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Das Rollenspiel >> Die Unterstadt >> Die Kanalisation
(Thema begonnen von: Whytfisk am 27. Okt. 2004, 21:20 Uhr)

Titel: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 27. Okt. 2004, 21:20 Uhr
Zahllose Schritt tief unter den Straßen Talyras, ja selbst noch unter der verborgenen Unterstadt mit ihren Gewölben, Stollen, Hallen und halbverfallenen Gebäuden erstreckt sich ein weitläufiges Netz aus Gängen, Tunneln und Abwasserkanälen - die Kanalisation der Stadt. Noch zu imperialer Zeit von kundigen Zwergenhandwerkern erbaut, sind diese Tunnel und Stollen zwar uralt, doch die meisten sind erstaunlich gut erhalten und noch immer in Betrieb - hier fließen die Abwässer Talyras. Einige jedoch sind auch verfallen, überflutet, eingestürzt oder führen ins Nichts - und bilden mit der noch genutzten Kanalisation ein geheimnisvolles Labyrinth aus Finsternis, Gestank, gewundenen Stollen und gemauerten Kammern, aus Eisenleitern, Falltüren, Tunneln, Treppen, Schächten und natürlichen Höhlen. Was hier unten außer Ratten, dem Unrat der Stadt und der ewigen Dunkelheit noch alles zu finden ist, weiß nur der, der seine Abscheu und Furcht überwindet, und sich hinunter wagt. Es gibt nur sehr wenige bekannte Zugänge zu diesem Tunnelsystem. Einige, zu den noch immer genutzten Abwassertunneln, sind der Stadt bekannt und werden scharf bewacht. Andere liegen im Verborgenen und führen eher ins halbverfallene Labyrinth der stillgelegten Gänge. Ein paar befinden sich in der Unterstadt, wohlverborgen selbst vor dem zwielichten Volk dort. Andere sollen sich gar in der Oberstadt befinden, doch wo genau, das will niemand wissen....

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 27. Okt. 2004, 21:57 Uhr
>Ihr könnt Euch auf mich verlass'n< Whytfisk gestattet sich ein knappes Nicken. "Ich bin sicher, du hast mich gut verstanden."  Das Mädchen ist nicht auf den Kopf gefallen und Whytfisk schätzt eine gewisse Intelligenz - bei seinen Männern, wie bei seinen Geiseln... oder Gefangenen. Das reizt ihn. Dummheit ist etwas, das ihn zutiefst anwidert - und unter seiner Würde ist - nicht, daß er jemals einen wirklich wachen, scharfen Geist in seiner Nähe dulden würde. Aus einem ganz bestimmten Grund gibt er sich mit Blutaxt ab, obwohl der Mann außer Weibern und Rum nichts im Schädel hat - doch dieses Geheimnis würde nicht einmal Sithech von seinen bleichen Lippen erfahren. Faradays Bemerkung über ihren Dolch reißt Whytfisk aus seinen Gedanken. "Nein. Und jetzt zieh dich um."
Sie wirft ihm einen unsicheren Blick zu, aber dann wird ihr Gesicht fast trotzig und sie tut, was er befohlen hat. Whytfisk beobachtet vollkommen leidenschaftslos, wie sich die junge Frau umzieht und hält sie für jünger, als er zunächst angenommen hat. Als sie fertig ist, mustert er ihre Aufmachung ebenso ausdruckslos. "Steck dein Haar auf, keine Dienstmagd würde mit gelöstem Haar herumlaufen." Dann nickt er und ruft aus dem Gang eine der Wachen. "Begleite unsere Spionin in die Stadt hinauf. Nehmt den Ausgang zum Hafen, dann schick sie allein los. Wenn sie nicht gehorcht, schneid ihr die Kehle durch. Und du rührst sie nicht an." Er hat den Mann kein einziges Mal angesehen, während er seine Befehle erteilt hat, sein Blick ruht unverwandt auf dem blassen, doch gefaßten Gesicht des Mädchens. So schön. Sie wird ganz wie eine Seharim sein, wenn sie stirbt. "Geht jetzt. Und verschwende keine Zeit."
Kaum hat der Mann Faraday hinausgebracht, kehrt Whytfisk zu dem Jungen zurück. "Bringt ihn in eine der Zellen und kettet ihn an die Wand. Und wenn Fugal auf der Suche nach einem hübschen Stück Arsch ist, warnt ihn. Solange das Mädchen tut, was ihr befohlen wurde, wird er nicht angefaßt. Er bekommt Wasser und Brot, aber verhätschelt ihn nicht. Und schickt mir den Fetten Vailarr, den Alten und Roq. Rorge, meinen Wein." Die Männer schleppen den Jungen hinaus, Rorge reicht ihm einen Kelch mit dunklem Roten vom Ostufer und Whytfisk setzt sich mit raschelndem Umhang auf den hochlehnigen Stuhl hinter dem Tisch. Es dauert nicht lange, bis die herbefohlenen Männer hier sind und nur kurz, bis sie sein Gemach wieder verlassen, um in der Unterstadt ihre Posten zu beziehen und eine Reihe von Befehlen auszuführen... Whytfisk lehnt sich zurück. Bald. Die Sache hat begonnen. Wir säen... und bald werden wir ernten. Und wenn ich dich habe, Nordmann... wenn ich dich habe... gehörst du mir.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 28. Okt. 2004, 01:41 Uhr
Das Warten zieht sich eine schiere Ewigkeit entlang und Tiuri hat, den Kopf an die Wand gelehnt und die Augenlider halb geschlossen, den Blick fest auf die Türe gehaftet. Er hat keine Lust mehr einen der widerlichen Männer im Raum anzusehen und auf sonstige Dinge ist ihm der Blick verstellt. Aber die Türe will und will sich nicht bewegen, nichts passiert. Der Schmerz in seiner Hand pocht im Gleichtakt zu seinem Herzen, laut und fest und er würde dem Ganzen am liebsten gleich ein Ende bereiten. Aber weder hat er die Möglichkeit dazu, noch hätte Tiuri wirklich den Mut sich umzubringen.

Als die Türe schließlich doch aufschwingt, zuckt er kurz zusammen, obwohl er darauf gewartet hat, hat er ja schon fast nicht mehr damit gerechnet, dass sich in nächster Zeit etwas tun wird. Der weiße Mann betritt den Raum, aber Faraday ist nicht bei ihm. Tiuri versucht hinter ihn zu blicken so lange die Türe offen steht, aber er kann nichts sehen. Er wartet, aber sie kommt nicht.
Der weiße Kerl gibt eine Anweisung was ihn betrifft und Tiuri kann sich gar nicht genug konzentrieren und ihm so zuhören, dass er erleichtert ist, dass scheinbar keine schwule Kanalratte über ihn herfallen würde wenn er in später in einem dreckigen Loch an die Wand gekettet ist.
Als ihn die Männer aus dem Raum bugsieren, sieht er sich schnell um, doch er kann Faraday nicht mehr entdecken. Er hat nicht gewagt den Mund zu öffnen so lange der weiße Kerl in der Nähe war, aber mit dem Befehl ihn nicht anzurühren waren die Männer jetzt lange nicht mehr so gefährlich wie zu vor.
"Wo ist sie? Wo hin hat er sie gebracht? Ich will sehn, dass es ihr gut geht bevor ihr mich weg bringt!" ruft er und bleibt einfach stehen. Einer der Männer grunzt ihn an, spuckt neben ihm aus und verpasst ihm einen Tritt, sodass Tiuri nach vorne taumelt und weiter gehen muss.
"Lasst sie mich sehn!" ruft der Junge noch einmal, aber es nutzt ihm alles nichts, die Männer zerren ihn weiter bis Tiuri sich mit einem Ruck los schüttelt und aufrecht weiter geht, schon allein weil ihr Griff an seinem Arm ihn bis in die gebrochenen Finger schmerzt. Er streckt sich und hebt das Kinn an, aber eigentlich hat Tiuri gar nicht mehr die Kraft um gegen irgendjemand zu rebellieren, geschweige denn weg zu laufen. Er gibt nur noch vor Stolz zu haben, Kraft und den Willen sich zu wehren wenn es sein muss. Am liebsten würde er sich hinlegen und schlafen, selbst auf dem dreckigen Boden hier herunten, er fühlt sich schrecklich müde und erschöpft. Außerdem ist er hungrig, aber Tiuri erwartet nicht, dass man ihm noch etwas zu essen geben würde. Brot und Wasser.. aber nicht verhätscheln.
Wenn ich jeden Tag Brot und Wasser bekomme ist das mehr als ich das letzte Jahr über hatte!

Nach einer beinahe endlosen Wanderung durch das Tunnellabyrinth kommen Tiuri und die Männer zu einer dicken Holztüre mit einem stabilen Eisenschloss.
Na großartig, hat mir gerade noch gefehlt!
Die Türe öffnet sich mit einem quietschenden Geräusch und Tiuri bekommt schon ein Beklemmungsgefühl bevor er die Zelle überhaupt betritt. Es gibt nicht viel, außer Feuer, dass der Junge so hasst wie eingesperrt sein in einen engen Raum. Es macht ihn schrecklich nervös. Aber er lässt sich nichts anmerken, todesmutig schreitet er voran, der Versuch zu fliehen wäre einem Todesurteil gleich gekommen.
Warum machen sie das eigentlich? Ich sterbe sowieso, sie werden mich töten und wenn ich Faraday nicht sehen kann und sie mich nicht, was brauchen sie mich als Druckmittel? Sie können genauso gut sagen ich wäre noch am Leben! Als er durch die Türe geht wäre ihm das einen Moment auch fast lieber, dann müsste er nicht eingesperrt sein und der Mann würde ihm nicht die schmerzende Hand in einen Eisenring zwängen. Tiuri sitzt auf dem feuchten Boden und starrt mit leeren Augen zu dem Mann nach oben als der sich umdreht und einfach geht. Die Türe schließt sich und es bleibt nichts zurück außer Dunkelheit.
Doch.. Ratten. Sehen kann Tiuri nichts, aber er hört sie in der Schwärze rund um ihn. Die kleinen Beinchen und die schmalen Krallen auf dem kalten feuchten Boden, wie sie darüber kratzen und wie sie langsam näher kommen.
Trotz alle dem hätte sich Tiuri gerne hingelegt, einfach auf den Boden gelegt, aber die angeketteten Hände verbieten es, zu mindestens so lange die Hand noch schmerzt. Also lehnt er sich gegen die Wand und schließt die Augen. Es dauert nicht lange, da schläft er ein.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 29. Okt. 2004, 15:21 Uhr
Genauso lautlos wie Blutaxt und seine Männer die Kanalisation verlassen haben, so lautlos betreten sie diese auch wieder, mit der Magierin auf Blutaxt Schultern. Der Infomant Taren hatte ihm zwar ihren Namen gesagt, aber Namen sind Schall und Rauch für Blutaxt und bei dem was er mit der Frau vorhatte, waren auch keine Namen wichtig. Immer wieder gleitet Blutaxt Hand über den Körper der Frau, dessen Wärme durch seine dreckige Kleidung dringt. Blutaxt hofft das sein Meister ihn diesmal nicht zurück halten würde, wie bei dieser anderen Kleinen, die der Meister für seine Zwecke braucht. Aber wenn der Meister es verbieten würde, würde Blutaxt sich fügen, auch wenn es ihm überhaupt nicht gefallen würde. Aber er ist sich fast sicher, dass der Meister ihn diesmal gewähren lassen würde, bevor die kleine Hure auf seinen Schultern die gerechte Strafe für drei tote Kanalratten erhalten würde. Ein breites Grinsen zieht über Blutaxt Gesicht und die Vorfreude auf das, was er alles mit dem Körper der Frau anstellen würde, steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

Mit grossen Schritten eilen Blutaxt und seine Männer durch die Gänge der Kanalisation, in denen sich Blutaxt auskennt, wie in seiner eigenen Westentasche, an ein Leben vor der Kanalisation kann er sich nicht erinnern. Die Ratten huschen in dunkle Ecken, als sie die Schritte hören und nur der Fackelschein der Fackel, die einer der Männer hält, erhellt das Dunkel der Gänge. Nahe des Lagers der Kanalratten treffen sie an einer Weggabelung auf einen Wachposten, der sie mit einem kurzen Nicken passieren lässt, um dann wieder von der Dunkelheit verschluckt zu werden. Schliesslich erreichen sie das Lager und Blutaxt fragt eine Kanalratte wo Whytfisk sich aufhält. Er erfährt, dass sein Meister sich in seinem Gemach aufhält und Blutaxt geht mit ausgreifenden Schritten seiner langen Beine in Richtung von Whytfisks Raum. Die Frau auf seinen Schultern ist immer noch bewusstlos, aber er rechnet fast damit das sie bald aufwacht, zumindest regen sich schon wieder einige Muskeln in ihrem Körper, was Blutaxt überdeutlich durch den Stoff seiner Kleidung spührt und ihn noch mehr reizt.

Vor der Tür zum Raum seines Meisters bleibt er stehen und klopft an und wartet bis eine Reaktion von drinnen kommt um dann in den Raum zu treten. Ein breites diabolisches Grinsen liegt auf seinem Gesicht, als er vor seinen Meister tritt und den Kopf senkt. "Ich bringe euch das Mädchen, das unsere drei Männer auf den Richtblock gebracht hat, ..Meister...die Gelegenheit war günstig, wir haben sie alleine im Larisgrün geschnappt." Er lässt die Frau von seiner Schulter gleiten, und lässt sie dann vor Whytfisk Tisch auf dem Boden liegen. "Serge hat sie mit einem Knüppel bewusstlos geschlagen, ohne das sie sich wehren konnte, aber wir sollten vorsichtig sein. Taren sagt sie sei eine Magierin, das hat er zumindest aus einem Gespräch heraus gehört, das er belauschen konnte."

Noch immer hält Blutaxt seine Augen gesenkt, auch wenn sein Kopf sich wieder leicht gehoben hat und wartet auf die Reaktion seines Meisters, von der man nie sicher sein kann, wie sie ausfallen wird, und ob ihm gefällt, was man getan hat, zumal Blutaxt eigenmächtig gehandelt hat, ohne auf die Befehle seines Meisters zu warten.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 29. Okt. 2004, 18:46 Uhr
Fahr zur Hölle oder sonstwo hin. Sie hätte sich denken können, dass sie ihr die Waffe nicht geben würden, aber ein kleines bißchen Hoffnung hatte sie gehabt. Wie als ob ich selbst mit einem Schwert hier irgendetwas ausrichten könnte. Es behagt ihr nicht, so ganz und gar nicht, völlig schutzlos zurück zu gehen. Was immer ihr dort oben geschehen könnte, der Dolch wäre dabei möglicherweise entscheidend gewesen. Was soll's, hol' ich mir 'nen and'ren. Ihr ist immer noch ganz und gar nicht wohl zumute und sie verwirft den Gedanken zu versuchen den widerlichen Kerl um den Finger zu wickeln. Wahrscheinlich würde sie damit eher das Gegenteil erreichen. Er starrt sie an, als sie sich auszieht und ihm den Rücken zugewandt das Kleid über den Kopf streift. Der Stoff ist rauh und juckt auf der Haut und der muffige Geruch macht die Sache nicht angenehmer, aber immerhin ist das hier noch das beste, was ihr passieren konnte. Was uns passieren konnte. Sie hat keine Ahnung, wo sie Jen hingeschafft haben. Es bleibt ihr nichts als dem Mann und seinen Anordnungen zu vertrauen und sie ahnt, dass sein Wort hier alles gilt. Sie werden nich' wagen ihm etwas zu tun, das werden sie einfach nich'. Mit fahrigen Bewegungen knotet sie das Haar zusammen und bindet es mit dem Lederriemen, ehe sie sich wieder umdreht.

>Geht jetzt. Und verschwende keine Zeit.<

Sie schenkt ihrer Wache keine Beachtung sondern verschränkt die Arme vor der Brust und geht hinaus in die Düsternis des Ganges. Der andere verliert kaum ein Wort, aber sie spürt seine Blicke, als er an ihr vorbeigeht. Sie wandern eine Weile durch ein Labyrinth aus feuchten, modrigen Tunneln und erreichen nach einer längeren Zeit dann die Wegkreuzung mit der Luke in der Mitte. Faraday wird das Gefühl nicht los, dass sie mehrmals im Kreis geführt worden ist. "Rein da." Sie folgt seinem Befehl und ab hier kennt sie den Weg ohnehin. Als sie den Boden des Kellers erreicht knallt über ihr das Holz auf den Rahmen. Dann ist Stille.
Es riecht noch nach dem Alkohol, mit dem sie vor nicht allzu langer Zeit ihre Wunden gereinigt haben. Faraday zieht das Haar über den roten Striemen an ihrer Stirn. Die Verletzung würde zuviel Aufmerksamkeit erregen und das will sie um jeden Preis vermeiden. Ohne dem Raum weiter Beachtung zu schenken durchquert sie ihn schließlich zügig und erreicht dann die Treppe, wo sie sich an den langen Aufstieg zum Hafen macht. Jen, ich hol' dich da raus.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 31. Okt. 2004, 16:37 Uhr
Schwärze rund um sie, durch die Emotionen an sie zu dringen suchen: Gedanken, voll Hass, Gewalt, brutaler Lust. Noch schirmt die Bewusstlosigkeit Aurians Geist ab, doch diese schützende Mauer bröckelt immer mehr. Ihr Unterbewusstsein nimmt wahr, dass sie getragen wird, und auch, dass sie sich irgendwo befindet, wo es kein Licht gibt. Auch dringen Gerüche zu ihr durch, die ihr normalerweise Übelkeit bereitet hätten. Doch noch ist der Geist des Mädchens zu umnebelt. Dann wird sie plötzlich unsaft auf dem Boden abgesetzt und diese Erschütterung reisst sie endgültig aus der Schwärze. Mit einem Stöhnen fasst sie sich an den Kopf, der dröhnt als hätte sich ein ganzer Bienenschwarm darin eingenistet. Langsam schlägt sie die Augen auf. Eiskaltes Erschrecken durchfährt sie: Wo eigentlich das Laubdach des Larisgrünes und der nächtliche Himmel der Immerlande hätte sein sollen, ist eine Decke aus Stein und unter ihrem Körper ist nur nackter Boden, kein Moos, kein Laub, kein Gras. Als Aurian den Kopf etwas dreht, entfährt ihr ein erneutes Stöhnen, ob der Schmerzen in ihrem Kopf. Gleichzeitig fühlt sie einen brennenden Blickl auf sich und die Gefühle, die vorher noch durch den Schutzmantel der Ohnmacht gebremst waren, dringen nun direkt zu ihr. Mit aller Macht zwingt sie sich, nicht von den fremden Emotionen überrollt zu werden und stattdessen in die Richtung zu sehen, aus der der brennende Blick zu ihr dringt. Hinter einem Tisch, in einem Stuhl mit hoher Lehen sitzt ein Mann, der sie mit Ausdruck seiner hellen Augen zu durchbohren scheint. Gleichzeitig vernimmt sie hinter sich eine Stimme.>Ich bringe euch das Mädchen, das unsere drei Männer auf den Richtblock gebracht hat...< Der Rest seines Satzes geht unter in ihren sich überschlagenden Gedanken. Die Bilder sind wieder da und für einen erschreckenden Moment glaubt sie sich zurück im Dorf, dem Mob ausgesetzt. Doch der Hass, der in diesem Raum schwält ist kälter, berechnender und grausamer.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 01. Nov. 2004, 09:40 Uhr
Whytfisk legt die langen, schmalen Finger aneinander und schweigt einige Zeit. Dann verziehen sich seine schmalen, blutleeren Lippen zu einem Lächeln, das Milch hätte sauer werden lassen. "Handle nie wieder ohne mich vorher zu informieren," seine ölige Stimme schwappt leise durch die Kammer und versickert in den dunklen, feuchten Ecken aus schwarzgrauem Stein. Blutaxt's Beute sieht er nicht einmal an. "Eine Magierin? Was soll ich mit ihr?" Er wedelt mit den Fingern, als wolle er eine lästige Fliege verjagen. "Schaff sie fort und bring sie um. Und auf dem Weg schickst du mir Zet her, ich brauche seine... Fähigkeiten. Ich hoffe, Taren ist wieder auf seinem Posten. Ihr hättet ihr gleich die Kehle durchschneiden sollen, anstatt sie hierher zu schleppen. Fessle ihr die Hände, stopf ihr einen Knebel in den Mund und ihre Magie nützt ihr gar nichts. Wenn den Männern der Sinn nach weißem Fleisch steht, bring sie in die Halle und laß sie ihnen, ehe du sie umbringst... sieh haben viel vollbracht in den letzten Tagen... was?" Whytfisk blickt auf und bemerkt Blutaxt' gleichzeitig betretenen und gierigen Blick. "Oh... du willst sie für dich?" Einen Moment lang sieht der blasse Mann das gefangene Mädchen an, das gerade wieder zu sich kommt und beschließt, daß es an der Zeit ist, seinem Hund einen Knochen hinzuwerfen. "Dann nimm sie dir, ich habe keine Verwendung für sie und sie ist ohnehin schon tot. Vergiß Zet nicht, es eilt."
Er beobachtet Blutaxts Gesicht, das idiotische Grinsen düsterer Vorfreude, das sich darauf breit macht, die umnebelten Augen des Mädchens, das zu begreifen versucht, in was sie es hineingeraten ist und einen Moment lang kann Whytfisk ihre Angst schmecken. Ein köstlicher Duft, betörender als alle anderen Gerüche, die er kennt - nur ist es nicht ihre Angst, die er will. Er atmet tief ein, um soviel wie möglich davon aufzunehmen, scharf und süss und so... lebendig.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 01. Nov. 2004, 22:18 Uhr
Das Whytfisk so lange schweigt gefällt Blutaxt gar nicht, er blickt noch immer nicht auf und die Haare in seinem Nacken richten sich mit jeder Minute mehr auf, die sein Meister schweigt. >Handle nie wieder ohne mich vorher zu informieren..< Blutaxt schluckt kurz, auch wenn Whytfisk die Worte ruhig gesprochen hat, so liegt ein Unterton in ihnen, die jedem anderen das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen. Aber Blutaxt, weiss, das ihm wohl keine Strafe droht und der Meister wohl doch ganz zufrieden ist, sonst hätte dieser etwas anderes gesagt oder es einfach getan ohne viel Worte zu verlieren. So nickt Blutaxt auch nur zu den Worten und blickt dann endlich auf.

Sein Meister sitzt wie immer auf seinem Stuhl erhaben und keine Regung zeigend, kalt und berechnend, ohne jegliches Gefühl. Blutaxt hatte geahnt, dass er mit der Magierin nichts anfangen wollte, sie war nicht mehr als totes Fleisch für ihn, hübsches totes Fleisch allerdings und als der Meister sagt, er solle sie umbringen oder den Kanalratten zum Frass vorwerfen, huscht für einen Wimpernschlag Enttäuschung über Blutaxt Gesicht, was Whytfisk mit seinen scharfen Augen, nicht entgangen ist. Die nächsten Worte des Meisters lassen Blutaxt Gesicht allerdings eine komplette Wandlung vollziehen, er hatte nicht damit gerechnet, dass er sie ihm geben würde und doch hatte er es getan. Ein breites Grinsen zieht über das schmutzige Gesicht des grossen ungelenken Mannes und die Vorfreude auf kommende Dinge stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Am liebsten würde er Whytfisk dafür die Füsse küssen, aber da er weiss, dass ihm das nur einen Tritt einhandeln würde, lässt er es und bedankt sich nur mit einem Nicken. "Ich werde dafür sorgen, dass sie hier nicht rumzaubert und Zet schicke ich euch gleich. Taren ist längst wieder auf seinem Posten und hält Ausschau nach Neuigkeiten über die zwei..." Mehr sagt Blutaxt nicht, der Meister und er wussten über wen sie redeten und alleine die beiden Namen liessen in Blutaxt die Wut über das Geschehene wieder aufkeimen, kalte Wut, wie Whytfisk immer sagte, die Blutaxt noch mehr dazu antreibt, seinen Unmut an dem Mädchen vor ihm aus zu lassen. Sie würde leiden für all das, was die anderen ihm und seinem Meister angetan hatten und auch dafür was sie den drei Kanalratten, seinen Brüdern im Geist, angetan hatte.

Das Mädchen vor ihm bewegt sich und er beeilt sich, sie wieder auf seine Schulter zu packen, ehe es sich der meister doch noch anders überlegt. Der Meister nickt ihm zu und Blutaxt weiss, das er entlassen ist. Anscheinend ist das Mädchen immer noch nicht ganz wach und eilig verlässt er das Gemach seines Meisters. Draussen vor der Tür lässt er seinen schmutzigen Finger erneut über die Rundungen des Frauenkörpers gleiten." Sei still und mach nichts, was mich dazu bringt dir doch noch die Kehle durchzuschneiden, ehe ich meine Freude mit dir hatte. Also halt die Klappe und versuch nicht zu fliehen, du würdest eh nicht weit kommen." Ein leises Stöhnen ist die einzige Antwort, ehe Blutaxt das Mädchen in seinen Raum bringt, sie dort an Beinen und Händen fesselt und ihr einen Knebel in den Mund steckt.

"Schön artig sein, ich bleib nicht lange weg und dann werden wir beide ein wenig Spass miteinander haben." Das Grinsen in seinem Gesicht zeigt deutlich welchen Spass er damit meint. Er wirft noch einen kurzen Blick auf das gut verschnürte Paket der Frau und macht sich dann auf den Weg um Zet zu suchen und ihn zu Whytfisk zu schicken. Blutaxt braucht nicht lange zu suchen, er findet Zet in der grossen Halle und schickt ihn umgehend zu seinem Meister. Danach kehrt er in sein Zimmer zurück, wo die Frau immer noch so daliegt, wie er sie verlassen hatte, nur das ihre Augen jetzt geöffnet sind und sich ihre Angst deutlich in ihnen widerspiegelt, was die Vorfreude für Blutaxt nur noch mehr steigert und sich wieder das breite schmierige Grinsen auf seinem dreckigen Gesicht abzeichnet.


Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 02. Nov. 2004, 06:38 Uhr
All das Geschehen in diesen Räumen kommt Aurian so unwirklich vor. Das ist  nur ein Alptraum, aus dem du gleich erwachen wirst! versucht sie sich einzureden, doch sie weiß, dass dem nicht so ist. Der Schmerz in ihrem Kopf ist zu real, auch wenn er nun langsam abklingt. >Dann nimm sie dir, ich habe keine Verwendung für sie und sie ist ohnehin schon tot.< Diese Worte lassen ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ihr Blick huscht zu dem Mann, auf dessen Schultern sie hierher gekommen ist und ihre Augen treffen auf den lüstern, gierigen Blick eines großen, ungewaschenen Kerls, der sie mit den Gedanken auszuziehen scheint. Unbewusst will sie sich zusammenrollen, um sich zu schützen, doch sie wird erneut wie ein Sack geschultert. Schmierige Hände gleiten über Aurians Körper, und alles in ihr schreit danach sich zu wehren. Doch der Griff ist zu fest.

Die Erschütterung des Hochgehoben werdens umnebelt ihren Geist wieder etwas und als sie schließlich ganz zu sich kommt, befindet sie sich in einer dreckigen Kammer, an Händen und Füssen gefesselt, ein schmutziges Tuch als Knebel im Mund, dessen Geschmack ihr Brechreiz verursacht. Eben öffnet sich die Tür und der lange Kerl von vorhin tritt in den Raum. Nackte Angst beschleicht Aurian. Er hätte seine Gedanken nicht so auf seinem Gesicht tragen müssen, seine Emotionen und Gefühle sprechen Bände: gierig, lüstern, brutal. Und unterschwelliger Hass, kalt und gefährlich. Aurian versucht etwas weiter von ihm weg zu rutschen, was ihr auch gelingt, doch sie kommt nicht weit, den schon stösst sie mit dem Rücken gegen die Wand. Der Mann kommt mit einem schmierigen Grinsen im Gesicht langsam auf sie zu und nichts war je schlimmer als sein Blick, seine Gedanken und Gefühle. Mit einem Mal ist ein Messer in seiner Hand, dass er vor ihren Augen hin und her dreht. >Eine Menge Spaß, oja...!< Beim Klang seiner Stimme dreht sich ihr erneut beinahe der Magen um. Sie kann sich nur zu genau vorstellen, welche Art von Spaß er meint. Panik sucht sich ihrer zu bemächtigen und ihre Magie zerrt an den unsichtbaren Fesseln, die sie in ihrem Inneren halten. Doch die Gedanken ihres Gegenübers treffen mit solcher Intensität auf sie, dass sie gelähmt wie das Kaninchen vor der Schlange da sitzt, nicht nur wegen der Fesseln unfähig sich zu bewegen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 02. Nov. 2004, 21:13 Uhr
In Blutaxt Zimmer


Das Messer war wie von selbst in Blutaxt Hand gewandert und es scheint fast so als wäre es ein Teil von ihm, so sicher wie er damit spielt. Und er spielt nicht nur mit dem Messer in seiner Hand, sondern auch mit der Angst, die er in den Augen der Frau sieht, und die sein Blut schneller durch seine Adern fliessen lässt. Er ist sich noch nicht sicher, ob er sie von dem Knebel befreien würde, eine unterschwellige Angst sie könne dann Magie einsetzen, gegen die er machtlos wäre, lässt ihn zögern, Allerdings würde das den Spass auch schmälern. Die Fesseln an den Füssen würde er ihr wegnehmen, aber die an den Händen auf keinen Fall, nach allem was er von dem Zwischenfall am Strand gehört hat, soll sie mir den Händen irgendetwas gemacht haben, und ihre Hände brauchte er nun wirklich nicht für das was er vor hat mit ihr.

