfel zu beißen. Bleiernen Fußes und mit rollenden Augen schleppt sie sich hinter Niniane her, während sich die Kinder wie Ertrinkende an ihre Beine klammern, und versucht, die Freundin energisch gestikulierend davon zu überzeugen, dass ihre Behausung wirklich sauber genug sei und keinerlei weiterer Behandlung bedürfe. Ihre Ansichten darüber, was unter "sauber" zu verstehen ist, scheinen jedoch ziemlich weit auseinanderzuklaffen, wie ihr nach einem Blick auf die grimmig entschlossene Niniane klar wird, und auch ihren Einwand, es sei doch gemütlich, wenn es ein wenig unordentlich sei, lässt die Waldläuferin nicht gelten. In ihrem altersschwachen Häuschen war es Raven genug gewesen, ab und zu den Bretterboden zu fegen, die Feuerstelle zu säubern und den Staub von den Wandborden zu pusten, und der Baum des Druiden war auf wundersame Weise ohnehin selbstreinigend gewesen. Das bisschen Arbeit, das auf den beiden Plattformen hoch oben über dem Larisgrün angefallen war, hatte sie ihm als Haus- oder besser gesagt als Baumherren auch getrost selbst überlassen und sich lieber darum gekümmert, für den materiellen Lebensunterhalt zu sorgen.

Aber es gibt kein Entrinnen. Mit Putzlappen, Bürsten, Reisigbesen, Schrubbern und Wasserkübeln bewaffnet, schreitet Niniane in den Kampf gegen Staub und Unordnung wie ein Feldherr in die Schlacht - die Ärmel hochgekrempelt, das Haar im Nacken zu einem dicken Knoten geschlungen, die Röcke geschürzt wie eins der Waschweiber aus den Badehäusern - und ihr furchterregender Anblick bringt sogar den alten Baumriesen zum Schlottern, der heftig mit den Zweigen zittert. Jede Bakterie, die auch nur einen Funken Selbstachtung besitzt, ergreift angesichts dieser geballten Ladung Putzwut schon freiwillig die Flucht und verlässt hektisch und Hals über Kopf den Baum, bevor ihr in einer Wolke aus wildem Arbeitseifer, Seifenschaum und wüsten elbischen Verwünschungen der Garaus gemacht wird. Nicht einmal die beiden Hunde wagen sich bei so viel ungewöhnlicher Aktivität in die Nähe des Baumes und beäugen nur, hechelnd im Schatten des Hühnerstalls liegend, argwöhnisch und aus sicherer Entfernung das besorgniserregende Treiben und die Staubwolken, die gelegentlich aus den Fenstern aufsteigen oder aus der Tür gefegt werden. Den lieben langen Tag sind die beiden Frauen damit beschäftigt, auf Knien robbend die Fußböden zu scheuern, jede noch so winzige Fensterscheibe zu wienern, Matratzen und Bettzeug zu lüften, Geschirr zu polieren und Küchenborde und Speisekammern zu schrubben, Marmeladengläser aufzustapeln, Spinnweben abzukehren, Kleidertruhen auszumisten und gleichzeitig die Kinder daran zu hindern, hinter ihrem Rücken unbemerkt wieder von Neuem mit der Verbreitung heilloser Unordnung zu beginnen, bis Raven vom vielen Seifenwasser völlig verschrumpelte Fingerkuppen, den Zopf voller Staubflocken und eine Laune hat, die missmutiger gar nicht sein könnte.

Kaum dass sie einigermaßen fertig sind und sich zum Verschnaufen einen Moment am Esstisch niederlassen, fällt es der Waldläuferin ein, dass sie jetzt, so kurz vor dem nahenden Herbst, auch noch sämtliche Kamine im Baum säubern und auskehren könnten. Raven wirft ihr einen mehr als zweifelnden Blick zu, schüttelt den Kopf, als sei Niniane der hoffnungsloseste Fall, den sie je gesehen hat, und murrt resigniert etwas von Schwangeren, die offenbar völlig den Verstand verloren haben. Aber um ernsthaft zu widersprechen, reicht ihre Kraft nicht einmal mehr aus. Ihr Rücken fühlt sich jetzt schon an, als hätte eine Horde Oger ihr Kampftraining darauf abgehalten, aber die Waldläuferin scheint das nicht im Geringsten zu stören, im Gegenteil, sie sieht im wahrsten Sinn des Wortes so putzmunter aus, als hätte sie sich gerade erst richtig warmgewienert. Als sie der verdutzten Diebin dann allerdings erklärt, dass sie zum Kaminkehren erst einmal Hühner fangen müssten, zweifelt Raven ernsthaft an ihrem Verstand. "Du meinst, ich soll da raufklettern und zwei Hühner durch den Kamin werfen?" echot sie fassungslos, doch jeder Protest ist völlig zwecklos und ihr bleibt nichts, als zackig zu salutieren und sich schicksalsergeben in Richtung Hühnerstall zu schleifen.

Sie brauchen nicht weniger als eine geschlagene Stunde, einen zerrissenen Rock, ein aufgeschrammtes Knie und drei Dutzend deftige Flüche, bis sie schließlich - die beiden vor Vergnügen kreischenden Kinder an ihren Fersen, die das ganze für ein überaus lustiges Spiel halten - zwei der Hennen eingefangen haben. Barfuss, mit dem empört gackernden Federvieh unter dem Arm und inzwischen völlig entnervt, klettert Raven schließlich in die Baumkrone hinauf und macht sich auf die Suche nach den Abzugsöffnungen der Kamine. Der Rauch aus den Feuern zieht über ein kompliziertes, naturgewachsenes System aus Hohlräumen, hölzernen Röhren und ausgehöhlten Ästen aus dem Inneren des Baumes ins Freie, und es ist nicht einfach, in dem Gewirr aus Blattwerk und Zweigen die richtigen Öffnungen zu finden - vor allem nicht, wenn man gleichzeitig zwei wildgewordene Legehennen bändigen, den Richtungsanweisungen einer Waldläuferin lauschen und möglichst nicht aus zehn Schritt Höhe herunterpurzeln und sich das Genick brechen soll. Nach einer halsbrecherischen Kletterpartie findet sie schließlich einen der Rauchabzüge und stopft von oben die entrüstet flatternden Hühner in die Öffnung, die mit wildem Gegacker und Flügelschlagen durch den Kamin hinabsausen und dort mitsamt einer gewaltigen, schwarzen Rußlawine von Niniane und den Kindern in Empfang genommen werden. Nachdem sie das Ganze einige Male wiederholt haben, endet die Aktion zwar mit blitzend sauberen Kaminen, dafür ist alles andere mit einer schwarzen, öligen Rußschicht überzogen - einschließlich der frischgeschrubbten Fußböden, der Möbel, der Kinder und zwei ehemals weißen und nun über und über schwarz gefärbten Hennen, die verstört gackernd im Baum umher rennen, aussehen, als wären sie über Nacht zu gefiederten Zombies mutiert und nach Schwefel stinken, als kämen sie direkt aus einer der Neun Höllen. Den Rest des Tages verbringen Raven und die Waldläuferin damit, die Fußböden ein zweites Mal zu schrubben, die Kinder und die Hühner im Ildorel von ihrem schwarzen Rußbelag zu befreien, bevor sie das Federvieh wieder in die Freiheit entlassen.

Nach der Hektik dieses Großkampftages kehrt wieder Ruhe in den Baum ein und die letzten Tage, bis zum geplanten Umzug ins Seehaus verbringen sie die meiste Zeit mit Faulenzen und süßem Nichtstun. Der Sonnenthron bringt zu Anfang glühende Hitze und Temperaturen, die schon bei der kleinsten Anstrengung wahre Schweißbäche fließen lassen, so dass es für schwere Arbeiten ohnehin viel zu heiß ist. Die meiste Zeit verbringen sie unter dem kühlen Schattendach der Baumkrone und so oft sich die Gelegenheit bietet, stürzen sie sich zum Abkühlen in den Ildorel. Raven klettert oft mit den Hunden und den beiden Kindern über die erdbeerbewachsene Böschung hinunter zum Seeufer, wo sie Stunden damit zubringen, sich die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen, mit Akira und Stelze herumzutoben und im flachen Wasser zwischen den Felsen zu planschen. Sie schneidet büschelweise trockenes, raschelndes Schilfrohr und flicht den Kindern daraus Strohhüte, die zwar schrecklich windschief und ausgefranst aussehen, aber immerhin die sengende Sonne von der zarten Kinderhaut abhalten. Ihre eigene Haut ist unter Shenrahs strahlendem Auge mittlerweile dunkel wie Goldbronze geworden und Bryndens semmelblonder Haarschopf ist so ausgebleicht, dass er beinahe weiß wirkt. Aus den Holzresten, die vom Bau der Bilderrahmen übrig geblieben sind, schnitzt Raven für die Kinder geduldig und in mühevoller Kleinarbeit verschiedene Formen, die sie mit Sand füllen können - Sonne, Mond und Sterne, außerdem eine Muschel und etwas, das mit viel Phantasie entfernt einem Hund ähnlich sehen könnte -, und die beiden sind mit Begeisterung dabei, damit herumzumanschen, Sandkuchen zu backen und sich gegenseitig die Formen an den Kopf zu werfen. Dicht an der Wasserlinie, gerade so weit weg, dass die träge schwappenden Wellen nicht herankommen, bauen sie auch eine riesige Sandburg (und dazu bestimmt die prächtigste, die das Ufer zwischen Surmêra und dem Tiefen Grund je gesehen hat) mit richtigen Türmchen und einem Burggraben, der vom Seewasser geflutet werden kann, mit einem Waffenhof, in dem zu Rittern deklarierte Nussschalen in Reih und Glied aufgereiht sind, mit einer Zugbrücke aus einem zusammengefaltetem Seerosenblatt und einer Turmfahne, die aus einem dünnen Weidenzweig und Ninianes stibitzten Stickfäden besteht. Bryndens ramponiertes Stoffhäschen wird zeitweilig zum Burgdrachen umfunktioniert und thront auf den Turmzinnen, bereit, das sandgeformte Wunderwerk gegen jeden anstürmenden Feind zu verteidigen.

Allerdings haben weder Raven noch das arme Burgdrachenhäschen mit nahendem Feind in Form zweier kälbergroßer, sich balgender Hunde gerechnet und können nur hilflos zusehen, wie Stelze und Akira inmitten einer spielerischen Rauferei und wildem Gerangels die schöne Burg dem Erdboden gleichmachen. Der Wolfshund, wie immer nicht zu bremsen, wenn er einmal in Fahrt geraten ist, galoppiert kläffend mitten durch den sandigen Burghof, walzt dabei die halbe Außenmauer nieder und sorgt im Eifer des Gefechts dafür, dass der prächtige Turm mitsamt Häschen und Fahne in einer aufstiebenden Sandwolke zusammenstürzt, während Akiras pelziges Hinterteil mitten im seewassergefluteten Burggraben landet und beim Versuch zu bremsen eine breite Schneise quer über den ganzen Burgwall in den Sand furcht. Nach einem gehörigen Donnerwetter verziehen sich die beiden schmollend und mit beleidigten Gesichtern, aber trotz allem Schimpfen und Zetern ist von der wunderbaren Burg dennoch nicht mehr übriggeblieben als ein armseliger Sandhaufen, aus dem einsam eine kleine Fahne weht. Das Geschrei der Kinder ob dieser wirklich hundsgemeinen Zerstörung ist groß und sie brauchen einen halben Tag, bis sie die beiden wieder soweit beruhigt haben, dass das Schluchzen allmählich verebbt. Vor allem Brynden ist untröstlich und seine Tränen trocknen erst, als Raven ihm hoch und heilig verspricht, gleich am nächsten Tag mit dem Bau einer neuen Burg anzufangen.

Bis auf solche kleinen Zwischenfälle vergeht der Sonnenthron in geradezu himmlischem Frieden, während der Tag immer näher rückt, an dem sie den Baum der Waldläuferin verlassen und in das Haus am Seeufer übersiedeln werden. Und je näher er kommt, desto mulmiger wird das Gefühl, das sich in Ravens Magengrube breitgemacht hat. Sie ist mehr als glücklich und freut sich auf das neue Zuhause, aber dennoch ist ihr ein wenig bange bei dem Gedanken daran, als sie eines abends am Seeufer entlang wandert und darüber nachdenkt. Sie weiß nicht recht, was nun von ihr erwartet wird und irgendwo in ihrem Inneren steckt ein Funke Angst, mit all den Aufgaben nicht fertig zu werden und in dieser neuen und noch so fremden Rolle kläglich zu versagen. Und noch tiefer sitzt die Angst, damit Caewlin zu enttäuschen. Tag für Tag liebt sie ihn ein Stückchen mehr und ist an seiner Seite so glücklich, wie sie es noch nie in ihrem Leben war. Ein Sein ohne ihn kann sie sich schon gar nicht mehr vorstellen, ganz abgesehen davon, dass sie es sich auch gar nicht mehr vorstellen will. Und genau deswegen wäre es ihr unerträglich, wenn sie ihn enttäuschen würde. "Lady von Sturmende", seufzt sie zu den Sternen empor, die hoch über ihr am schwarzen Nachthimmel funkeln, und lässt sich im warmen Sand nieder. "Die neue Lady von Sturmende ist ein so fürchterlich tollpatschiges, nichtsnutziges Ding, dass alle sie nur auslachen werden." Manchmal glaubt sie wirklich, alle Fettnäpfchen dieser Welt stünden extra nur für sie bereit - und mit unnachahmlicher Zielsicherheit trifft sie auch jedes einzelne davon. Nicht genug, dass sie sich zum Gespött der Stadtwache macht, indem sie in Nachthemd und Ringelstrumpf auf dem Kasernenhof herumhüpft, nicht genug, dass sie sich vor einer harmlosen Heuschrecke so derart erschreckt, dass sie Borgils Zelt beinahe dem Erdboden gleichmacht, nein, sie muss sich auch noch vor Niniane und einem zahnlosen Tattergreis von Höhlenbären bis auf die Knochen blamieren. Seufzend zieht sie die Knie an, legt das Kinn auf die verschränkten Arme und starrt auf den schwarzen See hinaus. Und so etwas ist die 'Lady' von Sturmende, denkt sie bitter. Wenn es nicht so erbärmlich wäre, könnte man wirklich fast darüber lachen. Caewlin muss sich mit mir in Grund und Boden genieren.

Aber das alles ist es nicht allein, was ihr zu schaffen macht und in ihrem Herz nagt noch ein ganz anderer Kummer, der von Tag zu Tag wächst und sie wie ein Gebirge niederzudrücken scheint. Die ganze Zeit über, seit Caewlin sie in diesen Tempel geschleift hatte, wollte sie es ihm schon sagen, doch nie hatte sie die richtigen Worte dafür gefunden und jedes Mal, wenn sie es versucht hatte, war ihre Kehle wie zugeschnürt gewesen. Ich muss es ihm aber sagen. Ich muss. Irgendwann wird er es ohnehin merken und danach fragen, und dann? Sie weiß einfach nicht, was sie tun soll, weiß nicht, was sie sagen soll und ihre Angst, dass er sie wegen all dem, was sie ihm bislang noch nicht erzählt hat, verlassen könnte, dass er sie verachten und wegstoßen könnte, ist so groß, dass sie sich wie ein bleierner Ring um ihr Herz legt. Das würde er nicht tun, versucht sie sich einzureden, aber sicher ist sie sich nicht, ganz und gar nicht. Was soll ein Nordlord mit einer Frau, die nicht einmal das kann? Sie ist doch nutzlos für ihn, selbst wenn er sie liebt. Schweren Herzens und versunken in trübsinnigen Gedanken steht sie schließlich auf, klopft sich den Sand von der Hose und kehrt in den Baum zurück, fest entschlossen, ihm endlich alles zu sagen und auch seine Reaktion zu ertragen, selbst wenn sie noch so schmerzen sollte. Allerdings kommt sie nicht dazu, denn schon auf der Schwelle zum Baum wird sie von der Waldläuferin in Empfang genommen. Blass um die Nase und mit knappen Worten verkündet Niniane, dass Cron mit hohem Fieber im Bett läge und auch die Kinder bereits erste Anzeichen von Fieber und außerdem roten Ausschlag und Pünktchen im Gesicht zeigen würden – die talyrischen Masern haben nun offenbar auch den Baum erreicht.

Da Raven die einzige ist, die als Kind schon Masern gehabt hatte und sich nicht anstecken kann, fällt ihr die Aufgabe zu, sich um die Kranken zu kümmern, zu denen sich am nächsten morgen auch noch ein verquollener, hustender und fieberheißer Caewlin gesellt. Die schwangere Niniane wird kurzerhand im Obergeschoss in Quarantäne verbannt, während sie das untere Zimmer, in dem Caewlin und Raven bislang gewohnt hatten, zu einem Lazarett umfunktioniert wird. Nahezu zwei Siebentage lang wüten die Masern im Baum und in dem abgedunkelten Raum siechen die beiden Nordmänner mit den Kindern um die Wette und Raven hat alle Hände voll zu tun, sie zu verpflegen, kannenweise Tee anzuschleppen, das durchgeschwitzte Bettzeug zu wechseln, Nachttöpfe zu leeren und die Kinder zu unterhalten. Niniane kann den Raum zwar nicht betreten – zumindest befinden sie es allesamt für besser, wenn sie sich der Ansteckungsgefahr nicht aussetzt und den vier Kranken fernbleibt -, doch sie tut, was sie kann, um zu helfen, sorgt für die Mahlzeiten, für Tee und frische Wäsche, Holunderwasser und fiebersenkende Tränke, während Raven wie ein Wiesel durch den Baum flitzt und nicht mehr weiß, wo sie zuerst hinlangen soll. Die Mogbarfrau, die sonst einmal wöchentlich kommt, um die Schmutzwäsche abzuholen und die frisch gewaschene zu bringen, muss während der Masernepidemie sogar täglich antanzen, weil sie Berge von Laken, Leibwäsche und Leintüchern verbrauchen. Niniane schärft ihr ein, alles gut auszukochen, um auch wirklich sämtliche Keime abzutöten, allerdings tut sie das so gründlich, dass die Wäsche mit jedem Mal mehr einzulaufen scheint, wie Raven unmutig feststellen muss. "Möchte nur mal wissen, was diese Frau mit meinen Leibchen anstellt", grunzt sie missmutig, als sie sich nur noch mit Mühe in ihre Wäsche fädeln kann und die oberen Schnürbänder beim besten Willen nicht mehr zubekommt. "Die Dinger scheinen jedes Mal kleiner zu werden." Das Wäscheproblem interessiert im Moment jedoch nur am Rande, denn noch gilt es zwei leidende Männer und zwei quengelnde Kinder zu versorgen. Den Göttern sei Dank verlaufen die Masern im Baum lange nicht so schlimm wie in der Stadt, obwohl es Caewlin und Cron mit hohem Fieber und gewaltigen Brummschädeln doch ziemlich erwischt hatte. Gegen Ende des Sonnenthrons ist dann jedoch alles ausgestanden und nicht mehr das kleinste Tüpfelchen ist in den Gesichtern mehr zu sehen, so dass sie nach ein paar Tagen Ruhe und viel Schlaf fast wieder hergestellt und auf den Beinen sind. Bei den beiden Männern dauert es ein bisschen länger, bis sie sich erholt haben, die Kinder jedoch schütteln die Masern ab wie Hunde ihre Flöhe und kaum dass sie fieberfrei aus ihren Betten gekrabbelt sind, toben sie auch schon wieder durch den Baum.

Irgendwann in der zweiten Woche des Beerenreifs rückt dann aber tatsächlich der Zeitpunkt heran, an dem Caewlin und Raven den Baum verlassen wollen, um endlich in das Haus am Seeufer überzusiedeln. Bereits am Abend vorher ist alles gepackt und im runden Vorraum des Baums stapeln sich vollgestopfte Satteltaschen, Seesäcke, Spielzeugkisten, ein halbes Waffenarsenal und noch alle möglichen anderen Habseligkeiten, die sich während der letzten Monde angesammelt haben. Während Raven das leergeräumte Zimmer, das ihnen so lange ein Zuhause gewesen war, auf letzte Überbleibsel und liegengelassenen Trödel durchforstet, fällt ihr ein fingerlanges, schmales Päckchen in die Hände, das sein Dasein vergessen und unbeachtet auf einer der Fensterbänke gefristet hatte. Nachdenklich starrt sie es eine Weile an, dann löst sie vorsichtig die dünnen Schnüre und wickelt den kleinen, in Leder geschlagenen Gegenstand aus, der sich darin befindet – die zweite Hälfte ihres Elfenfeuers, des kleinen, magischen Talismans, das sie einst von ihrer Mutter auf deren Sterbebett erhalten und später dann dem Druiden gegeben hatte. Das milchweiße Schimmern des Steins ist erloschen, kalt und grau liegt er in ihrer Hand. Es ist nur noch ein Stein. Er bedeutet nichts mehr. Einen langen Moment forscht sie in ihrem Inneren, in Erinnerungen, in ihrem Herzen, doch dort, wo sie sucht, findet sie nichts mehr außer einer dumpfen Leere. Einen Lidschlag lang bleibt ihr Blick noch auf dem Stein liegen, dann lässt sie ihn in die Glut des Kaminfeuers fallen, wo er mit einem leisen Zischen zu Staub zerfällt. Es war mein altes Leben. Und jetzt geht es in ein neues. Mit einem leisen Lächeln geht sie aus dem Raum hinüber in das Kaminzimmer, wo Caewlin, Cron und Niniane mitsamt den Hunden um das knisternde Feuer sitzen. "Ich habe alles gepackt. Von mir aus kann es morgen losgehen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Caewlin am 13. Aug. 2005, 23:53 Uhr
An ihrem letzten Abend im Baum ist Caewlin zum ersten Mal seit zwei Tagen wieder auf den Beinen und fühlt sich, obwohl es ihm eindeutig wieder gut geht, noch ein wenig wackelig auf seinen eigenen Füßen. Die Masern, etwas, das er bis vor kurzem für eine vielleicht nicht gerade lächerliche, aber durchaus harmlose Kinderkrankheit gehalten hatte, hatten ausgerechnet ihn am schlimmsten erwischt. Als Niniane ihm gesagt hatte, Cron und die Kinder wären krank, hatte er nur mit den Schultern gezuckt und ihr versichert, Raven und er würden bleiben und ihr helfen... ha! Am nächsten Morgen hatten die beiden Frauen auch ihn mit Fieber und Ausschlag ins Bett gesteckt, und selbst da hatte er noch Witze gerissen und hochmütig erklärt, es könnten gar nicht die Masern sein, Masern, was sei das schon, er werde schließlich nie krank. Von wegen.
Zwei volle Wochen war er fiebernd und elend ans Bett gefesselt gewesen, schwach wie ein neugeborener Welpe, seine Haut von den Ohren bis zu den Füßen mit rötlichem Ausschlag bedeckt, rau und schuppig wie Echsenleder, und er selbst hustend und mit tränenden Augen. Das Schlucken war eine einzige Qual und schon der Gedanke an Essen hatte ausgereicht, ihm den Magen umzudrehen. Tagelang hatte sein Kopf sich so groß wie eine verfluchte Feuermelone angefühlt und zu schwer, um ihn auch nur vom Kissen zu heben, und zu Anfang war sein Fieber so hoch gestiegen, dass Raven und Niniane sich nicht mehr mit Weidenrindentee und kühlen Wickeln aufgehalten hatten, sondern in den Eiskeller gegangen waren, die gefrorenen Blöcke dort zerhackt und ihn dann in faustgroße Eisscherben gepackt hatten, bis er aufgehört hatte, bei lebendigem Leib zu verglühen. Nach zwei Siebentagen mit abwechselnder Fieberhitze und Schüttelfrost, elenden Kopfschmerzen, Übelkeit, zähem Husten und verschwollenem Gesicht hatte er zum ersten Mal wieder feste Nahrung zu sich genommen und irgendwann war der Ausschlag dann tatsächlich abgeklungen und das Fieber endlich verschwunden. Cron, dem es kaum besser ergangen war, als ihm, hatte wenigstens seinen Humor nicht ganz verloren und versucht, ihn mit krächzender Stimme bei Laune zu halten, während er missmutig Brühe gelöffelt oder die kranken Kinder wie kleine, glühende Wärmequellen links und rechts im Arm gehalten hatte. Wirklich wach war Caewlin kaum gewesen, und das einzige, woran er sich noch vage erinnern kann, wenn er gelegentlich im Fieberrausch zu sich gekommen war, ist Ravens Gesicht, das sich über ihn beugt, die dunklen Augen voller Sorge.

Als die Krankheit abgeklungen und das Fieber endgültig aus seinem Blut verschwunden war, hatte er zwei Tage und Nächte wie ein Toter geschlafen und der Rest seiner Genesung war so verlaufen, wie sie bei jedem Mann verläuft, der sonst immer Herr der Lage und vor allem seines Körpers ist, und sich plötzlich ungewohnt schwach und ganz und gar abhängig von anderen ans Bett gefesselt vorfindet - bis ihm endlich erlaubt worden war, aufzustehen, war er also reizbar, empfindlich, unruhig, mit allem unzufrieden und äußerst übellaunig. Am vierten fieberfreien Morgen hatte Raven es schließlich entnervt aufgegeben, mit ihm darüber zu streiten, ob er schon kräftig genug sei, um aufzustehen und feste Nahrung zu sich zu nehmen und er war tattrig wie ein hundertjähriger Greis, aber ohne Hilfe in die Küche gewankt, und dann ausgehungert wie ein Bär nach der Winterruhe über Ninianes Vorratskammern hergefallen. Er hatte zwei Laibe Brot, ein Duzend Eier, ein Pfund Butter, ein Glas Honig, die ganze Milch und einen halben Schinken zum Frühstück vertilgt und danach -und nach einem langen, heißen Bad und einer Rasur - hatte er sich immerhin schon wieder halbwegs wie ein Mensch gefühlt. Jetzt sitzt er mit Niniane und Cron vor der roten Glut eines schwelenden Kaminfeuers und legt gerade Birkenholzscheite nach, als Raven hereinkommt. Sie hatte Brynden hingelegt, zum letzten Mal in seinem provisorischen Bettchen in dem Raum, den sie seit der Sithechnacht bewohnt hatten, erst zu zweit, dann zu dritt und er blickt auf und sieht sie an, als sie sich in den Sessel fallen lässt, in dem er gesessen war. Die runden, elbischen Sitze sind tief und gewölbt wie Muschelschalen, mit weichen Kissen und Fellen ausgepolstert und bieten selbst Männern von seiner oder Crons Größe bequem Platz. Jetzt ringelt Raven sich darin wie eine Katze zusammen und verkündet. >Ich habe alles gepackt. Von mir aus kann es morgen losgehen.< Er nickt und tauscht einen Blick mit Niniane und dem Tronjer. "Dann ist das unser letzter Abend hier." Kleine Flammenzungen lecken hungrig über hellgraue Birkenrinde, als die Glut wieder Feuer fängt. Caewlin stellt den Schürhaken beiseite, legt noch zwei Scheite nach und steht auf. Raven macht ihm Platz, aber er hält sie fest, lässt sich in den Sessel fallen und zieht sie auf seinen Schoß. "Nein, bleib hier, min koerlighed." So sehr er ins Seehaus zurückkehren will, sich nach den vertrauten Räumen und seinem eigenen Heim sehnt, dieser Baum war ihnen in den letzten Monden so sehr zu einem Zuhause geworden, dass es ihnen beiden auch schwer fällt, zu gehen.

Trotzdem, ihr Entschluss steht fest, ihre Sachen sind gepackt. Morgen früh würden sie ein letztes Mal mit Niniane und Cron ein Morgenmahl halten, die Pferde beladen und sich dann verabschieden. Sie bleiben noch lange am Feuer sitzen und unterhalten sich leise und irgendwann holt Niniane eine Karaffe mit goldgelbem Sommerwein und sie sprechen über die vergangenen Monde, über die bitteren und schönen Augenblicke, ohne dabei wirklich viele Wort zu machen. Schon ein Stichwort genügt, ein kurzer Zwischenruf, um ihnen allen die gleichen Dinge in Erinnerung zu rufen... und Erheiterung oder Wehmut zu wecken. Es ist weit nach Mitternacht, als Raven und er schließlich den Platz am Feuer räumen - Niniane und Cron hatten sich schon vor einer Stunde verabschiedet, doch sie selbst waren noch geblieben und hatten schweigend in die Glut gestarrt, jeder in seinen Gedanken versunken und sich doch nahe, während ihre Hände sich verschlungen, ihre Finger sich verknotet und wieder auseinander gelöst hatten. Raven hatte einmal von ihren Bedenken gesprochen, ins Seehaus zu ziehen, an jenem Morgen nach der Inarinacht, als er sie gefragt hatte, wo sie leben würden, seitdem nie mehr... und damals hatte sie ihre Zweifel selbst zerstreut und ihm versichert, es wäre ihr einerlei. In den letzten Tagen jedoch hatte er manchmal den vagen Eindruck, sie sei sich ihrer Sache längst nicht so sicher, wie sie ihn glauben machen will, auch wenn sie kein Wort darüber verliert. Auch jetzt geht ihr Blick dunkel und nachdenklich ins Feuer, während ihre kleinen Finger sich ruhelos mit seinen verschränken, sich wieder aus ihnen lösen, die Adern auf seinem Handrücken nachfahren, kleine Kreise auf seine Unterarme malen und sich irgendwann unter die Ärmel seines Hemdes schieben, als suche sie dort Zuflucht. Wenn es nicht das Haus ist, das ihr Sorgen macht, scheint irgendetwas anderes sie zu beschäftigen.... und zwar so sehr, dass sie ausnahmsweise nicht mit ihm darüber sprechen will. "Raven." Er nimmt ihr Kinn zwischen seine Finger und zwingt sie sanft, ihn anzusehen. "Du sagst es mir, wenn du irgendetwas auf dem Herzen hast?" Einen Moment lang wirkt sie fast erschrocken, als hätte er sie bei etwas ertappt, aber dann schüttelt sie langsam den Kopf, nur um gleich darauf zu nicken. Sie murmelt etwas von "Ist nicht so wichtig" und schmiegt sich an ihn, doch bevor er weitere Fragen stellen kann, spürt er ihren Atem auf seinem Hals, ihren Mund an seiner Haut und die Veränderung in ihren Berührungen. "Oh. So ist das also... und ich dachte schon, du würdest mich nie mehr für gesund erklären." Ihre einzige Antwort, als sie aufsteht, seine Hand nimmt und ihn mit sich zieht, ist ein perfektes kleines normandisches Schnauben.

Ihr Gemach im Baum ist leer, so leer wie ein Raum mit Möbeln wirken kann - all ihre Habe, die vielen kleinen Dinge, die sich auf Truhen, Kassettenschränken oder den Fenstersimsen gestapelt hatten, sind fort, verpackt in den Taschen und Beuteln, Truhen und Kisten, die sich im Vorraum stapeln. Brynden schnarcht friedlich in seinem Bett, sein Stoffhäschen im Arm, der einzige persönliche Gegenstand im Zimmer, außer einem halboffenen Seesack aus grobem Tuch in einer Ecke, in dem ihre Kleider für Morgen liegen. Mondlicht sickert silbern und fahl durch die blattförmigen Fensterscheiben und in seinem bleichen Schein löst er ihr Haar, lässt es sich einen Moment durch die Finger gleiten und löst dann langsam die Schnüre ihres Hemdes. "So habe ich dich zum ersten Mal nackt gesehen, hier vor diesem Fenster." Ihr Hemd raschelt in die Dunkelheit davon und er öffnet die Verschnürung ihrer Hose und zieht sie näher an sich. "In der Nacht, als du vom Baum des Spaßmachers zurückgekommen bist, weißt du noch?" Seine Finger folgen der Spur aus silbernem Licht um ihre Schultern und er lächelt beim Anblick der Gänsehaut, die seine Berührung hinterlässt. "Du dachtest, ich schlafe und als ich die Augen geöffnet hatte, war es schon zu spät, um mich bemerkbar zu machen. Du hast genau hier gestanden und dich ausgezogen, und das Mondlicht hat dich von Kopf bis Fuß in Silber getaucht." Er hebt sie hoch, und sie strampelt sich die Hose von den Beinen, dann dreht er sich um und stellt sie auf das Bett, was den Größenunterschied zwischen ihnen wenigstens soweit ausgleicht, dass er sie küssen kann. Er zieht sie an sich und sein Mund findet ihren, trinkt von ihr, kostet sie, hungrig, zart, fordernd, sanft und atemlos und nach der langen Zeit der unfreiwilligen Trennung vollkommen ausgehungert. Bis auf ihre Leibwäsche trägt sie nichts mehr, aber als sich ihre Arme um seinen Nacken legen und ihre Brüste sich rund und glatt an ihn drücken, schiebt er sie eine halbe Armlänge von sich, sieht sie einen Moment lang prüfend an, späht grinsend in ihren mondlichtbeschienenen Ausschnitt und hebt dann vielsagend eine Braue. Er hat sie bestimmt seit drei Wochen nicht mehr in Unterwäsche, geschweige denn nackt gesehen - wie auch, schließlich hatte er die letzten Siebentage auf dem Krankenlager verbracht und ein siechender Cron und zwei fiebernde Kinder hatten neben ihm gelegen, während sie bei Niniane geschlafen hatte. Sie folgt seinem Blick, dann löst sie sich von ihm und er könnte schwören, ihre Wangen färben sich rosa. Halb verärgert, halb betreten zupft sie am Saum ihres Leibchens herum, und erklärt aufgebracht, sie könne überhaupt nichts dafür, daran sei nur diese Mogbarwäscherin schuld, die ja alles Leinenzeug hätte auskochen müssen, wegen der Masern. Und sie nuschelt etwas von "eingelaufen" und "zu heißem Wasser".

"Eingelaufen," echot er leise und unterdrückt ein Lachen. "Ah-ja." Er streckt  den Arm aus, hakt einen Finger in den Saum ihrer Wäsche und zieht sie wieder an sich. Die Leibhose wird nur von einem Band um die Hüften gehalten, das Hemd von ein paar Schnüren, die rasch gelöst sind und dann hat er sie endlich nackt und warm in seinen Armen. Ihre Taille ist noch immer so dünn, dass er sie mit zwei Händen hätte umspannen können, hätte er auch noch eine rechte Hand, aber ihre Brüste sind unleugbar voller geworden und ihre schmalen Hüften auch. Sie ist noch immer schlank und zierlich, ohne dabei zerbrechlich oder puppenhaft zu wirken, und daran würde sich vermutlich nie viel ändern, aber was ihn angeht, so gefallen diese neuen Rundungen genauso unleugbar, wie sie vorhanden sind. "Eingelaufen oder nicht, du hast zugenommen, min koerlighed," stellt er fest und küsst sie noch einmal. "Aber meinetwegen mach ruhig weiter damit," schnurrt er dicht an ihrem Ohr, als er ihren Mund freigibt und sich einen Moment von ihr losreißt, um sein eigenes Hemd abzustreifen. "Mehr an dir, zu lieben." Sie rümpft entrüstet ihre Nase, aber in ihren Augen glitzert es, als sie ihn ins Bett zieht und dann ist jede eingelaufene oder nicht eingelaufene Wäsche nicht mehr wichtig. Nichts mehr ist von Bedeutung, außer der weiche, warme Körper in seinen Armen, ihre Haut an seiner, ihr bebendes Fleisch und ihr Verlangen.
Irgendwann sehr viel später, kurz vor dem Einschlafen, spürt er ihren warmen Atem an seinem Hals. Ihr Arm liegt quer über seiner Brust und er fährt mit seinen Fingern die Umrisse der Wundmale auf ihrem Oberschenkel nach, jener Narbe die sie um seinetwillen trägt. Caewlin atmet hörbar ein und legt seine ganze Hand darauf, als könne er die alte Wunde so im Nachhinein schützen. "Ich hätte dich umbringen können," flüstert er und meint es sowohl wörtlich, als auch seine erschrockene Reaktion von damals auf ihr völlig verzweifeltes Flehen, sie lieber zu töten, als sie dem Weißfisch zu überlassen. Sie hebt den Kopf , sieht ihn an und berührt eine der zahllosen Narben, die Whytfisks Eisendorn auf seinem Körper hinterlassen hat. Sie sagt kein Wort, aber ihre Geste und ihr Blick sind Antwort und Frage zugleich. Er beugt sich vor, stützt sich auf den Ellenbogen und sieht auf sie hinunter. Der Mond ist längst untergegangen und in der Dunkelheit kann er nur noch ihre Umrisse erkennen - den schwachen Glanz geöffneter Augen und sanfte Konturen, wo sich das Licht über weichen Kurven sammelt. "Ich weiß, warum du allein zu Whytfisk gegangen bist. Und du weißt, warum ich dir gefolgt bin, Raven." Sie erwidert nichts, aber sie gibt sich ihm mit der gleichen, wortlosen Heftigkeit hin, mit der er sie nimmt.

Der nächste Morgen dämmert feuchtkalt, regenschwer und grau und Brynden kriecht bei Sonnenaufgang zu ihnen ins Bett, wo er sich dann umständlich an Ravens Rücken zusammenrollt und für eine gnädige halbe Stunde noch einmal gönnerhaft die Augen schließt. Sie stehen erst auf, als aus der Küche und dem Esszimmer vernehmliches Geschirrklappern zu hören ist, doch ihr letztes gemeinsames Morgenmahl mit Cron und Niniane verläuft trotz ihrer aller Bemühungen, es leicht zu nehmen, so bedrückt, als zögen sie Tausende von Meilen weit fort und nicht nur eine halbe Wegstunde zu Fuß den Strand hinunter. Die Waldläuferin und der Tronjer trennen sich so ungern von ihnen und Brynden, wie sie den Baum verlassen, dennoch verabschieden sie sich, als der Vormittag fortschreitet und nichts als windverwehte Regenschauer und einen ersten Vorgeschmack von Herbstkühle mit sich bringt, endgültig von ihnen. Sie haben die Pferde gesattelt und schwer beladen, würden also laufen müssen, aber Brynden thront zwischen hochgeschnürten Bündeln, Satteltaschen, Säcken und Beuteln auf dem Rücken von Ravens Braunen, was ihm den Abschied erheblich versüßt: er grinst so triumphierend auf sie alle hinunter, als wäre er der König der ganzen Herzlande. Schließlich ist alles bereit und der Augenblick des Lebewohlsagens da. Niniane winkt Brynden und umarmt Raven und ihn, während Cron sich von seinem Sohn und seiner Frau verabschiedet. Sie drücken Shaerela ein letztes Mal an sich und versprechen, sich so oft es irgend geht blicken zu lassen, dann machen sie sich winkend und lächelnd über die Böschung mit den wilden Erdbeeren und den Strand hinunter auf den Nachhauseweg.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Henry am 16. Aug. 2005, 18:12 Uhr
Der Ritt mit der rossigen Thunderländerstute zum Smaragdstrand wird selbst für Henry, der sein Leben lang mit Pferden zu tun hatte, eine Geduldsprobe. Glücklicherweise wollte Frederik auf Orgas roßsteinischer Fuchsstute mitreiten, so dass er alleine auf Ramsnase volle Bewegungsfreiheit hat. Immer wieder will die kräftige Schwarze, die er als Handpferd mitführt, ausbrechen oder tänzelt auf der Stelle herum, dass Henry nicht nur einmal den Himmel rundherum nach den ersten Zeichen eines Unwetters absucht, aber er kann keine finden.

Wohlweislich nehmen sie den längeren Weg um die Stadtmauern und wie er es von ihr nicht anders kennt, zeigt die Thunderländerin bei den wenigen Hengsten, denen sie begegnen nicht das geringste Interesse, sondern bleibt widerspenstig wie ein bockender Maulesel, wenn nicht gerade ihr Temperament mit ihr durchgehen will und Henry den Strick an seinem Sattelknauf festbinden muss, um nicht von ihr aus dem Sattel gerissen zu werden. Erst als Frederik forsch vorausreitet, versucht sie die Führung zu übernehmen und Henry kann nur erleichtert den Kopf schütteln. Doch trotzdem geht sein Blick immer wieder zum Horizont und er lauscht in die Wälder, denn es musste einen Grund für das so stark veränderte Verhalten der sonst ausgeglichenen Stute geben.

In Höhe des Nordtores überlegt er schon umzukehren, weil sie fast kaum noch zu bändigen ist, doch als sie sich dem Baum der Protektorin auf hundert Schritt genähert haben ist plötzlich der ganze Spuk vorbei und sie trabt brav neben ihm her, als hätte sie seinen Herrn zuvor nicht fast zur Verzweiflung gebracht.  Frederik blickt verwundert zu ihm herüber und fängt dann an zu lachen. "Frauen!" ruft er dem Jungen aufklärend zu und dann entdeckt Frederik den Baumriesen vor ihnen auf der Lichtung und zügelt vor Überraschung sein Pferd. "Ja, er ist gewaltig, der Baum mein Junge... und seine Bewohnerin ein Wesen mit goldenen Augen, ...wie das Licht Shenrahs bei Sonnenuntergang..." Schon als sie sich den mächtigen Wurzeln des Baumriesens nähern hebt die Stute wachsam den Kopf in den Wind und nach einem leisen Schnauben hört man das Wiehern eines Hengstes, der genau weiß, was sich da nähert.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 18. Aug. 2005, 13:14 Uhr
Das "Wesen mit goldenen Augen" steht gerade mit geschürzten Röcken aus ungebleichtem Leinen und einem alten Mieder, was beides schon bessere Tage gesehen hat, im Mittelgang des Pferdestalls und rührt mit einem dicken, langstieligen Stecken in Bottichen mit scharf riechender Beizenbrühe. Da weder Cron, noch sie und erst recht nicht Shaerela es nach dem tränenreichen Abschied von Raven, Caewlin und Brynden am Morgen noch in ihrem plötzlich viel zu leeren, viel zu stillen und viel zu einsamen Baum ausgehalten hatten, hatten sie sich in alle möglichen und unmöglichen Arbeiten gestürzt, und nun sind sie im Stall beschäftigt. Cron putzt Donners lederne Schabracke in der Sattelkammer, deren Bronzebeschläge bei jeder Bewegung leise klirren und verbreitet den Duft von Lederseife und Sattelfett um sich her und sie färbt Leintücher ein. Im linken Bottich schwappt eine Brühe aus Schachtelhalm, Küchenzwiebeln und Eisen, um das Grün dunkler und intensiver werden zu lassen , im rechten kostbarer Indigo und in beiden treiben Leintücher und färben langsam vor sich hin. Außerdem versucht Niniane gerade recht erfolglos, ihre ebenfalls von Kopf bis Fuß bereits grün und blau gesprenkelte Tochter davon abzuhalten, noch eine der neugierigen Junghennen, die immer wieder von draußen hereintrippeln, um nachzusehen, ob nicht irgendwo ein Körnlein abzustauben wäre,  in den Zuber mit ihrer sündhaft teuren Alaun-Indigobeize zu stopfen. Eine ehemals weiße Henne ist bereits zur Hälfte blau und hat empört gackernd die Flucht ergriffen, eine Spur Farbsudklecksereien hinter sich herziehend. "Nein meine Süße, diesen Löffel gibst du schön Mami und jetzt lass endlich das Leinen da in Ruhe! Und die Hühner auch! Shaerela, komm hierher zu mir. Nein, lass das! Mein liebes Fräulein, wenn ich deine kleinen neugierigen Finger noch einmal in meinem Indigosud erwische, dann kannst du was..." weiter kommt sie mit ihrer Standpauke nicht, denn in diesem Moment explodiert Donner in seiner Box am Ende des Ganges. Eben noch hatte der Hengst friedlich dösend und an einem Strohhalm kauend über die Tür seines Stalles geblinzelt, jetzt wirft er den Kopf zurück und nimmt Witterung auf. Er flemt, rollt mit den Augen, bläht die Nüstern, flemt noch einmal und erbebt dann von den Ohren bis zum Schweif. Im nächsten Augenblick macht er seinem Namen alle Ehre und donnert mit den Hufen gegen die Boxentür, dass es Fontänen von Holzsplittern regnet.

"Wa...?" Niniane zieht die Stirn in Falten, tritt ganz instinktiv einen Schritt zurück und nimmt die erschrockene Shaerela auf den Arm. Hätte sie den Hufschlag und die Stimmen draußen gehört, hätte sie sich vielleicht zusammenreimen können, was die Stunde geschlagen hat, aber der Stall hallt inzwischen von Donners Schreien, Anarvendis empörtem Schnauben und dem entsetzten Loskreischen eines verwirrten Kleinkindes wieder. Außerdem bebt das ganze, massive Holzgebäude mit seinem wuchtigen Balken und den geschnitzten Mittelsäulen unter machtvollen Huftritten und einen Herzschlag später zersplittert die hölzerne Tür von Donners Box krachend in ihre Einzelteile, gerade als Cron, aufgeschreckt durch das Spektakel, seinen Kopf aus der Sattelkammer streckt. Er kann sie und Shaerela gerade noch aus dem Weg zerren, dann fliegen die Farbbottiche, umgerannt von einem wiehernd und schnaubend an ihnen vorbeipreschenden Thunderländer, und ein grünblauer Schwall klatscht durch den Mittelgang und färbt den staubigen Boden. Anarvendis tänzelt verschreckt in ihrer Box umher, macht aber keine Anstalten, es Donner gleichzutun, und so stürzen Cron und sie selbst mit der weinenden Shaerela auf dem Arm verwirrt hinaus, um nachzusehen, warum sich der sonst zwar ebenfalls temperamentvolle, aber eigentlich recht umgängliche Hengst auf einmal in ein unberechenbares Höllenross verwandelt hat. Des Rätsels Lösung steht im trüben Tageslicht mitten auf der Lichtung vor dem Stall und zwar in Gestalt eines jungen Knirpses auf einem Pferd und Henry von Rossstein, der eine offenbar rossige Thunderländerstute als Handpferd bei sich hat - das heißt hatte, denn er wird sie in dem Moment los, als Donner auf ihn zustürmt. Die schwarze, langmähnige Schönheit des roßsteinschen Pferdehofes pfeift augenblicklich auf Gehorsam und Halfterführigkeit, wirft den Kopf zurück, zerrt sich aus dem Führstrick, der glücklicherweise nachgibt, und brennt durch. Sehr weit kommt sie allerdings nicht und will sie offensichtlich auch gar nicht kommen, denn am Ende der Lichtung bleibt sie stehen und gleich darauf hat Donner sie eingeholt. Dann ist er über ihr, auf ihr, in ihr, verbeißt sich in ihren gewölbten Hals, ein einziges schimmerndes, fließendes Spiel glänzenden, mitternachtsschwarzen Fells, wogender Mähnen, zitternder Muskeln mächtiger Leiber und bebender Flanken.

Niniane tauscht einen Blick mit Cron, der kopfschüttelnd seinem abhanden gekommenen Pferd nachblickt und drückt ihm Shaerela in den Arm, die immer noch kreischt wie eine verbrühte Katze, damit er sie beruhigt und sie ihren Besuch begrüßen kann. Sie hatte noch nie persönlich mit Henry von Rossstein zu tun, aber sie kennt ihn vom Sehen, von kurzen, flüchtigen Begegnungen auf dem ein oder anderen Festmahl in der Stadthalle. Persönlich waren sie einander noch nicht vorgestellt worden, aber jetzt tritt sie auf ihn zu und wischt sich die blaugrünfleckigen Finger an ihren nicht minder blaugrünfleckigen Röcken ab. "Henry von Rossstein, nehme ich an," sie nickt lächelnd zu ihm hinauf und mustert den Mann, der vor ihr aus dem Sattel steigt. Ein kräftiger Mann mittleren Alters mit hellbraunem Haar und einem glatten und doch wettergegerbten Gesicht hat, als verbringe er jeden möglichen Augenblick im Freien. Um seine wasserblauen Augen zeigen sich unzählige Lachfältchen, aber auch tiefer Kummer scheint sich in die Linien um Mund und Stirn eingegraben zu haben... und sie weiß warum. Seine Frau... Orga... Borgil hat es auf dem Inarifestmahl erwähnt...  "S'leja, willkommen an meinem Baum." Sie reicht ihm die Hand nach Art der Menschen und spürt einen warmen, kräftigen Händedruck. "Falls Ihr hergekommen seid, um Eure Stute decken zu lassen," sie nickt zu den Pferden hinüber, die am Ende der Lichtung fröhlich ihrer Lust frönen und sämtliche Menschen vollkommen vergessen haben, "herzlichen Glückwunsch, die Sache könnt Ihr wohl als erledigt ansehen." Aus ihrem Lächeln wird ein Grinsen, aber als sie es merkt, bemüht sie sich sehr darum, es nicht allzu katzenhaft aussehen zu lassen (was ihr bestimmt wieder nicht gelingt). Dann jedoch wird sie schlagartig ernst. "Mein Beileid zum Tod Eurer Frau," fährt sie leise fort. "Wir haben auf dem Inarifest davon gehört. Ich hatte leider nie Gelegenheit, Eure Gemahlin persönlich kennen zu lernen, aber ich habe viel von ihr gehört."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Henry am 19. Aug. 2005, 11:13 Uhr
Henry lenkt Ramsnase näher zu dem Baumriesen, dessen riesige Krone sich weit über die Lichtung spannt und wenn er auf Gerüchte auch nicht viel gibt, dass dieser Baum etwas Besonderes ist, das  spürt er, als er sich ihm nähert. Frederik reitet neben ihm und als sie schon fast bei den riesigen Wurzeln sind, flattert aus der offenstehenden Türe des Stalles aufgeregt ein Huhn heraus, was ja nicht weiter ungewöhnlich wäre, wenn es nicht gerade bis zu den Flügelspitzen hin in reinstem Blau schimmern würde. Noch grübelnd, was das zu bedeuten hat vernimmt Henry, außer dem Wiehern, Geräusche, die sich gar nicht gut anhören. Ohje! Zurück zu reiten ist zu spät und er überlegt gerade, ob er schnell in den fremden Stall reiten soll, um zu versuchen, den Hengst zu beruhigen, der so stürmisch auf seine rossige Stute reagiert, da hört er verängstigtes Kinderweinen und kurz darauf den Lärm berstenden Holzes, dass Henry den Kopf einzieht und am liebsten noch die Augen schließen würde.  Das Prachtemxemplar von Hengst zu bewundern, das kurz darauf aus dem Stall herausstürmt, dazu kommt Henry nicht, denn seine mitgeführte Stute nimmt Reißaus und Henry kann nur noch zwei Thunderländern nachblicken, die sich in einer Wildheit, wie er es bei Pferden noch nicht erlebt hat, der Erhaltung ihrer Art hingeben.
Henry sitzt wie angewurzelt auf Ramsnase, das Kinderweinen beunruhigt ihn zutiefst, doch im nächsten Moment erscheint zu seiner Erleichterung das verängstigte Kind auf den Armen seiner Mutter und der Nordmann, den er schon einmal in der Stadthalle gesehen hat und an dessen Namen er sich sogar wieder erinnert, der seinerzeit mit einigen anderen Namen in Talyra in aller Munde war. Cron von Tronje! Der Nordmann, der mit in die Schlacht gegen die Narge gezogen ist... Henry starrt zum Eingang des Stalles. Das Mädchen ist mit dem gleichen Blau besprenkelt, wie das Huhn und der Rock seiner Mutter und dann kommt hinter der kleinen Familie langsam über das Holz des Stallbodens eine Brühe herausgeflossen. Auch das noch! denkt er zerknirscht. Was für ein Tag... Henry hat sich nie mit dem Färben beschäftigt, aber dass das Färbewasser ist, das erkennt auch er.

"Henry von Rossstein, nehme ich an," hört er die Worte der Baumherrin und wird sich bewusst, dass er noch immer wie festgeklebt auf dem Sattel sitzt. Henry steigt vom Pferd, verneigt sich höflich und drückt behutsam die ihm zum Gruß dargebotene Hand. "Ja, ich bin Henry und das ist Frederik ...von Dorsten." Er legt dem Jungen, der von seinen Eltern offensichtlich wohlerzogen, schon längst vom Pferd herunter ist, die Linke auf die Schulter. "Verzeiht, dass ich solch eine Aufregung mit meinem Kommen verursacht habe." Henry sucht noch nach weiteren Worten, aber die goldenen Augen irritieren ihn. "S'leja, willkommen an meinem Baum." Henry ist  überrascht, mit welcher Gelassenheit er bei der Aufregung empfangen wird und nach einem schnellen prüfenden Blick zum Nordmann und einem grüßenden Nicken wendet er sich wieder der Protektorin zu. "Ich danke euch." Eine leichte Verbeugung begleitet erneut seine Worte. "Falls Ihr hergekommen seid, um Eure Stute decken zu lassen," Henry fühlt sich irgendwie ertappt, "herzlichen Glückwunsch, die Sache könnt Ihr wohl als erledigt ansehen."

Das eindeutige amüsierte Lächeln, das die Worte begleitet lässt Henry die Sache auch etwas entspannter sehen und beim Anblick der beiden Thunderländer kann er nur bestätigend nicken, wenn ihm das "Wie" auch mehr als peinlich ist, denn normalerweise wird soetwas vorher unter den Besitzern abgesprochen und auch ein Preis dafür ausgehandelt, denn je edeler der Hengst, um so teurer das Decken. Doch bevor er diesen Punkt erwähnen kann hört er die leise gesprochene Anteilnahme. Henry sollte sich daran gewöhnt haben, aber in diesem Augenblick ist er einfach nicht darauf vorbereitet. "Wir haben auf dem Inarifest davon gehört. Ich hatte leider nie Gelegenheit, Eure Gemahlin persönlich kennen zu lernen, aber ich habe viel von ihr gehört." Henry schluckt hart und presst ein "Danke!" heraus. Er vermag in den goldenen Augen nicht zu lesen, aber das Mitgefühl, das ihm entgegengebracht wird ist echt. "Sie hat mir eine Tochter geschenkt." Henry wundert sich, warum er gerade das sagt, aber die Worte treffen genau den Punkt. Orga, hätte sie sich Morgana anvertraut, wie empfindlich ihr Leib nach dem Sturz offensichtlich noch immer war, die Heilerin hätte ihr Leben sicher frühzeitig retten können, aber dann wäre Mara nicht geboren. Henry rollt den Strick in seiner Hand zusammen, der, wissen die Götter wie, sich von der Thunderländerin gelöst hat und schafft es, seine Gedanken und Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. - Es galt, zwei heißblütige Thunderländer wieder einzufangen...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 20. Aug. 2005, 21:22 Uhr
Cron starrt mit erhobenen Brauen auf das Pferdespektakel am anderen Ende der Lichtung, tätschelt Shaerela den kleinen Rücken, die sich jammernd an ihn klammert und ihre Fäuste in seinem Haar vergraben hat und tritt dann zu Niniane und Henry von Rossstein, der eben aus dem Sattel steigt, während er seiner Tochter in den Nacken pustet, bis aus ihrem Weinen ein tränenverschmiertes Glucksen geworden ist und sie einen vorsichtigen Blick auf die Neuankömmlinge riskiert... vor allem den Jungen, den Henry als Frederik von Dorsten vorstellt, mustert sie eingehend. Den Beileidswünschen seiner Frau kann Cron sich nur anschließen, auch wenn deutlich zu sehen und in seinem knappen >Danke!< auch zu hören ist, dass die Worte den Mann vor ihnen ziemlich treffen. Niniane hatte sicher nicht beabsichtigt, an alten Wunden zu rühren oder Henry aus der Fassung zu bringen, aber die Worte sind gesprochen und lassen sich nicht zurücknehmen... und sie waren durchaus aufrichtig gemeint. Cron erwidert Henrys Nicken, hat aber gerade einfach keine Hand frei, die er ihm reichen könnte und lächelt entschuldigend. "Schön zu hören, dass mit Eurer Tochter ein Teil Eurer Frau in dieser Welt geblieben ist. Ich hoffe, der Kleinen geht es gut?" Er verlagert Shaerela auf den linken Arm, um die Rechte freizubekommen und bemerkt, dass Henry wohl auch wegen der ganzen unwirklichen Situation peinlich berührt ist... als wäre er an diesem kurzzeitigen Chaos schuld. "Macht Euch bitte keine Gedanken... Ihr könnt schließlich nichts dafür, dass mein missratener Mistgaul auf einmal seine Raubrittermanieren hervorholt und meine Frau den Stall ausgerechnet heute in eine Färberküche verwandelt hat. Das kann man alles aufwischen und die Tür repariere ich morgen. Aber kommt doch herein mit Eurem Jungen und trinkt eine Tasse Cofea mit uns. Eure Stute könnt Ihr wohl getrost noch ein wenig Donner überlassen..." Er nickt in Richtung der Pferde hinüber, die sich inzwischen getrennt haben. Die Stute galoppiert wiehernd in die eine, Donner schnaubend in die andere Richtung, aber schon nach zwanzig Schritt kehren beide um, traben zurück, reiben die Köpfe aneinander und beschnuppern sich ausgiebig.

"Sie laufen nicht fort. Kein Pferd der Welt würde sich von dieser Lichtung entfernen, solange Niniane es nicht erlaubt und im Augenblick bekommen wir Donner ohnehin nicht von Eurer Stute fort, fürchte ich. Über einen Deckpreis können wir auch drinnen verhandeln, bei Cofea und Honigkuchen bestimmt besser als hier. Außerdem regnet es gleich wieder." Seine Augen werden schmal, als er die beiden Pferde mustert und die roßsteinsche Stute zum ersten Mal genauer ansieht. Einen Moment lang beobachtet er sie, dann pfeift er leise und vollkommen verblüfft durch die Zähne. Vergessen sind Cofea, Honigkuchen oder drohende Regenwolken. "Das ist eine reinrassige Thunderländerstute oder ich bin ein Zwerg... und ein Prachtmädel dazu. Wo habt Ihr die herbekommen? Soweit ich weiß, züchten nur die Wagenfahrer Thunderlands solche Pferde und wenn sie überhaupt welche davon verkaufen, dann nur gelegte Hengste... Donner war ein Geschenk..." Niniane verdreht grinsend die Augen, denn sie weiß offensichtlich genau, was jetzt droht und nimmt ihm Shaerela ab, während er fasziniert die Tiere beobachtet und sich gleich darauf mit Henry von Rossstein in Pferdefachsimpeleien ergeht. Der Mann erzählt ein wenig von seiner Zucht schwerer Pferde, die er im Auftrag des Lord Commanders auf die Beine gestellt hat und er plaudert im Gegenzug über Donner. Der Hengst ist jetzt neun Jahre alt, gut ausgebildet, temperamentvoll, aber willig, in der Schlacht absolut unerschütterlich, wendig, kräftig und hervorragend zu reiten. Nach einer halben Stunde - Niniane hatte die Kinder mitgenommen und im Stall die gröbste Sauerei beseitigt, die rosssteinschen Reitpferde im Schutz der gewaltigen Baumwurzeln angepflockt und ihnen einen Armvoll Heu hingeworfen, und inzwischen regnet es tatsächlich - lassen sich auch Donner und die Stute wieder anlocken und Halfter anlegen, so lammfromm wie zwei alte Zelter. Beide Pferde geben ein zufriedenes Kollern von sich und trennen sich nur ungern, aber immerhin, Donner lässt sich in seine Box bringen und die Stute zu den beiden Reitpferden am Baum, durch dessen dichtes Laubdach kaum ein Tropfen dringt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Henry am 22. Aug. 2005, 10:47 Uhr
Als der Nordmann mit seiner Tochter zu ihnen tritt erkennt Henry erst, wie groß dieser Mann ist. Henry selber ist wirklich nicht klein und schmächtig, aber er muss bei ihm sogar den Kopf etwas anheben, um ihm in die Augen sehen zu können. "Schön zu hören, dass mit Eurer Tochter ein Teil Eurer Frau in dieser Welt geblieben ist. Ich hoffe, der Kleinen geht es gut.“ Henry nickt  mit einem warmen Lächeln bei dem Gedanken an seine Tochter. „Danke, Mara wächst und gedeiht gut. Den Göttern sei Dank,  haben uns die Masern nicht erreicht. Sie ist noch so klein.“ Henry ist sich sicher, dass sie seine Sorge verstehen und sein Blick wandert zu dem kleinen Mädchen in den Armen des Tronjers. Die Kleine schaut ihn aus noch tränennassen goldenen Äuglein an und Henry tut es unendlich leid, dass sein Kommen solche Tränen verursacht hat. "Macht Euch bitte keine Gedanken... Ihr könnt schließlich nichts dafür, dass mein missratener Mistgaul auf einmal seine Raubrittermanieren hervorholt und meine Frau den Stall ausgerechnet heute in eine Färberküche verwandelt hat. Das kann man alles aufwischen und die Tür repariere ich morgen. Aber kommt doch herein mit Eurem Jungen und trinkt eine Tasse Cofea mit uns. Eure Stute könnt Ihr wohl getrost noch ein wenig Donner überlassen...

Die beruhigenden Worte des Nordmannes, seine besonnene Art, die Henry sehr angenehm ist und die Einladung zu dem Gebräu, das schon manchen gut betuchten Bürger in Talyra fast umgebracht haben soll, lassen Henry sich wieder wohler in seiner Haut fühlen, auch wenn er seinen Anteil an dem Geschehen wohl erkennt. Frederik an seiner Seite scheint nur noch Augen für das  kleine Mädchen zu haben und Henry schmunzelt in sich hinein, während er die Einladung des Tronjers dankend annimmt, aber dabei doch einem nachdenklichen Blick zu den kostbaren Thunderländern wirft.  "Sie laufen nicht fort. Kein Pferd der Welt würde sich von dieser Lichtung entfernen, solange Niniane es nicht erlaubt und im Augenblick bekommen wir Donner ohnehin nicht von Eurer Stute fort, fürchte ich. Über einen Deckpreis können wir auch drinnen verhandeln, bei Cofea und Honigkuchen bestimmt besser als hier. Außerdem regnet es gleich wieder." Er stellt die Worte des Nordmannes nicht in Frage und in Henrys Lächeln liegt eine Mischung aus Be- und Verwunderung. Er hatte in den vielen Jahren, die er in Talyra nun schon lebt, hier und da gehört, was man von der Bewohnerin des Baumriesen am Smaragdstrand erzählt, aber selber hier unter der Krone des Baumes zu stehen und "sie" und diesen Ort zu erleben ist etwas anderes.

Henry knüpft die Satteltasche von Ramsnases Rücken, in der die goldgefüllten Ledersäckchen für das Decken der Schwarzen verstaut sind und wirft sie sich über die Schulter, doch als der Blick des Tronjers noch einmal auf seine schwarze Stute fällt, kommt es anders als geplant. Henry nickt Frederik unmerklich zu, als der Junge von Mutter und Töchterlein zum Baum „entführt“ wird. Die Füße des Jungen konnten seit dem Wort Honigkuchen schon nicht mehr stille stehen, dann ist Henry in seinem Element. Die beiden Männer unterhalten sich über Pferde, Rassen und über die Zucht und Henry hört einiges über Pferderassen, deren Namen er nicht einmal kennt. "Das ist eine reinrassige Thunderländerstute oder ich bin ein Zwerg... und ein Prachtmädel dazu. Wo habt Ihr die herbekommen? Soweit ich weiß, züchten nur die Wagenfahrer Thunderlands solche Pferde und wenn sie überhaupt welche davon verkaufen, dann nur gelegte Hengste... Donner war ein Geschenk..."
„Sie ist ebenfalls ein Geschenk, aber eher des Himmels...,“ antwortet Henry ernst werdend und als eine Augenbraue des Tronjers in die Höhe wandert lüftet Henry ein gut gehütetes Geheimnis des Pferdehofes.  „Vielleicht sagt euch  „Gillhann...“ etwas, Silben die ein alter und gutgekleideter Reiter im Sterben aussprach, der vor vielen Jahren mit dem ersten Schnee, von unzähligen Wunden bedeckt, auf seinem ebenso verletzten Thunderländerhengst quer über die Heuwiese aus Westen auf den Pferdehof trottete. Sein Wappenrock war so zerfetzt, dass man das Bild darauf nicht mehr erkennen konnte. Die Stute,“ Henry zeigt mit einer Kopfbewegung zu seiner Schwarzen, „war mit einem starken Lederriemen an seinen Sattel gebunden. Der Wappenrock und das kostbare Zaumzeug liegen seither in einer Truhe auf dem Pferdehof, für den Fall, dass doch noch jemand nach ihm fragen sollte. Damals habe ich zum ersten Mal Abbildungen von Thunderländern in der Bibliothek gesehen, als ich wissen wollte, welcher Rasse die edlen Tiere angehören, wenn sie auch in einem schrecklichen Zustand waren.“ Henry seufzt. „Der Hengst starb kurz nach seinem Herrn. Er war nicht mehr zu retten.“  Henry wischt sich mit dem Ärmel über das Gesicht, denn kaum hat er geendet, fällt ein riesiger Tropfen genau auf seine Nasenspitze. "Getroffen!" meint er lachend und blickt nach oben in das Geäst über ihm. "Das ist die einzige Stelle in meinem Gesicht, die nicht von meiner Mütze geschützt ist."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 25. Aug. 2005, 21:39 Uhr
Am Tag vor dem Kräuterkatenknall


Niniane hat den Jungen - Frederik, ein vollendeter kleiner Edelmann im Übrigen, der nicht nur weiß, was sich gehört, sondern geradezu rührend um eine absolut ernsthaft wirkende Ritterlichkeit bemüht ist - und ihre Tochter nach einer raschen Katzenwäsche im Stallgang mit in den Baum genommen und die Männer ihren Pferdeflüstereien überlassen. Frederik sieht sich mit großen Augen in ihrem Haus um, in dem ihm vermutlich vieles abenteuerlich und fremd erscheint, und folgt ihr nach dem erstaunten Ausruf Ist das eine Zaubertür?! in die Küche, wo sie den Herd neu anschürt, Wasser aufsetzt und dann den Honigkuchen aus der Speisekammer holt und anschneidet. Die Eingangstür war wie immer von selbst aufgeschwungen. "Ja, es ist eine Art... Zaubertür. Und nicht die einzige in diesem Haus. Sieh dich ruhig um, er hat nichts dagegen. Der Baum, meine ich. Und danke für deine Hilfe im Stall oben. Es war sehr nett, dass du auf Shaerela aufgepasst hast. Hier." Sie reicht ihm einen grünglasierten Teller in Form eines Lindenblattes mit einem extra dicken Stück Honigkuchen darauf. "Setz dich doch damit an den großen Tisch im Esszimmer, ich komme gleich nach. Magst du Mandelmilch?"
Natürlich mag er und fünf Minuten später sitzen beide Kinder am Tisch, essen Kuchen und trinken warme Mandelmilch, während sie darauf wartet, dass der Cofea durch den provisorischen Gazefilter läuft. Im Augenblick gluckert er nur vielversprechend in der gewärmten Kanne und sein Duft verbreitet sich verführerisch in Küche und Esszimmer. Wenn diese Cofeavorliebe noch länger anhält, muss ich in die Tausendwinkelgassen und mir bei einem gut sortierten Händler für Alchemistenbedarf einen ordentlichen Filter besorgen... Frederik staunt immer noch über den Baum und kaum ist das erste Kuchenstück verdrückt, hält es ihn nicht mehr auf dem Stuhl und er sieht sich um: die Orchideen in ihren Moospolstern, an den Wänden, die blattförmigen, bleigefassten Fenster, das lebendige Holz der Wände, das ihm ein kleines Kichern entlockt, als er seine flache Hand darauf legt und so die Wärme darin spürt, alle Möbel, die entweder aus den Wänden selbst herauswachsen sind oder aber so ungewöhnlich und verschnörkelt aussehen, als wären sie es, die fremdartigen, verschlungenen elbischen Formen und Muster... einfach alles.