Blutaxt geht mit ruhigen Schritten auf die Frau zu, er scheint belanglos auf sie herab zu sehen, doch das Funkeln in seinen Augen verrät ihn. Die Frau ist bis an die Wand gerutscht, von der aus es kein Entkommen mehr für sie geben würde. Die Wände seinens Zimmers sind wie alle Wände hier unten mit dem Dreck der vielen Jahre überzogen und Spinnen haben sich in den Ecken ihre Netze gebaut.  Eine Ratte huscht kurz durch das Zimmer und Blutaxt schenkt ihr nur einen kurzen Blick.

Na willst auch deinen Spass haben kleiner Bruder , hm? Willst zusehen was? Na dann bleib hier und sieh zu, was ich tun werde, es wird dir sicher gefallen, genauso wie mir. Ein kurzes Grinsen huscht über sein Gesicht ehe er sich wieder zu der Frau dreht und mit einem begehrlichen Blick, aber ansonsten ausdrucklosem Gesicht, auf sie herab sieht. Er weiss das dies ihre Angst nur schüren wird, und er kann sie schon riechen, die Angst, die sie ausschwitzt und die sich im ganzen Raum breit macht und an der er sich weidet. Das Messer liegt nun ruhig in seiner Hand als er neben der Frau in die Hocke geht. Seine Stimme ist kalt und doch schwingt ein begehrlicher Ton in ihr mit.

"Ich weiss nicht ob du eben gehört hast was ich dir gesagt habe, oder was der Meister gesagt hat. Aber sei dir sicher, wenn ich nicht gewesen wäre, wärst du jetzt schon in Sitechs Hallen. Also sei lieb zu mir und du kannst noch einige Tage leben, solltest du es nicht sein, und ich finde keinen Spass an dir, wird dein Leben nicht mehr viel wert sein oder gar nichts mehr wert sein. Dann werden die anderen Ratten noch ihren Spass an dir haben, ehe ich dir die Kehle durchschneiden werde. Überleg es dir also gut." Während er gesprochen hat, hat Blutaxt die Messerspitze auf die Wange der Frau gesetzt und ist mit leichtem Druck, ohne aber die Haut anzuritzen, ihre Wange entlang gefahren, bis hinunter zu ihrem Hals, wo er genau über ihrer Kehle, den Weg der Klinge stoppt. "Aber wie es aussieht hast du eh keine Wahl, ich werde mir nehmen, was ich will, ohne das du auch nur irgendetwas dagegen machen kannst." Ein hämisches Grinsen zieht sich kurz über sein Gesicht, ehe er das Messer weiter nach unten wandern lässt, wo es auf die Schnüre des Hemdes trifft und sie leicht wie Butter durchschneidet. Doch dann hakt die Klinge und sein Blick wandert von dem Gesicht der Frau, vielmehr ist es noch ein Mädchen, zu ihrer Brust hinunter. Die Klinge hat an einem Stein halt gemacht, der im schummrigen Licht der Fackeln glänzt. "Na was haben wir denn da, ein schönes Schmuckstück, das wirst du hier unten kaum gebrauchen können." Mit einer schnellen Bewegung seiner Hand, durchtrennt er das schwarze Lederband an dem der Stein hängt, er bleibt auf der weissen Haut des Mädchens liegen und hebt und senkt sich mit jedem ihrer schnellen Atemzüge, langsam lässt Blutaxt seine Finger vom Hals aus über die weiche Haut gleiten, bis sie nach dem Stein greifen, den er in einem Beutel, der an seinem Gürtel hängt, verschwinden lässt. "Ich bin gespannt was du mir noch zu bieten hast."

Ganz langsam und ohne jede Eile, jeden Wimpernschlag auskostend, lässt er das Messer weiter über die Haut gleiten, schiebt den Stoff weiter zur Seite und immer mehr zarte weisse Haut ist für seinen begehrlichen Blick zu sehen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 02. Nov. 2004, 21:52 Uhr
Aurians Augen folgen der Gestalt, die sich, an ihrer Angst weidend, ihr nähert. Alles an dem Mann ist abstossend: sein fettiges, rotes Haar, die Bartstopeln in dem ungewaschenen Gesicht, die das lüsterne Grinsen noch verstärken. Penetranter Gestank nach Kanalisation, Dreck und anderen, undefinierbaren Dingen entströmt seiner Kleidung und jeder seiner Poren. Sein Atem stinkt nach Rum, Aurian kann den heißen, gierigen Hauch auf ihrer Haut spüren, als er sich über sie beugt. Das Messer fährt über ihre Haut, die Konturen ihres Gesichtes entlang und zerschneidet die Verschnürungen an ihrer Bluse. Plötzlich stockt seine Bewegung: Die Messerspitze ist an den Stein gestossen. In die Lüsternheit des Blickes mischt sich kalte Habgier, als er das Schmuckstück an sich nimmt. Wut kommt in Aurian auf Lass deine Finger davon, verdammter Kerl! Doch sie kann ihm diese Gedanken nicht ins Gesicht schreien, denn sie ist noch immer geknebelt. Und ihre Wut ist auch nur von kurzer Dauer, denn immer weiter wandert das Messer durch die Verschnürungen, lässt ihr Herz wie verrückt rasen und kalter Angstschweiß tritt auf ihre Haut. Die Bluse rutscht immer weiter auseinander und eine Gänsehaut kriecht über ihre Haut. Wie kalt es hier ist! Dieser völlig unsinnige Gedanke schießt durch ihren Kopf. >Denk dran, schön lieb sein!< Mit diesen Worten reißt ihr der große Kerl den Knebel vom Gesicht, jedoch nur um sie brutal zu küssen. Dabei fasst seine Hand in ihre schwarze Mähne und zwingt sie so, ihn anzusehen, während seine andere auf ihrer nun entblösten Brust zu liegen kommt. Aurians Atem fliegt; noch nie war ihr ein Mann so nahe gekommen und nun, sie weiß was kommen wird, doch immer noch hegt sie die verzweifelte Hoffnung aus diesem Alptraum zu erwachen. Ekelerregender Rumgestankt weht ihr entgegen, der ihr einen Brechreiz bescherrt. Dieser wird aber von einem weiteren brutalen Kuss erstickt. Aus einem verzweifelten Reflex heraus spuckt Aurian dem rothaarigen Kerl ins Gesicht. Wild funkelt sie ihn an und doch, in ihren Augen klimmt die nackte Angst. In ihrem Inneren zerrt die Magie an den Fesseln, die sie halten, doch die Kräfte sind nicht stark genug, hervorzubrechen.  

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 03. Nov. 2004, 20:34 Uhr
Blutaxt nimmt sich was er will von dem Mädchen, auch wenn er merkt, dass sie sich innerlich wehrt und verzweifelt an ihren Fesseln rüttelt, aber das ist ihm egal, es heizt ihn eher noch an. Die Haut des Mädchens ist weich und warm, und sie erzittert unter jeder seiner Berührungen. Ganz anders als die Huren hier unten in der Stadt, die schon lange keine Gefühlsregungen mehr zeigen. Umso mehr macht es Blutaxt Spass, dieses Mädchen zu nehmen grade wie er will. Zwar hatte er gedacht, sie würde sich ihm willig hingeben, schliesslich verdankte sie ihm sein Leben, aber die Gegenwehr die sie deutlich zeigt, ist ihm fast noch lieber.

Seine Küsse sind brutal und leicht springt ihre Lippe auf und er kann ihr Blut schmecken, was im Gegenzug sein Blut nur noch schneller durch seine Adern rauschen lässt. Das Messer liegt noch immer in seiner Hand, die sich in ihren Nacken geschoben hat, während seine Andere Hand über ihre Rundungen gleitet, die längst vom Stoff befreit sind, die sie bisher versteckt hatten. Als er sich kurz aufrichtet, um die Angst in ihren Augen zu sehen und sich an ihr zu weiden, spuckt sie ihm ins Gesicht. Mit einem breiten Grinsen, wischt er sich die Spucke weg. "Ist das deine ganze Magie, die du zu bieten hast, die wird dir nicht viel helfen und schreinen brauchst du auch nicht, hier unten wird sich keiner drum kümmern, obwohl mir sind Wildkatzen ganz recht, also schrei ruhig wenn du willst." Ein breites Grinsen zieht sich über sein Gesicht und er setzt das Messer wieder auf die Haut des Mädchens, wo er es ihr Brustbein entlang fahren lässt um auch noch den Rest des Hemdes zu zerschneiden.

Er sieht wie sie zittert und das erregt ihn nur noch mehr, das, die Angst, die im ganzen Raum zu riechen ist, und ihre weiche weisse Haut, lassen ihn alles andere an Gedanken ausschalten. Er könnte jetzt sofort über sie herfallen, aber das würde seinen Spass mindern, er will sie leiden sehen, sich winden, ihre Angst auskosten bis zum Letzten. Schliesslich ist das Hemd ganz durchtrennt und mit dem Meser schiebt er die Seiten des Hemdes leicht über die Haut des Mädchens, lässt es wieder nach unten wandern, wo er dann den Gürtel ihrer Hose durchschneidet. Dann blickt er ihr wieder ins Gesicht und ein Grinsen erscheint gleichzeitig auf seinem. Er sieht wie sie die Augen schliesst, um ihn nicht ansehen zu müssen, gleichzeitig beugt er sich wieder zu ihr, küsst sie ohne jegliches Gefühl nur durch den Trieb geleitet, während seine Hand unter den Bund ihrer Hose gleitet.


Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 03. Nov. 2004, 21:19 Uhr
Unter der Gewalt seiner Küsse springt Aurians Lippe. Eine schmale Blutspur rinnt über ihr Gesicht, sie kann ihr Blut schmecken, das sich mit einer einzelnen Träne vermischt. Immer weiter wandert das Messer über ihren Körper, trifft auf die eben erst verheilte Narbe an ihrer Seite. >Sieh an!< Ein bösartiges Grinsen begleitet seine Worte und kalter Hass spricht aus seinen Augen. Aus den Augenwinkeln registriert das Mädchen eine Ratte, die sie zu fixieren scheint, als wolle sie sich an ihren Qualen weiden. Verdammtes Biest verschwinde, lass mir wenigstens die Gewissheit allein zu sein, wenn du mir schon nicht hilfst. Doch das Tier reckt nur neugierig den Hals und Aurian schließt die Augen; zum einen um ihren Peiniger nicht ansehen zu müssen, zum anderen, weil sie in ihrer Verzweiflung versucht, sich in eine von Maesters Meditationen zu fliehen, um von allem nichts mitzubekommen.

Mit einem Mal spürt sie seine Hand in ihrer Hose. Längst hat sie die Augen geschlossen um ihn nicht ansehen zu müssen. Diese Berührung bringt sie brutal zurück in die Realität. Beinahe reflexartig reisst sie die Augen auf, eben in dem Moment als er sie erneut voll gieriger Lust küsst. Seine eine Hand ist immer noch mit eisenem Griff in ihrem Haar, während die andere gierig ihren Körper betatscht. >so schön und rein...noch!< Die freie Hand fährt nun über ihr Gesicht und aus einem Reflex heraus beisst sie zu. Ekel überkommt sie, als sich ihre Zähne in seine Haut bohren, doch sie handelt nur mehr aus Instinkt, getrieben von dem Wunsch, dem Unausweichlichen doch noch zu entkommen. Das ihre Gegenwehr ihn noch mehr reizen könnte, daran denkt sie nicht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 06. Nov. 2004, 21:36 Uhr
Blutaxt streicht gerade mit der Hand, die er langsam über ihren Körper gezogen hatte, durch das Gesicht des Mädchens, zieht die noch frische Blutspur nach, die von ihrem Lippen ausgeht, als ihn plötzlich ein Schmerz durchfährt und er für einen Moment erstarrt, bis er merkt, dass sie ihn gebissen hat. Das diabolische Lächeln verschwindet schlagartig aus seinem Gesicht und reflexartig ballt er die gebissene Hand zur Faust und schlägt zu. Das Geräusch ihrer Zähne, die übereinander knirschen, klingt als einziges durch den Raum und ein Stöhnen, das ihren Lippen entweicht, die nun endgültig aufgesprungen sind. Ein weiterer viel breiterer Faden Blut rinnt über ihr Kinn und grenzt sich krass von ihrer weissen Haut ab.

"Mach das nie wieder, wenn dir dein Gesicht was wert ist und du es nicht voller Narben haben willst, ehe du in Sitechs Reich eingehst." Seine Stimme ist leise - viel zu leise - und ihr klirrend kalter Unterton macht deutlich das er meint was er sagt. Er greift wieder nach dem Knebel und mit roher Gewalt, ohne auf die aufgesprungene Lippe zu achten, knebelt er das Mädchen wieder. "Du willst es ja nicht anders, dann eben so."

Schliesslich packt er sie, nimmt sie auf seine Arme und wirft sie achtlos auf das schmutzige klapprige Bett im  Raum. Keinen Augenblick später ist er bei ihr, zieht ihr grob die Hose bis auf die Fussgelenke, die durch den Wurf schon einen Teil herunter gerutscht war. Seine Hände sind gierig und von der anfänglichen Gelassenheit, die er gezeigt hat, ist nun nicht mehr viel da. Er verzichtet darauf ihre Angst noch weiter zu schüren und der Biss, den sie ihm zugefügt hat, pocht unablässig in seiner Hand und lässt ihn noch brutaler werden. Er merkt wie sich ihr ganzer Körper verkrampft, sich wehrt mit jeder Faser, was ihn nur noch mehr anstachelt, und er sich mit roher Gewalt nimmt, wonach ihm gelüstet.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 06. Nov. 2004, 22:10 Uhr
Als ihr Kopf durch die Wucht des Schlages gegen die Wand schlägt, wirbeln tausend Sterne vor ihr. Gleichzeitig spürt sie ein scharfes Brennen in ihrer Lippe, das sie unwillkürlich aufstöhnen lässt. Doch schon schmeckt sie wieder den Geschmack des schmutzigen Knebels und die rohe Gewalt, mit der dieser ihr in den Mund gepresst wird, reisst die Wunden nur weiter auf. Der Blick des Mannes ist voll kalter Wut und seine leise, eiskalte Stimme zerschneidet den Raum. Die Ratte, die zuvor noch in der Ecke des Raumes gesessen hatte, war bei seinem Wutausbruch in ihrem Loch verschwunden, als fürchte sie, das nächste Opfer zu sein. Doch er hat keine Augen für das Tier, all sei Tun ist auf das Mädchen vor ihm gerichtet.

>Du willst es ja nicht anders, dann eben so.< Sie begreift den Sinn seiner Worte nicht, noch nicht. Wie eine Puppe wird Aurian hochgehoben und auf das Bett geworfen, dass bedrohlich knarrt. Dann geht alles ganz schnell und doch quälend langsam. Gierige Hände zerren an den Resten ihrer ohnehin schon zerrissenen und zerschnittenen Kleider und in ihrem entblössten Rücken spürrt sie das Stroh der Unterlage stechen. Sein rumdurchtränkter Atem dringt an ihr Ohr und dann spürt sie sein Gewicht auf sich, schwer ihr den Atem raubend. Am Rande nimmt sie ein erneutes protestierendes Knarren der Bettstatt wahr. Ihr ganzer Körper wehrt sich, bäumt sich auf, doch ihr Peiniger ist zu stark. Angst, Panik breiten sich in ihr aus und innerlich reissen ihre magischen Seiten an ihren Fesseln. Sie spürt das Brennen in ihren Fingern, das jene lämenden Blitze begleitet, die ihr schon dreimal das Leben gerettet hatten. Doch ihre Arme sind auf den Rücken gesesselt und nicht nur ihr eigenes Gewicht, auch das des rothaarigen Kerls drücken sie in die Strohunterlage und hindern sie so daran, die rettenden Energien frei zu setzen. Wie ein gefangenes, wildes Tier brüllt es in ihr und zerrt an den Fesseln. Und dann versinkt alles um sie herum plötzlich in einer unsagbaren Woge des Schmerzes. Der Knebel hindert sie daran, die Qualen herauszuschreien doch in ihren weit aufgerissenen Augen ist die Pein nur zu deutlich zu lesen. Und Hass, unsagbarer Hass auf den Mann, der ihr in diesen Momenten mehr Leid bereitet, als ihr in ihrem gesamten bisherigen Leben widerfahren ist. Die Minuten gleichen einer Ewigkeit, bis er endlich von ihr ablässt und sie mit einem schmutzigen Grinsen betrachtet. Eine einsame Träne rinnt über ihr Gesicht; das Salz brennt in der Wunde an ihrer Lippe. Aurian versucht sich zusammenzurollen, um den Blicken ihres Peinigers auszuweichen, der sich an ihrer Qual weidet. Warum, warum nur?

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 07. Nov. 2004, 12:57 Uhr
Irgendwie ist es nicht so wie Butaxt sich das vorgestellt hat, er hätte mit mehr Widerstand gerechnet, was in nur noch mehr gereizt hätte und sein Blut noch schneller durch die Adern hätte fliessen lassen. Aber sie windet sich nur unter ihm ohne wirkliche Gegenwehr. Der einzige Augeblick, der ihm wirkliche Befriedigung bringt, ist der, als er feststellt das sie noch Jungfrau ist, was ihm ein diabolisches Grinsen auf das Gesicht bringt. Doch dann ist es auch schon vorbei under wendet sich von dem Mädchen ab, das zitternd und nackt unter ihm liegt.

Er beachtet sie mit keinem Blick, als er sich wieder seine dreckige Hose hochzieht und nach der Flasche Rum greift um einen kräftigen Schluck zu nehmen. Dann dreht er sich doch um und blickt mit einem verachtenden Blick auf den zitternden Körper. "Besonders war das nicht und ich überlege, ob ich dir nicht direkt die Kehle durchschneiden sollte, die anderen werden genauso wenig Freude an dir haben wie ich. Selbst die schlechteste Hure hier unten ist besser als du." Er trinkt noch einen Schluck Rum und spuckt einen Teil verachtend neben das Mädchen auf den Boden. " Aber was will man von so einem Kind wie dir schon erwarten. Vielleicht lass ich dich doch noch am Leben und bring dir bei, wie man sich richtig bewegt." Der Ton seiner Stimme ist abwertend und hämisch. Dann stellt er die Flasche Rum wieder weg und tritt an das Bett. Ohne ein weiteres Wort wirft er sich den Frauenkörper über die Schulter und ohne ihn irgendwie zu bedecken, verlässt er sein Zimmer und geht mit grossen Schritten in Richtung des Zellentraktes.

Das Grinsen der Kanalratten, die ihm begegnen auf dem Weg, und deren johlen, quittiert er nur mit einem breiten Grinsen. Schliesslich erreicht er eine der Zellen und betritt sie. Achtlos wirft er das Mädchen auf den Boden der Zelle, in der sich nichts befindet ausser ein paar eisernen Fesseln an einer der Wände. " Ich lass dich noch eine Weile am Leben, vielleicht überlegst du es dir ja und bist das nächste Mal nicht so steif wie ein Brett." Er spuckt noch einmal neben das Mädchen und verlässt dann den Raum ohne ihre Fesseln zu lösen. Hinter ihm fällt die Tür ins Schloss und die Riegel schnappen zu, die er mit einem Hängeschloss verschliesst. Irgendwann später würde er jemanden zu ihr schicken, der ihr die Fussfesseln löst und etwas trockenes Brot und Wasser bringt. Verhungern lassen wollte er sie shcliesslich nicht, ein wenig Spass würde er sich noch mit ihr gönnen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 07. Nov. 2004, 13:34 Uhr
>...ich überlege, ob ich dir nicht direkt die Kehle durchschneiden sollte...< Warum tust du es nicht einfach? Warum erlöst du mich nicht einfach? In diesem Moment, als sie ihm nackt und hilfls ausgeliefert ist, will sie nur sterben. Doch das ist ihr nicht vergönnt und seine nächsten Worte lassen ihr Blut gefrieren. >... bring dir bei, wie man sich richtig bewegt.< Nein! Es darf sich nicht wiederholen, nein niemals. Ihr geschundener Körper schreit auf, als er sie wieder wie einen Sack über die Schulter wirft. Was nun kommt, gleicht einem Spießrutenlauf, der schlimmer nicht sein kann: Der rothaarige Kerl trägt sie durch die Gänge zu einer der Zellen, jedoch ohne ihr auch nur ihr Hemd zu geben. Aurian hält die Augen geschlossen, um wenigstens die Gesichter der anderen Männer nicht sehen zu müssen. Gegen die johlenden und grölenden Stimmen kann sie sich ohnedies nicht schützen. Nicht einmal mehr Tränen hat sie, diese sind unter den Qualen der vergangenen Stunde versiegt.
Als er sie achtlos auf den steinenen Boden der Zelle fallen lässt, fährt ein brennender Schmerz durch ihre Schulter: Sie hat, so gefesselt wie sie ist, keine Chance, sich irgendwie abzufangen und prallt somit ungebremst auf. Eine schmerzhafte Prellung ist die Folge. Während ihr Peiniger die Zelle verlässt und hinter sich die Tür verriegelt, kriecht das Mädchen in eine Ecke, wo sie sich so gut es geht, trotz ihrer Fesseln zusammenrollt. Sie hat das Gefühl nur aus Schmerz zu bestehen, innerlich zu verbrennen und äusserlich zu erfrieren. Nie wieder, nie wieder würde sie einen Mann wieder freiwillig so nahe an sich heranlassen. Eher würde sie ihn umbringen, oder sich selbst. Aurian versucht, sich noch mehr zusammenzurollen, doch jede Bewegung verursacht ihr unsägliche Schmerzen und so verharrt sie regungslos in der Dunkelheit und Stille der Zelle, die nur durchbrochen wird von dem scharrenden Geräusch der Ratten, die über den Boden huschen und sie mit rotglühenden Augen fixieren.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 07. Nov. 2004, 18:08 Uhr
Tiuri erwacht irgendwann als er zur Seite rutscht und sich seine eigene Hand einklemmt. Der Schmerz durchfährt ihn hinauf bis zur Schulter und er ist mit einem Schlag hell wach. Das Gefühl in der völligen Dunkelheit, eingesperrt in einem kleinen Raum ist schier unerträglich für Tiuri. Er schließt die Augen, doch das macht keinen Unterschied, er schließt und öffnet sie so oft hintereinander, bis er sich nicht mehr sicher ist, ob sie nun offen sind oder nicht.
Der Junge versucht sich auf die anderen Dinge in diesem Raum zu konzentrieren, will sich auf die Sinne verlassen die ihm noch bleiben.
Er spürt... Feuchtigkeit, der erdige Boden auf dem er sitzt ist feucht und Tiuri fröstelt. Die Wand an der er lehnt ist aus Stein, das hatte er auch sehen können als die Männer ihn hergebracht hatten. Es ist schrecklich kalt an seinem Rücken und das beklemmende Gefühl in ihm wird durch die eisernen Ketten noch verstärkt.
Er riecht... Es stinkt, nach all der Zeit die Tiuri hier nun schon sitzen muss, kann er sich an den widerlichen Geruch nicht gewöhnen und er fragt sich langsam aber sicher was eigentlich mit seiner Notdurft passieren soll, ob ihn jemand hier heraus holt wenn er ruft, oder ob man ihn einfach hier lässt und ihm keine andere Wahl bleibt seine Notdurft dort zu verrichten wo er sitzt, wie ein angekettetes Tier.
Nie wieder werde ich ein Tier anbinden! denkt er und im gleichen Moment lacht er fast schon auf, denn eigentlich glaubt Tiuri nicht, dass er hier jemals wieder hinaus kommt.
Als letzte Möglichkeit hört er völlig konzentriert in den Raum hinein, einen Augenblick setzt sein Atem aus, damit ihn auch nichts dabei stört. Irgendwo tropft Wasser, die Ratten fiepen und ihre kleinen Füße auf dem Boden machen leise Geräusche. Von draußen dringt nichts herein.
Der Raum könnte winzig sein, oder riesig, wer weiß! Vielleicht liegen hier schon ein Haufen Skelette herum und ich bin der nächste! Kurz will ihn die Panik packen und er versucht aufzuspringen, was aber natürlich nicht funktioniert und mit einem kurzen Schmerzenslaut sinkt er wieder zurück auf den Boden.