Dann aber wird er von Shaerelas Kulleraugen "überredet", die Spielkiste auszuleeren und die beiden Kinder sitzen trotz ihres Altersunterschiedes - Frederik ist, wie er stolz verkündet hat, immerhin schon sieben - in friedlicher Eintracht im Kaminzimmer und beschäftigen sich mit einem bunten Sammelsurium von geschnitzten Figuren: Rittern, Pferden, winzig kleinen, detaillierten Holzminiaturen von Schafen, Ziegen, Rindern, sogar bunte Marktstände und kleine Holzkarren gibt es, an die man mit Schnüren aus Woll- und Lederresten Ochsen oder Esel spannen kann. Als der Cofea fertig aufgebrüht und der Tisch gedeckt ist - wie alles Geschirr im Baum sind auch die Teller blattförmig  und die Tassen gleichen ein wenig runden Blütenkelchen  treibt der Regen die Männer doch in den Baum. Die Pferde hatten sich offenbar einfangen lassen und sind versorgt, aber das Gespräch Crons und Henrys dreht sich nach wie vor um Thunderländer, Stammbäume, gute Gänge, Körperbau und Fell und was man alles nach einschlägiger Fachmeinung allein am Auge der Tiere erkennen könne und so fort. Sie kommen herein und Henry sieht sich mindestens so erstaunt um wie Frederik, auch wenn er sich weit besser in der Gewalt hat, als sein vorwitziger Ziehsohn. Niniane unterdrückt ein Grinsen... hätte ihr Baum so etwas wie ein Gesicht, hätte er jetzt wohl sehr selbstzufrieden dreingeblickt. Alter Angeber. "Kommt, der Cofea ist bereit, die Kinder spielen im Kaminzimmer und der Honigkuchen ist sogar genießbar, obwohl ich ihn gebacken habe.... und das will etwas heißen." Sie legt den Kopf leicht schräg und sieht Henry mit einem Schulterzucken an. "Ich bin leider eine miserable Zuckerbäckerin... " Mittlerweile im fünften Mond schwanger sieht man ihr davon zwar äußerlich noch nicht viel an, aber in ihrem Leib macht sich das Baby bereits eifrig bemerkbar - und im Augenblick tritt es um sich, als wolle es die Ringkampfmeisterschaften von Laigin gewinnen. Die Männer lassen sich am Tisch nieder, immer noch bei ihren Pferden, und Niniane bringt ihnen Cofea, Kuchen, kostbaren Zucker und ein Kännchen Sahne und rät Henry, das exotische schwarze Gebräu, wenn er es versuchen möchte, lieber nicht blank zu trinken. "Ansonsten kann ich Euch aber auch Tee anbieten. Jasmintee vielleicht?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 25. Aug. 2005, 23:42 Uhr
"Gillhann?" Echot Cron, während er Henry ins Innere des Baumes führt, wo der Roßsteiner sich neugierig umblickt. Der stets gegenwärtige Geruch von Sandelholz, teurem Ambra und Pflaumenblüten umfängt sie und Cron lässt ihrem Gast einen Moment Zeit und erinnert sich noch gut daran, wie er sich gefühlt hat, als er dieses ungewöhnliche Haus zum ersten Mal betreten hatte...  "Nein, Gillhann, das sagt mir überhaupt nichts." Er schüttelt nachdenklich den Kopf und lässt Henry ins Esszimmer vorangehen, wo Niniane sie bereits erwartet. Ihre Unterhaltung wird kurz unterbrochen, aber kaum sind sie mit Cofea, Tee und Kuchen versorgt, dreht sich ihr Gespräch weiter um Thunderländer und vor allem um die Stute, die Henry praktisch zugelaufen und nach dem Tod des geheimnisvollen Fremden von ihm aufgepäppelt worden war. "Vermutlich war der Mann selbst aus Thunderland und gehörte zu den Wagenfahrern..." überlegt Cron zwischen zwei Schlucken Cofea, "oder aber er war ein Dieb und hatte die Tiere gestohlen und die Wagenfahrer haben ihn so zugerichtet... dann ist er aber wirklich weit gekommen. Thunderland liegt wie weit von hier? Dreitausend Tausendschritt?... Unwahrscheinlich, dass er schwer verwundet soweit gekommen ist, er wird also wohl selbst aus Tunderland gewesen sein... ich kann es mir jedenfalls nicht anders erklären. Und wie immer die Umstände gewesen waren, die ihn bis in die Herzlande und auf Euren Hof geführt haben, sie haben Euch ein wunderbares Tier eingebracht. Wahrscheinlich hält man ihn in seiner Heimat lange für Tod und Thunderland ist zu weit fort, als dass man ihn bis in die Herzlande hinein gesucht hätte, selbst wenn man ihn dort vermisst hat. Wahrscheinlicher ist wohl, dass er ein Söldner oder fahrender Ritter und in irgendein Grenzscharmützel in der Nähe verwickelt gewesen war. Wie auch immer, die Stute ist wirklich erstklassig... und wenn das Decken erfolgreich war, wird das ein hervorragendes Fohlen." Die nächsten Stunden vergehen mit allerlei Gesprächen über Pferde und alles, was mit ihnen zu tun hat, aber hin und wieder schweifen sie auch ab und unterhalten sich über dies und jenes, Götter und Roha, Talyra, Kinder, Bäume als Behausungen und Henry erzählt von seinem "Nordischen Langhaus" das Galrin Ragnarsson ihm erbaut habe. "Hmpf," schnaubt Cron den typisch normandischen Allerweltslaut hervor, in den man alles hineinlesen kann, von Erheiterung bis Zorn... "Ein Langhaus, soso. Wenn ich darf würde ich mir das bei Gelegenheit gern einmal ansehen... Ragnarsson jedenfalls, ich weiß nicht, ob Ihr es schon gehört habt, ist zur Zeit mit der Windkind unterwegs nach Norden. Nach Gronaland um genau zu sein... er will unbedingt das sagenhafte Eisland erforschen, wissen die Götter, warum er sich derart den Hintern abfrieren will, aber das ist wirklich seine Sache. Ich hoffe nur, er fällt über dem Nebelmeer nicht einfach wie ein Stein vom Himmel."

Cron schüttelt sich, als wolle er die trüben Gedanken vertreiben und nimmt sich noch ein Stück Kuchen. "Ich weiß nicht, was du hast, Cariad, der schmeckt ausgezeichnet. Miserable Zuckerbäckerin, von wegen... glaubt ihr einfach kein Wort," fügt er an Henry gewandt hinzu. Er unterdrückt ein Grinsen, den Mund voller Kuchen und während Niniane sich mit den Kindern beschäftigt und Frederik den Rest des Baumes zeigt, unterhält er sich mit Henry. Vom Honigkuchen ist irgendwann nicht mehr ein Krümel übrig und der graue Regen draußen wächst sich zu einer derartigen Sintflut aus, dass kurzerhand beschlossen wird, die Cofeagesellschaft noch über ein Nachtmahl auszudehnen. Er bringt die rossteinschen Pferde, also Henrys Ramsnase, die schlanke Fuchsstute und die Thunderländerin in den Stall hinauf, wo leicht genug Platz ist und die Tiere im Trockenen stehen, und tränkt und füttert gleich allesamt. Der Regen rauscht so schwer und heftig herab, dass er selbst die wenigen Schritt bis zum Stall hinauf und zurück so nass wird, dass er sich umkleiden muss, weil ihm das Wasser in Bächen aus Haaren und Kleidung rinnt und er überall wo er geht und steht wahre Seen hinterlässt. Als er frische - und vor allem trockene - Kleider anhat und mit einem Handtuch um den Nacken und noch leicht feuchtem Haar wieder aus dem Schlafgemach unter der gewaltigen Baumkrone herunter kommt, sitzt Henry im Kaminzimmer und liest beiden Kindern aus einem alten und mit farbenprächtigen Illustrationen versehenen Buch uralte Koboldslegenden vor. Shaerela sitzt auf seinem Schoß, Frederik hat sich neben ihn in den Elbensessel gekuschelt und beide lauschen ihm gebannt und mit großen Augen, während Nan in der Küche ein Nachtmahl vorbereitet. Er geht ihr zur Hand und schneidet ein übriges Bratenstück vom Mittagsmahl in Scheiben und zerlegt ein gebratenes Hühnchen mit einer Füllung aus gebackenem Brot und Pilzen. "Es regnet, dass selbst Frösche ertrinken würden, Cariad. Ich würde sagen, wir laden Henry und den Jungen ein, über Nacht zu bleiben... bei diesem Wetter lasse ich niemanden vor die Tür, ein Kind schon gar nicht, was meinst du?"
Da ihr Gästezimmer leer steht und die Gesellschaft mehr als nett ist, hat Niniane nicht das Geringste einzuwenden, im Gegenteil, also überzeugen sie Henry davon, dass er unbedingt im Baum zu Gast bleiben muss und verbringen den völlig verregneten Abend, nachdem die Kinder in ihren Betten liegen - Frederik hat das kleine Gästebett bezogen, auf dem schon Brynden in den vergangenen Wochen geschlafen hatte - mit einer Karaffe Sommerwein und allerlei Gesprächen aus ihrer aller Vergangenheit und ihrem Leben in Talyra am Feuer.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Henry am 26. Aug. 2005, 14:10 Uhr
Die Thunderländerstute steht bald bei Ramsnase und Orgas Stute zwischen den mächtigen Wurzeln des Baumes, der Hengst kommt wieder in den Stall, und da der Regen an Stärke zunimmt, gehen die beiden Männer zum Eingang des Baumes. Henry scheut sich fast auf die moosbewachsenen Stufen zu steigen, wenn man die Gebilde so bezeichnen will, aber das Gefühl, das ihn überkommt, als er in den Baum tritt, ist noch unbeschreiblicher; als wenn sich eine Tür in eine andere Welt öffnet, die sich dazu eigenartig lebendig anfühlt. Es ist lebender Baum an einem Stück....sagt er sich, kein totes Holz, Latte an Latte und so empfindet er es auch. Das Holz innen ist glatt, ohne Fugen, ohne Ritzen und Henry erkennt in dem Duft, der ihn dezent empfängt und einhüllt, den von Sandelholz heraus, den der blumigen Note vermag er nicht zu bestimmen. Aber noch ein anderer interessanter Duft, würzig und belebend, etwas Gebrautes, zieht durch die Räume und weckt Henrys Neugierde. >"Nein, Gillhann, das sagt mir überhaupt nichts."< Die Worte des Nordmannes holen ihn ein Stück weit wieder aus seinem Staunen, denn ganz schaffen sie es nicht. >"Kommt, der Cofea ist bereit, die Kinder spielen im Kaminzimmer und der Honigkuchen ist sogar genießbar, obwohl ich ihn gebacken habe.... und das will etwas heißen."< Die Worte Ninianes, der Frau mit den für Henry noch immer irritierenden goldenen Augen, rufen sie in ein Esszimmer, in dem Henry sicher die Überraschung ins Gesicht geschrieben steht. Er hatte vor nicht allzulanger Zeit bei einer Begegnung mit Ancoron den Wunsch empfunden, mehr über Elben zu erfahren und nun steht er in einem Heim, das wohl elbischer nicht sein kann. Die anmutigen Möbel, alle sind in solch einer Harmonie in Form und Farbe mit den Wänden, dem Boden und selbst mit der Decke verwoben, dass er zutiefst angetan ist von ihrer natürlichen Schönheit und der teilweise verspielten Anmut der Formen.  

Ein warmes Lächeln huscht bei der Bemerkung der Baumherrin über die Qualität des Kuchens und den Künsten als Zuckerbäckerin über Henrys Gesicht, doch sein Blick sagt deutlich, dass er ihr das nicht glaubt. Der Duft von Cofea zieht bald Henrys ganze Aufmerksamkeit auf sich und er entscheidet sich, dieses viel gelobte und gefürchtete Gebräu zu probieren, mit etwas Sahne und Zucker. Nur vorsichtig, Schluck für Schluck trinkt er davon und stürzt es nicht, einer Eingebung folgend gierig in sich heinein, wie es ihm mit einem Male gelüstet. „Es ist köstlich und ...belebend.“ stellt er fast übermütig fest, denn mit einem Schlag ist er hellwach und mit einem entschuldigenden Lächeln für seinen guten Apetit langt er nach noch einem Stück des köstlichen Honigkuchens. >"Ich weiß nicht, was du hast, Cariad, der schmeckt ausgezeichnet. Miserable Zuckerbäckerin, von wegen... glaubt ihr einfach kein Wort,"< Henrys tiefes Lachen erfüllt fröhlich den Raum und mit einem Nicken und dann Kopfschütteln bestätigt er die Worte des Tronjers mit vollem Munde. Im nächsten Moment blicken Henrys Augen jedoch unauffällig, aber doch wachsam zu Niniane, denn Henry fällt eine gewisse Haltung auf, die ihn an Orga erinnert, als sie Mara unter dem Herzen trug, den Rücken ganz leicht nach hinten durchgestreckt, und ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Während das Gespräch wieder zu dem unbekannten Reiter zurückkehrt holt Henry nebenbei die gefüllten Ledersäckchen aus der Satteltasche und legt sie seitlich auf den Tisch. Ein zustimmendes Nicken des Nordmannes und die Sache ist erledigt. Auch wenn dieser einige weniger ehrenhafte Möglichkeiten aufzählt, wie der Fremde mit den edlen Pferden auf seinen Hof gelangte, gibt Henry ihm gerne recht, dass bei der riesigen Entfernung und den vielen Jahren, die vergangen sind, wohl niemand mehr nach ihm fragen wird. Als das Gespräch über fremde Länder und auf Nordmänner insbesondere abschweift, erwähnt Henry sein von Galrin Ragnarsson gebautes Langhaus und freut sich über Crons Worte, es sich bei Gelegenheit einmal ansehen zu wollen, aber das, was er im gleichen Atemzug über Galrins Reise hört stimmt ihn sorgenvoll, denn er mag den fröhlichen Nordmann und seine Männer. Sie haben schon längst den Kuchen aufgegessen und es regnet in Strömen, so dass Henry die Einladung zu einem Nachtmahl gerne annimmt und hofft, dass der Regen endlich nachlässt oder zumindest weniger wird.

Während der Tronjer sich nach draußen begibt, um die Pferde in den trockenen Stall zu bringen, folgt Henry der Einladung an den warmen Kamin und entdeckt in dem urgemütlichen Raum mit seinen Kuschelsitzen ein Buch, dessen Titel ihn magisch anzieht, doch als er es aufschlägt und Frederik neugierig einen Blick hineinwirft, muss er vorlesen. Auch das süße kleine Mädchen mit den Goldäuglein, das Henrys Herz mit jedem ihrer Blicke schneller schlagen lässt, will die Bilder sehen und erobert einen Sitz auf seinem Schoß, damit sie mit ihren kleinen Händchen die lebendig wirkenden Bilder darin auch befühlen kann. Der Regen draußen ist bei dem uralten Kobold, der klein und doch ein so mächtiger Zauberer war, schnell vergessen, bis Cron triefend wie ein nasser schwarzer Puma mit seinem genauso pechschwarzen Haar in der Türe erschein, aber sich dann wieder mit einem zufrieden lächelnden Blick zurückzieht. In der behaglichen Wärme des Baumes, in dessem Innern Henry die Zeit vergisst und sich nur noch wohl fühlt, vergehen die Stunden wie im Flug und als nach einem köstlichen Abendmahl, nach dem er am liebsten seine Finger noch abgelutscht hätte, kann er nicht anders, als zustimmen und den schon  im Sessel eingeschlafenden Frederik im Gästezimmer auf die weichen Felle des Kinderbettes legen und die Einladung, die Nacht im Baum zu verbringen, annehmen. Auch die Stunden am Kamin, nachdem die Kinder schon tief und fest schlafen sind für Henry voller Wärme. Es ist nicht nur die Wärme des Feuers, das den Raum in warme Gold- und Rottöne taucht und die verschlungenen Formen der Möbel bizarr an die Wände wirft. Henry könnte der angenehmen tiefen Stimme des Nordmannes stundenlang bei seinen Erzählungen lauschen, die Henry mit jedem Schluck des starken Weines vergnügter verfolgt, denn er war nicht einmal bis an die Grenzen der Immerlande gekommen. Henry muss nur aufpassen, dass er nicht zu lange in Ninianes goldene Augen guckt, denn dann fühlt er sich wie ein hypnotisiertes Kanninchen. Erst verwirren sie ihn, während sie ihn augenblicklich an das Abbild des Sonnengottes im Shenratempel erinnern, dessen Statue ihn seinerzeit mächtig beeindruckt hatte, als hoher Elf mit seinen goldenen Augen unter dem gewaltigen Drachen, dann scheint er in ihnen davonzuschweben und nicht nur einmal holt ihn die Farbveränderung darin wieder zurück, während ein leicht amüsiertes Grinsen ihm zeigt, dass sie genau weiß, was mit ihm geschieht.
Es ist schon weit nach Mitternacht, als sie sich zurückziehen, um noch ein paar Stunden Schlaf zu tanken, bevor der neue Tag anbricht und Henry mit Frederik zurückreiten würde. Henry streckt sich auf dem mit Fellen bedeckten Lager wohlig aus und beginnt den Tag noch einmal an sich vorbeiziehen zu lassen, aber er muss dabei eingeschlafen sein, denn als er erwacht ist da eine Erschütterung, ein Zittern, ein Ächzen des Baumes und das Geräusch einer Explosion in der Ferne, die Wirklichkeit sein muss, wenn er auch beim Wachwerden dachte, er hätte das geträumt, denn die Hörner der Steinfaust, die aus der Ferne ertönen sprechen eine eindeutige Sprache und auch Frederik sitzt im Bett und schaut ihn überrascht an. Henry schlägt das Fell zur Seite, mit dem er sich die Nacht zugedeckt hatte und eilt zur Türe und hört auch schon Cron die Treppe herunterkommen, der ihn fragt, ob er mit Niniane mit nach Talyra reiten möchte und Henry nickt. Er fackelt nicht lange, streift sich seinen Lederwams über, schnappt sich seine Satteltasche und folgt dem Tronjer, hilft beim Satteln der Pferde und kaum stehen sie abmarschbereit vor dem Baum erscheint Niniane und schwingt sich nach einer Bemerkung über den Beginn dieses Tages auf den Rücken ihres Perdes. Frederik reitet hinter ihr und dann folgt Henry mit der Schwarzen als Handpferd, die diesmal keine Schwierigkeiten macht. Henry wendet sich am Rande der Lichtung um und winkt dem Nordmann zum Abschied zu, der wieder seine Tochter beruhigen muss, die die Unruhe und Sorge spürt und Henry nimmt den Anblick des Baumriesens noch einmal in sich auf, doch dann ist seine Aufmerksam keit auf dem Weg, denn sie reiten so schnell, wie es der Pfad erlaubt einer immer lauter werdenden Stadt entgegen, über der schwarzer Rauch aufsteigt.



Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 09. Sept. 2005, 01:03 Uhr
Zwei Tage nachdem Raven und Caewlin den Baum verlassen und einen, nachdem sie Henry von Rossstein an der Nordstraße verabschiedet hatte, erwacht Niniane in der Dunkelheit der Nacht und der Wärme von Crons Armen. Was war das...?
Leise und vorsichtig, um ihren schlafenden Gefährten nicht zu wecken, verlässt sie das Bett, schlüpft in Crons Hemd - es ist das einzige Kleidungsstück, das griffbereit liegt und reicht ihr ohnehin fast bis an die Knie – und schlingt ihr wirres Haar locker im Nacken zusammen. Sie greift noch nach einer Decke aus samtigen, dunklen Mäusepelzen, legt sie sich um die Schultern und sieht als erstes nach Shaerela. Das Zimmer der Kleinen unten im Baum, das sie ihr eingerichtet haben, ist beinahe fertig... ihr Bett ist es noch nicht, also schläft sie noch immer hier oben bei ihnen. Ihre Tochter ruht tief und fest, die Hände offen neben ihrem kleinen, hübschen Gesicht, den Mund leicht geöffnet. Dann lauscht Niniane in sich hinein, doch auch das Ungeborene in ihrem Leib träumt seelenruhig weiter. Dennoch weicht die plötzliche Unruhe nicht von ihr, so dass sie auf nackten Füßen die Alkoventür öffnet und auf den winzigen Balkon hinaustritt, der sich wie ein Schwalbennest in die Baumkrone zwischen zwei dicke Äste schmiegt...  Ein Meer dunkler Wolken treibt über einen sternengestäubten Himmel und segelt träge unter dem bleichen Mond dahin. Die Wipfel und Stämme der Bäume rings um ihre Lichtung stehen schwarz und schweigend und um ihre knorrigen Wurzeln und durch hohe Rainfarnwedel ziehen bleiche, helle Schwaden. Irgendwo ruft leise ein Käuzchen auf der Jagd und kleine Tiere rascheln durchs Unterholz - doch sonst flüstert in ihrem Wald nur der Nebel, der Rest des Larisgrüns ist so dunkel und still wie ein Grab. Niniane hebt das Gesicht zum Himmel und schließt die Augen, dann dreht sie den Kopf hin und her, als prüfe sie den sachten Nachtwind, aber auch der behält seine Geheimnisse für sich. Die alten Bäume sonst so unruhig und stets bereit, sie vor jeder Gefahr zu warnen, scheinen sich zu ducken und hüllen sich in Schweigen... und das macht ihr mehr Angst, als wenn sie raschelnd von Unglück, Tod und Gefahr flüstern würden. Etwas kommt... etwas großes. Ich kann es spüren, hinter dem Horizont, wo es lauert wie ein Tier. Ein Tier mit krätzigem Fell und glühenden Augen... aber was ist es?

Am nächsten Morgen hat sie den mitternächtlichen Spuk beinahe vergessen. Nach dem Morgenmahl richtet sie Shaerelas neues Zimmer fertig ein, räumt Spielsachen in die Regale und Kommoden aus honigfarbenem Holz und die mit glänzenden Bronzebeschlägen in Form lustiger Kobolde und hübscher kleiner Feen versehene Schatztruhe, und hängt den Betthimmel aus mitternachtsblauen Spinnenseide, bestickt mit winzigen silbergoldenen Sternen und Monden auf. Cron kümmert sich um die Pferde, bringt ein Dutzend Eier aus dem Hühnerstall mit und hilft ihr dann ein schönes Rehbockfell aufzuspannen, das sie am Nachmittag abschaben und gerben will. Ihre Versuche, sich als Tuchfärberin zu profilieren hat sie nach dem Fiasko mit Donner fürs Erste wieder aufgegeben und außerdem will sie in den nächsten Tagen zur Dornhaglichtung, wo ein paar Kornapfelbäume stehen, um die kleinen, harten sauren Früchte einzuheimsen. Der Vormittag - an dem es ausnahmsweise einmal nicht regnet - vergeht am Smaragdstrand mit ganz alltäglichen Dingen und Arbeiten und sie vermisst Caewlin und Raven noch immer schrecklich... mehr als sie gedacht hatte. Ihr Baum war so leer ohne die beiden und Bryndens ständiges Geplapper und all den Unsinn, den der Kleine angestellt hatte. Shaerela bemüht sich zwar nach Kräften, ihn würdig zu vertreten, aber... Das Rehfell hängt im Rahmen und Niniane wirft einen prüfenden Blick zum Himmel, während Cron sich leise fluchend im heißen Wasser der Quelle die Hände wäscht... oder es zumindest versucht. Niniane sammelt Shaerela ein und setzt sie sich auf die Hüften. "Komm, meine Süße. Es wird Zeit, dass wir uns um ein Mittagessen kümmern. Cron, bringst du mir aus dem Keller ein paar Zwiebeln mit hoch? Ich habe keine mehr in der Vorratskammer. Und oh... ein Stück Rehkeule. Ich will sie in Buttermilch einlegen, das nimmt den Wildgeschmack weg." In der Küche lenkt sie Shaerela mit einem Mörser und ein paar Gurkenstückchen ab, die die Kleine hingebungsvoll zu grünem Brei zerstampft und Niniane ist gerade damit beschäftigt, zwei fette Karnickel auf ein dickes Bett aus Gemüse, Knoblauch und Kräutern zu drapieren, als sie aus heiterem Himmel ein ungeheurer, dunkler Sog erfasst. Der Pinsel fällt ihr klappernd aus der Hand und sie fegt die Kaninchen samt dem tönernen Bratentopf von der Anrichte, als sie sich entsetzt am Spülstein festklammert, um nicht von den Füßen geholt zu werden, bebend in einem Sturmwind, den nur sie wahrnehmen kann. "CRON!" Sie ist zu Tode erschrocken, aber in ihrer Stimme liegt mehr Wut, als Angst. Sie hört das erschrockene Kreischen ihrer Tochter, hört seine Stimme, die ihren Namen ruft, wie aus weiter Ferne, hört ihr eigenes Blut durch ihre Adern rauschen und ihr Herz, das ihr irgendwo zwischen den Mandeln schlägt, dann bricht die Schwärze über ihr zusammen und mit ihr kommt die Wut.  

Ein Dämon in Talyra? In ihrer Stadt? Hier? Am helllichten Tag? Und noch dazu einer von solcher Macht? Sie spürt die Erschütterung seines Auftauchens noch immer in den Knochen und weiß wirklich nicht, ob sie vielleicht für einen Moment ohnmächtig war oder nicht, aber als sie blinzelnd wieder zu sich kommt, ist Cron neben ihr, schüttelt sie leicht und starrt besorgt in ihr Gesicht. "Hol... Shaerela. Cron. Waffen. Rüstungen. Ich weiß nicht wie oder warum... aber ein Dämon ist in Talyra. Wir müssen in die Stadt. Raven. Caewlin. Brynden. Borgil... Kiz. Morgana. Oh... Götter. Sofort." Sie hat noch nicht ausgeredet, als der Wind ihnen sacht den fast verzweifelten Klang der Hörner auf den Mauern der Stadt zuträgt. Haaaarooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo..............
Gefahr. Gefahr. Gefahr. Und ihr Widerhall sagt: Sterben. Sie hat noch nie so schnell und mit solcher Hast ein Kettenhemd angelegt, aber das tröstliche Gewicht des schimmernden Wahrsilbers schmiegt sich leicht und kühl um ihren Körper, während sie mit fliegenden Fingern die schnallen schließt, dann ihre Beinschienen anlegt und dabei unablässig und mit einer Ruhe, die sie nicht empfindet, auf Shaerela einspricht, damit die Kleine sich beruhigt. "Alles in Ordnung, Schätzchen... schschsch... Mama ist nur erschrocken, alles in Ordnung...." Shaerela, die mit großen Augen beobachtet, wie ihr Vater sich in einen schwarzen, stahlgepanzerten Riesen mit einem noch riesigeren Schwert auf dem Rücken und kalten, dunklen Augen verwandelt, findet hingegen, dass überhaupt nichts in Ordnung sei und klammert sich schniefend an ihr Bein. "Schon gut, min lia. Alles wird gut, du wirst sehen." Sie stopft ihren Köcher voller schlanker weißer Pfeile bis ihr einfällt, dass sie noch immer keinen Bogen hat, lässt sie wieder fallen und schnallt hastig ihren Schwertgurt mit ihrer langen, schlanken Elbenklinge und ihrem Dolch um. "Wir bringen dich..." sie tauscht einen Blick zu Cron, der sie sofort versteht und nur nickt, während er mit entschlossenen, harschen Bewegungen seine Armkacheln festzurrt und die Halsberge einrastet, "wir bringen dich zu Tante Raven und zu Caewlin. Und zu Brynden. Dort kannst du mit ihm spielen und da sind auch Stelze und Akira. Das ist fein, oder? Hier, kannst du sie nehmen? Nur für einen Moment? Ich brauche noch ein paar Dinge aus dem Keller. Wir treffen uns am Stall..." Shaerela klammert sich an sie, als wolle sie nie wieder loslassen und es kostet Niniane einige Mühe, sich von ihrer Tochter loszureißen und in den Keller hasten zu können. Sie durchwühlt vier Kisten und eine Truhe, ehe sie gefunden hat, was sie sucht und mehrere Beutel und Tiegelchen und glänzende Gegenstände in eine Tasche stopft. Es bleibt keine Zeit für mehr, keine Zeit, Innezuhalten, keine Zeit auch nur Nachzudenken - eine Viertelstunde, nachdem sie in ihrer Küche... beim Zwiebelschneiden verdammt noch mal!... die Ankunft eines Dieners der Finsternis in Talyra gespürt hatte, sind sie auf Donner und Nachtwind unterwegs in Richtung Seehaus den Strand hinunter. Niniane hat Shaerela vor sich im Sattel und sieht mit Schrecken und Zorn, wie der Himmel über der Stadt sich zu tintendunkler Schwärze verfinstert, hört das Schreien der Sterbenden und Flüchtenden, riecht die Feuer der Unterwelt und spürt einen Feind, alt und voller Hass. Und sein Zorn ist stark, so stark... "Götter... er ist mitten in Talyra. Schneller, Cron. Wir müssen zu Caewlin, ehe der Mistkerl die halbe Stadt einäschert."


-> Das Seehaus

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 08. Dez. 2005, 16:28 Uhr
~ Vom Erntemond bis zum Langschnee ~


Es dauert den ganzen Herbst, bis Niniane sich vollkommen von den Verletzungen erholt, die ihr der Nornyiran geschlagen hat... und das trotz den Heilkräften einer Seharim. Shis Mächte hatten die inneren Blutungen zwar gestoppt, die drohende Fehlgeburt und das unausweichliche Nierenversagen verhindert, und ihre gebrochenen Kiefer wenigstens soweit wieder zusammengefügt, dass Niniane in der Lage ist, zu sprechen und zu schlucken, aber sie ist weit entfernt davon, geheilt zu sein, als Cron sie in den Baum zurückbringt - und sie weiß es. Mehrere Rippen sind gebrochen, ihre Nase und rechter Arm ebenso, ihr gesamter Oberkörper und ihr Gesicht sind grün und blau geprügelt, sie hat einen tiefen Schnitt an der rechten Wange und mehrer Zähne im Unterkiefer sitzen ein wenig locker. Den gesamten Erntemond verbringt sie folglich im Bett, zu schwach, um aufzustehen, wagt es wegen des Kindes in ihrem Leib nicht, Mohnblumensaft gegen die Schmerzen zu nehmen und bringt nicht einmal die Kraft auf, in den Spiegel zu sehen. Sie kann sich allerdings lebhaft vorstellen, wie sie aussieht - bei Shi in TianAnmen hatte sie in einen Spiegel geblickt und festgestellt, dass sie kein Gesicht mehr besitzt. Sie schläft die meiste Zeit - wenn ihr geschundener Körper sie lässt, heißt das, ist zu keinem wirklich klaren Gedanken fähig, will und kann nicht über das Geschehen in der Gruft sprechen, will nicht einmal daran denken, geschweige denn sich erinnern. Sie weiß, dass Cron ihr anhaltendes Schweigen darüber zu schaffen macht, aber davon zu sprechen hieße, ihm alles zu sagen, die ganze Wahrheit, sich selbst gewisse Wahrheiten einzugestehen und vor allem, ihm von Sethai zu erzählen... und das zu tun, hätte zweifellos das sofortige und wahrscheinlich ziemlich blutige Ende des armen Sehers nach sich gezogen. Sie kennt ihren Mann gut genug um zu wissen, dass er niemanden am Leben lassen würde, der sie fast zum Krüppel geschlagen und das Leben seines Kindes bedroht hatte, und auch wenn das im Grunde ein durchaus beruhigender Gedanke ist, es geht hier um Mordrens Sohn und einen Unschuldigen, und sie ist einfach noch nicht in der Verfassung, Cron im Fall des Falles aufzuhalten. Inzwischen weiß sie auch, dass Eade tot ist und diese Nachricht ist mehr als nur ein leiser Schock, auch wenn sie den Asrai praktisch überhaupt nicht gekannt hat... eine weitere Lebensschuld auf einer Liste, die im Lauf der letzten fünfeinhalbtausend Jahre ziemlich unendlich geworden ist.

Als der Blätterfall Einzug in den Herzlanden hält und mit sich Tage voller goldenen Lichts und Farbenrausch in den Wäldern bringt, erwacht sie allmählich wieder aus ihrer trägen Starre und das surreale Gefühl, in einer Seifenblase gefangen zu sein, verschwindet, wenn auch nur langsam. Niniane kann wieder feste Nahrung zu sich nehmen - Suppe kann sie mittlerweile auch nicht mehr sehen -, das Atmen fällt ihr leichter, weil die gebrochenen Rippen abheilen und sie ist jeden Tag wenigstens für ein paar Stunden auf den Beinen. Sie weigert sich jedoch immer noch standhaft, in einen Spiegel zu sehen, auch wenn Cron ihr versichert, dass die schlimmen Wunden in ihrem Gesicht gut verheilen -  inzwischen dürften ihre Prellungen vom ursprünglichen Violettschwarz in schillernde Grün, Gelb und Blautöne übergegangen sein, und Shaerela fürchtet sich bei ihrem Anblick nicht mehr länger zu Tode. Allerdings hat Niniane mindestens fünfzehn Pfund Gewicht verloren, ihre Hände sind dünn, ihr Gesicht spitz und überall stehen ihre Knochen hervor... nur ihr Bauch rundet sich. Sie kann auch wieder aus den Augen sehen und selbst ihre Nase sollte irgendwann einmal sogar wieder einigermaßen gerade werden, wenn sie endlich aufhören würde, jedem Preisboxer Ehre machen zu wollen. Trotzdem scheut sie davor zurück, sich selbst zu betrachten... das, was sie hin und wieder beim Baden in den dunklen Wassern ihrer heißen Quellen zu Gesicht bekommt, reicht ihr völlig. Würde sie wirklich wieder aussehen, wie sie selbst, wenn alles verheilt war? Wie früher? Ist sie überhaupt noch sie selbst? Hatte das alles sie vielleicht unwiderruflich und für immer verändert? Irgendwann im Lauf des Blätterfalls beginnt sie, sich wieder um ihre Familie und den Haushalt zu kümmern - jedenfalls soweit Cron ihr das erlaubt. Bisher hatte er - irgendwie, und wie weiß sie wirklich nicht zu sagen -, alles allein besorgt und sich dabei rührend auch noch um sie gekümmert. Er hat ihre Wunden versorgt, ihre Verbände gewechselt, ihr Heiltränke aufgebrüht und eingeflöst, und ihr stinkende (aber wirksame) Salben aufgetragen - allerdings hatte er sie bei aller Sorge kein einziges Mal bemuttert und dafür ist sie ihm mehr als dankbar. Nun aber kann sie einfach nicht noch länger untätig herumsitzen und ihn alles allein tun lassen, und von seinem Vorschlag, wenigstens für die Zeit ihrer Rekonvaleszenz, doch ein Mädchen als Magd herzuholen, das ihr zur Hand gehen könnte, will sie erst recht nichts wissen. So unbedeutend all die kleinen, alltäglichen Arbeiten und Aufgaben auch sein mögen, so unbedeutend es auch sein mag, sich wieder selbst um ihren Körper zu kümmern - sie fühlt sich sehr viel besser, weniger wacklig und wieder mehr Herrin der Lage, als sie wieder auf den Füßen ist.

Sobald sie sich dazu also halbwegs in der Lage fühlt, versorgt sie ihre Tochter und kümmert sich um die Mahlzeiten, das Hühnervolk, darum, ihre Kräuter zu trocknen, die Felle zu gerben und Vorräte für den Winter einzulagern, während Cron auf die Jagd geht, Fleisch für den kommenden Winter beschafft und weitgehend ihre Waldläuferpflichten übernimmt. Die Tiere im Larisgrün kennen ihn inzwischen ebenso gut wie sie, die Jäger und Späher des talyrischen Umlandes wissen, wer er ist, die Wölfe singen sein Lied und die Bäume, die Steine und Bachläufe flüstern seinen Namen. Sogar der alte Grymauch Einaug, der mehr als einmal seinen Weg kreuzt, zollt ihm Respekt - zumindest versucht er nicht ein einziges Mal, ihn zu fressen. Die Schattenkatze, die sich immer zur Herbstzeit in diesem Teil des Larisgrüns herumtreibt, vermutlich auf den Spuren der Büffel, die zu Beginn des Herbstes aus den weiten Ebenen in den Schutz der Wälder ziehen, sieht ein paarmal auf der Lichtung am Smaragdstrand vorbei und ihr Schnurren spricht von Pantherspuren und Wandlergeruch... ebenso wie Shugorns Krächzen, der - sich aufplusternd und empört - von einem Katzenwarg in dem alten, verlassenen Wolfsbau in der Nähe des Pfahlbaumhauses berichtet... er hat es, Rubinrabe hin oder her, wie alle Vögel verständlicherweise nicht so mit den Samtpfoten. Soso, ein Wandler. Noch einer. Ich möchte nur wissen, was an Talyra die Warge so anzieht... und die Amazone hat sich nun wohl doch dauerhaft in der Hütte unten am Ildorel eingerichtet. Vielleicht sollte ich ihr einen Besuch abstatten. Immerhin sind wir so etwas wie Nachbarn. Nun ja... wenn ich wieder so etwas wie ein Gesicht und heile Knochen habe vielleicht. Vorerst ist das jedoch noch nicht der Fall, auch wenn sie den ganzen Dramormond über das schmerzhafte Ziehen und Pochen ihrer Muskeln, das Brennen der Risse und Schnittwunden und den zu dumpfem Wühlen abgeflauten Schmerz in ihren Knochen fast willkommen heißt - denn all das sagt ihr nur, dass die Heilung ihres geschundenen Körpers im Verborgenen tatsächlich im Gange ist. Sie wird ungeduldig mit sich selbst, je weiter der Herbst und ihre langsam beschwerlich werdende Schwangerschaft fortschreitet, und je länger ihre Genesung andauert. Sie wird gesund, aber sie erholt sich nur langsam und das macht sie wahnsinnig. Als sie zu Anfang des Nebelmonds Besuch von Caewlin und Raven bekommen, die samt Brynden und den Hunden einen Tag bei ihnen im Baum verbringen, sind die Prellungen in ihrem Gesicht zwar längst verheilt, aber ihre Spuren sind noch immer zu sehen, grüngelbe, verblassende Male auf Stirn und Wangen.

Der tiefe Schnitt in ihrem Gesicht, wo der Dämon ihr die Haut mit einer seiner Klauen aufgerissen hatte, ist zu einer dünnen, roten Linie geschrumpft und ihre Nase, ihre Rippen und ihr Arm sind wieder heil. Sie hat keine Schmerzen mehr, aber solange sie noch so marmoriet wie fleckiges, altes Pergament aussieht, wird sie ganz bestimmt nicht unter Leute gehen, geschweige denn mitten in die Stadt, auch wenn sie noch so sehr darauf brennt, den wiederaufgebauten Marktplatz zu besuchen und ihre Freunde wiederzusehen, allen voran Borgil. Der geplante Kleidergroßeinkauf mit Raven wird daher auf unbestimmte Zeit verschoben, auch wenn sie sich fest versprechen, gemeinsam sämtliche Schneiderwerkstätten Talyras unsicher zu machen, sobald sie können. "Ich weiß wirklich nicht, ob wir das noch schaffen, bevor dieser Elefant auf der Welt ist," hatte sie zum Abschied ihrer Freundin, des Sturmenders und seines naseweisen Sohnes mit einem mißmutigen Blick auf ihren hochschwangeren Leib bemerkt. Mittlerweile im achten Mond fühlt sie sich nicht nur, als hätte sie eine Feuermelone verschluckt, sie sieht auch so aus. "Aber wenn nicht, dann gehen wir einfach im Winter, min Ija. Wenn ich dieses Kind geboren habe und wieder auf den Beinen bin, in Ordnung?" Der Tag mit den beiden und Brynden war schön gewesen, auch wenn sie nicht viel über die Ereignisse auf dem Sithechhain gesprochen hatten - dafür waren sie über den neuesten Stadtklatsch informiert worden, über den Wiederaufbau Talyras und dessen Fortschritte und hatten amüsante Geschichten über die Handwerkerhorden gehört, die Caewlin und Raven zur Zeit im Seehaus beherbergen, um sich dort ein Bad einbauen zu lassen. Niniane hatte ihnen noch lange nachgesehen, als sie sich mit dem Einbruch der Dunkelheit schließlich den Strand hinunter auf den Nachhauseweg gemacht hatten, und die nachfolgenden Tage des Nebelmonds vergehen trist und grau. Schwerer, kalter Nebel lässt sich wie eine graue Bruthenne über dem Ildorel, Talyra und dem halben Larisgrün nieder und macht keine Anstalten, sich wieder zu verziehen. Sie bekommen die Sonne, die den ganzen Blätterfallmond noch vergoldet hatte, wochenlang überhaupt nicht zu Gesicht, und als das Wetter in der zweiten Nebrarhälfte dann endlich aufklart, bringt es klirrenden Frost und die ersten, für die Herzlande ungewöhnlich frühen, Schneefälle des Jahres. Da sie im Baum dank Caewlins wütenden Bemühungen im vergangenen Frühling genug Feuerholz für drei Winter besitzen, muss Cron sich zumindest darum nicht kümmern, er hat allerdings mit der Erledigung ihrer Waldläuferarbeiten auch genug um die Ohren, von seinen spätherbstlichen Jagdausflügen, um die Eiskeller tief unter den Wurzeln des Baumes mit genügend Fleischvorräten für den Winter zu füllen, ganz zu schweigen.

Anfang des Langschneemondes überzuckert feiner Pulverschnee das Larisgrün, die Stadt und das Umland endgültig mit einer glitzernden, weißen Schicht und Niniane passt keines ihrer Kleider mehr. Das Baby ist ein riesiger, runder unbequemer Kloß in ihrem Inneren und wenn irgendjemand irgendwann einmal behauptet hatte, die Kinder würden ruhiger gegen Ende einer Schwangerschaft, weil sie schlicht keinen Raum mehr für Purzelbäume und größere Bewegungen hätten, dann beweist ihr Kind mit bewundernswertem Eifer das Gegenteil: beengte Platzverhältnisse hin oder her, es zappelt Tag und Nacht wie eine Katze im Sack, und sie ist sicher, dass sie innerlich schon grün und blau sein muss von all den vehementen Tritten und Boxhieben, die sie einsteckt. Darüber hinaus macht das Kind in ihrem Leib sich noch auf andere Art bemerkbar - es sendet. Vollkommen ungerichtet und natürlich nicht in verständlichen Worten, aber sie kann den erwachenden, kleinen Geist deutlich spüren und sie weiß, dass ihr Kind sie ebenfalls wahrnimmt... ganz anders als Shaerela, die auch mit beinahe zwanzig Monden noch nicht einmal Anstalten gemacht hat, auch nur den Hauch empathischen Gespürs zuzulassen. Sie spricht sehr gut und ihr Wortschatz ist für ihr Alter beeindruckend - längst ist sie von Zwei-Wort-Wendungen zu kurzen Sätzen übergegangen -, doch obwohl die Kleine ebenso empathisch begabt sein muß, wie Niniane selbst und wie alle ihres Blutes, sendet sie nie oder reagiert auf gedanklichen Austausch. Mitten im schönsten Trotzalter pocht Shaerela ohnehin bei jeder noch so kleinen Gelegenheit auf ihre Selbstständigkeit. Trotzanfälle und Wutausbrüche sind während des ganzen Herbstes und Winterbeginns im Baum an der Tagesordnung, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen kann oder ihr etwas, was sie sich einbildet können zu müssen, einfach nicht gelingen will... und das Warten auf ihr Geschwisterchen fällt ihr unendlich schwer. Als Ninianes Bauch sich sichtbar gerundet hatte und die Bewegungen des Kindes auch für Cron und ihre Tochter spürbar geworden waren, hatten sie ihr erzählt, dass sie im Winter einen Bruder oder eine Schwester bekäme und nun ist der Winter da - was der Schnee ja schließlich beweist, wie sie in aller kleinkindlichen Logik anführt - aber das verflixte Baby lässt sich immer noch nicht blicken. "Warum" ist längst ihr Fragewort schlechthin geworden und prompt beginnt jeder Tag seit dem ersten Schneefall mit "Mama, warum ist mein Bruder noch nicht da?" Aus welchen Gründen auch immer, Shaerela ist felsenfest davon überzeugt, dass das Kind ein Junge wird und davon rückt sie kein Stück ab, sehr zur Erheiterung ihres Vaters, der mindestens ebenso sicher ist, noch eine Tochter zu bekommen. Niniane, die dank der empathischen Frühreife ihres ungeborenen Sprößlings zumindest ahnt, was sie erwartet, verfolgt amüsiert den allmorgendlichen Disput am Frühstückstisch, der jedesmal auf Shaerelas enervierende Warum-Frage folgt und schweigt sich aus.

Es ist der achte Langschneetag und Niniane legt die letzte Kette getrockneter, kandierter Früchtescheiben um die Ilexgirlande, die sie unter unterdrückten Flüchen um den Durchgangsbogen vom Vorraum ins Esszimmer drapiert hatte, schwankend wie eine dicke Krabbe auf ihrem Stuhl. Cron hätte ihr den Kopf abgerissen, hätte er gesehen wie sie in ihrem Zustand auf dem Sessel herumgeturnt war und ihre Finger sind von den nadelspitzen Ilexblättern völlig zerstochen, aber als sie jetzt ihr Werk betrachtet - ihren blutenden Daumen im Mund - findet sie, dass sich all die Mühe durchaus gelohnt hat. Der würzige Duft von Immergrün, Tannenzweigen, Fichtennadeln und Pinienzapfen erfüllt ihren Baum und die Girlanden aus gedörrten Apfelringen, mit Nelken gespickten Orangenscheiben und Zimtstangen, die sie gebunden hatte, mischen ihr fruchtiges Aroma darunter. Das Sandelholz - und Pflaumenblütenparfume, das sich ihr Baum nach wie vor, auch zur Vorsithechnachtszeit einbildet, ist jedoch immer noch da und lässt sich auch mit noch soviel Grünzeug und Gewürzen nicht vertreiben. "Du bist störrischer als jeder Gododdinesel, weißt du das?" Murmelt sie, als sie vom Stuhl krabbelt und ihn ächzend ins Esszimmer zurückschleppt. Seitdem der Nebelfrost zu Ende gegangen ist, fühlt sie sich so kurzatmig und unförmig, als hätte sie ein Dutzend Feuermelonen auf einmal verschlungen und ihr Bauch ist ihr überall im Weg. Ihr Baum scheint sich über ihre aufgebrachten Worte sehr zu amüsieren und auf irgendwelche unsichtbaren Duftdrüsen zu drücken, denn prompt weht ihr eine Brise Mandelblütengeruch um die Nase. "Oh, du bist sogar noch störrischer als Caewlin! Es ist Langschneemond! In drei Siebentagen ist Wintersonnenwende, Julfest, Sithechnacht. Kannst du dich nicht einmal im Jahr mit etwas passenderen Düften anfreunden? Wie Zimt, Rosinen, Gebäck und gewürztem Wein?" Zu den Mandelblüten, dem Pflaumenduft und dem Sandelholz gesellt sich feines Cocosaroma und Niniane gibt stöhnend auf. "Du," schimpft sie mit ihrer widerborstigen Behausung, "hättest eine Dattelpalme werden sollen!"  Es fehlt nicht viel und sie hätte mit dem Fuß aufgestampft. Über ihr raschelt die immergrüne Baumkrone, deren Blätter im Winter nur so dunkelgrün werden, dass sie fast schwarz wirken, ein Geräusch, als schüttle sich ihr Baum vor Lachen. "Schön! Fein! Lass dir etwas einfallen, wenn es hier bald nur noch nach vollen Windeln riecht!" Es ist wahr, das Kind kann jetzt jeden Tag kommen. Bis zum Vortag hatte sie noch das Gefühl gehabt, ihren Bauch direkt unter dem Kinn zu tragen, aber seit sie heute morgen aufgewacht war, fühlt sie sich merkwürdig leicht, kann endlich wieder ungestört tief durchatmen und  hatte beim Frühstück lachend ihre Cofeatasse auf ihrem gewölbten Leib abgestellt.

Sie durchquert den Vorraum, schlingt sich ein wollenes Tuch um die Schultern und tritt vor die Tür ihres Baumes. Es ist ein kalter, grauer und stiller Tag und aus dem bleiernen Nachmittagshimmel wirbeln in dichten Schleiern große, dicke, weiße Flocken herunter, tanzen um ihren Kopf, und ihr Gesicht und ihr Haar werden nass. Niniane zieht den breiten Schal fester um sich und sieht zum Stall hinüber, wo der gelbe Laternenschein gerade verlischt. Cron war, nachdem er Ende des Nebelfrosts einen Hirsch und zwei junge Wildschweine erlegt und die Herbstjagden damit für dieses Jahr beendet hatte, die letzten Tage kaum noch von ihrer Seite gewichen und verlässt den Baum nur, um sich um die Pferde und das Hühnervolk zu kümmern oder Feuerholz zu holen. Er erledigt zwar tausenderlei Arbeiten, schnitzt ein wenig, spaltet Schindeln, putzt und fettet das Lederzeug, reinigt die Waffen, besorgt in ihrem Auftrag Unmengen von Ästen, Zweigen, Moos, Tannenzapfen und ähnliches, mit dem sie dann den Baum schmückt, aber er lässt sie kaum aus den Augen und klebt an ihr wie die Fliege am sprichwörtlichen Siruptopf. Sie ahnt warum - er war bei Shaerelas Geburt nicht hier gewesen und sie weiß, dass ihm das Zeit seines Lebens wie ein Stachel im Fleisch sitzen wird. Vermutlich wird er, wenn sein zweites Kind sich ankündigt, nur mit einer Brechstange von ihrer Seite zu lösen sein und sie kichert leise bei dem Gedanken, dass (und vor allem wie) Morgana oder Shi versuchen könnten, einen sieben Fuß großen und schätzungsweise dreihundertzwanzig Pfund schweren Nordmann mit Gewalt aus dem Gebärzimmer zu werfen. Sie hebt den Kopf, immer noch lachend, und lässt sich den Schnee auf ihr Gesicht fallen, bis ein knirschendes Geräusch sie suchend über ihre weiße Lichtung blicken lässt. Cron kommt mit großen Schritten vom Stall herunter auf sie zu und zieht einen grob gezimmerten Schlitten, der hoch mit Holz beladen ist, hinter sich her. Er trägt einen Umhang aus schwarzem Bärenfell, lederne Schaftstiefel, dunkle, lederne Beinlinge und ein ebenso dunkles Hemd aus weichem Wildleder. Sein rabenschwarzes Haar fällt ihm lang und offen über den Rücken und sein Gesicht mit den hohen, breiten Wangenknochen, der geraden Nase, den klaren kantigen Linien unter der dunklen Haut und den leuchtend blauen Augen wirkt einen Moment lang so hart wie Stein. Er stapft durch den Schnee mit der Entschlossenheit eines Bären und der Anmut einer großen Katze und im weißen Schneegestöber wirkt er so wild und schön und beängstigend zugleich, dass sie plötzlich ihr Herz bis zum Hals schlagen spürt.

Nordmann, jeder Zoll ein raubender, plündernder, brandschatzender Barbar, blutrünstig und stark. Dann bemerkt er sie und lächelt. Das kommt unerwartet und erschreckend zugleich, vor allem, weil dieses Lächeln über gut fünfzig Schritt unberührter Schneedecke hinweg aussieht, als wüsste er viel zu gut über ihre Gedanken bescheid. Barbar! Wiederholt ihr Verstand empört. Ihre weichen Knie und die pochende Wärme, die in ihrem Inneren zusammenströmt, geben ihm da durchaus Recht, allerdings mit völlig anderem Unterton und aus völlig anderem Grund. Sie sieht sein Lächeln zu einem wissenden Grinsen werden und noch etwas anderes in seinen Augen aufschimmern, als er sich wieder in Bewegung setzt. Oh gut, na schön... noch ein Lächeln mehr und noch ein paar haarsträubend lässige Schritte auf sie zu, und er kann sie auf der Stelle haben, wenn er will. Sie betrachtet ihn immer noch völlig verträumt, als plötzlich ein Schneeball auf ihrer Brust landet. Sie muss ein so verblüfftes Gesicht machen, dass er sich schier ausschütten will vor Lachen, aber dann wirft sie ihm einen lauernden Blick zu, greift selbst in das kalte Weiß zu ihren Füßen, formt eine perfekte Kugel und erwischt ihn damit mitten am Kinn. "Wenn du glaubst, ich liefere dir keine Schlacht, nur weil ich schwanger bin, hast du dich getäuscht! Und merk dir eins, ich ergebe mich niemals, Nordmann!" Sie hört ihn lachen und gleich darauf schimpfen, weil ihm Schnee in den Kragen des Umhangs gerutscht ist, und ein paar Herzschläge später findet sie sich auf einer atemlosen Flucht und inmitten einer noch viel atemloseren Schneeballschlacht rund um die hohen, knorrigen Baumwurzeln wieder. "Niemals!" Erinnert sie ihn mit glühenden Wangen und roter Nasenspitze, derweil ein weiterer Schneeball mitten in ihrem Gesicht landet, daunenweich und eiskalt, und sie spuckt und prustet, um Augen, Mund und Nase wieder frei zu bekommen. "Tod vor Schande!" Erklärt sie und  wirft kichernd ihre nasskalte Antwort. Dann deckt sie ihn mit einem Hagel an Schneebällen ein, aber er nimmt nur den Kopf herunter und pflügt sich unaufhaltsam durch den Schnee auf sie zu, während ihre kleinen kalten Geschosse völlig wirkungslos an seinen Schultern,  seinen Armen und seiner Brust zerplatzen. "Das ist unfair," beschwert sie sich keuchend. "Du hast ja eine Vollrüstung," sie weist empört auf seinen Umhang und zupft dann an ihrem Schultertuch, "und ich bestenfalls ein Lederwams... halt, nein, aus, zurück. Kschscht... du bist im Feindesland, Nordmann, ich warne dich..." Sie schlüpft an ihm vorbei, schafft es gerade noch, ihm auszuweichen und krabbelt dann lachend und hektisch über die nächste Baumwurzel, nur um aus dieser relativ sicheren Deckung heraus ihr Schneeballbombardement wieder aufzunehmen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 18. Dez. 2005, 22:23 Uhr
Nachdem Galrin seinen Gast... oder die Frau, die zumindest noch bis vor kurzem nur ein Gast war... verabschiedet hat, drängt es ihn, selbst einmal wieder ein Pferd zwischen den Schenkeln zu spüren und einen Ausritt in das winterliche Umland Talyras zu unternehmen. Der Schnee fällt in dichten Flocken aus den Wolken hernieder, und bald ist kaum ein Fleckchen Boden noch von einer anderen Farbe als strahlendem Weiß. Der rote Hengst, Jolanthes Hochzeitsgeschenk, will ebenfalls wieder einmal getummelt sein, und so entschließt sich der Normander dazu, am heutigen Tage den bereits oft genug verschobenen Ausritt zum Baum am Smaragdstrand zu unternehmen. Immerhin hat er noch eine Truhe bei Cron von Tronje abzuliefern, und diesen Dienst will er nach Möglichkeit noch vor der Wintersonnenwende erledigt wissen.

So reitet der Schiffbauer durch die Gassen Talyras, wo für das Julfest bereits die Häuser geschmückt werden, und verläßt die Stadt - nach einem wärmenden Becher Met im Pfirsich - durch das Nordtor, um zu Ninianes und Crons Bleibe zu gelangen.
Der Ritt zum Baum am Smaragdstrand vergeht beinahe wie im Flug. Immer wieder erblickt Galrin im Wald ein Tier, das er so lange beobachtet, bis es zwischen den Bäumen seinem Blick wieder entschwindet. Ein Fuchs, der, die Nase dicht am Boden, einem Kaninchen nachspürt, wird durch das gedämpfte Geräusch der Pferdehufe erst aufgeschreckt, als der Reiter und sein Roß schon nurmehr fünf Schritt von ihm entfernt sind. Dann jedoch flieht der rotbepelzte Räuber eilig ins Unterholz und das Lachen des Normanders schallt hinter ihm her.

Bereits von weitem hört Galrin die Stimme der Waldläuferin, noch ehe er sie oder ihren Gemahl zu Gesicht bekommt.

>>Du bist im Feindesland, Nordmann, ich warne Dich!<<, läßt sich die goldäugige Frau vernehmen, und für einen Augenblick bleibt Galrin glatt die Spucke weg. Warum in aller Welt sollte er sich auf Feindesland befinden? Für einen Moment ist er versucht, sein Schwert zu ziehen, doch als er um eine kleine Baumschonung biegt, und endlich die Halbelbe und den Tronjer erblickt, atmet er erleichtert aus. Offenbar hat Ninianes Ausruf nicht ihm selbst gegolten, sondern ihrem Manne, denn im luftig leichten Neuschnee liefern sich sein Landsmann und dessen Frau gerade eine erbitterte Schneeballschlacht, die ohne Gnade und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ausgetragen wird.

Mit einem kaum verholenen Grinsen beobachtet der Schiffsbauer die Beiden, die so übermütig durch den Schnee tollen, wie nur Kinder und wahrhaft Liebende es können. Erst als man ihn bemerkt und sowohl Niniane als auch Cron von Tronje ihm zuwinken, hebt auch Galrin die Hand zum Gruß und nähert sich dem Baum, der, zu seinem Erstaunen, die Blätter zwar verfärbt, aber nicht verloren hat. Doch dazu, sich den Kopf über diese Tatsache zu zerbrechen, kommt Galrin nicht. Er steigt aus dem Sattel und begrüßt die Waldläuferin und ihren Gemahl mit einem Lächeln und einem kräftigen, warmen Händedruck.

"Mylady, Mylord, ich grüße Euch. Verzeiht, daß ich nun erst erscheine, nachdem ich schon seit einer ganzen Weile wieder in Talyra bin. Doch es gab einige Dinge zu erledigen, die meiner Aufmerksamkeit bedurften, und als ich, kurz nach diesem Spektakel in Talyra, schon einmal hier gewesen bin, wart Ihr an jenem Tag wohl gerade auswärts."

Der Mann aus Dirholmar klopft sich mit einem um Entschuldigung heischenden Gesichtsausdruck den Schnee von seiner Gugel, bevor er sich zu seinem Pferd umwendet und eine der beiden Satteltaschen öffnet. Darin befindet sich, wie der Gatte Ninianes alsbald feststellen kann, die kleine Truhe, die man dem Kapitän in Tronje für Cron mitgegeben hat. Während Galrin die Kiste auf die unterste Stufe der Treppe stellt, welche zum Eingang des Baumes empor führt, spricht er weiter:

"Man hat mich gebeten, Euch, Mylord, diese Truhe wieder mitzubringen, wenn ich wieder in Talyra ankomme. Ich weiß nicht, was sich darin befindet, aber als ich fragte, ob etwas Verderbliches darin sei, verneinte man mir diese Frage. Ich hätte mir nur schwerlich verzeihen können, Euch bei meiner Rückkehr vielleicht irgendetwas Vergammeltes überreichen und Euch dafür Rede und Antwort stehen zu müssen."

Nachdem er die linke Satteltasche wieder verschlossen hat, begibt sich Galrin auf die andere Seite des roten Hengstes, um auch die rechte Satteltasche zu öffnen. Dabei spielt ein Lächeln um die Mundwinkel des Schiffbauers. Drei mit nordischer Knotenornamentik verzierte Holzkästchen, zwei kleinere und ein Größeres, holt er aus der Ledertasche hervor.

"Ich habe Euch noch etwas von meiner Reise in den Norden mitgebracht. Seht es einfach als Julfestgeschenk an, wenn Ihr wollt. Diese hier...", bei diesen Worten deutet Galrin auf die beiden kleineren Kästlein, "sind für Euch und Eure Tochter, Mylady. Und jenes dort soll für Euch sein, Mylord Cron. Ich hoffe, es gefällt Euch."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 22. Dez. 2005, 23:31 Uhr
"Gib auf, Nan!" Ein Schneeball trifft ihn am Kinn und zerbirst in kalte, weiche Flockenmasse. Verflixtes Frauenzimmer! Er macht einen Schritt auf sie zu und sie flüchtet quietschend vor ihm um eine unförmig eingeschneite Baumwurzel - dann hagelt es aus deren Deckung Schneeballgeschosse. >Niemals!< Tönt es selbstbewusst, als sie kurz mit glühenden Wangen auftaucht. Ihr nächster Schneeball segelt meilenweit an ihm vorbei, dafür erwischt er sie mit seinem mitten im Gesicht, doch alles, was sie schneespuckend und lachend von sich gibt ist:>Tod vor Schande!< "Tod vor Schande? Na warte. Wenn ich dich erwische, bist du fällig, Cariad. Hörst du mich? Du bist fällig und du bekommst keine Gnade!" Sie deckt ihn mit einer Schneesalve nach der anderen ein, atemlos, rotnasig, mit wirrem, feuchtem Haar und absolut unwiderstehlich in ihrer Ausgelassenheit. Er stapft mit gesenktem Kopf auf sie zu, um sie aus ihrer Deckung zu treiben und erklärt ihr im Plauderton, was er ihr alles antun würde, wenn er sie erst einmal hätte. Irgendwann erwischt er sie dann auch an ihrem Schultertuch und stopft ihr eine Handvoll Schnee in den Kragen, doch sie windet sich davon, ehe er sie wirklich zu fassen bekommt und schlüpft prustend an ihm vorbei. >...halt, nein, aus, zurück. Kschscht... du bist im Feindesland, Nordmann, ich warne dich...< "Gib auf, Nan..." Sie schliddert durch den Schnee davon, doch langsam und unförmig wie sie mit ihrem hochschwangeren Leib ist, kommt sie nicht weit und er hat sie schnell eingeholt. Er legt ihr die Hände auf die Schultern und dreht sie um, so dass sie sich gegenüberstehen. Ihr gewölbter Bauch schafft einen natürlichen Abstand zwischen ihnen, aber das hilft wenig und er spürt selbst durch die dicken Stofflagen ihres wollenen Schals und des Kleides die Wärme ihrer Haut. Er legt eine Hand an ihr Gesicht, fährt mit dem Daumen über ihr Kinn und zieht sie noch ein Stück näher an sich. Sein Blick klebt an ihrem Mund und er sieht, wie sie lächelt, während ihrer beider Atem sie wie eine Wolke einhüllt.

Der Schnee rieselt unbeirrbar kalt und lautlos sanft auf sie herab und seine Lippen schmecken das Eis und die Hitze der Erwartung - doch gerade als er den Kopf neigt, um sie zu küssen, jedoch ein schnaubendes Wiehern vom Rand der Lichtung, dort, wo der Saumpfad in Richtung Nordtor führt. Als sie überrascht aufblicken, sehen sie einen grinsenden Galrin auf einem Rotfuchs im Schneetreiben sitzen... und offensichtlich ist er schon eine ganze Weile da. Cron küsst seine Frau dennoch, wenn auch sehr viel kürzer, als er eigentlich im Sinn hatte, ehe er die Hand hebt, um Ragnarsson grüßend zuzuwinken. Der Schiffbauer lenkt sein Tier zum Baum und sie gehen ihm die wenigen Schritt bis zu den Stufen entgegen, wo er aus dem Sattel steigt und sie begrüßt. "Tjänare, Galrin." Cron erinnert sich gehört zu haben, dass Galrins Frau auf der Expedition nach Gronaland ums Leben gekommen war und ihm zwei kleine Kinder hinterlassen hat, doch Ragnarsson scheint entweder sehr gefasst oder sehr gelassen. Da ist zwar eine leise Melancholie in seinen Augen, die Cron früher nicht an ihm gesehen hat und die Linien um Mund und Nase wirken tiefer, doch alles in allem scheint Galrin doch mit sich und der Welt zufrieden. >Mylady, Mylord, ich grüße Euch. Verzeiht, daß ich nun erst erscheine, nachdem ich schon seit einer ganzen Weile wieder in Talyra bin. Doch es gab einige Dinge zu erledigen, die meiner Aufmerksamkeit bedurften, und als ich, kurz nach diesem Spektakel in Talyra, schon einmal hier gewesen bin, wart Ihr an jenem Tag wohl gerade auswärts.<
"Bei allen Himmeln, Ihr müsst Euch doch nicht entschuldigen, Galrin. Wir haben gehört, was mit Eurer Frau geschehen ist... Ihr hattet nach Eurer Heimkehr sicher wichtigeres zu tun, als Nachrichten zu übermitteln und Geschenkbote zu spielen. Unser aufrichtiges Beileid." Für den Bruchteil eines Herzschlags verrutscht die Maske und Cron erhascht einen Blick auf die Trauer in den Augen des Schiffbauers, dann senken sich dessen Lider und als er die Augen wieder öffnet, lächelt er sogar, wenn auch ein wenig schief.

"Was das 'Spektakels in Talyra' angeht," fährt Cron mit einem säuerlichen Lächeln fort, "waren wir leider mittendrin... wenn Ihr also unmittelbar danach hier am Baum wart, waren wir zu dieser Zeit vermutlich  noch in TianAnmen." Galrin nestelt an seinen Satteltaschen herum und zieht schließlich eine kleine Kiste heraus, die er auf die schneebedeckten Stufen zur borkeumkleideten Tür hinauf stellt. >Man hat mich gebeten, Euch, Mylord, diese Truhe wieder mitzubringen, wenn ich wieder in Talyra ankomme. Ich weiß nicht, was sich darin befindet, aber als ich fragte, ob etwas Verderbliches darin sei, verneinte man mir diese Frage. Ich hätte mir nur schwerlich verzeihen können, Euch bei meiner Rückkehr vielleicht irgendetwas Vergammeltes überreichen und Euch dafür Rede und Antwort stehen zu müssen.< "Oh... verderblich? Nein, das sind wahrscheinlich nur Briefe von meinem Vater, von Cutha und meinen Schwestern... tack så mycket, Galrin, ich habe ewig nichts mehr von ihnen gehört." Der Schiffbauer grinst nur, geht um sein stoisch mit hängenden Ohren im Schnee ausharrenden Pferd herum und fördert noch drei weitere Holzkästchen, sehr viel kleiner als die erste Kiste und mit feinen Schnitzereien verziert, zutage. In den suppenschalengroßen Händen Ragnarssons sehen sie geradezu lächerlich klein aus, als er sie ihnen hinhält und sich damit erst an Niniane, dann an ihn wendet.  >Ich habe Euch noch etwas von meiner Reise in den Norden mitgebracht. Seht es einfach als Julfestgeschenk an, wenn Ihr wollt. Diese hier sind für Euch und Eure Tochter, Mylady. Und jenes dort soll für Euch sein, Mylord Cron. Ich hoffe, es gefällt Euch.< "Oh, tack... danke. Das wäre nicht nötig gewesen. Kommt, bindet Euer Pferd am Stall oben unter dem Vordach an und kommt wenigstens auf einen Sprung mit hinein. Shaerela hält ihren Nachmittagsschlaf, aber sie wird bestimmt bald aufwachen." Galrins Roter ist rasch unter dem tief herabgezogenen Dach des Stalls oben untergebracht und kaut zufrieden an einem Büschel Heu, während sie sich ins Innere des Baumes ans prasselnden Kaminfeuer zurückziehen.

Eine Kanne Cofea aufzubrühen dauert nicht lange und nur wenig später sitzen sie zu dritt, versorgt mit dampfenden Bechern - zweimal mit Rahm und kostbarem Zucker, einmal schwarz und bitter -, in den runden, weich gepolsterten Elbensesseln und können einen Blick auf Galrins Mitbringsel werfen. Für Shaerela hat der Schiffbauer ein kleines Stück Bernstein, goldbraun wie Waldhonig, an einem Lederband vorgesehen, Ninianes Geschenk ist eine Kette, deren Glieder immer abwechselnd aus kleinen Bernsteinperlen und Silberscheiben bestehen und deren Anhänger ein geschnitzter Bernstein in Form einer stilisierten Sonne ist. Er selbst erhält ein Drachenschiff, vielleicht eine Elle lang und aus hellem Holz - so kunstfertig geschnitzt, dass jedes noch so winzige Detail zu erkennen ist. Cron dreht und wendet das filigrane Kunstwerk in seinen großen Händen und erklärt verblüfft und seltsam bewegt gleichzeitig. "Wenn Ihr irgendwann kein Verlangen mehr nach Luftsegelei habt, dann könnt Ihr immer noch unter die Holzschnitzer gehen, Galrin. Das ist wirklich gut geworden, danke." Niniane allerdings wird beim Anblick ihres Geschenkes blass um die Nase und blickt reichlich vom Donner gerührt drein, ehe sie verlegen erklärt, sie könne das auf gar keinen Fall annehmen und Galrin entschlossen die wieder zugeklappten Holzschatullen unter die Nase hält. Der Schiffbauer ist verständlicherweise verwirrt, doch Cron, der von seiner Frau zu Galrin und wieder zurück zu  Nan blickt, schüttelt nur sacht den Kopf. "Nan, es ist in Ordnung, wirklich. Du kannst es ganz bestimmt annehmen," versichert er leise und wendet sich dann an Ragnarsson. "Galrin, Elben sind nicht nur völlig verrückt nach Bernstein, sie schätzen ihn auch rein von seinem Wert her höher ein als jeden anderen Edelstein, den Ihr Euch vorstellen könnt. Hättet Ihr Niniane ein dreireihiges Diamantencollier mitgebracht, hättet Ihr sie damit vermutlich nicht halb so verlegen gemacht, wie mit Eurer Bernsteinkette. Sie glaubt mir bis heute nicht, dass man nach einem Sturm manchmal Dutzende von Bernsteinen an den Stränden im Frodesund findet."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 25. Dez. 2005, 04:38 Uhr
>>Bei allen Himmeln, Ihr müsst Euch doch nicht entschuldigen, Galrin.<<, erwidert der Tronjer auf die Bitte seines Landsmannes, ihm die Verspätung nachzusehen, >>Wir haben gehört, was mit Eurer Frau geschehen ist... Ihr hattet nach Eurer Heimkehr sicher wichtigeres zu tun, als Nachrichten zu übermitteln und Geschenkbote zu spielen. Unser aufrichtiges Beileid.<<

Galrins Blick verdüstert sich für einen Moment, und eine Mischung aus neuerlicher Trauer und einem gewissen Teil Wut steigt in ihm auf.
Offensichtlich weiß schon wieder die ganze Stadt über Jolanthes Tod Bescheid. Wie jedes Mal, wenn dem Schiffbauer am Ildorel etwas mißlingt. Nun ja, es ließ sich wohl nicht ewig geheim halten, genausowenig wie die verunglückte Hochzeit. Trotzdem würde mich interessieren, welche Honoratioren in Talyra sich nun wieder das Maul über mich zerreißen. 'Wir haben es ja immer gewußt, daß eine solche Fahrt in den Norden Selbstmord ist.', und solcher Dreck. Pah! Kein Haar wäre irgendeinem Wesen an Bord gekrümmt worden, wenn sich meine Frau nicht für eine begnadete Akrobatin gehalten, und ihren verwünschten Freiheitswillen über ihren Lebenswillen und über die Verantwortung für Kinder und Mann gestellt hätte.

Am Liebsten hätte Galrin Cron und Niniane diese Worte zusammen mit der Frage nach dem "Warum?" ins Gesicht geschrien, doch der Schiffbauer beherrscht sich, so gut er kann. Er bringt sogar ein Lächeln zustande, wenn dieses auch etwas gezwungen und schief ausfällt. Glücklicherweise enthebt ihn Cron einer Antwort, indem er weiter spricht und von Ninianes und seiner Beteiligung an den Kämpfen gegen die Brut der Finsternis in Talyra berichtet. Daß die Halbelbe und ihr Mann bei dem Tohuwabohu in Talyra dergestalt in Verlegenheit gebracht wurden, daß sie sich in TianAnmen von der "Weißen Frau" behandeln lassen mußten, führt dem Mann aus Dirholmar die Ernsthaftigkeit dieses Kampfes einmal mehr vor Augen. Wie der Volksmund spricht, besitzt Niniane Kräfte jenseits aller Vorstellungskraft. Und Cron muß, das weiß der Kapitän aus eigener Anschauung vor Liam Cailidh, zu den erfahrensten Kämpfern Ildoriens, wenn nicht der ganzen Immerlande, gezählt werden.

Jedoch zum langen Nachdenken bleibt Galrin kaum Zeit. Er hat inzwischen seine Geschenke überreicht und wird von Cron und seiner Frau auf eine Tasse Cofea eingeladen. Diese Einladung nimmt der Schiffbauer auch dankbar an, nachdem er sein Pferd in den Stall gebracht und zumindest für die kurze Zeit seines Aufenthaltes ausreichend versorgt hat.
Die Reaktionen auf die Geschenke, die er Niniane, Cron und ihrer gemeinsamen Tochter gemacht hat, fallen höchst unterschiedlich aus. Der Tronjer ist von dem filigranen Drachenschiff, das Galrin an langen Frühwinterabenden geschnitzt und schließlich zusammengesetzt hat, sichtlich angetan.

>>Wenn Ihr irgendwann kein Verlangen mehr nach Luftsegelei habt, dann könnt Ihr immer noch unter die Holzschnitzer gehen, Galrin. Das ist wirklich gut geworden, danke.<<, läßt sich Cron vernehmen, und der Angesprochene kann sich ein Lächeln nicht ganz verbeißen, als er sich andeutungsweise verbeugt und antwortet: "Nun ja, das Bearbeiten und Verzieren von Holz, und das Bauen von Booten und Schiffen, ob nun klein oder groß, ist immerhin mein Beruf. Da sollte ich zumindest ein wenig vom Schnitzen verstehen. Aber ich danke Euch, Mylord, für Euer Lob und nehme es gern an."

Daß die Ehefrau des Tronjers die Kette und den Bernstein für ihre Tochter mit einem Gesichtsausdruck zurückweist, als hätte Galrin ihr ganz Normand samt dem Dunkelwald, Laigin und halb Immerfrost zum Geschenk angeboten, verwundert den Schiffbauer doch sehr. Es ist sicher nicht so, daß Bernstein ein Allerweltsartikel wäre, den man in Normand an jeder Straßenecke für ein paar Kupferlinge hinterher geworfen bekommt. Aber eine absolute Seltenheit ist er ebensowenig. Schon oft war Galrin an den Gestaden des Nordmeeres entlang gewandert, hatte Bernsteine gesucht und gefunden, und sie anschließend mit viel Ausdauer zu kleinen Kunstwerken umgewandelt.

Doch der Tronjer klärt die etwas seltsame Situation rasch auf. Offenbar ist für die Elben Bernstein so wertvoll, daß selbst echte Edelsteine wie Smaragd, Rubin oder sogar Diamant daneben verblassen. Der Schiffbauer lächelt und nickt nach Crons Worten der Gastgeberin aufmunternd zu: "Ich bitte Euch, Mylady, nehmt dieses Geschenk an. Lehnt es nicht ab, nur weil es Euch zu wertvoll vorkommt. Ich versichere Euch, daß es mich nicht in den Ruin getrieben hat, und wenn es Euch gefällt, so hat es seinen Zweck erfüllt."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. Dez. 2005, 23:39 Uhr
Achter Langschnee - immer noch


Kaum hat Niniane die beiden Holzkästchen geöffnet, die Shaerelas und ihr eigenen Julfestgeschenke, wie der Schiffbauer seine Mitbringsel aus dem Norden genannt hat, enthalten, verschlägt es ihr einen Moment lang schlicht die Sprache. Was dort im flackernden Feuerschein und dem warmen Licht von einem guten Dutzend schlanker Bienenwachskerzen glänzt, ist nichts als reiner Bernstein. Sichtlich blass um die Nase klappt sie die kleinen Schatullen wieder zu und will sie erschrocken zurückgeben. "Das kann ich nicht annehmen... bei allen Göttern, Galrin, das ist... das ist viel zu viel. Es tut mir leid. Versteht mich nicht  falsch, die Ketten sind wunderschön, und ich bin sehr gerührt, dass Ihr... aber ich kann das nicht... wirklich nicht. Es schickt sich einfach nicht, versteht Ihr ahm... das anzunehmen... ich meine... ich..." sie blickt hilfeheischend zu Cron, aber der lächelt nur aufmunternd und versichert ihr, sie könne sehr wohl, das sei schon in Ordnung. Den Göttern sei Dank übernimmt er es, dem etwas verwundert dreinblickenden Galrin ihre Bestürzung zu erklären. >Galrin, Elben sind nicht nur völlig verrückt nach Bernstein, sie schätzen ihn auch rein von seinem Wert her höher ein als jeden anderen Edelstein, den Ihr Euch vorstellen könnt. Hättet Ihr Niniane ein dreireihiges Diamantencollier mitgebracht, hättet Ihr sie damit vermutlich nicht halb so verlegen gemacht, wie mit Eurer Bernsteinkette. Sie glaubt mir bis heute nicht, dass man nach einem Sturm manchmal Dutzende von Bernsteinen an den Stränden im Frodesund findet...<
"Äh... ja, nun. Völlig verrückt vielleicht nicht, aber es stimmt, ja. Bernstein ist der edelste aller Steine, die Tränen der Bäume, das Gold lange lange schon vergangener Wälder, erstarrt im endlosen Fluss der Zeit, aber... ich kann das wirklich nicht..." Galrin wischt all ihre Einwände mit einem fast beruhigenden Lächeln fort und erklärt vollkommen ungerührt: >Ich bitte Euch, Mylady, nehmt dieses Geschenk an. Lehnt es nicht ab, nur weil es Euch zu wertvoll vorkommt. Ich versichere Euch, daß es mich nicht in den Ruin getrieben hat, und wenn es Euch gefällt, so hat es seinen Zweck erfüllt.<

Die absurde Situation in ihrem Keller fällt ihr wieder ein, als sie für Ragnarsson die Riayael herausgesucht hatte, die sie ihm auf seine Fahrt nach Gronaland hatte mitgeben wollen... er hatte Shaerela kurz für sie gehalten und ihre Tochter hatte sich sehr für Galrins eigenen Bernsteinanhänger an einer Kette interessiert. Seine Worte von damals kommen ihr in den Sinn: > Nun, Sheraela, wenn Dir das Ding so gut gefällt, dann muß ich Dir wohl eines davon aus dem Norden mitbringen, hm?< Sie hatte sie nicht vergessen, sie aber für Galanterie und ein wenig... nun ja, ein wenig Aufschneiderei gehalten, reine Höflichkeit oder eine Anspielung auf die - ihrer Meinung nach - allgemein bekannte Vorliebe der Elben für Bernstein... es wäre ihr im Traum nicht eingefallen, das für bare Münze zu  nehmen und nun steht sie hier mit zwei Holzkästchen und zwei Bernsteinketten und der verflixte Nordmann will keines von beiden zurück. Sie klappt ihren Mund auf und zu und wieder auf, sieht eindringlich zu Cron, der jedoch nur lächelnd mit den Schultern zuckt und eindeutig demonstriert, dass er überhaupt nichts dabei findet. Dann sieht sie Galrin an, blickt in das gutmütige Gesicht mit den breiten Backenknochen, und alles, was ihr einfällt, ist: "Nicht in den Ruin getrieben klingt aber immer noch schrecklich teuer..." Der Schiffbauer (er muss vollkommen verrückt sein, das wird Niniane dabei klar), ist offenbar tatsächlich wild entschlossen, ihr den Bernstein zu schenken. Bei ihren Worten und der ganz offensichtlichen Tatsache, dass sie trotz ihrer Bedenken ja durchaus mehr als angetan von den Ketten ist, wittert er Morgenluft und versichert ihr - ebenso wie Cron - mit einer Mischung aus leiser Belustigung und beruhigender Freundlichkeit so lange und so eindringlich, sie könne seine Gaben getrost annehmen, was sei schon groß dabei, dass ihr Widerstand schließlich wankt, bröckelt, Risse bekommt, schwindet und sie dann zu ihrer Schande schmählichst im Stich lässt.

Die Ketten sind einfach zu schön, Cron zu einverstanden, Ragnarsson zu vorbehaltlos... und Galrins Worte klingen eigentlich auch ganz logisch und sind obendrein Balsam für ihr schlechtes Gewissen, das leise, aber penetrant etwas von Raffgier flüstert. Als sie sich dann endlich geschlagen gibt und annimmt, sich die Kette um den Hals legen lässt und den Bernstein auf ihrer Haut spürt, schilt sie sich zwar eine dumme Gans, aber sie strahlt, dass jeder Grünglanzsonnenaufgang gegen sie verblasst wäre. "Min Caris, Galrin. Shaerela schläft, aber ich bin sicher, auch sie wird sich sehr über ihre Kette freuen."
Sie sitzen am Kaminfeuer, trinken gemeinsam Cofea und futtern sich durch einen kleinen Berg mit Zimtäpfeln und Pflaumenmus gefüllter Teigtaschen, während sie ein wenig über die Ereignisse plaudern, die sich während Galrins Gronalandexpedition in Talyra zugetragen hatten... was abgesehen von der Masernepidemie, die jedoch keine größeren Schäden angerichtet hatte und dem Dämonenüberfall, der allerdings einiges angerichtet hat, jedoch nicht allzuviel Neues ist... und zweifellos dürfte der Schiffbauer auch schon so einiges darüber gehört haben. Sie fragt nicht nach dem Flug der Windkind in den Norden. Niniane hat Galrins Reaktion auf Crons durchaus aufrichtig gemeinte Worte zum Tod seiner Frau - von der sie beide nur wissen, dass sie auf besagter Expedition ihr Leben verloren hat - gesehen und es braucht wirklich keine Elbensinne, um zu wissen, dass ihm dieses Thema vermutlich mehr als unangenehm ist.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Galrin am 02. Jan. 2006, 00:15 Uhr
>>Min Caris, Galrin. Shaerela schläft, aber ich bin sicher, auch sie wird sich sehr über ihre Kette freuen.<<, sagt Niniane lächelnd, nachdem sie sich endlich dazu hat überreden lassen, das Geschenk des Schiffbauers zu akzeptieren.
Der Angesprochene atmet hörbar auf, und seine Erleichterung ist ihm deutlich anzusehen. Ohne die tatkräftige Unterstützung seines Landsmannes hätte er es wohl kaum geschafft, dessen Frau zur Annahme der Bernsteinkette für sich selbst, und des einzelnen Bernsteins für ihre Tochter, zu bewegen. So zwinkert Galrin dem Tronjer - von Niniane selbst unbemerkt - kurz zu und nickt dankbar, bevor er sich wieder über die Zimtäpfel, die kandierten Früchte und das andere Naschwerk hermacht, das zu heißem Cofea mit Rahm und Zucker gereicht wird.

Die Zeit bekommt manchmal Flügel, so sagt man, und als der Mann aus Dirholmar schließlich wieder zu seiner Werft aufbricht, ist es draußen schon wieder fast dunkel. Man verabschiedet sich herzlich voneinander, und Galrin verspricht, sich beizeiten wieder einmal blicken zu lassen. Nachdem er Niniane und ihren Gemahl noch gebeten hat, Grüße an Lord Caewlin und Lady Raven von Sturmende auszurichten, wenn sie diese wieder einmal sähen, lenkt der Schiffbauer sein Roß in Richtung Talyra und winkt noch zum Baum am Smaragdstrand zurück, bis die Dunkelheit den Reiter und sein Pferd verschluckt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 21. Jan. 2006, 11:22 Uhr
Am achten Tag des Langschneemonds


Niniane spürt das erste Ziehen in ihrem Rücken, lange bevor Galrin sich verabschiedet - genaugenommen, als er seinen fünften Zimtapfel verspeist und mit Cron über irgendein Boot auf seiner Werft spricht. Im ersten Augenblick hält sie den Atem an, aber noch ist der Schmerz kaum als solcher zu bezeichnen, nicht mehr als ein unangenehmes Spannen, und das würde sich auch noch einige Stundenlang nicht ändern... kein Grund also, in Panik zu verfallen oder ihren Besuch hinauszukomplimentieren. Sie trinkt ihren Cofea in kleinen, vorsichtigen Schlucken, lauscht gedankenverloren in ihr Inneres und schenkt der weiteren Unterhaltung der beiden Männer keine große Beachtung mehr. In ihrem Leib ist es ruhig geworden... war ihr Kind noch am Morgen, als sie die Ilexgirlanden aufgehängt hatte, so unruhig wie Mais in der Pfanne gewesen, ist es jetzt still. Recht hast du... ruh dich aus, solange du kannst. Das ist jetzt das tiefe Luftholen vor dem Sprung... und heute Nacht halte ich dich vielleicht schon im Arm. Ihr Blick schweift ab, wandert durch das warme Licht im Raum und die geheimnisvollen Schatten in den Ecken zu den Eisblumen an den Fensterscheiben. Allein ihr Anblick überzieht ihre Schultern und Arme mit Gänsehaut, trotz der Wärme des Feuers. Der Himmel draußen ist immer noch grau und still und die dunklen Wolken künden von noch mehr Schnee. Auf dem Kaminsims steht eine Schale mit kostbaren Orangen, Pinienzapfen und glänzenden Hagebutten und der wundervoll würzige Duft steigt ihr in die Nase. Der Geruch nach Orangen erinnert sie immer an die lange schon untergegangenen Himmelsinseln, erste Heimat der Elben und ihren Geburtsort... an eine andere Zeit und eine andere Welt. In den Gärten des Palastes ihrer Mutter am Ufer des Âeyolfar wuchsen Orangenbäume und ihr Duft war schwer und süß in der Abendluft. An ihrem sechzehnten Namenstag hatten sie geblüht und sie war unter ihnen spazieren gegangen, zum Fluss hinunter. An diesem Tag hatte sie ihr Haar zum ersten Mal aufgesteckt getragen und dann lange im dunklen Wasser ihr Spiegelbild betrachtet. War diese fremde Frau wirklich sie? Götter im Himmel, wie lange ist das her... Zum zweiten Mal ziehen sich ihre Muskeln zusammen, vom Rücken in den Bauch und wieder zurück, nicht lange, aber viel heftiger als vorhin. Oh... Ihr Blick huscht zur Stundenkerze und während sie langsam ihren Herzschlag abzählt, um die Zeit zu schätzen, hört sie mit halbem Ohr, wie Galrin sich anschickt, sich zu verabschieden.

Cron bringt ihn zur Tür, sie dagegen braucht mit ihrem unförmigen, hochschwangeren Kugelbauch ein wenig Zeit, um sich aus dem weichen, runden Elbensessel hochzukämpfen, und als sie endlich auf ihren Füßen steht, um den beiden nach draußen zu folgen, durchzuckt sie ein so heftiger, dumpfer Schmerz, dass sie beinahe prompt wieder nach hinten umgekippt wäre. Oh nein... nicht so schnell. Nicht so schnell. Ich habe mich ganz bestimmt auf acht schwere Stunden eingestellt, nicht nur auf eine... Was soll denn das? Sie hört, wie Cron dem Schiffbauer im Vorraum verspricht, Raven und Caewlin die bestellten Grüße auszurichten, wie er mit Galrin den Baum verlässt, um Ragnarsson sein Pferd aus dem Stall und dann das Feuerholz vom Schlitten hereinzuholen, will nach ihm rufen, sich bemerkbar machen, ihm sagen, dass sein Kind jetzt käme und er gefälligst herkommen soll, doch sie hat vor lauter Atemholen überhaupt keine Luft dafür übrig. "Götterverdammt, das tut weh!" Jappst sie schließlich, als die Wehe endlich abflaut. Ein Blick aus dem Fenster zeigt eine frühe Winterdämmerung und lautlos fallende, federweiche Flocken, so groß wie Kinderhände. Niniane unternimmt probeweise ein, zwei Schritte in Richtung Wand, stellt  fest, dass sie sich bewegen kann und beeilt sich, in den Vorraum zu kommen, solange ihre Füße ihr noch gehorchen und möglichst bevor der nächste Wehenkrampf sie überrollen würde. Immerhin schafft sie es ins Esszimmer hinüber, ehe sie erneut stehen bleiben, sich hektisch an einem Stuhl festkrallen und vor Schmerz zusammenkrümmen muss. "Das ist jetzt wirklich ein hervorragender Zeitpunkt," keucht sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, während sie versucht, nicht zu ersticken, sich gerade zu halten, gleichsam in ihren Bauch hineinzuatmen und den Schmerz irgendwie auszuhalten. "Dein Vater stapelt in aller Ruhe irgendwelches Holz in Feuerkörbe und deine Schwester wird jeden Moment aufwachen. Ohhh... uff. Puh. Puh! Kind. Dein. Zeitplan. Stinkt. Zum. Himmel." Sie spürt ein feines Prickeln in ihrem Nacken, dann öffnet sich die unbarmherzige Eisenfaust, die ihre Eingeweide gerade eben noch zu Brei gequetscht hat ebenso unvermittelt, wie sie sie gepackt hat, und sie erschauert einmal von Kopf bis Fuß. Draußen verklingt dumpf der Hufschlag von Galrins Pferd, das durch den Schnee davonknirscht, auf ihrer Stirn glänzt ein dünner Schweißfilm und ihre Beine, die inzwischen die Konsistenz von Brotpudding haben, zittern.

Trotzdem schafft sie es irgendwie in den Vorraum hinüber, wo sie sich an die Wand lehnt, gerade als Cron hereinkommt, Schnee in seinem rabenschwarzen Haar, Schnee auf seinen Schultern, Schnee an seinen Stiefeln und einen herzallerliebst mit Schnee überzuckerten Korb voller niedlicher Holzscheite im Arm. Bei ihrem bestimmt ziemlich aufgelösten Anblick bleibt er in der geöffneten Tür stehen, so dass der Wind an ihm vorbei Schleier zarter, weißer Flocken hereinwirbelt, als schneie es im Inneren des Baumes. Sie öffnet den Mund, um es ihm zu sagen, obwohl sie in seinen Augen sehen kann, dass er längst weiß, woran er ist, doch schon ihr erstes Wort geht in einem erstickten Keuchen unter. Dann reißt etwas in ihrem Inneren, sie kann den Ruck bis in ihre Knochen spüren, ein scharfer, stechender Schmerz, der noch lange nachhallt, sich aber nicht wiederholt. Im nächsten Augenblick wird ihr Rock dunkel und nass von Fruchtwasser und zu ihren Füßen bildet sich eine pfirsichfarbene Pfütze auf den glänzenden Bodendielen. "Du siehst..." beginnt sie, möchte noch mehr sagen und kann nicht, da die nächste Wehe sie packt und durchschüttelt. Ihr Gesicht wird abwechselnd blass, fast weiß, dann wieder dunkel vor Anstrengung und sie kann nur noch die Augen schließen, vernehmlich durch die Nase atmen und darauf warten, dass es vorbeigeht. Als sie den Kopf wieder hebt, um ihn anzusehen, muss sie sich auf die Lippen beißen, um über den tödlichen Schrecken in seiner Miene nicht zu kichern. "Das Kind kommt. Jetzt, Cron. Bringst du mich nach oben, bitte?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 12. Feb. 2006, 13:24 Uhr
Am achten Tag des Langschneemonds


"Götter im Himmel..." Ihre Blicke treffen sich und er ist mit zwei großen Schritten bei ihr, während der Feuerholzkorb samt seinem Inhalt in einer kleinen Schneewolke in alle Richtungen davonfliegt. >Du siehst...< beginnt sie, doch gerade, als er sie erreicht und ihre Arme umfasst, krümmt sie sich unter der nächsten Wehe. "Götter im Himmel..." wiederholt er sichtlich betroffen. "Cariad... ist es soweit? Warte... ich reite in die Stadt und hole Morgana oder TianShi... ich muss dich kurz allein..." Sie schüttelt vehement den Kopf und atmet heftig durch die Nase. Er kann sehen und fühlen, wie ihr Bauch sich zusammenzieht, als sie sich gegen ihn lehnt, und als sie den Kopf nach einer halben Ewigkeit wieder hebt, starrt er entsetzt in ihr kalkweißes Gesicht. Einen Moment sieht sie aus, als wolle sie gleich losprusten vor Lachen, aber dann holt sie nur probeweise ein paarmal tief Luft und erklärt seelenruhig, das Kind käme jetzt und er solle sie nach oben bringen.
"Jetzt? Was soll das heißen, jetzt?" Echot er alarmiert, doch noch ehe sie ihm antworten kann, rollt schon die nächste Wehe über sie hinweg und er kann nichts weiter tun, als sie festzuhalten, bis er spürt, dass auch dieser Krampf vollkommen abgeflaut ist und sie wieder einigermaßen sicher auf ihren eigenen Füßen steht. Kaum kann sie wieder atmen, packt sie seinen Arm, zieht ihn mit einem Ruck zu sich und zischt durch zusammengepresste Zähne. "Jetzt! Das Kind kommt jetzt, Cron!"
"Du meinst... sofort?!" Sie nickt nur und jetzt schimmert eindeutig Belustigung über seinen tödlichen Schrecken in ihren goldgesprenkelten Augen. "Verdammt, Nan, das machst du mit Absicht!" Einen Moment lang irrt sein Blick gehetzt durch den ganzen, runden Raum, dann hebt er sie entschlossen hoch und trägt sie die Treppen hinauf. "Shaerela kann jeden Moment aufwachen, draußen liegt schätzungsweise viereinhalb Fuß hoch der Schnee und ich habe keine Ahnung, wie ich dir helfen soll... was immer du da gerade tust, Nan, hör auf damit... oder warte wenigstens so lange, bis ich Morgana hergeholt habe..."

Jetzt lacht sie wirklich, ein glucksendes, leises Geräusch an seiner Brust. "Das ist nicht lustig..." murmelt er, als er sie in ihrem Schlafgemach auf die Füße stellt. "Kannst du stehen? Gut. Warte, ich helfe dir aus dem Kleid..." Er zerrt einen Armlehnstuhl heran, setzt sie vorsichtig hinein und fährt dann mit einer seltsamen Mischung aus Erheiterung, Empörung und Unbehagen in der Stimme fort: "Das ist wirklich nicht lustig. Ich vergehe hier vor Angst und du lachst. Sollte eine Geburt nicht eigentlich Stunden dauern?" Er löst die Schnüre und Bänder ihres Oberkleides und streift es ihr vorsichtig ab. Bis er sie aus ihren weichen Stiefeln, den Strümpfen, dem Unterkleid und der Leibwäsche heraus hat, hat sie noch drei weitere Wehen und jede ist heftiger als die vorherige. "Du hast es wirklich eilig, was? Nan, sag mir die Wahrheit, wie lange hast du schon Schmerzen? Ich weiß ja wirklich nicht viel über Geburtshilfe, aber das geht zu schnell. Geht es dir gut... ist... ist alles in Ordnung?" Sie nickt, aber ihr Gesicht ist jetzt wirklich weiß wie Pergament und ihre Augen sind riesengroß und bernsteindunkel. Dann nimmt sie seine Hand und legt sie auf ihren Bauch, der so straff und gespannt wie eine Trommel ist. Er kann die Umrisse des Kindes unter der dünnen Hülle aus schimmernder Haut und feinen Muskelsträngen deutlich spüren - es ist groß und es regt sich sacht. Mit ihm scheint jedenfalls wirklich alles in Ordnung zu sein. Aber was ist mit ihr? Er sieht in ihr Gesicht und hätte am liebsten ihren aufgesprungenen, fest zusammengepressten Mund weich geküsst. Sie ist bleich und sieht krank aus, und er kann ihr ansehen, dass sie heftige Schmerzen leidet. "Ich hole dir eines von meinen alten Hemden, sonst wird dir kalt. Das kannst du doch tragen, oder?" Sie nickt und er holt eines aus der Wäschetruhe, streift es ihr über und sie hangelt sich in die Ärmel, die ihr viel zu lang sind. Während er sich vor sie kniet und den weichen Stoff bis zu den Ellenbogen hochkrempelt, schlägt ihm sein eigenes Herz irgendwo im Hals. Trotzdem gelingt es ihm irgendwie mit einer Ruhe, die er gar nicht empfindet, zu fragen. "Was... kann ich tun? Willst du ein Stück gehen? Darfst du überhaupt gehen? Oder willst du dich vielleicht lieber hinlegen?"

Ihr gewölbter Bauch wird hart wie Stein, als ihre Muskeln sich mit der nächsten Kontraktion zusammenziehen, und aus ihrem Atmen wird ein angestrengtes Zischen. "Himmel, Nan, das waren jetzt mindestens fünf Wehen in ebensovielen Minuten, du hast ja dazwischen nicht einmal mehr Gelegenheit, Luft zu holen! Du musst dich jetzt hinlegen, bitte..." Sie schüttelt nur den Kopf, viel zu beschäftigt damit, nach Atem zu ringen, als dass sie noch artikuliert sprechen könnte, aber als sie tatsächlich Anstalten macht, sich auf die Füße kämpfen zu wollen, hebt er sie hoch und bringt sie zum Bett hinüber. Dort muss er sie allerdings einen Moment los lassen, um die Kissen und Decken beiseite zu schieben und ein paar saubere Laken über die Matratze zu breiten. "Nein, schluss jetzt mit tapfer sein, Cariad," er bugsiert sie so vorsichtig auf das Bett, als sei sie bis zur Nasenspitze mit Loas Öl angefüllt und halte in jeder Hand einen brennenden Kienspan. "Nan, du bekommst ein Kind, du musst jetzt nicht die Heldin spielen. Leg dich hin und sag mir endlich, was ich tun soll. Kann ich überhaupt irgendetwas tun? Heißes Wasser holen vielleicht? Immer rennen sämtliche Hebammen und sonstigen Frauen bei Geburten nach heißem Wasser, das weiß sogar ich... brauchen wir welches? Und Tücher..." Er stopft ihr ein paar Kissen in den Rücken und hat noch nicht einmal ausgeredet, als sich ihr ganzer Körper plötzlich spannt wie eine Sprungfeder, sich aufbäumt und sie beginnt, zu pressen. Einen Moment zögert er noch, aber dann schiebt er ihr entschlossen das Hemd über die Taille. "Götter im Himmel, es kommt wirklich jetzt...." Er hebt den Kopf und sieht sie aus schmalen Augen an. "Das werde ich dir nie und nimmer verzeihen. Und jetzt streng dich an, Cariad."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 12. Feb. 2006, 19:50 Uhr
Am achten Tag des Langschneemonds


Sie weiß später nicht mehr zu sagen, wie sie eigentlich in ihrem Bett gelandet ist - gerade eben saß sie noch in einem Armlehnsessel und wurde aus ihren Kleidern geschält, nur um gleich darauf in ein weiches, altes und verwaschenes Flanellhemd gesteckt zu werden -, aber sie ist wirklich froh, in den Kissen zu liegen, als die eigentliche Geburt beginnt. Crons Stimme dringt durch den Schmerz und ihre eigenen, überlauten Atemzüge. >Nan, du bekommst ein Kind, du musst jetzt nicht die Heldin spielen. Leg dich hin und sag mir endlich, was ich tun soll. Kann ich überhaupt irgendetwas tun? Heißes Wasser holen vielleicht? Immer rennen sämtliche Hebammen und sonstigen Frauen bei Geburten nach heißem Wasser, das weiß sogar ich... brauchen wir welches? Und Tücher...< Sie schüttelt den Kopf und spürt ihr schweißnasses Haar in ihrem Nacken und an ihren Wangen kleben. Die Wehen folgen jetzt so dicht aufeinander, dass ihr dazwischen wirklich keine Gelegenheit mehr bleibt, zu entspannen, ein wenig Luft zu holen oder sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, als auf die Vorgänge in ihrem Körper - auf die sie ohnehin wenig Einfluß hat, denn er reagiert auch ganz ohne ihr eigenes Zutun. "Nein. Ja. Später. Gibt nicht viel, was man tun kann... wenn alles..." gut geht, will sie eigentlich sagen, aber der Rest ihrer ohnehin nur noch als heiserem Flüstern vorhandenen Stimme geht in einem tiefen, knurrenden und ganz und gar unmenschlichen - oder unhalbelbischen - Laut unter. Der gewaltige, unwiderstehliche Drang, dieses winzige Bündel neuen Lebens endgültig zur Welt zu bringen, rollt durch sie hindurch, ein ungeheurer Druck, der ihr Innerstes nach Außen zu kehren und sämtliche ihrer Knochen unbarmherzig zu verschieben scheint. >Götter im Himmel, es kommt wirklich jetzt...< tönt es vollkommen fassungslos irgendwo über ihrem Kopf und mitten in dieser mahlenden Agonie aus Anstrengung und wildem Schmerz hätte sie am liebsten laut gelacht. "Ach nein...", keucht sie, "darauf wäre ich jetzt nie im Leben gekommen..."  

>Das werde ich dir nie und nimmer verzeihen,< kommt prompt eine höchst indignierte Antwort, gefolgt von einem so schicksalsergebenen wie gebieterischen: >Und jetzt streng dich an, Cariad.<
"Was..." knurrt sie atemlos und kämpft sich mit japsenden kleinen Lauten ein Stück in den Kissen hoch, "glaubst du eigentlich, dass ich hier tue, Nordmann? Pressen, pressen... ich mache das so gut ich kann!"
Sein Gesicht verschwindet aus ihrem Blickfeld und kehrt dann zurück. "Gut, dann press noch mehr!"
"Argh! Ich will sehen... wie. Du. Es. Besser. Machst. Verdammter... Bastard! Blöder... Mistkerl...!"
Das Kind, das es eben noch so eilig hatte, zur Welt zu kommen, lässt sich plötzlich erstaunlich viel Zeit - ihr jedenfalls kommen diese so ganz anderen Wehen wie eine halbe Ewigkeit vor, und der Schmerz wühlt tief und unnachgiebig in ihrem Inneren. Sie spürt den wachsenden Druck in sich, ihre zum Zerreißen angespannten Muskeln, den rotschwarzen Zorn, der sie funkensprühend überkommt. Sie hört sich selbst so wild und wutschnaubend fluchen, dass jedem hartgesottenen Seemann die Haare zu Berge gestanden wären, spürt das Nachlassen, das plötzliche Entspannen und Zurückweichen, einmal, zweimal, und dann, wie das Kind in einem kleinen Schwall aus Blut und Fruchtwasser aus ihrem Leib gleitet. Schweißnass und schweratmend fällt sie in die Kissen zurück, bekommt endlich wieder Luft in ihre Lungen, blickt in die Schatten, die sich unter der hohen Zimmerdecke sammeln und lächelt breit, voller Erleichterung und Hochgefühl. Von den Schmerzen, die eben noch wie scharfe, rote Messer in ihre Eingeweide geschnitten hatten, ist nichts als dumpfes Brennen und ein schwaches, ziehendes Echo geblieben. Sie hört die leisen, maunzenden Laute ihres Babies, noch immer durch die pulsierende Nabelschnur mit ihrem Körper verbunden, gefolgt von einem wütenden Quietschen und dem tiefen Lachen Crons, und als sie den Kopf hebt, kann sie sehen, wie das winzige Bündel Mensch in den großen Händen seines Vaters zappelt. Im selben Augenblick weiß sie, was sie schon lange geahnt und Shaerela schon seit Wochen steif und fest behauptet hat - sie hat einen Sohn.

"Und?" Flüstert sie, während sie ihre Hände fest auf ihren Leib legt. "Ist das ein gutes barn?" Sie spürt den leisen, lächerlichen Stich des Verlustes und streicht fest über ihren Bauch, bis sie fühlen kann, wie die Nachgeburt sich löst und in einer letzten Kontraktion abgestossen wird. Cron bindet die Nabelschnur ab, durchtrennt sie, wickelt seinen Sohn in ein weiches Tuch und legt ihn ihr dann in die ausgestreckten Arme. Der Kleine ist ein ziemlich solides Bündel, wie sie furchtbar stolz feststellt, fuchtelt energisch mit seinen winzigen Fäustchen durch die Luft, zieht ein wütendes Gesichtchen und gibt zornige Hungerquietscher von sich. Niniane starrt vollkommen hingerissen auf das Kind in ihrer Armbeuge, auf zehn perfekte Finger und zehn perfekte Zehen, auf eine winzige Nase, leicht schrägstehende, fest geschlossene Augen, gesäumt von pechschwarzem Wimpernflaum, auf ebenso schräge, dünne Brauen, kaum mehr als eine Andeutung auf rosiger Haut, und auf zwei lächerlich winzige, faltige Ohren, deren Spitzen so zart sind, das man das elbische Erbe nur noch ahnen kann. "Du lieber Himmel, er ist so groß wie ein Büffel," murmelt sie weich und noch ein wenig atemlos, als sie das Baby in ihrem Arm wiegt und versucht, sein Gewicht zu schätzen. "Das sind mindestens acht Pfund...." Die Hebamme in ihr regt sich und sie versucht, ihr Kind mit den strengen Augen einer Geburtshelferin zu sehen, aber auch hier wird sie rundum zufrieden gestellt - Atmung, Bewegung, Reflexe und Hautfarbe, alles scheint in bester Ordnung. Cron überlässt ihn ihr, aber er setzt sich neben sie, so dass sie sich an ihn lehnen kann, und blickt so fasziniert auf seinen Sohn, wie sie. "Wie soll er heißen?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 22. Feb. 2006, 01:27 Uhr
Vom Abend des 8. Langschnee bis zur Nacht vom 17. auf den18. Langschnee


>Verdammter... Bastard! Blöder... Mistkerl...!< "Aye, mein Herz, ich liebe dich auch." Die Wehen dauern an und an, und Niniane flucht derber als jeder Blutsöldner, bis quälend langsam und erschreckend schnell zugleich schließlich sein Sohn geboren wird, und nass, nackt und blutig in seine wartenden Hände gleitet. Aber noch bevor er deshalb in Panik verfallen kann, hat er das winzige Bißchen Mensch, das sich windet wie eine gestrandete Forelle und wütend - und erstaunlich kräftig - mit seinen Ärmchen herumrudert, schon in ein weiches Ledertuch gehüllt und die noch pulsierende Nabelschnur abgebunden, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nichts anderes getan. >Und?< hört er Niniane über die kurzen, explosionsartigen Quäklaute seines Sohnes hinweg flüstern und der leise Nachhall der Anstrengung und des Schmerzes in ihrer Stimme zieht ihm das Herz zusammen. >Ist das ein gutes barn?< Er kann nur nicken und erst als er den Kleinen abgenabelt hat, die Nachgeburt da und entsorgt ist, und er das Baby seiner erschöpften, aber ganz und gar triumphierend aussehenden, schweißnassen Mutter in die Arme legt, fangen seine Hände an zu zittern. Weil seine Knie sich ohnehin irgendwo zwischen der Konsistenz von Brei und Pudding bewegen, und er das kleine, zornige Gesichtchen nicht einmal für einen Wimpernschlag mehr aus den Augen lassen kann, setzt er sich neben sie auf die Bettkante, betrachtet über ihre nackte Schulter hinweg sein Kind und streicht ihr das feuchte Haar zurück. Mein Kind... mein Sohn. Götter im Himmel... Er beugt sich vor um ihr einen Kuss auf die Schläfe zu drücken und sieht, dass sie immer noch lächelt, von einem Ohr zum anderen. "Das ist ein verflucht gutes barn, Cariad." Sie nestelt den Halsausschnitt des Hemdes auf, in das er sie gesteckt hatte, und legt das Baby an. Sein Sohn windet sich immer noch, dreht umständlich das kleine, runde Köpfchen, stupst mit der Nase an ihre weiche Haut und gibt ein höchst zufriedenes Schmatzen von sich, als er findet, was er sucht. Eine Weile bewundern sie ihn schweigend, noch völlig benommen von der Geburt, der unglaublichen Schnelligkeit, mit der alles gegangen war, der überstandenen Anstrengung und der so heftigen Liebe für dieses winzige, vollkommen neue Wesen.

Ein wenig später, nachdem Niniane und das Baby gewaschen sind, das Bett frisch bezogen ist und er ein Tablett mit Essen und Tee für Niniane geholt hat, wacht auch Shaerela endlich auf und tappt auf nackten Füßchen die Treppen in das Schlafgemach unter der ausladenden Baumkrone hinauf. Beim Anblick des Babys im Arm ihrer Mutter bleibt sie stocksteif stehen, bekommt große Augen und trippelt dann nur so vorsichtig näher, als sei das kleine, inzwischen friedlich schlafende Bündel ein sehr merkwürdiges und möglicherweise hochgefährliches Wesen. Sie wirft einen denkbar kurzen Blick auf ihren Bruder, klettert auf das Bett, kuschelt sich an Ninianes freie Seite und erklärt mit finsterer Miene. "Meine Mama!" Ninianes leises Lachen klingt noch rauher als sonst, aber sie streicht Shaerela beruhigend über die dunklen Locken, küsst ihre Stirn und drückt sie fest an sich. Als Cron zu ihnen ans Bett tritt, blickt sie auf und in diesem Moment sind ihre Augen so dunkel wie Waldhonig. >Wie soll er heißen?<
Dass er diesem Kind einen Namen geben würde, ist schon seit Monden eine Art stumme Übereinkunft zwischen ihnen, aber er hatte damit warten wollen, bis das Baby auch auf der Welt ist. Sicher, sie hatten oft über einen möglichen Namen gesprochen in den letzten Wochen, hatten sich gegenseitig mit albernen Vorschlägen aufgezogen und es immerhin geschafft, so etwas wie einen Rahmen für "schön", "möglich", "indiskutabel" und "grauenhaft" abzustecken, aber entschieden hatten sie sich bisher noch für keinen, und nun erinnert er sich grinsend an ein Gespräch, das sie erst vor wenigen Tagen deswegen geführt hatten. >Ich kann nicht jetzt schon einen Namen festlegen, Nan... Was, wenn ich einen Mädchennamen finde und es doch ein Junge wird oder umgekehrt? Und wenn es ein Junge wird - was, wenn ich beschließe, ihn Sigurd zu nennen und dann stellt sich heraus, dass er überhaupt nicht wie ein Sigurd aussieht?<
>Sigurd?<
>Sigurd ist ein absolut respektabler, nordischer Name!<
>Cron, versprich mir, dass du unser Kind nicht Sigurd nennen wirst, ganz egal wie es aussieht.<


Er blickt auf den rabenschwarzen Haarschopf seiner Tochter, die sich im Schutz von Ninianes freiem Arm weit vorgebeugt hat, um einen genaueren Blick auf diesen winzigen Emporkömmling zu werfen, und dann auf den ebenso dunklen Flaum über der Stirn seines Sohnes - im Augenblick das einzige, was er zwischen den weichen Decken, in die das Baby gewickelt ist, von ihm sehen kann. Der Kleine hatte bisher noch nicht die Augen geöffnet, aber er weiß, dass sie so golden wie die seiner Mutter und seiner Schwester sind. Dann sieht er Niniane an, die immer noch lächelt und mit diesem Lächeln leuchtet, als gehe die Sonne in ihrem Gesicht auf. "Ich würde ihn gern nach meinem Vater nennen. Leir... Lhier."  Sie blickt zu ihm auf und er setzt sich zu ihr, streckt die Hand aus und schlägt die Decken ein wenig zurück, so dass er das Baby ansehen kann. "Er sieht aus wie Shaerela ausgesehen hat... das gleiche dunkle Haar, die gleiche Nase... selbst die winzigen Ohrenspitzen... sieh dir das nur an. Wie du, kleines Fräulein." Er angelt nach seiner Tochter, die sich kichernd hochheben, aus dem Arm ihrer Mutter fischen und auf seinen Schoß setzen lässt, wo sie sich zwischen seinen Armen einrollt wie eine Katze. "Leir," wiederholt er und probiert den Klang. "Oder ist das noch schlimmer als Sigurd?"
Niniane schüttelt den Kopf und lächelt, ehe sie ihren Sohn betrachtet und leise echot. "Leir.. S'leja, Leir."
"Es ist kein nordischer Name... soweit ich weiß, kommt er aus Laigin. Meines Vates Mutter war eine laiginsche Fürstentochter, jetzt weißt du, wo die Tronjer ihren Sturschädel herhaben. Aber in dem Singsang-Kauderwelsch, dass sie in Laigin sprechen, schreibt man ihn vermutlich ganz anders... ich weiß nur nicht wie."
"In Tamar? Laoghair vermutlich," kommt prompt die Antwort - säuberlich buchstabiert - und Cron verzieht belustigt die Mundwinkel zu einem halb bewundernden, halb überraschten, schiefen Grinsen. "Gibt's auch irgendetwas, das du nicht kannst, Nan?"
Einen Moment lang blitzt ein warnendes Funkeln in den dunklen Goldaugen auf, dann hebt sie die Arme, hält ihm vorsichtig das Baby entgegen und erklärt trocken: "Ja, aufstehen. Kannst du ihn frisch wickeln und mir etwas zu essen geben, bitte?"  

Die nächsten Tage vergehen erstaunlich ruhig im Baum... sehr viel ruhiger, als zumindest er es sich mit einem eifersüchtigen Kleinkind und einem Neugeborenen vorgestellt hätte. Sein Sohn tut lange nichts anderes, als Schlafen und Essen, und Shaerela bekommt zwar einen Trotzanfall nach dem anderen, aber nachdem er ihr unmissverständlich klar gemacht hat, dass sie nicht allein auf Rohas weitem Rund ist, und Niniane ihr glaubhaft versichern konnte, dass ihr Bruder ihr nichts wegnehmen wird, wird sie sogar wieder umgänglich und bekundet zaghaft leises Interesse am neuesten Familienmitglied. Irgendwie gelingt es ihm sogar, Nan dazu zu bringen, wengistens einen Tag lang mehr oder weniger das Bett zu hüten, aber am zweiten Morgen nach der Geburt ihres Sohnes hält sie schon nichts mehr zwischen den spinnwebseidenen Decken und weichen Kissen.  Was immer er dagegen sagt, jetzt schon wieder aufzustehen, sie wischt alle seine Einwände mit einem entschlossenen "Papperlapapp!" beiseite. Außerdem sei sie ja nicht aus Zuckerwatte, sie habe sich schon von Shaerelas Geburt unverschämt schnell wieder erholt und überhaupt, sie würde jetzt gern ein paar Bäume ausreißen...  Cron ist immer noch dabei, ihr das auszureden, als sie auch schon wie ein Schiff unter vollen Segeln durch den Baum rauscht, das Baby im Arm, und ihren täglichen Arbeiten nachgeht - sehr zur Freude von Shaerelas Magen, denn Kochen gehört immer noch nicht zu seinen Stärken. Bäume außreißen kann er ihr zwar nicht bieten, aber Schneeschaufeln, wenn ihr soviel daran liegt. Die Schneefälle dauern an und an, bis sie im Baum vollkommen eingeschneit sind und nicht einmal mehr die Mogbarwäscherin zu ihnen durchdringt - geschweige denn, dass an irgendwelche Besuche in Talyra auch nur zu denken ist. Das gesamte Larisgrün verwandelt sich in eine winterliche Eiswunderwelt, der Smaragdstrand, ihre Lichtung - einfach alles verschwindet unter einer eineinhalb Schritt hohen weißen Decke. Nicht einmal Niniane kann sich einen herzländischen Winter mit soviel Schnee erinnern, aber Cron genießt es sichtlich, und Shaerela ist mindestens so hingerissen von Kälte, Eis und Schnee wie er selbst. Jeden Morgen schaufelt er schicksalsergeben und enthusiastisch zugleich den schmalen Trampelpfad zum Pferdestall hinüber frei, eifrig unterstützt von einer wackelnden Zweijährigen mit Miniaturspaten - und jeden Abend hat sich die Lichtung wieder in eine ebene, glitzernde weiße Fläche verwandelt.

Mit der beschaulichen Ruhe einer behaglich eingeschneiten Kleinfamilie (samt mustergültiger Kinder, heißer Quelle und gut gefüllter Vorratskammern) ist es knapp einen Siebentag nach Leirs Geburt jedoch endgültig vorbei. Der Kleine hat einen leuchtend roten Ausschlag an seinem winzigen Hinterteil und hält sie damit beide nächtelang wach - nur Shaerela träumt unberührt von jämmerlichstem Babygeschrei friedlich in ihrem Bettchen und ist deswegen, im Gegensatz zu ihnen, tagsüber auch grauenhaft ausgeschlafen. Vier Tage vor dem Julfest, nach drei Tagen und ebensovielen Nächten voller Dauergebrüll, haben sie zum erstenmal wieder so etwas wie Nachtruhe - und sie schlafen beide wie ein Stein, das Kind zwischen sich, an Ninianes Körper eingerollt wie ein Fragezeichen, der windelgesicherte Hintern dick mit Zinksalbe versehen. Die geradezu paradiesische Stille währt allerdings nicht lange. Irgendwann weit nach Mitternacht wird Cron von dumpfem, hektischem Klopfen aus dem Schlaf gerissen, und nachdem er sich aus den Decken gequält hat, in Hemd und Hosen geschlüpft und mit wirrem Haar und schlafverhangenen Augen nach unten an die Tür geeilt ist, steht er einem hochgewachsenen jungen Mann mit windverwehtem, schneeverkrusteten Haar und blauen Augen gegenüber, der einen reichlich gehetzten Eindruck macht und ihm vage bekannt vorkommt - auch wenn er in seinem desolaten Zustand beim besten Willen nicht sagen kann, woher. Cron schluckt eine Bemerkung über die götterlästerliche Unzeit hinunter und unterdrückt ein Gähnen - wenn jemand mitten in der Nacht wie ein Wilder an Ninianes Tür klopft und sich obendrein durch all diesen Schnee hierher gekämpft hat, dann ist das mit Sicherheit ein Notfall. Ja, aber ich kann trotzdem kaum aus den Augen sehen. Götter im Himmel... "Wasgibtsdennbeiallenneunhöllenkommrein." Dann fällt ihm siedendheiß etwas ein, das ihn schlagartig hellwach werden lässt. "Du sagst mir jetzt aber nicht, Niniane soll kommen, weil schon wieder ein Dämon die halbe Stadt abfackelt, oder?"  

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Tiuri am 22. Feb. 2006, 11:26 Uhr
Vom 17. auf den 18. Langschneemond, von der Harfe bis zum Baum.


Den ganzen Tag über ist Tiuri herum gerannt wie ein Verrückter, hat seinen Zorn und seine Enttäuschung über Sigournys Verschwinden in Energie umgewandelt und kaum eine Minute verstreichen lassen in der er sich nicht bewegt hat. Abends sitzt er dann nur kurz im Schankraum der Harfe ehe er sich nach oben in sein Zimmer begibt. Das Haus will er heute nicht mehr verlassen und eigentlich ist seine Laune so schlecht, dass er es nicht einmal in der nächsten Woche verlassen möchte. Überhaupt will er nur mehr in sein Bett fallen, weil alles an ihm bleischwer ist und er sich elendig müde fühlt. Trotzdem fällt ihm auf, dass er stinkt wie ein Iltis, nach Schweiß und Stall, und so besorgt er sich noch Lappen und Wasser um sich von der lieblichen Duftmarke zu befreien. Die Bewegungen des Jungen sind langsam, schwerfällig und eher halbherzig als er sich so über die Haut fährt, bis sich seine Hand plötzlich um den Lappen zusammen krallt und er ihn mit so viel Kraft wie er nur aufbringen kann gegen die Wand schleudert.
Er hat gedacht sein größter Zorn wäre verraucht, aber irgendwie kommt er in Schüben immer wieder, sogar jetzt noch, einen ganzen Tag nach ihrem Verschwinden.
Warum stört es dich eigentlich so? Ist doch egal, das bisschen angekratzten Stolz wirst du doch verkraften oder?
„Ja, natürlich!“ sagt er sich, es stört ihn kein bisschen, dass sie weg ist, es geht ihm blendend, es stört ihn nicht, dass er nicht weiß wer er ist und woher er kommt, noch weniger ärgert es ihn, dass er nicht weiß wer sie ist und woher sie kommt und was sie macht und warum sie fort gegangen ist. Seine Narben sind ihm auch völlig gleichgültig und plötzlich ist wirklich aller Zorn weg und er lässt sich auf seine Bettkante sinken.
Ist nicht mal meine Bettkankte, ist Borgils… fällt ihm ein und weiß sofort, dass es Schwachsinn ist was er da denkt, denn die Harfe ist ihm das erste zu Hause geworden an das er sich erinnern kann. Er liebt die Leute hier und er hat sich an diese Kammer gewöhnt, an ihre Wände, an das Bett, an die ersten Strahlen Shenrahs die ihm immer genau ins Gesicht fallen, jeden Morgen. An das leise Knirschen eines der Fußbodenbretter und an viele andere Kleinigkeiten die er nicht mehr missen möchte.
Es sind genau diese Dinge die er sich vor Augen hält, als er sich zurück legt, das Licht löscht und die Augen schließt.
Der Schlaf übermannt ihn beinahe sofort und das nächste was er weiß ist, dass er senkrecht im Bett steht. Schon bei Borgils erstem Klopfen gegen die Tür und bei dem Rums mit dem er sie aufstößt, ist Tiuri aufgewacht und hochgefahren, aber das Herz bleibt ihm fast stehen als nur einen Liderschlag später, der bullige Zwerg an seinem Bett ist und ihn hervor zerrt. Erst denkt Tiuri sein letztes Stündlein habe geschlagen, aber dann versteht er was Borgil da eigentlich von ihm möchte, er erkennt trotz der Dunkelheit die Aufregung des Zwerges, eine Hektik die der Junge nicht wirklich vom Harfenwirt gewöhnt ist und ihn umso mehr dazu anhält sich zu sputen, denn er hält es keines Falls für eine Lehre Drohung wenn Borgil die Worte: Wenn dir dein Leben lieb ist, in den Mund nimmt. Wenigstens nicht wenn es um Azra und das Kind geht.
Stolpernd kommt Tiuri auf die Füße, hastet sofort einige Schritte hinter dem Zwergen her, ehe ihm auffällt, dass er nur Hosen trägt, also eilt er wieder zurück, fährt in ein Hemd und in Schuhe, wobei er die Socken weg lässt und verheddert sich so in seinem Mantel, dass er ihn schließlich einfach an Ort und Stelle fallen lässt und ohne ihn losläuft.
Die Stufen fällt er mehr, als dass er sie geht und kann sich mit einem letzten Griff ans Geländer gerade noch vor dem Sturz retten der ihm sonst unweigerlich gedroht hätte.
Niniane, Smaragdstrand! sagt er sich immer wieder vor, hofft nur, dass er sie auch findet, denn er kann sich bei den Göttern nicht erinnern jemals ein Haus dort gesehen zu haben. Er nimmt sich zwar vor wenn es sein muss den Strand nach ihr umzugraben, hofft aber, dass das nicht notwendig sein wird.
Im Stall bringt er mit dem Lärm den er verursacht nicht nur die Pferde durcheinander, sondern holt auch Nino auf die Beine, der wieder einmal im Heu geschlafen hat und ihn völlig verdattert aus seinen großen Augen ansieht.
>Was machst du da eigentlich?< fragt er, zupft sich dabei Stroh aus dem Haar und schüttelt den Kopf über seinen scheinbar verrückt gewordenen Freund.
„Kind, Azra, Hilfe! Schnell!“ keucht Tiuri hervor, während er einem der Harfenpferde eine Trense ins Maul schiebt. Er hat sich eine Dunkelbraune ausgesucht, die ihm am schnellsten und wendigsten aussieht von den Pferden die zur Harfe gehören. Nino steht mit einem Sattel vor ihm, aber Tiuri hat sich schon auf den bloßen Rücken der Stute geschwungen. „Brauch ich nicht!“ meint er knapp und Nino öffnet ihm schnell die Türen die ihm den Weg  versperren, damit der Junge nicht auf irgendwelche wahnwitzigen Gedanken kommt. Tiuri ist seit er sich Erinnern kann nicht auf einem Pferd gesessen, aber irgendwie hat er schon vorher gewusst, dass er das mit dem Reiten irgendwie auf die Reihe bekommen würde. So ist es auch, er ist mit sicher kein begnadeter oder eleganter Reiter, aber er hat ein gutes Gleichgewicht und kommt nicht ins Rutschen als die Stute erst einmal nach oben anstatt nach vorne springt, als Tiuri ihr seine Hacken in den Bauch tritt.
„Verzeih“, murmelt er der Braunen zu und besinnt sich dann darauf, dass er mit einer etwas gemäßigten Reitweise wohl eher an sein Ziel käme. Er zieht noch rechtzeitig den Kopf ein, als das Pferd nach draußen galoppiert und krallt seine Finger in die feine schwarze Mähne. Die Hektik des Aufbruchs fordert immer wieder darin ihren Tribut, dass Bára, die Stute, vor lauter Unruhe vor zwar finsteren, aber völlig ruhigen Ecken scheut, zur Seite springt wenn irgendwo eine Ratte ihren Weg kreuzt und in eine schmale Gasse kaum einbiegen möchte.

„Geh weiter, verdammt noch mal!“ brüllt er das Pferd beinahe an und treibt sie dann durch die Gasse obwohl die Stute den Kopf herum reißt und ihre vier Beine kaum zu sortieren weiß. Aber schließlich erreicht er das Ufer des Ildorel. Der Strand liegt ruhig da und der Faeyris helles Antlitz spiegelt sich im Wasser des riesigen Sees. Aber Tiuri hat keine Augen dafür, sein Blick ist stur gerade ausgerichtet, zwischen den sichelförmigen Ohren des Pferdes hindurch und immer wieder flüstert er Bára zu, sie möge doch schneller laufen. Der Wind ist eiskalt in seinem Gesicht und in seinen Ohren, aber er kümmert sich nicht darum, spürt die Kälte fast gar nicht, wundert sich nur, wie weit der Weg eigentlich ist, etwas, dass ihm noch nie vorher aufgefallen ist. Es schneit heftig, wirklich nichts Neues in diesem Winter. Es ist der kälteste Winter an den sich Tiuri erinnern kann, aber das heißt ja bekanntlich nicht viel. Bára Bára arbeitet sich schnaufend wie ein alter Drache durch den tiefen Schnee, doch noch wird sie nicht durch Müdigkeit langsamer. Aber schließlich erreicht er das Ende des Strandes, reitet an Bäumen vorbei (an einigen so knapp, dass Tiuri ängstlich die Knie hochzieht) über den Smaragdstrand. Dort zügelt er sein Pferd, er kann nichts erkennen dass einem Haus ähnelt, bis es ihm wieder einfällt, etwas das Borgil vor langer Zeit zu ihm gesagt hat, damals, als er nach dem er im Wundfieber gelegen ist den ersten Tag wirklich ansprechbar in der Harfe war. Borgil hat ihm erzählt was passiert ist und er hat etwas gesagt, dass sich Tiuri nie erklären konnte, aber immer wieder vergessen hatte zu fragen, obwohl es ihn schon damals brennend interessiert hat. Der Zwerg hatte von „Ninianes Baum“ gesprochen.
Klar, sie wohnt in einem Baum, oder wahrscheinlich eher auf einem Baum, in einem Baumhaus.
Die Lösung erscheint ihm logisch also blickt er sich um und reitet dann dort hin wo mehr Bäume sind, in Richtung Larisgrün. Er spürt und hört wie die Stute heftig atmet, aber trotzdem galoppiert sie tapfer die Böschung nach oben und rutscht in der Mitte auch sogleich wieder ab. Schnee und Eis lassen sie straucheln und beinahe stürzen. Wie eine Katze hält sie sich tapfer auf den Beinen, setzt erneut an, diesmal ohne weiteres Drängen des Jungen auf ihrem Rücken.
Was Tiuri als sie oben ankommen vor sich sieht, übertrifft wirklich seine kühnsten Erwartungen oder alles was er sich unter einem Baum als Haus vorstellen hätte können. Der Baum ist riesig, hatte er ihn wirklich bis jetzt übersehen?
Ja, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht…
Der Baumriese hat Fenster, Türen und sogar zwei Laternen hängen da, auch einen Balkon kann Tiuri erkennen und einen Augenblick vergisst er bei dem Anblick fast warum er eigentlich hier ist. Aber schließlich besinnt er sich, springt vom Pferderücken und zieht die Stute etwas mit sich. Es ist ganz still hier, es ist ja auch mitten in der Nacht, vermutlich schlafen alle die hier leben.
Seine Augen gleiten über die Buchstaben an der Türe und er greift sogleich nach dem Türklopfer den er mit einiger Wucht und vor Kälte und Aufregung zitternden Fingern bedient. „Bitte mach auf, hör mich“, flüstert er, hält sich am Baum fest und keucht als hätte er Bára getragen und nicht umgekehrt.
Schnee klebt ihm in Haar und Hemd, das er nicht wie üblich ordentlich in seine Hose gesteckt hat und er schlottert schon ziemlich erbärmlich als sich die Türe endlich öffnet.

Den Mann der ihm die Türe öffnet hat er schon irgendwo einmal gesehen, aber es will ihm beim besten Willen nicht einfallen wo und eigentlich ist es auch egal. Er ist sogar noch größer als Tiuri, was selten vorkommt und von seinem Körperbau sieht aus als könnte er ihm mit einem Handgriff den Kopf von den Schultern reißen, aber sein Gesicht wirkt eher schrecklich müde und aus einem Wortschwall kann der Junge gerade noch: kommrein, herausfiltern und das tut er auch. Den Teil mit der Begrüßung lassen sie irgendwie aus, sie sind beide entweder zu müde oder zu aufgewühlt für diese Kleinigkeit.
Er hätte dabei fast die Stute mit ins Haus schleifen wollen, lässt aber gerade noch rechtzeitig aus als er spürt wie die Braune hinter ihm alle vier Füße in den Boden rammt.

>Du sagst mir jetzt aber nicht, Niniane soll kommen, weil schon wieder ein Dämon die halbe Stadt abfackelt, oder?< Der Mann wirkt alarmiert, aber Tiuri schüttelt beruhigend den Kopf.
„Schlimmer“, sagt er, aber das kurze Aufzucken seiner Mundwinkeln straft seine Worte Lügen. „Borgil wird mich abfackeln, wenn ich Niniane nicht sofort in die Harfe bringen. Azra bekommt ihr Kind, jetzt…“ Er macht eine Pause um wieder genügend Luft in seine Lungen zu bekommen. „und ich, soll, wenn mir mein Leben lieb ist, schneller sein als Windweiß persönlich, wer auch immer das ist, aber ich glaube es heißt verdammt schnell. Also, mein Leben ist mir lieb, und da Ihr vermutlich nicht die Lady Niniane seid, würde ich sie gern sprechen und mitnehmen.“ Er sieht dem Mann wahrscheinlich flehender als notwendig in die blauen Augen und besinnt sich dann und setzt ein: „Bitte!“ hinterdrein.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 22. Feb. 2006, 21:21 Uhr
Der Junge schlottert herein, schneenass von Kopf bis Fuß, und Cron realisiert mit einiger Verspätung, dass der arme Kerl nicht einmal einen Umhang trägt. Im Inneren des Baumes ist es angenehm warm, vor allem weil sie sämtliche Kamine Tag und Nacht durchschüren, doch Cron greift trotzdem geistesabwesend nach einer Decke auf einem der geschwungenen Wandborde und hält sie seinem nächtlichen Überraschungsgast hin. Der schüttelt auf seine Frage zuerst den Kopf, verkündet dann aber mit einem vagen Grinsen und einer Stimme voll todernster Inbrunst: >Schlimmer. Borgil wird mich abfackeln, wenn ich Niniane nicht sofort in die Harfe bringen. Azra bekommt ihr Kind, jetzt und ich, soll, wenn mir mein Leben lieb ist, schneller sein als Windweiß persönlich, wer auch immer das ist, aber ich glaube es heißt verdammt schnell.<
Cron nickt verstehend und unterdrückt mehr schlecht als recht ein wissendes Grinsen - er kennt Borgil inzwischen ziemlich gut und kann sich lebhaft vorstellen, was bei dem resoluten Harfenwirt die Phrase "wenn dir dein Leben lieb ist" zu bedeuten hat, erwartungsvolle Aufregung hin oder her. Und der Junge scheint das auch ganz gut zu wissen, denn er fährt eilig fort: >Also, mein Leben ist mir lieb, und da Ihr vermutlich nicht die Lady Niniane seid, würde ich sie gern sprechen und mitnehmen. Bitte!< Diesmal kann Cron ein belustigtes Schniefen beim besten Willen nicht zurückhalten und lacht leise. "Aye, ich verstehe. Keine Sorge, wir retten dein Leben ganz bestimmt. Nan ist meine Frau, warte hier einen Moment, geh ans Feuer und wärm dich ein bißchen auf. Ich hole sie, es wird nicht lange dauern." Er weist mit der Hand auf das schattendunkle, warme und wie immer nach Sandelholz und Pflaumenblüten duftende Kaminzimmer und lässt den Jungen dann allein, um nach oben zu gehen und Niniane aufzuwecken. Sie schläft tief und fest, das Baby in ihrem Arm geborgen, und er hasst es, ihr das jetzt antun zu müssen, aber er rüttelt sie dennoch sacht an der Schulter, bis sie blinzelnd die Augen aufschlägt. "Nan. Nan, komm schon. Cariad... sei ein braves Mädchen und mach die Augen auf." Alles, was ihm antwortet, ist ein vollkommen unartikuliertes "Hm? Gnnfzzbsss."
"Nan, du musst aufwachen. Unten ist ein Bote von Borgil, Azra bekommt ihr Kind. Der Zwerg schickt nach dir."
Das wirkt. Sie schlägt die Augen auf, schüttelt sich und sieht ihn - todmüde zwar, aber aufgeschreckt genug, um sich aus dem Schlaf zu kämpfen - an. "Bei Azra haben die Wehen eingesetzt, sie braucht dich. Borgil hat einen Boten geschickt."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 22. Feb. 2006, 22:31 Uhr
In der Nacht vom 17. auf den 18. Langschnee


"Oh!" Sie blinzelt, schüttelt den Kopf, fährt sich mit der Hand über die Augen und hat das penetrante Gefühl, vor einem Herzschlag erst eingeschlafen zu sein. Azra. Borgil. Wehen. Kind. Bote. Azra. Wehen. Kind. "Oh! Gib mir einen Augenblick... ich äh..." ihr wird das warme, kleine Gewicht ihres Sohnes in ihrem Arm bewusst und sie löst sich vorsichtig von ihm und krabbelt aus dem Bett. Ausser einem leisen Häk-Laut gibt Leir allerdings keinen Pieps von sich, allen Göttern sei Dank. "In Ordnung. Ich kann nicht sagen, wie lange es dauern wird... es ist Azras erstes Kind und es wird, so klein und zierlich wie sie ist, vermutlich nicht einfach für sie. Pack mir Windeln, Zinksalbe, Puder und ein paar Sachen zum Wechseln für den Kleinen ein, ich muss ihn mitnehmen..." ihr Verstand schüttelt langsam auch die letzten Reste von Schlaf und benebelter Erschöpfung ab, und sie steht auf. In ihrem Botanikum gönnt sie sich eine rasche Katzenwäsche, während Cron bemüht leise durch das Schlafgemach schleicht, um all die Sachen in eine Tasche zu stopfen, die sie mitnehmen muss. Niniane huscht zu ihrem Schrank hinüber, sucht sich ein einfaches, warmes Winterkleid aus feiner, dunkler Wolle heraus und kleidet sich rasch an, dann sammelt sie aus ihren Regalen und Vorratsschränken einige Kräuter zusammen und ein Fläschchen mit Öl. Sie packt eine Phiole mit Mohnblumensaft für alle Fälle ein und schließlich mit einem hörbaren Seufzen auch noch eine aufgerollte lederne Tasche, in der sich rasiermesserscharfe, schmale Klingen und ihr Nähwerkzeug befinden. "Ich bin fertig... ich muss nur noch Leir in eine Decke wickeln und dann können wir nach unten gehen. Hoffentlich wacht er nicht auf. Der Bote... ist er zu Fuß hier oder mit einem Pferd? Mit einem Pferd... oh... ich habe kein gutes Gefühl, Cron. Ich kann Leir nicht hier lassen und ich kann mit ihm nicht auf Anarvendis durch schritthohen Schnee reiten oder mir jetzt ewig Zeit lassen, bis ich in der Harfe bin. Könntest du das Pferd vielleicht in den Stall bringen, dann nehme ich den Boten mit ahm... mir auf einem anderen Weg zurück, wenn er will. Hoffentlich hat er nichts gegen Magie."