Um nicht in völliger Leere zu sitzen stellt sich Tiuri die Wände um sich herum vor. Sie pulsieren, mal sind sie unendlich weit von ihm entfernt, mal sind sie so nahe, dass er kaum den Fuß ausstrecken kann. Der Junge kauert sich zusammen und schließt die Augen, damit er die Wände, die er eben noch herbei gewünscht hat, nicht mehr sehen muss. Trotzdem kann er sich dem Gefühl nicht erwehren, dass sie auf ihn zu kommen, ihn zerquetschen suchen und unter den schweren Steinen begraben wollen.
Sein Magen knurrt und Tiuri weiß nicht mehr wie er sich ablenken soll, leise beginnt er Kinderlieder zu summen, woher er sie kennt weiß er nicht, sie kommen ihm einfach in den Sinn, sind da, als wären sie nie fort gewesen.
"Wer bin ich?" Er ruft es fast schon hinaus und die Worte hallen in seinen Ohren wider, aber die Antwort bleibt wie immer aus. Die Angst hier zu sterben und niemals zu erfahren wer er eigentlich ist, völlig alleine hier, ohne Familie ohne Freunde, packt ihn wie eine kalte, knochige Hand und er schreit so laut er kann.
Die Ratten verkriechen sich ängstlich in ihren Löchern, eine solche Störung sind sie nicht gewohnt.
Tiuri verstummt, aber sein Atem geht schnell und er blickt in die Dunkelheit wie ein gehetztes Tier.
Nicht die Nerven verlieren, nicht die Nerven verlieren... Faraday kommt und holt dich hier heraus, sie wird uns retten, sie wird kommen, alles wird gut, sie bringen dir essen, bald, du stehst das durch, du kennst schlimmere Schmerze, größere Ungewissheit.
Lange redet Tiuri sich diese Sachen ein, bis er irgendwann tatsächlich wieder relativ ruhig da sitzen kann. Die Hände noch immer hinter seinem Rücken, die Beine weit von sich gestreckt lehnt er an der Wand, bis sich zum ersten Mal die Türe öffnet und ein schmaler Lichtstrahl herein dringt.
Kommen sie um mich zu töten? Oder um mir etwas zu essen zu bringen?
Tiuri muss kurz die Augen zusammen kneifen gegen das Licht, von dem sich eine große dunkle Gestalt abhebt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 09. Nov. 2004, 20:35 Uhr
Aurian hat keine Ahnung wie lange sie so zusammengerollt und regungslos am kalten Boden der Zelle gelegen hat. Sind es Minuten, Stunden, sie weiß es nicht. Immer wieder dringen die grausamen Bilder der letzten Stunden zu ihr vor und vergeblich versucht sie sich in eine von Maester Malakeis Meditationen zu flüchten. Jede noch so kleine Bewegung verursacht ihr Schmerzen und zu dem kommt das Gefühl der Demütigung. Schmutzig, sie fühlt sich so schmutzig, von einer Art, dass selbst Wasser nicht helfen könnte. Am liebsten würde sie ihre Qual herausschreien, doch nicht einmal das ist ihr vergönnt, denn noch immer ist der Knebel in ihrem Mund. Tränen, Tränen hat sie keine. So liegt sie still, beobachtet von den Ratten.
Irgendwan hört sie ein Klicken, das aus Richtung der Tür kommt. Das Mädchen zuckt zusammen. Nein, nicht nochmal! Trotz der Schmerzen ihres geschundenen Körpers schafft sie es, etwas weiter Richtungg Wand zu rutschen, nicht darauf achtend, dass der rauhe Steinboden ihr die Haut abscherrt. Panisch starrt sie in die Richtung aus der nun ein Quitschen an ihr Ohr dringt und ein schmaler hellerer Streifen in die Zelle fällt. Doch es ist nicht ihr Peiniger von vorhin, der den Raum betritt, sondern ein kleiner, untersetzter Kerl. Schon aus der Entfernung kann Aurian den Gestank von Kloake und Rum wahrnehmen und heftigst rebelliert ihr Magen. Langsam kommt der Mann auf sie zu, mustert sie mit kalten Augen. "Der Chef hat gesagt, ich soll dir was zu essen bringen. Und das da!" Bei seinen letzten Worten wirft er ihr ein dreckiges Stück Stoff ins Gesicht. Eine Schale und einen Zinken Brot hat er schon zuvor auf den Boden gestellt. Grob packt er sie an der ohnehin geprellten Schulter. "Die Männer, die wegen dir als Rabenfutter geendet sind, waren meine Freunde, du kleine Hure." Kalte Augen starren sie an und dann, dann spürt sie einen Schmerz in der Magengegend, der ihr den Atem raubt: Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit war ihr die Faust in den Magen gerammt worden. Noch wärend sie nach Luft schnappt, spürt sie, wie ihr die Fesseln von den Händen gelöst werden. "Da, zieh das an!" Der Fetzen von vorhin entpuppt sich als dreckiges Hemd, das dem Mädchen viel zu groß ist. Aber es bedeckt ihre Blösse und allein dafür ist sie in diesem Momnet schon dankbar, fühlt sie sich nun nicht mehr gar so schutzlos. Die eisenen, in die Wand eingelassenen Ketten geben ein vernehmliches Klicken von sich, als ihre Hände an die Mauer gekettet werden. Der Kerl blickt sie noch einmal voll Hass an, wendet sich dann ab, jedoch nicht ohne ihr vorher noch einen weiteren Tritt zu verpassen. "Weiss ja nich', was der Chef an dir findet. Der Bengel von nebenan wär mir lieber!" brummelt er beim Hinausgehen. Dann fällt die Tür wieder ins Schloss.
Aurian verharrt noch einen Moment, ehe sie sich vorsichtig bewegt. Die brutale Behandlung hat ihr weitere Prellungen eingebracht. Unter größter Anstrengung schafft sie es, sich von dem Knebel zu befreien. Die Ketten sind gerade lang genug, um sie das Brot und das Wasser erreichen zulassen, doch sie versucht es nicht einmal. Kalte Verzweiflung bemächtigt sich ihrer. Was war nur geschehen? Warum? Erneut zieht sie die Beine an den Körper, als könne sie sich so schützen. Voll Angst starrt sie auf die Tür, immer in der Erwartung, dass er zurückkehren könnte, er der ihr das Schlimmste angetan hatte, was man einer Frau antun kann.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 09. Nov. 2004, 22:06 Uhr
Der Mann der die Zelle betritt ist ziemlich dick und er flucht vor sich hin. Tiuri kann ihn immer noch nicht sehen, das Licht das von hinten kommt verhindert das er mehr sieht als die schwarzen Umrisse des Kerls. Im Gegensatz dazu kann er ihn riechen, er stinkt nach Rum und nach dem Leben hier unten.
„Dreckige kleine Hure, nichts an ihr dran und…“ Der Rest seiner Worte ergeht sich in Flüchen und Schimpfereien. Dazwischen flucht er etwas von Mörderin und Hexe, Tiuri hat keine Ahnung was das mit ihm zu tun hat.
Der Kerl wirft ihm ein Stück Brot zu, es trifft Tiuri am Kopf und fällt dann hinunter, weil der Junge es mit den angeketteten Händen nicht fangen kann. Er wirft dem Kerl einen finsteren Blick zu, doch dieser ignoriert ihn völlig, stellt ihm aber einen Becher mit Wasser auf den Boden.
Tiuri sitzt einfach abwartend da als sich der Kerl einfach wieder umdreht und der Junge ihm erst mit großen Augen nachsieht.
„Du wirst mich schon losketten müssen!“ sagt er und der Kerl dreht sich grunzend um. >Hä?< Sagt er und seine Augen mustern den Jungen von Kopf bis Fuß, bis er das Problem schließlich erkennt. Die Ketten die an der Wand angebracht sind, sind eigentlich lange genug für die Gefangenen um zu essen und die Arme zu bewegen. Die Armschellen an denen Tiuri hängt sind jedoch hinter seinem Rücken einige Male miteinander umwickelt, so dass sie viel kürzer sind und Tiuri keine Möglichkeit bieten die Arme auseinander zu bewegen. Als der Mann sich hinunter beugt und mit einem klimpernden Schlüsselbund aufweist atmet Tiuri erleichtert auf, doch er erstarrt als er die schmierigen Hände auf seinem Rücken, bis zu seinem Hinterteil hinunter spürt. Er rückt schnell zurück und klemmt dem Kerl die Hand ein, der zieht die Luft nur einmal schnell ein und schließt dann die Ketten auf.
Tiuri zieht die Hände schnell nach vor, fängt sich dafür aber sogleich einen Fußtritt ein. Er hätte gerne seine Hand begutachtet, aber der Mann biegt ihm die Hände wieder nach hinten, mit dem Unterschied, dass Tiuri sie jetzt mitsamt den Eisen wieder nach vorne bewegen kann und das sogar bis zu seinem Brot und seinem Wasser.
>So, fertig. Essen für dich und die kleine Hure!< murmelt der Mann vor sich hin und Tiuri wird langsam neugierig wovon der Kerl eigentlich spricht, oder besser gesagt von wem, denn er hat angenommen hier ganz alleine unten zu sein. Wieso eigentlich? Wer weiß wie viele Zellen es hier gibt!
„Von welcher Hure sprichst du Dicker?“ fragt er, nicht gerade mit dem richtigen Tonfall, oder der richtigen Wortwahl in seiner Lage, aber der Mann stört sich nicht daran, denn er fängt schon wieder zu fluchen an. >Diese verdammte kleine Hexe, diese miese Hure! Gleich eine Zelle weiter, dieses elende Miststück, die Kehle hätten sie ihr aufschneiden sollen und sie jämmerlich ausbluten lassen wie ein Schwein!<
Tiuri nickt nur, während er ein Stück Brot abbeißt und zusieht wie der Mann fluchend nach draußen geht. Wohl eine ganz besondere Freundin von dir Dicker!
Tiuri ist nur das halbe Brot, den Rest steckt er in eine seiner Taschen, so dass die Ratten nicht ran kommen und er für später noch etwas zu essen hat.
So lange er essen und trinken kann, kommen die Verzweiflung und die Angst nicht einfach so über ihn, die Wände sind still und er ist es auch. Gleich neben an hat er gesagt? Wie dick die Wände wohl sind? Aus Stein sind sie, verdammter Kuhmist!
Trotzdem will Tiuri es nicht unversucht lassen, die Möglichkeit hier nicht völlig alleine zu sein lässt ihn nicht los, gibt ihm einen seltsamen Halt, auch wenn die Frau neben an eine Hure oder eine Hexe ist, womöglich ist sie auch keines von beiden, die Ausdrucksweise der Kanalratten ist ja nicht immer die feinste.
Er räuspert sich einmal, hustet dabei gleich und brüllt dann mit voller Kraft.
„Ist da jemand? Kann mich jemand hören? Wer bist du? Hörst du mich? Ich bin neben dir! Kannst du mich hören! Ist hier jemand!“ Er schreit und schreit, bis ihm schließlich die Kraft aus der Stimme ausgeht und er einen Hustenanfall bekommt. Er weiß nicht ob seine Worte durch die Wände dringen, oder durch die Türe. Auf jeden Fall rühren sich keine Wachen, obwohl sie mit Sicherheit hier irgendwo sein müssen. Also hören sie ihn entweder nicht, oder sie interessieren sich nicht im Geringsten für ihn. Abwartend sitzt Tiuri da, atmet ganz flach und lauscht. Selbst wenn seine Stimme nicht hinüber gedrungen ist, oder ihre nicht laut genug ist um zurück zu dröhnen, er hat sich eine Ablenkung geschaffen und an diese klammert er sich nun mit voller Konzentration.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 10. Nov. 2004, 06:34 Uhr
Irgendwann bewegt Aurian sich doch etwas und angelt vorsichtig nach der Schale. Ihre Kehle ist ausgedörrt und ihr Körper sehnt sich nach der Flüssigkeit. Doch der Anblick und vorallem der Geruch lassen sie würgen. Die braune Brühe hat nur entfernet Ähnlichkeit mit Wasser. Angewidert schiebt sie sie wieder von sich und sinkt wieder gegen die Mauer, ein schwaches Stöhnen nicht zu unterdrückend. Ihr Inneres fühlt sich an, als sei es in Fetzen gerissen und die zahllosen Prellungen schmerzen. Die eisenen Fesseln reiben an ihren Handgelenken und der rauhe Stoff des Hemdes schabt über die Abschürfungen. Wie schon die gesamten letzten Stunden wünscht sie sich nur zu sterben, einfach von dieser Welt zu verschwinden. Eine vorwitzige Ratte nähert sich schnuppernd, doch das Mädchen nimmt sie nicht richtig wahr.
Durch die Stille der Zelle dringt mit einem Mal ganz schwach ein Geräusch zu ihr, das nichts mit den Ratten oder den Männern draussen zu tun hat. Es  ist als würde jemand rufen. Jetzt drehst du auch noch durch, aber wer weiss, vielleicht ist der Wahnsinn eine gute Alternative!. Doch dann regt sich Aurians Neugierde doch etwas und als ihre verfeinerten Halbelbensinnen sich auf das Geräusch richten, kann sie die leisen Worte verstehen.>Ist da jemand? Kann mich jemand hören? Wer bist du? Hörst du mich? Ich bin neben dir! Kannst du mich hören! Ist hier jemand!< Nur sehr undeutllich aber doch. Hier ist noch jemand. Aurian schließt für einen Moment die Augen. Sie ist nicht vollkommen allein in mitten dieses Abschaumes. Mit zusammengebissenen Zähnen rutscht sie näher der Wand, von der der das Geräusch kommt, eben soweit die Ketten es zulassen. "Hallo? Ich bin hier!" Für einen Moment erschrickt sie über ihre eigene Stimme: zittrig, nicht mehr als das Maunzen einer kleinen Katze. Sie schluckt einmal heftig, um ihre Kehle zu befeuchten, doch dass hat nicht den gewünschten Erfolg. Mit unsagbarem Widerwillen nimmt sie daher einen kleinen Schluck aus der Schale. Das Zeug, das eigentlich Wasser sein soll, schmeckt ekelerregend und nur mit Mühe kann sie den Brechreiz bezwingen. Aber ihre Kehle ist nun befeuchtet und gibt ihrer Stimme mehr Kraft."Hallo! Ist da wer?" wiederholt sie.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 10. Nov. 2004, 17:03 Uhr
Noch immer lauscht Tiuri in die Stille, erst hört er nichts obwohl es wirklich nicht so lange dauert, dass er aufgeben würde. Als dann endlich die leise Antwort zu ihm hinüber dringt hätte er sie beinahe überhört. Erst ist er sich gar nicht sicher ob er sich das nicht langsam einbildet weil er so hofft jemanden zu hören, aber je länger er darüber nachdenkt, desto sicherer wird er sich, dass da tatsächlich jemand war.
>Hallo? Ich bin hier!< Es ist eine leise Stimme und manche Laute davon kann Tiuri gar nicht verstehen, sie dringen einfach nicht bis zu ihm durch, aber er kann sie sich dazu denken.
„HA!“ ruft er aus, will die Arme in die Höhe reißen, zieht dabei schnell die Luft ein, denn seine Hand schmerzt auch sogleich wieder und er verflucht den elenden weißen Mann mit den kalten Augen und dem erschreckend starken Griff. Er schickt ein Stoßgebet zu Loa, dass sie den verfluchten Raum abfackeln soll in dem der Weiße haust und ihn am besten gleich dazu.
Zu gern wäre er aufgesprungen und zur Wand gelaufen, hätte dagegen geklopft, sich mit ganzer Kraft sogar dagegen geworfen um zu zeigen, dass er hier ist, aber die Ketten hindern ihn daran. Der Gedanke nicht alleine zu sein gibt ihm Kraft, ein wenig nur und lange nicht genug wie er brauchen wird um im diesem dunklen dreckigen Loch bei Verstand zu bleiben, aber es ist doch ein Funke und so nimmt er seine ganze Stimmkraft zusammen um zu antworten. Doch bevor er zu schreien beginnen kann, muss er husten. Es ist ein rasselndes Husten und er kann kaum aufhören damit, immer wieder reizt es ihn und er spürt es bis tief hinein in seine Lunge. Aber es hindert ihn nicht daran trotzdem zu antworten, zu mindestens will Tiuri sich nicht hindern lassen. Er atmet noch einmal tief durch um zu antworten.
„Wer bist du?“ ruft er und fragt sich was er denn noch fragen könnte, ob er sich mit Schreien überhaupt richtig unterhalten könnte und was es eigentlich bringen soll.
Was nutzt es jemandem dumme Fragen zu stellen wenn man ihn nicht einmal sehen kann, wenn es einen anstrengt und keine Antwort wirklich hilft. Selbst wenn wir miteinander reden können wir nicht hier raus.
„Bist du alleine?“ ist das nächste das ihm einfällt, sein Hals beginnt zu kratzen und Tiuri hat Angst seine Stimme zu verlieren und sich nicht mehr unterhalten zu können. Gerade noch hat er den Sinn hinter der ganzen Aktion angezweifelt und jetzt fürchtet er schon, dass sein „Gespräch“ vorbei ist bevor es überhaupt angefangen hat.
Ein Schauer durchfährt ihn, es ist kalt und Tiuri schlingt seine Arme um seinen Körper, obwohl die Eisen so kalt sind, dass die Kälte durch den Stoff dringt und er eine Gänsehaut bekommt. Mit angezogenen Knien sitzt er da und beginnt wieder zu horchen ob die Frau von neben an antworten würde.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 12. Nov. 2004, 06:18 Uhr
>Wer bi..u? Bist...u..ein?< Nur Wortfetzen dringen an ihr Ohr doch genug um sich den Sinn zusammenzureimen. "Aurian. Und ja, ich bin allein!" Im Moment jedenfalls!". Bei dem Gedanken dass der große Mann von vorhin erneut zurückkehren könnte, beginnt sie am ganzen Körper zu zittern. Die Erinnerungen und Schmerzen, die durch die Erkenntnis, nicht allein in diesem Loch zu sein etwas in den Hintergrund gedrängt worden waren, brechen mit voller Gewalt wieder über sie herein. Die Kälte der Zelle dringt durch den dünnen Fetzen, der den Namen Hemd nicht im geringsten verdient, und die Gänsehaut, die sich auf ihrer Haut ausbreitet, erinnert sie frapant an die gierigen Finger, die vor wenigen Stunden über ihren Körper hergefallen waren. Erneut kommt der Brechreiz hoch und diesmal kann sie ihn nicht unterdrücken. Aurian beginnt zu würgen, doch nur Galle kommt hoch, denn in ihrem Magen befindet sich nichts ausser der ekelhaften Brühe, die eigentlich Wasser sein soll.  Minutenlang wird sie von ihrem rebellierenden Magen gebeutelt, ehe sie noch erschöpfter als vorhin gegen die Wand sinkt. Ihr ganzer Körper schreit vor Schmerz und doch ist die Stimme ihrer gedemütigten und geschändeten Seele noch lauter. Sterben! Ich will nur sterben! Immer wieder dringen diese Gedanken durch ihren Kopf. Ihr Blick fällt wieder auf die Wand, hinter der die Stimme zu hören war und trotz ihrer Mutlosigkeit ringt sie sich durch zu antworten. "Wer...wer bist du? Wieso bist du hier?" Wieso? Das wieso wird er ebensowenig wissen wie ich! Oh ihr Götter, macht dass es wenigstens aufhört, weh zu tun, wenn ihr mich schon nicht sterben lasst! So gut es geht schlingt sie wieder die Arme um den Körper und lauscht in die Stille, kaum die Hoffnung hegend, eine Antwort zu erhalten.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 13. Nov. 2004, 19:26 Uhr
Die Antworten die zu ihm durch die Mauer dringen lassen Tiuri regelrecht auflachen. Er kichert als hätte er den Kanalratten ein Schnippchen geschlagen, obwohl er weiß, dass er dadurch nichts erreicht hat. Außer, dass die Einsamkeit nun nicht mehr ganz so schlimm ist und das Dunkel plötzlich nicht mehr so bedrohlich. Die Stimme, obwohl er deren Klang kaum ausnehmen kann, ist das Schönste was er jemals gehört hat. Er würde singen für sie, aber er wagt nicht auch nur ein Wort zu verpassen, das sie sagt.
Er schweigt und wartet, beißt sich aufgeregt auf der Unterlippe umher. Beinahe ist die schlimme Situation vergessen, so aufgeregt ist er wie ein Junge vor der Schönsten Frau Rohas.
"Aurian", murmelt er und grinst. "Hört ihr, ihr Ratten? Da ist mehr als nur wir, ihr und ich, da ist Aurian!"
Seine Hand schmerzt noch immer und von einem Moment auf den anderen in dem Aurian schweigt, schlägt seine seltsame Erheiterung wieder in Verzweiflung um und er hätte am liebsten geschrieen, irgendetwas kurz und klein geschlagen. Immer wieder zieht er mit der rechten Hand an der Kette an, als könnte er sie damit irgendwie lösen.
>Wer...wer bist du? Wieso bist du hier?< Da ist wieder ihre Stimme, eigentlich ist es kaum eine Stimme, es sind Worte völlig ohne Klang, so weit sind sie fort und so schlecht kann er sie verstehen. Manche Worte bleiben ihm völlig verschlossen und es ist nur sinngemäß wie er ihre Sätze zusammen steckt.
Du triffst mit der ersten Frage gleich ins Schwarze! Wer bin ich? Wenn ich das wüsste wäre mir leichter, dann wäre ich vermutlich nicht einmal hier.
Es ist nicht Tiuris Art jemanden mit einfachen Worten abzuspeisen, selbst wenn seine Worte immer wieder von Hustenanfällen unterbrochen werden und er kaum noch die Kraft in die Stimme bekommt zu antworten. Er antwortet und wie er es gerne tut, so antwortet er in vielen Worten.
"Ich bin der Fliegenkragen, Unglücksrabe und Pechvogel. Gefangener und Flüchtiger, Dieb und Lügner, Verführer und Narr und Spaßmacher. Ich bin ein unwissender Wanderer, ein Geschichten Erzähler, vom Feuer gezeichnet, vom Wasser gekühlt! Man gibt mir viele Namen, jeder nennt mich anders, aber du kannst mich Jen nennen!"
Tiuri weiß, dass seine Worte seltsam klingen müssen, aber er ist schon immer ein Mann vieler Worte gewesen und zu sprechen nimmt ihm die Angst für den Moment. Denn auch wenn er schon einiges erlebt hat, die Schmerzen wohl spürt aber nicht mehr fürchtet, ist er immer noch ein Junge und er hasst es, dass er sich genau das hier in diesem dunklen Loch eingestehen muss.
Obwohl, wer weiß das schon? Ich weiß nicht wie alt ich bin, ich könnte schon über 20 Sommer gesehen haben...
"Ich bin geschnappt worden!" ruft er zu Aurian hinüber um ihre zweite Frage zu beantworten, obwohl er dabei innerlich über sich selbst den Kopf schüttelt. Natürlich bist du geschnappt worden, freiwillig wärest du ja wohl kaum hier!
"Ich habe sie belauscht! Wieso bist du hier?" Da fällt ihm etwas anderes ein, mit Blick auf seine Hand. Das Mädchen da in der Zelle neben ihm, sie steht nicht unter dem Privileg heil zu bleiben, weil sie ein Druckmittel gegen Faraday ist. "Bist du verletzt? Geht es dir gut?"  
Gut? Was ist das für eine Frage? Sie ist sicher nicht zum Putzen hier! Es geht ihr wohl genauso dreckig wie dir selbst!

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 13. Nov. 2004, 19:57 Uhr
Sie ist dem Jungen in der Zelle neben sich dankbar für den Wortschwall, mit dem er ihre Frage beantwortet. Obwohl ihre Sinne besser ausgeprägt sind als die von 'normalen' Menschen, muss sie sich doch sehr auf die Stimme konzentrieren, was sie widerum etwas von ihrer Lage ablenkt. >Wieso bist du hier?< "Wenn ich das wüsste! Ich war auf einer Lichtung im Wald und dann...< Der Rest des Satzes bleibt unausgesprochen in der Luft hängen und die nächste Frage Jens trifft sie wie ein Faustschlag. >Bist du verletzt? Geht es dir gut?< Aurian schließt die Augen. Was soll ich darauf sagen? 'Ja danke alles in Ordnnung, es geht schon...' Eine größere Lüge vor den Göttern gibt es nicht. Aber die Wahrheit... Erneut hat sie das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Gleichzeitig schnürrt ihr die Angst die Kehle zu. Was hatte der Kerl gesagt, als er sie hier in die Zelle geworfen hatte? >...das nächste Mal...<. Panisch lauscht sie immer wieder Richtung der Tür. Wenn er wieder kämme, wenn sich das Ganze wiederholen würde...Nicht daran denken, versuch nicht daran zu denken! Doch jede Faser ihres Körpers ruft ihr das Erlebte immer wieder in Erinnerung. Und da ist noch etwas, etwas, was ihr Angst macht: Irgendwie hat sie das Gefühl, als sei in ihr etwas entfesselt worden, etwas das zu ihr gehört und doch fremd ist. Wie ein wildes Tier, dass aus seinem Käfig befreit wurde. In der stille wird ihr bewusst, dass sie Jens zweite Frage noch immer nicht beantwortet hat. "Kalt ist mir und einige blaue Flecken und Prellungen hab ich abbekommen. Was ist mit dir, geht es halbwegs? Haben sie dir was getan?" Ausser dich in dieses Loch zu stecken, was ansich schon genügt!

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 13. Nov. 2004, 20:27 Uhr
Erstaunt hört Tiuri Aurians Worte. Sie weiß nicht warum sie hier ist? Das ist fast noch dümmer als zu wissen warum man hier ist. Auch wenn es an der Situation wohl eher wenig änder!
Es dauert einige Zeit bis sie Tiuris zweite Frage beantwortet. Der Junge fragt sich ob sie nach Worten sucht, oder nach Verletzungen, ob sie überlegt ob sie in Ordnung ist, oder doch verletzt.
Das ist Schwachsinn, man weiß wenn man verletzt ist!
Er wartet geduldig, während er an dem näher kommenden Kratzen und Schaben bemerkt, dass die Ratten ihre anfängliche Scheu vor ihm verlieren. Tiuri läuft ein Schauer über den Rücken als ihn die erste berührt. Er schlägt nach ihr, ekelt sich aber noch mehr als er spürt, dass er sie tatsächlich erwischt hat. Ich habe früher wohl kaum so gelebt wenn ich mich vor Ratten ekele... Aber WIE habe ich denn gelebt? Ob ich reich war? Sicher war ich reich und irgendjemand wollte mich aus Rache umbringen! Aber wieso kennt mich dann keiner? Bin ich nicht gerne aus dem Haus gegangen? Naja... wenn ich ein schönes großes Haus hätte, ich würds auch nicht mehr verlassen um auf die stinkenden Straßen zu gehen.

>Kalt ist mir und einige blaue Flecken und Prellungen hab ich abbekommen. Was ist mit dir, geht es halbwegs? Haben sie dir was getan?<
Ihre Antwort kommt schließlich doch, aber nach einiger Zeit und erst zögerlich, Tiuri glaubt ihr nicht. Seine Gedanken rotieren, warum sie ihm wohl nicht die Wahrheit sagt und dann fällt ihm ein, dass auch er sich schämt für seine Narben und für sein Aussehen. Vielleicht haben sie das arme Mädchen entstellt? In der Dunkelheit sieht er ein grausig entstelltes Gesicht vor sich, mit Blutigen Schnitten überseht, voller Prellungen, Blutergüsse und angeschwollenen Gesichtsteilen. Oder sie haben... wahrscheinlich, diese dreckigen vergewaltigenden Kanalratten! Die Wut auf die Männer steigt in ihm hoch, er hat doch gesehen wie sie Faraday abgegrapscht haben und wie sie dieser Blutaxt angesehen hat. Er möchte dem großen Mann ein ganz bestimmtes Körperteil abschneiden und den Ratten zum Fraß vorwerfen, aber leider hängt er ja immer noch, eingesperrt in eine kleine dunkle Zelle, an seinen Ketten und von Blutaxt ist weit und breit keine Spur.
Er erwidert aber nichts, sagt nichts von seiner Vermutung, wenn Aurian sich schämt will er sie nicht dazu bringen zu reden und wenn es nicht stimmt hätte er sie verdächtigt zu Lügen.
Tiuri reibt sich die Hände um sie zu wärmen, gebeultet von einem neuerlichen Hustenanfall. Er kann gut verstehen, dass ihr kalt ist, er selbst friert als wäre er in Immerfrost.
"Ahh, ich hab schon Schlimmeres erlebt!" sagt er und lacht, kein echtes Lachen, es ist für Aurians Erheiterung gedacht, aber er weiß nicht ob sie es durch die Wände überhaupt hören kann. Er spürt, dass seine Stimme nicht mehr so laut ist wie zu Beginn, dass sie rau und kratzig wird, dass dieser Zustand zu nimmt, so wie auch sein Hals zu schmerzt.
"Weißt du, ich bereise mein Leben lang die Immerlande, ich hab schon einige Abenteuer hinter mir, da trägt man schon seine Narben davon!" Die Lügen kommen ihm wie immer ganz einfach von den Lippen, er könnte den größten Schwachsinn erzählen, es würde klingen wie das Natürlichste der Welt.
"Das hier ist auch nicht so schlimm, Faraday wird uns retten!" Natürlich weiß der Junge was für Blödsinn er redet, schließlich ist Faraday gar nicht in der Position sie beide zu retten, wenn überhaupt ihn selbst. Und bis jetzt hat sich die Situation als durchaus schlimm, wenn nicht sogar aussichtslos erwiesen.
"Mach dir keine Sorgen! Wir kommen hier schon raus!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 13. Nov. 2004, 21:32 Uhr
>Das istr hier auch nicht so schlimm!< Ein trockenes Lachen entflieht ihrer Kehle. Für dich vielleicht! Aber für mich kann es nicht schlimmer sein. Doch was weiß er. Aurian kann es ihm auch nicht verübeln. Keiner kann es verstehen, wie es mir geht. Meinem ärgsten Feind wünsche ich es nicht, das am eigenen Leib zu erfahren! Aus der Nebenzelle ist der HUsten des Jungen zu hören. Aurian zieht die Augenbrauen hoch. Es klingt nicht gut, wer weiß wie lange der arme Kerl schon hier ist. Doch sie behält diesen Gedanken für sich, will sie ihn ndoch nicht beunruhigen. Die Nennung eines weiteren Namens macht sie hellhörig. "Faraday? Ist hier noch jemand?"