Sie flicht ihr Haar zu einem langen, dicken Zopf und steckt es dann mit ein paar Nadeln im Nacken auf, wirft sich einen warmen pelzgefütterten Umhang über und hebt ihren Sohn vorsichtig in das weich ausgepolsterte Weidenkörbchen, das schon Shaerela als Reisebettchen gedient hatte. Bepackt mit ihrer Ausrüstung, den Sachen für Leir und ihrem Sohn in seinem tragbaren Nest eilen sie nach unten, wo ein junger Mann in einer Wolldecke steht und auf sie wartet. Sie hat ihn in der Harfe schon gesehen, aber sein Name will ihr jetzt nicht einfallen, auch wenn Borgil ihn ihr vielleicht schon genannt hat. Sie lächelt trotz der erwartungsvollen, mit ein wenig Sorge vermischten Stimmung, die sie alle drei angesichts des Grundes ihrer nächtlichen Zusammenkunft erfasst hat, und nimmt sich einen Augenblick Zeit, sich vorzustellen und ihn zu betrachten. "S'leja. Ich bin Niniane." Der Junge, nein eigentlich längst ein junger Mann, ist groß, sicherlich sechseinhalb Fuß, sehr schlank, aber kräftig und hat ein anziehendes Gesicht mit klaren, blauen Augen. Er nickt ihr zu und murmelt, sein Name sei Tiuri und Borgil würde ihn schicken. "Willst du mit mir in die Harfe zurückkehren, Tiuri? Es würde schneller gehen. Du kannst das Pferd ruhig hier bei uns im Stall lassen und es dann in den nächsten Tagen holen. Unsere Art zu äh... dorthin zu gehen ist allerdings ein wenig ungewöhnlich. Ich kann dir das jetzt nicht alles erklären, aber ich verspreche dir, du bist in wenigen Herzschlägen bei Borgil. Cron?" Sie wendet sich um, schultert die Taschen, die er ihr heruntergetragen hat und nimmt ihm das Baby in seinem Körbchen ab. Dann stellt sie sich auf die Zehenspitzen, um ihn zum Abschied zu küssen, viel zu kurz, wenn es nach ihr geht, aber das ist jetzt nicht zu ändern. "Kümmerst du dich um das Pferd? Und mach dir keine Sorgen, wenn es eine Weile dauert. Ich bin zurück sobald ich kann. Gib Shaerela einen Kuss von mir." Einen Moment spürt sie noch seine Wange an ihrer und die beginnende Rauhheit, kratzig wie die Zunge einer Katze, dann löst sie sich endgültig von ihm, stützt den Weidenkorb mit ihrem schlafenden Sohn auf ihrer Hüfte ab und tritt zu Tiuri. "Bereit? Dann gehen wir. Nimm meine Hand."

->Die Goldene Harfe

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 30. Apr. 2006, 17:37 Uhr
Am Inarimorgen


Als der Morgen dämmert, hat der Himmel eine Farbe, die irgendwo zwischen den Purpurtönen einer frischen Prellung und dem Gold eines reifen Pfirsichs liegt, dann mischt sich nach und nach zartes Perlgrau in die Lavendelschatten der vergehenden Nacht, eine diffuse Helligkeit, die keinen wirklichen Ursprung zu haben scheint - und plötzlich kommt das Licht, in flammenden Sprenkeln und einem Rad aus Feuer, das über dem östlichen Ildorel aufsteigt. Ihr Schlafgemach unter der Baumkrone mit seinen nach Osten gewandten Fenstern füllt sich mit zitternden goldenen Lichtreflexen und langfingrigen Sonnenstrahlen, so dass der ganze Raum wie mit Gold gefächert wirkt. Cron schlägt die Augen auf und einen Moment lang weiß er nicht, was ihn geweckt hat - dann hört er es. Auf der Lichtung draußen und in der Krone des Baumes singen die Vögel in Scharen. Frühling. Aber da ist noch mehr... irgendetwas wichtiges. Was ist heute für ein Tag? Herrje, Inarifest... Er windet seinen linken Arm vorsichtig unter seiner noch tief und fest schlafenden Frau hervor, vergewissert sich mit einem Blick in die Wiege neben dem Bett, dass Leir noch ruht, und rüttelt Niniane dann sacht an der Schulter. "Aufwachen, Cariad." Seine Stimme ist noch dunkel und leicht heiser vom Schlaf. "Hej, Nan... du wolltest bei Tagesanbruch geweckt werden. Die Sonne steht schon am Himmel." Ihr offenes Haar fließt über ihre Schultern und er streicht es sanft von ihrem Nacken, küsst ihren Hals und ihre Wange, und rüttelt sie dann noch einmal sacht, als sie nicht den allerkleinsten Laut von sich gibt. "Schlafmütze. Aufstehen. Du wolltest zeitig aus den Federn, um ein langes, heißes Bad zu nehmen. Und wir haben Caewlin und Raven versprochen, sie abzuholen, also komm schon." Alles, was ihm antwortet ist ein unwilliges Knurren. Dann rupft sie ihm die Decke aus den Fingern, zieht sie über ihren Kopf und drängt sich darunter fest an ihn. "Aye, wenn du dich nicht augenblicklich auf dem Rücken liegend vorfinden willst, dann würde ich das jetzt sein lassen, Cariad. Außerdem huldigt man Inari nach Sonnenuntergang. Nan! Aufstehen." Sie gibt unter den Decken ein ungehaltenes Brummen von sich und er seufzt schicksalsergeben.

Niniane aufzuwecken, wenn sie müde ist, kann eine langwierige Prozedur sein. Aber sie hatte ihm gestern abend vor dem Einschlafen das heilige Versprechen abgenommen, dass er sie ganz bestimmt früh aus dem Bett werfen würde, notfalls auch mit Gewalt, ja sogar mit kaltem Wasser, wenn es wirklich nicht anders ginge, also... Eine geschlagene halbe Stunde später hat sie immer noch kein Auge aufgeklappt und er ist langsam ratlos. Baden... sie wollte unbedingt baden. Na schön, badet sie eben. Er hebt sie mitsamt der dünnen Bettdecke, die sie partout nicht aus den Fingern lassen will, hoch und trägt sie hinunter, durch den Vorraum, zum Baum hinaus und an den Rand des Steinbeckens, das ihre heiße Quelle einfasst. Das Wasser schimmert grünblau und verführerisch, blubbert leise und dampft in der noch kühlen Morgenluft. "Deine letzte Chance, Nan," warnt er, doch ihr Kopf ruht nach wie vor mit fest geschlossenen Augen an seiner Brust und alles, was aus ihrem Mund kommt, ist ein verschlafen genuscheltes: "Das wagst du auf gar keinen Fall."
"Und ob. Eins..."
Nichts.
"Zwei..."
Leises Schnarchen.
"Drei." Er streckt die Arme aus und lässt sie platschend ins Wasser fallen. Das wirkt. Prustend und spuckend und Goldfeuer aus ihren Augen sprühend kommt sie vollkommen fassungslos wieder hoch und starrt ihn an. "Du hast gesagt, ich muss dich wach bekommen oder du redest nie wieder ein Wort mit mir!" Verteidigt er sich hastig und zieht sich sicherheitshalber einen Schritt zurück - das wilde Grinsen, das er sich dabei jedoch einfach nicht verkneifen kann, bringt ihm aber prompt ein paar wütende Salven Wasser ein, ehe sie selbst belustigt kichert, geschlagen an den Rand watet und mit empörter Erheiterung kämpft. "Ich setze Cofea auf, Cariad," verkündet er beschwichtigend aus der relativen Sicherheit einer Baumwurzel. "Und wenn Leir aufwacht, bringe ich ihn dir gleich zum Stillen und Baden, aye? Shaerela auch. Dann mache ich dich Kinder fertig und du hast deine Ruhe. Ist das ein Wort?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 01. Mai 2006, 17:25 Uhr
Wie hatte sie auch  nur einen Wimpernschlag lang glauben können, dass er es nicht tut? Dieser Gedanke geistert ihr noch durch den Kopf, während sie durch die Luft segelt und klatschend im Wasser landet. "DU.... du... du... blöder... blöder...aaaaaaaaaaaaaah!" Wasserspuckend und triefend, aber dafür auch hellwach taucht Niniane wieder auf und hämmert ein paarmal mit der flachen Hand ins Wasser, um ihm wenigstens eine gehörige Dusche zu verpassen, wenn er schon zu solchen Brachialmethoden greift, um sie aufzuwecken. "Hornochse! Sadist! Gemeiner Kerl, du solltest dich schämen, warte nur bis ich aus diesem Wasser heraus bin. Das bereust du, Nordmann! Das schwöre ich dir, ich..."
>Du hast gesagt, ich muss dich wach bekommen oder du redest nie wieder ein Wort mit mir!< Vom Donner gerührt bleibt sie stehen und funkelt ihn schweratmend an. Sie trägt immer noch das alte Hemd von ihm, das sie meistens zum Schlafen anzieht, doch nun klebt es ihr wie eine zweite Haut am Körper, ihr Haar hängt ihr triefend übers Gesicht und die Bettdecke... ihre schöne Daunendecke!... treibt hinter ihr aufs Allertraurigste übers Wasser. Und Cron, ihr missratener Mann, steht da und grinst über beide Ohren... unglaublich! "Kein Wort mehr mit dir reden? Na warte... ersäufen werde ich dich!" Sie klatscht mit den flachen Händen aufs Wasser, dass es nur so spritzt und schickt ihm eine schwallartige Salve nach der anderen hinterher, doch er hat sich mit ein paar raschen Schritten schon um ihr Steinbecken herum und außer Reichweite gebracht... und lacht dabei so unbekümmert, dass es einfach ansteckend ist. Und genaugenommen, wenn sie ehrlich ist, so ganz nebenbei bemerkt... er hatte ja Recht. Also schön, also schön... Sie spürt ihr eigenes Lachen rauh und quietschend in ihrer Kehle aufsteigen und kichert leise in sich hinein. Er sollte sie wecken, mit allen Mitteln, hatte sie selbst von ihm verlangt - und nun ja... sie ist ja schließlich wach, nicht wahr? Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht und watet an die Steinstufen, um sich das Hemd vom Körper zu schälen und die Decke zu retten - wenn sie denn zu retten ist.

>Ich setze Cofea auf, Cariad,< vermittelt der verrückte Nordmann, mit dem sie rein zufälligerweise und aus Gründen, die sie nicht mehr wirklich nachvollziehen kann, verheiratet ist, sein Friedensangebot. "Fahr zur Hölle," verkündet sie im Plauderton und zerrt die zentnerschwere, vollgesogene Decke über den Steinrand. "Hier, nimm sie wenigstens mit, wring sie aus und häng sie zum Trocknen auf."
Er holt die Decke und schwenkt eine ihrer pitschnassen Ecken wie eine weiße Parlamentärsflagge. >Und wenn Leir aufwacht, bringe ich ihn dir gleich zum Stillen und Baden, aye? Shaerela auch. Dann mache ich dich Kinder fertig und du hast deine Ruhe. Ist das ein Wort?< Sie sieht ihn nicht an, sondern wendet sich hoheitsvoll ab und zeigt nackte Schultern und erhobenes Näschen - obwohl er zweifellos sieht, dass sie alle ihre Körperbeherrschung braucht, um nicht selbst loszuprusten. "Wie mein Gemahl belieben. Wenn Er noch so großzügig wäre, mir das Tablett mit dem Seifenkraut und den Duftölen zu reichen?" Sie klimpert ihn von unten herauf an und er antwortet mit einer spöttelnden Verbeugung und einem dämonischen Grinsen, ehe er samt tropfender Decke in Richtung Baum davonschlendert - sieben Fuß bärenhafte Kraft und katzenhafte Eleganz, deren Anblick es nie verfehlt, ihr die Knie weich werden und ihr Herz schneller schlagen zu lassen - und sich vermutlich bei jedem Schritt seiner Wirkung vollauf bewusst ist. "Rache ist süß, Cron," ruft sie ihm noch hinterher, doch er schlägt nur lässig die Decke über die Schultern. "Denk an meine Worte." Rache gut und schön... aber wie, wenn man splitterfasernackt und eben unsanft aus dem schönsten Schlummer gerissen in einer heißen Quelle sitzt, und weder einen Dolch, noch etwas möglichst Schweres zum Werfen zur Hand hat, und schon gar nicht die nötige Zungenfertigkeit besitzt, um seinem teuflisch amüsierten Ehemann das Grinsen vergehen zu lassen? Rache muss kalt serviert werden, dann schmeckt sie am besten. Hm... Na warte, Tronjer. Wir beide haben noch einen Strauß miteinander auszufechten... Vorerst wird jedoch nicht weiter am grausamen Rachefeldzug gefeilt, sondern ein hungriges Baby gestillt, denn es dauert keine Viertelstunde, bis Cron ihr Leir bringt - nackt wie am Tag seiner Geburt und gegen die Morgenkühle nur in eine weiche, warme Wolldecke gehüllt.

Kaum ist ihr Sohn bei ihr im heißen Wasser - wie auch Shaerela und allen von ihrem Blut, macht ihm Hitze nicht das Geringste aus -, entspannt er sich, räkelt sich wohlig, hält ihr dann blubbernd, gurgelnd und quietschend begeisterte Vorträge und rudert wie wild mit Ärmchen und Beinen... jeder Gedanke an Frühstück ist erst eimal meilenweit fort, wenn man mit Mama baden kann. Irgendwann packt ihn dann aber doch der Hunger und sie setzt sich mit ihm auf die Steinstufen, still ihn, umspült von Wärme und Dunst in der morgendlichen Stille des erwachenden Waldes. Dabei ist es eigentlich gar nicht still... in den Heckenrosen rund um ihre Lichtung streitet sich die balzende Vogelbrut um die besten Nistplätze, über ihnen singt der Wind im Geäst und rauscht durch die hohen Tannen, am Seeufer raschelt das Schilf, hier und da knackt ein Ast... und doch ist es ruhig, als atme die ganze Welt um sie her noch einmal tief durch und sammle sich, ehe der Tag wirklich beginnt. Als Leir fertig, pappsatt, sauber und wohlduftend ist, steht Cron mit einem weichen Handtuch schon bereit und trägt den Kleinen schnell ins Warme, und Shaerela kommt zu ihr getappst, sich verschlafen die Augen reibend und ein kleines Sammelsurium an Spielzeugen hinter sich herschleppend, das unbedingt mit ins Bad muss. Fliegender Kinderwechsel, wie schön... Sie darf alles mitnehmen bis auf die Stoffpuppe, die Raven ihr aus bunten Flicken zusammengenäht hatte - bei den Nähkünsten ihrer Mutter ist eine damit etwas begabtere "Tante" ein wahrer Segen. Niniane spielt eine Weile mit ihr, wäscht sie dann mit duftender Lavendelseife und seift ihr die inzwischen schon recht lang gewordenen, pechschwarzen Locken ein, formt lustige Schaummützen, die sie beide kichernd im spiegelnden Wasser begutachten, muss sich selbst einseifen lassen und reicht schließlich auch dieses Kind sauber und hungrig dem wartenden Vater. Dann hat sie endlich ihre versprochene Ruhe, bekommt sogar einen Becher Cofea, welch Luxus, an ihre Quelle serviert und hat eine ganze Stunde lang für sich im heißen Wasser... die sie auch ausgiebig zu nutzen gedenkt. Mondelang war sie - schwanger mit ihrem Sohn - fett wie eine gestopfte Gans herumgewatschelt und nach Leirs Geburt hatte sich einfach nie die Gelegenheit ergeben, sich auch nur einmal wirklich schön zu machen... es wird also höchste Zeit.

Den ganzen Winter über bin ich in drei Paar Strümpfen, zwei Paar Hosen, einem Hemd und dicken Pelzüberwürfen herumgelaufen, in diesem Matschfrühling dann nur in abgetragenen Hemden und geflickten Beinlingen, die ständig von Schlamm verschmiert waren... Mit all dem war wirklich kein Staat zu machen gewesen. Nicht, dass ihr das etwas ausgemacht hätte, aber ab und an packt sie schon die Eitelkeit. Heute dagegen... mmmm. Sie räkelt sich wie eine zufriedene Katze, trinkt in kleinen Schlucken von ihrem Cofea, spürt ihre Lebensgeister langsam erwachen und mariniert sich in heißem Wasser, in das sie kostbares Lotosöl und einen Hauch teuren Ambras gegeben hat. Dann schrubbt sie ihre honiggoldene Haut, bis sie glüht, wäscht sich gleich zweimal sorgfältig und gründlich das lange Haar aus, kämmt es mit den Fingern, feilt abschließend noch ihre Nägel und steigt schließlich mit dem Gefühl neugeboren und so rein wie frischgefallener Schnee zu sein aus der Wanne. Sie wickelt sich in ein weiches Ledertuch und huscht in ihr Schlafgemach hinauf, während sie Cron unten im Esszimmer mit den Kindern beim Morgenmahl hören kann. Sie wählt ein schulterfreies Gewand in dunklen und lichten Grüntönen mit elfenbeingrundigem Mieder, hauchzarten, lindgrünen Schleierärmeln und einem Rock aus schimmernder Seide und glänzendem Organza. Das Mieder und die oberen Armbündchen um ihre Schultern sind verschwenderisch mit üppigen Goldstickereien versehen, die verschlungene Muster, Ranken und Perlen zeigen. Das Gewand hatte sie bei einem ceresdorer Händler entdeckt, als sie mit Cron das einzige Mal im vergangenen Winter zur Zeit der großen Handelskarawane in der Nyzemia gewesen war, um eigentlich Gewürze und andere Vorräte zu besorgen. Se war heilfroh gewesen, dass sie genug Silber bei sich gehabt hatte, um es kaufen zu können, denn sie hatte sich auf der Stelle rettungslos in diesen Traum aus Elfenbein, Grün und Gold verliebt. Zu dem Kleid gehören zwei passende, halbmondförmige Haarspangen aus durchbrochenem Golddraht, die das gleiche Muster aufweisen wie die Stickereien auf dem Mieder und von deren Mitte je zwei dünne, dunkelgrüne Seidenbänder flattern. Sie legt das Gewand an, kämmt ihr Haar aus und reibt einen Hauch duftenden Wachses hinein, um die widerspenstigen Wellen und Kringel wenigstens etwas in Form zu bringen, fasst einen Teil der langen Strähnen locker am Hinterkopf zusammen, um sie aus dem Gesicht zu halten und steckt das Ganze dann mit einigen goldenen Haarnadeln und seitlich mit den beiden zum Kleid passenden Spangen auf.

Zu guter Letzt - und weil sie der Übermut packt -, kramt sie in der Kommode aus Terebinthenholz mit den vielen Kleinen Laden und Fächern schier endlos lange herum, um eine flache Schildpattschale mit Deckel zu finden, in der sich glitzernder Goldstaub befindet. Sie nimmt ein wenig davon heraus, wirft ihn einfach in die Luft und stellt sich dann mit geschlossenen Augen in den herabrieselnden Schauer. Erst dann erlaubt sie sich einen Blick in den Spiegel und muss zugeben, dass sie mit dem Ergebnis ihrer Mühen durchaus zufrieden ist. Ihr Blick trifft den einer Frau, die mit der einfachen, manchmal sogar derb gekleideten, wald- und wildnisgezeichneten Waldläuferin mit dem schlichten Zopf und den Schwielen an den Händen nichts mehr gemein hat, und sie nickt zufrieden. Sie geht hinunter, um Cron die Kinder abzunehmen, damit er sich selbst umkleiden kann, begegnet ihm aber nicht gleich, sondern läuft zuerst Shaerela über den Weg, die teuflisch mit Honig verschmiert ist und eigentlich schon wieder  ein Bad bräuchte. "Herrje, was hast du denn jetzt angestellt, min lia? Komm, wir waschen dich schnell und dann müssen wir dich umziehen. Wir wollen doch in die Stadt und zuerst noch zu Tante Raven, Caewlin, Brynden und der kleinen Ykenai."
Diese Aussicht lässt Shaerela bei der folgenden, hastigen Katzenwäsche über dem Spülstein in der Küche sogar stillhalten. "Mama, Baby sehen?"
"Bestimmt mein Schatz, aber nur saubere Kinder dürfen Babies bewundern. So, fertig. Und jetzt komm, du darfst das apfelgrün geblümte Kleidchen anziehen." Shaerela, versnobt und eitel wie sie selbst, lässt sich das nicht zweimal sagen, und während sie die Kleine in ihrem Zimmer fertig macht, hört sie Cron draußen rumoren, der ihr, schon auf dem Weg nach oben, mitteilt, er würde Leir gleich mit hinaufnehmen und sich jetzt umziehen. Niniane unterdrückt ein Glucksen und flicht ihrer Tochter einen belgraver Zopf, der die schwarzen Locken wenigstens einigermaßen bändigt. Woher das Kind diese wilden Kringel hat, kann sie beim besten Willen nicht sagen - Crons Haar ist glatt und soweit sie weiß, kommen auch in ihrer beider Familien keine Locken vor. Gut, ihr eigenes ist nicht glatt... Nein, gewellt und geringelt, wie ein Medusenhaupt, aber richtige Locken sind es auch nicht... Shaerela muss es von... Götter...

Der Gedanke hat etwas erschreckendes und erfreuliches zugleich. Ihr Vater, ihr leiblicher Vater, der Mensch, der vor über fünftausendfünfhundert Jahren gelebt und ihre Mutter geliebt haben musste, jener Mann, den sie nie gesehen hat und von dem sie nichts weiß als den Namen, musste es ihr und letztlich Shaerela vererbt haben. Sie schließt eine kleine Silberspange um das Ende des Zopfes ihrer Tochter und steckt Shaerela dann in besagtes Kleid, grüne Sandalen und einen herzallerliebsten kleinen samtgrünen Umhang. Die Kleine hält geduldig still und darf sich dann ausgiebig im Spiegel bewundern... "Hübsch," befindet sie irgendwann und meint damit zweifellos das Kleid. Niniane lacht leise. "Ja, min lia. Die allerhübscheste Zweijährige, die ich je gesehen habe. Und jetzt komm. Packen wir die Geschenke für Tante Raven und Ykenai ein und gehen wir deinen Vater und deinen Bruder suchen... wir kommen noch zu spät!"
Sie eilt ins Kaminzimmer, wo der geflochtene Weidenkorb mit ihren Mitbringseln schon seit gestern Abend bereit steht, holt ihn, nimmt eine gut gefüllte Geldkatze mit, schärft Shugorn ein, nur ja keinen Unsinn anzustellen, so lange sie fort wären, was der Rubinrabe mit einem beleidigten Knarren beantwortet, und kehrt dann in den Vorraum zurück, wo Shaerela und zu ihrer Überraschung auch ein fertig angezogener, fürchterlich gut aussehender Nordmann samt seinem frisch gewickelten, umgezogenen und mittlerweile selig schlummernden Sohn schon auf sie warten. Sie lächelt alle drei an. "Hast du Leirs Tasche mitgenommen? Gut, ich habe den Korb. Meinetwegen können wir gehen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 03. Mai 2006, 21:25 Uhr
"Heilige..." Als das grüngold gewandete Wesen mit den strahlenden Augen, der schimmernden Haut und dem leuchtenden Haar aus dem Kaminzimmer in den runden Vorraum schwebt, wo er abmarschbereit mit zwei Kindern wartet, kann Cron nur noch blinzeln und die unwirkliche Erscheinung dann sprachlos anstarren. Er hatte ja gewusst, dass Nan sich schön machen wollte, und schön ist sie immer, ob nun mit moosfleckigen Hosen und zerzaustem Haar oder in kostbarem Festgewand, aber das hier ist... ist... ist einfach... ihm fällt überhaupt kein Wort ein, das sie ausreichend beschreiben würde. Hinreißend? Auf jeden Fall, aber viel zu simpel. Wunderschön? Zweifellos, aber zu platt. Aufregend? Mit Sicherheit, aber das ist sie immer. Cron schluckt schwer und spürt, wie sich seine Halsmuskeln bewegen. "Nan, wenn das deine Vorstellung von Rache ist, dann... dann... hmmpf!" Er sieht in ihre Augen, bernsteindunkel jetzt, nur hier und da mit quecksilbrigen Goldsprenkeln gefüllt, und vergißt, was er gerade hatte sagen wollen. Sie hat irgendetwas mit ihren Haaren angestellt, sie aus dem Gesicht genommen und mit goldenen Spangen und grünen Bändern teilweise aufgesteckt, aber ein paar glänzende Strähnen ringeln sich dennoch frei um ihr Gesicht und der Rest der langen, sanften burgunder- und kastanienroten Locken fällt frei über ihren Rücken, immer wieder durchzogen von kupfergoldenen Strähnen. Die Rundungen von Wangen, Schultern und Dekolleté glitzern ganz leicht golden, wenn das Licht darüber spielt und auf ihrem schmalen Nasenrücken drängt sich ein Dutzend winziger Sommersprossen wie Zimtstaub auf ihrer honigfarbenen Haut.

Er stellt Leirs Körbchen auf der untersten Treppenstufe ab, tritt einen Schritt näher zu ihr und umkreist sie dann einmal, während sie die Brauen hebt, geziert ihren linken Fuß vorstreckt, die seidigen Stoffbahnen rafft und dann grinsend mit den Röcken raschelt. Die verschiedenen Grüntöne, das hellere Mieder und glänzenden Goldstickereien lassen ihre Haut und ihr Haar strahlen und sie leuchten wie einen sonnigen Grünglanzmorgen. "Ist das das Kleid, dass du..." Es ist. Er kennt das Kleid, dass sie trägt, er war dabei, als sie es dem armen Ceresdorer abgeschwatzt hatte und erinnert sich vage daran, dass er noch belustigt gedacht hatte: Ohje, noch so ein bestickter Seidenfetzen für ihre Sammlung...Hätte er geahnt, wie umwerfend sie darin aussieht, hätte er es auf der Stelle selbst für sie gekauft und den doppelten Preis obendrein bezahlt. "Soll ich gehen und mich noch einmal umziehen, um mich angemessener in Schale zu werfen, oder gehst du auch so mit mir auf's Inarifest?" Spöttelt er, weil ihm sonst nichts anderes einfällt. Er ist zwar durchaus gut gekleidet, aber auch einfach: lederne, rehbraune Schnürhosen, saubere Stiefel, ein reines Hemd aus dem leichtesten Leinen, das er gefunden hat und als einziges Zugeständnis an den Festtag ein silberbeschlagener Gürtel, in dem allerdings nur sein Dolch steckt. Sie schüttelt nur den Kopf, sagt ihm, er solle nicht albern sein und nimmt Shaerela an die Hand. Cron hebt Leir in seinem Körbchen wieder hoch, schultert sich die Tasche, in der die nötigen Utensilien für ein Baby wie Puder, Windeln, Spielzeug und ähnliches steckt und nickt. "Dann lass uns gehen, die Sonne steigt schon."

-> Seehaus

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 05. Nov. 2006, 10:02 Uhr
<-- Steinfaust
Später Beerenreif

Mittlerweile geht es auf Mittag zu und die Sonne brennt unerbittlich vom markellos blauen Himmel der Immerlande. Aurian und Aberthol sind froh, den Wald zu erreichen, den hier ist es um einiges kühler und angenehmer. An einem kleinen Bach stillt ein Reh seinen Durst und die Vögeln, die sich innerhalb der Stadtmauern in der heißesten Zeit verkrochen haben, singen in der Kühle des Waldes vergnügt vor sich hin. Aurian atmet tief durch. In den letzten Wochen war sie auf Grund ihrer Studien und der Dienste in der Steinfaust kaum dazu gekommen, die Stadt zu verlassen und nun merkt sie, wie sehr ihr das gefehlt hat. Und dann öffnet sich vor ihnen eine Lichtung, in deren Mitte ein mächtiger Baum steht: Ninianes Heim.
Sanft wiegt sich das Gras im Wind, als Aberthol und Aurian sich dem Eingang nähern. Die Magierin war erst einmal hier und genau wie damals kommt es ihr vor, als ginge ein besonderer Zauber von diesem Ort aus. Es scheint ihr, als würde dieser Baum leben, mehr als normale Bäume. Ruhe und  Frieden gehen von ihm aus und die Nervosität, die die junge Frau den ganzen Weg über verspürt hatte, scheint ein wenig zurückzuweichen. Ein kurzer Seitenblick zu ihrem Lehrmeister verrät ihr, dass auch der alte Zauberer, so viel er auch schon gesehen hat in seinem Leben, beeindruckt ist. Auch wenn er das zu verbergen sucht.
Beinnahe andächtig steigt Aurian die Stufen zur Tür hinauf. >Lambe, Ijon, îr arasamre<, die elbischen worte für >Sprich, Freund, und tritt ein< - leuchten ihr deutlich lesbar entgegen. Die junge Frau atmet noch einmal tief durch, ehe sie die Hand an den silbernen Türklopfer legt und, etwas zaghaft, an die Tür klopft.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 20. Nov. 2006, 10:05 Uhr
An einem – zur Abwechslung einmal sonnigen – Tag im Beerenreif, steht Niniane zur Mittagszeit in ihrer Küche und bäckt Brot. Der Teig war leider nicht aufgegangen, was ihr zugegebenermaßen öfter passiert als man nach viereinhalbtausendjähriger Brotbackerfahrung eigentlich annehmen sollte, aber für alles, was mit Kochen und Küche zu tun hat, hatte sie noch nie ein besonders gutes Händchen. Seltsamerweise gilt das jedoch nur für die einfachen Sachen in der hohen Kunst des Bratens, Schmorens, Dünstens und Kochens. Lasst mich ein siebengängiges Hochzeitsmenü mit den ausgefallensten Speisen auftischen und nichts geht schief und alles schmeckt.. Aber lasst mich keine Eier braten oder einen simplen Brotteig machen, ihr könnt euch sicher sein, es geht daneben... Missbilligend mit der Zunge schnalzend betrachtet sie die flachen Fladen auf ihrem Brotschieber und holt sie seufzend aus dem heißen Backrohr. "Ich bin eine miserable Bäckerin, weißt du das?" Der weiße Rabe, der neben dem Spülstein auf der Anrichte sitzt und sich aus einer Schale mit Korn bedient, knarrt mitfühlend. Es ist ein schönes Tier und zweifellos klug, aber er ist kein Ersatz für Shugorn, den sie mit einer Antwort an Arwen vor einigen Wochen nach Lomirion geschickt hatte. Der weiße Schneerabe stammt aus den Elbenlanden, hatte ihr eine Nachricht ihrer Freundin gebracht und sich auf dem weiten Weg nach Talyra irgendwo den Flügel gezerrt oder war mit einem Raubvogel aneinandergeraten... jedenfalls war er ziemlich mitgenommen, zerrupft und lahm bei ihr angekommen. Sie hatte ihn also behandelt und eine Weile bei sich behalten müssen, und Shugorn als Boten zurückgesandt. Arwens Brief, wenige, knappe Worte auf dünnen, eng beschriebenen Pergamentstreifen hatte sie ziemlich aufgeschreckt – sie war vielleicht nicht wirklich bestürzt darüber, aber doch alarmiert. Auf einer Rabenbotschaft bleibt kein Platz für ausführliche Erklärungen, doch die waren auch nicht nötig... irgendetwas ist ganz und gar nicht in Ordnung, sonst hätte Arwen sie niemals darum gebeten. Ja, und ich kann zwei und zwei zusammenzählen. Erst wird Arwen von einer Gesandtschaft von einem Dutzend Rittern aus Talyra eskortiert, dann das... Selbstverständlich war ihre Antwort Ja gewesen – natürlich würde sie Rialinn aufziehen und ihr ein Heim und eine Familie geben. "Dazu wird es nicht kommen, denn Arwen wird rein gar nichts geschehen," versichert sie dem Fladenbrot, das an sich zwar köstlich goldbraun aussieht, aber eigentlich ein Laib hätte werden sollen. Der Rabe keckert leise und pickt nach dem Korn.

"Herrje, ich wünschte, du würdest nicht immer so viel plappern, man versteht ja sein eigenes Wort nicht..." Falls das Tier die Ironie ihrer Worte erkennt, lässt es sich nicht zu einer Antwort hinreißen. Cron ist mit beiden Pferden schon seit einer Weile fort, da sie dringend neuen Hufbeschlag brauchen und die Kinder halten ihr Mittagsschläfen, so dass es im Baum fast merkwürdig still ist ohne einen naseweisen, ständig seinen Senf abgebenden Rubinraben. Für gewöhnlich schätzt sie die ruhigen Mittagsstunden sehr, vor allem mit zwei kleinen Kindern im Haus – oder besser Baum -, die zweieinhalb Jahre und acht Monate alt, soviel Lärm und Chaos veranstalten können, wie eine Horde Goblins auf Beutezug, doch heute dröhnt ihr die Stille in den Ohren. Der Wind fährt wispernd durch das Laub der gewaltigen Baumkrone und durch die weit geöffneten Fenster raschelt das Raunen und Seufzen des Waldes ringsum herein. Jemand kommt... Niniane bleibt keine Zeit, sich umzuziehen, aber sie setzt mit nachdenklich in Falten gelegter Stirn Wasser auf, um Tee oder Cofea zu bereiten und holt einen Krug gekühlten Bieres aus dem Keller, dann klopft es verhalten von der Tür her. Sie weiß, wer dort auf Einlass wartet, aber sie weiß nicht, warum. Und sie ist nicht allein. Ob sie etwas wissen will über den Tag des Dämonenangriffs? Über den Dämon? Über die Gruft? Sie weiß wirklich nicht, ob sie Aurian solche Fragen beantworten will... oder kann. Bis jetzt vermeidet sie es wo sie kann an diesen Tag und jene Stunden zu denken. "Komm herein, Aurian, es ist offen." Die junge Frau tritt ein, hinter sich einen höchst ehrwürdig dreinblickenden alten Mann samt Hut und Stab, gerade als Niniane aus dem Esszimmer in den Vorraum tritt, um ihren Besuch in Empfang zu nehmen. "S'leja, Aurian," sie begrüßt die Magiernovizin mit einem freundlichen Lächeln und richtet ihren Blick dann auf den Zauberer, denn das ist er zweifellos, an ihrer Seite. "Ihr müsst Aberthol Silberbart sein," stellt sie fest. "Ich bin Niniane, die Protektorin des Larisgrüns. Bitte, kommt herein und setzt Euch." Sie führt die beiden ins Kaminzimmer, wo die lebendig gewachsenen Wände des Baumriesen vom Boden bis unter die in dunklen Schatten liegende Decke mit Büchern bedeckt sind, und runde, elbische Sessel vor einem Kamin zum Verweilen einladen. "Wollt Ihr etwas Warmes, Tee oder Cofea? Oder lieber etwas Kühles bei der Hitze? Ich habe Wasser, Bier, Wein, Cider oder kalte Milch."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aberthol Silberbart am 23. Nov. 2006, 12:17 Uhr
Gen Norden verlassen sie die Stadt und kommen in das Larisgrün, einen der schönsten Wälder, den Aberthol kennt. Und viele hat er – bei den Göttern – schon gesehen, doch nirgends das Gefühl von Zuhause verspürt. Ihm wird klar, dass er sein Leben lang, wo auch immer er war, nie die gute vertraute Luft des Talyrer Umlands vernommen hatte, die er so sehr liebt. Wer hier geboren ist, kehrt eines Tages auch zurück, wenn die Straße ihn zwischenzeitlich auch zu anderen Orten bringt.
Einen Moment verharrt Aberthol und prüft, ob vielleicht gerade das Alter in ihn kriecht. Solche Gedanken, so schön sie auch sein mögen, sind sicher ein Indiz für Neunzigjahrverblödung. Und auf die Neunziger geht er doch steil zu. Er hüpft drei Mal in die Luft, lässt die Finger knacken und geht dann zufrieden weiter. Noch fühlt er sich fit wie ein Turnschuh, was auch immer das ist.

Als sie sich dem Heim der mächtigen Halbelbin nähern, braust der Wind von hinten an ihnen vorbei in Richtung ihres Ziels. Er trägt zweifelos die Kunde ihres Kommens zu ihr.
Viele Elben hat Aberthol schon getroffen und alle waren sie älter als er selbst (und meist auch klüger, Ausnahmen bestätigen aber die Regel), doch bei keinem verspürte er diese Präsenz, die nun vom Hause Ninianes ausgeht. Sicher gehört sie zu den ältesten, und auch wenn Aberthol nicht weiß, wie alt sie wirklich ist, so kennt er doch die Gerüchte und die hält er ausnahmsweise einmal nicht für übertrieben.

Wenn er doch nur die geheimen Lande jenes schönes Volkes sehen könnte. Doch verwehrt bleibt es ihm, wie jedem, der nicht zu ihnen gehört. Ja, es wäre ein schönes Ende, denkt er sich, ein schöner Abschluss. Ach zum Kuckuck, schon wieder diese sentimentalen Altersgedanken. Er schüttelt den Kopf und folgt Aurian zur Türe. Sie klopft und rasch öffnet Niniane selbst die Türe. Aurian und er treten ein, Aberthol setzt den Hut ab und nachdem Aurian begrüßt wurde, wendet sich Niniane zu ihm.
"Ihr müsst Aberthol Silberbart sein. Ich bin Niniane, die Protektorin des Larisgrüns. Bitte, kommt herein und setzt Euch.“
Aberthol verneigt sich leicht und erwidert: „Wir danken Euch für die Gastfreundschaft.“

Sie führt beide in ein äußerst gemütliches Zimmer mit Kamin, sie nehmen in den Sesseln Platz und Niniane fragt sie, was sie trinken wollen.
„Oh ja, ein Bier mit Milch wäre wirklich nett“, antwortet Aberthol vergnügt, ohne zu bemerken, dass Aurian ihn leicht verdutzt ansieht... eher besorgt. Und auch Niniane scheint diese Bestellung nicht jeden Tag zu hören.

Nach einer Weile sitzen sie denn auch schn zu dritt und Aberthol lässt ein fröhliches Schlürfen vernehmen. Als Aurian immer noch nichts sagt, schaut er streng in ihre Richung.
„Aurian“, räuspert er sich, „mhmh!“
Und guckt dabei zu Niniane.
Sie würde doch wohl verstehen was mhmh heißt. Es ist beinahe ein Universalausdruck, der in allen Sprachen gültig ist. Wie es sich mit der Riesensprache verhielt, kann Aberthol aber nicht sagen. Vielleicht können die Riesen kein mhmh machen, es klingt sicher viel dunkler, eher hoommmmmmmmhommmm.

Oder so.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 24. Nov. 2006, 18:54 Uhr
Bier mit Milch? Aurian meint sich verhört zu haben, als Aberthol seinen Getränkewunsch bekannt gibt. Wäre er nicht männlich, hätte die junge Frau vermutet, ihr Begleiter sei schwanger. Auch Niniane blickt leicht verwundert drein, reicht dem Magier aber dann mit einem Schultzerzucken das Gewünschte. Dieser lächelt selig und nimmt genüsslich einen Schluck. Aurian kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Mischung schmecken soll und hält sich lieber an Cofea. Das Kaminzimmer strahlt noch die gleiche Gemütlichkeit und Harmonie aus, wie bei ihrem ersten Besuch. Die Magiernovizin sitzt in dem selben Sessel wie damals und die Erinnerung an ihren damaligen Schwips lässt ihr eine feine Röte in die Wangen steigen. “mhmh“ Aberthols Räuspern bringt sie in die Realität zurück. Ein Blick zu ihrem Lehrmeister zeigt ihr , dass er diesmal nicht gewillt ist, ihr das Reden abzunehmen. Verständlich, immerhin ist es ihr Anliegen, ihre Familie.
Niniane scheint zu merken, dass es sich um etwas wichtiges handelt, denn der Blick, mit dem sie die Halbelbe mustert ist interessiert – aufmunternd.

Aurian atmet einmal tief durch, nimmt noch einen Schluck Cofea und beginnt dann zu sprechen. „Lady Niniane, könnt Ihr euch erinnern, wie ich euch damals die Einladung zur Hochzeit des Lord Commanders überbracht habe? An jenem Abend habt ihr mir eröffnet dass ich Halbelbe und magisch begabt bin. Zweiteres hat mich schlussendlich zu Maester Aberthol geführt.“ Sie nickt dem Magier zu, der eben an seiner Bier – Milch Mischung nippt. „Ihr habt mir aber auch eröffnet, dass ich Lestat de Winters Tochter sei. Ich habe daraufhin versucht, etwas über diese, meine, Familie herauszufinden, doch es scheint kaum Aufzeichnungen zu geben. Die Familienchronik endet mit Lestat. Von Rhordri habe ich erfahren, dass Eliseth de Winter, meine.....Großmutter...“ an dieser Stelle stockt Aurian ein wenig. Es fällt ihr nach wie vor etwas schwer, diese, ihr unbekannten Personen, mit verwandtschaftlichen Anreden zu benennen. Doch dann setzt sie sogleich fort “...und sein Bruder Forral mit seiner Frau und den Kindern Talyra kurz nach der ganzen Sache Talyra verlassen haben und nie mehr hat man wieder etwas von ihnen gehört.
Ich habe lange überlegt, aber nach all dem was mir passiert ist, seit ich hier bin, die Sache mit den Kanalratten, der Dämonenangriff ist es eigentlich ein Wunder, dass Tallard noch nicht in Erscheinung getreten ist. Der Commander meinte einst, ich solle versuchen, ihm nicht in die Quere zu kommen. Doch ich möchte mich nicht verstecken,. Ich möchte im Gegenteil den Namen meiner Familie wieder herstellen. Sicher, es stimmt, Lestat hat Schuld an dem Skandal doch deswegen kann doch nicht all das Ansehen, das die Familie in Talyra genossen hat, mit einem Mal ausgelöscht sein! Und, egal was für ein Windhund mein Vater auch gewesen ist, er hatte auch gute Seiten, war ein ehrenhafter Offizier der Stadtgarde. Auch das soll nicht in Vergessenheit geraten.
Und darum meine Bitte an euch, Lady Niniane: In einer Stadtratssitzung soll der Beweis gelegt werden, dass ich Lestats Tochter und somit Erbin der de Winters bin. Ich möchte auf diesem Weg versuchen, die Familienehre wieder herzustellen. Und da ihr damals sagtet, Ihr habt meinen Vater gekannt, möchte ich Euch bitten, vor dieser Ratsversammlung auszusagen.“

Fragend, bittend blickt Aurian Niniane an. Würde die Halbelbe und Protektorin des Larisgrünes ihr helfen?

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 25. Nov. 2006, 10:06 Uhr
Niniane hebt zwar zweifelnd eine Braue und tauscht einen Blick mit Aurian, doch sie bringt Aberthol sein kühles Milchbier ohne mit der Wimper zu zucken. Die junge Magiernovizin hatte sich trotz der Hitze für Cofea entschieden, also nimmt auch sie welchen und bringt zwei Tassen, eine bauchige Kanne auf einem Bronzestövchen, ein wenig kostbaren Zucker und Rahm mit. Es dauert nicht lange, bis sie ihren beiden Besuchern in einem der elbischen Sessel, rund wie Vogelnester, gegenüber sitzt und sie erwartungsvoll anblickt... immerhin räuspert sich der Zauberer bereits vielsagend. Aurian scheint aus irgendeinem -  für Niniane nicht ersichtlichen - Grund etwas verlegen um die Nase, also schenkt sie der jungen Frau ein aufmunterndes Lächeln... in ihrem Inneren hofft sie allerdings, dass sie nicht hier ist, um an jenen unseligen Tag des Dämonenangriffs zu erinnern. Sie würde Aurian nicht gern belügen, und doch... bliebe ihr etwas anderes übrig? Wohl kaum.
Nachdem Aurian sich ein wenig Cofea-Mut angetrunken und ein paar Mal tief Luft geholt hat, kommt allerdings etwas ganz anderes zur Sprache: >Lady Niniane, könnt Ihr euch erinnern, wie ich euch damals die Einladung zur Hochzeit des Lord Commanders überbracht habe?< Tönt es ein wenig zaghaft hinter der Cofeatasse hervor. Niniane bemüht sich, ihr Lächeln weder erleichtert, noch raubtierhaft aussehen zu lassen und hofft, dass sie irgendwie die goldene Mitte erwischt. "Natürlich erinnere ich mich."  
>An jenem Abend habt ihr mir eröffnet dass ich Halbelbe und magisch begabt bin. Zweiteres hat mich schlussendlich zu Maester Aberthol geführt...< fährt Aurian fort und nickt dem Zauberer an ihrer Seite zu, der offenbar ihr Lehrmeister oder zumindest ihr Mentor geworden war. Niniane mustert das Mädchen ihr gegenüber aufmerksam. "Nicht ganz," korrigiert sie sanft, aber bestimmt. "Ich habe dir gesagt, dass du elbisches Blut in dir hast, das ist wahr. Aber ich weiß nicht, ob deine Mutter eine reine Elbin war und du somit zu den Halbelben gehörst, Aurian. Das konnte ich dir schon damals nicht sagen und ich kann es auch jetzt nicht, doch das spielt, denke ich, kaum eine Rolle. Und ich habe dir nicht gesagt, dass du magisch begabt wärst. Ich habe dir lediglich die Fähigkeiten aufgezählt, die das Elbenblut dir vererbt haben kann – oder auch nicht. Das hat mit Magiebegabung, wie dir Meister Silberbart sicher bestätigen kann, nichts zu tun."

Aurian nickt, fast ein wenig ungeduldig, denn offenbar will sie eigentlich auf etwas ganz anderes hinaus und nun ist Niniane ganz Ohr. >Ihr habt mir aber auch eröffnet, dass ich Lestat de Winters Tochter sei. Ich habe daraufhin versucht, etwas über diese, meine, Familie herauszufinden, doch es scheint kaum Aufzeichnungen zu geben. Die Familienchronik endet mit Lestat. Von Rhordri habe ich erfahren, dass Eliseth de Winter, meine.....Großmutter... und sein Bruder Forral mit seiner Frau und den Kindern Talyra kurz nach der ganzen Sache... Talyra verlassen haben und nie mehr hat man wieder etwas von ihnen gehört.  Ich habe lange überlegt, aber nach all dem was mir passiert ist, seit ich hier bin, die Sache mit den Kanalratten, der Dämonenangriff ist es eigentlich ein Wunder, dass Tallard noch nicht in Erscheinung getreten ist...< An dieser Stelle hebt Niniane verwundert eine Braue. "Wieso sollte er?" Am liebsten hätte sie sich vorgebeugt, um der jungen Frau mitfühlend die Hand zu tätscheln. "Aurian, nur weil man in der Steinfaust weiß, wer du bist, heißt das doch noch lange nicht, dass es allgemein bekannt ist oder Tallard schon davon gehört haben muss. Im Allgemeinen interessiert er sich wenig für kleine Magierschülerinnen."  
>Der Commander meinte einst, ich solle versuchen, ihm nicht in die Quere zu kommen. Doch ich möchte mich nicht verstecken,. Ich möchte im Gegenteil den Namen meiner Familie wieder herstellen.<
"Den Namen der de Winters wiederherstellen?"
>Sicher, es stimmt, Lestat hat Schuld an dem Skandal doch deswegen kann doch nicht all das Ansehen, das die Familie in Talyra genossen hat, mit einem Mal ausgelöscht sein! Und, egal was für ein Windhund mein Vater auch gewesen ist, er hatte auch gute Seiten, war ein ehrenhafter Offizier der Stadtgarde. Auch das soll nicht in Vergessenheit geraten.<
"Nun ja, er war ein Offizier der Stadtgarde, ob er auch ehrenhaft war weiß ich nicht." Aber er war ganz sicher ein Windhund... "Aber..."  

Niniane kommt überhaupt nicht dazu, Aurian auch nur irgendetwas zu erklären, denn die junge Frau sprudelt hastig weiter: >Und darum meine Bitte an euch, Lady Niniane: In einer Stadtratssitzung soll der Beweis gelegt werden, dass ich Lestats Tochter und somit Erbin der de Winters bin. Ich möchte auf diesem Weg versuchen, die Familienehre wieder herzustellen. Und da ihr damals sagtet, Ihr habt meinen Vater gekannt, möchte ich Euch bitten, vor dieser Ratsversammlung auszusagen.<
Behutsam stellt Niniane ihre Cofeatasse auf einem kleinen Zedernholztisch neben ihrem Sessel ab und verschränkt dann bedächtig ihre Finger. "Aurian, natürlich helfe ich dir, wenn ich kann. Das habe ich dir damals gesagt, als du zum ersten Mal hier bei mir aufgetaucht bist und ich halte mein Wort. Aber ich kannte Lestat bestenfalls flüchtig. Ich habe ihn öfters gesehen, schließlich war er bei der Stadtgarde und ich bin die Protektorin des Larisgrüns, daher ist mir auch sofort die Ähnlichkeit zwischen ihm und dir aufgefallen - und ich habe dein Amulett wiedererkannt. Ansonsten weiß ich jedoch von ihm auch nur das, was alle wissen... dass er... nun ja... wie du gesagt hast. Er war ein Windhund. Du bist Lestats Tochter, das kann jeder sehen, der ihn gekannt hat, denn du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Sogar euer Geruch ist fast gleich. Und du trägst das Familienerbstück," sie deutet leicht auf den leuchtend blauen Stein um Aurians schmalen Hals. "Seinen Stein. Aber einen wirklichen Beweis dafür habe ich auch nicht." Außer meine Augen und meine Nase, aber sehen können die Ähnlichkeit alle, sofern sie nicht blind wie die Maulwürfe sind... Dann kommt Niniane ein Gedanke und sie zögert. "Vielleicht... nun... ich weiß es nicht, aber immerhin wäre es ja möglich, vielleicht hat Lestat die Elbin oder Halbelbin, die deine Mutter gewesen sein muss, geheiratet? Hat deine Ziehmutter dir jemals irgendetwas genaueres erzählt über den Tag, an dem sie dich fand, Aurian? War vielleicht ein Brief bei dir, lagst du in einem Körbchen? Von welcher Art waren die Tücher, in die du gewickelt warst? Deine Kleidung? Bitte, versuch dich zu erinnern."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 28. Nov. 2006, 13:08 Uhr
Auran runzelt nachdenklich die Stirn. Die Pflegeeltern hatten ihr lange versucht Glauben zu machen, sie sei ihre leibliche Tochter und erst als es sich nicht mehr hatte verbergen lassen, dass dem nicht so wahr, hatten sie ihr die Wahrheit gesagt. „Sie haben mir erzählt sie hätten mich in einem Körbchen an der Türschwelle gefunden. Ich war dabei in weißes Tuch gewickelt. Diese Stoffart haben sie nicht gekannt. Beides, das Tuch und der Korb sind noch bei ihnen in Sumera. Aber.....es war noch ein Brief dabei. Die Eltern konnten damit nichts anfangen, weil sie nicht lesen können. Eigentlich wollten sie ihn verbrennen aber sie haben es doch nicht getan. Ich habe ihn damals mitgenommen. Jetzt liegt er in meiner Kammer im Haus der Bücher, aber ich habe ihn so oft gelesen, dass ich ihn mittlerweile auswendig kann.“ Aurian blickt in die Runde ehe sie, nach einem weiteren Schluck  Cofea anfängt, die Zeilen wiederzugeben. Immer und immer wieder hatte sie ihn gelesen, er war eines der ersten Dinge gewesen, den sie gelesen hatte, als sie selbiges lernte. Mittlerweile haben sich die Worte in ihr Gedächtnis quasi eingebrannt. „Seid gegrüßt ihr braven Leute! Ich kenne euch nicht und darum ist meine Bitte noch größer als sie ohnehin schon wäre: Dieses Kind ist meine Tochter, Aurian ist ihr Name. Ich gebe sie in eure Obhut mit der Bitte für sie zu sorgen und sie groß zu ziehen. Ich selbst kann es nicht, denn ich muss fort, weit in den Süden um den Mann zu suchen, den ich mehr liebe als mein Leben, den Vater meiner Tochter. Lestat, so ist sein Name, ist alles was wir beide haben und ich möchte meiner Tochter den Vater zurückbringen. Vielleicht komme ich, kommen wir, eines Tages wieder, damit ihr für eure Mühen entlohnt werdet. Habt Dank und ...“ An dieser Stelle stockt die junge Magierin, den die nächsten Worte sind elbisch und sie ist in dieser Sprache nicht sehr geübt, hatte sie doch nur wenige Monate Unterricht ehe Amrun mit Malakei verschwand.“...Tas khelan Glyres hjir ti, min Lia, Ayares jaeriorael isdior ti "
Aurian blickt Niniane fragend an. Sie versteht den Sinn dieser Worte nicht ganz, nur dass es vermutlich ein Segenswunsch der Mutter an die Tochter ist. In der nun einsetzenden Stille des Baumes ist nur das Knistern des Kaminfeuers zu hören. Aberthol nippt genüsslich an seinem Milchbier. Er hatte dem Gespräch der beiden Frauen schweigend zugehört. Seine Miene lässt keinen Aufschluss darauf zu, was der alte Magier sich denkt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. Nov. 2006, 21:24 Uhr
Niniane lauscht aufmerksam, während Aurian auswendig den Brief zitiert, den ihre Mutter ihren Zieheltern und damit letztlich ihr hinterlassen hat. Dass sowohl das Babykörbchen als auch Aurians Decke in Sûrmera zurückgeblieben sind, ist schade, denn sie hätte anhand des Materials und der Webart mit Sicherheit sagen können, von welcher elbischen Machart beides ist... vielleicht sogar eingrenzen können, wo es gefertigt wurde oder von welchem elbischen Volk Aurians Mutter stammt. Ich selbst kann es nicht, denn ich muss fort, weit in den Süden um den Mann zu suchen, den ich mehr liebe als mein Leben, den Vater meiner Tochter. Bei diesen Worten wird Ninianes unverbindliches Lächeln schmal und in Gedanken entkommt ihr ein höchst normandischer Laut.  Mmmpf! Das ist keine Entschuldigung, sein Kind zurückzulassen, noch dazu bei wildfremden Leuten... Aurians letzte Worte sind elbisch und auch wenn die Stimme der jungen Frau unsicher schwankt und ihre Aussprache einen durch und durch menschlichen Akzent aufweist, sie sind klar verständlich – und Aurians Miene macht deutlich, dass sie keine Ahnung hat, was sie von sich gibt. "Es heißt Die besten Wünsche, meine Tochter, die Götter mögen dich behüten," übersetzt Niniane leise. "Ich denke nicht, dass uns dieser Brief sehr viel weiter hilft, auch wenn deine unbekannte Mutter Lestat immerhin namentlich erwähnt. Ein Beweis ist das vermutlich nicht, aber es ist besser als nichts. Ich kann gern für dich aussagen und meine Meinung den Stadträten mitteilen. Wie sie dann darüber entscheiden vermag ich allerdings nicht zu sagen, Aurian. Mit wem habt ihr bisher gesprochen? Ich meine, wer unterstützt deinen Antrag?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 11. Dez. 2006, 21:26 Uhr
Als Niniane ihr den elbischen Satz übersetzt, treten der jungen Magierin die Tränen in die Augen. Verstohlen versucht sie sie weg zuwischen. >...Mit wem habt ihr bisher gesprochen? Ich meine, wer unterstützt deinen Antrag?" Fragend sieht Niniane Aurian an. „Der Lord Commander hat versprochen mir zu helfen. Er meinet auch, dass einige Stadtratsmitglieder zu mir halten werden, wenn die Beweise gut sind und sie mir Glauben schenken. Doch das Verhältnis ist seiner Meinung nach bestenfalls unentschieden. Zeugen, ja Rhordri und Vareyar, die mit meinem Vater befreundet waren und dann gibt es da noch Erin, Lestats Amme. Rhordris Frau kümmert sich um sie. Sie ist zwar schon ziemlich gebrechlich und hört schlecht aber ihr Verstand, hat Rhordri mir erzählt, ist noch immer messerscharf. Vielleicht....vielleicht hat Lestat ihr einen Brief geschrieben, als er unterwegs war? Ich konnte noch nicht mit ihr sprechen, werde es aber morgen tun.“ Aurian sieht aberthol an. „Und Maester Aberthol hat versprochen mir beizustehen.“ Aurian nimmt noch einen Schluck Cofea, der mittlerweile kalt geworden ist. So schmeckt er der jungen Halbelbe aber noch um einiges besser. „Ich weiß meine Chancen, zu beweisen wer ich wirklich bin, sind gering, aber solange nur ein Funken Hoffnung besteht werde ich um meinen Namen kämpfen. Und um das Ansehen meines Vaters. Vielleicht ist er noch am Leben und vielleicht kehrt er eines Tages zurück. Dann soll er kein Ausgestoßener sein. Denn wäre dem so und hätte ich nicht alles versucht um seinen Namen rein zuwaschen oder zumindest ein wenig aufzuzeigen, dass er auch gute Seiten hat, wie könnte ich ihm da in die Augen sehen?“ Aurian blickt in die Runde. Ihre Hände zittern leicht doch ihr Blick ist fest und in ihrer Stimme liegt alle Überzeugung, die in dem zarten Persönchen wohnt.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 16. Dez. 2006, 10:01 Uhr
>Der Lord Commander hat versprochen mir zu helfen. Er meinet auch, dass einige Stadtratsmitglieder zu mir halten werden, wenn die Beweise gut sind und sie mir Glauben schenken. Doch das Verhältnis ist seiner Meinung nach bestenfalls unentschieden.< Erwidert Aurian nach einem Moment und Niniane nickt. Sie kann sich vorstellen, wer für Aurian sprechen wird, wer klare Beweise fordern wird und wer ihrem Anliegen eher abwehrend gegenüberstehen könnte... sie kennt den Stadtrat immerhin schon seit einiger Zeit und weiß die einzelnen Ratsmitglieder einzuschätzen. Nichtsdestotrotz läuft Aurian nun einmal mit dem Gesicht ihres Vaters herum, Beweise hin oder her, und Ninianes Meinung nach wird ihre größte Schwierigkeit keineswegs sein, den Stadtrat davon zu überzeugen, dass sie Lestats Tochter ist, sondern eher, dass sie Lestat de Winters legitime Tochter und damit Erbin des Hauses ist... und dafür, dass ihre Eltern vermählt waren, gibt es offenbar bisher zumindest keinen hieb- und stichfesten Beweis. > Zeugen, ja Rhordri und Vareyar, die mit meinem Vater befreundet waren,< fährt die Magiernovizin fort, >und dann gibt es da noch Erin, Lestats Amme. Rhordris Frau kümmert sich um sie. Sie ist zwar schon ziemlich gebrechlich und hört schlecht aber ihr Verstand, hat Rhordri mir erzählt, ist noch immer messerscharf. Vielleicht....vielleicht hat Lestat ihr einen Brief geschrieben, als er unterwegs war? Ich konnte noch nicht mit ihr sprechen, werde es aber morgen tun. <

Niniane macht eine Kopfbewegung, die sowohl ein Nicken, als auch das Gegenteil sein könnte und entschließt sich zu einem diplomatischen. "Das wäre möglich." Aurians Blick hingegen wandert zu dem alten Magier an ihrer Seite, der genüsslich von seiner Biermilch schlürft. >Und Maester Aberthol hat versprochen mir beizustehen. Ich weiß meine Chancen, zu beweisen wer ich wirklich bin, sind gering, aber solange nur ein Funken Hoffnung besteht werde ich um meinen Namen kämpfen. Und um das Ansehen meines Vaters. Vielleicht ist er noch am Leben und vielleicht kehrt er eines Tages zurück. Dann soll er kein Ausgestoßener sein. Denn wäre dem so und hätte ich nicht alles versucht um seinen Namen rein zuwaschen oder zumindest ein wenig aufzuzeigen, dass er auch gute Seiten hat, wie könnte ich ihm da in die Augen sehen?< Niniane lauscht Aurians fast beschwörenden Worten schweigend, doch bei den letzten Sätzen der jungen Halbelbin, kann sie nicht anders, als zweifelnd und ein wenig argwöhnisch eine Braue zu heben. Ihm in die Augen sehen? Er hat deine Mutter und dich verlassen um Krieg zu spielen...

"Aurian, ich kann dein Ansinnen durchaus verstehen, aber  ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass du Lestat auch nur irgendetwas schuldig bist. Ich mag andere Ansichten über diese ganze Angelegenheit haben als du, aber es ist wirklich nicht deine Aufgabe, Lestats Ehre wiederherzustellen. Das kannst du auch gar nicht, das kann er nur selbst. Was du tun kannst, ist dem Namen de Winter wieder Achtung und Beachtung zu geben... und deinem Vater so vielleicht eine Möglichkeit zu geben, Ansehen zurückzugewinnen, falls er noch am Leben ist und das jemals wünscht. Mehr kannst du nicht tun... und mehr musst du auch nicht tun... schließlich war dein Vater nicht das Opfer in dieser ganzen Sache Aurian, sondern der Schuldige. Lestat hat sich sein Unglück selbst zuzuschreiben.... und das Unglück einiger anderer... und den Niedergang seines Hauses. Es ehrt dich, dass du den Namen deiner Familie reinwaschen willst und ich helfe dir dabei, wie ich es versprochen habe. Aber deine Pflicht ist es gewiss nicht. "

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aberthol Silberbart am 12. Jan. 2007, 18:10 Uhr
Mit großen Augen schaut Aberthol auf Aurian, als Niniane spricht. Immer wieder nickt er Aurian. Höre was die Waldläuferin dir zu sagen hat, Aurian, besser kann ich es auch nicht ausdrücken, denkt er sich und nippt dann weiter an seiner Biermilch, dieses Mal jedoch deutlich weniger hörbar.
Als Niniane endet, schweigt Aurian. Das war alles ziemlich viel und es ist ein Zeichen von Weisheit, den Ratschluss zu bedenken, so gut er auch klingen mag. Schließlich spricht Aberthol: „Weder Pflicht noch Bürde soll es für dich sein, junge Schülerin. Aber eine Möglichkeit, die dir eröffnet wurde ist es zweifellos. Du kannst viel gewinnen und wenig verlieren, denn ehrenhaft, das bist du – so oder so. Denn die Ehre eines einzelnen resultiert nicht aus der Ehre seines Hauses. Was du leisten kannst, tu! Doch belaste dich nicht mit den Verfehlungen der anderen, aber vergesse sie auch nicht. Was du zu tun hast ist ein Recht einzufordern, nämlich das Recht als offizielle Erbin eingesetzt zu werden. Und dann obliegt es wohl dir, neuen Ruhm für dein Haus zu gewinnen, wenn es dir dannach verlangt.“

Und dabei unterstütze ich dich... und hoffen wir, dass dein Vater nicht noch mehr Kinder aus diversen "Verbindungen" hat... es wäre der Sache nicht zuträglich
Aberthol blickt auf Niniane, die entspannt wirkt und forscht in ihren Augen, doch es gelingt ihm nicht, darin etwas zu lesen. Es scheint unmöglich.

„Ich schlage vor, dass du deine Recherche bald beendest. Was du an Zeugen aufbieten kannst, hast du bedacht – es sei denn, du willst mit der alten Amme noch sprechen. Eine Amme war es doch, richtig? Jedenfalls wird die Stadtratssitzung dann angesetzt, sobald du offiziell deine Ansprüche auf das Erbe der de Winters anmeldest – das ist ein formaler Akt.“

Dann weist er mit der Hand auf Niniane. „Möchtest du die Herrin noch etwas fragen, Aurian?“

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Aurian am 09. Feb. 2007, 14:39 Uhr
Aurian folgt mit großen Augen und angehaltenem Atem jedem Wort der Waldläuferin. Auch wenn sie es nicht wahr haben will, Niniane hat Recht. Sie ist ihrem Vater eigentlich nichts schuldig, ist ihm gegenüber nicht in der Pflicht. Als die Halbelbe geendet hat blickt sie leicht verunsichert ihren ehrmeister an. Der nippt an seinem Milchbier und schenkt ihr ein aufmunterndes Lächeln ehe er zu sprechen beginnt. > Weder Pflicht noch Bürde soll es für dich sein, junge Schülerin. Aber eine Möglichkeit, die dir eröffnet wurde ist es zweifellos. Du kannst viel gewinnen und wenig verlieren, denn ehrenhaft, das bist du – so oder so. Denn die Ehre eines einzelnen resultiert nicht aus der Ehre seines Hauses. Was du leisten kannst, tu! Doch belaste dich nicht mit den Verfehlungen der anderen, aber vergesse sie auch nicht. Was du zu tun hast ist ein Recht einzufordern, nämlich das Recht als offizielle Erbin eingesetzt zu werden. Und dann obliegt es wohl dir, neuen Ruhm für dein Haus zu gewinnen, wenn es dir dannach verlangt.< Aurian atmet tief durch. Hier hatte sie alles erfahren, was sie  zu erfahren hoffte. Mehr war nicht zu sagen. „ Ich möchte Erin, die Amme, schon noch aufsuchen. Ob sie aussagen kann, werden wir sehen, immerhin ist sie schon sehr alt und ich möchte nicht, dass diese Verhandlung ihrem alten Herzen schadet. Aber ich möchte sie kennenlernen, sie kann mir sicher Geschichten von meinem Vater erzählen. Und ich möchte mich auch vergewissern, dass es ihr an nichts fehlt. Sie kann schließlich am wenigsten dafür was geschehen ist und ich traue mich wetten Tallard hat auch ihr das Leben in den letzten Jahren nicht gerade leicht gemacht.“
Aurian erhebt sich aus dem Sessel, nachdem sie noch einen Schluck Cofes, der mittlerweile kalt geworden ist, genommen hat. Kalt schmeckt das Getränk auch nicht schlecht stellt sie hierbei fest. „Ich danke euch Lady Niniane. Ich werde demnächst den Antrag stellen, meine Sache vor den Stadtrat zu bringen. Und dann möge er und die Götte entscheiden!“ Sie lächelt leicht. Aberthol hat sich ebenfalls erhoben, verabschiedet sich von Niniane und gemeinsam treten sie auf die Lichtung hinaus.
Die Sonne steht mittlerweile hoch am Himmel und die Waldtiere haben sich in den kühlen Schatten verzogen. Schweigend machen sich die Magiernovizin und ihr Lehrmeister auf den Weg zurück nach Talyra, jeder seinen Gedanken nachhängend.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Soraya am 24. Feb. 2007, 22:09 Uhr
~Ende Nannar~


Der Morgen schimmert am weit entfernten Horizont taubengrau aus der Dunkelheit der schwindenden Nacht hervor und obwohl weiterhin morgendliche Kälte das Land in seinem Griff hält, spürt Soraya bereits Shenras Wärme auf ihren Wangen. Aus der Ferne erklingt das jammernde Heulen eines hungrigen Wolfes und ein leichter Windstoss fährt säuselnd durch die kahlen Äste, die sich wie schwarze Adern vor dem Grau vereinzelter Wolken winden. Vor ihr breitet sich eine hauchdünne, zart schimmernde Decke aus unberührtem Schnee aus und ein winziger Funke tanzt durch ihren Blick. Îhiot ragnaron. Langsam geht sie in die Hocke, zieht sich die pelzgefütterten Fäustlinge von den Händen und fährt mit steifen Fingern über den weissen Schleier zu ihren Füssen, der unter der Berührung bereits zu schmelzen beginnt. Alles sieht anders aus… selbst der Schnee, stellt sie fest und hebt den Blick. Kaum mehr eine Stunde Ritt entfernt ragen die hohen, bemannten Mauern Talyras in den Himmel – ihr Ziel.
Ein ungeduldiges Schnauben reisst sie aus ihren Gedanken und mit hochgezogener Augenbraue betrachtet sie das schwarze Pferd neben sich, welches aufmüpfig den Kopf in die Höhe wirft und mit seinem Huf über den gefrorenen Boden scharrt. „Silaû aê cam Endhis.“ Es sieht aus, als würde die Stute verärgert mit den Augen rollen und entlockt Soraya damit trotz grösster Erschöpfung und schmerzenden Füssen ein dünnes Lachen. Zumindest die Kälte kann ihr wenig anhaben. Der gefütterte Umhang aus grauem Wolfspelz hält angenehm warm. Darunter trägt sie einen schwarzen Wams, ein rauchgraues Yalariskettenhemd zum Schutz gegen räuberische Wegelagerer – von denen es zwischen Sûrmera und Talyra genügend gibt – und einen schlichten Surcot, der dank fehlender Waschmöglichkeiten vor Dreck und Schmutz nur so starrt. Ein weite, anstrengende Reise liegt hinter ihr –die etlichen Umwege aufgrund fehlender Orientierung und veralteter Karten aussen vor gelassen – und angesichts der nahen Stadttore, in Gedanken bereits bei Niniane, meldet sich die Müdigkeit penetrant zu Wort.
„Niniane.“ Der Klang des Namens erinnert Soraya daran, dass zwischen ihr und ihrem Glück noch immer einige Schritte liegen und die Kapuze über den Kopf streifend steigt sie wieder in den Sattel.
Norntha tänzelt unruhig und wiehert empört, als wolle sie sich beschweren, dass nach beinahe einer halben Nacht Ritt noch immer keine Pause in Sicht ist, aber Soraya bringt die Stute mit einigen besänftigenden Worten, sowie einem beruhigenden Klopfen des kräftigen, schlanken Halses zur Ruhe. Der alte Hengst daneben beachtet das aufgeregte Benehmen seiner jungen Gefährtin überhaupt nicht und lässt gemütlich den Kopf hängen, lustlos an einigen silbernen Grashalmen zupfend, die unter der frischen Schneedecke zum Vorschein gekommen sind. In diesem Augenblick flutet erstes Sonnelicht über das Larisgrün und milchiggelber Schein taucht die Umgebung für einen Herzschlag lang in ein glitzerndes Farbenspiel.

Als sie die Wachen am Südtor erreicht herrscht nur mässiger Betrieb. Vereinzelte Frühaufsteher strömen ins Innere der Stadt, oder machen sich auf den Weg in die Wälder und Soraya – noch nicht gänzlich gewöhnt an Menschen und ihr Benehmen – hält sich so weit wie möglich am Rand, hadert kurzzeitig, ob sie zuerst Arwen aufsuchen soll und entscheidet sich dann doch erst bei Niniane vorbei zu sehen. Zwar kommt es auf die wenigen Tage auch nicht mehr an, ihr Begehr lastet aber seit Anbeginn ihrer Reise wie ein Stein auf ihren Schultern und es wird sicherlich einfacher, hat sie den schwierigsten Teil ihres Aufenthalts erst einmal hinter sich. In gebrochener Allgemeinsprache erkundet sie sich nach „Lady Niniane“ und erhält sofort Auskunft. Anscheinend ist Niniane nicht unbekannt, überlegt Soraya, während sie um die Stadt herum nach Norden reitet, wo man ihr von „Lady Ninianes Baum“ erzählt hat. Aber wie soll eine Frau wie Niniane auch unbekannt bleiben.
Diesen Baum zu finden erweist sich als unschwere Aufgabe. In der Mitte einer goldgrünen Lichtung, umgeben von einer weissen Schneedecke und eingehüllt in sein Winterkleid ragt Ninianes Heim stolz und erhaben in die Höhe. Sorayas Blick klettert an dem dunklen, mit dichtem Moos und feuchtem Farn bewachsenen Stamm, der knapp über dem Boden sicherlich 15 Schritt Durchmesser hat, hinauf, bis zu dem verschlungenen Dach dunklen Blättern, die ebenso wie der Rest des Waldes erst im Frühling wieder in sattem Grün erblühen würden, und ein erleichtertes Seufzen rollt über ihre Lippen. Die Zügel über den Sattelknauf legend, lässt Soraya die beiden Pferde, die sich längst an einigen Smaragdgrashalmen gütlich tun, stehen und der Schnee vergeht knirschend unter ihren Stiefelsohlen, als sie die Distanz zur Türe überbrückt. Kein Laut dringt aus dem goldenen Halbdunkeln des Baumes und ihr kommt der vage Gedanke, dass Niniane noch seelenruhig schläft, unvorbereitet und ahnungslos. Doch für irgendwelche Art von Schuldgefühlen ist es nicht der richtige Zeitpunkt, weswegen Soraya schliesslich kräftig gegen das glatte, starke Holz klopft und sich fast aus reiner Gewohnheit schon auf Tadel für den viel zu frühen Weckruf bereit macht. Wahrscheinlich bekomme ich wieder den Befehl spielen zu gehen und die Erwachsenen schlafen zu lassen…

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 25. Feb. 2007, 00:19 Uhr
Es ist ein kalter und nebliger Morgen gegen Ende des Eisfrostmondes, als Cron kurz nach Tagesanbruch von wildem Gehämmer aus dem Schlaf gerissen wird. „Förbannad!“ Verdammt, murmelt er halblaut und wirft Ninianes zerzausten roten Locken neben ihm auf dem Kissen einen alarmierten Blick zu. Sie hat die Augen jedoch fest geschlossen, gibt ein ganz und gar unwilliges Brummen von sich und zerrt sich prompt die Decke über den Kopf. Cron wirft einen augenrollenden Blick an die Balkendecke, doch seine Mundwinkel zucken amüsiert. Er ist lange genug verheiratet, um das Schnauben seiner Frau richtig zu deuten, nämlich als Ankündigung, dass sie zwar aufstehen und nachsehen würde, wer da in aller Götterfrühe etwas von ihnen will, wenn eres nicht täte, dass es ihm aber sehr, sehr leid tun würde, wenn sie jetzt das warme Bett verlassen müsste, von ihrem bedauernswerten Besucher auf der anderen Seite der Tür ganz zu schweigen. Schicksalsergeben wühlt Cron sich also unter Spinnenseide und einer samtweichen Decke aus Mäusepelzen hervor, fährt sich mit der Hand durch das Haar, um es notdürftig zu glätten und angelt nach seinen Hosen. Die Luft, die durch die sacht geöffneten, blattförmigen Fenster hereinströmt, ist eisig und schmeckt nach Frost… in der Nacht hatte es ein paar Sekhel geschneit, nicht viel, aber immerhin genug, um die Lichtung und den Baum mit einer dünnen, weißen Schicht zu überzuckern. „Wenn das schon wieder einer der steinmühler Bauern ist, der uns eine seiner Töchter als Kindermagd aufschwatzen will, dann ertränke ich ihn höchstpersönlich im Ildorel, Nan,“ knurrt er ungehalten, während er aufsteht. „Mach das,“ kommt die ungerührte Antwort gedämpft unter den weichen Decken hervorgenuschelt. „Und falls irgendwer ein Kind kriegt, soll er gefälligst damit warten.“ Grinsend schüttelt Cron den Kopf und schlüpft in Hosen und Strümpfe. Unten wiederholt sich das Hämmern und Leir, inzwischen vierzehn Monde alt und als einziger der Familie ein durchaus fröhlicher Frühaufsteher, setzt sich in seinem Bettchen auf, zerzaust wie eine schwarzflaumige Distel.

Noch schläft er hier oben bei ihnen, weil Niniane ihn abends hin und wieder zum Einschlafen noch stillt, doch bald würde er im Erdgeschoss des Baumes sein eigenes kleines Reich beziehen. Jetzt allerdings ist er hellwach und teilt Cron grinsend mit, dass es klopft. „Aye? Na dann komm mit, Kleiner, wir sehen nach, wer uns da die Tür einschlägt, bevor deine Mutter hinunter rauscht und unseren Besuch für die nächsten zehn Jahre in ein Einmachglas mit Leiter steckt oder so…“
Die zusammengerollte Gestalt unter den Decken gibt empörten Protest von sich und Cron geht nur in Hosen, dafür mit dem Schatten eines Bartes, mit zerzaustem Haar und einem ganz und gar ausgeschlafenen, kichernden Einjährigen auf dem Arm hinunter, um die Tür zu öffnen.
Draußen steht eine Elbin in abgetragener Reisekleidung, schlammigen Stiefeln und einem dicken Winterumhang. Sie ist hochgewachsen, selbst für eine Frau des Schönen Volkes, hellhaarig und grünäugig und breitschultrig wie ein Krieger - und sieht nicht so aus, als gehöre sie zu den Bauern vom Trollbach oder brauche dringend in nächster Zeit eine Hebamme. „Aye?“ Cron mustert die Frau vor ihm, die höchstens einen Kopf kleiner sein kann, als er selbst. Sie sieht unleugbar erschöpft aus, ebenso wie die beiden Pferde, die hinter ihr in die kalte Morgenluft schnauben, als hätten sie allesamt eine lange, beschwerliche Reise hinter sich... aber ebenso unleugbar scheint die Elbin auch ziemlich verwirrt über seinen Anblick. Ihre Züge kommen ihm jedoch merkwürdigerweise seltsam bekannt vor, auch wenn er todsicher ist, ihr noch nie in seinem Leben begegnet zu sein. „Cariad,“ ruft er über die Schulter in Richtung Treppe und Obergeschoss. „Es ist für dich, komm herunter.“ Dann wendet er sich wieder an ihren morgendlichen Überraschungsgast. „Kommt herein. Ihr wollt sicher zu Niniane.“ Leir, zur Zeit im Alter, in dem ihm jeder Fremde grundsätzlich erst einmal mehr als suspekt ist, birgt den kleinen Kopf an seiner Schulter und beäugt die Elbin misstrauisch. „Vem ær det, far?” Wer ist das, Vater? „Ich weiß es nicht, skrollan, es ist Besuch für deine Mutter. Aber wir werden es bestimmt bald erfahren. Kommt,“ er hält der Elbin die Tür auf und tritt einen halben Schritt zurück, um sie einzulassen. „Meine Frau wird gleich hier sein.“




Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Soraya am 26. Feb. 2007, 23:50 Uhr
Es dauert in ihrer Verwirrung geschlagene drei Sekunden, bis Soraya begreift, dass nicht Niniane, sondern jemand vollkommen Fremdes ihr die Türe geöffnet hat. Ein Mann, sehr gross und sehr kräftig, mit leicht zersaustem schwarzem Haar, nacktem Oberkörper und einem sichtlich scheuen Kind auf dem Arm. „Aye?“ Kurzzeitig fragt sie sich sogar, ob sie den falschen Baum erwischt und beim Nachbar angeklopft hat, doch gibt es wohl kaum eine zweite solche Unterkunft im Umkreis von mehreren Hundertschritt und dann blinzelt das Kind sie aus bernsteingoldenen Augen an. Ayares! Daliot â Li. Götter! Sie hat einen Sohn… Wird Soraya schlagartig klar und ihr Blick huscht zurück zu dem Mann, der dann wohl niemand anders als… Lanambioim? Linnes? Arúen, isqe dalios lim firâya debô parioit? Einen ganzen Atemzug lang ruft sie sich zur Ruhe, schliesslich ist es nichts Ungewöhnliches für eine Frau, auch nicht für eine Archonenenkenkelin, zu heiraten und Kinder zu gebären, auch wenn dieser Umstand Soraya ein wenig überrumpelt. Zu gut kann sie sich noch daran erinnern selbst an Ninianes Rockzipfel gehangen zu haben.Tayem Rhiad mia i cîuadilaer… Diesen Platz muss ich wohl abgeben, denkt sie und nickt dankbar, als der Mann ihr bescheidet, Niniane sei bereits auf dem Weg, gerade als der Junge kleinlaut nachfragt: „Vem ær det, far?” Rollende Töne, rau und kurz, fremd und doch nicht unbekannt. Sie versteht nicht ein einziges Wort, aber der Klang der benutzten Sprache lässt einen feinen Schauer ihren Rücken hinab rieseln, eisiger als der Morgenfrost. Ihr Gesicht bleibt eben, nicht einmal ein Wimpernzucken verrät den plötzlichen Argwohn, der fad ihren Mund ausfüllt und ihr ausgehungerter Magen zieht sich zusammen. Noch einmal betrachtet sie den Mann, mustert seine klaren Züge, den Schatten eines Bartes um sein Kinn, die dunklen Augen und ihr Verdacht verhärtet sich. Aê Nuorkhar… Ein Normander.
Während ihrer langen Reise ist sie allen möglichen Menschen begegnet: Ildorer, Drachenländer, Laiginer, Targa und selbst ein Saraz, in seinem typschen wallenden Tuch nicht minder eindrucksvoll, als der Ildorerritter in seiner Rüstung, haben ihren Weg gekreuzt. Die wenigstens konnte sie anhand ihres Aussehens den verschiedenen Völkern der Immerlande zuordnen, ganz zu schweigen davon, dass es ihr lieber gewesen ist, so wenig wie möglich mit ihnen sprechen zu müssen, doch Ninianes Mann ist der erste Normander seit das Reich Dúne vor mehr als fünfhundert Jahren unter dem Ansturm der Barbaren gefallen ist.

Snævar Tronja. Das Gesicht eines anderen Normanders taucht aus den Nebeln längst vergessener Zeiten auf, breiter und herber, aber nicht minder verrucht, der Mund nur eine verzerrte Narbe und die Augen blau wie Veilchen und glühend wie das Höllenfeuer. Einen langen, harten Herzschlag lang spannt sich die Haut über ihren Kiefer und all das, wofür sie hergekommen ist, verblasst angesichts der Gefühle, die in ihr aufbegehren. Ihre Finger unter dem Umhang verkrampft sich ihre Linke um den Griff Virintuil und ein unsichtbares Zittern huscht durch ihren Blick, der still auf dem Antlitz des Nuorkhar ruht. Nuorkhar… Îhiot aê Nuorkhar. In ihren Gedanken liegt nur ein blasser Abglanz der Verachtung, die sie einem Normander noch vor weniger als hundert Jahren ins Gesicht gespuckt hätte, doch es genügt, um sie aus der Vergangenheit ins Hier und Jetzt zurück zu holen. Îhiot il Re… îr îhiot te Eamo ily Linn… îr îhiot aê Nuorkhar.
Einen letzten Blick über die Schulter werfend, tritt Soraya schweigend in das warme Innere des Baumes, dem Mann zum Dank ein knappes Nicken schenkend. Der Duft nach Sandelholz und Orangenblüten verdrängt die Frische, die durch den geöffneten Eingang strömt und mit einem sanften Lächeln nimmt Soraya diesen Hauch von Gemütlichkeit wahr. Doch als die Kälte zurückweicht, verschwindet auch das Einzige, was den Grad ihrer Erschöpftheit bisher aus erträglicher Stufe gehalten hat und ihr Körper meldet sich mit bleierner Schwere zu Wort. Erst jetzt spürt sie, wie kaputt sie wirklich ist.
Mehrere Wochen war sie geritten, manchmal ganze Tage und ganze Nächte durch, und selbst nachdem sie sich vollkommen verirrt hatte – nahe Liedberg und damit nicht einmal mehr drei Tageritte von Talyra entfernt – hatte sie nicht einen Gedanken daran verschwendet inne zu halten und sich eine Rast zu gönnen. Sie hatte den armen Tieren, wie sich selbst das Letzte abverlangt, im Wissen, dass ihr Vater schon bald, vielleicht hatte er es bereits getan, aufgrund fehlender Nachricht aus Lomirion einen Raben zu Myliaris schicken würde. Der wiederum nichts ausser Unwissenheit für Serassher übrig hätte.

Ein Anflug von Erleichterung huscht über ihre Miene, als Niniane endlich auftaucht: Halbwach, mit unordentlich im Nacken zusammengefasstem Haar und eingewickelt in einen Pelz aus Eichhörnchenfell… und in den goldenen Augen blitzen augenblicklich Erschrockenheit und Verwirrung gleichermassen auf. “Soraya?“ Ein schwaches Nicken ist vorerst die einzige Antwort, die Soraya bereit hat. Gerne hätte sie die Fragen, die sich wie tiefe Falten in Ninianes Stirn graben, mit einer schlichten Handbewegung und einigen beruhigenden Worten gelindert, gerne hätte sie ihren Besuch durch reine Freundschaft erklärt, ja, fast zu leicht scheint es zu lächeln und zu sagen: „Schön dich wieder zu sehen. Ich wollte einfach vorbeischauen und mich erkundigen, wie es dir ergangen ist.“ Stattdessen macht sie einen Schritt auf die Halbelbin zu und flüstert ernst: „Dían Nan, dalio dere manait… î daliot teyem Nounêa firâya ôr adiphaites Gleaes an manaer.“ Tante Nan, ich habe etwas angestellt… und es hat dieses Mal nichts mit bemalten Segeln zu tun.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 27. Feb. 2007, 07:24 Uhr
Von Crons Worten und den Stimmen aufgeschreckt, tappt Niniane noch ein wenig schlafwackelig auf den Beinen und ganz und gar unwach die warmen, lebendigen Holzstufen in den runden Vorraum ihres Baumes hinunter, und begegnet dort prompt einer Halluzination. "So... Soraya?!" Das Trugbild nickt unglücklich, während Niniane in vollkommener Verwirrung die Augen aufreißt, ein paar Mal entgeistert blinzelt und es trotz des Schocks irgendwie noch schafft, auch den Rest der Erscheinung zu mustern... abgetragene Reisekleidung, schmutzstarrende Stiefel, ein Umhang der aussieht, als hätte er die letzten Wochen auf schlammigen Winterböden oder in strohgefüllten Scheunen zugebracht. Kleine Dreckpfützen, die sich unter den Sohlen schneebestäubter Stiefel bilden. Keine Halluzination, kein Trugbild und auch kein Traum. Es ist Soraya. In voller Lebensgröße. Hier. In den Herzlanden. In ihrem Baum. Hier! "Soraya! Was... allmächtige Götter... Soraya!" Jede andere Elbin hätte sie erwartet, aber diese nicht. "Was bei allen Neun Höllen tust du hier? Hier!" Quietscht sie erschrocken. "Du bist hier!" Ihr Blick fliegt zu Cron, der ihren unleugbaren Aufruhr mit gefurchter Stirn mustert, aber offenbar keine Ahnung hat, wer da gerade bei ihnen hereingeschneit ist. Woher auch? Fragt eine zynische Stimme in ihrem Kopf und beinahe hätte sie laut aufgelacht. Und wenn wäre es ihm vollkommen gleich! Himmel... Sie sieht zurück zu Soraya und wieder zu Cron, dann irren ihre Augen hastig durch den Raum auf der Suche nach abgetrennten Körperteilen und Blutlachen, doch sie kann keine entdecken und beide stehen unversehrt auf ihren eigenen Beinen. Das hysterische Lachen sitzt immer noch in ihrem Hals, sperrig wie ein Balken, und sie schluckt es entschlossen hinunter. Sei nicht albern. Sie ist hier, verdammt noch mal. Warum?! Sie sieht in das Gesicht, das sie seit so vielen Jahrhunderten nicht mehr gesehen hat und in ihren ungläubigen Schrecken mischt sich trotz allem die Freude einer Frau, die ein vielgeliebtes und lange vermisstes Kind wiedersieht. Dann streckt sie die Arme aus, lässt Mäusepelzdecke Pelzdecke sein, hüpft barfuss und in einem von Crons abgetragenen Hemden, die sie immer zum Schlafen trägt und die ihr bis fast an die Knie reichen, die letzten Stufen hinunter, und zieht die Elbin in eine feste Umarmung, nur um sie gleich darauf ordentlich zu schütteln. "Was machst du denn bloß hier? Weiß... weiß Zedernherz wo du bist? Nein, natürlich nicht, er hätte dich niemals herkommen lassen... Himmel! Götter, es ist schön, dich wiederzusehen. Du bist doch nicht... doch nicht verwundet, oder?"

Ihre Hände tasten schon in einer hastigen Bestandsaufnahme die Arme und den Rücken der Elbin ab, noch ehe sie selbst merkt, was sie tut. "Du siehst schrecklich mitgenommen aus, Arzaenyóli. Sieh dich an, du bist ja so groß geworden... du liebe Zeit!" Mit Tränen in den Augen und schniefend blinzelt sie in Sorayas Gesicht. Sie weiß genau, dass Zedernherz’ Tochter schon ziemlich lange ziemlich groß ist, aber sie war Njard’as Hebamme gewesen, damals, auf der Schweigen, es waren ihre Hände, die dieses Kind als erstes berührt hatten. Das mag eine andere Welt und eine andere Zeit gewesen sein, aber für sie würde Soraya immer auch das Baby bleiben, das sie gewiegt und gehalten hatte, das Mädchen, das an ihren Rockzipfeln gehangen war. "Aber was... was..."
Soraya sieht ganz und gar nicht glücklich über ihr überraschendes Wiedersehen aus, im Gegenteil... sie wirkt bleich und todernst, und Ninianes erster, spontaner Gedanke, dass Soraya nicht hergekommen wäre, wenn nicht irgendetwas geschehen wäre, wird augenblicklich zur Gewissheit. >Dían Nan, dalio dere manait… î daliot teyem Nounêa firâya ôr adiphaites Gleaes an manaer,< flüstert sie. Niniane holt hörbar Luft. Tante Nan, ich habe etwas angestellt… und es hat dieses Mal nichts mit bemalten Segeln zu tun.
"Min Gweilon negat tines Eores, Soraya," erwidert sie leise und blickt mit einem Lächeln zu Cron, der immer noch nicht weiß, was hier vor sich geht. Sein Shidar ist im Gegensatz zu ihrem Normandik inzwischen tadellos, selbst die Aussprache... aber anders als sie, lernt er fremde Sprachen auch leicht und schnell. Sie dagegen hatte arbeiten müssen wie ein Pferd, um Ayaron zu lernen, von den verschiedenen Sprachen der Menschen einmal ganz abgesehen, von denen sie bestenfalls ein paar aufgeschnappte Brocken beherrscht. "Soviel Shidar zumindest spricht er. Komm, du bist erschöpft und schmutzig von deiner langen Reise. Ich kühle das Wasser in meiner Quelle, so dass du ein Bad nehmen kannst und bringe dir frische Kleidung und etwas zu Essen hinaus, dann können wir uns in Ruhe unterhalten."

Sie nimmt ihrem Mann Leir ab, und bittet ihn mit dem stummen Flehen in den Augen, jetzt keine Fragen zu stellen, sich um Sorayas Pferde und ein Morgenmahl für sie alle zu kümmern. Cron zögert nur einen Herzschlag, dann nickt er und sie legt ihm für einen Moment mehr als dankbar  die Hand auf den Arm, dann wendet sie sich wieder zu der Elbin um. "Komm." Sie führt Soraya wieder hinaus und zu dem steingefassten Becken, in dem unter weißen Dampfschwaden das Wasser ihrer Quelle blubbert. Ein kleiner Zauber kühlt es auf erträgliches Maß ab, und während Soraya sich aus ihren schmutzigen Kleidern schält, setzt Niniane sich mit ihrem Sohn auf dem Schoß auf eine der mächtigen Baumwurzeln, welche die Quelle umgeben. "Was ist denn geschehen, Schätzchen?" Erkundigt sie sich sanft. "Was hast du angestellt, dass es so schlimm ist, dass du eine solch weite  Reise bis zu mir und in die Lande der Menschen auf dich nimmst?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 27. Feb. 2007, 20:15 Uhr
Das Gesicht der Elbin verändert sich überhaupt nicht, aber Cron sieht dennoch, wie sie sich kaum merklich anspannt. Plötzlich hat er das Gefühl, auf der Hut sein zu müssen, und das, obwohl er sich keiner Schuld bewusst ist. Er sieht sie heute schließlich zum ersten Mal und hat ihr nicht das Geringste getan, da ist er sich sicher - auch wenn ihm ihr Gesicht noch so bekannt vorkommt. Auf den Gedanken, dass es die völlig unschuldigen Worte seines Sohnes gewesen sein könnten, die der Elbin sauer aufgestoßen waren, kommt er erst recht nicht. Da er schon so lange in Talyra lebt, mit Niniane verheiratet ist und in all den Jahren hier immer wieder mit den unterschiedlichsten Angehörigen des Schönen Volkes zu tun hatte, hat er längst aufgehört in der Kategorie "Nordmann plus Spitzohr ist gleich gar nicht gut" zu denken. Er sieht die Fremde, die ihn und Leir unverwandt mustert, daher auch nur mit leicht gerunzelter Stirn an, während sie sich einen Moment lang keinen Sekhel von der Stelle rührt und er sich fragt, ob sie vielleicht auf der Türschwelle dort Wurzeln schlagen will. Dann jedoch gibt sie sich einen Ruck, wirft noch einen Blick hinter sich und tritt mit einem kurzen Nicken ein. Das ist dann wohl an ihn gerichtet, noch knapper kann man allerdings kaum mehr nicken. Was für ein freundliches Wesen. Der Tag fängt ja gut an. Niniane lässt zum Glück wirklich nicht lange auf sich warten, doch ihre Reaktion verwirrt ihn womöglich noch mehr, als die plötzliche Reserviertheit der Fremden. Sie freut sich zwar trotz ihrer Bestürzung, die Elbin, eine gewisse Soraya, wie sich schnell herausstellt, zu sehen, scheint aber mindestens ebenso besorgt wegen ihres Auftauchens hier. >Was bei allen Neun Höllen tust du hier? Hier? Du bist hier!< Er fängt einen ziemlich merkwürdigen und ziemlich alarmierten Blick aus den goldenen Augen seiner Frau auf, den er noch weniger deuten kann, und hebt fragend die Brauen. Vorerst bekommt er jedoch keine Erklärung, Niniane ist allerdings auch vollkommen mit Sorayas Auftauchen und ihrer Begrüßung  beschäftigt... und mit ihrem eigenen Schrecken. >Was machst du denn bloß hier? Weiß... weiß Zedernherz wo du bist? Nein, natürlich nicht, er hätte dich niemals herkommen lassen... Himmel! Götter, es ist schön, dich wiederzusehen. Du bist doch nicht... doch nicht verwundet, oder?< Will sie wissen und unterzieht ihren Gast auch schon einer eiligen Untersuchung. Die Elbin lässt das alles stoisch und schweigend über sich ergehen, aber im Augenblick wäre sie wohl ohnehin kaum zu Wort gekommen. Cron dagegen glaubt schon, sich verhört zu haben, muss dann aber einsehen, dass das wohl leider doch nicht der Fall ist. Zedernherz? DER Zedernherz? Echot er in Gedanken stumm. Wer das war, weiß selbst er. Das erklärt dann einiges. Er hat damit zwar immer noch keine Ahnung, wer Soraya wirklich ist, aber dass sie etwas mit dem ehemaligen König von Dúne zu tun haben muss, ist ihm nun zumindest klar. "Hoppla," bemerkt er trocken. Weder Nan, noch die Elbin reagieren darauf, stattdessen flüstert Soraya etwas in Shidar, so drängend und leise, dass er keineswegs alle ihre Worte versteht, wie Niniane ihr gleich darauf, ebenfalls in ihrer Muttersprache, versichert... irgendetwas mit einer "Tante" und "angestellt" und "bemalten Segeln".

Mit was...? Noch bevor er ernsthaft an seinem elbischen Wortschatz zweifeln kann, ist Niniane jedoch bei ihm und die Bitte in ihren nun bernsteindunklen Augen ist unmissverständlich. "In Ordnung," erwidert er leise, obwohl ihm die Fragen schon auf der Zunge liegen. Über ihre Schulter hinweg wirft er der Elbin einen Blick zu, doch die meidet den Augenkontakt zu ihm wie der Dunkle das Weihwasser. "Ich kümmere mich um die Pferde und das Morgenmahl, und auch um Shaerela, wenn sie aufwacht, dann könnt ihr... reden." Niniane nimmt den Kleinen mit und bringt Soraya hinaus zu ihrer Quelle, ihre Packtaschen und übrigen Sachen holt die Elbin jedoch noch von ihren Pferden, ehe sie seiner Frau folgt. Er selbst tritt erst aus dem Baum, nachdem er sich vergewissert hat, dass Shaerela, die kleine Schlafmütze, noch tief und fest träumt und nimmt sich dann der beiden Pferde an. Die Tiere sind ziemlich erledigt und folgen ihm willig, der Hengst allerdings lahmt, wenn auch nicht schlimm, auf der rechten Hinterhand. Er bringt sie zum Stall hinauf und dort so weit entfernt von Donner und Anarvendis unter, wie nur irgend möglich, nimmt ihnen Trensen, Zäume und Sättel ab, reibt sie mit ein paar Handvoll Stroh trocken, tränkt sie, füttert sie mit süßem Heu und ein paar verschrumpelten Mohrrüben, und bürstet ihnen dann gründlich den Dreck aus dem Fell. Während die beiden das Futter förmlich einsaugen und zufrieden schnaubend kauen, kontrolliert er die Hufe noch auf Steinchen und Dreck, und kümmert sich anschließend um das lahme Bein des Hengstes. Er entdeckt jedoch nur eine geringe Schwellung, vermutlich nichts, das sich nicht mit ein paar Tagen Ruhe und kühlenden Umschlägen auskurieren ließe. "Sie hat euch ganz schön angetrieben, was alter Junge," murmelt er und schüttelt den Kopf. "Wenn ihr aus den Elbenlanden kommt, habt ihr wirklich einen weiten Weg hinter euch." Alles, was ihm antwortet, ist ein leises Kollern. Soll ich vielleicht einstweilen mein Schwert schärfen? Ist sie hier um mir nach fünfhundert Jahren den Fehdehandschuh vor die Füße zu werfen, nur weil ich aus Normand bin... oder was? "Hmpf."
"Mmmpfffff..." macht auch die Stute, während sie geräuschvoll auf einem Heubüschel herumkaut und Cron unterdrückt ein Grinsen. "Ja, das war schon richtig gut." Er tätschelt ihr die muskelbepackte Schulter. "Du musst es aber noch besser betonen, Mädchen." Ihre schwarzen Ohren spielen in seine Richtung, während er das Bein ihres Kameraden einbandagiert, aber das Heu ist ihr momentan eindeutig wichtiger, als jeder Sprachunterricht in nordischen Redewendungen.

Nachdem die beiden versorgt sind, Shaerela noch schläft und er ohnehin schon hier ist, mistet und füttert er gleich auch noch Donner und Anarvendis, die die beiden Neuankömmlinge aus ihrer großen Box am anderen Ende des Stalles unverwandt anstarren. Cron hofft nur, dass die seit neuestem eisenbeschlagene Stalltür auch halten würde, sollte Donner auf dumme Gedanken kommen. Vorerst beschränkt sich der schwarze Thunderländer jedoch darauf, den anderen Hengst in Grund und Boden zu starren. Der aber starrt nicht zurück, sondern widmet sich ausschließlich seiner wohlverdienten Mahlzeit und lässt den Konkurrenten Konkurrenten sein... vielleicht ist er auch einfach zu alt, um solchen Spielchen noch etwas abzugewinnen. "Benimm dich," warnt Cron eindringlich, ehe er den Stall verlässt, und verschwitzt und nach Pferd stinkend zum Baum zurückkehrt. Er hätte gern ein Bad genommen, doch die heiße Quelle ist anscheinend noch immer besetzt, also gönnt er sich oben in Ninianes Botanikum nur eine Katzenwäsche und geht dann nach unten, um Cofea aufzubrühen. Aus einem halben Dutzend Eiern, Zwiebeln und Speck gelingt ihm sogar ein halbwegs essbares Omelett, dann tappt Shaerela, inzwischen fast drei, auf nackten Füßchen herein, nuschelt nach ihrer Mutter und muss sich mit ihm und einer Schale voll süßem Haferbrei zufrieden geben. Nachdem sie den vollkommen verputzt und die Hälfte seines Omeletts auch noch verdrückt hat, zieht er die Kleine an, und schickt sie dann hinaus zu Niniane. "Sag deiner Mutter, dass das Frühstück fertig ist, schaffst du das, lilla?"
"Ja-ha, Far."
"Vergiss es nicht."
"Hm-hm."
"Und spring nicht wieder in die Schlammpfützen."
"Hm-hm."
"In Ordnung, dann raus mit dir." Er geht mit in den Vorraum, öffnet ihr die Tür und sieht seiner Tochter nach, wie sie auf ihren stämmigen Beinchen durch den Schnee in Richtung ihrer Mutter trippelt.... und natürlich nimmt sie auf dem Weg dorthin jede Schlammpfütze mit, die sie nur finden kann, und wenn sie noch so klein ist.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Soraya am 27. Feb. 2007, 22:07 Uhr
"Soraya! Was... allmächtige Götter... Soraya! Was bei allen Neun Höllen tust du hier? Hier! Du bist hier!" Es liegt Soraya auf der Zunge nachzufragen, ob Niniane in ihren fast schon entsetzten Ausrufen mit “hier“ ihr Zuhause, oder etwas ganz anderes meint, doch die Antwort liegt auf der Hand. „Ai… jer“, murmelt sie und es fühlt sich erschreckend verkehrt an hier. Nicht der Baum. Nein, die ganzen Menschenlande mit ihren hieroglyphenartigen Weganweisungen und den noch viel vertrackteren Richtungsanweisungen. So weit entfernt von den schützenden Wurzeln Carvallens, die Grenzen der Elbenlande nur noch ein schmaler Strich am Horizont, inmitten all jener, die sie so lange nicht mehr gesehen hat, nicht mehr hatte sehen wollen und von denen sie gerade einem Normander am allerwenigsten hatte begegnen wollen. „Ai, jer, lâ tos Bedanestamarunes, isqa i firnati firây îhior“, bestätigt Soraya Niniane mit reibeiserner Stimme und lächelt so bitter, als hätte sie eine ganze Zitrone verschluckt. Ninianes Blick fliegt hastig zwischen dem Nuorkhar und ihr hin und her und dann beginnen die goldenen Augen dunkel und warm wie Bernstein, der von einigen Lichtstrahlen umgarnt wird, zu leuchten. Sorayas Herz macht einen erstickten Satz vor Freude und die Umarmung, die auf dem Fusse folgt, erwidert sie sanft, aber bestimmt, bis sie ein Stück weg geschoben und geschüttelt wird wie ein ungezogenes Kind. Es scheint, als hätte sich nicht viel verändert… nur habe ich Niniane deutlich grösser in Erinnerung, denkt sich Soraya amüsiert, gerade noch bevor ihre ehemalige Amme und von ihr erwähltes Kindermädchen erneut Luft holt: "Was machst du denn bloß hier? Weiß... weiß Zedernherz wo du bist? Nein, natürlich nicht, er hätte dich niemals herkommen lassen... Himmel! Götter, es ist schön, dich wieder zu sehen. Du bist doch nicht... doch nicht verwundet, oder?" „Bei Sils Bart, Niniane, nein! Es geht mir gut, wirklich, es ist nichts… mir ist nichts passiert, ich bin gesund, sieh mich nicht so an, ich habe weder blaue Flecken noch irgendwelche Schrammen, keine aufgeschürfte Knie und auch nirgendwo einen einzigen Schnitt, nur meinen Hintern spüre ich nicht mehr und meine Beine sind weicher als Brotpudding“, entgegnet Soraya abwehrend, gefangen in einer erneuten, gründlicheren Umarmung, bei der Niniane sich selbst der Unversehrtheit ihres Gastes versichert und erst einmal Rücken und Arme abtastet wie es „zweitklassige Kräuterhexen mit Mutterinstinkt“ eben so tun. Soraya ergibt sich seufzend ihrem Schicksal, viel zu müde um sich zu sträuben, viel zu glücklich es überhaupt zu versuchen. "Du siehst schrecklich mitgenommen aus, Arzaenyóli. Sieh dich an, du bist ja so groß geworden... du liebe Zeit!" Azraenyôli… Der Kosename – den sie früher einst mit stolzgeschwellter Brust über das Deck trug – zupft an ihrer Beherrschung – die dank der Müdigkeit sowieso nur noch an einem dünnen Faden baumelt – und plötzlich spürt auch Soraya es unter ihren Lidern heisse brennen. „Nein“, presst sie kaum hörbar hervor, Niniane von oben bis unten betrachtend und breit grinsend: „Du bist nur geschrumpft.“

Ihre Offenbarung wird zuerst nur mit einem sachten: “Min Gweilon negat tines Eores, Soraya," quittiert und ungewollt schweift Sorayas Blick zu dem Nuorkhar hinüber, der noch immer an Ort und Stelle steht und das Wiedersehen mit höchster Verwirrung und sichtlichem Misstrauen verfolgt. „Tin Gweilon…“ Niniane hat diesen… Menschenmann also wirklich geheiratet. Es kostet Soraya einiges damit der Hauch von Abfälligkeit, mit dem sie kämpft, nicht auch hörbar wird. „I… Ich bitte um… Entschuldigung“, bringt sie irgendwann, nach einem tiefen, langen Atemzug in gebrochener Allgemeinsprache hervor, fällt dann jedoch wieder in ihre Muttersprache zurück, schon weil Ninianes leises Auflachen Soraya bestätigt, dass ihre Aussprache deutliche Verbesserung benötigt: „Ich wollte Euch keineswegs aussen vor lassen.“ Zumindest jetzt nicht mehr. Dabei senkt sie leicht den Kopf, als Zeichen ihrer Schuld und um seinem Anblick zu entkommen.
"Soviel Shidar zumindest spricht er. Komm, du bist erschöpft und schmutzig von deiner langen Reise. Ich kühle das Wasser in meiner Quelle, so dass du ein Bad nehmen kannst und bringe dir frische Kleidung und etwas zu Essen hinaus, dann können wir uns in Ruhe unterhalten." Ahhh, frisches Wasser, ein Bad, Kleidung… Die Vorstellung nach etlichen Wochen endlich wieder einmal von Kopf bis Fuss sauber zu sein – und nicht nur die obersten Schmutzschichten in einem eiskalten Fluss mit den Fingernägeln abzukratzen – kommt Soraya wie ein Traum vor, doch bevor sie die Pferde dem Nuorkhar und sich selbst den fürsorglichen Händen Ninianes überlässt, holt sie, ohne ein Wort darüber zu verlieren, ihre Siebensachen. Dieser Mensch mag Ninianes Ehemann sein, aber in erster Linie bleibt er für Soraya vorerst nichts weiter als ein Normander, so viele Jahre seit dem Krieg auch vergangen sein mögen, und einiges von dem, was sie bei sich trägt, würde sie nicht einmal einem Elben anvertrauen, geschweige denn einem Nuorkhar.

Dann folgt sie Niniane mit einem Bündel frischer Kleidung unter dem Arm zu der heissen Quelle, die mit verführerischen Dämpfen aufwartet und von einem immergrünen Grasrand umgeben dem Paradies sehr nahe kommt. Rundherum wölben sich die knorrigen Wurzeln des mächtigen Riesen über die kalte Erde und es erinnert Soraya mit einem Anflug von Heimweh an ihr Zuhause, welches ebenfalls gut verborgen unter den mächtigen Armen des Weltenbaumstumpfes ruht und auf ihre Rückkehr wartet. Das Morgenlicht funkelt auf der Oberfläche des klaren Wassers wie Lachen flüssigen Goldes, dringt jedoch nicht bis auf den Grund, der in samtiger Dunkelheit schwebt. „Wunderschön.“ Niniane nickt nur, murmelt einige leise Worte und das Blubbern des Wassers wird schwächer. Dankbar lässt Soraya den schweren Wolfsmantel zu Boden fallen und beginnt sich die vor Schmutz starrende, kalte und klamme Kleidung vom Körper zu ziehen, fluchend über ihre steifen Finger, die nur langsam auftauen und unangenehm zu kribbeln beginnen.
Was riecht denn… bwah… Das Niniane mich umarmt hat ist ein Wunder. Sie stinkt wie ein ganzer Stall und ihr Haar zu entflechten entpuppt sich als einziges Desaster. Während sie also bis zum Bauch im Wasser auf den glatten Steinstufen sitzt, den langen Zopf öffnet und Stroh, Blätter, kleine Äste und anderes Kleinzeugs aus den verfilzten Strähnen rupft, lässt Niniane sich nicht weit entfernt mit ihrem Sohn auf einem faltigen Wurzelbogen nieder und fragt feinfühlig: "Was ist denn geschehen, Schätzchen? Was hast du angestellt, dass es so schlimm ist, dass du eine solch weite  Reise bis zu mir und in die Lande der Menschen auf dich nimmst?"
Soraya erstarrt in ihrem Versuch das Nest auf ihrem Kopf endgültig von allem Staub zu befreien, legt die Arme um ihren Oberkörper als würde sie plötzlich frösteln und sieht auf. Tausendmal hat sie sich ausgemalt, wie diese Erklärung über ihre Lippen gleiten würde, gleichgültig und kühl, beherrscht und tonlos, tausendmal hat sie sich jegliche nur erdenkliche Antwort überlegt, sie dreifach verworfen und bessere Worte gesucht, nur um letztendlich zu begreifen, dass es keinen Weg gibt die Wahrheit in süsses Nichts zu verwandeln.

Vorsichtig lässt sie sich bis zu den Schultern ins Wasser sinken und unterdrückt ein Stöhnen, als die Hitze ihre verspannten Muskeln löst, die Augen schmal und die Lippen nur noch ein blasser Strich in ihrem Gesicht. „Was ich getan habe ist einfach: Beim letztjährigen Sommerfest leistete ich an meines Vaters Statt Sessair den Heiligen Eid. Ich hoffte, oder hoffe damit meinen Vater vor noch grösserem Verrat zu bewahren.“ Niniane zieht geräuschvoll die Luft ein und in ihren Augenwinkeln glitzert es hell, doch Soraya hält ihren Blick trotzdem stand und fährt äusserlich ungerührt fort: „Ich weiss nicht inwiefern du über die geheimen Verhandlungen zwischen Normand und den Elbenlanden aufgeklärt bist.“ In Ninianes Gesicht zuckt eine der geschwungenen Brauen in die Höhe und sie antwortet trocken: „Nun, ich führe sie.“
„Wundervoll!“, entfährt es Soraya und mit einem harten Platschen landet ihre flache Hand im Wasser: „Dann bin ich ja genau an der richtigen Stelle.“ Sie ist nicht davon ausgegangen, dass Niniane nichts weiss, aber dass sie es hier gleich mit der Herrin über Brief und Siegel persönlich zu tun hat, raubt ihr doch einen Moment lang die Nerven. Irgendwann schnaubt sie unwillig, taucht unter, kommt prustend wieder an die Luft und lässt einen Schwall elbischer Flüche auf ihr eigenes Spiegelbild niederprasseln. „Khatait, Khôl, Rôd, lansunjâdait, Khya!“
Erst als der kleine Junge neugierig nachhakt, was: „Khüüaaaa“ denn bedeutet und Niniane ihm prompt androht, ihm den Mund mit Seife auszuwaschen, hält Soraya schwer atmend inne und lehnt sich an den steinernen Beckenrand, um ihr Haar zu entwirren: „Mein Vater… Götter Niniane… Mein Vater weiss von diesen Verhandlungen und soviel ich mitbekommen habe, setzt er alles daran, sie zu sabotieren, ob im Geheimen oder mithilfe der Öffentlichkeit und wir wissen beide, dass es genug Elben gibt, die seine Denkweise teilen. Genug um Unruhen… Krieg zu entfachen, sollten sie von diesen Verhandlungen erfahren.“ DAS ist eindeutig keine Frage, sondern eine schwerwiegende Tatsache, die alles noch viel komplizierter macht, als es bereits ist. Unsanft zerrt Soraya an einigen Knöpfen, die sich nicht lösen wollen, gibt auf und legt den Kopf in den Nacken. Ihr Gesicht, befreit vom Staub und Dreck, verhärtet sich und sie muss die Augen schliessen um Tränen der Erleichterung und der Wut gleichermassen zu unterdrücken. Erleichterung, weil endlich ausgesprochen ist, weswegen sie den weiten Weg überhaupt auf sich genommen hat, Wut, weil sie damit die Fäden aus der Hand gegeben hat, mit welchem sie das Schicksal ihres Vaters beeinflusste.
„Niniane…“, murmelt sie nach endlos scheinender Zeit in die leichte Morgenbriese, die sich im nebelgrauen Dunst verfängt und ihre nackten Schultern umspielt: „Ich… Ich denke du hast bemerkt, dass ich nicht frei bin von… lästigen Vorurteilen.“ Dabei schweifen ihre Gedanken zu Ninianes Ehemann und widerwillig schüttelt sie den Kopf, auch wenn es ihr nicht leicht fällt nicht an diesen Nuorkhar zu denken oder gar Erinnerungen zu verdrängen, die mit diesem Wort verflochten sind. „Ich habe noch nicht verziehen Niniane, vergessen erst recht nicht. Wie könnte ich“, schluckt sie leer und strafft die Schultern, als würde sie einer grossen Last entgegen wirken: „Aber ich habe gelernt. Nach einer Ewigkeit habe ich sogar verstanden und so schwer es mir fällt, ich kann Vaters Tun nicht billigen, obwohl… obwohl…“ Ihre Stimme erstirbt und erschöpft von der Flut an Gefühlen, die sie heimsucht und ihr Innerstes aufwühlt, birgt sie ihr Gesicht in ihren Händen und schnappt nach Luft. Endlich alle Sorgen von sich stossen zu können, sich aus dieser schalen Maske schmerzender Lügen zu schälen tut fast mehr weh, als die ganze Zeit, in der sie das Geheimnis für sich bewahren musste. Aber es ist richtig. Sie weiss es, Niniane weiss es und jeder der nicht durch uralten Hass geblendet ist, würde es ebenfalls einsehen, dennoch bleibt es qualvoll.

Nan… Ich kämpfe mit meinem Verstand gegen das, was mein Herz mir sagt. Ich weiss warum mein Vater solchen Frevel wagt, ich kann ihm nachfühlen, ihn verstehen, und gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass ein solches Verhalten töricht ist und Leid über alle Beteiligten bringen wird. Ich will es verhindern und meinem Vater doch nicht schaden… ich will dass Sessair die Verhandlungen mit Teja führen kann und mühe mich gleichzeitig damit ab, nicht innerlich gegen sie rebellieren. Sie muss jeden Satz aus ihrem Kopf würgen, denn ihr Mund ist staubtrocken und der Geschmack nach Asche liegt ihr auf der Zunge. Und dann ist er nicht allein… Mýrnith Rabenstolz, sein erster Ritter und bester Freund, der in Dúne Frau und Kinder verlor, ist eingeweiht, ebenso Elleanie. Du kennst sie, die Kammerfrau meiner Mutter. Heute arbeitet sie im Palast… und durch sie erfuhr mein Vater überhaupt von den Verhandlungen. Das ihr Tonfall eine ganze Spur härter wird als sie Elleanie erwähnt ist deutlich zu hören und ihre Finger krallen sich in die feinen Ritzen des hellgrauen Steins, bis ihre Knöchel weiss unter der gebräunten Haut hervortreten. Ich weiss, es wäre meine Aufgabe gewesen, Sessair zu melden, was mein Vater tut, aber das konnte ich nicht. Sessair hätte keine andere Wahl gehabt, als Serassher als Verräter zu verurteilen. Gleichzeitig muss ihn jemand aufhalten… Denn das wohl des Volkes ist das höchste Gut, dass es zu wahren gilt, krächzt sie irgendwann nur noch halblaut und ein kurzes, freudloses Lachen quetscht sich zwischen ihren Stimmbändern hervor, gerade als ein lautes „PLITSCH“ alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Hastig einen Schwall Wasser ins Gesicht spritzend, um die verräterischen Spuren der Tränen zu verwischen, entdeckt Soraya gleich darauf ein kleines schwarzhaariges, goldäugiges, von oben bis unten mit feuchtfröhlichen Schlammspritzern gesprenkeltes Mädchen und kann ihre Verblüffung nicht verbergen. Zwei Kinder gleich. Sieh einer an… da war jemand fleissig.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. Feb. 2007, 12:10 Uhr
Niniane erwidert nichts, die ganze Zeit über, während Soraya spricht und sendet. Sie kann nicht... sie sitzt wie angewurzelt auf einem kleinen Polster Smaragdmooses, vollkommen unfähig, sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Ihre Gedanken rasen in alle Richtungen davon und ihr Herz pocht dumpf und laut. Satzfragmente Sorayas schwirren durch ihre Gedanken, und obwohl es hier, so nahe an den heißen Wassern ihrer Quelle, trotz des frostigen Morgens warm ist, ist ihr kalt. ...leistete ich an meines Vaters Statt Sessair den Eid... vor Verrat zu bewahren... weiß von diesen Verhandlungen... sabotieren...  nicht frei von lästigen Vorurteilen... nicht vergessen... nicht verziehen... kann Vaters Tun nicht billigen... kämpfe mit meinem Verstand gegen das, was mein Herz mir sagt... will es verhindern und meinem Vater doch nicht schaden... Mýrnith Rabenstolz... Elleanie... durch sie erfuhr mein Vater... es wäre meine Aufgabe gewesen, Sessair zu melden... konnte ich nicht. Sessair... keine andere Wahl... Serassher als Verräter zu verurteilen... Verräter... Verräter... muss ihn jemand aufhalten… Erst Shaerelas Auftauchen reißt sie aus ihrer Starre, die neugierig bei ihnen an dem steingefassten Becken erscheint, und etwas von „Frühstück fertig“ erzählt. Niniane erhebt sich wie eine Schlafwandlerin, setzt sich ihren Sohn auf die Hüften und streckt die Hand nach ihrer Tochter aus. „Kommt. Ich bringe euch hinein zu eurem Vater.“ Ohne Soraya auch nur einen Blick zuzuwerfen, murmelt sie der Elbin zu, gleich wieder bei ihr zu sein. Sie braucht einen Augenblick, um all das Gehörte zu verdauen. Sie muss sich erst sammeln. Sie muss Cron in die Augen sehen und wissen, dass alles gut werden würde. Sie muss ihre Kinder außer Reichweite bringen, denn was sie mit Soraya zu besprechen hat, ist nichts für neugierige kleine Ohren. Der Schock sitzt tief in ihr. Verhandlungen... oh Götter! Zedernherz... du bist zu weit gegangen. Viel zu weit. Und deine Tochter wird es büßen, du dämlicher, alter, verstockter Narr! Narr! Narr!
Sie findet Cron in der Küche und ihr Gesichtsausdruck spricht offenbar Bände, denn er ist auf der Stelle bei ihr, hält sie an den Armen fest und blickt ihr besorgt in die Augen. „Nan, was ist passiert? Ist irgendjemand gestorben? Du bist bleich wie der Tod... komm, setz dich.“

„Nein.“ Sie schüttelt den Kopf. „Ich muss mit Soraya reden... allein. Kannst du die Kinder hier bei dir behalten? Es gibt Ärger, Cron. Sie ist hier, um... um mich zu warnen. Es sind Dinge geschehen, die nicht hätten geschehen dürfen... in den Elbenlanden. Ich erkläre dir später alles, sobald ich mehr weiß... Du musst es wissen. Es betrifft... auch dich." Sie sieht, wie seine Augen schmal werden und schüttelt hastig den Kopf. "Nein, nein, es geht nicht um unsere Ehe.“ Noch nicht. Ihr Blick wandert durch die Küche, aber ihre Gedanken sind eindeutig bei der Frau, die draußen in ihrer heißen Quelle badet. Einen Moment lehnt sie sich an ihn und lässt sich von seiner Kraft und seiner Wärme einhüllen, dann strafft sie sich wieder und blickt sich um. „Hast du vielleicht etwas zu Essen für uns ? Sie ist halb verhungert und ich... ich...“ Große Gefühlsbelastungen machen sie immer hungrig. Er nickt, obwohl ihm anzusehen ist, dass er am liebsten gleich mit ihr geredet hätte und hilft ihr, Omelett, Brot, Cofea, Butter, zwei hölzerne, blattförmige Essbretter und Besteck auf ein Tablett aus lackiertem Holz zu laden. Niniane nimmt es mit hinaus, wo Soraya noch immer mit ihren verfilzten Haarsträhnen beschäftigt ist. „Hier ist etwas zum Morgenmahl,“ erklärt sie sehr gefasst und stellt das Tablett auf dem steingefliesten Beckenrand ab, nahe der Stufen, so dass Soraya im Wasser sitzen bleiben und essen kann. Sie selbst nimmt sich vorerst nur einen Becher Cofea, trinkt in kleinen Schlucken und spürt, wie sich angenehme Wärme in ihrem Inneren ausbreitet und die Kälte ein wenig vertreibt. Dann atmet sie ein paar Mal tief durch, zieht die klare, schneeige Morgenluft in ihre Lungen und versucht, einen soweit klaren Kopf zu bekommen, dass sie mit Soraya über das eben Gehörte sprechen kann. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll,“ beginnt sie schließlich. „Das... das muss selbst ich erst einmal verdauen. Verhandlungen!“ Beinahe hätte sie bitter aufgelacht. „Liebe Götter, Soraya, es gibt überhaupt noch keine 'Verhandlungen'. Es gibt ganze vier Briefe, zwei von Sessair, zwei von Teja, die ich weitergeleitet habe... mehr ist da noch nicht einmal! Oh, Sessair wünscht sich mehr, bestimmt. Er sucht auch Kontakt zu anderen Königreichen der Menschen, mit denen es hauptsächlich um Handelsverträge geht. Aber was Normand angeht... weißt du, warum?“

Ihre goldenen Augen sind längst nicht mehr warm und bernsteindunkel, sondern hell und hart wie Messing. „Weiß Serassher warum? Es geht um nichts anderes als die Herausgabe einiger alter dúnischer Schätze, um ein paar geweihte Insignien aus den Tempeln, wenn sie gefunden werden können... solche Dinge! Was Serassher da sabotieren will, ist die Rückgabe von ein paar Kleinodien, von Dingen, die seinem eigenen Volkes gegeben werden sollten... oder ihm selbst. Es geht um die Bücher des Tempels von Sune’lay, um die Aufstellung einer Gedenktafel für die Toten des Knochenfeldes, damit sie wenigstens einen Grabstein haben! Weißt du, was Teja angeboten hat, wenn Sessair ihm dafür im Gegenzug das Geheimnis der Sonnensteine für die gläsernen Häuser offenbaren würde? Die Juwelen deiner Mutter. Sie liegen immer noch in den Schatzkammern des Ambersteins, unangetastet. Götterverdammt, Soraya! Serassher hätte das alles erhalten. Du hättest es erhalten! Ich sage dir jetzt etwas und ich möchte, dass du mir aufmerksam zuhörst. Dúne ist gefallen. Das Königreich deines Vaters gibt es nicht mehr und es wird sich nie wieder erheben. Mach kein solches Gesicht, Arzaenyóli, ich weiß, du weißt das, aber manchmal muss man die Dinge hören, bevor man sie glaubt. Du sagst, du hast nicht vergessen und du könntest nicht verzeihen. Ich sage: da gibt es auch nichts mehr zu verzeihen. Die Männer, die Dúne erobert, die deinen Gemahl und deine Mutter getötet, deinen Vater von seinem Thron gestoßen, seine Heere besiegt und dich gefangen genommen – und freigelassen! – haben, gibt es nicht mehr! Es gibt sie schon seit mindestens vierhundert Jahren nicht mehr. Sie sind tot und lange schon zu Staub zerfallen. Sie sind tot! Du kannst kein ganzes Volk für die Taten seiner Ahnen hassen. Du kannst keinen einzelnen Mann verachten, nur weil er zufällig ein Nuorkhar ist. Mit welchem Recht? Mit welchem Recht tut das Serassher? Nur weil für euch Elben die Zeit keine Bedeutung hat, weil ihr unsterblich seid und die Zahl Eurer Jahre maßlos ist, heißt das noch lange nicht, dass das für den Rest Rohas ebenfalls gilt. Die Welt hat sich gewandelt, Soraya. Viele Dinge sind nicht mehr so, wie sie einmal waren. Die Menschen sind nicht mehr so, wie sie einmal waren. Sessair hat das erkannt... und viele andere Elben auch.“ Sie hätte gern hinzugefügt, die Normander wären keine blutrünstigen Barbaren mehr, aber das wäre eine glatte Lüge. Dennoch... Waefre und seine Männer sind tot, Veränderung hin oder her. Niniane wedelt mit einer ihrer schlanken Hände vor ihrem Gesicht, als wolle sie einen lästigen Gedanken vertreiben.

„Lassen wir diese philosophischen Diskussionen. Ich weiß, du weißt das alles bereits selbst und du bemühst dich, auch das hast du selbst gesagt. ’Ich weiß, warum mein Vater solchen Frevel wagt, ich kann ihm nachfühlen, ihn verstehen, und gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass ein solches Verhalten töricht ist und Leid über alle Beteiligten bringen wird,’“ zitiert sie Soraya und lächelt unglücklich. „Du hast Recht, weißt du. Es ist töricht. Und du hattest auch Recht, damit zu mir zu kommen.“ Du bist immer zu mir gekommen, wenn irgendetwas war, so war es auf der Schweigen, so war es in den Jahren danach und so ist es auch jetzt noch. „Wir finden eine Lösung. Ich weiß zwar beim besten Willen nicht, welche, aber wir finden eine Lösung. Zedernherz... Götter im Himmel, ich kenne deinen Vater. Er ist kein schlechter Elb... er ist nur...“ sie zuckt hilflos mit den Schultern, während eine boshafte Stimme in ihren Gedanken von Verrat, geboren aus bitterem Schmerz und verletzter Würde flüstert, doch dann ballt sie entschlossen die Hand zur Faust und erklärt entschieden. "Er ist nicht wie Tyalo AnCu." Es laut auszusprechen lässt sie sich viel besser fühlen, auch wenn es ihr Misstrauen nicht ganz zum Schweigen bringt. „Er ist ein Mann mit starken Prinzipien, aber er ist kein Intrigant. Er kann viel Unheil anrichten, wenn er die Shida’ya und möglicherweise auch noch andere entzweit, wenn er Zwietracht und Zweifel sät... oder gar Kriegstreiberei anfängt." Was, wenn er sich geändert hat? Wenn Zedernherz nicht mehr der Mann ist, der er einst war? Du hattest lange nicht mehr mit ihm zu tun... woher willst du wissen, dass er nach wie vor ein guter Elb ist? "Nein!" Antwortet sie sich selbst laut. "Das würde er nie tun." Sie sucht Sorayas Blick und hält ihn fest. "Wir werden ihn aufhalten, Arzaenyóli. Irgendwie. Wir müssen einfach." Eine ganze Weile schweigt sie, während Soraya sich das lange Haar auswäscht, und fragt sich, was wohl geschehen würde, wenn Serassher Sessair offen herausfordern würde? Er würde sterben... Sessair hätte keine Wahl. Dann kommt ihr ein anderer Gedanke und wird in ihrem Magen zu einem großen, schweren, frostigen Klumpen. "Soraya... du hast gesagt, du hättest den Heiligen Eid anstelle deines Vaters geschworen... Götter... Soraya, du hast für das Haus Dúne geschworen!" Sie kennt die Eidesformel so gut wie jeder andere Elb. Ich... gebe mich und die meinen, mein Haus und die Häuser meiner Vasallen in Eure Obhut und gelobe Euch und dem Haus Relavendis Gehorsam, Gefolgschaft und Lehnstreue.  Ich schwöre bei den Zwölf Göttern und ihren Archonen und im Namen ihrer heiligen Tempel, Euch und Eurem Haus wahrhaftig, treu und gewissenhaft zu dienen, Euch meinen Rat und meine Weisheit zuteil werden zu lassen und gegen all Eure Feinde und die Feinde des Hauses Relavendis zu stehen.  Mein Schwert sei das Eure, mein Schild Schutz und Schirm für Euch und die Euren, jetzt und immerdar bis Ihr mich aus Euren Diensten entlasst oder Sithech mich ruft.

Ihre goldenen Augen bohren sich in ein paar topasgrüne, in denen langsam Verstehen heraufdämmert. Sie hatte geschworen, für ihr Haus geschworen, und damit würde alles, was ihr Vater tun oder nicht tun würde, auch und vor allem auf sie zurückfallen. Sollte Serassher zum Verräter werden, würde sie ebenfalls dafür büßen, es sei denn, sie sagte sich von ihm los und verstieße ihn aus dem Haus Dúne... und das würde Soraya niemals tun. "Vielleicht..." Niniane beißt sich, von Besorgnis und plötzlicher Hoffnung zugleich erfüllt, auf die Unterlippe und müht sich, ihre wild durcheinanderwirbelnden Gedanken zur Ruhe zu bringen. "Vielleicht gereicht uns das sogar zum Vorteil..." Sie steht auf und schenkt sich Cofea nach, doch sie setzt sich nicht wieder, sondern beginnt, am Rand es Beckens umherzutigern wie eine Katze im Käfig. Sie kann besser denken, wenn sie sich bewegt, anstatt still herumzusitzen. "Ich werde deinem Vater schreiben... ich werde dich in meinen Dienst fordern, nachträglich sozusagen, dagegen kann nicht einmal er etwas tun und sagen schon gar nicht, ohne mich zu beleidigen." Und es hält dich von den Elbenlanden und von Sessairs Richtschwert fern, sollte Serassher wirklich... "Er wird nichts tun. Nicht, wenn ich ihm klar mache, dass sein einziges noch lebendes Kind in meiner Obhut ist und für seine Taten die Verantwortung wird tragen müssen, sollte er die Füße nicht still halten. Es tut mir leid, Soraya, aber im Augenblick bist du das einzige Druckmittel, das wir haben. Du wirst hier bei mir und in den Menschenlanden bleiben müssen, eine Weile zumindest. Und wir müssen uns darüber hinaus überlegen, wie wir deinen Vater von seinem Weg des Hasses abbringen. Die Götter stehen uns bei, aber ich fürchte, wir müssen Serassher Zedernherz irgendwie von den Sterblichen überzeugen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Soraya am 28. Feb. 2007, 21:54 Uhr
„Hier ist etwas zum Morgenmahl.“ Soraya betrachtet das Essen und ihr Magen meldet sich lautstark zu Wort, trotzdem lässt sie Brot und Honig vorerst stehen, nicht fähig nach ihrem ellenlangen Geständnis auch nur einen Bissen hinunter zu würgen. Ihre Finger verfangen sich in einer Strähne und seufzend gibt sie auf, faltet die Hände im Schoss und blickt zum gegenüberliegenden Rand der Quelle, wo das klare Wasser durch Nebelschwaden hindurch in das Becken sickert. Niniane kniet neben ihr, nimmt einen Schluck aus einem Becher mit einem seltsam duftenden, nachtschwarzen Gebräu und sagt nichts. Es bedarf auch keiner Worte, damit Soraya weiss, wie tief es die Halbelbe getroffen haben muss und sich vorzustellen, welche Wut das weckt, weigert sie sich. Zu frisch sind die Bilder einer Niniane, die mit drohend erhobenem Zeigefinger vor einem kleinen Fass Wein steht und mit zwei schuldig dreinblickenden Elbenkindern schimpft – selbst nach 400 Jahren noch. Irgendwann, nach einer kleinen Ewigkeit, setzt Niniane schliesslich zum Sprechen an, blass um die Nase: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das... das muss selbst ich erst einmal verdauen. Verhandlungen!“ Sie wirft Soraya den Ausdruck mit solchem Ärger vor die Füsse, dass diese in einer dunklen Vorahnung die Brauen zusammenzieht und Niniane mit unverhohlenem Misstrauen mustert. „Liebe Götter, Soraya, es gibt überhaupt noch keine ’Verhandlungen. Es gibt ganze vier Briefe, zwei von Sessair, zwei von Teja, die ich weitergeleitet habe... mehr ist da noch nicht einmal! Oh, Sessair wünscht sich mehr, bestimmt. Er sucht auch Kontakt zu anderen Königreichen der Menschen, mit denen es hauptsächlich um Handelsverträge geht. Aber was Normand angeht... weißt du, warum?“ Sie kann nur schwach den Kopf schütteln, fassungslos über dem Irrglauben, dem sie erlegen ist. „Keine Verhandlungen“, stösst sie stattdessen rau wie ein Rabe hervor und hebt in einer vagen, fragenden Geste die Hände, doch was dann folgt, verschlägt ihr die Sprache. Es geht um nichts anderes als die Herausgabe einiger alter dúnischer Schätze... solche Dinge!... Bücher des Tempels von Sune’lay… Aufstellung einer Gedenktafel für die Toten des Knochenfeldes… Weißt du, was Teja …Die Juwelen deiner Mutter… Soraya ist, als würde sich eine eiskalte, metallene Faust in ihren Magen bohren, sich um ihr Herz schlingen und gnadenlos zudrücken. Bücher, eine Gedenktafel… die Juwelen meiner Mutter. Höhnisch hallt hinter ihrer Stirn Elleanies wütendes Gezischel wider, von altem, abgrundtiefen Hass erfüllt.“Verhandlungen mit dem König von Normand! Friedensbemühungen mit diesen Bastarden, sie wollen sich die Hand reichen und alles vergessen, was geschehen ist, wollen es einfach verdrängen. Sessair redet mit dem Feind…“ Noch viel fieser und abschätziger melden sich synchron ihr Gewissen und ihr Verstand, der wohl von der langen Zeit des Herumhockens so dick mit Staub belegt sein muss, dass sie nicht einmal mehr zwischen der Wahrheit und der blinden Rachsucht einer gequälten Witwe unterscheiden konnte. Und Niniane ist längst nicht fertig.