Eine Ratte ist mittlerweile mutiger geworden und pirscht sich näher. Die roten Augen sind nur zwei Punkte in der Dunkelheit. Das Tier scheint zu überlegen, ob es sich das Brot, welches das Mädchen nicht angerührt hatte, schnappen oder lieber zuerst den Eindringling Mensch beäugen soll. Schließlich entscheidet sie sich dafür, Aurian zu beschnuppern, doch das Mädchen hat keinen Sinn, mit einer ekelhaften, fetten Ratte Bekanntschaft zu machen. Im Gegenteil. Ihr ganzer Hass, der unter denm Mantel der Scham und Verzweiflung brodelt, entläd sich an dem Tier und als die Ratte an ihrem Fuß zu schnuppern beginnt, verpasst sie ihm einen Tritt, der diese ans andere Ende der Zelle befördert. "Hau bloß ab, du Mistvieh! Verschwinde!" Ihr Hirn produziert wieder die Erinnerung, doch diesmal sieht sie die Ratte vor sich, die während der ganzen Zeit in der Kammer ihres Peinigers gehockt war und sich an ihrer Qual zu weiden schien. "Verschwinde, verschwinde, verschwinde!" Die Worte gehen in einem trockenen Schluchzen unter, Tränen hat sie keine. Nr am Rande nimmt sie Jens letzte Worte wahr:>Wir kommen hier schon raus!< Glaubt er das denn wirklich? Und was dann? Was wenn wirklich? Aurian fühlt nur Leere in sich und die Erkenntnis, dass ihr Leben nie mehr so sein würde wie früher.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 14. Nov. 2004, 21:41 Uhr
Tief in den Eingeweiden der Kanalisation, hunderte von Klaftern unter dem regennassen Pflastersteinen der Straßen Talyras, selbst noch tiefer als die Honigwabe der Kanalratten mit ihrer riesigen Feuergrube und dem Thron aus fahlen Wurzeln, liegt ein verborgener Gang und noch dunklere Gewölbe, die selbst die Kanalratten nicht betreten. Hier ist kein Teil des alten Kanalsystems mehr, nur noch Gänge und Höhlen aus nacktem Stein und irgendwo dazwischen eine steile Wendeltreppe, die hinunter zu einer uralten geheimen Krypta führt. Nichts regt sich hier unten, keine Ratten, keine Fledermäuse, nicht einmal mehr das in der Kanalisation allgegenwärtige Tropfen von Wasser auf Fels. Es ist still und kalt und dunkel. Eine zischende Pechfackel durchbricht Stille und Finsternis und in ihrem Schein kann man das fahle Gesicht eines hageren Mannes mit milchhellen Augen und eingefallenen Wangen unter dünnem, blondem Haar erkennen. Er steigt langsam die vom Alter abschüssigen Stufen hinab, hält die Fackel hoch über seinen Kopf und schnüffelt lautlos in die tote, eisige Luft. Die Gruft ist eine Höhle, so groß wie die kleine Halle einer Burg und was immer sie einst gewesen sein mag, lange bevor Cobrin der Priesterkönig die Stadt am Ildorel errichten lies, noch immer sind an ihren Wänden im flackernden Feuerschein uralte Steinsäulen zu erkennen und die Überreste gemeißelter Figuren in den Schatten dazwischen. Der blasse Mann schenkt weder Säulen noch Fresken und auch nicht den Statuen mit den kantigen, kalten Gesichtern auch nur einen Blick. Seine farblosen Augen hängen an einem unsichtbaren Punkt in der Finsternis  vor ihm - und als er ihn erreicht, steht Whytfisk vor einem Grab, ein rechteckiges Loch im Boden, bedeckt von einem schlichten, grauen Steinquader. Er ist grob behauen, schmucklos und unförmig und wirkt zwischen den kunstvollen Steinmetzarbeiten der Krypta vollkommen Fehl am Platz, dennoch erkennt man ihn sofort als das, was es ist: ein Sarkophag. Überall auf der rauhen Oberfläche und an den mühsam geglätteten Seiten sind seltsame Spuren: einander überlagernde Abdrücke von blutigen Händen mit gespreizten Fingern, fächerförmig ausgebreitet wie die Schwingen von Vögeln. Whytfisk sagt kein Wort, doch er nähert sich dem Grabstein langsam und streicht dann sacht mit den Fingern darüber. Eine Flammenzunge flattert von seiner erhobenen Fackel und wirft rötlichen Schein über eine vollkommen starre Miene... doch sind seine Augen, sonst so kalt und leer wie frische Gräber, jetzt helle Flammen in dem eingefallenen Gesicht. Er streicht zärtlich über rauhen Stein und grob geglättete Kanten, spreizt öffnet eine Hand, um die blutigen Vogelschwingen zu bedecken und krallt die Finger dann in den kalten, kalten Fels bis unter den splitternden Nägeln frisches Rot hervorquillt, schwarz im Fackelschein. Sorgsam werden die Handabdrücke erneuert, einer nach dem anderen, glänzend naß und so rot. Als Whytfisk sich eine Stunde später aufrichtet, um die eisige Finsternis der Krypta zu verlassen, ist sein Gesicht träumerisch, der Blick in weite Ferne gerichtet und seine Miene die eines Mannes, der sich nur ungern von seiner Geliebten trennt. Eine weitere halbe Stunde später ist er zurück in den Tunneln rund um die Honigwabe und sein Gesicht ist so unbewegt und ausdruckslos wie immer.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 15. Nov. 2004, 12:23 Uhr
Langsam kommt Tiuri der Verdacht, das Mädchen von nebenan ist nicht sehr gesprächig oder es hilft ihr nicht einfach irgendetwas zu reden das sie von der Gefangenschaft ablenkt. Wen wunderts auch, die Dunkelheit kann einem schon aufs Gemüt schlagen!
Er selbst starrt einfach in die Finsternis hinein, neben ihm fiepen die Ratten und er tastet sich vorsichtig mit den Fingen zu dem Wasserbecher der irgendwo neben ihm stehen muss. Seine Kehle ist wie ausgetrocknet und immer wieder muss er husten. Das Wasser schmeckt widerlich und Tiuri ist nur froh, dass er nicht sehen kann welche Farbe es hat.
Wahrscheinlich braun... oder grau... oder sogar grün? Einen Moment lang ekelt es den Jungen wirklich und er ist versucht, das Trinken einfach sein zu lassen, aber es wird ihm schnell klar, dass das wohl so einfach nicht gehen wird.
Von jenseits der Steinmauer fragt Aurian nach Faraday. Tiuri lächelt schief, allein für sich. Wo sie jetzt wohl ist? Was sie mit ihr gemacht haben.
Aber er sagt nichts von all seinen Bedenken ob Faraday ihnen wirklich helfen kann, es muss einfach sein, denn Tiuri hat keine große Lust in diesem Rattennest zu versauern.
"Faraday ist draußen, sie hilft uns hier raus!" ruft er hinüber und versucht so viel Zuversicht wie möglich in seine Stimme zu legen.
Von drüben kommt keine Antwort, er weiß nicht ob Aurian im glaubt oder nicht, und da sie nicht mit ihm spricht muss er sich irgendwie anders ablenken. Singen, fällt ihm ein und so stimmt er irgendein Lied an welches er im letzten Jahr gelernt hat. Es handelt von einer Frau die ihren Mann betrügt, worauf hin dieser ihren Liebhaber tötet.
Das Lied hat Tiuri im letzten Jahr oft genug gesungen, er braucht sich kaum konzentrieren während er singt, er unterbricht immer nur dann wenn ihn ein neuerlicher Hustenanfall überkommt, dafür denkt er über Aurian nach. Irgendetwas ist seltsam daran, nicht sie selbst, eher ihr Name. Es ist ihm als hätte er ihn schon einmal gehört, als müsste er mehr darüber wissen, aber nichts fällt ihm ein.
"Aurian, Aurian", murmelt er in die Stille und wie er den Namen ausspricht schießt ihm plötzlich ein Bild vor die Augen. Das Bild einer Frau, neben einem Mann, einem großen Mann mit braunen Haaren und blauen Augen. Er hat keinen Namen dazu und keine Erinnerung, auch über die Frau ist nichts weiter in seiner Erinnerung vorhanden, außer dieses eine kurz auftauchende Bild. Schwarzes Haar und grüne Augen, zart, hübsch.. anders...
Anders? Was zum Henker denkst du da Junge? Wie anders? Er schüttelt den Kopf und versucht sich einzureden, dass er sich all das nur einredet und wenn er tatsächlich eine Frau namens Aurian kennt, das wohl kaum diese hier sein kann...
Außer ich stamme tatsächlich aus Talyra und ich kenne sie, ich habe hier nur noch kaum jemanden getroffen, außer Faraday und die ist selbst nicht von hier!
Ein kleines bisschen Hoffnung keimt in dem Jungen auf, ungeachtet dessen, dass er hier eingesperrt ist, fühlt er sich seiner Vergangenheit weit näher als noch vor wenigen Minuten.

"Erzähl mir mehr über dich, bitte!" ruft er hinüber, er weiß nicht was er fragen soll, wo er anfangen soll. Sicher nicht mit: "Kennst du mich?" Wie auch, seine Stimme kann sie wohl kaum vernehmen und sie sieht nicht wie er aussieht. Noch dazu ist Jen gar nicht sein richtiger Name, woher sollte sie ihn kennen und wie wäre er nach Sûrmera gekommen?

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 15. Nov. 2004, 23:16 Uhr
Zitternd lehnt sie an der Wand, immer wieder gebeutelt von trockenem, lautlosen Schluchzen. Sie hört Jen in der Nebenzelle singen, doch dringen seine Worte nicht in ihre Gedanken. Zu sehr werden diese von Schmerz, Verzweiflung und dem Wunsch zu sterben dominiert. Doch dann wird seine Stimme immer eindringlicher, bahnt sich den Weg durch die Finsternis ihrer Erinnerung. >Erzähl mir mehr über dich, bitte!< Aurian rafft sich etwas auf. Vielleicht wäre es ganz gut zu reden, das würde sie wohl etwas ablenken. "Ich ... ich komme eigentlich aus einem kleinen Dorf im Süden Sûrmeras. Bauersleute haben mich groß gezogen. Vor einem Jahr bin ich weg gegangen, um herauszufinden wer ich bin und .. und vor einem halben Jahr bin ich nach Talyra gekommen, knapp nach dem Nargenfeldzug." Aurian schluckt und erzählt dann weiter. "Ich habe dann ziemlich rasch Arbeit in der Steinfaust bekommen. Als Botenmädchen. Na ja, dass ist es eigentlich, mehr gibt es da nicht." Oder eigentlich schon: So nebenbei biin ich die Tochter Lestat de Winters, eine Halbelbe, magiebegabt und mach gerade eine Ausbildung zur Magierin, um als solche in den Dienst der Stadtgarde zu treten! Doch das sind alles Dinge, die sich nicht wirklich gut zwischen zwei Kerkermauern erzählen lassen. "Und du? Wer bist du noch ausser Jen?" Irgendwie tut es Aurian gut, sich mit dem Jungen nebenan zu unterhalten, wird sie so wenigstens kurze Zeit abgelenkt. Angestrengt lauscht sie in die Stille, die nur durchbrochen wird vom Getrappel der Rattenfüsse und mitunter deren aggressiven Fauchen, wenn sich zwei um irgendetwas streiten. Zu sehen ist in der Dunkelheit nichts ausser deren rote Augen, was die Situation noch unheimlicher macht. Was passiert wenn ich einschlafe? Werden mich diese Biester dann annagen? Dieser eigentlich vollkommen unsinnige Gedanke schießt ihr durch den Kopf und instinktiv versucht sie noch etwas mehr Abstand zwischen sich und die Tierchen zu bekommen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 16. Nov. 2004, 19:36 Uhr
Nichts von dem was Aurian sagt lässt weitere Erinnerungen in Tiuri hoch kommen. Enttäuscht lässt der Junge den Kopf hängen. Zwar kommt sie aus der Nähe von Sûrmera, dort wo er gefunden worden ist, aber das heißt nichts. Er hätte ihren Namen dort sonst wo aufschnappen können, oder ihr über den Weg rennen. Das Bild in seinem Kopf muss nicht einmal wirklich mit ihrem Namen in Zusammenhang stehen.
Wie passt auch dieser Mann dort in meine Erinnerung? Zu ihr, einfach so, woher kommt das Bild in meinem Kopf?
Und sonst gibt es nichts von ihr zu erzählen? Na das werden wir ja noch sehen!

Über Tiuris Gesicht huscht einen kleinen Moment ein Grinsen, er weiß, dass er ein Talent dafür hat aus den Leuten die verschiedensten Informationen heraus zu bekommen, auch wenn sie diese eigentlich nicht so recht erzählen wollen.
Die Frage was er ihr jetzt allerdings erzählen soll ist eine ganz andere. Mit Lügen hat er ja genug Erfahrung und er ist fantasievoll genug um sich schnell eine Geschichte einfallen zu lassen, denn die Wahrheit wollte er nun wirklich niemandem fremden erzählen und schon gar nicht wenn er sie durch die Gegend schreien muss, ohne zu wissen, wie viele Kanalratten ihnen bei ihrer Unterhaltung zuhören.
Damit schließt er auch aus ihnen zu erzählen, dass seine Eltern irgendwie reich wären, oder sonst etwas das sie als Lösegeld für ihn geben könnten, denn das würde die Kanalratten vielleicht auf dumme Gedanken bringen.
"Außer Jen? Sagte ich doch schon, als ich dir meinen Namen nannte!" Er hat ihr schließlich eine ganze Auswahl an Dingen die auf ihn zutreffen genannt und dabei kein einziges Mal gelogen.
"Ich bin ein Wanderer, ich streife durch die Immerlande, hab fast alles schon gesehen, kenne fast jeden, habe nichts, tue nichts, außer zu lernen was die Leute in den Städten so zu erzählen haben. Ich reise alleine, meistens, in den Städten, da hab ich das Glück mir oft jemanden zu finden der sein Bett nicht gerne kalt und leer vorfindet. Sonst habe ich wohl überall Freunde, aber ich ziehe lieber alleine los, meine Eltern sind schon lange tot. Ich bin auf mich gestellt, das kann ich bestens. Talyra hat einen wundervollen Ruf und ich komme immer wieder gerne her, voll von all diesen vielen verschiedenen Wesen ist sie und weiß so viel zu erzählen, die Weltenstadt!"
Natürlich ist seine Geschichte mal wieder von vorne bis hinten erstunken und erlogen, aber er erzählt sie mit solcher Sicherheit und er merkt sie sich ganz genau und kann sie gleich wieder geben wie zu vor, egal wie viele andere Geschichten er schon erzählt hat. Frauen hat er viele mit seinem hübschen Gesicht und den ernsten Augen und natürlich der lockeren Zunge betört, aber er war nie auch nur über Nacht geblieben, hatte sich nie gänzlich entblöst, damit keine seine Narben sehen kann.
"Wie siehst du aus? Haben wir uns vielleicht schon getroffen? Auf einer Reise vielleicht?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 16. Nov. 2004, 20:41 Uhr
Irgendwie klingt seine Geschicht abenteuerlich und unter normalen Umständen hätte sie ihm wohl mindestens die Hälfte nicht abgenommen. Doch nun ist nichts normal und Aurian ist zu verzweifelt und zerschlagen um irgendetwas von dem Gehörten näher zu hinterfragen. Sie klammert sich einzig an den Klang seiner Stimme, wie an einen Anker, der sie davor bewahrt in vollkommener Verzweiflung und Selbstaufgabe zu versinken. Noch immer bereitet ihr jede Bewegung heftige Schmerzen, als sei in ihrem Inneren etwas in tausend Fetzen zerrissen, und sie hat das Gefühl, als würde sich das nie mehr ändern.
>Wie siehst du aus? < Jans Frage überrascht sie doch etwas. Von welcher Bedeutung war ihr Aussehen? Im Moment fühlt sie sich überhaupt nur schmutzig und würde am liebsten nicht einen Gedanken an ihren Körper verschwenden. Doch dann reisst sie sich zusammen, jedenfalls so gut wie sie kann. "Ich...ich bin eher klein, schwarze, lange Haare, grüne Augen. Ich bin so vielen Leuten begegnet, ich weiß nicht ob dir auch schon. Wie...wie siehst du den aus? Vielleicht kenn ich dich doch?" Auf was für seltsame Ideen kommst du denn jetzt wieder? Ihre Augen heften sich immer noch an die Tür, hinter der nun mit einem Mal Geräusche zu hören sind: Schritte, Stimmen, das kehlige Lachen eines Mannes. Ihr Herz schägt schneller, dann wieder hat sie das Gefühl als würde es aussetzen. Er würde doch nicht? Oder sonst einer? Angestrengt lauscht sie nach draussen, versucht ihre aufsteigende Panik im Zaum zu halten. Die Stimmen kommen näher, die Schritte scheinen vor der Tür zu verharren. Was würde geschehen? Atemlos presst sie sich näher an die Wand als könnten die kalten Steine ihr Schutz gewähren.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 25. Nov. 2004, 20:54 Uhr
So sehr Tiuri auch versucht sich zu erinnern und so sehr Aurians Beschreibung von sich selbst auch auf das Bild der Frau in seinem Kopf passt, es ruft nichts weiter in ihm wach. Sie selbst fragt sich ob sie sich vielleicht getroffen haben könnten, doch Tiuri weiß, dass es sinnlos ist sich zu beschreiben, dass es auch sinnlos war nach ihrem Aussehen zu fragen. Wie viele junge Frauen mit schwarzem Haar und grünen Augen mag es wohl geben auf der Welt? Es könnte jemand ganz anderes sein.
Und der Name? Warum hat der Name, genau dieser Name das Bild in deinem Kopf hervorgerufen?
Tiuri schüttelt den Kopf und fährt sich mit der Hand durch das Haar. Sein Haar, an jeder Stelle anders lang als an der nächsten. Er hat keine Ahnung ob es immer schon so gewesen ist, aber wahrscheinlich ist es nicht. Wer weiß, waren meine Haare einst länger, sie sind ja im letzten Jahr auch schon wieder gewachsen. Vielleicht sind sie so verbrannt wie meine Haut…
Vorsichtig fährt er mit der rechten Hand über sein Gesicht, spürt die seltsame Haut seiner Hand auf seiner Wange und fährt vorsichtig hinter sein Ohr, den Hals hinunter. Er zittert am ganzen Körper und unbändiger Zorn steigt in ihm hoch, bis er erbebt wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Anstatt sich schließlich doch noch selbst zu beschreiben und sich und Aurian abzulenken schreit er so laut er das noch kann, denn die Kraft in seiner Stimme lässt langsam nach. Er versucht sich all den Zorn, die Angst, die Einsamkeit und vor allem die Hoffnungslosigkeit von der Seele zu schreien. Die Schritte die schon vorher aufgetaucht sind hat er in seiner aufkommenden Raserei gar nicht bemerkt.
Ein quälender Hustenreiz beendet schließlich sein Schreien und keuchend schaut er hoch als die Türe knarrend geöffnet wird.
Wieder fällt ein Lichtschein in seine Zelle und Tiuri kneift die Augen zusammen, obwohl das Licht schummerig ist, wirkt es doch plötzlich sehr hell.
>Plerr hier nicht rum!< Der dicke Mann im Eingang zu seinem neuen Schlafplatz ist energisch und seine Stimme hat einen barschen Tonfall angenommen, noch grimmiger als zu vor. Tiuri kann seinen versucht gemeinen Gesichtsausdruck nicht sehen, das Licht fällt von hinten in die Zelle und verdunkelt das Gesicht des Mannes.
Immer noch wütend greift Tiuri nach dem leeren Wasserbecher und wirft ihn dem Mann mit voller Wucht gegen den Kopf, dabei schreit er, als könnte er damit die Ketten sprengen.
Der Dicke lässt sich so etwas von einem Gefangenen natürlich nicht befreien, er hat ja nicht vor dem Jungen den Kopf ab zu beißen oder so etwas, er hält sich an den Befehl des Meisters, äußerlich soll Tiuri unversehrt bleiben, beinahe. Mit voller Wucht tritt er mit dem Fuß gegen den Jungen, welcher sich in seinen Ketten aufbäumt und wild mit Armen und Beinen um sich schlägt. Wobei er immer noch schreit und versucht den Mann zu beißen.
Er trifft den Dicken am Schienbein und schließlich sogar zwischen die Beine, doch all das bringt ihm nur weitere Tritte ein und schlussendlich einen Schlag auf den Kopf der ihn zu Boden sinken lässt.

Als er wieder erwacht ist ihm der Kopf schwer, genauso wie seine Augenlider. Alles an ihm fühlt sich an als wäre es aus Blei, außer seinem Hals, der kann nur ein Reibeisen sein. Schlucken fällt dem Jungen schwer und tut weh, Husten auch. Erst denkt er, dass alles nur ein Traum sein kann, dass es ein Traum sein muss. Die letzten Stunden, die letzte Zeit, er wagt gar nicht die Augen zu öffnen um nicht bemerken zu müssen, dass er wach ist und dass er tatsächlich in der kleinen, feuchten und Ratten verseuchten Zelle liegt.
Seine Hand tut weh und abwechselnd ist ihm heiß und kalt, sein Kopf pocht im Gleichtakt mit seinem Herzen und er stöhnt leise auf als er sich aufrichtet und gegen die Wand lehnt. Er seufzt auf und schaut sich um. Es ist immer noch finster, rund um ihn sind noch immer die kleinen Rattenfüße zu hören, überall das Tropfen von Wasser auf Stein. Sein Magen knurrt, aber als er in die Tasche greift ist von dem Stück Brot das er übergelassen hat, nicht mehr viel über. Die Ratten müssen es geholt haben, oder es liegt irgendwo in der Nähe. Mit nicht allzu viel Energie tastet er um sich, findet aber nichts auf, die Ratten müssen wirklich ganze Arbeit geleistet haben.
Wie lange ich wohl geschlafen habe?... Geschlafen, Zwangsberuhigt würde ich das nennen!
Jetzt muss Tiuri den Kopf über sich und diesen Vorfall schütteln. Was nützt es sich hier zu gebärden wie ein Wilder, die Ketten sind fest aus Eisen, er würde sie nicht brechen und man wird ihn auch nicht gehen lassen. Er muss bleiben, ob er will oder nicht, sich jedoch ruhig zu verhalten, würde ihm einige Schmerzen ersparen. Er nimmt es sich fest vor, aber Tiuri weiß, dass es ihm schwer fallen wird, weiß nicht ob er das schaffen kann. Es liegt in seiner Natur den Mund auf zu machen wenn ihm etwas missfällt und die Lage in der er sich befindet ist ganz eindeutig eine missliche.
Seine Gedanken wandern wieder zu Aurian in der Zelle neben ihm, er will mit ihr sprechen, aber er weiß nicht wie spät es ist, ob sie vielleicht schläft. Wenn sie schläft will Tiuri sie nicht wecken, denn Schlaf ist der einzige Ausweg aus dieser Situation, nur im Schlaf und in seinen Träumen kann man die Zeit vergehen lassen ohne sie mitzubekommen.
Träumen… Den Kopf an die Wand gelehnt, immer wieder von einem Husten oder einem Schaudern gebeutelt, träumt er von den Tagen außerhalb dieser Zelle. Er stellt sich vor, dass er irgendwo anders ist, an einem See, einem Garten, in den Wäldern, oben in der Stadt in einer Taverne. Er stellt sich seine Familie vor und sich selbst, wie er vielleicht ausgesehen haben mag bevor er diesen Unfall hatte. Er träumt davon, dass sich niemand vor ihm ekelt und schmerzlich fällt ihm Faradays kurzer Blick auf sein Bein ein. Sie ist erschrocken gewesen und der Junge kann es ihr nicht verdenken. Faraday… In diesem Moment, wünscht er die einzige Person die er hier kennt einfach zu sich.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 25. Nov. 2004, 21:38 Uhr
"Jen, Jen, was ist los?" Sein Schreien reisst Aurian aus ihrer Letargie. Doch ihre Worte scheinen nicht zu ihm durchzudringen. Die fette Ratte verschwindt ob des plötzlichen Radaus mit einem erschrockenen Qicker in ihrem Loch. In seinen beinahe schon irre wirkenden Schreien spiegelt sich die ganze Verzweiflung des Jungen und seine plötzlich übermächtigen Emotionen dringen trotz der dicken Mauer zu ihr. Aurian presst die Hände gegen die Ohren doch ganz kann sie seine Stimme nicht aussperren, ebenso wenig wie seine Angst und Verzweiflung, die zum Teil ein Abbild ihrer eigenen Gefühle sind. Hör auf, bitte hör auf! fleht sie in Gedanken doch es scheint eine Ewigkeit zu vergehen, bis die Schreie verstummen. "Jen?" Doch sie bekommt keine Antwort. Auch die ungebändigten Emotionen sind verstummt und nur mehr die Leere in ihr ist da. Und unsagbare Müdigkeit. Trotz der Angst, ihr Peiniger könnte zurückkehren, fallen ihr die Augen zu. Doch es ist alles andere als ein erholsamer Schlaf: Wirr wirbeln ihre Gedanken durch ihren Geist und alle möglichen Bilder verfolgen sie in ihre Träume:

Ihre Zieheltern, das Dorf, Kenor. Die glücklichen Kindertage. Dann plötzlich ist sie im Wald, alleion, einsam. Ihr ist kalt. In der Ferne sieht sie ein vertrautes Gesicht, schwarzes Haar, blasse Haut: Cleyron. Doch sein Gesicht verschwimmt immer mehr mit den Nebeln des Waldes und eine weitere Person nimmt Gestalt an: strahlend blaue Augen, blondes Haar. Und Musik schwirrt durch die Luft, als sie mit Cedric über den Boden einer moosbedeckten Lichtung wirbelt. Doch dann wird sie aus seinen Armen gerissen. "Ced..." doch ihr Schrei verklingt lautlos und wo eben noch seine Augenn waren sind nun kalte eisfarbene, die sie mit ausdruckslosen Blick in die Tiefe zu stossen scheinen, auf einen zerschlissenen Lumpensack, wo er wartet und all die Qualen der letzten Stunden laufen noch mal vor ihr ab, so real als wäre es nicht nur ein Traum.

Schweißgebadet und zitternd erwacht sie. Aurian hat keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hat. Wie gerne würde sie ihren Schmerz so herausschreien wie Jen oder zumindest weinen, doch weder für das eine noch das andere hat sie die Kraft. Eben will sie sich wieder einrollen, als der dicke Kerl von vorhin die Tür öffnet und sie mit angewidertem Blick mustert. >Weiß echt nicht was der Chef an dir findet! Wenns nach mir ginge wärst du schon Rattenfutter. Aber wenigstens hältst das Maul, im Gegensatz zu dem Stinker da drüben.< Verächtlich spuckt er neben ihr aus, rülpst vernämlich und geht wieder, jedoch nicht ohne ihr noch einen Tritt zum Abschied zu verpassen, der ihr einen weiteren blauen Feck bescherrt. Mit zusammengebissenen Zähnen rappelt sie sich auf "Jen? Jen, alles in Ordnung?" Verzweifelt lauscht sie in die Stille, in der Hoffnung den einzigen Menschen hier unten zu hören, der ihr nichts Böses will.  