Das Königreich deines Vaters gibt es nicht mehr und es wird sich nie wieder erheben.“ Die Farbe tropft aus Sorayas Gesicht und ihr Blick wird kühl und abweisend. „Al…“ob ich das nicht wüsste, will sie einwerfen, sichtlich mit ihrer Beherrschung ringend und sich keiner Schuld bewusst, die solche Vorwürfe seitens Niniane gerechtfertigt hätte und es schmerzt sie. Ich weiss das Dúne untergegangen ist Niniane, ich hab es mit eigenen Augen gesehen und ich habe es akzeptiert, das habe ich getan! Aber Niniane lässt ihr keine Möglichkeit etwas einzuwerfen, sondern redet unaufhörlich weiter. “Sessair hat das erkannt... und viele andere Elben auch.“ Mittlerweile ist Soraya so kalt, dass ihre Zähne hart aufeinander schlagen und mit einer wegwerfenden Geste steigt sie aus dem Wasser. „Ja“, knurrt sie und angelt nach einem frischen Hemd, zerrt es sich über den Kopf und dreht sich, noch während sie nach der Hose greift, mit finsterem Gesicht um. Ihre Brust hebt sich unter den harten Atemzügen ruckartig und die Erleichterung, die vor kurzem noch so süss geduftet hat, ist verdampft, wie die Wärme der Quelle. „Und viele andere Elben auch“, echot sie und kämpft sich in ihre Hosen, erhebt sich und setzt ruhig, aber angespannt hinterher: „Ich habe es verstanden Niniane, ich habe erkannt, sonst wäre ich nicht den ganzen Weg von Carvallen bis hierher geritten und hätte mich einen Dreck um das ganze Intrigenpack geschert. Aber ich stehe hier, weil ich es will und weil mir etwas daran liegt, dass es zwischen den Elbenlanden und Normand irgendwann… irgendwann zur Ruhe kommt. Ob das nun kleine Verhandlungen, der Austausch von Waren –Die Juwelen meiner Mutter verdammt! – oder nur unwichtige Briefe sind, so lange überhaupt etwas geschieht, werde ich es unterstützen.“
Das Niniane das auch weiss, beruhigt Soraya nur ansatzweise, zu tief sitzt der Schreck in ihren Knochen. „Du hast Recht, weißt du. Es ist töricht. Und du hattest auch Recht, damit zu mir zu kommen.“ Es treibt Soraya die Tränen in die Augen und für einen Herzschlag lang wünscht sie sich das kleine Mädchen zu sein, das sich im Schoss ihrer Tante einkringeln und sich ungehindert ausweinen kann, dann hat sie sich bereits wieder gefangen. Straff flichtt sie ihr Haar im Nacken zu einem Zopf und atmet tief die Kälte des Winters in ihre Lungen, bis ein schmerzhaftes Ziehen sich ihren Hals hinauf windet.

„Wir finden eine Lösung. Ich weiß zwar beim besten Willen nicht, welche, aber wir finden eine Lösung. Zedernherz... Götter im Himmel, ich kenne deinen Vater. Er ist kein schlechter Elb... er ist nur...“ „Vergrämt bis auf den Grund seiner Seele“, beendet Soraya leise den Satz Ninianes und senkt den Kopf. Gegen das Aufwallen von Schuldgefühlen, die sie sich bisher kaltblütig vom Leib gehalten hat, ist sie jedoch machtlos. Ich weiss wie mein Vater fühlt. Oh Götter, ich weiss es. Und es tut weh. Ganz tief in ihr drin zerreisst etwas und Feuchtigkeit netzt ihre Wangen, gerade als Niniane klar und deutlich bestimmt: "Er ist nicht wie Tyalo AnCu." „Niemals!“, fährt Soraya herum und wischt sich mit dem Handrücken über die Augen, eine Spur schärfer als gewollt hinzufügend: „Mein Vater ist nicht wie Tyalo, auf keinen Fall. Er…“ Abrupt bricht sie ab und beisst die Zähne zusammen. So fest, dass es schmerzt und ihr Kiefer bedenklich knirscht. Dann sieht Niniane aus Augen so hell wie gleissendes Sonnenlicht zu ihr auf und meint: "Wir werden ihn aufhalten, Arzaenyóli. Irgendwie. Wir müssen einfach." Es tut schrecklich gut das zu hören, egal wie dünn der Faden der Hoffnung sein mag, egal wie schlecht es um das Gelingen ihres Vorhabens steht. Alleine jemanden an seiner Seite zu haben ist tröstlich und unmerklich nickt Soraya, bevor Ninianes Miene sich plötzlich bedenklich verändert. „Niniane? Was i…“ "Soraya... du hast gesagt, du hättest den Heiligen Eid anstelle deines Vaters geschworen... Götter... Soraya, du hast für das Haus Dúne geschworen!" Im ersten Augenblick weiss Soraya nicht, worauf die Halbelbe hinaus will und zieht in einer unwissenden Geste bereits die Schultern in die Höhe. Ja, ich habe geschworen, für mein Haus, was soll dabei… Das Begreifen trifft sie wie ein Pfeil aus dem Nichts mit solcher Wucht, dass sie einen Schritt zurückweicht und Niniane mit fassungsloser Mimik anstarrt. „Ich habe für das Haus Dúne geschworen“, wird ihr  - zum ersten Mal seit jenem unsäglichen Tag – wirklich bewusst und ihr wird schlagartig klar, was das für Folgen hat. Ich stehe für das Haus Dúne, für alle die ihm angehören, auch für meinen Vater. Und wenn er Verrat begeht, dann… Verdammt. Dann schluckt sie leer und nickt sie schliesslich. „Ja, ich habe und es ist gut so.“
Die Sorge, die Niniane plötzlich plagt, weckt zwar Reue in Soraya, doch sie bleibt unnachgiebig. Es ist das Beste und auf unwirkliche Art und Weise schwächt es den hässlichen Geschmack des Verrats an ihrem Vater ein wenig und ein dünnes Lächeln huscht über ihre Lippen.

Niniane steht auf, läuft zum Baum, wieder zurück, schenkt sich erneut von diesem seltsamen Getränk ein und legt noch einmal sicherlich dreissig Schritt zurück, während Soraya stumm an Ort und Stelle verharrt, an einem Fuss einen Stiefel, den anderen noch in ihren Fingern. "Ich werde deinem Vater schreiben... ich werde dich in meinen Dienst fordern, nachträglich sozusagen, dagegen kann nicht einmal er etwas tun und sagen schon gar nicht, ohne mich zu beleidigen." „Mich in deinen Dienst fordern?“, hakt Soraya mit zusammengezogenen Brauen nach und versteht einmal mehr nicht, wozu das gut sein soll. Als sie es erfährt, verhärtet sich ihre Miene und ihr Mund wird trocken wie ein Brunnen in der Mitte der Sacaleynda. "Er wird nichts tun. Nicht, wenn ich ihm klar mache, dass sein einziges noch lebendes Kind in meiner Obhut ist und für seine Taten die Verantwortung wird tragen müssen, sollte er die Füße nicht still halten.“ Vernehmlich schnappt Soraya nach Luft und ein trockenes Lachen kratzt über ihre Lippen, als Niniane schliesslich endet: “Die Götter stehen uns bei, aber ich fürchte, wir müssen Serassher Zedernherz irgendwie von den Sterblichen überzeugen."
„Meinen Vater von den Sterblichen überzeugen? Götter… Niniane… das… das wird schwerer als Liktik Schnellfinger davon zu überzeugen, das Stehlen sein zu lassen. Niniane, das ist…“ Unmöglich!, schiesst es ihr durch den Kopf, doch sie beisst sich auf die Lippen, versucht das Durcheinander ihrer Gedanken zu ordnen und zieht sich langsam den zweiten Stiefel an. Schweigen setzt ein, breitet sich aus und wird erst durch das Wispern von Gras unterbrochen, als Soraya Ninianes Hände ergreift und sich ohne ein Wort vor ihr nieder kniet. Ihr Gesicht ist blass und leer, doch in ihren Augen spiegelt sich Entschlossenheit wider und mit fester Stimme bittet sie: „Dann fordere mich jetzt in deinen Dienst Niniane.“ Die Müdigkeit, die sie zusammen mit dem heissen Wasser eingelullt hat, ist gewichen und ein trauriges Lächeln schimmert in ihrem Blick, als sie kaum hörbar hinzufügt: „Morgen werde ich die Worte nicht mehr sprechen.“ Dass ihr im Grunde genommen gar keine Wahl bliebe, würde Niniane es ihr befehlen, ist ihr sehr wohl bewusst, doch es ist ihr ein Anliegen, diesen Schritt freiwillig zu tun, sowohl um ihres Vaters, als auch um ihrer selbst Willen.

Ein stummes Nicken, dann stellt Niniane die Kaffeetasse neben ihre nackten Füsse auf den Boden und legt ihre Hände über Sorayas, welche sich um die langen, schlanken Finger schliessen. Sie fühlen sich noch immer so an, wie Soraya sie in Erinnerung hat: Kräftig, weich und warm und unsäglich stärkend, und nachdrücklich schiebt sie alle störenden Zweifel von sich. Wassertropfen rinnen ihr aus dem Haar in ihren Hemdkragen und ein eiskalter Schauer rieselt ihren Rücken hinunter, schüttelt sie innerlich und offen erwidert sie Ninianes Blick: „Tenn’ra Niniane: Ich bin Euere Gefolgsfrau, mein Schwert gehört Euch. Ich schütze Euren Rücken und beherzige Euren Rat und ich werde mein Leben für das Eure geben, wenn es erforderlich sein wird. Das schwöre ich im Namen der Zwölf Götter und ihrer Archonen.“ Eine steife Biese mischt sich unter den lauen Morgenwind und küsst rau die ineinander verschlungenen Hände, dann nickt Niniane und antwortet nicht minder ernst: “Und ich schwöre, dass ich Euch stets einen Platz an meinem Feuer und Fleisch und Wein an meinem Tisch gewähren werde, und ich verspreche, keine Dienste von Euch zu verlangen, die für Euch unehrenhaft wären. Ich schwöre es im Namen der Zwölf und ihrer Archonen.“
Noch als das Versprechen längst im Rauschen der Baumkronen untergegangen ist, kniet Soraya vor Niniane und nur der Druck ihrer grossen Hände wird fester. „Fleisch und Wein, sagst du?“ Der leicht spöttelnde Unterton ist nicht zu überhören, als Sorayas Blick sich auf das unangetastete Frühstück legt und sie spürt wie ein Paar goldene Augen sich glitzernd an sie haften. „Ach“, grinst sie hastig zu ihrer eigenen Sicherheit. „Ich denke, ich werde auch mit Brot und Honig überlebe.“ Und nachdem sie sich beide ins Innere des Baumes zurückgezogen haben, macht sie sich wirklich mit Heisshunger über alles her, was ihr bereitwillig vor die Nase gesetzt wird. Das dabei der Nuorkhar keine drei Meter entfernt an Ninianes Seite ruht stört sie nur noch halb so sehr, wie zu Beginn, zumindest so lange, bis sie fertig gegessen und sich mit den Beiden samt Kinder in das Wohnzimmer zurückgezogen hat. Im Schein roter Flammen lassen sie sich – die Cofeatassen sind natürlich mit von der Partie – in bequemen, runden Elbensesseln nieder und das Licht der Sonne fliesst weiss und klar durch die blätterförmigen, glasbesetzten Fenster. Eine ganze Zeit ist nichts zu hören, ausser dem Quietschen des Jungen und dem Kichern des Mädchens, welche sich mit grosser Freude über einen bunten Kreisel hermachen und unter lautem Heiterkeitsgebrüll um ihn herumtanzen. Soraya ist sich nicht wirklich sicher, was das jetzt hier soll, aber sie schweigt. Jeder einzelne Gedanke hinter ihrer Stirn, der noch halbwegs wach ist, dreht sich um das, was Niniane ihr an den Kopf geworfen hat und unmerklich spannen sich ihre Züge. Austausch von Schätzen. Die Juwelen... die Juwelen meiner Mutter. Niemand hat sie angerührt, niemand und wir würden sie zurückbekommen. Vater muss davon erfahren, er muss wissen, was es ihm bringen wird, was die Nuorkhar bereit sind zu geben. Ihr Blick verliert sich in den tanzenden Schatten zwischen den weissglühenden Scheiten und als der Nuorkhar schliesslich das Wort ergreift, muss sie blinzeln, um wieder aus der Halbtrance, in welche sie gefallen ist, zu erwachen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. Feb. 2007, 23:24 Uhr
Sie sitzen im Kaminzimmer, Cron, sie selbst und Soraya, während die Kinder am Boden spielen und eifrig damit beschäftigt sind, den Inhalt ihrer Spielkisten quer durch den ganzen Raum zu verteilen. Nachdem Soraya sich über das Morgenmahl hergemacht und sich anschließend durch die Hälfte ihrer Vorratskammer gefuttert hatte, hatte Niniane noch einmal eine Kanne Cofea aufgebrüht und dann waren sie alle drei hierher umgezogen. Es ist ein kalter Tag, doch das Kaminfeuer brennt hell und sie hat ihrem Mann einiges zu erklären, doch vorher muss sie sich erst einmal beruhigen, ein paar Mal tief durchatmen. Sorayas Ausbruch vorhin, als sie noch draußen gewesen waren, hatte auch Niniane zornig werden lassen... viel zorniger, als sie sich eingestehen will und als gut für diese ganze leidige Angelegenheit ist. Aber im Gegensatz zu Soraya hatte sie sich beherrscht und auf die wütenden Erwiderungen von Zedernherz Tochter nichts geantwortet... ein Wort hätte das andere gegeben und wer weiß, wohin das geführt hätte, sicher keinen Schritt näher an ihr gemeinsames Ziel, nämlich Serassher zur Einsicht zu bringen. Ihr Verhalten gegenüber Soraya ist allerdings um einiges zurückhaltender geworden. Sie hatte nichts getan, was die aufgebrachte Gereiztheit der Elbin gerechtfertigt hätte, im Gegenteil... sie hatte kein böses Wort über ihren Vater verloren und ihr versprochen, ihr zu helfen. Dafür war sie angeknurrt und angefahren worden. Nun vermutlich ist das alles eine Frage der Betrachtungsweise, sinniert sie melancholisch. Nicht frei von lästigen Vorurteilen, wie wahr. Andererseits könnte man genauso gut behaupten, Soraya verdanke ihr Leben einem Nuorkhar. Schließlich war sie während des Krieges in Gefangenschaft und wurde freigelassen. Niniane lässt den Gedanken fallen und richtet ihre Aufmerksamkeit nur noch auf Cron. Sie sitzt neben ihm, so nahe, dass sie sich berühren, während Soraya sich in einen Sessel auf der anderen Seite des Feuers zurückgezogen hat. Niniane weiß, dass Cron auf eine Erklärung wartet, aber sie hat keine Ahnung, wie und wo sie am besten beginnen soll, einem Normander seiner Zeit, der er nun einmal ist, fünfhundert Jahre elbische Verstocktheit begreiflich zu machen. Cron allerdings weiß es – er nimmt ihre Hände, und ihre Finger verschwinden völlig zwischen seinen so viel größeren.

Am liebsten hätte sie sich an seinem mächtigen Körper verkrochen, irgendwo unter seinem Hemd, und dort Zuflucht gesucht wie ein kleines Tier in seiner Höhle. Sie sucht nach den richtigen Worten und findet einfach keine, also schüttelt sie irgendwann ungehalten den Kopf. "Stell mir Fragen," meint sie dann schließlich entschlossen. "Ich finde keinen Anfang. Ich weiß wirklich nicht, wie ich es dir erklären soll, Cron. Ich meine so, dass du es verstehst, also stell mir Fragen, das ist leichter. Was möchtest du als erstes Wissen?"
"Was ist passiert, Cariad?"
Das ist leicht zu beantworten. "Serassher Zedernherz, ehemaliger König von Dúne, hat von den Briefen zwischen Sessair und Teja erfahren. Er glaubt, weil es ihm zugetragen wurde, dass es geheime Verhandlungen zwischen dem Haus Relavendis und Normand gibt."
Crons Brauen schießen in die Höhe und seine Augen weiten sich überrascht, als er begreift. "Politische Verhandlungen?" Echot er.
Niniane kann nur mit den Schultern zucken. "Du weißt so gut wie ich, was in den Briefen steht, Cron. Aber ich weiß nicht, was Zedernherz glaubt, um das es hier geht. Und selbst wenn, ich fürchte, es wäre ihm egal." Sie holt tief Luft und berichtet Cron dann alles, was sie weiß und erläutert ihm so gut es ihr nur irgend möglich ist, die verworrenen Verhältnisse. Er hört ihr unverwandt zu und unterbricht sie kein einziges Mal. "Zedernherz..." endet sie schließlich. "Er verachtet, ja er hasst die Menschen. Vor allem die Nordmänner. Sein Hass ist in den letzten fünfhundert Jahren nicht geringer geworden. Er würde alles tun," sie wirft Soraya einen raschen Blick zu, "um jeden Kontakt seines Königs in den Norden zu verhindern. Soraya ist seine Tochter. Sie kam zu mir, um... dafür zu sorgen, dass ihr Vater aufgehalten wird, bei... was immer er auch vorhat. Und um ihn zu beschützen. Und das werden wir auch tun. Schwerer wird es werden, ihn dazu zu bringen, seine Sichtweise was die Menschen allgemein und die Nordmänner im Besonderen angeht, zu ändern."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 18. März 2007, 08:57 Uhr
"Fünfhundert Jahre!" Ist alles erst einmal, was er ziemlich entgeistert auf all die verwirrenden Ausführungen Ninianes erwidern kann. Von den ganzen elbischen Namen und Jahreszahlen schwirrt ihm ohnehin schon der Kopf. "Das ist fünfhundert Jahre her! Wir sind nicht mehr Otturs Barbarenstämme... das kann er doch unmöglich glauben." Ninianes schmerzliches Nicken und ihr wissender Blick bringen ihn zum Schweigen – vorerst jedenfalls. "Ich weiß," hört er sie sagen. "Aber Zedernherz ist nur fünfhundert Jahre älter geworden, Cron. Die Welt ändert sich, die Menschen ändern sich. Die Elben nicht."
"Djävla!" Knurrt er, aber dann muss er sich eingestehen, dass sich, sieht man einmal von Tronje ab, das Bild der Elben in Normand auch nicht sonderlich gewandelt hat in den letzten fünfhundert Jahren - abgesehen von der Tatsache vielleicht, dass man die "Spitzohren" in seinem Land inzwischen nicht mehr für lebendige Unholde, sondern nur noch für Unholde aus alten Legenden und Sagen hält, für Kinderstehler, Wechselbälger, Milch-sauer-werden-Lasser, Unglückswirker, Wetterhexen und ähnliches. Für unheimliche Geistwesen, gegen welche die Ahnen gekämpft hatten, irgendwann, vor vielen hundert Jahren. In Tronje wusste man es von jeher besser, doch was macht das für einen Unterschied, jetzt, wo die Tochter des Oberunholds bei ihnen im Baum sitzt, und zwar ziemlich lebendig? Gar keinen.
>Soraya ist seine Tochter. Sie kam zu mir, um... dafür zu sorgen, dass ihr Vater aufgehalten wird, bei... was immer er auch vorhat. Und um ihn zu beschützen. Und das werden wir auch tun.<

Ninianes Worte spuken in seinem Kopf herum und er kann sich neben dem verwirrten Warum? ein paar bissige Gedanken nicht verkneifen. Hervorragend. Sind es keine verliebten Vampire oder Narge, denen es in den Grenzlanden zu langweilig geworden ist, keine Erzdämonen, die vor Unzeiten irgendwelche Priesterinnen verflucht haben und auch keine Dämonenprinzen, die in der Stadt einfallen, dann drehen ein paar Spitzohren durch... und das alles wegen einem Haufen alter Steine und vergilbter Bücher! Und er ist schuld. Er war es schließlich gewesen, der seiner Frau vom vielerorts unangetasteten Erbe der Elben Dúnes in Normand erzählt hatte, das eigentlich nur aus schlichtem Aberglauben oder reinem Unwillen in den letzten Jahrhunderten kaum angerührt worden war. Nan hatte es kaum glauben können und es irgendwann ihrem Neffen Sessair, der ja nur rein zufällig Hoher König des Schönen Volkes ist, geschrieben. Und der hatte sich prompt – über sie – wiederum an Teja gewandt. Da Teja ja schon immer ein gewisses Interesse an Spitzohren, an ihrer Architektur und ihren vergessenen Künsten, vielleicht auch an ihrer fremden Kultur und eigentlich an überhaupt allem, was mit ihnen zu tun hatte, besessen hatte und außerdem nicht auf den Kopf gefallen war, hatte eines das andere einfach ergeben. Geheime Verhandlungen! Das ich nicht lache. Ganz egal, wie absurd er das finden mag, dieser Zedernherz denkt offensichtlich ganz anders darüber. Allerdings würde der ehemalige König von Dúne vermutlich schon geheime Verhandlungen darin sehen, wenn ein Nordmann und ein Spitzohr nicht gleich versuchten, sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen, sollten sie sich begegnen. Soviel zum 'friedliebenden' Schönen Volk. "Und wie willst du das anstellen, Nan? Diesen Zedernherz aufhalten, meine ich, bei "was immer er auch vorhat". Du weißt ja noch nicht einmal, ob er irgendetwas plant und wenn ja, was genau. Ich nehme nicht an, dass du Sessair irgendetwas davon erzählen willst, oder?" Das ist geraten, aber er ist sich ziemlich sicher, dass er richtig liegt, denn sonst wäre Soraya kaum hier.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 07. Apr. 2007, 21:22 Uhr
Sie kann sehen, wie ihn das Gesagte umtreibt und für einen Moment hätte sie fast gekichert. Für einen Menschen, der er nun einmal ist, muss es vollkommen abwegig sein in solchen Zeitspannen zu denken und ein fünfhundert Jahre altes Problem, das ja durchaus persönlicher Natur ist, ernst zu nehmen. Die Unsterblichkeit mancher Rassen ist wirklich ein... sie bricht den Gedanken ab. Es war schon immer eine der größten Schwierigkeiten der Elben, im Hier und Jetzt zu leben. Trotzdem nimmt Cron sie ernst und versucht wenigstens Sorayas Dilemma und ihre eigenen Sorgen in dieser Sache zu verstehen. >Und wie willst du das anstellen, Nan? Diesen Zedernherz aufhalten, meine ich, bei "was immer er auch vorhat". Du weißt ja noch nicht einmal, ob er irgendetwas plant und wenn ja, was genau. Ich nehme nicht an, dass du Sessair irgendetwas davon erzählen willst, oder?<

"Shenrah bewahre, nein!" Entfährt es ihr. "Wenn ich Sessair etwas davon berichten würde, selbst wenn ich es ihm im Vertrauen erzählte, er wäre über kurz oder lang gezwungen, etwas zu unternehmen. Und ganz gleich, wie gerecht er als König sein mag und wie gut er als Elb ist, er ist nicht unbedingt das, was ich als milde und gnädig bezeichnen würde. Und Zedernherz ist kein... Verräter. Nicht so, wie Falcons Vater es war. Ich würde keinen Finger für ihn rühren, wenn ich das glauben würde. Serassher ist... ist…“ einen Moment lang sucht sie nach dem richtigen Wort… "lernfähig.“ Endet sie schließlich. "Ich denke, als erstes werde ich Soraya unsere Gastfreundschaft anbieten und Zedernherz dann eine lange und ausführliche Botschaft zukommen lassen. Sie hat Sessair im Sommer den Treueeid anstelle ihres Vaters geschworen, ich muss dir nicht erklären, was das bedeutet. Nun, in der Eidesformel heißt es auch: 'Mein Schwert sei das Eure, mein Schild Schutz und Schirm für Euch und die Euren, jetzt und immerdar bis Ihr mich aus Euren Diensten entlasst oder Sithech mich ruft.'  In diesem Fall bin ich "die Euren", denn auch ich gehöre zum Haus Relavendis. Serassher kann nichts dagegen einwenden und rein gar nichts dagegen tun, wenn ich Soraya für eine Weile in meinen Dienst nehme." Angesichts von Crons fragend erhobener Braue rutscht Niniane ein wenig unbehaglich auf ihrem Sessel hin und her. "Ahm… genauer gesagt, habe ich das sogar schon getan. Vorhin. Als sie aus dem Bad kam."

Er schafft es sogar, nicht missbilligend zu schnauben, aber seine Zweifel sind ihm deutlich anzusehen und Niniane kann sie ihm nicht verdenken, nicht im Hinblick auf die Tatsache, wie Soraya ihn ignoriert, seit sie hier ist. Das hier ist schließlich auch sein Zuhause und sie schuldet ihm zumindest den Respekt, den ein höflicher Gast dem Herrn des Hauses… oder vielmehr Baums… entgegenbringen sollte. Sie sieht ihn um Verständnis heischend an und zuckt mit den Schultern. "Was hätte ich tun können? Ich werde Serassher erklären, dass seine Tochter eine Zeit lang… nun, sagen wir, in meiner Obhut sein wird und ihm deutlich machen, dass er gut daran täte, sich still zu verhalten und seinen Zorn abzukühlen. Darüber hinaus müssen wir einen Weg finden, ihn davon zu überzeugen, dass die Menschen nicht alle barbarische Schlächter sind. Cron, in Normand… gibt es noch irgendetwas aus der Zeit Dúnes, ich meine außer alten Büchern und Juwelen, das von Zedernherz von Interesse sein könnte? Irgendetwas, das er möglicherweise so sehr wieder haben will, dass er bereit ist, zu verhandeln?" Sie blickt zu Soraya hinüber, die inzwischen wieder hell wach ihrem Gespräch lauscht. "Fällt dir etwas ein, Arzaenyóli? Ist irgendetwas persönliches zurückgeblieben, das die Zeit vielleicht überdauert haben kann?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Soraya am 28. Apr. 2007, 03:31 Uhr
"Ahm… genauer gesagt, habe ich das sogar schon getan. Vorhin. Als sie aus dem Bad kam." Der Nuorkhar wirkt nicht im Geringsten zufrieden mit dieser Offenbarung und gewissermassen kann es Soraya ihm nicht verübeln, schliesslich hat sie sich ihm gegenüber bisher nicht sonderlich freundlich, oder gar respektvoll gezeigt. Ihr dunkler Blick verliert sich in den zügelnden Flammen, welche den trocknen, knisternden Scheiten entlang lecken und kupferne Funken sprühen, während ihre Gedanken um das eben erworbene Wissen kreisen und um die Tatsache, dass sie – anders lässt es sich kaum ausdrücken – freiwillig zur Geisel geworden ist. Es zieht ihr das Herz zusammen bei der Vorstellung sich ihrem Vater auf solche Weise entgegen stellen zu müssen und mit einer fahrigen Bewegung streicht sie sich über die Augen, Ninianes Worten lauschend. Sie gefallen Soraya nicht und ihre Miene wird noch steifer, gleichzeitig jedoch vertreiben sie die Müdigkeit.
"Fällt dir etwas ein, Arzaenyóli? Ist irgendetwas Persönliches zurückgeblieben, das die Zeit vielleicht überdauert haben kann?"
Lange sieht sie Niniane an, sucht die Wärme in den schimmernden Augen, in denen sich das Licht in einem funkelnden Goldregen bricht und ihre Finger versteifen sich um die Lehnen des runden Sessels. Eine ganze zeitlang ist nur das dumpfe Knistern des Feuers und das Rascheln der Blätter weit über ihren Köpfen zu hören, bis Soraya schliesslich langsam nickt und den Blick auf den Boden richtet. „Ja“, hört sie sich selbst sagen: „Es gibt etwas… etwas, das wahrscheinlich noch verborgen im Fels unter Llerasmyr ruht, wo es der Legende nach einst Relafaêr selbst vor neugierigen Augen verbarg.“ Soraya braucht nicht aufzusehen, um zu wissen, dass Niniane sofort ahnt, wovon sie spricht und doch spricht sie schliesslich laut und deutlich: „Amurs Herz.“

Gleichwohl Unglauben, als auch verständliche Verblüffung antwortet ihr und zum ersten Mal zeichnet sich auf ihren Lippen ein dünnes Lächeln in der Gegenwart des Nuorkhars ab, als die Erinnerungen zurückkehren und mit ihr das Bild ihrer Mutter, Amurs Herz an einer feinen Silberkette um den schlanken, porzelanhellen Hals.
„Llerasmyr“, beginnt sie erneut und lehnt sich so weit zurück, dass die Schatten ihre Miene verbergen, denn nicht nur Freude stellt sich bei ihr, aufgrund der Bilder, die vor ihrem inneren Auge vorbeihuschen, ein. „Als Amur sah, das selbst die mächtigsten und grössten Wellen der Burg nicht zu schaden vermochten, gab er sich geschlagen. Doch wollte er nicht, dass seine Tochter ihre Heimat vergas und zwischen seinen Fingern formte er aus den Tiefen der See einen Stein, den er Relafaêr schenkte. Doch Relafaêr gab ihn an Amriel, ihren Gatten, weiter und schliesslich erhielt mein Vater das Amulett, als Zeichen für Amriels Treue. Das Amulett jedoch sucht sich seinen Träger selbst, wie Relafaêr ihn gewarnt hatte. Und so geschah es, dass weder mein Vater, noch einer seiner Männer den Stein zu tragen vermochten. Niemand ausser meiner Mutter. Der kalte Stein wurde warm, sobald sie ihn trug und schenkte den Trauernden Schutz und Geborgenheit und meine Mutter nutzte ihn, um ihrem Volk bei zu stehen.“ Ein Hauch von Kummer lässt ihre Lippen erzittern, doch ansonsten bleibt sie starr wie eine steinerne Statue, die Finger im weichen Stoff des Sessels verschlungen.

Es fällt ihr mitnichten leicht über solch wichtige Dinge, welche ihr Leben geprägt haben, vor einem Nuorkhar offen zu erzählen, doch wenn sie damit helfen kann ihren Vater zur Besinnung zu bringen und einen offenen Streit mit dem Königshaus zu verhindern, so ist sie dazu bereit. Unwillkürlich schliesst sie ihre Hände zu Fäusten und schnappt lautlos nach Luft: „Als meine Brüder starben, legte meine Mutter das Amulett ab und brachte es zurück nach Llerasmyr, weil sie ihren Schmerz nicht durch das Geschenk Amurs lindern wollte. Ich habe erst…“ Ihre Stimme bricht für einen Herzschlag, dann hat sie sich gefangen. „… von seiner wahren Kraft erfahren, als ich nach dem Krieg in den Elbenlanden angekommen war.“ Nun sieht sie auf, sucht den Blick des Nuorkhar und hält ihn fest: „Amur hatte in diesem Stein seine Erinnerungen eingeschlossen, so dass seine Tochter in sie tauchen konnte, alsbald sie denn einmal Sehnsucht nach dem Meer verspürte. Gleichzeitig nahm der Stein alles auf, was sie erlebte, dachte und fühlte, damit Amur später einst wusste, wie es ihr ergangen war. Das der Stein in die Hände meiner Mutter geraten würde, hatte er vielleicht nicht geahnt, doch auf jeden Fall..." Geräuschlos erhebt sie sich, tritt zum Kamin und starrt in die weiss glühende Asche auf allen Seiten: "Auf Sturmende ruhen die Erinnerungen meiner Mutter in Amurs Herz. Fünfhundert Jahre ihres Lebens… für welche mein Vater wahrscheinlich mehr tun würde, als seinen Stolz in den Dreck zu werfen.“

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Cron am 06. Mai 2007, 00:38 Uhr
>Shenrah bewahre, nein! Wenn ich Sessair etwas davon berichten würde, selbst wenn ich es ihm im Vertrauen erzählte, er wäre über kurz oder lang gezwungen, etwas zu unternehmen. Und ganz gleich, wie gerecht er als König sein mag und wie gut er als Elb ist, er ist nicht unbedingt das, was ich als milde und gnädig bezeichnen würde.< Entfährt es Niniane erschrocken, die mittlerweile mit verschränkten Armen zwischen Kamin und Sesseln Kreise zieht wie ein unruhiger Schneetiger hinter Gitterstäben. >Und Zedernherz ist kein... Verräter. Nicht so, wie Falcons Vater es war. Ich würde keinen Finger für ihn rühren, wenn ich das glauben würde. Serassher ist... ist... lernfähig.< Cron unterdrückt ein Prusten und selbst Nan muss angesichts ihrer eigenen Wortwahl schmunzeln. Lernfähig? Nach mehr als fünfhundert Jahren? Dann ist er nicht der schnellste, geht es ihm zugegebenermaßen ziemlich sarkastisch durch den Kopf. >Ich denke, als erstes werde ich Soraya unsere Gastfreundschaft anbieten und Zedernherz dann eine lange und ausführliche Botschaft zukommen lassen,< fährt Niniane in diesem Moment fort und hört damit auf, Furchen in den Boden zu laufen. >Sie hat Sessair im Sommer den Treueeid anstelle ihres Vaters geschworen, ich muss dir nicht erklären, was das bedeutet.< Cron hebt halb überrascht, halb süffisant eine Braue, aber dann schüttelt er den Kopf. "Nein, das musst du mir wirklich nicht erklären, Nan. Ich weiß, was es..." sein Blick schweift zu Soraya, genauer gesagt zu ihrem Hals, "... heißt." >Nun, in der Eidesformel heißt es auch: 'Mein Schwert sei das Eure, mein Schild Schutz und Schirm für Euch und die Euren, jetzt und immerdar bis Ihr mich aus Euren Diensten entlasst oder Sithech mich ruft.' In diesem Fall bin ich "die Euren", denn auch ich gehöre zum Haus Relavendis. Serassher kann nichts dagegen einwenden und rein gar nichts dagegen tun, wenn ich Soraya für eine Weile in meinen Dienst nehme.< Er nickt bedächtig, doch jetzt ist seine Miene eindeutig fragend. Fragend und obendrein nicht sonderlich begeistert - nicht wegen der unleugbaren Logik in ihrem Argument, sondern wegen dem Vorhaben an sich. Dass sie diese Soraya nicht gleich wieder vor die Tür setzen wird, ist ihm ja klar. Nicht, dass das seine Absicht gewesen wäre, aber die Aussichten, Wochen oder sogar Monde mit einer Elbin unter einem Dach verbringen zu müssen, deren Miene jedes Mal die Milch sauer werden lassen könnte, sobald sie ihn nur zu Gesicht bekommt, ist nicht unbedingt berauschend. Das scheint auch Niniane sehr genau zu wissen, denn sie zögert ein wenig verlegen, ehe sie mit der Sprache herausrückt, dass sie das schon getan habe, gerade vorhin erst. Djävla! Und ich habe dazu gar nichts zu sagen? Noch bevor er jetzt noch irgendetwas dazu sagen oder etwas deswegen tun kann, trifft ihn ihr flehender Blick und er beschränkt sich darauf, hörbar einzuatmen. Es ist ihr wichtig, so wichtig, dass sie ausnahmsweise nicht vorher mit ihm darüber gesprochen hat - was immer genau diese Soraya eigentlich für sie ist, sie scheint Niniane viel zu bedeuten. >Was hätte ich tun können? Ich werde Serassher erklären, dass seine Tochter eine Zeit lang… nun, sagen wir, in meiner Obhut sein wird und ihm deutlich machen, dass er gut daran täte, sich still zu verhalten und seinen Zorn abzukühlen. Darüber hinaus müssen wir einen Weg finden, ihn davon zu überzeugen, dass die Menschen nicht alle barbarische Schlächter sind.<

Jetzt schnaubt er doch und zwar ziemlich ungehalten, doch Nans Frage lenkt ihn vorerst von einer harschen Erwiderung ab. >Cron, in Normand… gibt es noch irgendetwas aus der Zeit Dùnes, ich meine außer alten Büchern und Juwelen, das von Zedernherz von Interesse sein könnte? Irgendetwas, das er möglicherweise so sehr wieder haben will, dass er bereit ist, zu verhandeln?< Etwas, das Zedernherz wieder haben will? Du meinst außer das ganze Land? Er kann nur mit den Schultern zucken. "Mmpf. Ich weiß nicht. Möglicherweise. Kommt darauf an, was genau du dir unter "irgendetwas aus der Zeit Dùnes" vorstellst, Cariad." Ninianes Blick pendelt zwischen ihm und Soraya hin und her, und auch die Elbin, die bisher eisern ins Feuer gestarrt hatte, wendet sich ihnen nun mit vager Neugier in den Augen zu. >Fällt dir etwas ein, Arzaenyóli? Ist irgendetwas persönliches zurückgeblieben, das die Zeit vielleicht überdauert haben kann?< Wendet Niniane sich an sie und Cron lehnt sich vor, stützt beide Ellenbogen auf die Knie, das Kinn auf seine Fäuste und mustert sein Gegenüber. Was sie wohl erwidern wird? Niniane sucht ein Druckmittel, soviel ist klar, irgendetwas, mit dem sie diesem Zedernherz den Dolch auf die Brust setzen kann. Etwas, das keine zwei Schritt groß ist und Soraya heißt. Die Elbin gibt zunächst einmal überhaupt keine Antwort, sie starrt Nan nur an, als könne sie in diesen undurchdringlich goldenen Augen irgendeinen Hinweis entdecken, eine Antwort auf ihre Fragen oder vielleicht auch einen Ausweg aus ihrem Dilemma. Dann senkt sie Kopf und Blick. Jetzt wird es interessant... Hätte er nur geahnt, wie interessant es werden würde. >Ja. Es gibt etwas... etwas das wahrscheinlich noch verborgen im Fels unter Lerasmyr ruht, wo es der Legende nach Relafaêr selbst vor neugierigen Augen verbarg. Amurs Herz.<
Während Niniane aus irgendeinem Grund plötzlich ziemlich alarmiert dreinblickt, legt sich Crons Stirn nur in verwirrte Falten, wobei er Soraya aus schmalen Augen mustert. Lerasmyr? Relafaêr? "Amurs Herz?" Hakt er skeptisch nach. "Nie gehört. Was soll das sein?"
>Lerasmyr,< beharrt die Elbin stur, als erkläre dieser Name schon alles, und lehnt sich dann soweit zurück, dass ihr Oberkörper im Halbdunkeln der Schatten im Raum verschwindet und ihre Miene nicht mehr zu sehen ist. Lerasmyr? Als er das Wort zum zweiten Mal hört, übersetzt er es und erstarrt. Sturmende?! Cron sieht zu Niniane, doch deren Blick ist fest auf Soraya gerichtet. Dann endlich kommt die Erklärung - eine durchaus ausführliche und poetische Erklärung, doch alles, was Cron denken kann ist: Sie weiß nichts von Caewlin. Sie weiß nie und nimmer, dass der zukünftige Laird von Sturmende keine fünf Tausendschritt von ihr entfernt vermutlich gerade frühstückt. Und wenn sie doch irgendetwas von ihm weiß, dann würde sie den verdammten Stein auf der Stelle vergessen.

>Als meine Brüder starben, legte meine Mutter das Amulett ab und brachte es zurück nach Lerasmyr, weil sie ihren Schmerz nicht durch das Geschenk Amurs lindern wollte.< Brüder? Irgendetwas ist an diesem Gedanken, aber er will verdammt sein, wenn er sagen kann, was. > Ich habe erst…von seiner wahren Kraft erfahren, als ich nach dem Krieg in den Elbenlanden angekommen war,< fährt die Elbin fort und hat anscheinend endlich den Mut gefunden, ihm doch einmal ins Gesicht zu sehen. >Amur hatte in diesem Stein seine Erinnerungen eingeschlossen, so dass seine Tochter in sie tauchen konnte, alsbald sie denn einmal Sehnsucht nach dem Meer verspürte. Gleichzeitig nahm der Stein alles auf, was sie erlebte, dachte und fühlte, damit Amur später einst wusste, wie es ihr ergangen war. Das der Stein in die Hände meiner Mutter geraten würde, hatte er vielleicht nicht geahnt, doch auf jeden Fall...< Cron erwidert ihren Blick demonstrativ gelassen. Und? Was habe ich damit zu tun? Bin ich jetzt vielleicht auch noch für Amur verantwortlich, nur weil ich aus dem Norden komme? Oder wartest du vielleicht darauf, dass mir Hörner und ein Pferdefuß wachsen? Worauf immer das Spitzohrenmädel wartet, darauf anscheinend nicht. Stattdessen steht sie auf, aber nur um sich zum Kamin umzuwenden und ihnen manieriert den Rücken zu kehren. >Auf Sturmende ruhen die Erinnerungen meiner Mutter in Amurs Herz. Fünfhundert Jahre ihres Lebens… für welche mein Vater wahrscheinlich mehr tun würde, als seinen Stolz in den Dreck zu werfen.< Für einen Moment sieht er ihr Gesicht mit gesenkten Lidern, als hätte sie die Augen geschlossen, im Profil und der letzte Schein der sterbenden Glut überzieht ihre Wangen mit bronzenem Schimmer. Der Augenblick kann nicht länger als einen Herzschlag dauern, aber es genügt und Cron erstarrt. Brüder. Soraya. Zedernherz. Brüder. Jetzt weiß er, warum ihm ihr Gesicht so bekannt vorkam, und er steht abrupt auf und verlässt den Raum auf der Suche nach einem Stück Pergament und Federkiel. Als er wiederkommt, sieht Niniane ihn bereits mehr als besorgt an und auch Soraya blinzelt misstrauisch über ihre Schulter. Er schüttelt nur den Kopf, räumt den Zedernholztisch vor dem Kamin mit einer Handbewegung frei und setzt sich. "Vergesst Amurs Herz. Das bekommt Ihr ohnehin nicht, wenn es überhaupt noch existiert. Ich weiß etwas, wofür Euer Vater noch viel mehr geben wird, als nur seinen Stolz. Den kann er meinetwegen auch gern behalten." Er zeichnet mit wenigen, klaren Strichen einige Schriftzeichen auf und reicht das Pergament dann Niniane, den Blick unbeirrbar auf Soraya gerichtet. "Sag mir, was dort steht, Cariad."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 08. Mai 2007, 14:42 Uhr
>Sag mir, was dort steht, Cariad.< Als er aus dem Zimmer geeilt war, hatte sie ihm verwirrt nachgeblickt, verwirrt und auch beunruhigt, doch in dem ganzen Durcheinander, das mittlerweile in ihren Gedanken herrscht, kann sie ohnehin nicht mehr sagen, was ihr jetzt in diesem Augenblick am meisten Sorgen machen sollte. Sorayas Benehmen, Amurs Herz, Caewlin und was er wohl dazu sagen würde, Crons Reaktion, Zedernherz und seine Ansichten, ihr Neffe, Teja...
Amurs Herz. Als ihr klar geworden war, worauf Soraya hinaus will, hatte ihr eigenes Herz einen Schlag lang ausgesetzt. Nicht wegen dem Stein, nicht wegen N'jarda und ihren Erinnerungen oder wegen Serassher und seinem Stolz, sondern wegen Caewlin und ihrer Schuld an ihm. Ich werde ihn nicht darum bitten! Geht es ihr durch den Kopf, der einzige klare Gedanke, den sie im Augenblick überhaupt fassen kann, obwohl niemand, auch nicht Soraya, die von Caewlins Anwesenheit in Talyra noch nicht einmal weiß, etwas derartiges von ihr gefordert hat. Ich werde ihn um überhaupt nichts bitten. Jedes Mal, wenn ich Caewlin um etwas gebeten habe, ist etwas Schreckliches geschehen. Er hat seine Hand verloren, er hat fast sein Leben verloren, er hat seine Frau verloren. Ich werde alles tun, um Serassher zur Vernunft zu bringen, aber Caewlin werde ich um nichts mehr bitten! Die Nordmänner hatten sich Dúne erobert, vor fünfhundert Jahren in einem Sturm aus Blut und Stahl... davon mag man als Elb halten, was man will, nun gehört das Land mit allem, was darauf, darin oder darunter ist, ihnen. Es gehört ihnen seit einem halben Jahrtausend, das ist noch nicht einmal mehr nach elbischen Maßstäben eine kurze Zeit. Sie sammelt sich, den Fetzen Pergament, den ihr Cron gerade gegeben hat, noch immer in den Händen, schiebt all ihre chaotischen Gedanken entschlossen beiseite und sieht sich an, was dort steht. >Vergesst Amurs Herz. Das bekommt Ihr ohnehin nicht, wenn es überhaupt noch existiert. Ich weiß etwas, wofür Euer Vater noch viel mehr geben wird, als nur seinen Stolz. Den kann er meinetwegen auch gern behalten. Sag mir, was dort steht, Cariad.<
Die Runen, die er aufgeschrieben hat, sind altertümlich, von einer Form, die seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt wird, und seltsam eckig, aber es sind Runen. Zwergenrunen, wie sie früher in N'arkam Dror und Mazandar gebräuchlich waren. Sie hat ein wenig Mühe, sie zu entziffern, aber sie kann sie lesen.


Im Schatten der Berge ruhen die Sprösslinge des zedernen Herzens.
Ssartar Chiyânar. Sylandeon Chiyânar.
 


"Oh Götter." Sie setzt sich, wo sie steht und hat Glück, dass sich direkt hinter ihr einer ihrer Sessel befindet, sonst wäre sie nämlich unwürdig auf ihrem Allerwertesten gelandet. Ich weiß etwas, wofür Euer Vater noch viel mehr geben wird, als nur seinen Stolz. Das hatte Cron gesagt, gerade eben, und sie hält den Beweis dafür in ihren Händen. Aber sie sind verbrannt! Sie haben gegen Ragnarnar gekämpft und sind im Drachenfeuer gestorben. Er hat sie verbrannt und sie dann gefressen! "Wo... woher hast du das? Woher weißt du..."
Er löst seinen Blick von Soraya und sieht sie an. "In den Bergen von Tronje," hört sie ihn sagen, "steht ein Grabmal aus weißem Marmor, an den Hängen des Stjerntinden. Es ist sehr alt und sehr... schön. Nicht nur das Grab, der ganze Ort... ich war sehr oft dort, deshalb konnte ich die Runen aus dem Gedächtnis wiedergeben. Auf dem Marmorsockel liegen die Bronzestatuen zweier Elbenritter. Sie sind sehr gut gearbeitet, Cariad, bis ins kleinste Detail, ihre Waffen, ihre Rüstungen." Sein Blick kehrt wieder zur Soraya zurück. "Ihre Gesichter. Zweifellos von zwergischen Bildhauern. Es müssen Eure Brüder sein. Ich wusste gleich, dass mir Euer Gesicht bekannt vorkommt. Diese Runen," er weist mit einem leichten Kopfnicken auf das Stück Pergament in Ninianes zitternden Fingern und dreht sich wieder zu ihr um, "sind die einzige Inschrift auf dem Stein und in Normand kann sie keiner lesen. Ich glaube, außer mir weiß kein Nordmann, wer dort begraben liegt."
Niniane fährt sich ein paar Mal mit der Zunge über die Lippen. "Cron... versteh mich nicht falsch, aber ich muss das fragen. Was habt ihr mit dem Grab gemacht... habt ihr... ist es..."
Er schüttelt den Kopf. "Gar nichts. Es ist absolut unversehrt, Cariad. Ich habe dir schon gesagt, es ist sehr schön. In den Weißen Nächten, vor allem am Midsommardag, bringen die unverheirateten Mädchen Blumen hin und sprechen ein Sithechgebet."
"W.. wa... was?" Sie ist so verdattert, dass sie tatsächlich stottert. Alles hatte sie erwartet, von räuberischer Grabschändung bis hin zu freundlichem Desinteresse, aber keine Blumen und Gebete von Jungfrauen. Ihr Blick irrt von Cron zu Soraya, wieder zurück und wieder zu der Elbin, die Cron immer noch anstarrt. "Was... hast du dazu gar nichts zu sagen? Soraya!" Zedernherz Tochter blinzelt, blinzelt noch einmal, sieht Niniane lange an und schüttelt den Kopf.


Am Tag des Inarifestes, zweieinhalb Monde später


Der Tag ist warm, obwohl es in der Nacht zuvor endlich geregnet hatte, und der Himmel ist noch leicht bewölkt, auch wenn die Sonne eindeutig gewonnen hat. Niniane schlendert neben Cron durch den noch leicht feuchten Sand am Smaragdstrand entlang Richtung Seehaus, hat ihre Tochter an der Hand und hängt ihren eigenen Gedanken nach. Am Morgen war Pyp bei ihnen gewesen und hatte ihnen eine Nachricht von Raven und Caewlin überbracht, den wohlverdienten Botenlohn abgestaubt und obendrein in kürzester Zeit drei noch warme Nusstaschen verdrückt, und jetzt sind sie auf dem Weg in die Stadt, um ihre Kinder bei Ravens oberster Magd zu lassen und ein paar Stunden aus ihrem Baum zu entkommen. Das Leben am Smaragdstrand verläuft gelinde gesagt etwas angespannt, seit Soraya bei ihnen ist, und sie hatten ihre Freunde lange nicht mehr gesehen. Keinen von ihnen, seit dem Winter schon nicht mehr. Es ist einiges geschehen in der Zwischenzeit, in den vergangenen beiden Monden seit Nannar. Niniane hatte Shugorn nach Carvallen geschickt, noch am Abend von Sorayas Ankunft, und als der Rubinrabe dort gewesen war, hatte sie mit Hilfe eines besonderen Zaubers, dessen Nachwirkungen sie noch tagelang gespürt hatte, ein sehr langes und sehr ausführliches Gespräch mit Zedernherz geführt, an dessen Ende Sorayas Vater sogar bereit gewesen war, zuzuhören. Das hatte er tatsächlich, ihr zugehört. Ihm war zwar gar nichts anderes übrig geblieben, aber immerhin, sie hatte ihn nicht erst dazu zwingen müssen. Sie hatte jedoch weder an ihrer Entschlossenheit, noch an ihren Absichten irgendwelche Zweifel gelassen, ganz gleich, durch wie viele Blumen diese Unterhaltung auch geführt worden war. Und letztlich hatte sie Zedernherz mehrere Versprechen abgenommen - zum einen natürlich, dass er seine Informantin - Elleanie - im Valonva Shaer augenblicklich entfernt, zum anderen, dass er Soraya bis auf weiteres in ihrer Obhut belässt und schließlich, dass er sofort Abstand von jeglichen Ambitionen nimmt. Sehr weiten Abstand. Sie weiß, dass Serassher seine Zusicherungen einhalten wird, denn er mag verbittert sein, aber er ist kein Mann, auf dessen Ehrenwort man sich nicht verlassen könnte. Die Gefahr eines Verrats aus Carvallen scheint also vorerst gebannt, es würde keine drohende Tragödie für das Haus Dúne geben, keine Spaltung der Hohen Häuser in Königstreue und Rebellen. Die ganze Art, wie ihr Gespräch mit Zedernherz verlaufen war, hatte Niniane sogar ein wenig Hoffnung auf mehr als nur einen wackeligen Frieden verliehen. Eine schwache Hoffnung, aber besser als nichts. Und wer weiß... mit der Zeit und ein wenig gutem Willen wäre vielleicht sogar so etwas wie Verständigung möglich. Bei Soraya dagegen scheint in dieser Beziehung Hopfen und Malz verloren, wenigstens kommt es ihr allmählich so vor. Es ist wirklich ein Witz, dass es letzten Endes leichter zu sein scheint, Zedernherz von den Menschen zu überzeugen, als Soraya, die nicht zuletzt deswegen hierher in die Menschenlande gekommen ist! Was das Verhalten der Elbin angeht, weiß sie sich bald nicht mehr zu helfen. Nicht nur, dass sie zu den Gebeinen ihrer Brüder praktisch kein Wort gesagt hatte, sie hüllt sich vor allem Cron gegenüber auch nach geschlagenen zweieinhalb Monden bei ihnen im Baum immer noch eisern in Schweigen.

Dem Mann gegenüber, der ihr die Knochen ihrer toten Brüder versprochen hat. Meinem Ehemann. Dem Mann, unter dessen Dach sie zu Gast ist! Cron hatte ihr zuliebe ein paar Mal versucht, mit der Elbin so etwas wie Konversation zu betreiben, es nach einem Siebentag jedoch schulterzuckend aufgegeben und Soraya Soraya sein lassen. Niniane kann es ihm nicht verdenken. Sie kann es auch ihren Kindern nicht verdenken, dass sie Soraya nach all den Wochen noch immer mit Distanz und Scheu betrachten, schließlich bekommen sie sehr genau mit, welche Ablehnung diese fremde Frau ihrem Vater entgegenbringt. Niniane kann beim besten Willen nicht sagen, warum sich die Elbin so verhält und allmählich ist es ihr auch gleich. Sie ist wild entschlossen, sich zu amüsieren und ihre verstockte Schutzbefohlene wenigstens ein paar Stunden lang zu vergessen. Heute werde ich mir über Soraya nicht mehr den Kopf zerbrechen. Ich werde aufs Inarifest gehen, tanzen, lachen, Spaß haben und meine Freunde sehen. Lauter Nordmänner. Ein ganzes Rudel von Nordmännern. Caewlin, Brynden, Raven, Ykenai... gut, das sind Nordfrauen, aber egal. "Cron, nur einen Moment, ich muss..." Sie hält Inne, um aus ihren Schuhen zu schlüpfen, sonst wären sie binnen weniger Augenblicke voller Sand, und das will sie weder dem weichen Leder, noch ihren Zehen antun, rafft ihre Röcke, legt sie sich über den linken Arm und geht dann barfuss weiter. Mittlerweile ist sie froh, sich von Soraya die Gelegenheit, sich wenigstens einmal im Jahr ordentlich aufzurüschen, doch nicht verdorben lassen zu haben. Noch am Morgen, als sie die Elbin gefragt hatte, ob sie nicht mit ihnen aufs Inarifest gehen wolle und Soraya ihr prompt einen Korb gegeben hatte, war sie nämlich kurz davor gewesen, doch tatsächlich in Sack und Asche zu gehen. Cron hatte ihr das allerdings sehr schnell wieder ausgeredet und nun trägt sie ein hauchdünnes, weit ausgeschnittenes Chemisenkleid aus elfenbeinfarbenem Musselin, und darüber ein leichtes, lindgrünes Gewand aus Wildseide, über und über bestickt mit zarten, moosgrünen Blatt-Ranken. Es hat lange, aber sehr schmal geschnittenen Ärmel, eine hohe Taille und einen Kordelzug an den Ausschnittkanten, der zur zusätzlichen Raffung des Stoffes verwendet wird - es ist ein elbisches Gewand, allerdings kein Schleierkleid und obendrein seit ungefähr tausend Jahren aus der Mode, aber heute hat sie es herausgekramt. Dazu gehören ein breiter, schilfgrüner Schal aus Seidenorganza, der die gleichen Rankenstickereien wie das Kleid aufweist, und ein paar grüne Wildlederschuhe, die sie schon so lange nicht mehr getragen hat, dass ihr vermutlich nach einer Stunde die Füße schmerzen werden. Ihr Haar hat sie zwar hochgesteckt, aber nur lose, hier und da ein paar gewellte Strähnen herausgezupft und auf allen Schnickschnack wie Spangen, Bänder, Blätter, Blüten oder sonstiges verzichtet.

-> Seehaus

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Soraya am 12. Mai 2007, 00:38 Uhr
Misstrauisch verfolgt Soraya, wie der Nuorkhar plötzlich ohne ein einziges Wort aus dem Raum verschwindet, um gleich darauf mit Pergament und Federkiel in den Händen wieder zurück zu kehren und den Tisch vor dem Kamin mit einem Arm frei zu räumen. "Vergesst Amurs Herz. Das bekommt Ihr ohnehin nicht, wenn es überhaupt noch existiert. Ich weiß etwas, wofür Euer Vater noch viel mehr geben wird, als nur seinen Stolz. Den kann er meinetwegen auch gern behalten." Nur mit Mühe kann sie ein abfälliges Schnauben unterdrücken, als er ihren Vorschlag einfach mit Füssen tritt, doch der Zug um ihren Mund wird hart und ihr Blick streift verächtlich über die vereinzelten Blätter und das Wachstäfelchen, welche der Nuorkhar ohne Rücksicht zu Boden geworfen hat. Es mögen 500 Jahre ins Land gezogen sein, aber es sind noch immer unzivilisierte Barbaren ohne jeglichen Anstand. Erst als er weiter spricht sieht sie auf. “Sag mir, was dort steht, Cariad.“ Soraya löst sich von ihrem Platz an der Seite des Kamins, gerade als Niniane mit leicht zusammengekniffenen Augen das krakelige Geschreibsel des Nuorkhar entziffert…

Im Schatten der Berge ruhen die Sprösslinge des zedernen Herzens.
Ssartar Chiyânar. Sylandeon Chiyânar.

Ssartar Chyânar. Sylandeon Chyânar… Ssartar… Sylandeon… Ss… Drei Herzschläge vergehen, dann versteht Soraya. Und weicht schlagartig an den steinernen Sims zurück, als hätte ihr jemand eine eiserne Faust in den Magen gerammt. „W..as?“, bringt sie keuchend und kalkweiss im Gesicht hervor und kann sich gerade noch zum Sessel retten, bevor ihre Beine wie Pudding nachgeben. „Ssartar…“ Ihr wird schlecht. Speiübel. Ihr Magen dreht sich im Kreis und nach Luft ringend lehnt sie sich zurück und versucht die rostigen Eisennägel, die in ihrer Kehle stecken, hinunter zu schlucken, doch es gelingt nicht: „Sylandeon.“ Nein. Schwach schüttelt sie den Kopf, ohne dass es einer der beiden anderen mitbekommt. Das kann nicht sein. Sie sind verbrannt. Des Eisigen Atem hat sie getötet… in Asche verwandelt. Das ist unmöglich. Unmöglich. Und mit dieser Einsicht lodert eine erkaltete, längst vergessene Wut in ihr hoch, die sich mit eisernen Fesseln um ihr Herz schlingt und ihr den Atem raubt. Erneut kämpft sie sich in die Höhe und kann sich nicht entscheiden, ob sie Hals über Kopf nach Nordmand reiten und sich persönlich vergewissern soll, dass dieser verfluchte Nuorkhar die Wahrheit sagt, oder ob sie seinen Frevel, den alten Schmerz ihrer Familie mit solch einer unverschämten Lüge einfach erneut zu wecken, gleich mit Blut vergelten soll. Sie tut schlussendlich weder das eine, noch das andere, was einzig und allein den Grund hat, dass Niniane im Raum steht… und sie zudem gerade weder Pferd, noch Engelsklinge, noch Schwert, noch sonst irgendetwas Scharfes, oder Spitzes zur Hand hat und er ihr in ihrem Zustand haushoch überlegen wäre. Er hält ihrem Blick stand und redet einfach weiter, während Soraya sich darum bemüht die Schultern zu straffen und ihrem glühenden Zorn erst einmal Einhalt zu gewähren. So lange, bis er sich entweder entschuldigt, oder einen handfesten Beweis für diesen schlechten Scherz vorgelegt hat. Bergen von Tronje… Grabmal aus weißem Marmor… Stjerntinden… schön… sehr oft dort… Bronzestatuen zweier Elbenritter… Waffen… Rüstungen… ihre Gesichter… Es müssen Eure Brüder sein. Soraya sinkt mit dem Rücken an die warme, lebendige Wand des Baumes und schnappt geräuschvoll nach Luft. Das Feuer des Hasses in ihren Eingeweiden ist schlagartig erstorben und hinterlässt nur den fahlen Geschmack nach kalter, fauler Asche auf ihrer Zunge.

Er sagt die Wahrheit. Egal welche Geschichten erzählt worden sind: Seine Worte sind ehrlich und wahr, sie kann es spüren, und trotzdem weigert sich ein Teil in ihr seinen Erzählungen so einfach, ohne einen sichtbaren Beweis, zu glauben, bis der Nuorkhar Ninianes Frage beantwortet: "Gar nichts. Es ist absolut unversehrt, Cariad. Ich habe dir schon gesagt, es ist sehr schön. In den Weißen Nächten, vor allem am Midsommardag, bringen die unverheirateten Mädchen Blumen hin und sprechen ein Sithechgebet." Sorayas Kopf ruckt in die Höhe und sie starrt den Nuorkhar aus leicht geweiteten Augen mit einer Mischung aus unverfrorenem Unglauben, sowie offenem Misstrauen an, bis der Sinn seiner Antwort den dichten Nebel ihrer wirren Gefühle durchdringt. „Ein Gebet?“ Beinahe hätte ihr Krächzen einen abfälligen, sarkastischen Tonfall angenommen, doch er geht in Ninianes Frage unter, die sich mit einem Male an Soraya selbst wendet, als Antwort jedoch nur ein schwaches Kopfschütteln erhält.

Im Taumond

Soraya sieht Niniane, Cron und den Kindern so lange hinterher, bis ihre Umrisse von dem golddurchwirkten Nebeldunst des Smaragdstrandes verschluckt werden. Über ihrem Kopf raschelt der mächtige, alte Baum mit seinen immergrünen Blätter, ganz als wolle er die Ruhe geniessen und sich eine kleine Entspannung gönnen, bevor erneut vorwitzige Kinderfüsse durch seinen Leib huschen. Es ist bereits sehr warm, obwohl eine laue Briese durch das Smaragdgrass unter ihren Füssen streicht und der Morgentau noch an den Halmen glitzert. Langsam lässt Soraya ihren Blick über das dichte Dickicht kaum zwanzig Schritt entfernt gleiten, wo zwischen Ginster- und Holderbüschen kleine Tiere nisten, oder sich sogar bis an den Rand der Lichtung wagen, angezogen durch die friedliche Ruhe, die sich wie ein Schleier um den Baum gelegt hat. Den Atem anhaltend beobachtet Soraya wie ein mutiges Rehkitz auf wackeligen Steckenbeinchen auf die heisse Quelle zustakst, hinter sich die wachsame Mutter, deren schlanke Ohren in alle Richtungen zucken, um einen möglichen Feind früh genug zu erspähen. Das Sonnenlicht lässt die glatten Felle in einem tiefen, dunklen Rot schimmern und ein sanftes Lächeln huscht über Sorayas Lippen, als das Rehkitz seine feine Nase ins Wasser steckt und gleich darauf leise prustend wieder auftaucht und an die rettende Seite seiner Mutter eilt, weil direkt vor ihm eine Blase platzt. Lachend erhebt Soraya sich und einen Augenblick später ist der Rand der Lichtung leer gefegt. Nur noch der leise Hall von knackenden Ästen berichtet von all den Tieren, die dort eben noch gestanden haben. Gemächlich schlenderte sie über die Lichtung zur Quelle, wo nebst einem ihrer Bücher auch eine Kanne leckerer Kräutertee steht. Zwei Dinge, mit denen sie sich in den nächsten Stunden zu beschäftigen gedenkt… wie eigentlich jeden Tag, wenn sie nicht gerade durch das Larisgrün reitet, Niniane zur Hand geht, oder  irgendwo mit Venyarîl übt, was jedoch aufgrund der Kinder und des Nuorkhar nur selten vorkommt. Dieser hat zwar mehrmals den Versuch gestartet, sie in ein Gespräch zu verwickeln, doch nachdem sie zum dritten Mal nicht ein einzelnes Wort erwidert hatte, hatte er aufgegeben und ihr war es nur recht gewesen.

Als sie das ledergebundene Buch hochhebt, trägt der Wind ihr ein leises Flüstern zu, gerade laut genug, damit sie versteht. „Soraya.“ Ein feines Kribbeln huscht ihren Rücken hinab und sie braucht sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer dort irgendwo hinter ihr steht. „Myliaris.“ Leise lachend wendet sie sich um und sieht dem hochgewachsenen Elb, der auf dem Rücken eines falbenfarbenen Pferdes im grauen Schatten der Bäume steht, entgegen, doch als sein Gesicht aus dem Dämmerlicht auftaucht, vergeht ihre Freude so schnell, wie sie gekommen ist.
Der Blick aus seinen Augen ist kühl, fast schon abschätzig, und nur als er sich kurzzeitig Ninianes Behausung zuwendet, schwindet der Ausdruck, kehrt jedoch zurück, als er sie wieder ansieht. Vorsichtig tastet sie sich mit ihren Gedanken vor, zuckt jedoch zurück, als sein Geist zuschnappt, wie eine Auster und sie unsanft zurückstösst.
„Myliaris“, haucht sie leise, legt das Buch wieder auf den Boden und will schon auf ihn zugehen, gerade als hinter ihm vier weitere Pferde auftauchen. Zwei davon tragen schweres Gepäck, auf den anderen sitzen Yalris, ein Ritter ihres Vaters, sowie… „Arininar?!“ Der Junge grinst sie über eine weisse Pferdemähne breit an und sieht dabei so selbstzufrieden aus, dass ein Honigkuchenpferd neidisch werden könnte. „Was…“, beginnt sie erneut, schnappt nach Luft und weiss nicht, ob sie ihm eine Standpredigt halten, oder ihm danken soll. „Was bei allen Göttern tut er hier Myliaris?“, braust sie schliesslich auf und hat die zwanzig Schritt Distanz schneller hinter sich gebracht, als dass einer der Reiter absitzen kann. Natürlich freut sie sich ihn zu sehen, sie alle zu sehen, das ist keine Frage und sie traut den beiden Rittern auch durchaus zu, sich in der Welt der Menschen zurecht zu finden, aber Arininar hat bisher, soviel sie weiss, von Menschen nur aus Legenden und Sagen gehört. „Was tut er hier?“, wiederholt sie eine Spur energischer und versichert sich flüchtig, dass dem Jungen nichts fehlt. Keine sichtbaren blauen Flecken, keine Schrammen. Er strahlt noch immer wie ein Keks und lässt sich von Yalris hinunter helfen, während seine grossen Augen voller Ehrfurcht und Staunen auf dem Baumriesen ruhen. Myliaris jedoch schweigt, seufzt schliesslich und deutet auf die Packpferde, als hätte er ihre Frage gar nicht gehört: „Dein Vater bat mich, dir deine Habe zu bringen und da erst selbst nicht kommen konnte“, ein vage Vermutung, warum ihr Freund sich benimmt, als hätte er einen Stock verschluckt, erwacht in ihrem Kopf: „, schickte er noch Yalris mit.“ Obwohl sein Tonfall sanft ist, verliert sich das dünne Lächeln in seinen Mundwinkeln auf dem Weg zu seinen Augen. Erneut betrachtet sie die Packpferde, sieht zu Arininar und anschliessend zu Yalris, der den Blick gesenkt hält, ganz im Gegensatz zu Myliaris, der aus seiner Abscheu keinen Hehl macht. Ihre Miene wird mild und obwohl ihr Freund sich nicht regt, legt sie ihm sachte eine Hand auf die Schulter und nickt: „Ich verstehe.“ Und das tut sie, auch wenn es ihr in der Seele weht tut zu sehen, was ihr Handeln für Folgen hat. Dass kaum jemand billigen würde, wenn sie sich in den Menschenlanden verschanzt, davon ist sie nicht ausgegangen, aber dass selbst Myliaris, den man als äusserst weltgewandt und untypisch offen gegenüber anderen Völkern betrachten kann, ihr einen Vorwurf deswegen macht, versetzt ihr einen Stich.

„Shu’ra, seht einmal!“, tönt es plötzlich, kurz bevor Arininar wieder an Yalris Seite auftaucht, rechts und links von sich jeweils ein Bündel Fell, die ihr jeweils aus braunen und blauen Augen entgegen blinzeln. „Sie heissen Faêrsyl und Yaononril und sie gehören mir, also euch, also euer Vater hat sie meiner Obhut überlassen, damit ich auf sie aufpasse, bis ihr wieder kommt. Aber wenn ihr nicht zurückkommt, muss ich die beiden eben zu euch bringen.“ Soraya schluckt den Kloss in ihrem Hals hinunter, versucht zu nicken und bringt nur ein schwaches „ah“, zu Stande, denn beim Anblick der Mischlinge wird ihr gleichzeitig warm und kalt ums Herz. Die Tiere lassen sich auf Befehl des Jungen zu Boden sinken und Arininar kann den Stolz über seine Hunde kaum verbergen. Und stolz kann er durchaus sein. Soraya braucht kein Meister in der Hundezucht zu sein, um zu sehen, dass unter dem schlohweissen und dem bunt gefleckten Fell die Kraft und Anmut des Vaters und die Schnelligkeit und Schönheit der Mutter ruht. „Faêrsyl und Yaononril“Mondbruder und Schwarzauge, flüstert sie und nickt zufrieden: „Das sind starke Namen.“ Arininar wird rot bis unter die Haarspitzen, geht in die Knie und krault den Tieren den Nacken, ihnen leise Lobworte in die spitzen Ohren flüsternd.
„Wo sollen wir deine Habe hinbringen?“ Myliaris Frage reisst sie aus ihren Gedanken und vertreibt den Ansatz von Erleichterung erneut aus ihrem Gesicht. Lange sieht sie ihn nur an, versucht zu ergründen, warum er ihr mit solch offensichtlicher Ablehnung begegnet, schüttelt dann aber den Kopf und nickt in Richtung einer mächtigen Wurzel, welche sich nahe der Türe aus dem Boden erhebt. Stumm helfen die drei Elben ihr zwei Truhen, unzählige Lederbeutel, eine Holzkiste, sowie vier Satteltaschen sicher zu verstauen, wobei Soraya hin und wieder innehält um ein Gepäckstück zu betrachten. Ob ich jemals wieder zurückkehren werde?, fragt sie sich plötzlich und drückt das Eichenholzkistchen mit den feinen Silberbeschlägen einen Herzschlag lang sachte an sich, um die Sehnsucht nach ihrer Heimat wenigstens für kurze Zeit zu bannen.
Als alle Sachen aufgestapelt vor Ninianes Baum ruhen, wendet sich Soraya mit schwacher Hoffnung Myliaris zu, der bereits wieder dabei ist, aufzusitzen: „Wie lang werdet ihr bleiben?“

Es ist erneut Arininar, der ihr antwortet… aber leider nicht ganz so, wie sie sich erhofft hatte. „Ich bleibe hier“, sagt er laut und Soraya bleibt gelinde gesagt das Herz stehen. „Du… tust was?“ Sie muss sich verhört haben. Nie im Leben… „Ich bleibe hier“, wiederholt der Junge erneut und verschränkt entschlossen die Arme vor seinem schmächtigen Brustkorb. Knapp schüttelt Soraya den Kopf: „Nein. Das ist unmöglich.“
„Er ist den ganzen weiten Weg gereist, um hier zu bleiben Soraya“, schaltet sich Myliaris ein und bekommt dafür ein böses Funkeln geschenkt, was ihn jedoch kaum schert, denn er drückt dem Jungen nur die Zügel eines der Pferde in die Hand und fügt hinzu: „Ich werde ihn nicht mehr mit zurück nehmen.“
„Er kann nicht hier bleiben.“
„Warum nicht? Du kannst es doch auch.“
„Das…“
„Ist etwas anderes? Er istdein Mündel Soraya. Es obliegt deiner Verantwortung für ihn zu sorgen, nachdem du ihn aufgenommen hast. Natürlich  wäre er in Lomirion besser aufgehoben, keine Frage, aber er ist nun einmal hier. Wegen dir."
Tief zieht Soraya die Luft ein, sieht noch einmal zu Arininar und schüttelt dann den Kopf: „Ich bin selbst ein Gast in Lady Ninianes Haus. Ich kann nicht einfach jemanden zu mir nehmen, soviel verstehst selbst du von Höflichkeit Myliaris. Er hätte in Lomirion bleiben sollen.“ Doch der Elb ist bereits aufgesessen und gibt Yalris mit einem Handwink zu verstehen, dass sie gleich los reiten werden. „Myliaris!“
Er zögert, dann sieht er zu ihr hinunter und sie will verdammt sein, wenn hinter der harten Maske seiner Gleichgültigkeit nicht ein vager Schmerz durchschimmert. Langsam hebt sie die Hand, doch er wehrt ab, strafft die Schultern und sendet dann unhörbar für die anderen beiden: Warum auch immer du hier bist Soraya, du wirst deine Gründe haben. Aber das bedeutet nicht, dass jeder dein Verschwinden billigt. Wir haben uns alle sehr gesorgt und dich gerade hier… in den Menschenlanden zu finden, setzt einigen schwer zu. Auch mir. Und ich werde nicht länger als nötig hier verweilen. Die Verachtung, als er das Wort Menschenlande ausspuckt, erinnert sie schwer an ihren eigenen, ersten Tag, als sie dem Nuorkhar begegnet war, der zu ihrer aller Glück gerade nicht anwesend ist. Ich habe meine Gründe, sehr wohl, ansonsten wäre ich ebenso wenig hier. Aber irgendwann werde ich zurückkehren… Wenn ich denn kann. Verwirrung schlägt ihr entgegen, die sie nun ihrerseits ignoriert, um sich seufzend dem Jungen zuzuwenden. Weder kann er ein Wort Allgemeinsprache, noch hat er den blassen Schimmer einer Ahnung, wie die Menschen – von den Nuorkhar ganz zu schweigen – sind, oder wie ihre Kultur funktioniert. Damit hat sie selbst genug Mühe und die Aussicht auf eine Erklärung gegenüber Niniane, die über neuen Besuch sicherlich nicht erfreut sein wird, bereitet Soraya Kopfschmerzen.
Ich habe versucht es ihm auszureden, aber seit du fort warst, streunte er nur noch einsam herum und kümmerte sich um die Wölfe, ohne ein einziges Wort zu sagen. Als er hörte, dass man dir deine Sachen bringen würde, war er von seinem Vorhaben mit uns zu kommen, kaum mehr abzubringen… und schlussendlich erlaubte dein Vater es ihm. Verstehend schliesst Soraya die Augen, doch das Problem löst sich mit dieser Erklärung nicht in Luft auf: „Das mag alles sein, aber er kann nicht hier bleiben.“ Arininars Lächeln schwindet und noch im gleichen Atemzug gibt Soraya sich mit einem leisen Seufzen geschlagen. Langsam sieht sie auf und verfolgt, wie Myliaris einen dicken Brief unter seinem schlohweissen Umhang hervorzieht. „Hier“, sagt er und überreicht ihr den Umschlag: „Von deinem Vater.“

Ein wenig später…

Als die letzte Truhe ihren Platz in einer Ecke ihrer zeitweiligen Behausung gefunden hat, streicht Soraya sich ein paar lose Strähnen aus dem Gesicht und sieht sich skeptisch um. Niniane wird mich umbringen. Und das wäre eine linde Strafe. Arininar grinst noch immer zufrieden, wahrscheinlich weil er noch nicht weiss, was ihn erwartet. „Arin?“ Der Junge fährt herum: „Ja, Shu’ra?“ Sachte fasst sie ihn an der Schulter und zieht ihn zum Bett. "Hör mal, ich muss noch etwas Wichtiges mit dir besprechen…“
Es dauert eine geschlagene Stunde, bis der Junge das ganze Ausmass der Folgen seines Hierseins begreift… und mit wem er es zu tun bekommt. Geprägt durch die ausgeschlachteten Legenden und blutigen Sagen – von denen leider über die Hälfte der Wahrheit entsprechen – ist Arininar im Glauben aufgewachsen, Normander seien ein Volk blutrünstiger, gottloser Barbaren, die sich an den Eingeweiden kleiner Kinder laben, nachdem sie die Köpfe der Eltern auf Spiesse gesteckt haben. Soraya behauptet nicht, dass diese Geschichten NICHT wahr sind, aber sie versucht ihm klar zu machen, dass sich vieles geändert hat -  und dass in diesem Baum ein Normander lebt, als Ehemann der Lady Niniane. Arininars Augen werden gross und rund, aber wie ein Kind nun einmal ist, vergisst er diese kleine Einführung in die momentane Sachlage, als es ans Essen geht. Nach einigem Suchen findet Soraya ein wenig frisches Brot, süssen Honig, Butter sowie ein wenig kalten Braten, den sie den beiden Mischlingen hinaus bringt, da sie die Hunde nicht hereinlassen will, ohne zuvor mit Nan geredet zu haben.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Faron am 07. März 2008, 15:30 Uhr
« Die Steinfaust

Es ist Aurian, die als Erste auf Farons fragen reagiert und erklärt: »Es ist wahr. Am Hafen wurde die Bardin Yarranwyn gefunden. Die Möwen waren schon an der Leiche dran. Ihr könnt euch vorstellen, wie sie zugerichtet war… Sie wurde zu den Maestern in den Branturm gebracht. Die Leichenschau wurde eben beendet, Amarius war auch involviert…« Der Faun nickt, er hat verstanden und vorerst genügen ihm diese Informationen, da er sich sicher ist, dass er zu gegebener Zeit auch alles weitere erfahren wird. Also steht er schweigend da und wartet ab, wobei er abwechselnd die Unterredung zwischen dem Lord Commander und dem Alchimisten sowie die drei Neuankömmlinge aus den Augenwinkeln beobachtet. So geht es eine Weile hin und her, bis Amarius schließlich zu ihrer kleinen Gruppe herüberkommt. »Schön dass ihr wieder hier seid werter Faron.« Der Faun nickt nur kurz. »Verzeiht bitte die Unannehmlichkeiten. Es ist leider einiges durcheinander geraten, woran ich nicht ganz unschuldig bin. Werter Frey, werte Sayila, ich bin euch wohl einiges an Erklärung schuldig. Doch zuvor muss ich euch unbedingte Verschwiegenheit bitten. Schon jetzt wissen eigentlich mehr als gewünscht von Dingen, die eigentlich nur für eine wesentlich kleinere Menge an Ohren bestimmt war.« Ah, Frey und Sayila also, nimmt der Oberste Stallmeister die beiden Namen zur Kenntnis, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz den Worten des Alchemisten zuwendet, der sie nun so gut wie möglich über die Einzelheiten der jüngsten Ereignisse ins Bild setzt, was eine geraume Zeit dauert.
»Faron, Frey, Sayila und meine Wenigkeit werden Lady Niniane aufsuchen um dort eventuell etwas in Erfahrung bringen zu können«, schließt Amarius endlich und Frey, offenbar ein Seemann wie Faron vermutet, ergreift sogleich das Wort. »Gut, dann wuerde ich vorschlagen, verlieren wir keine Zeit mehr. Lady Niniane wird sicherlich in ihrem Protektorat zu finden sein. Also, weiss jemand von Euch wo genau im Larisgruen? Nein?«, fragend schaut er in die Runde und setzt ein erleichtertes »Ah, doch?!« hinzu, als er merkt, dass Faron auf die Frage mit einem knappen Nicken reagiert. „Ja, ich kenne den Weg“, brummt der Faun kurz angebunden. „Folgt mir einfach.“ Er schaut kurz in die Runde, dann geht er entschlossen voraus, als Frey, der sich offenbar entschieden hat, das Wort zu führen, erklärt »Dann fuehrt uns hin am besten gleich hin, dann kommen wir vielleicht noch an, bevor es dunkel ist.« und ihm mit ausladender Geste bedeutet, voran zu gehen.

Gemeinsam verlässt die kleine Gruppe die Steinfaust und lässt sich von dem Faun zum Nordtor hinaus führen. Der Oberste Stallmeister hat die Protektorin noch nicht persönlich kennen gelernt, aber er kennt den Weg zu ihrem Baum am Smaragdstrand gut. Immer öfter, wenn es ihm in der Steinfaust zu eng wird, zieht es den Faun nicht nur ins Larisgrün, sondern auch an die geschützten Ufer des Ildorels am Smaragdstrand, wobei er häufig einen Weg einschlägt, der nahe an der Wohnstatt der Protektorin vorüber führt. Während er seine Begleiter führt, bemüht sich der Faun nicht zu schnell voran zu eilen, was ihm allerdings nicht gerade leicht fällt, weshalb er von zeit zu zeit einfach stehen bleibt, um den anderen Gelegenheit zu geben, wieder zu ihm aufzuschließen bevor er weitergeht. So kommt es, dass er von den Gesprächen, die hinter ihm stattfinden, lediglich ein paar Wortfetzen mitbekommt.
Dann haben sie ihr Ziel erreicht. „Da wären wir“, erklärt der Oberste Stallmeister und deutet auf einen uralten Baum, der inmitten einer kleinen Lichtung unweit des Seeufers empor ragt. Der mächtige Baumriese besitzt einen beeindruckenden Umfang und seine mannshohen Wurzelstränge haben sich ringsumher strahlenförmig in den Boden gegraben. Zwischen zwei dieser kräftigen Wurzeln kann man eine Treppe aus Baumschwämmen ausmachen, die sich an der schrundigen Borke um den Stamm bis hinauf zu einer runden Eingangstür winden. Misstrauisch starrt der Faun in die Höhe. Die Treppe wirkt nicht gerade so, als wäre sie besonders gut für Faunshufe geeignet ...

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Sayila Arachelza am 07. März 2008, 21:36 Uhr
<-- Die Steinfaust

Amüsiert verfolgt Sayila, wie Shin von Armarius zurechtgewiesen wird - beinahe wirkt es, als schimpfe ein Vater mit seiner ungehorsamen Tochter, und das aufgesetzte unschuldige Gesicht, das Shin dabei macht, verstärkt diesen Eindruck noch mehr. Wen will die eigentlich täuschen? Wenn sie auch nur einen Funken Schuldbewusstsein empfindet bin ich ein Kobold!
Doch anscheinend kommt sie bei dem gutmütigen alten Alchemisten damit durch. Dieser wird in seinen Ausführungen jäh unterbrochen, als ein groß gewachsener Mann in den Farben der Stadtgarde ihn unterbricht und der Alte nun seinerseits offenbar eine Standpauke gehalten bekommt. Offenbar handelt es sich bei dem Mann mit den langen braunen Haaren um niemand anders als den Lord Commander höchstpersönlich, und Sayila mustert ihn ein wenig genauer.
Shin, offenbar recht froh darüber, dass Armarius nun anderweitig beschäftigt ist, wird sogleich von dem unheimlichen Wolfsmann in ein Gespräch verwickelt. Da sich Sayila in seiner Nähe einfach unwohl fühlt, hält sie genügend Abstand zu ihm.
Der Junge namens Alrik oder Tiuri, dem sie bisher so gut wie keine Beachtung geschenkt hat, wendet sich nun unvermittelt erneut an sie und Frey, und bietet in sehr freundlichem Ton - und glücklicherweise ohne ein albernes "Lady" oder "Sire" - seine Hilfe bei eventuellen Nachforschungen in der Unterstadt an.
Das klingt doch schon ganz anders. Sayila ist der Junge gleich viel sympathischer, und sie betrachtet ihn zum ersten Mal an diesem Tag genauer. Er ist wirklich sehr groß, was aber an seinem noch sehr jugendlichen Aussehen nichts ändert. Seine Kleidung wirkt irgendwie zerrissen und schmutzig, und Sayila kann nicht umhin, sich vorzustellen, dass er wahrscheinlich jeden Tag auf irgendwelche Bäume klettert.
An der rechten Hälfte seines Halses kann sie ziemlich starke Brandnarben erkennen, die sich offenbar bis unter die Kleidung ziehen. Sie versucht, so unauffällig wie möglich, um nicht unhöflich zu wirken, die Narben zu begutachten. An der rechten Hand setzen sich die Narben fort, so dass sie vermutet, dass es eine recht große Brandverletzung gewesen sein muss.
Gerade als sie den Kopf wieder abwenden will fällt ihr Blick durch Zufall auf ein Schwert, das er am Gürtel trägt - und sie glaubt ihren Augen nicht zu trauen. Sie atmet geräuschvoll ein, und nun kann sie ihr Starren nicht verbergen.
Drachenstahl?, schießt es ihr durch den Kopf.
Ihr Blick ruckt hinauf zum Gesicht des Jungen. Wie, bei allen Dämonen der Unterwelt, kommt ein Jungspund wie er an eine solche Rarität?
Erneut huschen Sayilas Augen zu der fein gearbeiteten Waffe am Gürtel des Jungen, und es juckt sie in den Fingern, die Klinge zu berühren, zu befühlen, sich zu überzeugen, dass sie nicht träumt.
Gerade hat sie sich dazu durchgerungen, den Jungen auf das Schwert anzusprechen, als der scharfe Befehl des Lord Commanders: "Ihr bleibt alle, wo ihr seid" sie kurz aufschrecken lässt.
Beinahe hätte sie vergessen, wo sie ist, und weshalb sie hier ist. Nun aber ruhen ihre Augen wieder auf Armarius und seinem Gegenüber und sie versucht, herauszufinden, worüber sie sprechen. Doch sie steht zu weit weg, um etwas zu hören, und sie unterlässt den Versuch, sich näher an die beiden heranzuschieben. Man sollte es sich in der momentanen Situation wohl nicht mit dem Lord Commander der Steinfaust verscherzen.
Außerdem wird ihre Aufmerksamkeit nun vom Auftauchen eines Fauns beansprucht - für sie zwar keine so große Seltenheit, aber sie ist beim Anblick dieser Wesen doch jedes Mal wieder beeindruckt. Offenbar scheint er zu der kleinen Gruppe der Ermittler zu gehören, denn er wendet sich sofort an die junge Frau, die zusammen mit Shin den Branturm verlassen hat, und wird von ihr kurz über die jüngsten Ereignisse in Kenntnis gesetzt.
Kurz darauf beenden Armarius und der Lord Commander ihr Gespräch und nachdem Shin - zu Sayilas großer Erheiterung - von Letzterem regelrecht in die Große Halle abgeführt wird, wendet sich der Alchemist endlich wieder der restlichen Gruppe zu, die ihm mit erwartungsvollen Gesichtern entgegenblickt.
>„Schön dass ihr wieder hier seid werter Faron“< Faron heißt er also. Sollte man sich merken. >„Verzeiht bitte die Unannehmlichkeiten. Es ist leider einiges durcheinander geraten, woran ich nicht ganz unschuldig bin. Werter Frey, werte Sayila, ich bin euch wohl einiges an Erklärung schuldig. Doch zuvor muss ich euch unbedingte Verschwiegenheit bitten. Schon jetzt wissen eigentlich mehr als gewünscht von Dingen, die eigentlich nur für eine wesentlich kleinere Menge an Ohren bestimmt war.“<
Erleichtert folgt Sayila den Worten des Alten. Wie es aussieht, ist der Lord Commander wohl damit einverstanden, dass sie sich der Gruppe anschließen - dieses Problem wäre also gelöst. Dass absolute Verschwiegenheit oberstes Gebot ist, ist ihr selbstverständlich klar - sonderlich schwer wird ihr das wohl auch nicht fallen.
Aufmerksam hört sie nun zu, was der Alchemist ihnen über die bisherigen Erkenntnisse zu den beiden Morden erzählt, und ist zutiefst schockiert, als sie die Details erfährt. Herausgetrennte Herzen? Entfernte Körperteile? Mit Blut gemalte Symbole? Ein kalter Schauer läuft ihren Rücken hinunter.
Zu dem Vorschlag des Alten nickt sie nur knapp - ein wenig bedauert sie es, dass Tiuri (denn das scheint nun letztendlich tatsächlich sein Name zu sein) einen anderen Part übernehmen wird, und sie so keine Gelegenheit bekommt, ihn beiläufig auf sein Schwert anzusprechen, aber die beschließt, dass sie das immernoch nachholen kann.
Gemeinsam mit Armarius, Frey, und Faron macht sie sich auf den Weg aus der Steinfaust hinaus, durch die Stadt und durch das Nordtor. Der Faun geht voran, denn er ist offenbar der Einzige, der den Weg zum Haus der Protektorin kennt. Sayila hat von dieser Frau bereits ein paar Mal etwas gehört, aber sie hat keinen blassen Schimmer, wer sie eigentlich ist, geschweige denn, wo sie lebt.
Womit sie allerdings nicht gerechnet hat, ist dieser gewaltige Baum, zu dem Faron sie schließlich führt. Vor Staunen bleibt ihr einen Moment der Mund offen stehen, und ihre Augen wandern über die unzähligen Fenster, die merkwürdige Treppe und die unzäligen Schnitzereien.
Hier lebt diese Lady Niniane?
Auch wenn sie es nicht direkt weiß, so ist sich Sayila doch beim Anblick des Baumes beinahe todsicher, dass es sich bei der Protektorin um einen Elbin handeln muss. Gespannt folgt sie den anderen zu dem mächtigen Baum hin.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 13. März 2008, 18:45 Uhr
Es ist ein trüber, grauer Wintertag und der Wind schmeckt nach noch mehr Schneeregen - als hätten die vergangene Nacht und die letzten Tage nicht schon genug davon über Talyra gebracht. Niniane sitzt in ihrem Kaminzimmer am Schreibtisch und ihr Gänsekiel schabt eifrig über einen Bogen feines, buttergelbes Papier - sie schreibt an einem der in den letzten Monden recht zahlreich gewordenen Briefe an Sessair in Lomirion. Es ist früher Nachmittag, die Kinder schlafen seit etwa einer Viertelstunde und Cron ist irgendwo dort draußen in diesem tropfenden, nebligen, grüngrauen Wald auf der Suche nach dem halbstarken Jungeber, mit dem er sich schon seit einem Siebentag ein Hasch-Mich-Duell im Larisgrün liefert. Das impertinente Schwein war schon zweimal in ihren Hühnerstall eingebrochen, hatte die Hennen in helle Aufregung versetzt, Dutzende von Eiern gefressen, eine - im wahrsten Sinne des Wortes - riesige Schweinerei angerichtet und außerdem, und das war sein Todesurteil gewesen, ihren mühsam angelegten Gemüsegarten auf der Suche nach den letzten Schwarzwurzeln und Lauchstangen umgepflügt. Dabei hatte es sie solche Mühe gekostet, die Beete hinter dem Hühnerhaus am Nordrand ihrer Lichtung anzulegen - mit zwei kleinen Kindern und einem ewig hungrigen Nordmann, war es wesentlich praktischer, einen eigenen Garten zu haben, als alle Naslang wegen ein bisschen frischem Gemüse auf den Markt rennen zu müssen. Shugorn, ihr Rubinrabe, sitzt auf ihrer Schulter, äugt über ihre literarischen Ergüsse, als könne er lesen, was dort in den geschwungenen Buchstaben des Shidar steht, knarrt ab und an ein hoffnungsvolles "Korn?" und reibt seinen Kopf an ihrer Wange, doch plötzlich flattert er mit einem heiseren Ruf auf und im gleichen Moment rauscht der Wind durch die immergrünen Blätter ihres Baumes und sie hört Donners prustendes Schnauben, mit dem der Hengst stets Fremde ankündigt.

"Oh... Besuch?" Von ihrem Kaminzimmer aus kann sie den Saumpfad, der vom Nordtor durchs Larisgrün bis zu ihrer Lichtung führt, nicht sehen, aber sie weiß, dass jemand kommt und dass es kein allzu häufig hier gesehener Gast sein kann, sonst hätten die Tiere sie nicht gewarnt. Niniane räumt ihr Schreibzeug fort, legt den Brief behutsam in eine Lade des Tisches, legt Holz nach und geht dann an die Tür, obwohl es überhaupt nicht geklopft hat. Als sie öffnet, bietet sich ihr jedoch ein Bild, mit dem sie wirklich nicht gerechnet hat, auch wenn "seltsamer Besuch" in ihrem Baum etwas ganz Natürliches ist. Aufgereiht wie die Orgelpfeifen stehen vor ihr Faron, der Faun in Olyvars Diensten, den sie immerhin vom Sehen und Hörensagen kennt, ein hoch gewachsener Mann, den sie, müsste sie raten, spontan für einen Laiginer halten würde, eine Frau mit rabenschwarzem Haar und ein merkwürdig jung und alt zugleich wirkender, blau gewandeter Halbelb in der Robe eines Maesters, der nur dieser neue Alchemist sein kann, dessen Anwesenheit in Talyra seit Herbst die Spatzen von den Dächern gepfiffen hatten. Amerin... Armarus oder so ähnlich. Maester KarShei jedenfalls. Sie hatte den Namen von ihrer Mogbarwäscherin aufgeschnappt, eine der zuverlässigsten Quellen für Neuigkeiten in der Stadt, die man sich nur denken kann. "Seid gegrüßt," sie nickt Faron und den übrigen zu und mustert die kleine Gruppe aufmerksam aus goldenen Augen. Was auch immer sie bei mir wollen, sie sehen alle vier aus, als brenne ihnen irgendetwas ziemlich Unangenehmes auf der Zunge. "Bitte, kommt herein und sagt mir, was euch her geführt hat." Sie führt ihre vier Besucher ins Kaminzimmer ans wärmende Feuer, wo die elbischen Rundsessel selbst Farons Ausmaßen bequem Platz bieten und wirft Shugorn, der von seinem sicheren Hochsitz der Bücherregale aus bereits ein begehrliches Blinzeln auf den schönen blauen Spitzhut des Halbelben richtet, einen warnenden Blick zu. "Nun, was kann ich für euch tun?"


Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Armarius-Kar-Shei am 17. März 2008, 17:26 Uhr
Es war zwar eigentlich nichts außergewöhnliches, doch angesichts der letzten Geschehnisse, grenzte es schon fast an ein wunder, dass die Verbliebenen der Gruppe seiner Bitte ohne weitere Bedenken entsprachen. Ich hoffe bloß, dass es jetzt auch langsam mal etwas besser läuft als bisher. Wir müssen unbedingt diesen oder vielleicht ja auch diese Wahnsinnige finden und festsetzen.

So macht sich die Gruppe schon als bald auf. Armarius muss immer wieder einige durchaus zweifelhafte Aufmunterungen von Frey über sich ergehen lassen. Das er ihm keine Schwierigkeiten machen wollte, konnte ja stimmen, aber ein wenig amüsiert hatte er sich gewiss. Dennoch, der Alchimist ist nicht nachtragend und kann den Worten auch ein wenig Gutes abgewinnen. Immerhin deuten sie darauf hin, dass die Gruppe etwas persönlicher geworden ist und auch ein gewisses Vertrauen zwischen ihnen entstehen könnte.

Der Weg an sich ist nicht besonders beschwerlich und so auch recht schnell zurückgelegt. Doch als sie an dem riesigen Baum anlangten, kam es dem Weißbart ganz anders vor. Faron hatte seine gute Mühe gehabt, so langsam zu laufen, dass die Übrigen ihn nicht aus den Augen verloren. Er und die restliche Gruppe hingegen hatte mehr oder minder erfolgreich versucht ausreichend schnellen Schrittes dem Faun nach zu eilen.

Es dauerte einige Augen blicke, bis Armarius wirklich verstand was er vor sich sieht, als Faron mit den Worten: > Da wären wir. < noch einmal unterstreicht, dass sie ihr Ziel erreicht haben. Ein riesiger Baum mit einem gigantischen Wurzelgeflecht ragt vor der Gruppe gen Himmel. Wie der Zeuge einer unbekannten Vergangenheit die schon vor Äonen aus der letzten Erinnerung verflogen ist, denkt der Alchimist bei sich und ist von dem Anblick überwältigt.

Die kleine Treppe hingegen mutet ein wenig an, wie eine nette Schnitzerei. Alles wirkt hier viel kleiner und hilfloser. Gras nur wie Moos und er selbst fühlt sich, als wäre er gerade auf ein Viertel seiner wahren Größe Geschrumpft. Sogar Faron und Frey, die ihn weit überragten machten nun einen wesentlichen kleineren Eindruck. Nach einer kurzen Atem- und Bewunderungspause, setzt sich die kleine Gruppe wieder in Bewegung, die kleine Treppe hinauf, die aus der Nähe betrachtet gar nicht so klein ist. Vorbei an einer Art Stall und einigen Beeten, die wohl länger schon nicht mehr bestellt wurden, gelangen sie vor der Türe an, die in den Baum selbst hinein führt.

Gerade will Armarius anklopfen, als eine Elbin ihm die Tür öffnet, als wüsste sie, dass jemand kommt, ohne dass sie sich vorher angekündigt hätten. Sie wirkt ein wenig wie eine Katze und erinnert ihn somit gleich an Kaney. Sie könnte ein wenig das Ebenbild dieses Kaney, als Frau sein, schießt es ihm durch den Kopf. Doch bevor er etwas sagen kann, wird die kleine Gruppe schon freundlich herein gebeten: > Seid gegrüßt, Bitte, kommt herein und sagt mir, was euch her geführt hat. <

Armarius, der so etwas noch nie gesehen hat ist sofort fasziniert von dieser Behausung. Alles wirkt hier ein wenig natürlicher und beruhigender, als die kalten Straßen Talyras. Obwohl sie nicht unbedingt groß ist, wirken die Räume einladend warm und weit. So folgt er erst einmal stillschweigend der Hausherrin in einen gemütlich eingerichteten Raum, wo sie zusammen platz nehmen. Selbst Faron, der noch in der Steinfaust mit den Sitzgelegenheiten gekämpft hatte, konnte es sich hier einigermaßen gemütlich machen.

> Nun, was kann ich für euch tun? < fragt Lady Niniane die Gruppe, ohne dabei jemand im einzelnen anzusprechen.

„Zum Gruße werte Lady Niniane. Mein Name ist Armarius Kar Shei', meines Zeichen Alchimist und dies sind Frey MacMael, Miss Sayila und Faron. Ihr habt sicherlich schon von den Ereignissen in Talyra gehört, also den beiden Morden. Wir versuchen mehr darüber heraus zu bekommen, um dem Täter, das Handwerk legen zu können,“ antwortet der Weißbart und blickt kurz in die Runde. Er ist sich ein wenig unsicher wie viel er erzählen darf, aber immerhin hatte der Lord Commander der Steinfaust sie hierher geschickt. Zwar sollte er sich auf das Wesentliche beschränken, aber ohne Informationen können sie auch keine hilfreiche Antwort erwarten.

„Nun ja, wir sind dabei auf einen eigenartigen Steinsplitter gestoßen. Er ist dunkler als die Nacht und schwarz wie die Gewissheit des Todes. Er scheint dem Mörder gehört zu haben, doch leider kann ich trotz meiner Kunde der Mineralien dieses Gestein in keiner Weise zuordnen. Das eigenartige ist jedoch vor allen Dingen die Aura dieses Steinsplitters, der im Übrigen nicht größer als eine Fingerkuppe ist. Sie wirkt ausnahmslos auf jeden beängstigend. Ich meine damit nicht nur eine einfach Angst, die man schnell überwinden kann. Die Aura ist so stark, dass sie selbst gestandene Männer,“ Armarius denkt dabei an die Blaumäntel der Steinfaust „in Angst und Schrecken versetzt. Kennt ihr Lady Niniane vielleicht ein solches Mineral?“

Armarius versucht um jeden Preis zu vermeiden, dass er die Steinfaust oder den Lord Commander erwähnt. Ihm ist klar, das sie früher oder später höchst wahrscheinlich nachfragen würde, aber dann kann er ihr immer noch weitere Details berichten.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 18. März 2008, 15:27 Uhr
Sie hatte sich nicht  getäuscht - der weißhaarige, weißbärtige Halbelb mit dem spitzen blauen Hut ist der Alchemist Maester Kar Shei und stellt sich auch, kaum dass sie sitzen, gleich als solcher vor. >Zum Gruße werte Lady Niniane. Mein Name ist Armarius Kar Shei', meines Zeichen Alchimist und dies sind Frey MacMael, Miss Sayila und Faron.< Shugorn, der seinen Hut noch immer begehrlich mustert, würdigt der Gelehrte dabei keines Blickes. Niniane unterdrückt ein halbes Lächeln und nickt den Begleitern des Alchemisten freundlich zu, sie kommt jedoch nicht einmal dazu, ihren Gästen nach dem langen Marsch zu ihrem Baum durch das scheußliche Wetter draußen vielleicht erst einmal eine Tasse Tee und ein Stück Apfelkuchen anzubieten, denn der Alchemist fährt augenblicklich fort:>Ihr habt sicherlich schon von den Ereignissen in Talyra gehört, also den beiden Morden. Wir versuchen mehr darüber heraus zu bekommen, um dem Täter, das Handwerk legen zu können.<  "Ja, ich habe von den Morden gehört," ist alles, was sie, plötzlich hellhörig geworden, erwidert. Sie ist sich fast sicher, dass die vier in Olyvars Auftrag zu ihr gekommen sind, schließlich ist Faron bei ihnen und der Lord Commander würde seinen Obersten Stallmeister kaum von dessen Pflichten entbinden, um ihn auf eigene Faust irgendwelche Mordfälle aufklären zu lassen.

>Nun ja, wir sind dabei auf einen eigenartigen Steinsplitter gestoßen. Er ist dunkler als die Nacht und schwarz wie die Gewissheit des Todes. Er scheint dem Mörder gehört zu haben, doch leider kann ich trotz meiner Kunde der Mineralien dieses Gestein in keiner Weise zuordnen. Das eigenartige ist jedoch vor allen Dingen die Aura dieses Steinsplitters, der im Übrigen nicht größer als eine Fingerkuppe ist. Sie wirkt ausnahmslos auf jeden beängstigend. Ich meine damit nicht nur eine einfach Angst, die man schnell überwinden kann. Die Aura ist so stark, dass sie selbst gestandene Männer in Angst und Schrecken versetzt. Kennt ihr Lady Niniane vielleicht ein solches Mineral?<
Diese Wendung überrascht sie nun doch - viel eher hätte sie mit Fragen zum Larisgrün, zu möglichen Spuren oder etwas ähnlichem gerechnet, aber gut, warum kein Steinsplitter? Allerdings ist die Beschreibung des Fundstücks so vage, dass es sich um viele Edelsteine von schwarzer Farbe handeln könnte. Niniane ist keine Expertin auf dem Gebiet der Mineralienkunde, aber selbst sie weiß, dass sowohl Magier jeden Elements, also auch Priester und andere Zauberwirker schon von jeher alles mögliche mit edlen Steinen angestellt haben - Verzauberung, Beschwörung, Runenmagie, Schattenbinderei, Heilungen, Glyphenzauber, Wahrheitsfindung, ja selbst Wahrsagerei und Traumdeutung und so fort...

"Ich bin keine Expertin auf dem Gebiet der Edelsteine... aber ich kenne viele Verzauberungen von Ringen, Amuletten, Schmuckstücken und Talismanen... oder Fetischen, wenn Ihr so wollt. Es gibt zahlreiche schwarze oder dunkle Steine und viele Arten, sie mit einem Fluch, einer unheilvollen Aura oder einem Zauber, der Angst - selbst starke Angst - hervorruft, zu belegen. Könntet Ihr den Stein und seine... Ausstrahlung vielleicht etwas näher beschreiben?" Hakt sie nach. "Von welcher Art "Schwärze" war er genau? Matt und weich schimmernd wie ein Onyx? Oder kohlendunkel wie Jett? Oder innerlich glühend, wie ein Schwarzer Amethyst vielleicht? Und waren wirklich alle davon betroffen oder gab es irgendwelche Ausnahmen? Das würde mir helfen, zu wissen, um welche Art von Stein, welchen Fluch oder welche Art von Verzauberung es sich hier handeln könnte..."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Frey am 19. März 2008, 18:28 Uhr
Sie halten auf einen riesigen Baum zu, der schon vom Weiten zu erspaehen ist und sich beim Naeherkommen als eine Art... Baumhaus entpuppt, auch wenn das nicht das richtige Wort zu sein scheint. Der Stamm wirkt nicht gerade so, als wuerde er irgendwie nachtraeglich ausgehoehlt worden sein oder das ihm ihm Fenster und Tuer Holz hineingesaegt wurden. Vielmehr sieht er so aus, als waere er schon vor sehr langer Zeit so gewachsen, auch wenn Frey keinen Baum nennen koennte, der von Natur aus blaetterfoermige Fenster aufweist. Er ist sich sicher, dass da eine gehoerige Portion Magie im Spiel ist und das diese Lady Niniane nicht lediglich irgendeine Frau ist, die ueber das Larisgruen wacht. Vielleicht eine Druidin....?. Der Beweis wird ihm auch gleich im naechsten Augenblick geliefert, als die Tuer geoeffnet wird - ohne dass irgendwer von ihnen ueberhaupt angeklopft haette - und eine Frau hinaustritt, mit weinrotem Haar und durch und durch ungewoehnlichen Augen. Das muss sie sein... Bei Ealara... Ihre Augen... Sie sind ganz und gar golden..., geht es Frey durch den Kopf und besinnt sich schnell darauf, den Mund wieder zuzuklappen. Wenn die Elbin ueber ihren Besuch ueberrascht ist, so laesst sie sich nichts anmerken. Sie bittet sie gleich herein und fuehrt die Gruppe in ihr Kaminzimmer, in dem einige runde Sessel stehen, die sie ihnen anbietet. Frey sieht sich fasziniert von der Gemuetlichkeit des Bauminneren um, waehrend er den anderen hinterherschlendert. Doch bleibt er im Hintergrund stehen, anstatt sich zu setzen und verschraenkt die Arme vor der breiten Brust. In den Augenwinkeln bemerkt er den Rubinraben, der neugierig von seinem Platz auf einem Buecherregal aus herablugt und so aussieht, als habe er etwas ganz interessantes entdeckt. Folgt er der Blickrichtung der intelligenten, rubinroten Vogelaugen - was diesen Tieren ihren Namen ueberhaupt eingebracht hat -, so entdeckt er, dass er es wohl auf den blauen Hut des Alchemisten abgesehen hat. Frey unterdrueckt ein Schmunzeln, denn ihm kommt der Gedanke, dass so ein Vogel in der Groeßenordnung eines Rabens, einer Kraehe oder einer Eule genau zu dem Alchemisten passen wuerde, um dessen Kauzigkeit zu unterstreichen. Doch dann richtet er seinen Blick und die Aufmerksamkeit wieder auf Niniane, um sie ein weiteres Mal im warmen Licht zu mustern. Sie ist eine schoene Frau, doch noch nie hatte er solche Augen gesehen, in denen er erkennen kann, dass sie weitaus aelter ist, als man von ihrem bloßen Aeusseren einzuschaetzen vermag. Armarius scheint das jedoch entweder ueberhaupt nicht zu beeindrucken oder besonders ungewoehnlich zu finden, denn er kommt ohne weiteres und ohne Umschweife zum Punkt. Vielleicht laesst auch er sich diesmal einfach nichts anmerken.

Ruhig lauscht er den Ausfuehrungen des Maesters und als Niniane nocheinmal genauer nachhakt, als es um den Steinsplitter geht, schaltet er sich mit einem knappen Seitenblick in Armarius' Richtung ein. "Mit Verlaub... Soweit wir wissen, hat diese dunkle Aura dieses Splitters in naeherer Umgebung fast ausnahmslos jeden einen kalten Schauer ueber den Ruecken gejagt oder gar das Gefuehl gegeben, dass man sich besser schleunigst umdrehen und das Weite suchen sollte, bevor einen... irgendwas boeses.. dunkles... holt." Er kann sich gut an das Gefuehl erinnern, obwohl er nicht besonders nah bei der Leiche gestanden hatte, bei der man ihn schließlich gefunden hat. Es war anders als Ninianes Augen, die ihn nahezu anziehen wie das Licht die Motten. "Bis auf einen... Diesen Oger von der Steinfaust hat das ganze offensichtlich ziemlich kalt gelassen." Er kennt Achim nur vom sehen und weiss mittlerweile, dass er zur Stadtgarde gehoert, aber misstrauisch ist er alledem dennoch. Allein schon deswegen, dass ihn die Gegenwart des Splitters so ganz und gar nicht gejuckt hat. Leider kann er nicht genau beschreiben, wie der Stein ausgesehen hatte, denn schließlich war er nicht waehrend der Leichenschau dabei und kann nur aus der Beschreibung heraus sagen, dass er... schwarz war. Aber allein das Gefuehl, das die Naehe eines winzigen Splitters bei ihm ausgeloest hat, macht ihn glauben, dass er ihn mit Sicherheit ueberall in einer ganzen Ansammlung von schwarzen Steinen in der Finsternis wiedererkennen wuerde. "Er befindet sich in Verwahrung des Lord Commanders der Steinfaust... dieser sagte jedoch, wenn ihn sich jemand ansehen wolle, muesse er zu ihm kommen.", fuegt er schließlich hinzu. Ihm ist nicht bewusst, dass Armarius vorerst nicht vorgehabt hatte, Lady Niniane etwas von der Steinfaust oder Olyvar von Tarascon zu sagen, denn schließlich hatte dieser sie hoechstpersoenlich hierhergeschickt und so dumm ist die Protektorin sicherlich auch nicht, eins und eins zusammenzuzaehlen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Sayila Arachelza am 24. März 2008, 20:32 Uhr
Kaum dass sie die Eingangstür des riesenhaften Baumes erreicht haben wird diese auch schon geöffnet und Sayila kann nicht anders – sie muss die Frau, die nun darin erscheint, anstarren. Nicht nur ihre Kleidung und die golden schimmernde Haut wirkt exotisch, nein, am meisten verunsichern Sayila ihre Augen, zwei komplett golden glänzende Flächen, in denen weder eine Iris noch eine Pupille zu erkennen ist.
Wie soll man wissen, ob sie einen ansieht oder nicht?
Sie hat in ihrem Leben schon so einiges gesehen, aber so etwas unheimliches ist ihr noch nie untergekommen.
Als ihr bewusst wird, wie unhöflich ihr Verhalten sein muss, wendet sie rasch den Blick ab und lässt ihn durch den Raum wandern, den sie hinter der Türe vorfinden
Es ist eine Art runder Flur, von dem mehrere Türen abzweigen, doch sonderlich viel Zeit bleibt Sayila nicht, um sich umzusehen, denn die Hausherrin führt sie durch eine der Türen in ein gemütliches Kaminzimmer. Auch hier wirkt alles sehr exotisch und seltsam auf sie, doch sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen und lässt sich auf einem der runden, gemütlichen Sessel nieder.
Während Armarius Lady Niniane nun ihr Anligen vorbringt fällt Sayilas Blick auf einen großen Raben, der zu oberst auf einem der hohen Bücherregale sitzt und den blauen Spitzhut des alten Weißbartes mit augenscheinlichem Interesse mustert.
Ob er wohl so etwas wie das Haustier dieser Lady Niniane ist?, schießt es ihr durch den Kopf. Unauffällig lässt sie ihren Blick erneut über die goldäugige Frau gleiten. Ihre Art, sich zu bewegen, erinnert Sayila auf merkwürdige Art und Weise an ihren Vater, und sie schluckt schwer, um den Kloß im Hals loszuwerden. Rasch konzentriert sie sich wieder auf das, was im Raum gesprochen wird, und lauscht den Erklärungen und Nachfragen Ninianes.
Auf die Frage bezüglich des Steins hin blickt Sayila abwartend hinüber zu Armarius, denn er ist schließlich der Einzige von ihnen, der den Stein zu Gesicht bekommen hat, doch es ist Frey, der aus dem Hintergrund antwortet.
>"Mit Verlaub... Soweit wir wissen, hat diese dunkle Aura dieses Splitters in naeherer Umgebung fast ausnahmslos jeden einen kalten Schauer ueber den Ruecken gejagt oder gar das Gefuehl gegeben, dass man sich besser schleunigst umdrehen und das Weite suchen sollte, bevor einen... irgendwas boeses.. dunkles... holt."<
Sayila nickt zustimmend. Noch jetzt zieht sich eine Gänsehaut über ihren gesamten Körper, wenn sie an das unheimliche, beklemmende Gefühl zurückdenkt, dass sie in der Nähe der Leiche beschlichen hatte.
>"Bis auf einen... Diesen Oger von der Steinfaust hat das ganze offensichtlich ziemlich kalt gelassen."<
Sayilas Augen huschen kurz hinüber zu Niniane, um zu sehen, ob und wenn ja wie sie auf diese Information hin reagiert – immerhin ist es schon recht merkwürdig, dass der Steinsplitter auf den Oger keinerlei Wirkung hatte.
>"Er befindet sich in Verwahrung des Lord Commanders der Steinfaust... dieser sagte jedoch, wenn ihn sich jemand ansehen wolle, muesse er zu ihm kommen."<
Sayila räuspert sich leise, blickt kurz zwischen Armarius und Niniane hin und her, und sagt dann vorsichtig:
"Vielleicht wäre es tatsächlich das beste, wenn Ihr Euch den Steinsplitter selbst ansehen würdet, Lady Niniane. Das Gefühl, das er verursacht hat, ist schwer zu beschreiben, und auch wenn es nicht gerade angenehm ist, so kann man es wohl am besten verstehen, wenn man es selbst verspürt hat."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Armarius-Kar-Shei am 27. März 2008, 12:50 Uhr
Armarius ist etwas überrascht, ob des Engagements seiner Begleiter. Sowohl Frey als auch Sayila lassen keinerlei Zweifel, dass sie so schnell wie nur irgend möglich einen Hinweis erhoffen. Kaum hat Lady Niniane mit ihren Ausführungen geendet, kommt Frey dem Alchimisten zuvor und versucht die unheimliche Aura des Steinsplitter noch unmissverständlicher zu beschreiben.

> Mit Verlaub... Soweit wir wissen, hat diese dunkle Aura dieses Splitters in näherer Umgebung fast ausnahmslos jeden einen kalten Schauer über den Rücken gejagt oder gar das Gefühl gegeben, dass man sich besser schleunigst umdrehen und das Weite suchen sollte, bevor einen... irgendwas böses.. dunkles... holt. <

Nach kurzer Zeit erwähnt er noch etwas, dass dem Weißbart beinah entfallen wäre: > Bis auf einen ... Diesen Oger von der Steinfaust hat das ganze offensichtlich ziemlich kalt gelassen. <

Kar Shei' denkt kurz über die letzten Worte Freys nach. Hm ... stimmt, eigenartig ist das schon. Ausgerechnet den Oger scheint es überhaupt nicht betroffen zu haben. Selbst beim Abtransport machte er nicht den Eindruck auf mich, als müsse er irgendein Gefühl von Angst kontrollieren oder gar unterdrücken.

Der Weißbart blickt kurz in die Runde und sieht dabei den Raben, der offensichtlich recht interessiert in seine Richtung guckt. Doch sogleich gilt seine Aufmerksamkeit Faron, der obwohl er sitzt alle anderen Anwesenden weit überragt. Aber noch etwas ist auffällig an ihm, mal ganz davon abgesehen, dass er ein Faun ist. So manche Gerüchte hatte Armarius auf geschnappt, ihnen aber nicht viel Glauben geschenkt, bis jetzt.

> Ist schon komisch dieser Stallmeister. Mein Mann erzählt immer wieder, dass er eigentlich gar nichts tun muss außer zuzuhören und schon sollen selbst die schlimmsten Verbrecher ihm ihre Seele offenbaren <, erinnert er sich an ein recht lebhaftes Gespräch zweier Frauen auf dem Markt und offensichtlich hatten sie in gewisser Weise recht. Jedenfalls ist die Situation erstaunlich entspannt. Ein Zeuge kein Richter, kommt ihm in den Sinn. Er weiß nicht wo er diese Redensart her hat, aber sie trifft hier ohne Zweifel zu.

Doch bevor er noch weitere Überlegungen anstellen kann, schlägt Sayila bereits vor, dass Lady Niniane den Splitter besser einmal selbst in der Steinfaust begutachten solle. Gewiss, würde dies den Eindruck seiner Aura klarer als alle Worte dieser Welt beschreiben.

„Nunja, dies wäre sicherlich die beste Lösung“, ergänzt er, wobei er sich etwas unwohl fühlt. Zwar hatte Olyvar ihm ausdrücklich gesagt, wenn sie den Splitter sehen wolle, müsste sie in die Steinfaust kommen, doch zugleich wollte er eigentlich die Steinfaust außen vor halten, zumal die ständigen Besuche dort irgendwann auffallen würden.

So neigt er sich vorsichtig zu Faron hinüber, was doch aufgrund des Größenunterschiedes etwas skurril anmutet.

„Entschuldigt, könntet ihr Lady Niniane allein in die Steinfaust begleiten, wenn sie den Steinsplitter dort genauer betrachten möchte? Ihr seid immerhin der Stallmeister der Steinfaust, da fällt es nicht sonderlich auf, wenn ihr öfter in der Steinfaust vorbei schaut. Bei Frey, Sayila und meiner selbst bin ich mir nicht ganz so sicher. Natürlich gebe ich zu, dass es auch ein wenig daran liegt, dass der Lord Commander mir ausdrücklich befohlen hat möglichst nicht zu oft in der Steinfaust vorbei gucken.“

Armarius unterbricht sich unauffällig. Es ist zwar nicht seine Seele, die er dem Stallmeister offenbart hat, aber dennoch ... das Gefühl, diese Vertrautheit welche Faron ausstrahlte hätte ihn nicht abgeschreckt, im Gegenteil sie hätte ihn bestärkt darin dies zu tun. So wendet er sich nach einem kurzen, bestätigenden Nicken Farons wieder Lady Niniane zu, in Erwartung einer Antwort.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 28. März 2008, 10:48 Uhr
Es ist nur ein einziger Satz, einige wenige, schlichte Worte, die Niniane jedoch schlagartig mehr als misstrauisch werden und kalte Finger ihr Rückgrat hinabtanzen lassen - eisiger als der Morgenfrost. >Bevor einen... irgendwas Böses... Dunkles... holt...< Ihre goldenen Augen ruhen unverwandt auf dem Gesicht des Laiginers, während Frey MacMaels Stimme noch wie ein unheilvolles Echo in ihren Gedanken widerhallt und aus den Augenwinkeln gewahrt sie, wie es auch die junge Frau bei diesen Worten kalt überläuft, ehe sie nickt. In ihr keimt ein schrecklicher Verdacht auf, der sich zu ihrem Entsetzen auch noch erhärtet, als Frey fortfährt: >Diesen Oger von der Steinfaust hat das ganze offensichtlich ziemlich kalt gelassen...< und die Schmiedin hinzufügt, sie halte es für das Beste, sie würde sich diesen Steinsplitter selbst ansehen, denn das Gefühl, das er verursache, sei schwer zu beschreiben. Ins selbe Horn bläst auch Maester Kar Shei, doch Niniane hört die Worte des Alchemisten nur noch wie ein fernes Echo, ein Summen am Rand ihrer wild in alle möglichen Richtungen davonrasender Gedanken. Ein Mormoril... in Talyra?! Hier, vor meiner Nase und ich soll nichts davon bemerkt haben? Götter, lasst es nicht wahr sein... es kann nicht wahr sein. Bevor einen irgendwas Böses... Dunkles... holt, hat er gesagt. Das trifft es ziemlich gut nicht wahr? Es ist lange her, seit du das letzte Mal einen solchen Stein in den Händen hieltest, aber du hast das Gefühl nicht vergessen...

Irgendwo, weit fort von ihrem Baum, weit fort von Talyra, weit jenseits des Ildorel und der schneebedeckten Berge, jenseits der Herzlande, ja selbst jenseits des grauen Horizontes der bekannten Welt ertönt ein leises, rostiges Lachen - aber sie hört es dennoch oder vielleicht ist es auch nur in ihrem Kopf. Sei still und verschwinde! Erst als es ruhig wird in ihrem Kaminzimmer, kehrt sie ins Hier und Jetzt zurück und ihr wird klar, dass der Alchemist wieder das Wort ergriffen hatte und auch, was er vorschlug. Sacht, aber bestimmt, schüttelt Niniane den Kopf und ihre Augen, nun dunkel und warm wie Bernstein, suchen Maester Kar Sheis abwartenden Blick. "Nein. Habt Dank für Euer Angebot, aber nein. Ich weiß auch so, von was für einem Stein die Rede ist... ich wünschte, ich könnte Euch etwas anderes sagen, aber ich fürchte, es ist ein Schattenjuwel." Sie steht auf und tritt ans Fenster mit tausend Gedanken in ihrem Kopf, einem kalten Gefühl in ihrem Magen und furchtbarer Gewissheit in ihrem Herzen.

"Ein Mormoril, um Genau zu sein. Und das," sie holt tief Luft, "sind wirklich schlechte Neuigkeiten. Ich dachte erst, es sei ein gewöhnlicher dunkler Edelstein, in den man vielleicht einen Fluch oder einen bösen Zauber gebannt hatte... bis Freys Worte mich wachrüttelten. Nur ein Mormoril löst ein derartiges Gefühl aus. Die Legende erzählt, es wäre der Dunkle selbst gewesen, der die Steine einst erschuf. Es ist kein Zauber, keine Magie, kein Fluch und kein Bannspruch, sondern der Stein selbst, der... böse ist. Ich kann es nicht anders sagen. Mormorile sind mitternachtsschwarz, nicht matt und nicht glänzend, dennoch schimmern sie und sie ... atmen die Finsternis, als wären sie lebendig. Wenn man einen Mormoril berührt, ist es, als würden einen die Feuer der Höllen verbrennen." Und die Feuer der Neun sind kalt... "Mormorile sind selten. Sehr selten sogar, dennoch gibt es sie und sie werden benutzt. In den Händen eines Magiers, der sich den verbotenen Künsten verschrieben hat oder in den Händen eines... Schwarzpriesters sind diese Steine... gefährlich." Niniane dreht sich um und ihr Blick ruht lange auf der kleinen, bunt zusammen gewürfelten Schar in ihrem Kaminzimmer, die ihren Worten schweigend lauscht. Götter im Himmel, Olyvar! Sie ahnt, was den Lord Commander dazu veranlasst hat, diese Kinder ins Feld zu schicken oder sie es zumindest versuchen zu lassen, und obwohl sie diese Entscheidung durchaus nachvollziehen kann, schmeckt der Gedanke so bitter wie Wermut auf der Zunge. Und auch du führst die Lämmer zur Schlachtbank...

"Sehr gefährlich. Ich hoffe, euch allen ist klar, wie gefährlich. Mormorile sind die Steine der Finsteren, aber sie werden von vielen gebraucht, die ihre Seelen der Dunkelheit verkauft haben und ich... kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich irgendwo in der Nähe ein derart hochrangiger Diener des Dunklen herumtreibt, ohne dass ich oder auch Arúen, eine Hohepriesterin der Anukis, sowie alle anderen Priester der Stadt, irgendetwas gespürt hätten. Doch wenn das ein Trost ist, dann nur ein sehr schwacher, denn... nur ein mächtiger Magier und ein vollkommen skrupelloser, verdorbener Magier oder Hexenmeister, wäre in der Lage, mit einem solchen Stein umzugehen, seine finsteren Kräfte zu lenken und zu nutzen. Ihr sagtet, es sei ein Splitter... ihr habt alle gespürt, welch verheerende Kraft schon ein solch winziges Stück eines Mormorils in sich tragen kann."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Armarius-Kar-Shei am 30. März 2008, 13:52 Uhr
Der Weißbart schweigt einige Augenblicke, nachdem Niniane mit ihren Ausführungen geendet hat. Es dauert ein wenig bis er das Gesagte wirklich versteht und noch etwas länger, bis ihm darauf eine Antwort in den Sinn kommt. Nicht allein die Worte, sondern ihre Reaktion mit all den Details beunruhigt ihn. Ihre Ablehnung hatte ihn zwar überrascht, doch es ist viel mehr der leise Unterton ihrer Worte, aus dem er etwas wie Angst oder große Gefahr erahnen kann.

Die noch zu Beginn ihres Besuchs ruhig und entspannt wirkende Elbe ist wie ausgewechselt. Auch wenn er nicht besondere Fähigkeiten im Einschätzen andere Personen hat, so erkennt er zweifelsfrei, dass ihr Gang zum Fenster auch ein wenig die Flucht aus den Blicken der Anwesenden ist.

> Ein Mormoril... < an dieser Stelle verschlägt es dem Alchimisten den Atem. Er hat zwar noch nie einen solchen Schattenjuwel gesehen, aber sein Vater hatte ihn eingeschärft niemals mit deratigen Gesteinen umzugehen. Die wenigen Erzählungen bei denen Schattenjuwelen beschrieben wurden, waren immer von einer kaltherzigen Grausamkeit umgeben. Jetzt war ihm auch klar, warum dieser eigenartige Steinsplitter möglicher Weise bekannt vorkam. Er hatte sich eine ziemlich lange Zeit intensiv mit Gesteinen und Mineralien beschäftigt, nur an eben jene Schattenjuwelen würde er sich nie heran wagen.

> Sehr gefährlich. Ich hoffe, euch allen ist klar, wie gefährlich. < hallt es in seinen Gedanken nach. Die Worte der Elbin sind klar und eindringlich, wie er sie sonst nur von seiner Mutter kannte. Ohne jeden Zweifel befürchtet sie mehr, als die kleine Runde und auch er überhaupt zu diesem Zeitpunkt erahnen können. Er mag sich lieber nicht vorstellen, welche verheerende Wirkung ein intakter Mormoril erst haben mochte. Doch viel unheimlicher ist ihm der Gedanke an jene Verdorbenheit einer Person die doch wahrhaft glaubte sich die Finsternis Untertan machen zu können.

"Verzeiht werte Niniane. Wir wollen euch nicht beunruhigen, aber eure Worte deuten auf ein noch größeres Unheil hin. So habt ihr doch gewiss schon von den beiden schrecklichen Morden...", bei dem Gedanken daran ist ihm jetzt fast noch unwohler als zuvor, "...gehört? Das zweite Opfer hat sich offensichtlich versucht gegen ihren Peiniger zu erwehren und ihm dabei wohl den Steinsplitter entrissen. Aufgrund der speziellen Form nehmen wir an, dass er von einer Art Kette, Medallion oder Amulett stammt."

Armarius schluckt, bevor er ausspricht, was er befürchtet: "Ist es möglich, dass diese Morde etwas mit den unsagbar dunklen Mächten der Finsternis zu tun haben könnten?" Ihm gefällt dieser Gedanke ganz und gar nicht, denn er bedeutet nicht nur die Möglichkeit einer Gefahr, sondern viel mehr bereits den Beginn des Unheils. Jenen Unheils, welches diese Gruppe abzuwenden versucht.

Bei allen Göttern, oh Mutter Faeyris lass diese Stadt nicht einem solchen Unheil, lass diese Stadt nicht zum Opfer der Finsternis werden. Was jagen wir eigentlich, einen Mörder oder eher ein Monster.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 03. Apr. 2008, 00:15 Uhr
>Verzeiht werte Niniane. Wir wollen euch nicht beunruhigen, aber eure Worte deuten auf ein noch größeres Unheil hin. So habt ihr doch gewiss schon von den beiden schrecklichen Morden...gehört?<
Niniane nickt kaum merklich. "Ja, aber ich bin nicht mit den Einzelheiten vertraut, zumindest, was den zweiten Mord angeht."  Über den ersten hatte sie von zwei aufgebrachten Spottdrosseln und den zornigen Bäumen schon mehr als genug erfahren... keine Informationen, mit denen irgend jemand anderes etwas anfangen könnte und gewiss keine Details, die aus menschlicher oder elbischer Sicht relevant wären... eher ohnmächtige Gefühle und Sinneseindrücke. >Das zweite Opfer hat sich offensichtlich versucht gegen ihren Peiniger zu erwehren und ihm dabei wohl den Steinsplitter entrissen. Aufgrund der speziellen Form nehmen wir an, dass er von einer Art Kette, Medallion oder Amulett stammt,< erläutert Maester Kar Shei weiter und sie nickt abermals. "Mormorile werden oft als Schmuckstück dicht am Körper getragen... als Amulett, als  Ring, als Brosche oder auch als Stickerei auf Roben und Gewändern..." bemerkt sie und der Alchemist schluckt hörbar, ehe er eine Frage stellt, die ihm offensichtlich großes Unbehagen bereitet:  >Ist es möglich, dass diese Morde etwas mit den unsagbar dunklen Mächten der Finsternis zu tun haben könnten?<
"Mit den unsagbar..." Niniane muss sich auf die Zunge beißen, um nicht sarkastisch zu erwidern, dass die Morde wohl kaum etwas mit den edlen Kräften des Lichts und der Freiheit zu tun haben werden. Reiß dich zusammen, er kann überhaupt nichts dafür, dass es deinen verdammten Stolz kränkt, nichts von einem Mormorilträger  in deiner unmittelbaren Nähe gespürt zu haben!
"Ich weiß es nicht," erwidert sie bedächtig. "Die Morde an sich sind schon finster genug, wenn Ihr mich fragt... aber wenn Ihr auf einen Zusammenhang zwischen dunklen Mächten und den Morden anspielt, so kann ich Euch nur sagen, ich weiß es nicht." Noch nicht. "Dazu bin ich auch nicht vertraut genug, mit den... unschönen Details. Ich will das Unglück nicht heraufbeschwören, aber ich glaube nicht, dass es schon vorbei ist. Er... Sie... oder Es, was oder wer auch immer es sein mag, wird weiter morden, denke ich. Zwei Morde innerhalb von zwei Tagen - das ist kein Zufall." Sonst wärt ihr alle nicht hier. "Ich kann euch nur raten, jede Spur zu verfolgen und gut auf euch alle Acht zu geben. Habt Ihr noch weitere Fragen?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Sayila Arachelza am 04. Apr. 2008, 22:02 Uhr
Einen kurzen Moment ist Sayila verwirrt, als Niniane sachte aber bestimmt den Kopf schüttelt. Eigentlich ist sie davon ausgegangen, dass die Protektorin des Larisgrüns sich auf den Weg in die Steinfaust machen wird, um sich den unheilvollen Steinsplitter genauer anzusehen.
>"Nein. Habt Dank für Euer Angebot, aber nein. Ich weiß auch so, von was für einem Stein die Rede ist... ich wünschte, ich könnte Euch etwas anderes sagen, aber ich fürchte, es ist ein Schattenjuwel."<

Es sind nicht die Worte der goldäugigen Frau, die Sayila schwer schlucken lassen, sondern der Tonfall, in dem sie gesprochen werden. Niniane wirkt auf sie wie eine Frau, die in ihrem Leben schon sehr, sehr viel erlebt und gesehen hat und sich wahrscheinlich auch nicht sehr leicht aus der Ruhe bringen lässt, doch der leicht abwesende, besorgte Gesichtsausdruck ist nicht zu verleugnen.
>"Ein Mormoril, um Genau zu sein. Und das sind wirklich schlechte Neuigkeiten. Ich dachte erst, es sei ein gewöhnlicher dunkler Edelstein, in den man vielleicht einen Fluch oder einen bösen Zauber gebannt hatte... bis Freys Worte mich wachrüttelten."< Sayila runzelt leicht die Stirn. Gewöhnlicher dunkler Edelstein? Fluch? Böser Zauber? In ihren Ohren klingen schon diese Worte äußerst unangenehm, aber wenn Lady Niniane schon diese Dinge als harmlos im Vergleich zu diesem Mormoril abtut – dann muss es sich dabei um etwas wirklich, wirklich beunruhigendes handeln. Ihre Einschätzung bestätigt sich, als Niniande fortfährt zu sprechen.
>"Nur ein Mormoril löst ein derartiges Gefühl aus. Die Legende erzählt, es wäre der Dunkle selbst gewesen, der die Steine einst erschuf. Es ist kein Zauber, keine Magie, kein Fluch und kein Bannspruch, sondern der Stein selbst, der... böse ist. Ich kann es nicht anders sagen. Mormorile sind mitternachtsschwarz, nicht matt und nicht glänzend, dennoch schimmern sie und sie ... atmen die Finsternis, als wären sie lebendig. Wenn man einen Mormoril berührt, ist es, als würden einen die Feuer der Höllen verbrennen. Mormorile sind selten. Sehr selten sogar, dennoch gibt es sie und sie werden benutzt. In den Händen eines Magiers, der sich den verbotenen Künsten verschrieben hat oder in den Händen eines... Schwarzpriesters sind diese Steine... gefährlich. Sehr gefährlich. Ich hoffe, euch allen ist klar, wie gefährlich. Mormorile sind die Steine der Finsteren, aber sie werden von vielen gebraucht, die ihre Seelen der Dunkelheit verkauft haben und ich... kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich irgendwo in der Nähe ein derart hochrangiger Diener des Dunklen herumtreibt, ohne dass ich oder auch Arúen, eine Hohepriesterin der Anukis, sowie alle anderen Priester der Stadt, irgendetwas gespürt hätten. Doch wenn das ein Trost ist, dann nur ein sehr schwacher, denn... nur ein mächtiger Magier und ein vollkommen skrupelloser, verdorbener Magier oder Hexenmeister, wäre in der Lage, mit einem solchen Stein umzugehen, seine finsteren Kräfte zu lenken und zu nutzen. Ihr sagtet, es sei ein Splitter... ihr habt alle gespürt, welch verheerende Kraft schon ein solch winziges Stück eines Mormorils in sich tragen kann."<

Unbewusst klammert sich Sayilas Hand um den Griff ihres Schwertes. Eine unsinnige, völlig alberne Reflexhandlung, denn die Schmiedin macht sich keine Illusionen; wenn irgendwo in Talyra ein – Individuum herumläuft, dem dieser unheimliche Mormoril gehört hat, dann wird ihr auch das beste Schwert der Welt wohl nichts nützen. Sayila versteht nichts von Magie und Göttern und Priestern, im Allgemeinen macht sie lieber einen großen Bogen um alles, was irgendwie damit zu tun hat, aber die Worte der Protektorin machen selbst ihr klar, dass sie hier wohl in eine Sache hineingeraten ist, von deren Ausmaßen sie keine Ahnung hatte.