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 25. Nov. 2004, 22:04 Uhr
Es ist ein Wunder, dass Tiuri die Stimme aus der anderen Zelle hört. Zu sehr ist er auf seinen hämmernden Kopf konzentriert und außerdem immer noch versunken in Träume, weit ab von dieser Zelle. Als Aurian das zweite Mal seinen Namen ruft horcht er auf, öffnet die geschlossenen Lider zur Hälfte. Zu schwer scheinen sie ihm um die Augen ganz auf zu machen. Ein Zittern durch fährt ihm und er steckt seine Hände unter seine Arme um sie zu wärmen. Seine Haut glüht heiß, aber er versucht es zu ignorieren.
Das geht schon vorbei! Versucht er sich einzureden und will Aurian dann antworten.
„Es…“ Seiner Kehle entkommt nicht mehr als ein trockenes kehliges Geräusch und schließlich ein weiterer Hustenanfall. Mit der rechten fährt er sich über das heiße Gesicht und starrt dann aus brennenden Augen auf die Wand hinter der sich Aurian befinden muss, obwohl er weder das Mädchen noch die Wand wirklich sehen kann. Mit der Zunge fährt er über die trockenen Lippen und nimmt dann all die Kraft und Luft die er zu Verfügung hat zusammen um ihr zu antworten.
„Es… geht… mir… gut!“ Er braucht eine Pause zwischen jedem Wort das er spricht, nicht nur weil er immer wieder husten muss, sondern auch weil er das bisschen Stimme das ihm geblieben ist immer wieder sammeln will um zu antworten. Trotzdem klingt er heiser und seine Stimme seltsam hoch und gebrochen.
Gern würde er mehr sagen, würde ihr irgendetwas erzählen, Aurian und sich von dem Unglück ablenken, aber er kann nicht. Jeder weitere Versuch noch ein Wort zu sagen schlägt fehl schon bevor er es wirklich versucht. Er hat einfach die Kraft und die Motivation nicht mehr um sich so zusammen zu nehmen, dass er sprechen kann. Müde lässt Tiuri den Kopf wieder gegen die Wand lehnen und flüstert leise nicht zusammen hängende Worte vor sich her. Dazwischen horcht er immer wieder ob Aurian etwas zu ihm sagt.
Der dunkle Raum um ihn herum versucht nach einiger Zeit schon wieder tückisch seine Größe zu ändern und Tiuri ist es leid, nicht sehen zu können wie weit die Wand von ihm entfernt ist. Langsam tastet er neben sich, ob die Wand nahe genug ist, aber er kann sie nicht erreichen, die angeketteten Hände halten ihn an der Wand. Aber noch gibt Tiuri nicht auf, er hat das Gefühl hier irgendetwas aufzugeben würde bedeuten sich selbst aufzugeben und so streckt er den Fuß aus, legt sich ganz auf den Boden so gut es geht, streckt die Arme aus, bis er mit dem Fuß tatsächlich die Wand erreichen kann.
Eine Zeit lang liegt er aufatmend einfach so am Boden, der Raum hat aufgehört zu pulsieren, es ist Tiuri als würde er die Wände mit seinem Fuß daran hindern näher zu kommen. Mit dem Fuß tritt er auf die Wand ein, in der Hoffnung, dass Aurian ihn hören kann und dass sie es als das nimmt was es ist, eine Aufforderung mit ihm zu sprechen.
Tiuri hat derweil den Blick nach oben gerichtet und aus trotz zu der gefangen gehaltenen Wand, scheint nun die unsichtbare Decke auf ihn zuzukommen um ihn zu zerquetschen. Zitternd vor Angst schließt Tiuri die Augen und stellt sich vor auf einer Wiese unter freiem Himmel zu liegen. Seit dem Moment an dem er erwacht ist nach seinem Unfall, kann Tiuri es nicht aushalten lange in engen Räumen zu bleiben und schon gar nicht wenn er eingesperrt ist, die Enge der Zelle ist eine Qual und die geschlossene Tür erst recht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 25. Nov. 2004, 22:52 Uhr
Seine brüchige Stimme straft seine Worte Lügen. Immer leiser wird sie und in dem Mass in dem sie abnimmt, scheint seine Angst zu wachsen. Diese schein beinahe Teil seiner Persönlichkeit zu sein, tief verwurzelt und alt, älter als die letzten Tage und Stunden. Aurian hat das Gefühl, die Panik, die den Jungen umgibt, beinahe greifen zu können. Und dann ist die stimme mit einem Mal versiegt, und wir abgelöst von einem gleichbleibenden, monotonen Klopfen. "Jen? Jen...hör mir zu. Wir schaffen das, hörst. Wir komm...kommen hier raus!" Woher diese Worte kommen, kann sie nicht sagen, wie von selbst kommen sie ihr über die Lippen. Und dann? Was dann? Sollten wir wirklich hier rauskommen..was dann? Doch daran will sie nicht denken, sie will über haupt an nichts denken was mit ihr selbst zu tun hat. Vielmehr konzentriert sie sich ganz auf Jen, schon allein um von ihrem eigenen Körper abgelenkt zu sein. Mühsam rutscht sie etwas näher an die Wand. Zum ersten Mal nimmt sie den Raum bewusst wahr: kalter, nackter, feuchter Stein, modriger Geruch. Und dauerndes Getrappel von unzähligen Rattenbeinen, dazwischen deren wütendes Pfauchen, wenn sie sich um ein Stück verfaultes Aas oder sonstiges Essen -wenn man das so nennen kann - streiten. Ein besonders fettes Exemplar nähert sich ihr und scheint den Plan gefasst zu haben, sie als Futterquelle zu betrachten. Angewidert verpasst das Mädchen ihm einen Tritt. Doch das Tier zeigt sich unbeeindruckt und pfaucht sie nur wütend an. "Verschwinde du blödes Vieh!" Kalte Wut überkommt sie, auf das alles hier, auf ihren Peiniger und auf sich selbst: Warum war sie nur allein in den Wald gegangen? Warumn war sie nicht gleich in die Steinfaust zurückgekehrt? Ob man sie schon vermisste? In einem plötzlichen Impuls reisst sie ihre rechte Hand hoch und ein blauer blitz trifft dieRatte, die, von der magischen Entladung getroffen, an die Wand geschleudert wird und dort starr liegen bleibt.
Verdattert starrt Aurian auf ihre Hand? Was war das? Wieso...?Vorsichtig horcht sie in sich hinein, so wie Maester Malakei es ihr gezeigt hatte. Doch sofort hatr sie das Gefühl von ihren magischen Fähigkeiten angesprungen zu werden. Sie sind frei, befreit aus dem Käfig, in dem sie jahrelang gefangen waren. Aurian beginnt am ganzen Körper zu zittern. Sie hat Angst, nun nicht nur vor ihre Feinden hier unten sondern auch vor sich selbst. Sie hätte es lernen wollen, die Magei zu beherrschen und sie langsam freisetzten doch nun? Nur um sich abzulenken wendet sie sich erneut an Jen. "Wie ... wie lang bist du eigentlich schon hier?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 27. Nov. 2004, 19:52 Uhr
Die optimistischen Worte Aurians tun Tiuris geschundenem Geist wohl. Bis jetzt war er es, der immer wieder weiter gesprochen hat um die Verzweiflung in Zaum zu halten und um ein bisschen Licht in die Dunkelheit zu bringen. Ob Aurian wirklich glaubt was sie sagt, nämlich, dass sie irgendwie wieder aus diesem Loch gelangen werden, weiß Tiuri nicht, es ist auch vollkommen egal. Die Hauptsache ist es, diese Dinge auszusprechen. Vor Kälte hat sich der Junge mittlerweile wie ein Embryo zusammen gekugelt und liegt zitternd mitten im Raum. Er hat aufgehört gegen die Wand zu schlagen, denn dazu hätte er sich ganz strecken müssen und dazu ist ihm einfach zu kalt.
Während er so da liegt und auf sein Verderben oder Verwesen wartet, was genau weiß Tiuri selber nicht, kommen die neugierigen Ratten langsam näher. Kurz erschaudert der Junge als ihn eines der Tiere berührt, aber er bewegt sich nicht weiter, schlägt nicht um sich und scheut die Ratte vor allem nicht von sich. Zögernd legt er eine Handfläche offen auf den feuchten Boden und wartet ab. Es dauert nicht allzu lange bis die erste Ratte schnuppernd näher kommt und über Tiuris Hand steigt. Vorsichtig hebt er den Daumen und streicht ihr über die Seite, was die Ratte dazu bringt quietschend davon zu rennen.
Von jenseits der Mauer dringt Aurians Stimme wieder zu ihm durch und fragt wie lange er schon hier ist.
Gute Frage… ewig, würde ich sagen. Vielleicht auch nur zwei Monate, zwei Tage, zwei Minuten oder erst einen Augenblick. Ich weiß es nicht mehr, die Dunkelheit hat keine Tage, keine Sonnenaufgänge. Nicht einmal Schatten, deren Länge etwas über die Tageszeit hätte verraten können. Ist das mein Schicksal? Bin ich dazu verdammt in dieser Dunkelheit zu sterben? Einmal beinahe im Feuer gestorben und jetzt in der Dunkelheit? Wie viele Tode kann ein Mensch denn haben?
Vielleicht ist das des Rätsels Lösung? Vielleicht bin ich gestorben, damals und jetzt, neu geboren, neu auferstanden und ich bin ohne Erinnerung an mein altes Leben. Warum? Weil es nicht mehr wichtig ist, ich habe ein neues Leben geschenkt bekommen, wieso ist nicht wichtig. Die Götter meinten es gut mit mir!
Aber warum dann jetzt das hier? Ist das meine Strafe für so viel Glück?

Tiuri schüttelt den Kopf über sich selbst, es sind zu viele Gedanken und allesamt ergeben einfach keinen Sinn. Warum hätten ihn die Götter nach seinem Tod noch einmal auf die Welt setzen sollen?
Mühselig und schwankend richtet sich Tiuri auf um Aurian zu antworten. Er öffnet den Mund und hustet und keucht, krächzt anstatt einer Antwort und lässt darauf hin seine Faust wütend auf den Boden sausen. Nicht ohne sich im nächsten Moment schon wieder unter einem Hustenanfall zu krümmen.
Von draußen hört er Schritte die sich langsam nähern und schließlich mit einem Schlüssel klimpern. Dem Schlüssel zu seiner Zelle und wieder öffnet sich seine Türe.
Tiuri hat weder die Stimme noch die Kraft dazu um zu schreien. Er hat auch nichts das er nach dem Dicken hätte werfen können, aber er betrachtet ihn aus glänzenden hasserfüllten Augen, lässt keinen einzigen Schritt des Mannes aus seinem Blick.
Dieser wirft ihm ein Stück Brot zu und stellt einen Becher Wasser auf den Boden neben Tiuri. Als dieser den Becher in Sicherheit gebracht hat versucht er den Werter zu treten als dieser an ihm vorbei geht, aber der Mann ist schneller als er aussieht und verabreicht Tiuri nur seinerseits einen Tritt gegen den Fuß.
Der Junge seufzt auf, die Türe vor ihm schließt sich wieder, lässt nur Dunkelheit zurück. Obwohl sein Magen leer ist und knurrend nach Nahrung verlangt, verspürt Tiuri keinen Hunger. Durst ja, Wasser für seinen kratzenden Hals, seine brennende Lunge und die spröden, heißen Lippen. In einem Moment hat er noch das Gefühl in Flammen zu stehen und unterdrückt den Wunsch zu schreien, als die Bilder aus seinen Träumen vor ihm auftauchen. Im nächsten Augenblick aber friert er schon wieder und zieht die Beine fest an seinen Körper. Er schlingt die Arme um seine Knie und klammert sich an sein Stück Brot von dem er einfach aus Vernunft immer wieder ein kleines Stück abbeißt.
Noch hat er Aurian nicht geantwortet und weiß auch nicht wie er das tun soll, kann er doch nicht sprechen, obwohl das Wasser, so ekelhaft es auch schmeckt, eine wohltuende Wirkung hat.
„Weiß nicht!“ bringt er schließlich hervor, kurz und rau, möglicherweise zu leise als das Aurian es hören kann, aber mehr schafft er einfach nicht und müde sinkt er zurück auf den Boden. Begrüßt schon regelrecht die Gesellschaft der Ratten.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 28. Nov. 2004, 08:43 Uhr
Trotz ihrer halbelbischen Herkunft und ihrer dadurch geschärften Sinne, ist es schwer für sie die leise, krächzende Stimme Jans zu verstehen. Immer wieder dringt trockenes, hartes Husten an ihr Ohr und neben Verzweiflung und Schmerz spürt sie unsagbare Müdigkeit. Sie kann nicht wirklich sagen, ob es die Emotionen des Jungen sind oder nur ihre eigenen, wohl aber ihrer beider. Immer deutlicher kriecht die Feuchtigkeit durch das zerschliessene Hemd und die Kälte bewirkt, dass ihre Glieder volkommen steif sind. Aurian sehnt sich nach ihren eigenen Kleidern, doch der Gedanke daran erinnert sie auch, auf welche Weise sie sie verloren hat. Es ist sogar für ihre Augen beinahe zu deunkel, doch die blauen Fleckenn und Prellungen kann sie erahnen. Die geplatzte Lippe pocht kontinuierlich vor sich hin und vom Gefühl her muss sie deutlich geschwollen sein. Nun sitzt ich hier, dabei wollte ich ein neues, besseres Leben beginnen. Und was ist? Erst werde ich beinahe erstochen und dann lande ich hier, geschlagen und.... Die letzten Worte - vergewaltigt, geschändet - kann sie nicht mal denken. Ihre Gedanken gleiten zurück zu den letzten Monaten, zu allem was sie in Talyra erlebt hat, zu den Leuten, die sie kennen gelernt hat. Die Steinfaust, Mittelpunkt ihres jetztigen Lebens, so wie die mächtige Feste auch das Zentrum des Lebens ihres Vaters war. Jener regnerische, windige Abend kommt ihr wieder in den Sinn, als der Lord Commander ihr von ihm erzählt hat. Und ein Gedanke setzt sich mit einem Mal in ihrem Kopf fest: Hätte er aufgegeben? Wenn sie den Berichten Olyvars Glauben schenken darf nicht. Ich bin Aurian de Winter und ich werde nicht aufgeben, so wie mein Vater nicht aufgegeben hätte! Immer wieder sagt sie sich jenen Satz vor, in der Hoffnung, ihn irgendwann glauben zu können.

Aus der Nachbarzelle hört sie nur von Zeit zu Zeit trockenes Husten; Jen scheint eingeschlafen zu sein. Wie gut du es hast, wenigstens Schlaf ist dir vergönnt! Sie selbst wagt es nicht, ein weiteres Mal die Augen zu schließen; zum einen aus Angst, einer der ekelhaften Kerle könnte zurückkommen und fortsetzen, was ihr Chef begonnen hatte, aber auch um einem weiteren Alptraum zu entgehen. Mit leerem Blick starrt sie auf den Boden. Die Selbstbeschwörungen hat sie, sie weiß nicht nach wie langer Zeit, aufgegeben. Nutzlos, ergebnuislos. Sie fühlt sich um keinen Deut besser und würde noch immer am liebsten sterben. Nie wieder, so vermeint sie, würde sie wieder zulassen, dass ein Mann ihr zu nahe kämme. Kurz blitzt Cedrics Gesicht in ihren Gedanken auf, sein Lachen, das Leuchten seiner blauen Augen, doch das Bild ist so rasch verschwunden wie ein Blitz in einem Sommergewitter. Zurück bleibt Leere und  Schwärze, die ihren Geist fest umklammert halten. So vergeht die Zeit, langsam, schleichend und unbemerkt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 30. Nov. 2004, 18:03 Uhr
Wir Aurian vermutet, ist Tiuri tatsächlich eingeschlafen, allerdings in keinen dieser tiefen traumlosen Schläfe. Mit Schließen der Augen ist der Junge einfach in die Traumwelt hinüber geglitten, ganz ohne es zu merken, denn im Traum liegt er in einer stockfinsteren, kalten, feuchten Zelle angekettet auf dem Boden. So wie er es auch im wachen Zustand gemacht hat liegt er da und sieht sich um, ohne dabei wirklich etwas in der Dunkelheit erkennen zu können. Doch als er die Augen in eine Richtung lenkt durchfährt ihn ein Schaudern, aber er kann anfangs einfach nichts in dieser dunklen Ecke sehen. Er stiert und starrt, bis langsam die Konturen und das Gesicht eines dünnen bleichen Mannes vor ihm auftauchen und ihn mit eiskalten Augen anstarren. Der Mann zeigt keinerlei Regung auf seinem Gesicht, starrt Tiuri einfach nur unverhohlen eisig an, als könnte er mit seinem Blick sogar Wände aus Stein durchdringen. Der Junge windet sich, versucht dem Blick irgendwie auszuweichen, aber die Ketten halten ihn wie klamme Finger an seinem Platz, geben keine Möglichkeit zur Flucht. Mit der Zeit steigt auch der Zorn in Tiuri und er beginnt zurück zu starren. Lange schaut er dem Bleichen in die Augen und genauso lange sieht dieser zurück, ohne dabei zu zwinkern, während Tiuris Augen voller Tränen brennen.
Ohne jede Vorwarnung schnippt der Mann mit den Fingern und verschwindet. Im gleichen Moment geht die Zelle um Tiuri in Flammen auf, besteht plötzlich aus Holz und ist umgeben von Schreien. Überall um ihn herum ist Schmerz, Flamme, Feuer und immer wieder diese grässlichen Schreie, aber er kann nichts sehen. In der Annahme, dass es seine eigenen Schreie sind klappt er den tatsächlich offenen Mund zu, aber sie verschwinden nicht und Tiuri kann zum ersten Mal in den vielen Träumen die er über das Feuer hat eine Gestalt darin erkennen. Es ist die brennende Figur einer Frau, die vor Schmerzen schreit und schließlich unter einstürzendem Gebälk verschwindet. Wieder hört Tiuri sich schreien und mit einem plötzlichen Schmerz fährt er hoch.
Keuchend sieht er sich um, ist zurück in seiner Zelle, wach und außer Atem. Er weiß nicht ob er auch außerhalb des Traumes geschrieen hat, aber er zittert am ganzen Leib und sein Hals schmerzt als hätte er ihn überanstrengt. Der plötzliche Schmerz der ihn geweckt hat war seine Hand mit den gebrochenen Fingern, auf die hat er sich im Schlaf gelegt und jetzt tut sie dermaßen weh, dass Tiuri sie am liebsten ganz abschneiden würde.
Alleine in der Dunkelheit an die kalte Wand gelehnt, kommen dem Jungen die Bilder seines Traumes noch einmal in den Sinn. Auch im wachen Zustand sieht er den weißen Mann in der Ecke und es kostet ihn einige Überwindung sich aus seiner zusammen gekrümmten Schutzposition zu begeben in Richtung Wand und dort mit dem Fuß dagegen zu schlagen.
‚Bist du noch hier? Lässt du mich hier nicht alleine sterben?’ will er Fragen, bekommt doch keinen Ton heraus und fühlt sich in diesem Moment wie ein kleiner Junge, ein Kind fern vom Schutz seines Heimes, das um die Liebe seiner Mutter bettelt.
Panik steigt in Tiuri auf und er beginnt immer stärker gegen die Wand zu treten, während sein Blick immer wieder zu dem Bleichen hin gleitet, der eigentlich nicht dort ist, aber Tiuri kann ihn genauso vor sich sehen wie an dem Tag in dem er ihn und Faraday geschnappt hat. Der Bleiche hebt die Hand, immer und immer wieder um zu schnippen, ohne es wirklich zu tun und die Zelle in Flammen aufgehen zu lassen. Tiuri schlägt noch fester und schneller gegen die Wand. ‚Hol mich hier raus, lass mich nicht verbrennen!’
Heiße Tränen befreien sich aus den brennenden Augen und laufen die glühenden Wangen hinab, tropfen unbemerkt auf den feuchten Boden, während in einigem Abstand die Ratten lauern und misstrauisch beäugen was der komische Kerl, der einfach so in ihr Heim gedrungen ist, für einen Lärm macht.
„Faraday, Faraday, Faraday…“ Er murmelt ihren Namen ganz leise vor sich hin, sein einziger Zusammenhang mit der Außenwelt, seine einzige Hoffnung. Zwischen all den wirren und panischen Gedanken fragt er sich immer wieder wo sie sein mag, was sie tut, ob sie Erfolg hat, ob es ihr gut geht.
Trotz all der Gedanken und Überlegungen verschwindet der Bleiche nicht, hebt jedes Mal die Hand wenn Tiuri in die Ecke schaut und so heftet der Junge seinen Blick an die Wand hinter der Aurian sein muss, hört nicht auf zu treten. Er nimmt seinen Atem zusammen und …hustet, schafft es aber dann doch nach ihr zu rufen.
„Aurian!“

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 30. Nov. 2004, 20:44 Uhr
Wie betäubt lehnt Aurian an der Wand ihrer Zelle, vollkommen apathisch vor sich hin starrend, versuchend an nichts zu denken. Einige Male hat sie versucht, sich in der Meditation zuversenken, die Malakei sie gelehrt hatte, doch immer wenn sie ihrem Geist gestattet, sich frei zu bewegen, erscheinen wieder die Bilder der dreckigen Kammer, des zerschliessenen Bettes und des Kerls, der inmitten all dieser Bilder beinahe übermenschlich groß wird. Kalte Panik befällt sie, nicht noch einmal. Jedes Geräusch das aus Richtung der Tür zu kommen scheint, lässt sie zusammenzucken. Eben wie jenes gleichbleibende Klopfen, dass sie zuerst nicht zuordnen kann.

Doch dann erkennt sie dass es aus der Nachbarzelle kommen muss. Und dann hört sie ihren Namen. Jens Stimme klingt rauh, krächzend und seine Gefühle sind ein einziger Schrei. Eine unaussprechlich große Angst schwingt darin mit, eine Angst die viel tiefer sitzen muss. "Ich bin hier alles gut!" Ihre Worte erscheinen ihr so lächerlich und doch weiß sie nicht, was sie ihm sonst sagen könnte. Alles gut, ha, wirklich guter Scherz! Vorsichtig versucht sie sich zu bewegen, doch augenblicklich durchfährt sie ein erneuter heftiger Schmerz, der sie leise aufstöhnen lässt. Noch immer fühlt sich ihr ganzer Körper an, als wäre sie stundenlang geprügelt worden und für einen Moment bleibt ihr beinahe die Luft weg. Und zum ersten Mal mischt sich zu ihrer Verzweiflung ein weiteres Gefühl, noch ganz klein, aber lauernd, bereit stärker zu werden und hervorzubrechen: Hass, Hass auf diejenigen, die sie hier her gebracht haben und vorallem auf den, der in seiner Kammer so über sie hergefallen war. Noch immer würde sie am liebsten sterben, vor Scham und Schmerz, doch ganz tief in ihr keimt ein weiterer Wunsch, der immer stärker wird: Rache! Unbewusst will sie nach ihrem Anhänger greifen, doch dieser ist ja nicht mehr da, er hat ihn. Ein weiterer Umstand, der ihren Hass auf diese menschlichen Ratten schürt. Und die unbekannte, noch so ungezähmte Macht in ihr schürt.

"Jen?" Noch einmal ruft sie seinen Namen. "Was ist mit dir? Was ist los? Komm rede mit mir!" Sie spürt, dass der Junge nahe daran ist, durchzudrehen. Nur das nicht, wenn er wahnsinnig wird... er zieht mich mit! Seine Emotionen sind so stark. Ich kann sie nicht abhalten, nicht für lange!    

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 30. Nov. 2004, 21:38 Uhr
Tiuri hört erst auf gegen die Wand zu treten als Aurian mit ihm spricht. Er versucht sich einzureden, dass sie Recht hat, dass tatsächlich alles gut wird und dass sie hier raus kommen werden. Du machst ja nur Panik!
Konzentriert versucht er normal zu atmen, nicht mehr so zu zittern, aber sein Körper gehorcht ihm nicht mehr genug. Wieder ruft Aurian nach ihm und es fällt ihm schon schwer all seine Sinne darauf zu richten was sie sagt, damit er es durch die Wand hindurch hören kann. In die Ecke hat er schon seit einiger Zeit nicht mehr geschaut, zu groß ist die Furcht vor dem Anblick der sich ihm dort bieten würde, oder die Furcht vielleicht verrückt zu werden. Die Wände zittern im Takt seines Herzschlages, kommen näher, erdrücken sie nicht nur mich? Auch den Bleichen?
Doch ein Blick auf die Ecke zeigt Tiuri, dass der Man immer noch dort ist und, dass es ihn völlig kalt lässt, dass die Zelle immer kleiner zu werden scheint.
>Was ist mit dir? Was ist los? Komm rede mit mir!<
Aurians Worte dringen zu ihm hindurch.. Reden, wenn das so einfach wäre! Er schließt die Augen um nichts um sich herum sehen zu müssen, doch die Bilder verschwinden nicht.
„Er ist hier, er will mich verbrennen!“ Zwar weiß Tiuri wohl, dass sich seine Worte panisch anhören, aber in seinem Fieberwahn merkt er nicht, dass das sinnlos ist und dass sich seine Zelle aus Stein wohl kaum in Holz verwandeln wird um abzufackeln.
„Der Bleiche… die Wände… eng, muss raus! Heiß… kalt… verbrennen!“ Immer wieder muss er husten und kann keine Füllworte aussprechen, bis er es nicht mehr versucht, er kaum noch Luft bekommt und nur mehr das Wichtige zu Aurian hinüber ruft.
Er atmet noch einmal tief durch. Beruhigen, alles wird gut! Nur keine Panik!
„Alles gut?“ So recht kann er das nicht glauben, aber trotzdem wird er ein bisschen ruhiger, der Bleiche ist verschwunden, die Wände stehen still, langsam bekommt er wieder Luft.
„Alles gut…“ er flüstert die Worte nur für sich selbst. Die Ruhe und Leere die ihn plötzlich überkommt ist fast schon beängstigend, aber Tiuri kann sich ja nicht vor allem und sich selbst fürchten.
Reden, reden ist gut, sag etwas, red einfach, versuch es wenigstens du Jammerlappen!
„Ich… kann… nicht… gut… reden! Sprich… mit mir, bitte… irgendwas!“
Fein raus gewunden, sehr gut, gratuliere, Idiot!

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 30. Nov. 2004, 22:11 Uhr
Der Junge - oder ist er schon ein junger Mann? - scheint zu phantasieren. Feuer, verbrennen? Doch als er den Bleichen erwähnt, zuckt ein Bild durch ihren Kopf: Sie hatte ihn schon gesehen, kurz nur und mehr als an sein Gesicht kann sie sich an seine Stimme erinnern und an einen Satz, einen einzigen, der aber wohl für immer in ihr eingebrannt wird bleiben: >Dann nimm sie dir...< Und die Kälte die aus den wässrigen Augen gesprochen hatte, als er sie ihrem Peiniger zum Fraß vorgeworfen hat. Für einen Moment schließt sie die Augen und schluckt die Galle hinunter, die ihr in einem erneuten Brechreiz hochkommt. Nicht daran denken, Jen braucht dich jetzt! Sie klammert sich geradezu panisch daran um nicht ebenfalls durchzudrehen. >Ich… kann… nicht… gut… reden! Sprich… mit mir, bitte… irgendwas!< Irgendwas? Fieberhaft denkt sie nach. Da fällt ihr etwas ein, eine Geschichte, eine schöne Geschichte. Kenor hatte sie ihr vor langer Zeit einmal erzählt, als sie auch unendlich traurig gewesen war, warum eigentlich weiß sie nicht mehr.

"Ich erzähl dir eine Geschichte, in Ordnung? Es...es war einmal ein kleiner Vogel, der hatte unsagbare Sehnsucht nach der weiten Welt. Aber er war zu klein und zu schwach, um weiter zu fliegen als bis zu einem großen See, wo ein kleiner Hafen war. Lange Stunden sass er dort auf der Mauer und sah den Schiffen und den seevögeln nach, die hinter dem Horizont verschwanden. Eines Tages gesellte sich eine Möwe zu ihm. 'Hallo, Kleiner, was schaust du den so traurig?' fragte sie ihn. 'Ach weißt du, ich möchte so gern wissen, was da hinter dem See ist. Ich kenne nur den Wald dorthinten und das Dorf. Und ich würd doch so gerne die Welt sehen!' 'Ach kleiner Vogel,' sprach die Möwe,'die weite Welt willst du sehen? Nun die kann aber ganz schön unfreundlich sein, die weite Welt' Doch der kleine Vogel schüttelte nur ungläubig den Kopf.'Die ist sicher super schön und aufregend' wiedersprach er der Möwe. Diese wiegte nur bedächtig den Kopf. 'Eines Tages werd' ich auf so einem Schiff über den See fahren, glaub mir!' Der kleine Vogel sagte das mit solchem Nachdruck, dass der Möwe Angst und Bang wurde. Von nun antrafen sie sich fast täglich und immer wieder erklärte er ihr, dass er auf einem Schiff die Welt bereisen wolle. Der Kleine wäre verloren in den Gefahren der Welt, das wusste die Möwe. Da kam ihr eine Idee. 'Ich werde dir die Welt beschreiben. Ich hab schon so viel von ihr gesehen! Oh mit nichts hätte sie dem kleinen Vogel mehr Freude machen können und so erzählte sie ihm jeden Tag mehr. Eines Tages aber erfuhr er durch Zufall, dass an nächsten Tag eine Karaawane in die Stadt fahren sollte. Eine Idee setzte sich in seinem Kopf fest: Auf einem der Wagen wäre sicher ein Platz für ihn und so könne er wenigstens einen Teil der Dinge, von denen die Möwe erzählt hatte, selbst sehen. Die Idee gefiel ihm und so machte er sich am nächsten Tag mit der Karawane auf in die Stadt. Zu Beginn fand der kleine Vogel das alles toll und spannend, doch mit der Zeit wurde der Trubel immer mehr. Und dann geschah es: Er verlor die Karawane aus den Augen. Hilflos flatterte er umher, voll Angst. Gerade rechzeitig konnte er einigen Fuhrwerken ausweichen und zu allem Übel wäre er beinahe einer hungrigen Katze zum Opfer gefallen. Völlig aufgelöstt hockte er sich in eine Mauernische. 'Ich will nach Hause, in den Wald!' Doch wie sollte er das nur machen? Plötzlich hörte er vertrauten Flügelschlag und als er aufsah, hatte sich die Möwe neben ihm niedergelassen. Sie hatte sich Sorgen gemacht, als ihr kleiner Freund nicht auf der Kaimauer erschienen war und so hatte sie ihn den ganzen Morgen über gesucht. Schließlich hatte sie erfahren, dass die Karawane in die Stadt gezogen war und einer Intuition folgend, hatte sie sichebenfalls auf den Weg gemacht. Beiinahe hätte sie schon die Hoffnung aufgegeben, doch beharrlich hatte sie diese Gedanken nieder gekämpft und hatte so alle Straßen nach ihrem kleinen Freund abgesucht. Bis sie ihn schließlich gefunden hatte. 'Was machst du denn für Sachen?' Sanft stubste sie ihren kleinen Freund an, der nur leise vor sich hin schniefte. 'Komm, bald fahren einige der Händler zurück. Ich glaube, fürs erste hast du genug von der weiten Welt!' Der kleine Vogel nickte heftig und gemeinsam liessen sie sich auf einem der Wagen nieder. Den Großteil der Fahrt verschlief der Kleine, während die Möwe mit Argusaugen darüber wachte, dass ihm nichts geschah. Als er dann die Augen aufschlug, bog der Wagen eben in die Dorfstrasse ein und hinter den Häuser war der Wald zu sehen. Noch nie hatte der kleine Vogel sich so über diesen Anblick gefreut. 'Ist das schön wieder zu Hause zu sein. Und so einen Freund zu haben!' Voll Dankbarkeit sah er die Möwe an. Diese stubste ihn jedoch nur sanft an.
Von da an hatte der Kleine nie mehr die Lust sich in das Abenteuer Welt zu stürzen, denn er wusste nun, dass er etwas viel wertvolleres besaß, als das Wissen wie die Welt aussah: Einen Freund, der immer für ihn da war. Und so wartet er geduldig, wenn die Möwe auf Reisen ging und lauschte nach ihrer Rückkehr ihren Geschichten über die Länder hinter dem See."

Aurians Kehle ist vom Erzählen ganz trocken und sie nimmt, obwohl ihr ekelt, einen Schluck von der braunen Brühe. Die Emotionen, die von der anderen Site der Mauer zu ihr dringen sind nun ruhiger, die Panik hat sich wieder etwas gelegt und das Mädchen hofft, dass das auch eine WQeile so bleibt, für sie beide. Zum einen, weill er sie womöglich mitziehen würde und zum anderen, da sein Randalieren womöglich die menschlichen Ratten aufscheuchen würde. Und nichts wäre schlimmer, als wenn diese Gestalten sich zu viel an sie erinnern würden, denn wer weiß, was ihnen dann noch einfiele?

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 01. Dez. 2004, 17:24 Uhr
Tiuri hört den Worten Aurians aufmerksam zu, schon allein deswegen, weil er nicht an irgendwelche brennenden Häuser oder Zellen denken kann während er zuhört und auch nicht an bleiche Männer mit kalten Augen und schneidender Stimme. Die Geschichte an sich ist nicht sehr abenteuerlich, aber gerade richtig für den aufgewühlten kranken Jungen auf dem kalten Zellenboden. Während dem Zuhören beruhigt er sich noch ein wenig und wenn es ihn jetzt immer wieder durch schüttelt, so ist es der Schüttelfrost und nicht mehr die Angst in ihm.
Ich wäre lieber eine Möwe, als so ein kleiner Vogel… aber zur Zeit bin ich höchstens ein angeketteter Vogel, mit gestutzten Flügeln. Ich bin einer, der einmal fliegen konnte und jetzt nichts mehr wert ist. Nichts auf dem einen Flügel, nichts mehr auf dem anderen und der Kopf ist völlig leer. Ein absolut nichtsnutziger Vogel, einfach überflüssig! Faraday wäre besser dran wenn ich nicht da wäre, sicher versucht sie nicht zu fliehen, so wie es besser wäre, sondern tut was man von ihr verlangt um mich hier heraus zu holen. Wenn ich sie nur noch einmal hätte sehn können, ich hätte ihr gesagt sie soll abhauen, dass ich schon schlimmeres erlebt hab. Ich hätte was erfunden und sie.. sie hätte mir eh nicht geglaubt! Unter einem kurzen, leisen Auflachen denkt Tiuri daran wie er sie getroffen hat und was er für Schwachsinn vor sich hin geredet hat. Natürlich hat sie ihm kein Wort abgenommen, aber darum ging es eigentlich gar nicht mehr, irgendwann war es auch ein Spaß gewesen sie einfach zu verwirren, mit jeder Geschichte noch ein mehr und mit jedem Wort sie noch etwas zu reizen.
Jetzt… Jetzt, bin ich ihr mehr schuldig als man in einem Leben zurück zahlen könnte, ich schulde ihr alles…
Tiuri ist wieder an seine Wand gerückt, weil es angenehmer ist als die Arme ständig von sich gestreckt zu haben und weil es wärmer ist den Körper eng zusammen zu rollen. Er merkt, dass ihm die Augenlider schon wieder schwer werden und er lässt sie einfach zuklappen. Es ist angenehm sie über die heißen Augen zu legen und so sitzt er einfach ruhig da, ohne an irgendetwas Bestimmtes zu denken. Seine Arme sind schrecklich schwer geworden mit der Zeit, wollen kaum noch die Beine umklammern.
Wie kann ich immer so müde sein? Ich tue doch nichts hier, aber ich bin so müde.
Mit zittrigen schwachen Fingern sucht er nach dem Brot in seiner Tasche und diesmal haben es die Ratten nicht genommen. Seine aufgesprungenen Lippen brennen bei jedem Biss und Tiuri lässt irgendwann ein resigniertes Schnauben hören, als wäre ihm ohnehin schon alles egal. Irgendwie ist es auch genau das in diesem Moment und das einzige wovor er sich fürchtet ist, dass sich dieser Zustand wieder ändern könnte, dass die Träume wieder kommen und der Bleiche Mann, dass er irgendwann nicht mehr weiß was Traum ist und was Realität, nicht einmal ob er in diesem Moment träumt oder wacht, oder ob er sich einfach irgendwo dazwischen befindet.
Gibt es etwas zwischen Traum und Realität? Ist es nicht gemein jemandem Träume zu schenken und sie nicht besser sein zu lassen als die Wirklichkeit? Welcher von euch elenden Göttern macht die Träume, oder wo kommen sie her? Vielleicht ist das die Lösung, das ist alles gar nicht passiert. Das ist viel zu schlimm um wirklich zu passieren. Ich bin gar nicht hier, ich träume, ich liege irgendwo in einer Taverne im Bett, irgendwo in Briocca, ja, ich hab die Stadt niemals verlassen, so muss es sein!
Eine Zeit lang versucht sich Tiuri das einzureden, bis ihn bei einer unbedachten  Bewegung der Schmerz seiner Hand wieder durchfährt und er einfach munter ist. Es gibt nichts mehr das er sich einreden könnte, er ist hier, in der Hölle oder irgendwo weiter unten und wartet darauf zu sterben, langsam ohne jede Hast.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 01. Dez. 2004, 22:16 Uhr
Hinter der Mauer wird es wieder ruhiger; Jen scheint sich gefangen zu haben. Aurian kämpft verzweifelt gegen das Gefühl der Leere und der Abscheu ihrem Körper gegenüber. Der Schlaf bedrängt sie vehement, doch sie will ihm nicht nachgeben, zu groß ist die Angst vor den Alpträumen. Doch irgendwann muss sie aufgeben und versinkt in einen unruhigen Schlaf, in dem sie Männer mit Rattenköpfen verfolgen und gierig ihre Hände nach ihr ausstrecken. Sie flieht durch ein gewirr aus kalten Gängen, immer dem blauen Stein folgend, den sie aber nicht erreichen kann. Und das ekelhafte Lachen eines Mannes dröhnt durch die Gänge.

Als sie schließlich zitternd erwacht, hat sie das Gefühl unter die Räder eines Fuhrwerks geraten zu sein. Ausserdem ist ihr seltsam schwummrig und der Raum scheint sich zu drehen. Was...? Doch dann, ganz langsa wird ihr klar was los ist: Hunger! Ihr Körper verlangt sein Recht auf Nahrung, immerhin hat sie seit zwei Tagen nichts gegessen. Wie durch ein Wunder haben die Ratten nicht versucht, sich das Brot zu holen, zu eingeschüchtert sind die kleinen Biester noch von dem, was sie mit einem der ihren gemacht hat.
Der Zinken ist steinhart und an der einen Ecke scheint sich bereits Schimmel festzusetzen. Diesen Teil wirft das Mädchen ihre Zellengenossen hin. "Da ihr Biester, will mal nicht so sein!" An dem anderen Teil beginnt sie vorsichtig herumzuknabbern. Nur mit Mühe kann sie den aufkommenden Brechreiz unterdrücken und nach wenigen Bissen legt sie das Brot weg. Ob verhungern weh tut? Ich könnte einfach warten, bis alles vorbei ist! Doch dann sieht sie aus den Augenwinkeln, wie sich eine besonders fette Ratte ihrer Hälfte des Brotes nähert. "Verschwinde!" Das Tief fängt sich einen Tritt ein. Und aus plötzlich hervorbrechendem Trotz beginnt sie auch den Rest aufzuessen. Der Bissen bleibt ihr jedoch im Hals stecken als sich die Tür ihrer Zelle öffnet. Gegen das Licht kann sie nicht erkennen wer es ist. Zitternd drückt sie sich näher an die Wand.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 03. Dez. 2004, 13:57 Uhr
Von der Unterstadt in die Kanalisation


Die Unterstadt erstaunt Faraday, denn es handelt sich tatsächlich um eine richtige Stadt, nur eben unter dem Erdboden. Irgendwo über ihr spannt sich die Decke, die sich wie ein dunkelbrauner Nachthimmel über die Häuser spannt, nur eben ohne Monde und ohne Sterne. Es stinkt erbärmlich hier unten, in den engen Gassen und breiteren Straßen, da hilft auch ihre verschnupfte Nase wenig und der Gestank raubt ihr beinahe den Atem und bringt sie erneut zum Husten. Die Häuser wirken zum großen Teil baufällig und schnell zusammengeschustert und passen zu den Gestalten, die sich hier herumdrücken. Faraday sieht keinen direkt an. Sie kennt diese Leute und sie weiß, wie sie sich zu verhalten hat. Ihr Gesicht hat das Weiche verloren; sie wirkt angespannt und ihr Blick ist hart. Die Haare fallen fallen ihr offen über die Schultern, nämlich genau so, dass man die Wunde an ihrer Stirn nicht sofort sehen kann. Sie ist jetzt unsagbar froh, dass sie diesen Umhang hat. In der Kleidung einer gewöhnlichen Magd wäre sie hier vielleicht gar nicht so weit gekommen.

Es fordert keine große Ortskenntnis den Wolfsmarkt zu finden. Es genügt sich mit der Menge treiben zu lassen und so sicher wie ein Fluß ins Meer fließt, so sicher ist sie an ihrem Ziel gestrandet. Und so fühlt sie sich: wie Treibgut, das sich nicht gegen die Brandung wehren kann und vom Wasser hin- und hergerissen wird. Aber sie ahnt, dass sie hier hinunter gehört, dass hier viele einmal sind wie sie selbst und nun hier unten festsitzen, in einem Leben ohne Licht und Luft, weil es da oben keinen Platz für sie gibt.

Mit großen Augen wandert Faraday dahin und staunt über das, was sich die ganze Zeit unter ihren Füssen abgespielt hat, ohne dass sie auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt hat. Sie weiß nicht, wo sie die Männer des Bleichen suchen soll, wen sie hier genau treffen soll. Der Bleiche würde seine düsteren Höhlen wohl kaum verlassen, da ist Faraday sicher. Ihre Frage beantwortet sich dann schneller als sie denkt. Irgendjemand packt ihren Arm und zischt ihr mit stinkendem Atem ein "Komm mit" ins Ohr. Faraday widersteht dem Wunsch ihren Arm loszureißen. Sie wendet sich auch nicht um, um der Kanalratte ins Gesicht zu sehen. Stattdessen tut sie, was er ihr sagt, und lässt sich von ihm mitziehen. Weg vom Wolfsmarkt, durch irgendwelche Gassen, in denen sie beinahe ausrutscht, weil der Boden von einer feuchten, schleimigen Schicht bedeckt ist, über die sich lieber nicht nachdenken will.

Irgendwann sind sie allein, zwischen windschiefen Häusern, die eher verkommenen Barracken gleichen. Der Mann hinter ihr, von dem sie nichts mehr gehört hat als seinen pfeifenden Atem, lässt sie plötzlich los und dann wird es dunkel, als er ihr etwas raues über den Kopf zieht. "Scheiße, was..." Sie bekommt keine Luft, das grobe Leinen scheint undurchdringlich zu sein. Sie hustet und hustet, hört nicht das "Halt's Maul", mit dem der Mann sie anherrscht und sie dann unbarmherzig vorwärts zieht. Wie in Trance setzt sie einen Fuß vor den anderen, während sie sich mit ihrer ganzen Willenskraft auf den eigenen Atem konzentriert. Ein... aus... ein... Langsam lässt das Erstickungsgefühl nach und sie kann sehen, dass der Stoff nicht gänzlich undurchsichtig ist. Viel erkennt sie allerdings nicht.

... Merk dir alles, was du siehst: wie die Tunnel beschaffen sind, wieviele Quartiere es gibt. Wo Whytfisks Gemächer sind... Wieviele Kanalratten es sind und welche Waffen sie haben, wie die Stimmung unter ihnen ist. Wo die Wachposten stehen...

Die Worte hallen in ihrem Kopf wider, beinahe als säße sie noch im Keller der Bogenmacherei und der Mann stünde direkt vor ihr. Ich mach's, ich mach's ja. Das ist allerdings schwieriger als geahnt, denn Faraday hat keine Ahnung, wo sie sich befindet. Ihre Gedanken werden aprupt unterbrochen als ihr Begleiter sie unsanft zum Stehen bringt und vor ihr eine Tür öffnet. "Rein da." Er spricht seltsam, so als hätte er keine Zähne im Mund. Aber Faraday weiß jetzt, wo er sie hingeführt hat. Ihre Schritte hallen von den Wänden wieder, es riecht nach modrigem Wasser, Rattendreck und Verwesung. Und anhand der Geräusche erkennt sie, dass nicht nur ein Mann gekommen war, um sie zu holen, sondern zwei. Diese Erkenntnis jagt ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Wahrscheinlich würden sie sie nicht anrühren, wenn der Bleiche es ihnen befohlen hat. Aber was, wenn... Whytfisk wird ihn töten und dich auch. Es ist seine Art.

Während Faraday in jedem Moment mit dem Schlimmsten rechnet, gehen sie dahin durch die Gänge und Tunnel und einmal waten sie sogar durch knöchelhohes Wasser. Der Weg will kein Ende nehmen, und abermals stoßen sie die Männer durch ein stinkendes Rinnsal. Vielleicht führen sie mich im Kreis? Eine halbe Ewigkeit später glaubt Faraday zum ersten Mal Stimmen zu hören, flüsternd, heimlich und bösartig, aber es ist nicht auszumachen, um wieviele Männer es sich handelt - ob es sich überhaupt um Männer handelt. Faraday fühlt sich hilflos und ausgeliefert und ihr Magen schmerzt, als kröchen darin unzählige Käfer mit spitzen, scharfkantigen Beinen herum. Dann endlich hat ihre Reise ein Ende. Man lässt ihre Arme los und nimmt ihr den Leinensack vom Kopf.

"Hier is' sie, Meister."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 03. Dez. 2004, 14:52 Uhr
In den Quartieren der Kanalratten


"Mein kleiner Vogel ist zurück." Whytfisk sitzt an dem Tisch in seinem so kärglich eingerichteten Gemach, geduldig wie eine Spinne, das blaße Gesicht nur erhellt vom Schein zweier Talglichter links und rechts vor ihm. Er legt die knochigen Finger aneinander unter das spitze Kinn. So spartanisch wie die Felsenkammer ausgestattet ist, hätte sie ebenso gut die Zelle eines Eremiten sein können. Eine schmale Pritsche an der Wand dient als Bett, es gibt weder Pelze noch Teppiche und keinerlei Zierrat, nicht einmal Binsen auf dem nackten Stein des Bodens. "Du kommst gerade noch zur rechten Zeit. Faraday. Eine Stunde später und auf dem Wolfsmarkt hätte ein blutiger Finger auf dich gewartet." Er nickt den beiden Männern, die sie hereingebracht hatten, kurz zu und sie ziehen sich so lautlos wie Schatten an die mit einer Ölhaut verhängten Felsöffnung des Eingangs zurück. Farblose Augen huschen über wirres, braunes Haar, einen zerschlissenen Sommerumhang und hängende Schultern. Whytfisk schweigt so lange, bis die Stille drückend wird und das Mädchen vor ihm ihr Gewicht unruhig von einem Fuß auf den anderen verlagert, dann senken sich seine schweren Lider halb über die fahlen Augen, bis nur noch schimmernde Halbmonde von ihnen zu sehen sind. "Ich nehme an, du hast sie gefunden. Berichte mir."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 05. Dez. 2004, 11:34 Uhr
Faraday streicht sich die wirren Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ein kurzer Blick genügt um zu wissen, wohin sie sie gebracht haben. Der Raum ist so leer und kalt wie eine Gruft und in der Mitte sitzt der Bleiche, doch er scheint mit seiner Anwesenheit den ganzen Raum zu füllen. Faraday wird kalt, nicht nur wegen der klammen Kühle in diesen unterirdischen Gängen. Er schweigt und mustert sie. Er weiß es, er weiß alles. Panik steigt mit glühenden Fingern in ihr auf und ihr Herz klopft so laut, dass sie überzeugt ist, dass er es hören kann.

<Ich nehme an, du hast sie gefunden. Berichte mir.>

Sie kann ihn nicht ansehen, und sie will nicht sprechen, weil sie das Gefühl hat, dass ihre Stimme ihr nicht gehorchen, ihm Dinge erzählen würde, die er nicht wissen darf. Wie eine Maus in der Falle, kleines Mädchen. Weit hast du es gebracht... wie weit... wie amüsant. Hektisch blickt sie sich um, doch die Stimme ist so körperlos wie eh und je. Vielleicht ist er es, er... er weiß es. Nimm dich zusammen. Mutter wäre nicht stolz auf dich.

"Ich.. i-ich... ja. Ich habe sie gefunden. Raven Schattenhaar. Wie Ihr mir aufgetragen habt." Sag ihm, was er hören will. "In der Goldenen Harfe mit diesem Zwerg. Sie hat dort die Nacht verbracht. Ich hab' gewartet, vor der Taverne, bis zum nächsten Tag. Bin ihr in ihr Haus gefolgt und hab's durchsucht. Aber sie wohnt dort nicht mehr. 's is leer, das Haus." Zögernd hebt sie den Blick und versucht dem Bleichen in die Augen zu sehen. Nichts über den Sturmlord. Ein Wort kann schon zuviel sein. Faraday strafft die hängenden Schultern und schlingt die Arme um sich.

Whytfisk wird ihn töten und dich auch. Es ist seine Art.

Sie weiß jetzt, dass der Mann die Wahrheit gesprochen hat. Doch die Gleichgültigkeit, die von ihr Besitz ergriffen hat, ist verschwunden und zurück bleibt nichts als Unsicherheit und ein winziger Funken Hoffnung, dass doch noch alles gut werden würde. "Sie hat einen Hund und ein Pferd und es geht ihr gut. Aber ich weiß nicht, wo sie jetzt is'. Brauch' mehr Zeit, um das 'rauszufinden. Einen oder zwei Tage, dann werd' ich's wissen." Ihr Stimme wird sicherer mit jedem Wort, das sie spricht. Weil's die Wahrheit ist. Aber sie wagt nicht, nach Jen zu fragen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 05. Dez. 2004, 18:05 Uhr
Er schmeckt ihre Angst und weidet sich daran wie ein hungriges Tier. Nichts riecht so süß, nichts ist so berauschend. Fast ist er versucht, sich noch ein wenig länger mit ihr zu beschäftigen, zu sehen, was sie vielleicht noch an verborgenen Ängsten für ihn bereithalten mag. Sie ist mager und sieht krank aus, aber ihre Augen sind hübsch. So blau wie Waldveilchen im Frühling. Es ist lange her, daß Whytfisk solche Blumen gesehen hat, aber er hat ihre Farbe nicht vergessen. Er könnte sie mit hinunter in die Krypta nehmen... nur leider wäre sie danach für seine Zwecke nicht mehr zu gebrauchen. Innerlich seufzend, äußerlich ohne jede Regung verschiebt er diese Möglichkeit auf später. Wenn sie herausgefunden hat, was Raven Schattenhaar genau treibt und wo der Nordmann ist. Im Grunde erzählt Faraday ihm nichts wesentlich neues. Daß Raven die Gefährtin dieses lächerlichen Druiden ist und mit ihm im Wald lebt, war schon zu Blaerans Zeiten unter den Kanalratten bekannt. Blaeran war immer gut informiert über das Tun und Treiben Ravens gewesen. Und Hurentod, dieser Narr, hatte die Hand des Nordmanns an den Baumanbeter geschickt... mit Strähnen ihres Haars. Er würde den Anblick nie vergessen: wie wunderschön die abgehackte Hand, die leblosen Finger fest geschlossen um eine sanfte Locke, dunkel, fast schwarz aber doch nicht kalt, glänzend wie poliertes Rotholz beide in ein schmales Holzkästchen auf dunkles Tuch gebettet. Die Haut so bleich, Finger und Sehnen selbst im Tod noch voller Kraft. Das Mädchen versucht ihm, ins Gesicht zu sehen und kann es doch nicht... und ein schmales Lächeln legt sich auf Whytfisks  blutleere Lippen. Er kennt sein Gesicht und er kennt seine Wirkung. Selbst von seinen Ratten kann ihm nur der Verrückteste von der Seite in das bleiche, knochenschattige Gesicht sehen.
>Brauch' mehr Zeit, um das 'rauszufinden. Einen oder zwei Tage, dann werd' ich's wissen.<
"Zwei Tage," seine flüsternde Stimme schwappt schwer und schwarz wie Öl durch das Felsengemach. "Sei pünktlich am Wolfsmarkt und der Junge überlebt. Geh." Ein weiterer Wink und die beiden Männer, die unsichtbar im Schatten des Eingangs verharrt hatten, treten näher, nehmen das Mädchen in ihre Mitte und stülpen ihr den Sack wieder über den Kopf, ehe sie sie hinausführen. Whytfisk sieht auf ihren Rücken und die schmalen Schultern und seine Gedanken schweifen zu ihren Augen zurück. Für diese Augen würde er sich Zeit nehmen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 06. Dez. 2004, 00:08 Uhr
Je näher Raven dem Wolfsmarkt im dunklen Herzen der Unterstadt kommt, desto mehr füllen sich die Gassen mit allerlei Gesindel und zwielichtigen Gestalten. Sie drückt sich mit gesenktem Blick an den verfallenen Mauern entlang und versucht, sich möglichst unauffällig zu bewegen und ihren Schritten wenigstens den Anschein von Sicherheit und Zielstrebigkeit zu verleihen, obwohl in ihrem Inneren mittlerweile alles in hellem Aufruhr ist. Rund um die Gruben der Kämpfer und Gladiatoren herrscht dichtes Gedränge und sie braucht eine Weile, bis sie sich zur anderen Seite des Platzes durchgeschlängelt hat und wieder ruhigeres Terrain und nach einigem Suchen schließlich auch den Einstieg in die Kanalisation erreicht.

Eine steile Treppe führt sie tief hinab in Erde und Fels und das letzte Stück muss sie sich durch einen engen Schacht nach unten zwängen. Und kaum hat sie den glitschigen Boden des Kanals unter der Sohlen und seinen Gestank in der Nase, kommen schlagartig auch all die Erinnerungen zurück, die sie am liebsten längst vergessen hätte - Erinnerungen an Rauch und lodernde Feuer, an sich windende Würmer, an Tage in Angst und Dunkelheit und an noch mehr Dinge, die sie energisch in die hintersten Winkel ihrer Gedanken zurückdrängen muss, um nicht völlig den Verstand zu verlieren. Schreckensbleich lehnt sie sich einen Augenblick gegen die feuchtkalte Wand, um das Schlottern ihrer Knie zu beruhigen. Jetzt ist keine Zeit, die Vergangenheit aufzurollen ... ich sollte mir besser schleunigst überlegen, was ich Whytfisk erzählen will....

Wachsam tastet Raven sich über den rutschigen Boden voran und strauchelt in der spärlich beleuchteten Düsternis immer wieder über verborgene Hindernisse. Ihre Nerven sind zum Zerreißen gespannt, als sie nach einer Weile in die Nähe der Kanalrattenquartiere gelangt. Hinter der nächsten Biegung sieht sie am Ende des Ganges die Silhouetten zweier Wachen, was sie zuerst stocken lässt, doch dann nähert sie sich ihnen mit entschlossenen Schritten. Das Grinsen des einen wandelt sich in einen Ausdruck der Verblüffung, als sie verlangt: "Ich muss Whytfisk sprechen."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 06. Dez. 2004, 12:36 Uhr
Die Erleichterung überkommt Faraday wie frische Luft, trotz des rauen Stoffes, der erneut auf ihrem Gesicht kratzt. Dieses Mal muß sie nicht um Luft ringen, denn sie weiß, sie hat zumindest für einen weiteren Tag ihre Freiheit wieder. Und - Menschen, die ihr helfen würden. So wenigstens hofft sie. Eigentlich hat sie doch erwartet, dass der Bleiche - Whytfisk - ihr ansehen würde, was geschehen ist, dass jedes Wort gelogen war. Aber ich hab' die Wahrheit gesagt. Wenn auch nicht vollständig. Hin und wieder hört sie flüsternde Stimmen, als sie sie durch die modrigen Gänge führen, aber es ist ihr nicht möglich irgendetwas festzustellen. Weder wie viele hier unten sind, noch wie ihre Stimmung ist. Und noch immer klammert sie sich an das letzte Fünkchen Hoffnung, welches ihr verspricht, dass der Junge noch am leben ist. Würden sie ihn wirklich freilassen? Und wenn tatsächlich, aus welchem Grund? Weil sie beide kein Grund sind, die Kanalratten irgendetwas fürchten zu lassen? Faraday verzieht unter dem Sack das Gesicht zu einem Lächeln. Wenn sie wüßten...

Abermals überqueren die beiden Männer mit ihr den niedrigen Wasserlauf, einmal, zweimal. Wieder das Gefühl im Kreis geführt zu werden. Wieder nur der pfeifende Atem desjenigen, der ihren Arm gepackt hält, sonst gar nichts bis auf die normalen Geräusche der Kanalisation. Faraday versucht mühsam ihre Schritte zu zählen. Das ist schwer, wenn sie nicht weiter kommt als bis zehn. Eben so viele Finger, wie sie an der Hand hat. Sie versucht sich einzuprägen, wie oft sie diese Anzahl erreicht, obwohl sie weiß, dass das vergebene Mühe ist. Sie weiß ja nicht einmal, wo sie die Kanalisation betreten hatten. Wie also soll sie dann wissen, wie weit es bis Whytfisks Quartier ist? Was mag passiert sein? Immer wichtiger scheint ihr diese Frage zu werden. Warum haben Männer wie diese Kanalratten so viel Angst vor einer Frau und einem Mann, so dass sie ein Mädchen auf ihre Spur ansetzen müssen? Hab'n sie überhaupt Angst? Was ist es, wenn nicht das? Sie will sich nicht eingestehen, dass ihre Arbeit im Grunde überflüssig sein könnte. Vielleicht lassen sie mich gehen, nur zu ihrem Vergnüngen.

Sie erreichen offenbar eine Kreuzung, denn die Hand an ihrem Arm reißt sie unvermittelt nach rechts. Doch kurz zuvor kann Faraday hören, dass ihre Begleiter jemanden mit einem seltsamen Laut grüßen. Ein kalter Schauer läuft ihr über den Rücken, denn wenigstens eine der Stimmen klingt kaum menschlich. Eher wie das Quieken der Ratten, leise und bösartig. Dann bewegt sich irgendetwas mit schweren, schleppenden Schritten von ihnen weg. Sie ist froh, als sie sich von der Stelle entfernen. Sie sind ein gutes Stück gegangen, als hinter ihnen eine Stimme erklingt, die so ganz und gar nicht an diesen Ort gehört.

<Ich muss Whytfisk sprechen.>

Und Faraday erstarrt. Ihre Gedanken überschlagen sich, als die Kanalratte an ihrer Seite sie brutal vorwärts stößt. Faraday beginnt zu husten, damit es so aussieht, als hätte sie deswegen innegehalten. Raven! Was tut sie hier? Sie wird uns verraten, sie macht alles kaputt! Ihre Gedanken überschlagen sich und noch immer, als sie endlich die Gänge verlassen. Ein Stück wird sie noch weitergeführt, dann wird ihr unerwartet der Sack vom Kopf gezogen. Ängstlich wendet Faraday sich um, doch die Männer huschen bereits davon wie Schatten in dieser unwirklichen, unterirdischen Welt.

Wie in Trance schlägt Faraday die Richtung ein, in der sie den Wolfsmarkt vermutet und sucht sich dann den Weg zurück zu der schmalen Treppe, welche sie zuvor auch für den Abstieg benutzt hat. Gehetzt blickt sie sich immer wieder um, weil sie das Gefühl hat, dass ihr aus den zahlreichen dunklen Ecken unzählige Augenpaare folgen. Umso erleichterter ist sie dann, als sie endlich den Weg nach oben findet und sich atemlos an den Aufstieg macht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 06. Dez. 2004, 21:31 Uhr
Whytfisk sitzt in der Düsternis seiner Gemächer und hält seine Hand über die tanzenden Kerzenflammen eines der Talglichter. Ruß und Feuer schwärzen seine Handfläche und die Hitze läßt Blasen aus der fahlen Haut schlagen, aber er verzieht nicht einmal eine Miene. Erst als der Geruch nach verbranntem Fleich in seine Nase steigt, nimmt er die Hand fort und löscht das Licht. In der Felsenkammer wird es noch dunkler und Whytfisk lächelt. Alles ist bereit, alles ist geplant. Seine Männer sind auf ihren Posten und Faraday durchstreift die Oberstadt in seinem Auftrag, und schon sehr bald würde er wissen, wie am besten an den Nordlord und Raven Schattenhaar heranzukommen war. Und dann würde er sie sich holen. Er würde sie herunterlocken in sein Reich, in sein Spiel, in sein Labyrinth. In seine Dunkelheit. Er würde mit ihnen spielen wie die Katze mit der Maus, sie in die Irre führen und leiden lassen und dann, dann wenn sie erschöpft und verzweifelt waren, zermürbt von Gestank, Finsternis und den Schrecken, die er für ihr Kommen vorbereitet hatte... dann wären sie bereit für ihn. Durch seine fahlen Augen geht der irrer Glanz düsterer Vorfreude bei dem Gedanken daran. Im Gang ist das leise Rascheln drängender Schritte zu hören und einen Moment später wird die Ölhaut zurückgeschoben, und Rorge, einer seiner Männer, tritt ein. Whytfisk blickt auf. "Was ist?"