Sie zuckt ein wenig zusammen, als in die Stille, die Ninianes Worten folgt, Armarius Stimme hineinplatzt. Auch er scheint mehr als nur beunruhigt zu sein, und er zögert sichtlich, bevor er das ausspricht, was wohl gerade alle im Raum denken:
>"Ist es möglich, dass diese Morde etwas mit den unsagbar dunklen Mächten der Finsternis zu tun haben könnten?"<
>"Ich weiß es nicht"< Die Antwort Ninianes wirkt beinahe ein wenig beruhigend auf Sayila. Immerhin lässt sie die Möglichkeit, die kleine Hoffung offen, dass es doch nicht alles so bedrohlich ist, wie es im ersten Moment scheint. >"Die Morde an sich sind schon finster genug, wenn Ihr mich fragt... aber wenn Ihr auf einen Zusammenhang zwischen dunklen Mächten und den Morden anspielt, so kann ich Euch nur sagen, ich weiß es nicht. Dazu bin ich auch nicht vertraut genug, mit den... unschönen Details. Ich will das Unglück nicht heraufbeschwören, aber ich glaube nicht, dass es schon vorbei ist."< Ich auch nicht... >"Er... Sie... oder Es, was oder wer auch immer es sein mag, wird weiter morden, denke ich. Zwei Morde innerhalb von zwei Tagen - das ist kein Zufall. Ich kann euch nur raten, jede Spur zu verfolgen und gut auf euch alle Acht zu geben. Habt Ihr noch weitere Fragen?"<
Stille folgt auf diese Worte.
Sayila sieht sich im Raum um. Freys Mine hat sich nicht allzu sehr verändert, doch auch er kann die Beunruhigung nicht verbergen, die sie alle in den vergangenen Minuten befallen hat, und auch Farons Blick ist ernst. Abwartend sieht Sayila hinüber zu Armarius, der noch immer ein wenig aus der Fassung scheint angesichts dieser neuen und wirklich mehr als beunruhigenden Erkenntnisse.
„Ich denke, das sind erst mal genug Informationen, die wir verarbeiten können“, ergreift sie schließlich das Wort und blickt hinüber zu Niniane, die sie alle abwechselnd ansieht, „habt vielen Dank für Eure Hilfe, ich denke... ich denke, das hat einiges... geklärt... und verändert...“ Erst nun registriert sie, dass sich ihre Hand um den Griff ihres Schwertes gekrallt hat, und so löst sie ihre angespannten Muskeln. Bis vor ein paar Minuten haben wir einfach ’nur’ nach einem Wahnsinnigen gesucht, der bestialische Morde begeht. Jetzt suchen wir nach einem Wahnsinnigen, der bestialische Morde begeht und noch dazu wahrscheinlich irgendetwas mit dunklen Mächten zu tun hat – schöne Aussichten! Sie wendet sich nun gezielt an den Alchemisten: „Wir sollten wohl so rasch wie möglich die Anderen über diese neuen Erkenntnisse informieren – das ist nichts, womit man leichtfertig umgehen sollte. Es sei denn, Ihr habt noch eine Frage...?“ Abwartend blickt sie zwischen Armarius und Niniane hin und her.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Armarius-Kar-Shei am 06. Apr. 2008, 18:26 Uhr
Sayila bedankt sich stellvertretend für die übrigen der Gruppe bei der Elbin. Armarius und Frey können ihre Beunruhigung nicht verbergen und machen sich so ihre ganz eigenen Gedanken. Selbst Faron, der in dieser Hinsicht sicherlich schon einiges durch seine Arbeit in der Steinfaust gehört und gesehen hat, kommt nicht umhin ein wenig die Stirn in Falten zu legen, jedenfalls interpretiert Armarius den Gesichtsausdruck des Fauns so.

> Wir sollten wohl so rasch wie möglich die Anderen über diese neuen Erkenntnisse informieren - das ist nichts, womit man leichtfertig umgehen sollte. Es sei denn, Ihr habt noch eine Frage...? < fügt die junge Schmiedin hinzu und blickt abwechselnd zu Lady Niniane und dem Weißbart.

"Nun ja, ich gebe euch Recht Sayila", antwortet er auf die für ihn eher rethorisch klingende Frage. Gewiss, Fragen hatte er jede Menge und es wäre auch schön sie zu stellen, jedoch ist es mehr als unwahrscheinlich, dass Lady Niniane darauf eine Antwort wissen würde und außerdem haben sie nicht die Zeit dies heraus zu finden.

Sein Blick wendet sich wieder Lady Niniane zu, als er sich von seiner Sitzgelegenheit erhebt: "Verzeiht, dass wir euch Sorgen bereitet haben. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun um diesen Mörder, was immer er auch sein mag, zu stellen."

Einen kurzen Augenblick unterbricht er bevor er noch leise und mit hörbarer Sorge hinzufügt: "Bitte passt auf euch auf. Denn diese dunkle Macht hat es bisher offensichtlich auf Frauen abgesehen." Seine Gedanken kreisen dabei um den Anfang ihres Besuches, als Lady Niniane ihnen so bereitwillig die Tür geöffnet hatte. Vielleicht hätte sie den Mörder ja erkannt, aber bei dieser Macht ... vielleicht auch nicht.

Mit einer höflichen Geste bedankt er sich bei der Elbin und bedeutet seinen Begleitern, dass sie sich ob der untergehenden Sonne beeilen müssten noch vor der Schließung der Stadttore nach Talyra zu gelangen. So verlässt die Gruppe als bald die ungewöhnliche Behausung und gelangt kurz vor Anbruch der Dunkelheit in Talyra an. Armarius bleibt die ganze Zeit über still und spricht kein einziges Wort. Immer wieder geht er alle Hinweise durch, die sie bisher erhalten haben. Immer wieder versucht er noch etwas zu entdecken, dass sie übersehen hatten. Doch es nutzte nichts, so sehr er sich auch bemühte, sie wissen einfach zu wenig.

Talyra / Goldene Harfe --->

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Atevora am 11. Juni 2008, 20:51 Uhr
Mit dem tief ins Gesicht gezogenem Cape ist das vorankommen sofort viel angenehmer. Denn es schützt das Gesicht nicht nur von der Sonne, sondern es grenzt praktischerweise auch ihren Blick wie die Scheuklappen eines Pferdes ein, sodass sie weniger Leute wahrnimmt zu denen sie freundlich oder hilfsbereit sein muss.
Brav und mit missmutig hängenden schultern folgt sie artig so schnell sie kann dem tänzelnden Faun. Trotzdessen er des Tanzens wegen wohl langsamer vorankommt als sonst muss er dennoch ab und zu immer wieder auf der Stelle halbe Pirouetten drehend auf die zwei Frauen warten.
Atevora ist derart damit beschäftigt mit den anderen Schritt zu halten und ihr Cape festzuhalten damit es nicht ständig herunter rutscht, dass sie das eindrucksvolle Heim von Niniane erst wahrnimmt als sie mit der Nase schon beinahe direkt davor steht.

Beeindruckt und fasziniert klettert Atevoras Blick langsam von den eindrucksvollen Wurzeln den mächtigen Stamm entlang bis zur Baumkrone hinauf, sodass ihr bei all dem Staunen die Kapuze vom Kopf rutscht.
So etwas hatte sie ihr Leben lang noch nie gesehen.
Sie könnte hier noch lange stehen und jedes kleine Detail dieses seltsamen Gewächses von Baum verinnerlichen und sie bekommt eine Gänsehaut wenn sie nur daran denkt welch mächtige Magie wohl aufgewendet werden musste um dieses „Kunstwerk“ überhaupt zu erschaffen.
Ich denke mit Niniane möchte man es sich nicht verscherzen.. Atevoras Gedanken überschlagen sich. Was wenn?!... VIELLEICHT sollte ich meinen Fluch lieber noch eine Weile behalten...
Atevora will sich bereits umdrehen und es vielleicht doch lieber bei dieser anderen Priesterin versuchen, da lacht ihr boshaft blendend grell das Sonnenlicht entgegen. Unerfreut wirft die Magierin kurz einen Blick zurück auf den Weg von dem sie gekommen sind. Verdammt. Nach noch mehr Grillzeit seht ihr wirklich nicht der Sinn, nunja, wenn ich schon einmal hier bin.. Augen zu und durch. so fasst sie sich ein Herz und betritt der Schmiedin folgend die moosbewachsene Treppe.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 15. Juni 2008, 11:05 Uhr
Es ist ein sonnendurchfluteter, warmer Grünglanztag und im Baum am Smaragdstrand herrscht nachmittägliche Stille. In der Nacht hatte es heftig gewittert und die Luft war noch am Morgen wie rein gewaschen  gewesen, doch die Hitze des herzländischen Frühsommers hatte sich längst wieder wie eine Glocke über die Stadt und das Umland gelegt. Alle blattförmigen Fenster des uralten Baumriesen stehen sperrangelweit offen, um auch die kleinste Brise vom See her einzufangen, und ein wenig Kühle zu bringen, die Kinder schlafen und Cron ist mit den Pferden am Strand entlang nach Norden hinauf unterwegs, um die Tiere zu bewegen und ein paar Forellen für das Abendessen zu fangen. Niniane hätte ihn liebend gern begleitet, doch die Kinder schlafen allen Göttern sei Dank müde vom vormittäglichen Schwimmen, und abgesehen davon hält ihre tierische Patientin sie in Atem und in ihrem Baum fest - ihre alte Freundin die Schattenkatze war nämlich im Sturmwindmond mit einer tiefen Wunde in der linken Vorderpfote bei ihr aufgetaucht, die sich zu allem Übel entzündet hatte, plärrend wie ein ganzer Sack Kätzchen beim Ersäufen. Schon die Wunde zu öffnen und Unmengen gelben Eiters herauszuquetschen hatte ihre ganze Geduld und Crons ganze Kraft erfordert - er war nämlich der Unglückliche gewesen, der mit seinem Gewicht und der Stärke seiner Arme hundert Stein sich windender, fauchender, kratzender, spuckender, geifernder, tobender Raubkatze hatte festhalten müssen... entsprechend zerrupft und geschunden hatte er nach der ganzen Prozedur ausgesehen. Seither waren die Katze und er sich spinnefeind und begegneten sich ausschließlich mit fauchendem Spucken und nordischen Knurrlauten, aber immerhin die Wunde heilte gut und die Kinder fanden die Gesellschaft von "Miau", wie die immerhin panthergroße graue Dame getauft worden war, ganz und gar wundervoll. Die einzigen außer Cron, die ihrer Anwesenheit im und am Baum wenig bis gar nichts abgewinnen können, sind Shugorn und die Pferde, doch "Miau" besitzt immerhin soviel Anstand, die Vierbeiner und das Rubinrabenflattervieh huldvoll zu ignorieren - Cron hingegen bezieht sie in diese vornehme Verachtung jedoch nicht mit ein. Niniane hat an diesem Morgen den Verband von der Pfote der Schattenkatze entfernt, die bereits geschlossene Wunde noch einmal mit Terpentinöl gewaschen, einen dicken Brei aus Beinwell und Ringelblumen aufgetragen, und beschlossen, dass "Miau" sie bald wieder verlassen kann. Im Augenblick streicht ihr allerdings das nicht gerade kleine Tier maunzend wie ein Kätzchen um die Beine und hat einen Bettelblick aufgesetzt wie ein halbverhungerter  Hundewelpe. "Oh, du kannst unmöglich schon wieder Hunger haben! Cron hat dir erst gestern einen halben Rehbock überlassen, geh' nach draußen und friss' auf!"

Bernsteingelbe Augen bohren sich enervierend in ihre und ein pelziger Schädel rammt ihren Oberschenkel mit der Wucht eines angreifenden Ziegenbocks, nur um sich dann genüsslich an ihrem Bein zu reiben. "Hör auf, meine Knie zu zertrümmern, Katze, sonst kannst du heute noch ausziehen." Dröhnendes Schnurren ist die einzige Antwort, die sie bekommt, doch plötzlich wendet die Schattenkatze fauchend den Kopf und die grauen Ohren zucken nervös, einen Herzschlag, bevor der Wind wispernd durch das Laub der gewaltigen Baumkrone fährt und durch die weit geöffneten Fenster das Raunen und Seufzen des Waldes ringsum herein dringt. Jemand kommt...
"In Ordnung Pelzkopf. Raus mit dir. Wer immer unser Besuch ist, er ist nicht für dich zum Spielen, es reicht, wenn du Cron jedes Mal zu Tode erschreckst... komm..." Sie bugsiert die Schattenkatze entschlossen ins Esszimmer hinüber, schließt die Tür zum runden Vorraum und eilt dann an die Eingangstür, gerade, als von draußen merkwürdig rhythmisches Hufgeklapper an ihre Ohren dringt. Bevor sie sich jedoch den Kopf darüber zerbrechen kann, wer bei allen Göttern nur mit seinem Pferd vor ihrem Baum herumsteppen könnte, hat sie geöffnet und ihr bietet sich ein Bild, das sie spontan beschließen lässt, ihren Besuch lieber nicht hereinzubitten. Vor ihrer Tür stehen nämlich eine ihr fremde Frau mit weißer Haut und - soweit sie das sehen kann - weißen Haaren, Sayila die Schmiedin und Faron der Faun, der gerade im gleitenden Walzerschritt um ihre Baumwurzeln herumkreiselt. Und ein weit über zwei Schritt großer und entsprechend massiv gebauter Faun, der nicht eine Sekunde still stehen will, sondern sich in wildem Stakkato die Hufe um die Ohren schmeißt, ist am Ende für die Unversehrtheit ihrer Inneneinrichtung nicht wirklich das Wahre. Ganz abgesehen davon, dass die Schattenkatze in ihrem Esszimmer für seine Unversehrtheit auch nicht das Gelbe vom Ei sein dürfte. Farons gequälter Gesichtsausdruck macht allerdings hinreichend deutlich, dass er sich keineswegs freiwillig so seltsam benimmt und auch in den Gesichtern der beiden Frauen steht glasklares Unbehagen geschrieben. "Was ist passiert?" Ist dementsprechend das erste, das Niniane fragt, ohne sich lang mit irgendwelchen Nebensächlichkeiten aufzuhalten. "Wie kann ich euch helfen?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Sayila Arachelza am 15. Juni 2008, 16:19 Uhr
Nachdem Armarius sich ohne ein Wort zu verlieren wieder abgewandt hat - was Sayila nicht nur verwirrt hat sondern sie auch leicht säuerlich gestimmt hat - macht sie sich gemeinsam mit Shin und Faron auf den Weg zu Lady Niniane, um vielleicht irgendeine Möglichkeit zu finden, diesen vermaledeiten Fluch loszuwerden.
Shin hat sich trotz des warmen Wetters unter der Kapuze ihres Umhangs verkrochen, und ihrer geröteten Haut nach zu Urteilen hat das auch einen guten Grund. Sayila hat schon viele Leute mit empfindlicher Haut getroffen, doch das hier übersteigt alles, was sie bisher gesehen hat.

Auf dem Weg durch die Stadt ziehen sie erneut hunderte neugieriger Blicke auf sich - nicht nur aufgrund Farons tänzelnden Bewegungen, sondern auch, weil Sayila es von Zeit zu Zeit schlichtweg nicht unterdrücken kann, dem ein oder anderen Mann den Kragen zurecht zu Rücken oder ihm den Staub von den Schultern zu fegen.
Als sie endlich die Stadt verlassen, ist sie beinahe einem Nervenzusammenbruch nahe, und äußerst erleichtert, dass es sich bei Niniane um eine Frau handelt.

Shin scheint beim Anblick des großen Baumes mindestens so beeindruckt zu sein wie sie selbst beim letzten Mal, und obwohl sie das Heim Ninianes bereits kennt, so ist Sayila auch diesmal wieder fasziniert.
Problematisch wird es, als sie sich daran machen, die Treppe zum Eingang hinaufzusteigen - Faron wirft ihnen nur einen leidgetränkten Blick zu und beschränkt sich darauf, um die Wurzeln des riesigen Baumes herumzutänzeln.

Bevor sie dazu kommen, an der Tür zu klopfen, wird diese geöffnet und Lady Niniane blickt ihnen entgegen.
Diese Augen..., schießt es Sayila wieder durch den Kopf. Ninianes Blick huscht kurz von Shin zu ihr und bleibt dann einen kurzen Moment an dem tanzenden Faron hängen.
>"Was ist passiert? Wie kann ich euch helfen?"<

Sayila lächelt etwas gequält.
"Bitte entschuldigt die Störung, Lady Niniane", beginnt sie zu erklären, "aber wir haben ein - ähm - kleines Problem." Dass dieser Hinweis mehr als überflüssig ist, ist ihr durchaus klar - alleine der Gesichtsausdruck der drei Verfluchten spricht Bände. "Uns - also, unserer gesamten Gruppe - wurde heute ein Buch zukommen lassen, das uns alle mit merkwürdigen Flüchen belegt hat. Nechta Graulicht, die Oberste der Schweigenden Schwestern, hat angedeutet, es würde sich womöglich um das "Lies mich" handeln, was immer das sein mag. Und sie riet uns, zu Euch oder Lady Arúen zu gehen, da Ihr vielleicht in der Lage wärt, die Flüche zu brechen."
Sie sieht Niniane mit einem beinahe flehenden Blick an. Ihre ganze Hoffnung liegt nun bei der goldäugigen Frau - alleine die Vorstellung, bis ans Ende ihres Lebens gezwungen zu sein, jedes männliche Wesen zu umsorgen, dreht ihr den Magen um.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 16. Juni 2008, 22:57 Uhr
Es ist die Schmiedin, die sich zuerst ein Herz fasst und das Wort ergreift, doch was sie sagt, lässt Niniane trotz der prekären Lage ihrer Besucher in sich hineinschmunzeln. >Bitte entschuldigt die Störung, Lady Niniane, aber wir haben ein - ähm - kleines Problem.< Sie nickt nur und führt die kleine Gruppe an die Feuerstelle recht von ihrem Eingang zwischen den mannshohen, moosbewachsenen Wurzelsträngen, die sich weit über die Lichtung zwischen Farn und Smaragdgras erstrecken. Es ist kein Feuer geschürt, aber weiche Kissen und Decken liegen bereit und das grüne, raschelnde Laub über ihren Köpfen bildet einen schattigen Baldachin. Ja, klitzeklein, ich sehe schon. Deswegen kommt ihr damit ja auch zu mir...
"Bitte setzt euch... hier ist auch genug Platz für eure Beine, Faron, und dann erklärt mir euer... kleines Problem."
>Uns - also, unserer gesamten Gruppe - wurde heute ein Buch zukommen lassen, das uns alle mit merkwürdigen Flüchen belegt hat,< fährt Sayila Arachelza fort. >Nechta Graulicht, die Oberste der Schweigenden Schwestern, hat angedeutet, es würde sich womöglich um das "Lies mich" handeln, was immer das sein mag. Und sie riet uns, zu Euch oder Lady Arúen zu gehen, da Ihr vielleicht in der Lage wärt, die Flüche zu brechen.<
Niniane lauscht der Schmiedin, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen oder eine Frage zu stellen und das muss sie auch nicht - sie hat genug gehört, um zu wissen, was zu tun ist, auch wenn es ihr nicht behagt.
"Das Lies mich ist ein uraltes Buch," erwidert sie schließlich nach einer Weile des Schweigens und reicht dabei der Weißhäutigen mit einem knappen, aber durchaus freundlichen Lächeln einen kleinen Tiegel mit duftender, lindgrüner Salbe. "Aloe und Mandelmilch. Für Eure Haut. Wie gesagt... es ist ein altes Buch. Die Legende erzählt, drei Kobolde, drei Brüder, hätten es erschaffen. Sie waren nicht wirklich böse, eher verschroben und ihr Humor war wohl etwas... schräg," Niniane unterdrückt ein Katzengrinsen. "Nun ja, Kobolde eben. Das Lies mich ist allerdings auch nicht unbedingt ein Artefakt, das ich als böse bezeichnen würde... auch wenn es zweifellos in der Lage zu sein scheint, einiges Unheil anzurichten. Wie auch immer, die Kobolde schufen das Buch, bannten bestimmte Zauber hinein und verfluchten es dann - sie alle drei waren Erzmagier der Energie, des Feuers und der Erde. Ihre Namen waren Emerongit'nod, Noitnettayap und Llewnetsil. Kobolde, müsst ihr wissen, experimentieren gern und ich denke, auch das Lies mich war und ist vielleicht eine Art ... Test. Es scheidet zweifellos die Wagemutigen von den Vorsichtigen..." an dieser Stelle ihrer Ausführungen schnaubt Faron aus irgendeinem Grund ziemlich vernehmlich, doch Niniane wirft dem Faun nur einen kurzen, fragenden Blick zu, und nachdem dieser grummelnd die Arme vor der breiten Brust verschränkt, fährt sie fort.

"Und sehr wahrscheinlich war es auch eine Warnung für die allzu neugierigen Magierschüler von Sorbonn, denn dort wurde es einst erschaffen, ihre Nasen nicht immer in Angelegenheiten zu stecken, die für junge Geister noch nichts sind. Wie auch immer, das Lies mich enthält zwar wenn auch teilweise unangenehme, so doch nicht wirklich bösartige Flüche... schließlich fällt niemand tot um oder wird zu einem Dämon, erkrankt an der schwarzen Pest oder ähnliches, wenn er darin liest. Die meisten der Flüche sind derart, dass sie... einerlei. Die Erfahrung habt ihr ja selbst gemacht, wie ich sehen kann. Ich kann auch spüren, welcher Art eure Flüche sind, allen Göttern sei Dank, sonst könnte ich sie nicht brechen... was allerdings nicht einfach wird, immerhin wurden sie von drei Erzmagiern geschaffen. Eines solltet ihr jedoch noch wissen... ihr habt das Buch nicht gelesen, sonst wärt ihr nicht hier oder? Ah... das dachte ich mir. Das bedeutet, die anderen eurer Gruppe haben hineingesehen, nicht wahr? Wie gesagt, das Lies mich scheidet die Wagemutigen von den... anderen. Soweit ich weiß, enden die Flüche der übrigen nach zwölf Stunden, sie brauchen meine Hilfe also nicht, ihr dagegen schon... das ist gut, denn euch alle auf einmal zu entfluchen, würde auch mich an die Grenzen meiner Kraft bringen... aber mit euch dreien sollte es gehen. Es wird jedoch nicht sehr angenehm, das kann ich euch versichern. Wenn ihr also bereit seid?" Wildes Nicken ringsum ist die Antwort, also erhebt sich Niniane und bedeutet ihren Gästen sitzen zu bleiben. "Nicht bewegen. Fass euch nur an den Händen und bildet ein geschlossenes Dreieck mit euren Armen um mich herum... so ist es gut. Schließt die Augen und was immer ihr hört, was immer geschieht, ihr lasst euch nicht los." Niniane schließt die Augen, verharrt einen Moment vollkommen reglos und atmet langsam und tief ein und aus. Aus ihrem Atmen wird ein Zischen und aus dem Zischen wiederum ein leiser Summton, der gar nicht von ihren Lippen zu kommen scheint, sondern direkt aus der Erde unter ihren Füßen aufsteigt, kaum hörbar, aber eindringlich, als vibriere er durch das weiche Gras, durch Haut, Fleisch und Knochen. Goldener Dunst sammelt sich um sie, um die drei, welche um sie herum sitzen und sich fest an den Händen halten, steigt auf wie Nebel, wird dichter und strahlender, bis eine Wolke glitzernder goldener Schleier sie alle einhüllt und auf ihrer Haut prickelt, kühl und angenehm. Aus Ninianes bronzenem Summen wird ein leises Murmeln hochelbischer Worte, ohne dass die seltsamen Töne verstummen würden, als winde sich die tiefe Melodie um die Silben - oder ist es umgekehrt? - dann holt sie noch einmal tief Luft und öffnet schlagartig die Augen. Sie sind rein golden jetzt, ohne erkennbare Iris oder Pupille, strahlend hell wie die Sonne selbst, deren flammendes Symbol nun auch auf ihrer Stirn brennt, Lachen geschmolzenen Goldes im grünen Zwielicht unter der Baumkrone.

Sie hebt die Hände und die wirbelnden Lichtschleier folgen ihr, folgen jeder tanzenden Geste, die sie über den Köpfen Farons, der Weißhäutigen und der Schmiedin vollführt - sie hätte ihnen gerne die Hände aufgelegt, um es ihnen leichter zu machen, doch sie hat nur zwei, und auch wenn Magie zu wirken manches Mal leicht aussehen mag, es ist harte Arbeit. Unter ihren hin und her gleitenden Handflächen und zwischen den gespreizten Fingern sammeln sich schwarze Rauchfäden, die in langen, substanzlosen Fingern von der Haut der Verfluchten aufsteigen, als atmeten ihre Poren schwarzen Nebel, der in ihrem Golddunst zu schimmerndem Nichts verblasst, während sie unablässig hochelbische Beschwörungen flüstert. "Shenrah Darlyr, Shujoro somir te Auris," intoniert sie leise und das dumpfe Summen wird tiefer, klangvoller, ohne wirklich lauter zu werden. Shenrah, Tagesstern, Herrscher über das Licht. "Te Sunjâdis îhios-te brakioit." Der Fluch sei gebrochen. Ihre ohnehin tiefe Stimme wird noch leiser, bis sie kaum mehr als ein tonloses Wispern ist, unter, über, in den widerhallenden Klängen ihrer seltsamen Melodie. "Ich glaube an die Macht der Zwölf und  ihrer Archonen. Ich glaube an jene, die waren und sind und immer sein werden, an die allmächtigen Schöpfer Rohas, des Himmels und der Meere. Ich glaube an die heiligen Gebote der Götter und ihre unverbrüchlichen Gesetze. Ich glaube an die heiligen Tempel, die heiligen Worte der Macht und die Kräfte des Lichts." Tentakel aus gestaltlosem Dunkel winden sich von den Schultern, aus den Haaren, von der Haut der Verfluchten, steigen auf wie hypnotisierte Schlangen und sterben im goldenen Licht zwischen Ninianes unablässig tanzenden Fingern. "Ich widersage den Mächten der Finsternis und ihren Dienern mit all ihrer Bosheit. Ich widersage dem, dessen Name nicht mehr genannt wird auf Erden, der verbannt wurde aus dem Kreis der Götter, der begraben und vergessen ist für alle Zeit. Für alle Zeit. Für alle Zeit." Ein dumpfes Stöhnen und leises Keuchen verrät, dass die Prozedur für die Verfluchten nicht völlig schmerzlos verläuft, aber sie halten tapfer die Augen geschlossen und harren aus, wie Niniane sie gebeten hatte. "Te Sunjâdis îhios-te brakioit." Noch ein letztes Mal holt sie Atem, dann verblasst das Licht und die Welt, die wirkliche Welt, rückt wieder ein Stück näher. Niniane neigt den Kopf und küsst erst Faron, dann Sayila und schließlich die blasse Frau auf die Stirn - der kühle Kuss einer Priesterin, und im selben Augenblick senkt sich ihr Zauber auf die drei herab und der Fluch ist gebrochen, während die Macht ihres Segens sie erfüllt. Es ist alles, was sie ihnen geben kann, doch das Brechen der Flüche hatte sich nicht als halb so schwierig erwiesen, wie sie befürchtet hatte. Den Rest des Tages würden sich die Drei vermutlich mit dumpfen, aber erträglichen Kopfschmerzen herumplagen und Niniane selbst sieht zwar nicht unbedingt aus, als wäre sie dreimal um die Stadtmauern gelaufen, aber ein wenig außer Puste ist sie schon und auf ihrer Stirn schimmert ein dünner Schweißfilm. "Ihr könnt die Augen jetzt aufmachen, das war es. Der Fluch ist gebrochen. Kann ich... sonst noch irgendetwas für euch tun?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Atevora am 20. Juni 2008, 00:38 Uhr
Atevora erschrickt leicht als die Türe geöffnet wird bevor Sayila noch dazu kommt überhaupt daran zu klopfen. Ein wenig unschlüssig blicken ihnen daraufhin zwei Augen aus flüssigen Gold entgegen.
An anderen Tagen hätte Atevora diese eindrucksvolle Elbin mit keckem Interesse charmelos genauestens gemustert, doch nun kann sie sich nicht dagegen wehren scheu einen Schritt hinter die Schmiedin zu treten und verschüchtert den Blick zu Boden zu richten. So ist es Arachelza die schließlich das Wort an Lady Niniane richtet.

Sogleich nimmt sich die Protektorin des Larisgrüns des „kleinen“ Problems ihres eigenwilligen Besuches an und führt sie zu einer Ansammlung aus weichen Kissen und Decken zwischen den eindrucksvollen Baumwurzeln dessen Anblick gewiss ein jedes Kind zu einem aufregenden Kletterabenteuer verleiten würde.
Atevora hätte es zwar ungemein vorgezogen in das Innere des Baumes gebeten zu werden, aber ihr erschien diese Lösung in Hinblick auf Farons unfreiwilligen Bewegungsdranges durchaus verständlich. So zieht sie also die Kapuze wieder tief ins Gesicht und setzt sich übellaunig mit unterm Umhang verschränkten Armen zu den Anderen.

Während die Schmieden die Sachlage näher erörtert ist Atevora schwerstens damit beschäftigt heimlich still leidend und lethargisch Löcher vor sich ins Nichts zu starren. Erst als ihr plötzlich jemand etwas unter die Nase hält wird sie wieder aus ihrer geistigen Teilnahmslosigkeit gerissen.
>Aloe und Mandelmilch. Für Eure Haut.<
Bleiern, mit den Gedanken noch halb im Nirgendwo, blickt Atevora auf und greift motorisch nach dem gut duftenden Tiegel voll Salbe.
„Oh.. danke“
Atevora würde es zwar unter Folter nicht offen zugeben, doch genau in diesem Moment hat Niniane Atevoras Sympathie gewonnen, und das trotz dessen sie der Elbin Augen viel zu sehr an das grelle Sonnenlicht selbst erinnern.

Nebenher aufmerksam den Ausführungen zu diesem ominösen und ärgerlichen „Lies-mich“-Buch lauschend schnuppert Atevora ein wenig unschlüssig an der Salbe und cremt danach vorsichtig ihr Gesicht damit ein.
Als anschließend seitens Niniane die Frage aufgeworfen wird ob sie dafür bereit wären endlich diesen Fluch los zu werden kann auch Atevora bloß mit einem Nicken Antworten. Die Erwähnung sich an den Händen zu nehmen gefällt Atevora augenblicklich nicht so sonderlich. Und tatsächlich, im ersten Moment wär die Magierin bei der Schmiedins harten Griff auf ihrer sonnenverbrannten Hand am liebsten schmerzschreiend hinhauf bis in die Baumkrone gesprungen.
Leider war dies erst der Anfang der WIRKLICH nicht sonderlich angenehmen Prozedur, die dahingehend endet, dass Atevora nicht nur die Arme pochend schmerzen, sie nun ein eigenwilliges Summen im Ohr hat als hätte sich ein Schwarm Hummeln dorthin verirrt, sondern ihr auch noch der Schädel brummt als hätte sie mit dem Harfenwirt höchst persönlich die Nacht über um die Wette gezecht.
Nun, wenigstens kann sie jetzt endlich wieder ihren lieblichen Grinser abschrauben bevor sie davon einen Muskelkater im Gesicht bekommt. Gänzlich nüchtern betrachtet war es gewissermaßen sehrwohl recht interessant so etwas einmal erlebt zu haben, und dass sie eines Tages von der Protektorin des Larisgrüns höchstpersönlich auf die Stirn geküsst wird hätte sie sowieso im Leben nicht gedacht.

>"Ihr könnt die Augen jetzt aufmachen, das war es. Der Fluch ist gebrochen. Kann ich... sonst noch irgendetwas für euch tun?"< Ja, sicher. Sagt mir ob, und wenn ja wo diese vermaledeiten Kobolde wohnen. Mal sehen ob ihnen mein Humor auch so gut gefällt wie mir der Ihre.
Atevora bemerkt sofort den Schweiß auf Ninianes Stirn und sie würde ihr der Höflichkeit wegen gerne ein Tuch reichen mit dem sie ihn sich abwischen kann, doch leider hat sie nichts dergleichen mit. Hm, Höflichkeit. Mir ist so als hätte ich irgend etwas vergessen.
„Ja, doch da wäre noch etwas. Vormals übrigens meinen herzlichen Dank“ Atevora hält der Protektorin das Tiegelchen mit der Salbe entgegen „nicht nur für sie Salbe versteht sich. Es wär mir eine Freude mich dafür einmal revanchieren zu können.“
Die freundlich nette Miene wird schlagartig wieder ernst.
„Also, ich hätte da noch ein paar Fragen. Wie alt ist das Buch in etwa? Wisst ihr eventuell was aus dem Buch damals wurde? Wurde es jemanden übergeben, geschenkt? Ich frage mich nämlich wie das Buch aus - ich meine ihr sagtet Sorbonn - nach Talyra gelangt sein könnte.“

Atevora zieht grübelnd die Augenbrauen zusammen.
„Ach und weil es mir gerade durch den Kopf spukt: Ist es möglich sich von einem zum anderen Ort in minimalster Zeit zu transportieren, dass heißt ohne das jemand physisch greifbar dabei den dazwischen liegenden Raum durchquert? – Sayila warum seht ihr mich so seltsam an? Gleichgültig. - Wenn ja welche Möglichkeiten gäbe es? Wäre das sehr „kraftraubend“ bzw. manaintensiv? Und gibt es irgendwelche speziellen - eventuell magischen - Verfahren tote Körperteile längerfristig praktisch unversehrt zu konservieren? “ Atevora war vorhin am Friedhof schon die Idee des Einfrierens gekommen, doch das erschien ihr auf Dauer etwas manaintensiv.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 23. Juni 2008, 08:32 Uhr
>Ja, doch da wäre noch etwas. Vormals übrigens meinen herzlichen Dank,< meldet sich die weißhaarige Magierin zu Wort. Niniane setzt sich erst einmal zu ihren Gästen in die weichen Kissen und nimmt die Aloesalbe wieder entgegen. >Nicht nur für sie Salbe versteht sich. Es wäre mir eine Freude mich dafür einmal revanchieren zu können.<
"Nichts zu danken." Sie angelt nach einem Krug mit kühlem Persemonenwein und schenkt sowohl ihren Gästen, als auch sich selbst je einen Becher voll ein, während die Magierin ihre ersten Fragen stellt. >Also, ich hätte da noch ein paar Fragen. Wie alt ist das Buch in etwa? Wisst ihr eventuell was aus dem Buch damals wurde? Wurde es jemanden übergeben, geschenkt? Ich frage mich nämlich wie das Buch aus - ich meine ihr sagtet Sorbonn - nach Talyra gelangt sein könnte.<  
"Alt, ziemlich alt sogar. Die drei Koboldbrüder haben in den Anfangsjahren des Imperiums von Ûr gelebt - wann genau sie das Buch erschufen weiß ich nicht, aber es dürfte wohl irgendwann in den Jahren 1500 bis 1800 des Vierten Zeitalters entstanden sein... soweit ich weiß ist nur Noitnettayap noch am Leben und lehrt immer noch in Sorbonn. Irgendwann um das Jahr 2000 des Vierten Zeitalters gelangte es durch einen ehemaligen Schüler der Magierakademie dort in die Hände der Menschen, doch wie genau weiß heute wohl niemand mehr zu sagen... es waren unruhige Zeiten damals östlich des Ildorel." Ein Schatten verdunkelt Ninianes Augen, doch so rasch er sich gezeigt hat, ist er wieder verschwunden. "Seither taucht es immer wieder gerüchteweise hier oder dort auf. Ich weiß noch, dass es nach der Zeit des Blutes und der Kleinkriege in den Händen der sûrmerischen Fürsten war und dort einige Unruhe gestiftet hat. Glaubt man den immer wieder kursierenden Geschichten, wurde das Lies mich schon mehrmals verschenkt, verkauft oder weitergegeben und hatte mehr als ein Dutzend namhafte und unbekannte "Besitzer"... doch wer das Buch in letzter Zeit hatte oder wie es hierher zu euch kam dürft ihr mich nicht fragen."  
Die Magierin runzelt nachdenklich die Stirn, während die Schmiedin und der Faun andächtig lauschen, doch dass ihre Antwort wenig aufschlussreich ist, weiß Niniane selbst und so kann sie ihren Gästen in diesem Punkt wohl nicht viel weiterhelfen. Doch die Magierin ergreift nach einem Moment nachdenklichen Stirnrunzelns wieder das Wort und als sie fortfährt, kann Niniane ein katzenhaftes Grinsen nicht unterdrücken... auch wenn ihr das, was die Worte der jungen Frau implizieren, nicht wirklich gefallen will. Ah... jetzt kommen die wirklich wichtigen Fragen.
>Ach und weil es mir gerade durch den Kopf spukt: Ist es möglich sich von einem zum anderen Ort in minimalster Zeit zu transportieren, dass heißt ohne das jemand physisch greifbar dabei den dazwischen liegenden Raum durchquert? – Sayila warum seht ihr mich so seltsam an? Gleichgültig. - Wenn ja welche Möglichkeiten gäbe es? Wäre das sehr „kraftraubend“ bzw. manaintensiv? Und gibt es irgendwelche speziellen - eventuell magischen - Verfahren tote Körperteile längerfristig praktisch unversehrt zu konservieren?<

"Zu Euren ersten Fragen: ja, das ist möglich. Es ist ein Zauber sowohl klerikaler als auch arkaner Macht, das heißt, dass ihn sowohl Priester, Schwarzpriester und Magier oder Hexenmeister anwenden können... wenn sie eine gewisse Erfahrung und Macht aufweisen, heißt das. Ihr werdet ihn vielleicht auch irgendwann einmal beherrschen. Seht Ihr, ganz Roha wird von einem Netz magischer Ströme umhüllt und durchzogen wie von einem Aderngeflecht. Die Gelehrten und Zauberkundigen nennen dieses Netz "das Gewebe" und einst soll es die ganze Welt mit seinen schimmernden Kraftströmen umhüllt haben. Alte Legenden berichten, die ersten Magier wären, in der Zeit, als die Magieströme noch eins waren, in der Lage gewesen, durch dieses Gewebe zu reisen, in das Gewirr einzutreten und es an einer beliebigen anderen Stelle irgendwo auf Roha wieder zu verlassen, doch was immer Wahres an diesen Gerüchten sein mag, heute ist kein Zauberer mehr in der Lage, die Kräfte des Gewebes derart zu nutzen und allein die Mondtore in den Akademien der magischen Künste erlauben eine sichere Reise durch das magische Gewirr. Auch wir Priester spüren dieses Gewebe, wenn wir auch andere Kräfte haben. Wie auch immer, ein Abglanz der großen Zauber von einst ist allen Zauberkundigen außer den Druiden und Schamanen, welche ihren Geist auf die Reise schicken können, geblieben: ein Teleportationszauber. Er ist nichts im Vergleich zu den Kräften der ersten Magier, aber er erlaubt einem, sich innerhalb eines bestimmten Gebietes von einem Punkt zum anderen zu zaubern. Wie kraftraubend das ist, hängt in erster Linie von der Entfernung ab, die man überbrücken will, doch wirklich weit kommt man mit diesem Zauber ohnehin nicht. Ich könnte mich beispielsweise ohne Schwierigkeiten von hier aus an jeden beliebigen Punkt Talyras und des näheren Umlandes teleportieren, aber mehr als ein paar Tausendschritt Entfernung mit diesem Zauber gelingen selbst mir nicht und ich habe wirklich viel... Erfahrung auf diesem Gebiet," schließt sie mit einem melancholischen Lächeln. "Aber einfache Teleportationszauber sollte eigentlich jeder Priester, jeder Dunkle, jeder Hohemagier und auch jeder Hexer beherrschen... warum genau fragt Ihr? Glaubt Ihr, dass der Mörder diesen Zauber nutzt?
Zu eurer anderen Frage: ja, auch das ist machbar. Es gibt bestimmte Kältezauber die man anwenden kann, es gibt allerdings auch alle möglichen magischen und natürlichen Hilfsmittel... Pflanzen wie die Blätter der Shenrahfackeln und andere Kräuter, die konservieren, die Kokonseide bestimmter Schmetterlingsarten, Öle... zu viele, um sie alle einzeln aufzuzählen."

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Sayila Arachelza am 25. Juni 2008, 00:28 Uhr
Aufmerksam lauscht Sayila den Erläuterungen Ninianes zu dem vermaledeiten "Lies mich". Dass es sich offenbar um einen Art Scherz handelt, bringt sie aber nicht wirklich zum Lachen.
So wie es aussieht, treffen die Flüche das jeweilige Opfer an der empfindlichsten Stelle, geht es ihr düster durch den Kopf, und wenn ich mir ansehe, in welchem Zustand sich Frey befindet, dann frage ich mich ehrlich, ob diese blöden Flüche nicht auf Dauer sogar noch schlimmere Folgen haben könnten - und sei es bloß Wahnsinn...

Ein wenig beklommen folgt sie dann den Anweisungen Ninianes - Magie war ihr nie geheuer und wird es wohl auch nie sein, und wenn es möglich wäre, würde sie der folgenden Prozedur lieber aus dem Weg gehen. Aber da die Alternative wohl ist, bis ans Ende ihrer Tage einen krankhaften Verschätzelungswahn in Gegenwart männlicher Wesen an den Tag zu legen, ist es wohl doch das geringere Übel, sich wie auch immer gearteter Magie zu unterziehen.

Niniane hat Recht - es ist wirklich alles andere als angenehm und Sayila hält die Hände von Faron und Atevora fest umschlossen, der einzige Halt, den sie noch in die materielle Welt hat.
Unendliche Erleichterung durchströmt sie, als sie schließlich die Augen wieder öffnet. Verstohlen wirft sie Faron einen Blick zu und stellt einerseits fest, dass er auf wackligen Hufen ein paar Schritte tut - Schritte, definitiv, keine Pirouetten oder andere Tanzfiguren - und sie andererseits nicht das geringste Bedürfnis verspürt, ihn in irgendeiner Weise zu bemuttern. Ein befreites Lächeln erscheint auf ihren Lippen und sie atmet tief ein - das Pochen in ihren Schläfen ist ihr in diesem Moment herzlich egal. Alles ist besser, als weiter diesen vermaledeiten Fluch am Hals zu haben!

Shin hat sich mitlerweile wieder Niniane zugewandt, sich bedankt, die Salbe zurückgegeben und sie noch ein wenig bezüglich der verfluchten Buches befragt. Leider weiß auch Niniane nichts genaues, nur dass es offenbar irrsinnig alt ist und keiner mehr so recht weiß, in wessen Besitz es sich momentan befindet.
Wer auch immer der momentane Besitzer ist - ich bin sicher, dass er auf irgendeine Weise in diese Mordsache verstrickt ist!, denkt Sayila düster, ob es der Mörder selbst ist, wird sich herausstellen, aber selbst wenn er es nicht war, so wird er zumindest den Auftrag gegeben haben, uns das Buch zu schicken.
Dieser elende Mistkerl... Er spielt mit uns!

Unwillkürlich ballt sie die Hände zu Fäusten. Ihr Zorn auf den, der hinter all diesen Verbrechen steckt, wächst mit jedem Tag, und längst hat sie sich geschworen, dem Kerl sämtliche Knochen zu brechen und ihn seiner Männlichkeit zu berauben, wenn sie ihn in die Finger bekommt.

Shin hat sich derweil daran gemacht, einen wahren Monolog zu halten, der in Sayila Ohren schlichtweg gar keinen Sinn ergibt mit hochgezogenen Augenbrauen und verwirrt gerunzelter Stirn starrt sie Shin an, die irgendetwas von Orten und Zeit, transportieren und physisch nicht greifbaren Räumen, aber was genau sie eigentlich damit sagen will, ist Sayila mehr als schleierhaft.

Ninianes Antwort bringt ein wenig Klarheit in die Sache - auch wenn Sayila nicht den leisesten Schimmer hat, von was für einem merkwürdigen Netz sie da spricht. Allerdings scheint es wohl darum zu gehen, dass Magier imstande sind, plötzlich an irgendeinem beliebigen Ort aufzutauchen, und das erklärt auch Shins Frage. Wenn der Täter diesen Teleportationszauber beherrscht, würde das erklären, warum sich rings um das Grab keine Spuren hatten finden lassen.
Was ihm dann wohl allerdings auch die Möglichkeit geben würde, uns jederzeit zu entwischen, sollten wir ihn wider Erwarten jemals fassen, seufzt Sayila innerlich, und wie soll man so jemanden irgendwo einsperren?

Niniane erzählt noch etwas über verschiedene Möglichkeiten, Leichen - oder in ihrem Fall wohl eher Leichenteile - zu konservieren, dann wendet sich Shin mit einer weiteren Frage an die Halbelbe:
>"Besteht die Möglichkeit, im Nachhinein herauszufinden, ob an einer Stelle ein solcher Teleportationszauber gewirkt wurde?"<
Bevor Niniane dazu kommt, auf diese Frage zu antworten, fällt Sayila dazwischen:
"Ließe sich auch irgendwie herausfinden, von welchem Ort jemand gekommen ist? Oder wohin er verschwunden ist? Ich meine - auch wenn er die merkwürdige Teleportation benutzt muss er doch irgendwie Spuren hinterlassen... oder?"
Ein wenig zweifelt sie selbst daran. Sie weiß überhaupt nicht, wie dieser ganze Magie-Kram funktioniert, aber irgendwie will es nicht in ihren Kopf, dass sich jemand nach Herzenslust in der Gegend herum-teleportieren kann, ohne dass es irgendeine Möglichkeit gibt, ihn zu verfolgen.

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 02. Juli 2008, 07:33 Uhr
>Besteht die Möglichkeit, im Nachhinein herauszufinden, ob an einer Stelle ein solcher Teleportationszauber gewirkt wurde?"<
"Nun, eigentlich..." nicht, will Niniane schon antworten, hält dann jedoch inne. Warum nicht? Du könntest versuchen, zu erspüren, ob die magischen Signaturen eines gewirkten Zaubers an einer Stelle bis zu den Fäden des Gewirrs reichen oder nicht. Das ist zwar keine hundertprozentige Antwort, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dann um einen Teleportationszauber handelt ist immerhin sehr groß... "Möglicherweise," hört sie sich sagen, doch noch bevor sie dazu kommt, ihre Theorie jemandem darzulegen, schaltet sich die Schmiedin in das Gespräch ein. >Ließe sich auch irgendwie herausfinden, von welchem Ort jemand gekommen ist? Oder wohin er verschwunden ist? Ich meine - auch wenn er die merkwürdige Teleportation benutzt muss er doch irgendwie Spuren hinterlassen... oder?<
"Nein," diesmal kann Niniane nur bedauernd den Kopf schütteln. "Dazu sind die Wege des magischen Netzes zu verworren, seine Fäden zu sehr miteinander verknüpft. Ich kann euch versichern, dass auch ein mächtiger Zauberwirker, ganz gleich welcher, sich nur innerhalb eines begrenzten Rahmens teleportieren kann und ich kann höchstwahrscheinlich sagen, ob an einer Stelle ein solcher Zauber gewirkt wurde oder nicht, wenn es noch nicht allzu lange her ist, dass dies geschah... aber zu wissen, woher jemand durch das Gewirr reist oder wohin ist nicht möglich. Ich könnte allerdings etwas anderes tun... es ist nicht ganz einfach und es würde alle Zauberkundigen Talyras betreffen, doch wenn es dazu dient, diesen Mörder dingfest zu machen..." fährt sie nachdenklich fort und blickt von einem zum anderen. "Nun ja, ich müsste mit Olyvar und der obersten Priesterschaft und auch mit ein paar wichtigen Magiern sprechen, aber im Prinzip ist es möglich, die Stadt und das Gewirr hier in Talyra mit einigen ahm... Schutzzaubern zu versehen. Für eine Weile zumindest könnte sich dann niemand mehr teleportieren. Aber bevor ich zu solchen Schritten greife, sollte ich mir den Ort des Geschehens vielleicht erst einmal ansehen, hm?" Sie lächelt ein katzenhaftes Lächeln und taxiert den Faun mit einem abschätzenden Blick. Ach, papperlapapp, du hast Cron schon mit dir genommen, viel mehr Masse hat Faron auch nicht und die beiden anderen sind ohnehin die reinsten Fliegengewichte. "Will irgendjemand lieber laufen? Ansonsten kommt her, ganz dicht neben mich und fasst euch an den Händen. Wo soll's hingehen?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Atevora am 02. Juli 2008, 20:25 Uhr
Ah, soetwas existiert also tatsächlich. Rasch verdrängt Wissensdurst die vorherige enttäuschende Erkenntnis, dass auch dieses vermaledeite Buch bei all dem Ärger das es brachte auch noch eine ermittlungstechnische Sackgasse war. Mit andächtigem Interesse lauscht Atevora Ninianes Worten während sie an dem angenehm kühlen Wein nippt. Unpassenderweise fällt ihr zeitgleich schlagartig ein was sie bei all dem Chaos vergessen hatte. Sie hatte sich wieder einmal nicht vorgestellt.
Augenblicklich schiebt sie den Gedanken über ihr unhöfliches Verhalten beiseite und konzentriert sich wieder auf das Wesentliche.

Atevora unterbricht der Goldäugigen Ausführungen - die vom magisch Netz, alten Legenden, und so fort handeln – kein einziges mal. Schlussendlich ist sie wieder etwas verdrießt, dass es schier unzählige Methoden gibt wie der Mörder die Leichenteile frisch hält und Kaney – schließlich vermutete Atevora, dass der wahrgenommene Geruch von einer solchen Konservierungsmethode stammt – somit alles mögliche gerochen, oder gewittert haben könnte. Kaney, ganz zu schweigen von den diversen Händlern, wäre wohl nicht sonderlich angetan wenn sie ihn packen und mit der Nase voran über das entsprechende Warenangebot in ganz Talyra schleifen würde. Davon abgesehen müsste ich eine Statur wie der Oger besitzen um das nur annähernd so bewerkstelligen zu können. Atevora grinst einige Augenblicke bei der bildlichen Vorstellung des Unterfangens in sich hinein, dann scheltet sie sich auch schon selbst ob ihrer unsinnigen Gedankengänge.

„Hm, ja. Ich halte es für höchst wahrscheinlich, dass der Täter solch einen Zauber nutzt.“  Andernfalls kann ich mir die Indizien nicht erklären Komplettiert sie den Satz für sich während sie nebenher mit Mittel- und Zeigefinger ein freches Haar, dass sich nach vorne geschmuggelt hat und sie an der Wange kitzelt, wieder aus dem Gesicht streicht.
Dann fällt der Magierin plötzlich ein, dass Lilith vorhin am Fundort erwähnte, gewirkte dunkle Magie zu spüren. „Besteht die Möglichkeit, im Nachhinein herauszufinden, ob an einer Stelle ein solcher Teleportationszauber gewirkt wurde?“
„"Nun, eigentlich..." Ihr gegenüber gerät ins Stocken und Atevora hätte einiges darum gegeben auch laut hören zu können worüber Niniane nun genau nachgrübelt. Nach empfundenen Ewigkeiten lässt die Beschützerin des Larisgrüns ein „Möglicherweise“ verlauten, ganz so als hätte sie bloß versehentlich einen Teil ihrer Gedanken laut ausgesprochen.

>Ließe sich auch irgendwie herausfinden, von welchem Ort jemand gekommen ist? Oder wohin er verschwunden ist? Ich meine - auch wenn er die merkwürdige Teleportation benutzt muss er doch irgendwie Spuren hinterlassen... oder?<
Meldet sich schließlich auch die zuvor noch teilweise etwas unglücklich wirr und informationsüberfordt aussehende Schmiedin zu Wort.
Eine gute Frage.
Ein klares und eindeutiges Nein ist die Antwort. War klar. Das wäre auch zu schön gewesen. Missmutig lässt Atevora die Schultern hängen und senkt den Blick zu Boden. Aber vielleicht..., wenn wir wüssten wann und wo das nächste Opfer abgelegt wird, .. möglicherweise könnten wir ihn daran hindern mit dem Zauber zu entwischen..? Die Konsequenzen daraus, also danach als kleine niedliche Adeptin einem schier übermächtigen und vermutlich auch wahnsinnigen Magiekundigen gegenüberzustehen, bedenkt sie erst einmal gar nicht.
Atevora kommt jedoch nicht dazu eine entsprechende Frage zu ihren Überlegungen zu stellen.
>„Ich könnte allerdings etwas anderes tun“ <
Die Magierin wird hellhörig.
>“ "Nun ja, ich müsste mit Olyvar und der obersten Priesterschaft und auch mit ein paar wichtigen Magiern sprechen, aber im Prinzip ist es möglich, die Stadt und das Gewirr hier in Talyra mit einigen ahm... Schutzzaubern zu versehen.“<
Ein aufforderndes Funkeln tritt in Atevoras Augen. Haha, falls er sich wirklich auf diese Weise fortbewegt, wird er äußerst angesäuert darüber sein wenn er es nicht mehr kann. Wunderbar, ich sehe die nächsten Flüche auf uns zukommen. Vielleicht diesmal eine kleine unheilbare Krankheit?
>„Aber bevor ich zu solchen Schritten greife, sollte ich mir den Ort des Geschehens vielleicht erst einmal ansehen, hm?"<
„Ja, das klingt durchaus sinnvoll. Wir sollten dann wohl keine weitere Zeit mehr verlieren?“ Atevora steht vom vielen Sitzen etwas ungelenk auf , richtet den verrutschten Wickelrock und möchte sich bereits auf den Weg machen, doch das vorhaben wird glücklicherweise Vereitelt.
>„"Will irgendjemand lieber laufen?“<
Atevora wirft daraufhin einen prüfenden Blick zum Himmel von dem herab grell die Sonne grinst. Ja aber sicher doch.. "Ansonsten kommt her, ganz dicht neben mich und fasst euch an den Händen. Wo soll's hingehen?"<
„Zum Totenacker bitte, dort wurde heute..
...Ach das habe ich wohl noch gar nicht erwähnt, wie nachlässig.. vor allem da ich dazu wohl noch eine Frage hätte.
Jedenfalls dort wurde heute früh eine weitere Leiche gefunden. Auf dem Grab von einer gewissen Diardra Ailin. Vielleicht sagt euch der Name noch etwas. Im übrigen..“
Atevora wendet sich mit emotionsloser Miene an Sayila
„Ich bitte dich diesmal mit etwas mehr Gefühl zuzupacken. Ich bin kein Eisenklotz und habe übrigens einen schrecklichen Sonnenbrand.“

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Sayila Arachelza am 13. Juli 2008, 20:50 Uhr
Dass es keine Möglichkeit gibt, die Spur von jemandem zu verfolgen, der sich teleportiert hat, ist ziemlich enttäuschend - aber andererseits birgt zumindest Ninianes Vorschlag, das Teleportieren in Talyra für eine Weile unmöglich zu machen eine kleine Möglichkeit, dem Mörder sein blutiges Handwerk zumindest etwas zu erschweren.
>"Aber bevor ich zu solchen Schritten greife, sollte ich mir den Ort des Geschehens vielleicht erst einmal ansehen, hm?"<
Sayila nickt zustimmend, und auch Atevora pflichtet ihr bei. Beide erheben sich, um sich erneut auf den Weg durch die Stadt zu machen, doch anscheinend hat Niniande andere Pläne.
>"Will irgendjemand lieber laufen? Ansonsten kommt her, ganz dicht neben mich und fasst euch an den Händen. Wo soll's hingehen?"<
Ein wenig perplex sieht Sayila in die goldenen Augen ihres Gegenübers.
Sie meint doch nicht... Sie will doch nicht etwa...? Unwillkürlich macht sie einen kleinen Schritt zurück, während Shin Niniane von dem Leichenfund auf Diardra Ailíns Grab erzählt.
>„Im übrigen...“<, wendet sich Shin unvermittelt an Sayila, >„Ich bitte dich diesmal mit etwas mehr Gefühl zuzupacken. Ich bin kein Eisenklotz und habe übrigens einen schrecklichen Sonnenbrand.“<
Sayila verzieht leicht das Gesicht.
Kein Eisenklotz... Das mag stimmen, aber ein Eisklotz bist du definitiv, meine Liebe. Dann ringt sie sich ein etwas schiefes Lächeln ab.
"Keine Sorge - ich werde überhaupt nicht mehr zupacken. Ich laufe..."
Sie wirft Niniane einen flüchtige Blick zu und das Lächeln wird noch ein wenig gequälter.
"Nehmt es mir bitte nicht übel... Aber das war mir heute definitiv zu viel Magie." Sie schüttelt sich unmerklich. Das war sogar genug Magie für mein ganzes restliches Leben!
"Also... Wir treffen uns auf dem Sithechhain, denke ich. Ansonsten - falls ihr schnell fertig seid - wird wohl ohnehin die Goldene Harfe der nächste Treffpunkt sein, nicht?"

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Niniane am 29. Juli 2008, 16:12 Uhr
>Zum Totenacker bitte, dort wurde heute... Ach das habe ich wohl noch gar nicht erwähnt, wie nachlässig. vor allem da ich dazu wohl noch eine Frage hätte. Jedenfalls dort wurde heute früh eine weitere Leiche gefunden. Auf dem Grab von einer gewissen Diardra Aílin. Vielleicht sagt euch der Name noch etwas. Im Übrigen ...<
"Auf dem Sithechhain? Wie makaber, nun gut... Diardra Aílin? Doch, der Name sagt mir etwas, wenn ich Euch jedoch wohl auch nicht mehr sagen kann, als Borgil oder andere, die schon... ahm... etwas länger in Talyra leben. Ich kannte sie nicht sonderlich gut, das arme Mädchen. Aber nun..."
>Keine Sorge - ich werde überhaupt nicht mehr zupacken. Ich laufe...<
Der Schmiedin scheint die Aussicht, schnell und ohne in der Hitze schmoren zu müssen, in die Stadt zu kommen keineswegs geheuer. >Nehmt es mir bitte nicht übel... Aber das war mir heute definitiv zu viel Magie. Also... Wir treffen uns auf dem Sithechhain, denke ich. Ansonsten - falls ihr schnell fertig seid - wird wohl ohnehin die Goldene Harfe der nächste Treffpunkt sein, nicht?<
"Natürlich nicht," versichert Niniane angesichts des unglücklichen Lächelns der Schmiedin. "Aber ich kann Euch versichern, dass es spektakulärer aussieht, als es ist. Wie auch immer, ich denke in der Steinfaust oder in der Harfe solltet Ihr wieder auf Eure... Mitstreiter treffen. Also dann... Faron, Atevora... gehen wir." Gesagt getan. Niniane hebt die Hände, summt einen Ton, der klingt, als habe jemand eine unterirdische Bronzeglocke geschlagen, spricht ein Wort der Macht mit einer Stimme, die sich anhört, als würde nicht nur sie, sondern viele sprechen und ruft mit tanzenden Fingern den Zauber herbei, der sich in flirrenden silbrigen Schleiern um sie legt - und im nächsten Moment sind sie, die Magierin und der Faun verschwunden und dort, wo sie eben noch standen, flimmert nur noch die Luft ein wenig.

->Sithechhain

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Atevora am 12. Aug. 2008, 15:17 Uhr
>„Auf den Sithechhain? Wie makaber“<
Sind umgehend Ninianes Worte nach der Bekanntgabe des „Reisezieles“. Sie hatte vollkommen recht, doch wenn das bereits die Bezeichnung makaber verdiente, wie sollte man dann die Parallelen mit dem Todestag der Grabeigentümerin und die Art wie die tote Schellentänzerin auf dem Grab arrangiert wurde benennen?
Atevora hoffte im übrigen, dass Lilith und Kaney bei Borgil bereits diverse Erkundigungen zu dieser Adeligen eingeholt haben. Eigentlich war sie sich sogar seltsam sicher, dass sie das bereits taten. Wenn dem nicht so sein sollte, dann hatte es eigentlich auch keine größere Bewandtnis, schließlich konnte sie selbst das nachher immer noch problemlos nachholen.

Es ist schon irgendwie interessant wieviele Gedankenfetzen einem gleichzeitig binnen eines Wimpernschlages durch den sowieso unangenehm brummenden Kopf jagen können, denn mehr als diese Zeitspanne ist zischen Atevoras Überlegungen und der Schmiedins Antwort auf ihre Bitte, etwas mehr motorisches Feingefühl an den Tag zu legen, gewiss nicht vergangen.
Mit einem reichlich unerfreutem und etwas aufgezwungenem Lächeln bekundet Sayila, dass sie doch eher einen Fußmarsch durch die Hitze einer abenteuerlichen Teleportation vorzieht. Atevora kann das nicht so recht nachvollziehen. Nungut, Magie war unabstreitbar ein entscheidender Bestandteil ihrer Selbst und ihres Lebens von dem sie sich nicht abwenden konnte selbst wenn sie es wollte. Die Schmiedin hingegen war, nun, eben eine einfache Schmiedin. Vielleicht war es doch zum Gewissen verständlich, dass sie nach sprechenden Büchern, Flüchen, Entfluchungskopfschmerzen, und vor allem bei einer wesentlich höheren Resistenz gegen Sonnenbrand einen größeren Spaziergang quer durch die Stadt der anderen Möglichkeit vorzog.

Innerlich geht ein Seufzer durch Atevora als sie einen Atemzug lang der Schmiedin hinterher blickt. Insgeheim beneidet sie alle die so frei am hellichten Tag bei prallem Sonnenschein im Freien herumstreifen können. Sie selbst musste bereits keine geringfügige innerliche Überwindung aufbringen Niniane in diese goldenen Augen zu blicken. Denn neben der fesselnden Faszination die von ihnen ausging assoziierte die Magierin sie zu sehr mit der strahlenden Shenrahscheibe selbst und somit, hingegen anderer, mit Qualen und Schmerzen. Etwas tief in ihr fürchtete insgeheim sogar sie würden sie wie Eis unter flirrender Wüstensonne verzehren wenn sie nur einen Moment zu lange hineinsieht.
Ihr war natürlich mehr als nur klar, dass diese Furcht abstruser Humbug war und nichts weiter.

>„Also dann... gehen wir“<
Mit den Worten zieht Niniane Atevoras abermals abgeglittene Aufmerksamkeit wieder vollends zurück ins aktuelle Geschehen. Aber nur kurz. Denn bevor noch ein durchdringender vielstimmiger Gesang die Welt um sie herum in goldschimmernden Nebeldunst taucht, drehen sich Atevoras Gedanken, nach einem abermaligen kurzen Blick in Ninianes Augen, wieder um etwas vollkommen anderes: Ob sie wohl zwei Kerzen gleich im Dunklen leuchten?
Dann umgibt sie nur noch ein angenehmes Gefühl von Losgelöstheit.


---> Der Sithech-Hain

Titel: Re: Der Baum am Smaragdstrand
Beitrag von Nachtfalter am 05. Mai 2012, 18:25 Uhr
Die Kinder Dianthas haben sich sichtlich über die kunstvoll hergerichteten Spielzeuge gefreut. Die beiden Jungen schienen auch kein Problem damit zu haben, sich die Burg zu teilen. Natürlich hatte auch Diantha sich sehr gefreut, dass der kleine Feenmann ihren drei Kindern eine solche Freude bereitet hat. Die Zeit streicht dahin und inzwischen besucht Zris die Steinfaust immer sporadischer. Er hat sich mit manch einer Fee Talyras angefreundet, allen voran die in seinen Augen schönste Fee, Tzarzitritzalaris. Eine Weile hat Zris sogar bei der Schönheit gewohnt, allerdings in seinem eigenen Zimmer. War er anfangs auch absolut von der Vollkommenheit ihres Feenhauses überzeugt, so wäre es für ihn doch kein Platz von Dauer gewesen. Zu menschlich kam ihm ihre Art zu wohnen vor und auf Dauer konnte er sich so einfach nicht wohl fühlen. Tzarzi war durchaus ein wenig enttäuscht. Überhaupt ist Shenfunke eine Fee, welche sich zwar sehr schnell von etwas begeistern lässt und völlig euphorisch scheint, doch genauso schnell wie ihre wundervollen Augen vor Freude glimmern und glänzen, genauso schnell verzieht sich ihr süßer Mund zu einem Schmollen und ihr Blick kann dann sehr unerbittlich werden. Nachtfalter ist es nicht entgangen, dass die Kleine sich gewünscht hätte, dass er dort bei ihr bleiben würde. Ja, vielleicht hatte sie ob seiner ihr gegenüber sehr zuvorkommenden und charmanten Art, sogar darauf gebaut, sie könnten ein Paar werden. Aber für Zris kam es nicht in Frage. Er mag Shen wirklich. Sie ist wunderschön, bezaubernd, herzallerliebst und wirklich unglaublich niedlich. Aber alleine die Vorstellung, diese Fee zu verletzen reicht völlig aus, um ein wenig Distanz zwischen sich und ihr zu wahren. Er kann sich ohnehin nicht vorstellen, sich je dauerhaft auf eine einzige Person einzulassen und s o verbindet sie nunmehr eine sehr tiefgehende Freundschaft.

Wenngleich Shen anfangs wirklich sehr enttäuscht war, so hat sie diese Enttäuschung doch recht schnell wieder überwunden. Inzwischen kennen sich die beiden Feen auch einfach zu gut und ihr entgeht es selbstredend nicht, dass er nie Augen nur für sie allein haben würde und so begnügt sie sich damit zumindest die Einzige zu sein, die ihn persönlicher und näher kennt. Außer ihr kennt keine der hiesigen Feen, das Geheimnis um seine zu kleine Körpergröße. Auch hat er keiner anderen Fee erzählt wieso er überhaupt hier sei bzw. was ihm vorher alles wiederfahren ist. Kurzum Shen und Falter verbringen sehr viel Zeit miteinander. So auch heute.

Es sollte ein schöner Ausflug ins Larisgrün werden. Tzarzi wollte ihm dort den einen oder anderen wundervollen Ort zeigen und so flattern die beiden winzigen Geschöpfe munter durch das Grün. Doch langsam aber sicher zieht sich der Himmel immer mehr zu und die leichten Windböen, von welchen sie sich soeben noch verspielt durch die Lüfte pusten ließen, nehmen stetig zu. „Wir sollten schleunigst umkehren.“ Murmelt Zris und Tzarzis Augen weiten sich erschrocken: „Das ist zu weit, das schaffen wir nie!“ wispert sie. Zris bleibt nicht mehr, als ihr zuzustimmen. Doch wohin dann? Die Bäume knistern und knacken im Wind und vertrauenswürdig erscheinen sie ihm alle nicht. Hier und da peitschen ihm Dornenzweige und andere lange Äste entgegen. Den beiden Feen ist es so, als würden die Bäume ihre langen Krallen nach ihnen austrecken. Zusammen mit dem stetig zunehmenden Heulen des Windes und der immer dunkler werdenden Umgebung erscheint die Natur den beiden Kleinen nun wahrhaft bedrohlich. Abermals peitscht ein Ast nach vorne und gerade noch rechtzeitig gelingt es Zris Tzarzi zur Seite zu ziehen, so dass sie gerade noch verfehlt wird. Hilfesuchend blickt sich der kleine Falter nach einer Zuflucht um. An keinem der Bäume entdeckt er Hohlräume oder Löcher in welche sie sich verkriechen könnten. Der einzige Schutz bieten die Äste und Blätter selbst, doch gerade diese peitschen bedrohlich um die beiden Feen herum, so dass nicht daran zu denken ist, dort in Sicherheit zu sein. Vermutlich würde sich das viele Geäst eher als tödliche Falle entwickeln. Überhaupt scheint der Wald viel zu viele solcher Gefahren zu bergen, so dass die Beiden verzweifelt aus seinem Schutz fliehen und die offenen Wiesen suchen. Ein noch größerer Fehler – wie sich herausstellt, denn hier rauscht der Wind ungebremst und somit noch heftiger über die offene Landschaft. Er erfasst die beiden Feen und zerrt sie mit sich. Keinem der beiden Fliegengewichte ist es möglich, gegen die Winde anzukämpfen oder überhaupt noch irgendeine Flugrichtung selbst zu bestimmen. Einem Laubblatt im Winde gleich, werden sie mal hier und mal dorthin geworfen. Zris kann Tzarzi nicht mehr entdecken. Auch nimmt er kaum wahr, dass sich die Landschaft um ihn herum ändert. Mit einem Lauten „POCH“ schlägt er gegen irgendetwas Hartes und purzelt zu Boden. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, ehe die Sterne, welche vor seinen Augen tanzen, verblassen. Vorsichtig blinzelt er, noch immer wie ein Käfer auf dem Rücken liegend, empor. Über ihm erstreckt sich, der wohl größte Baum, den er je gesehen hat. Auch seine Äste schaukeln ächzend in den Sturmböen,  doch scheint dieser Baum viel zu massiv und groß, als dass ein Sturm ihn gänzlich aus der Ruhe bringen könnte. Alleine die Wurzeln, welche Nachtfalter umgeben sind gigantisch und bieten tatsächlich ein wenig Schutz vor den Schlimmsten Sturmböen. Abermals lässt er seinen Blick empor gleiten? Ist da etwa? Er ist sich nicht sicher, ob der Regen ihn täuscht, aber er meint an dem Baumstamm eine Tür auszumachen. Eine Tür an einem Baum?



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