Gleich darauf führen zwei weitere Kanalratten eine Frau herein, deren Gesicht Whytfisk sich eben noch in morbiden Visionen heraufbeschworen hatte, und auch wenn ihr Kommen eine vollkommen unerwartete Wendung der Dinge ist - er erkennt blitzartig das köstliche Geschenk, das ihm das Schicksal gerade macht. Daß Raven Schattenhaar hier ist, ist kein Zufall. Entweder Faraday hat ihn verraten, oder aber die Diebin ist gewitzter, als er denkt, doch einerlei... einerlei... sie ist hier. In seiner Gewalt. Das ist alles, was zählt. Whytfisk lächelt nicht. Er lächelt nie. Wenn sein schmaler Mund über den spitzen Zähnen sich verzieht, dann ist es das düstere Grinsen eines hungrigen Wolfes... so wie jetzt, in diesem Augenblick. Er rührt sich nicht, obwohl er plötzlich und dumpf sein Herz spürt, wirft ihr nur einen langen, durchdringenden Blick zu - dann legt er die langen, schmalen Zeigefinger unter dem Kinn aneinander und spreizt die Hände, die Ellenbogen auf die Lehnen seines Stuhles gestützt. Das Haifischlächeln liegt immer noch auf seinem Gesicht. "Also kommt die Maus aus ihrem Loch gekrochen, um mit der Ratte zu spielen," flüstert er mit leiser, zufriedener Stimme. "Glänzend. Blaerans kleine Hure kommt zu mir. Welch unerwarteter Besuch. Was führt dich in mein Reich, Schattenhaar? Die Erinnerung an die... guten alten Zeiten?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 06. Dez. 2004, 23:09 Uhr
Die Männer führen sie durch endlos lange, stinkende Gänge und um Dutzende von Abzweigungen und Biegungen, durch ein Labyrinth aus Tunneln, Kavernen und steinernen Kammern, über zerfallene Stege und Brücken, und schon nach kurzer Zeit hat Raven völlig die Orientierung verloren. In den Abwasserrinnen neben ihnen schwappt eine trübe, ölige Brühe, deren Anblick allein schon Brechreiz hervorruft. Lange Zeit folgen sie den gekrümmten, sich windenden Gängen hinab in die Tiefe und während sie wortlos zwischen den beiden Wachen vorangeht und sich bemüht, ihre unflätigen Bemerkungen einfach zu ignorieren, versucht sie, sich so viel wie möglich von der Umgebung und dem Weg, den sie nehmen, einzuprägen -  eine verfallene Brücke, seltsam geformte Mauersteine und Felsgebilde, das Skelett von etwas, das aussieht, als wäre es einmal ein Zwerg gewesen, all diese Dinge, die ihr ins Auge springen. Sie tut es ganz automatisch, ohne darüber nachzudenken, und nicht etwa aus der Hoffnung heraus, diesen Weg noch einmal beschreiten zu dürfen. Sie weiß, dass sie kaum hierher zurückkehren wird.

Offenbar nähern sie sich den Quartieren der Kanalratten, denn die rußenden Pechfackeln an den Wänden werden zahlreicher, ebenso wie die Kammern und Verliese zu beiden Seiten, und nach einer neuerlichen Abzweigung werden sie von einem massigen Kerl mit Tätowierungen an den Unterarmen und einem gewaltigen Stiernacken in Empfang genommen, der sie mit einer einzigen Handbewegung und ohne ein Wort zu verlieren auffordert, mit ihm zu kommen. Raven vibriert förmlich vor Anspannung und als der Stiernackige die Ölhaut einer Kammer beiseite schiebt und sie eintreten lässt, klebt ihr kalter Schweiß am Rücken. Es ist dunkel im Raum und sie kann kaum etwas erkennen, nur der süßliche Geruch nach verbranntem Fleisch steigt ihr in die Nase. Erst als einer der Wachleute eine Pechfackel aus dem äußeren Gang holt und sie in eine Eisenhalterung neben der Tür steckt, erhellt sich der Raum soweit, dass sie seine spartanische Einrichtung überblicken kann, sofern man bei den wenigen Möbelstücken, die sich darin befinden, überhaupt von einer Einrichtung sprechen kann.

Aber Möbelstücke hätten in der kleinen Kammer ohnehin keinen Platz gefunden, denn der Raum wird vollkommen von der Präsenz einer einzelnen Person ausgefüllt, die reglos hinter einem grob gezimmerten Schreibpult hockt wie eine bleiche Spinne in ihrem geduldig gewebten Netz. Raven richtet die Augen auf ihr Gegenüber, aber allein der Anblick dieser hageren, fahlen Gestalt lässt ihr das Blut in den Adern gefrieren und sie muss all ihre Beherrschung aufbieten, um dem Blick aus diesen merkwürdig farblosen Augen standhalten zu können. Und wenn sie bis dahin vielleicht noch geglaubt hatte, irgendwo in einem verborgenen Winkel ihres Herzens und mit der Blindheit ihrer Verzweiflung, dass sie mit all dem Caewlins Haut retten könne und mit viel Glück vielleicht doch noch einigermaßen heil davonkommen würde, so wird ihr in diesem Augenblick schlagartig klar, dass sie einen Fehler begangen hat, einen furchtbaren Fehler. Kalte Finger aus Furcht kriechen ihr Rückgrat empor, als Whytfisk seine blutleeren Lippen zu einem Grinsen verzieht. Er mustert sie, wie ein Hai seine Beute mustern würde, mit kalten, leblosen Augen.

>Was führt dich in mein Reich, Schattenhaar?< Als seine Worte träge durch den Raum sickern, kreischt eine Stimme in ihrem Inneren panisch los. Was führt dich in mein Reich, was führt dich in mein Reich? Na was wohl, du selbstherrliche Elritze? Sie nimmt all ihren Mut zusammen und schenkt ihm ihr freundlichstes Lächeln, obwohl sie sich fast den Kiefer dabei bricht und ihre Knie wie Espenlaub zittern. "Ich wollte dich zu einer Partie Kartenspielen einladen, was glaubst du denn?" Ihre Augen werden schmal und ihr Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske, als sie weiterspricht. "Du weißt genau, weswegen ich hier bin .... vielleicht solltest du die Vögelchen sorgfältiger auswählen, die du auf Reisen schickst, sie verfliegen sich manchmal auf dem Weg zu ihrem Ziel. Ich will dir ein Geschäft anbieten. Mein Leben gegen das des Nordmanns. Lass ihn unbehelligt und nimm dafür meines." Sie weiß, dass sie sich gerade um Kopf und Kragen redet und sie weiß auch, dass ihn das alles wohl köstlich amüsieren wird, aber was soll sie schon tun, für eine Umkehr ist es lange schon zu spät.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 06. Dez. 2004, 23:23 Uhr
Es müssen zwei oder drei Tage vergangen sein seitdem Blutaxt sich mit der kleinen Hure aus der Oberstadt vergnügt hatte. Nachdem er sie in die Zelle geworfen hatte, war er zurück in die grosse Halle gegangen und hatte mit den anderen Kanalratten über die gelungene Aktion gelacht und Rum getrunken. Er selbst war nicht mehr zu dem Mädchen gegangen, er wollte sie etwas schmoren lassen, vielleicht wäre sie dann gefügiger und nicht so steif wie ein Brett. Blutaxt hatte dafür gesorgt, dass sie Brot und Wasser bekommen hatte und den Anderen eingeschärft ihre Finger von ihr zu lassen, da sie sein Spielzeug sei und er jedem der ihr zu nahe käme, den Hals umdrehen würde. Allerdings hieß diese Anweisung nicht, dass sie sie nicht schlagen durften, sie sollten nur die Finger von ihr lassen und ihm genug für sein Vergnügen übrig lassen.

Auch jetzt sitzt er mit den anderen Männern in der grossen Halle und redet über die Pläne, die es zu verwirklichen gibt, diese andere kleine Hure, war in der Oberstadt gewesen und hatte Auschau gehalten, war auch schon zurück gekehrt und hatte Bericht erstattet. Was genau sie ausspioniert hatte, wusste noch keiner der Kanalratten, aber Whytfisk würde sie rechtzeitig informieren. Plötzlich herrscht Unruhe unter den Männer, und Blutaxt erhebt sich schnell und geht einen der Gänge lang, aus denen die Unruhe zu stammen scheint. An einer Kreuzung bleibt er stehen und kann gerade noch einen Blick auf eine Gestalt erhaschen, die von Wachen begleitet wird, die ihm nur zu bekannt ist. Sein Blut scheint plötzlich in seinen Adern zu kochen und er muss sich zusammenreissen, um der kleinen Schlampe aus der Oberstadt mit Namen Raven, nicht sofort die Kehle durch zu schneiden. Aber Blutaxt weiss, dass kalte Wut besser ist und der Meister sich sicher noch mit diesem Miststück unterhalten will. So ballt er nur die Fäuste, atmet mehrmals tief die stinkende Luft der Kanäle ein, ehe er langsam abkühlend den Weg zurück geht.

Als er die grosse Halle erreicht hat, ist seine Wut erkaltet und es scheint Eis durch seine Adern zu fliessen. Der Wunsch sich irgendwo ab zu reagieren wird immer grösser. Er will und muss jemandem weh tun und da er es nicht bei Raven kann, muss er ein anderes Opfer finden. Ein breites Grisnen zieht sich über das ganze schmutzige Gesicht, als ihm sein Spielzeug einfällt, das Richtige um seiner Wut Luft zu machen. Sie wäre zwar kein Ersatz für Raven, aber er könnte sich ja vorstellen sie wäre es.

Mit langen und schweren Schritten geht er die Gänge entlang, bis er vor der Zellentür steht und sie sich öffnen lässt. Die Kammer ist nur spärlich erleuchtet und er nimmt sich eine Fackel aus der Halterung, die ansonsten den Gang erhellen soll und bleibt erst einmal in der Tür stehen. Er kann ihre Angst riechen, schwer wie Parfüm liegt sie in der Luft der Zelle und es berauscht ihn fast augenblicklich. Auch wenn er sie noch nicht mit den Augen gesehen hat, spürt er in welche Ecke sie sich verkrochen hat. Während er die wenigen Schritte in die Zelle geht, zieht er sein Masser aus der Halterung. Das Mädchen hat ein Stück Brot in der Hand und scheint mitten im kauen aufgehört zu haben und starrt ihn mit von der Dunkelheit geweitetet und angsterfüllten Pupillen an. Sie ist ganz an die Wand gedrückt und ihr Gesichtsausdruck zeichnet ein diabolisches Grinsen auf Blutaxt Gesicht. Er kniet sich vor ihr nieder und spielt mit dem Messer in seiner Hand, das er immer wieder dreht um es dann mit der Spitze auf sie gerichtet anzuhalten.

Erst sagt er kein Wort, sieht sie nur grinsend an und weidet sich an ihrer Angst, die aus jeder ihrer Poren der weichen Haut zu strömen scheint. Sie sagt kein Wort, starrt ihn nur an und behält den Bissen Brot im Mund. Sein Grinsen wird noch breiter als er schliesslich anfängt leise zu sprechen und Kälte wie ein eisiger Nordwind schwingt in seiner Stimme mit. "Willst du nicht schlucken? Ich kann dir gerne dabei helfen, mein Messer schlitzt Kehlen schneller auf als du schluckst." Mit einer einzigen schnellen Bwegung liegt Blutaxt Messer plötzlich an der Kehle des Mädchens."Nun schluck schon, mit Brot im Mund küsst es sich so schlecht und deine nächste Lektion steht an." Für einen Moment verschwimmt das Gesicht des Mädchens und Blutaxt sieht deutlich das Gesicht der kleinen Diebin vor sich, die ihm damals schöne Augen gemahct hatte und.... er denkt den gedanken nicht zu Ende, weil er spürt wie die Wut in ihm wieder zu kochen beginnt und genau das will er vermeiden. Kalte Wut ist besser als heisse, das sagt der Meister immer, halt dich daran!. Das Gesicht verschwindet wieder und er sieht wieder das angsterfüllte Gesicht des Mädchens vor sich.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 06. Dez. 2004, 23:54 Uhr
Wen die verdammte Mauer nicht wäre, Aurian wäre noch weiter weg gekrochen, bis nach Serathie oder noch weiter wenn es möglich gewesen wäre. Das gegenlicht des Ganges macht den Anblick um nichts besser. Sie erkennt die Siluette, würde sie immer erkennen, auch wenn sie sie erst einige Male gesehen hat. Jen, Jen hilf mir! Doch ihre Gedanken kommen nicht über ihre Lippen, Sie ist wie gelämt vor Angst. Ihre Augen fixieren die Messerspitze, die drohend vor ihrem Gesicht aufblitzt. Der Bissen des ohnehin schon ungeniessbaren Brotes wird immer mehr in ihrem Mund bis sie glaubt daran zu ersticken. Das Messer liegt in der Hand des großen Kerls, ihres schlimmsten Alptraumes. >Nun schluck schon, mit Brot im Mund küsst es sich so schlecht und deine nächste Lektion steht an.< Sein Mund ist nahe ihres Ohres und sie kann den Geruch von Rum wahrnehmen, den Alkohol beinahe schmecken. Und doch ist da nichts von der Art eines Betrunkenen, nein er scheint ziemlich nüchtern zu sein. Nüchtern und gefährlich. Die Klinge liegt mittlerweile an ihrer Kehle und sie kann nicht anders, sie muss schlucken, es ist, als hätte er ihren Willen ausgeschalten. Nackte Panik glimmt in ihre grünen Augen, die noch größer scheinen als normal. Der Bissen bleibt ihr beinahe im Hals stecken; ein Hustenanfall ist die Folge, eine Tatsache die mit einem schmierigen Grinsen quittiert wird ehe er sie erneut brutal küsst, jedoch ohne das Messer von ihrem Hals zu nehmen. Die Spitze ritzt ihre weiße Haut ganz leicht an und ein dünner Blutfaden rinnt hinab. Der unerwartete Schmerz, ist er auch noch so klein, bringt jedoch etwas in ihr zum Leben. Niemals ... nicht nochmal, eher sterbe ich! Im Inneren Aurians ist es als würde sich ein wildes Tier regen, dass aus dem Schlaf erwacht. Immernoch ist sie voll Angst, doch in die Panik mischt sich Hass und Wut, unsagbare Wut. Es ist, als würde etwas fremdes, unsagbar Starkes und Mächtiges von ihr Besitz ergreiffen. Beinahe wie in der Dorftaverne oder am Strand, nur viel kräftiger. Ihre Augen fixieren die Messerspitze, die wieder drohend vor ihr hin und her wandert, treffen auf seinen gierigen Blick. Als sich seine freie Hand unter den Fetzen von einem Hemd schiebt, ist es, als würde etwas explodieren. Wie von selbst fixieren ihre Augen das Messer, das rot zu glühen beginnt, als würde es über ein offenes Feuer gehalten.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 08. Dez. 2004, 01:27 Uhr
Das ewige Sitzen in der feuchten Kerkerzelle, angelehnt an die kalte Wand, die Hände in Eisen gelegt, werden Tiuris Glieder langsam steifer und schmerzen. Die Nächte irgendwo am Wegesrand oder mitten im Wald haben ihn im letzten Frühling nicht gestört, auch wenn die Nächte in irgendwelchen Tavernen weit bequemer waren, aber das hier ist noch ein gutes Stück unbequemer als der nasse Waldboden nach einem Regentag.
Tiuris Kopf dröhnt obwohl er sich nicht bewegt, versucht er den schmerzenden Nacken in eine andere Richtung zu legen, gesellt sich ein monotones Hämmern dazu. Das Wasser das er bekommen hat, hat er schon längst ausgetrunken, das Brot bleibt ihm im schmerzenden Hals stecken wie ein Stück einer Feile.
Den Becher hält er mit der rechten Hand fest, er ist groß genug, denn kleine Dinge kann der Junge nicht richtig umschließen, da er die Hand nicht zu einer Faust ballen kann. Die heiße Haut spannt sich über den Handrücken und einen Moment droht die Erinnerung an dieses Feuer wieder in ihm hoch zu kommen. Doch er drängt die Angst tiefer in sich hinein, wo sie nicht zum Vorschein kommen kann.
Das Licht das in die Zelle dringt schmerzt dem Jungen in den Augen und er schließt sie um den Kopf nicht weiter strapazieren zu müssen.
"Bist du tot?" der Mann in der Türe bleibt einen Moment stehen und kneift die Augen zusammen. Tiuri hat keine Lust sich zu bewegen oder einen Funken seiner kostbaren Stimme an den Mann zu verschwenden, also rührt er sich nicht und bleibt stumm. Der Mann kommt näher, mit ihm eine Wolke von Rum und Schweiß und als Tiuri sein Gesicht mit den fauligen Zähnen und der hochgezogenen Lippe nahe an sich spüren kann, holt er mit einer plötzlichen Bewegung aus und knallt dem Mann den Holzbecher auf den Schädel.
Überrascht zuckt dieser zurück und drückt die Hand auf den Kopf, doch der Tiuri hat nicht die Kraft und den Schwung aufbringen können um ihn wirklich zu verletzen, es würde ihm wohl nicht einmal eine Beule zurück bleiben.
Eine Faust saust in seinen Magen und ein Hand krallt sich in sein Haar, zieht ihn ein Stück nach oben. Tiuri unterdrückt ein Stöhnen und schaut dem Mann für einen Moment in die Augen. Er fühlt sich elend und würde am liebsten sterben, aber er legt so viel Hass und Verachtung wie er nur kann in seinen Blick, bis ihn der Mann schließlich zurück auf den Boden fallen lässt.
"Hast Glück, dass deine kleine Freundin da war... sonst wärst du schon längst nicht mehr als Rattenfutter!"
Faraday... sie ist tatsächlich hier gewesen...
Der Mann geht, in Richtung Tür, wobei er widerstrebend Brot und Wasser da gelassen hat. Doch bevor er die Zelle verlässt, rückt er beides ein Stück von Tiuri weg, gerade so weit, dass es dieser mit den Händen nicht mehr erreichen kann. Der Junge sagt nichts, beschwert sich nicht und bittet auch nicht um sein Essen. Draußen bewegt sich die große Silhouette  von Blutaxt vorbei und der Dicke ruft ihm etwas zu als er Tiuris Zelle verlässt, etwas das Tiuris Blut in den Adern, trotz dem Fieber, gefrieren lässt.
>Na? Gehst du zu der kleinen Hure? Vielleicht lässt du sie dann den andern auch mal!<
Dass der Mann keine geringere als Aurian meint ist Tiuri klar und er ignoriert seinen schmerzenden Kopf, die schweren Glieder und die gebrochenen Finger als er mit ungeahnter Geschwindigkeit hoch fährt und wie ein Irrer beginnt an den Ketten zu zerren. Doch die sind fest in der Wand verankert und rühren sich kein Stück. Die Armschellen schließen sich eng an sein Gelenk und so sehr der Junge es auch versucht, erst mit der rechten und dann sogar mit der schmerzenden Linken, er kann seine Hände nicht befreien.
Erschöpft lässt er sich zurück auf den Boden sinken und will nicht daran denken was so eben in der Zelle neben an geschieht.
Was kann ich tun… was mach ich nur? Wie kann ich ihr helfen?
Er lehnt den Kopf an die Wand und schließt die Augen um das Bild das vor seinen Augen aufsteigt auszusperren. Der Hüne von einem Mann und eine junge Frau mit schwarzen Haaren und grünen Augen, auch wenn er nicht weiß, ob dieses Bild tatsächlich zu ihr passt, obwohl es wahrscheinlich ist, dass es nicht so ist.
„Es tut mir leid… so leid, dass ich dir nicht helfen kann!“ flüstert er leise und hofft auf ein Wunder, dass Blutaxt aus Aurians Zelle bringt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 08. Dez. 2004, 16:38 Uhr
Der Kuss schmeckt nach Salz und der Angst, die ihren Geruch verbreitet und die Blutaxt tief in seine Lungen saugt. So will ich Raven sehen, vor Angst nicht mehr wissend was sie tun soll, das wäre eine Rache und dann könnte ich sie mir nehmen, mir das holen, was sie mir damals verweigert hat Durch seine Gedanken unaufmerksam ritzt er die Haut des Mädchens an, rot rinnt ein Faden Blut über ihre weisse Haut und er zieht die Spur, die das Blut hinterlässt mit seinem Finger nach. Doch plötzlich verändert sich etwas, der Geruch nach Angst lässt nach, liegt nicht mehr in der Luft wie dicker schwerer Nebel. Der Körper der Frau vor ihm spannt sich an, aber es ist sonst keine Regung zu sehen. Das Messer liegt noch immer an ihrer Kehle und forschend sieht er ihr in die Augen, in denen ein Funkeln liegt, das auf Wut und Gegenwehr schliessen lässt.

Ahhhh fein, hab ich sie geweckt deine Wut und den Wunsch nach Rache, wehr dich ruhig, um so besser wird das Ganze. Aber sie rührt sich nicht blickt nur auf das Messer, dass er nun ein Stück von ihrer Kehle weggenommen hat, damit sie keine Dummheiten macht und noch bevor er seinen Spass mit ihr hatte, sich das Leben nehmen würde durch eine kurze Bewegung. Der Blick aus ihren Augen ist starr und richtet sich auf die Messerspitze, die Luft im Raum scheint plötzlich bleischwer und es ist als läge ein Knistern in der Luft. Urplötzlich und ohne jede weitere Vorwarnung wird das Messer glühend heiss und nicht nur das Metall auch der Griff. Fluchend,  und seine verbrannte Hand schüttelnd, lässt Blutaxt das Messer fallen und betrachtet sich einen Moment die Brandblasen, die sich sofort auf seinen Handinnenflächen bilden.Der Schmerz rast durch seinen Körper und steigert die kalte Wut nur noch mehr, und auch wenn es schmerzt, ballt er die Faust und schlägt zu.

"Du verdammtes kleines Miststück!" Blut rinnt ihr das Kinn hinab und Blutaxt selbst spürt warme Flüssigkeit in seiner Hand, die brennt wie die Hölle selber, und in der einige Blasen aufgeplatzt sind. Er will noch einmal zuschlagen, doch dann bremst er sich Kalte Wut, kalte Wut, keine heisse, lass dich nicht hinreissen....warte! Schnaubend geht sein Atem als sein Blick auf das Messer fällt, das nun wieder ganz normal scheint, er greift mit der linken unverletzten Hand nach ihm. Die Hand ist zwar nicht seine bevorzugte Hand und er ist mit ihr längst nicht so geschickt wie mit der Rechten, trotzdem kann er auch mit dieser Hand das Messer führen.

Blutaxt Wut ist abgekühlt und er will nur noch verletzen und seinen Spass daran haben, leicht setzt er die Messerspitze auf ihren Wangenknochen"Du wolltest mir ein Andenken an dich verschaffen, was? Behandelt man so die Hand, die einen füttert? Ich werd dir etwas geben, was dich auch an mich erinnert, obwohl es nicht lange sein wird, ehe du den Ratten oder Raben zum Frass dienst." Schnell und gezielt gleitet das Messer über die Wange des Mädchens und hinterlässt eine rote Spur aus der helles Blut tritt, dass sich stark gegen ihre weisse Haut abzeichnet. Er nimmt einen Tropfen Blut mit seinem Finger auf und hält ihn ihr vor die Nase. "Noch einmal so eine Aktion und dein schönes Blut wird in Strömen fliessen und ich werde nicht mehr so vorsichtig sein mit dir." Er erhebt sich spuckt einmal neben sie und sieht sie noch einmal an. "Überleg dir gut wie du dich das nächste Mal verhälst, deine Zeit läuft langsam ab und meine Geduld mit dir ist auch bald zu Ende, dann wirst du verschwinden, wie ein Spielzeug das langweilig geworden ist und das man auf den Müll wirft...zerbrochen und tot natürlich."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 08. Dez. 2004, 22:26 Uhr
Sie schmeckt das Blut, das von ihrer aufgeplatzten Lippe tropft. Unter der Wucht seines Schlages knallt sie mit dem Kopf gegen die Wand und für einen Moment sieht  sie nur Sterne. Doch diese verblassen und zurück bleibt der Anblick seiner wutverzerrten Fratze. Er sieht aus als wolle er sie umbringen. Mach, los komm, mach dem ein Ende! Doch er scheint andere Pläne zu haben: Sie spürt das Messer an ihrem Gesicht, noch warm von der magischen Attacke. Und plötzlich ein Brennen, als die Klinge eine feine Linie über ihr Gesicht zieht. Was? Wieso? Ihr Geist realisiert es nicht wirklich. Sie spürt zwar das Blut und dann sieht sie es auch, als er ihr einen Tropfen unter die Nase hält. Blankes Entsetzen liegt in ihren Augen als ihr bewusst wird, dass er sie nicht einfach töten würde. Nicht ohne sie vorher bis zum Äussersten zu quälen. >Noch einmal so eine Aktion und dein schönes Blut wird in Strömen fliessen und ich werde nicht mehr so vorsichtig sein mit dir.< Seine Worte, kalt wie Stahl, bestätigen ihre Vermutung. Er würde sich an ihrem Leid ergötzen, es geniessen. Ihre Augen flackern vor Angst und er weidet sich daran. Sie kann seine Erregung förmlich spüren, doch sie wagt es nicht sich zu bewegen. Was würde geschehen? Drohend steht er vor ihr, wie ein Dämon der direkt den neun Höllen entsprungen ist.

Seine rechte Hand ist gezeichnet von den Brandblasen und wenigstens das gibt ihr ein gewisses Gefühl der Befriedigung in den Wirren ihrer Angst. Wenigstens spürst du auch einen gewissen Schmerz! Wie ein Anker ist dieser Gedanke...er hat auch etwas abbekommen. Wenn sie könnte, sie würde sich ungeachtet seiner Drohung weiter mit Magie zur Wehr setzten, egal welche Konsequenzen es nach sich zöge; doch die ungeahnten Kräfte haben sich genauso schnell zurückgezogen, wie sie gekommen waren. Aber sie sind da, das spürt sie, unbewusst, ohne es richtig zu realisieren. Ihr Blick heftet sich unverwandt an sein Gesicht, in ihren Augen ist nichts von Magie zu erkennen, nur ihre Angst.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 10. Dez. 2004, 19:59 Uhr
In Whytfisks Gemach


Whytfisk lauscht auf ihre Worte und spürt eine sachte Regung in seinem Inneren, dort, wo sonst nur kalte Leere herrscht. Er kann spüren, daß sie Angst hat, er kann es riechen, er weiß es. Dennoch blickt sie ihm tapfer ins Gesicht. Widerstand hat er schon so lange nicht mehr erlebt, daß er fast vergessen hat, wie sich das anfühlt - aber dann läßt er ihn sich wie Honig auf der Zunge zergehen. >Ich will dir ein Geschäft anbieten. Mein Leben gegen das des Nordmanns. Lass ihn unbehelligt und nimm dafür meines.<
Whytfisk atmet tief ein und schweigt lange. Das irre Lächeln liegt immer noch so starr als wäre es angenagelt in seinen Mundwinkeln. "Wie edel. Wie überaus edel. Wie tapfer und selbstlos. Raven Schattenhaar opfert sich für den geliebten Nordmann. Mit deinem Hang zur Theatralik hättest du unter die Schausteller gehen sollen, meine Liebe. Wirklich, sehr dramatisch." Er erhebt sich langsam von seinem Stuhl und umkreist sein Schreibpult, bis er direkt vor ihr steht. Es braucht nur einen Blick zu Rorge hinter ihr, daß der Mann sie umdreht und durchsucht. Sie wird von Kopf bis Fuß nach Waffen abgetastet, doch außer einem Dolch findet Rorge nichts bei ihr und Raven läßt die Prozedur mit stoischem Gesicht über sich ergehen. Whytfisk nimmt ihren Dolch an sich und wendet sich schon halb ab, doch dann dreht er sich noch einmal um, holt aus und schlägt ihr in die Magengrube. Der Hieb kommt beiläufig, aber er ist hart, treibt ihr die Luft aus den Lungen und läßt sie halb in die Knie gehen. Whytfisk sieht auf sie hinunter, zeigt noch mehr von seinen Zähnen in der grotesken Karikatur eines Lächelns und seine Augen glitzern. "Meinen aufrichtigen Dank," flüstert er im Plauderton in ihr Ohr, während er sie umkreist.  "Du hast mir mit deinem unerwarteten Kommen sehr viel Mühe und Zeit erspart."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 10. Dez. 2004, 22:07 Uhr
Hafenviertel und Keller unter der Kanalisation

Die Nacht ist kalt und der Himmel mittlerweile frei von den schweren Schneewolken, die den ganzen Tag wie ein böses Omen über der Stadt gehangen waren. Sie lassen das Mädchen vorausgehen und Phelan schmunzelt leise über das Lederwams über ihrem einfachen Kleid, beides von ihrem Umhang verborgen. Sie hat die Arme um sich geschlungen, doch er ahnt, dass sie unter dem Stoff des Umhangs den Dolch fest umklammert. Phelan denkt zurück an die herzliche Verabschiedung der Waldläuferin und den besorgten Blick, den sie ihnen auf den Weg gegeben hatte. Wer weiß schon genau, was uns in diesem Rattenloch alles erwartet. Es ist einigermaßen beruhigend, dass zumindest Caewlin sich dort unten auskennen soll. Noch beruhigender, aber äusserst amüsant, ist der schwer gepanzerte Borgil, der wie ein kleiner Berg energisch vor Phelan herläuft. Allerdings zweifelt der Waldläufer keine Sekunde daran, dass der Zwerg dort unten ebenso aufräumen würde wie in seiner eigenen Taverne. Phelan selbst hat alle Waffen bei sich, die er besitzt: Bogen und Pfeile, den Dolch und den Nargensäbel, dessen Gewicht beruhigend auf seinem Rücken liegt.

Das Mädchen führt sie hinunter zum Hafen und dann von den größeren Straßen fort in kleine Gassen und schließlich in etwas, das nicht mehr ist als der Hohlraum zwischen zwei fensterlosen Hauswänden. Es stinkt erbärmlich. "Was sollen wir hier?" Das Mädchen macht sich daran etwas von dem Gerümpel beiseite zu schieben und dann können sie alle sehen, was sich darunter verbirgt: eine Luke, gut versteckt an einem Ort, wo niemand mit einem Keller oder was auch immer rechnen würde. "Das da?" Phelan blickt sie zweifelnd an, aber das Mädchen tritt nur einen Schritt zurück und senkt den Kopf. "Na meinetwegen." Das feuchte Holz der Luke ist schwer und gibt mit einem widerwilligen Ächzen nach; dahinter liegt modrige Dunkelheit und die ersten, ausgetretenen Stufen einer grob gehauenen Treppe. Phelan wechselt einen Blick mit seinen Begleitern, aber wie auch immer. "Hier werden sie kaum mit uns rechnen. Also los."

Die Dunkelheit scheint Phelan beinahe aufzusaugen. Der Gang ist eng, so dass er sich leicht bücken muß und mit den Schultern beinahe die Wände berührt. Den zwergischen Lichtkristall voraushaltend setzt Phelan vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Hinter sich kann er hören, wie das Mädchen in den Gang geschickt wird. Und direkt danach die leichten Tritte des Hundes. Schwarze Käfer huschen über die feuchten Wände, die immer enger zusammen zu rücken scheinen. Wahrscheinlich wäre Phelan spätestens jetzt umgekehrt, wären da nicht ein gewisser Zwerg und ein Nordmann mitsamt dem Kalb von einem Hund hinter ihm gewesen. Schritt um Schritt dringen sie tiefer ins Erdreich vor. Eine kleine, schwarze, beengte Ewigkeit. Dann endlich erkennt Phelan weiter unten eine Tür, das Ende dieses Abstiegs. Dahinter ist alles still.

Er atmet auf, als er endlich den Raum erreicht und sich gründlich umsieht, jedoch nichts ausser Kisten und Fässern erkennen kann. Nach und nach erreichen auch die anderen den Raum, der offensichtlich als Lagerkeller dient. Die Decke ist niedrig, doch wenigstens etwas höher als der Gang zuvor. Ratten huschen quiekend am Rand des Lichtscheins entlang und lenken Phelans Blick auf die Holzwand, die den Raum gegenüber der Treppe begrenzt. In ihrer Mitte befindet sich eine einzige Tür, die einen Spalt offen steht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 10. Dez. 2004, 22:38 Uhr
In den Tunneln



Borgil beobachtet zweifelnd das viereckige Loch im Boden, in dem der Halbelb verschwindet, einen sanft schimmernden Kristall und seinen Bogen wie einen Blindenstock vor sich hertragend, denn mit der sperrigen Waffe um die Schultenr wäre er niemals durch den schmalen Treppenabgang gekommen. Caewlin blickt in den Nachthimmel, als könne der ihm irgendwelche Geheimnisse verraten, und Borgil nimmt die Streitaxt vorsichtshalber vom Rücken, sonst würde die sich noch auf den abschüssigen Stufen verkeilen wie ein Bergmannsfäustel. Auf einen Wink des Sturmenders geht nach Phelan zuerst das Mädel, dann tappt die Bluthündin witternd und grollend in die Finsternis und schließlich er selbst. Es ist stockfinster, es ist verdammt eng und es stinkt erbärmlich - das sind Borgils erste Eindrücke, und mit jeder Stufe hinab werden sie stärker. "Bei Sils rotem Bart und seinem Schmiedehammer!" Ächzt er irgendwo in der Mitte der Treppe. Phelans schwaches Licht ist längst zu einem düsteren Glimmen irgendwo vor ihm geworden, doch seine zwergsche Dunkelsicht erlaubt ihm ganz gute Sicht auf Dinge, die er lieber gar nicht gesehen hätte. Käfer. Fäulnis. Rattendreck. "Es ist finster wie in einem Bärenarsch und es ist verdammt... eng!" Fluchend schiebt er sich weiter und muß quergehen, damit er überhaupt hinunterkommt, während der Fels der grobbehauenen Wände über Schulterstücke und Halsbrünne schrammt.  "Bin doch keine Krabbe, verflucht noch eins.... bloß nicht steckenbleiben... " Hinter sich kann er den Nordmann hören, der sich wesentlich eleganter bewegt, als er, der aber mindestens krabbeln oder auf den Knien rutschen muß, um hier herunter zu kommen. "Wir sind... kch... doch... kch... keine... kch... Ölsardinen!" Schnappt er schließlich, als er endlich in so etwas wie einer Kammer anlangt, die vielleicht fünf mal fünf Schritt mißt und bis unter die Decke mit Fässern und Holzkisten vollgestopft wurde. Hinter ihm kriecht Caewlin aus dem Gang, gebückt und seitwärts, und auch hier kann der Nordmann nicht wirklich aufrecht stehen. Die Bluthündin schnüffelt knurrend zwischen den Holzfässern, von denen Borgil gar nicht wissen will, was sie enthalten, und er kann ein paar Ratten quiekend vor Angst davonhuschen hören. In der Finsternis hier unten und im schwachen Schein von Phelans Kristallstein glühen ihre Augen wie grüne Kohlen. "Bäh! Rattendreck! Los. Weiter. Wo geht's lang, Mädel? Durch die Tür? Na dann hopp!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 10. Dez. 2004, 22:52 Uhr
In Whytfisks Gemach


Sieh! Ihn! An! Sieh ihm ins Gesicht! Lass dich nicht einschüchtern! Es ist jedoch leichter gesagt, als getan und Raven muss ihre ganze Willenskraft und Beherrschung aufbieten und sich die Worte in Gedanken wie ein Mantra immer wieder herunterrasseln, um dem Blick aus Whytfisks starren Augen überhaupt standhalten zu können, ohne die Lider zu senken. Nach außen hin trägt sie eine unbeteiligte Pokermiene zur Schau, oder versucht dies wenigstens, obwohl sie mittlerweile am ganzen Körper bebt und sich ihr Magen in einen kalten Klumpen Angst verwandelt hat.

Abscheu erfüllt sie bei Whytfisks Anblick und der Drang, sich umzudrehen und blindlings davonzurennen und zu flüchten, wird beinahe übermächtig. Aber hinter ihrem Rücken kann sie die massige Gestalt des Wachpostens spüren, der sie hergebracht hat und sich kaum eine Armeslänge von ihr entfernt wie eine Mauer aus Felsgestein aufgebaut hat. Auf Whytfisks höhnische Worte zuckt sie nur mit den Schultern und versucht, sich gleichgültig zu geben. "Mit einem Opfer hat es wenig zu tun", erwidert sie und ihr Blick saugt sich an seinen spitzen Zähnen fest, die ihm das Aussehen eines blutrünstigen Piranhas verleihen und ihren Herzschlag zu einem wilden Gestolpere werden lassen. "Ich verbinde nur das Unausweichliche mit dem Nützlichen." Wenn ich sowieso sterben werde, kann ich es wenigstens noch so einrichten, dass das ganze einen Sinn hat - außerdem gehen dich meine Gründe einen Scheißdreck an. Sie kann nur hoffen, dass er neben all den zwielichtigen Fähigkeiten, die er zu besitzen scheint, nicht auch noch Gedanken lesen kann.

Auf einen kaum merklichen Blick Whytfisks hin legen sich plötzlich zwei mächtige Pranken auf Ravens Schultern und sie hat das Gefühl, in einem Schraubstock eingequetscht zu werden, als der Wachposten sie dazu zwingt, sich umzudrehen. Er beginnt damit, sie nach versteckten Waffen abzutasten. Und er tut es bei weitem ausführlicher als notwendig und lässt dabei keinen Quadratzentimeter aus, wobei er ein so hämisches Grinsen im Gesicht trägt, dass ihm Raven dafür am liebsten das Knie in die Weichteile gedroschen hätte. Aber sie lässt sein Gefummel wortlos und mit zur Decke gerichtetem Blick über sich ergehen, bis er schließlich von ihr ablässt und Whytfisk ihren Dolch reicht.

Allerdings kommt sie nicht mehr dazu, sich zu fragen, was nun geschehen wird, denn das nächste, was sie spürt, ist Whytfisks geballte Faust, die wie ein Rammbock in ihrer Magengrube landet. Der unerwartete Schmerz raubt ihr einen Moment lang völlig den Atem und lässt sie zusammenklappen wie ein Schnappmesser. Kurzzeitig hat sie das Gefühl, dass ihre Eingeweide irgendwo hinter ihr an der Mauer kleben und ihre Rippen gleich in einzelne Trümmer zerfallen müssten. Einige Herzschläge lang verharrt sie vornüber gebeugt, die Hände auf die Knie gestützt, und versucht keuchend und hustend, ihre Lungen wieder mit Luft zu füllen, bevor sie sich aufrichtet. Ihr Bauch brennt wie Feuer und sie kann noch von Glück sagen, dass sie seit dem Morgen nichts mehr gegessen hat, sonst hätte sie ihren Mageninhalt Whytfisk postwendend wieder vor die Füße gespuckt.

Bleib ruhig, bei allen Göttern! beschwört sie sich in Gedanken, während ihr Blick sich wieder auf sein bleiches, hageres Gesicht richtet. Wut funkelt in ihren Augen. Du wusstest, was auf dich zukommt. Hast du gedacht, er würde dir ein Einzelzimmer mit Bad anbieten?
Whytfisk schleicht um sie herum, wie eine Raubkatze ihre Beute umschleicht, auf leisen Sohlen und sie nicht aus den Augen lassend, als würde er ihre Witterung aufnehmen wollen, während seine knochigen Finger sich unablässig bewegen und sich zu Fäusten öffnen und schließen - und Raven dreht sich mit ihm in diesem sonderbaren, lautlosen Tanz. Ihm den Rücken zuzudrehen wagt sie nicht. Er macht sie mehr als nur nervös und trotz der Kälte in der Kammer kann sie einen Schweißfilm auf ihrer Haut spüren, als er das Wort wieder an sie richtet. >Meinen aufrichtigen Dank. Du hast mir mit deinem unerwarteten Kommen sehr viel Mühe und Zeit erspart.< Irgendwo, tief in ihrem Inneren weiß sie, dass nun wohl der Haken an der ganzen Geschichte zu Tage treten wird, aber sie müht sich, gefasst zu bleiben und blickt ihn nur kalt an, ohne auf die Bemerkung einzugehen. "Was ist nun mit dem Geschäft?" Er wird nicht darauf eingehen! Er wird sich nicht darauf einlassen - oh, du Närrin, wie konntest du ihn nur so unterschätzen! Dein Leben hat er sowieso, er wird dich nicht wieder gehen lassen und er wird auch seine dreckigen Finger nicht von Caewlin lassen. Tu was! Lüg' ihm das Blaue vom Himmel herunter oder biete ihm irgendetwas anderes an als nur dein Leben - aber lass dir etwas einfallen, und zwar SCHNELL!

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 11. Dez. 2004, 11:39 Uhr
Im Keller unter der Kanalisation


Faraday sieht dem Heiler nach, als dieser in die Luke steigt. Sie will dort nicht hinunter, nicht schon wieder. Luken, Luken, götterverdammte Keller und Luken! Der Nordlord gibt ihr mit einem Wink zu verstehen, dass sie die nächste ist. Also macht auch sie sich daran und setzt den Fuß auf die erste Stufe. Vor ihr kannt sie ein violettes Glimmen erkennen und ihr sträuben sich die Haare. Ist er etwa ein Zauberer? Immerhin hatte seine Behandlung - oder was auch immer -  ihr die Schmerzen und die Schwäche der Krankheit genommen. So oder so, es bleibt ihr nichts anderes als sich voranzutasten. Gleich darauf hört sie den Hund dicht hinter sich, kann aber dem Drang vor dem riesigen Tier davonzulaufen nicht nachgeben. Wohin auch? Ihre Gedanken kreisen bereits um die dunklen Gänge dort unten, den Gestank, die Angst, die nackte Angst und das, was sie dort unten erwarten mag. Sicherlich hatten sie Raven bereits zum Bleichen geführt und spätestens jetzt würde er wissen, dass sie versagt hat. Und Jen - ob er nocht lebte?

Sie bringt die Treppe mit der selben Leichtigkeit hinter sich wie schon am Tag zuvor, ganz im Gegensatz zu den Männern, die ihr folgen. Unten angekommen beobachtet sie mit einiger Faszination, wie sich erst der Zwerg und dann der große Nordmann aus dem dunklen Gang in den Kellerraum schieben. Aus den Augenwinkeln beobachtet sie aber auch den Hund, dessen immense Größe ihr erst aufgefallen ist, nachdem sie alle die Goldene Harfe verlassen hatten. Und die Frau mit den goldenen Augen. Jetzt ist sie sich sicher, dass ihr Augen tatsächlich geglänzt hatten wie die aufgehende Sonne. Mit was für Leuten hat sie es hier überhaupt zu tun? Ganz bestimmt mächtige, wenn der eine heilen und Licht erzeugen konnte und die andere so ungewöhnliche Augen hatte, wie Faraday es noch nie zuvor gesehen hat. Und der Zwerg... Vor vielen, vielen Jahren hatte ihre Mutter ihr vor dem Einschlafen Geschichten von den Zwergen erzählt, darüber, wie sie im Schoß der Erde ihre Gänge gruben und allerlei Gold und Silber und Edelsteine ans Tageslicht beförderten. Und auch, dass Zwerge wohl die grimmigsten Kämpfer der Immerlande seien. Und nun würde sie mit eigenen Augen sehen, ob diese Geschichten nicht nur Märchen gewesen waren. Auf einmal ist sie schrecklich aufgeregt. Und ich bin dabei, mit solchen Leute. Sie werden die Kanalratten besiegen und Jen da rausholen. An Raven verschwendet sie keinen Gedanken mehr. Ganz sicher würde ohnehin alles gut werden, ganz bestimmt. So wie in den alten Geschichten.

<Wo geht's lang, Mädel? Durch die Tür? Na dann hopp!>

Faraday strafft die Schultern und geht voran. Die hölzerne Türe ist nicht wieder verriegelt worden. Offensichtlich rechnen die Kanalratten, die Unterirdischen hier auf keinen Fall mit ungebetenem Besuch. Vielleicht aber mit gebetenem. Aber der zweite Kellerraum ist ebenso still und staubig wie der erste. Noch immer steht die Weinflasche neben der geöffneten Kiste, die sie am Tag zuvor aufgebrochen und durchsucht hatten. Jen... Jen! Ohne sich bewußt zu sein, was sie tut, sendet Faraday zum ersten Mal in ihrem Leben einen gedanklichen Ruf aus, den Jen als Mensch wahrscheinlich niemals hören würde. Einzig der Heiler schaut sie nachdenklich von der Seite an, aber sie weicht seinem Blick aus.

"Da is' es."

Am rechten hinteren Ende des Raum taucht die hölzerne Leiter aus den Schatten auf. "Da müss'n wir rauf."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 11. Dez. 2004, 22:09 Uhr
Der zweite Raum ist nicht viel größer als der erste und genauso mit Kisten vollgestellt, aber wenigstens ist die Decke höher, so daß er aufrecht stehen kann. Keller und Luken und Rattenscheiße! Flucht Caewlin innerlich, ohne zu wissen, wie nahe seine Gedanken damit an denen des Rotzgörs sind. Ich war schon zu oft hier unten. Caewlin tritt an die Leiter, zu der das Mädel sie führt und sieht nach oben. Die Luke ist so hoch über ihm, daß er sie mit der ausgestreckten Hand nicht mehr erreichen kann und sieht massiv aus, was man von der Leiter allerdings nicht behaupten kann. Ihr Holz ist ausgebleicht und trocken vom Alter, die unterste Sprosse schon eingedrückt. Er packt das Mädchen am Ellenbogen und dreht sie zu sich. "Was liegt dahinter, Rotzgör?" Solange sie ihm ihren Namen nicht verrät, würde er sie einfach so nennen. "Noch mehr Kellergewölbe oder kommen wir direkt in die Tunnel?" Sie nuschelt etwas von "Direkt in die Tunnel..." und sieht ihn trotzig an. Er wirft der altersschwachen Leiter einen zweifelnden Blick zu. "Du gehst zuerst. Dann der Hund. Dann ich." Wenn die Leiter Akira aushält, hält sie mich auch aus... hoffentlich. Das Mädchen nickt, rafft ihre Röcke und klettert die Sprossen hinauf, während er die Leiter festhält. Sie öffnet die Luke so leise wie möglich und späht zuerst lange durch einen schmalen Spalt. Der kleine Rotzlöffel ist vorsichtig, daß muß Caewlin ihr lassen. Nach einer Weile drückt sie die Luke ganz auf und verschwindet durch die dunkle Öffnung nach oben, während eine Wolke dumpfen Gestanks zu ihnen herunterweht.

Caewlin sieht ihr nach, erhascht einen Blick auf magere Beine und grobe Strümpfe und schickt dann die Bluthündin hinterher. Die Leiter ist nicht so steil, als daß Akira nicht hochklettern könnte, aber sie tut es mehr als unwillig. Knurrend und hechelnd tastet sie sich vorsichtig Sprosse um Sprosse empor, bis Caewlin dem pelzigen Hintern einen kräftigen Schub gibt. Mit indigniertem Schnauben verschwindet Akira in der Schwärze über ihm und er folgt ihr auf dem Fuß. Die Sprossen ächzen gefährlich unter seinem beträchtlichen Gewicht, aber sie halten und Caewlin findet sich in Düsternis und bestialischem Gestank eines Kanalisationstunnels neben dem Rotzgör wieder. Schwach und fahl dringt der Schein von Phelans leuchtendem Kristall zu ihnen hoch und läßt die Seitenwände links und rechts von ihnen vage erahnen - schwarzer Fels, hallendes Echo und Reste uralten Mauerwerks. Sie sitzen mitten in einer Kreuzung zweier Gänge und der querverlaufende ist deutlich schmäler als der, in dem sie sich befinden. Ihr Gang führt schnurgerade von Süden nach Norden... und er kennt diesen verdammten Tunnel. "Ich hoffe nur, das Ding hält," zischt er hinunter. "Borgil, Phelan - kommt herauf und zwar rasch, bevor die Leiter ihren Geist aufgibt. Ich glaube, ich weiß, wo wir sind." Er sieht sich um, blinzelt in die Düsternis um sich her und die absolute Schwärze dahinter, und sieht überall kalte, farblose Augen. Er hat keine Ahnung, wie weit jetzt unter Whytfisk von hier die ersten Wachposten der Kanalratten entfernt sind, aber früher war es noch ein gutes Stück zu ihren Quartieren - in nördlicher Richtung, den Tunnel hinauf.

"Rotzgör, wie weit war es von hier aus, bis die ersten Wachen kamen, kannst du das ungefähr schätzen?" Er schiebt sich ein Stück von der Luke weg und kramt in seiner Tasche nach den alten Kanalisationskarten, die Cal und der Spaßmacher damals angefertigt hatten, sowie nach einem der Kristallsteine Borgils. "Vaer, Akira." Die Bluthündin legt sich grollend mitten in den Gang, mit ihrem schwarzen Fell absolut unsichtbar in der Finsternis und lauscht wachsam nach Norden und Caewlin wendet sich an das Mädchen. "Hier nimm das." Er reicht ihr den leuchtenden Stein und schüttelt dann die Karte auseinander, überfliegt sie mit den Augen und tippt dann auf einem Punkt über eine auffällig Dreieckige Tunnelformation. "Wir sind hier." Prancies Schenkel. Ich wußte doch, daß ich diese Kreuzung kenne.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 11. Dez. 2004, 23:22 Uhr
In Whytfisks Gemach


Nach einer Weile richtet sie sich wieder auf und er kann sie atmen hören, ein pfeifendes Geräusch, während ihre Lungen sich nach dem Schlag in den Magen wieder mit Luft füllen. Raven folgt jeder seiner Bewegungen und dreht sich mit ihm, während Whytfisk seine langen, schmalen Finger dehnt und streckt. Im schummrigen Schein des Talglichtes sind die Brandnarben auf seinen Handflächen nicht zu erkennen, groteske weiße und rote Muster wulstigen Gewebes, aber er spürt jede Linie. Raven Schattenhaar ist nicht groß, eine zierliche Frau, und auf ihrer Stirn glänzt kalter Schweiß - aber ihre Wut verleiht ihr genug Kraft, ihn anzusehen. Vermutlich dämmert ihr jetzt gerade in diesem Augenblick, daß ihr ein Fehler unterlaufen ist, dennoch fragt sie ohne auf seine Worte einzugehen: >Was ist nun mit dem Geschäft?< Hätte Whytfisk noch gewußt, was Lachen ist, hätte er jetzt aus vollem Hals gebrüllt.
"Raven, Raven, meine entzückende, kleine...tapfere..." irgendwie gelingt es Whytfisk, sein gespenstisches Flüstern erheitert klingen zu lassen und erst, als er ihren Namen zum dritten und letzten Mal ausspricht, wird daraus ein heiseres Knurren. Das irre Haifischlächeln ist aus seinem Gesicht verschwunden. "Raven."
Er hört auf, sie zu umrunden, sieht sie lange an und kehrt dann fast beschwingt hinter seinen Tisch zurück, ein hagerer Mann in einem Lumpenmantel. Dann winkt er sie näher, eine knappe Geste. Ob sie von allein gekommen wäre oder nicht, Rorge packt sie am Genick und stößt sie unsanft vor sich her. "Du bietest mir ein Geschäft an. Womit willst du verhandeln? Mit deinem armseligen Leben? Behalte es. Du bist hier. Eigentlich müßte ich dir dankbar sein. Ja, wirklich. Denn dank dir," Whytfisk setzt sich wieder, legt die Finger unters Kinn und blickt unleugbar amüsiert in ihr blasses, schmales Gesicht, "muß ich mir nicht mehr den Kopf zerbrechen, wie ich an den..." er spürt einen kurzen, scharfen Stich in seinem Inneren, und zögert einen Herzschlag, ehe er fortfährt. " ...Sturmlord herankomme." In der Tiefe seiner farblosen Augen flackern die Spiegelungen der Kerzenflamme wie huschende Schatten. "Jetzt habe ich dich und das bringt ihn zu mir."  Dann habe ich euch beide. Ich habe euch beide, ihr gehört mir, mir allein und ich lasse euch bezahlen. Bezahlen. Bezahlen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 12. Dez. 2004, 12:19 Uhr
Im Keller unter der Kanalisation

Wenn Phelan jemals einer Konstruktion nicht vertraut hat, dann ist das nun diese alles andere als Vertrauen erweckende Holzleiter, zweieinhalb Schritt morsches, moos- und flechtenüberzogenes Holz. Wenigstens ist die Decke des Raumes nicht nennenswert höher. Zur Not würden sie sich auch so hochziehen können. Phelan sieht zu, wie erst der Rock, dann die ausgetretenen Stiefel des Mädchens in der Deckenluke verschwinden, ohne dass die Leiter in irgendeiner Weise nachzugeben droht. Das Gewicht des riesigen Hundes fordert die Stabilität der Konstruktion weitaus mehr. Aber sie hält. Hält auch, als Caewlin sie benutzt und sich zu Mädchen und Hund gesellt.

Der Schwall abgestandene, nach Exkrementen und Verwesendem stinkende Luft, der wie ein Gruß aus einer der Höllen von oben herunter weht, ist alles andere als einladend.

>>Borgil, Phelan - kommt herauf und zwar rasch, bevor die Leiter ihren Geist aufgibt. Ich glaube, ich weiß, wo wir sind.<<

Eine Tatsache, die ich ihm sicher nicht neide. Phelan schiebt den unhandlichen Bogen durch die Luke nach oben und dreht sich dann um. "Also, Maester Borgil. Nach Euch." Der Zwerg sträubt die Augenbrauen, während Phelan sich unter die Leiter schiebt und die Konstruktion mit beiden Händen festhält. "Nur für den Fall..." Er grinst, weil er es sich einfach nicht verkneifen kann und beobachtet, wie Borgil den ersten Fuß auf die unterste Sprosse setzt. Und den nächsten. Und noch einen.

Das Geräusch, mit dem die Leiter nachgibt, hört sich an wie das Splittern von morschen Knochen. Eine berstende Sprosse landet unsanft in Phelans Körpermitte, treibt ihm die Luft aus den Lungen und lässt ihn in die Knie gehend. Neben ihm klappern weitere Leiterreste zu Boden. Und zu guter Letzt folgt der Zwerg wie ein ein Fels, der aus großer Höhe zu Boden fällt. Borgil landet Bäuchlings, Nase an Nase und lautstark fluchend genau auf Phelan und setzt der verirrten Sprosse noch eins oben auf. "Aargh, verdammt noch eins. Borgil!" Phelan japst nach Luft und schiebt sich dann umständlich unter Zwerg und Leiterresten hervor. "Ich wußte es bringt Pech unter Leiter zu stehen. Noch dazu, wenn ein Zwerg daran hochklettert."

Mühsam und mit verzerrtem Gesicht kommt er langsam auf die Beine und streckt dem Zwerg dann die Hand hin, um diesem das Aufstehen mitsamt dem Rüstungsberg zu erleichtern. Oben an der Luke tauchen die Gesichter von Caewlin und dem Mädchen auf. "Ist alles in Ordnung. Wir hatten hier gerade einen - seltenen Fall von tieffliegendem Zwerg." Phelan geht vor Borgils Reaktion in Deckung und hat trotz des unangenehmen Pochens in der unteren Bauchgegend Mühe ernst zu bleiben. "Dann muß es eben so gehen." Noch immer nicht gerade stehen könnend verschränkt der Waldläufer die Händen auf Kniehhöhe ineinander.
"Euren Fuß, Maester Borgil, wenn ich bitten darf."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 12. Dez. 2004, 18:51 Uhr
In den Tunneln der Kanalisation


Borgil sieht zuerst einen knochigen Mädchenhintern, dann einen recht unwürdig hochwatschelnden Bluthund und schließlich auch noch Caewlin in der Finsternis über ihnen verschwinden -  und die brüchige Leiter hält sie alle drei aus. Dennoch ist er mehr als unsicher, was sein eigenes Gewicht angeht. Immerhin wiegt er allein schon gut und gern soviel wie Caewlin und hat noch die Rüstung an. >Borgil, Phelan - kommt herauf und zwar rasch, bevor die Leiter ihren Geist aufgibt.< Tönt es von oben und unterbricht seine zweifelnden Grübeleien. "Jaja, ist ja schon gut! Ich komme doch, ich komm ja schon. Bin ein Zwerg, Silverdammt, kein Affe!" Phelan befördert elegant seinen Bogen nach oben und läßt ihm dann galant-amüsiert den Vortritt, während er übertrieben gewissenhaft die Leiter festhält - was Borgil fast dazu bringt, dem feixenden Spitzohr die Zunge herauszustrecken. Borgil spürt das morsche Holz unter sich ächzen, während er schnaufend und fluchend hochkraxelt und fühlt sich alles andere als wohl - und nicht grundlos, wie sich herausstellen soll. Bis zur Mitte der Leiter geht alles gut, dann nimmt das Unglück seinen Lauf. Es knackt vernehmlich unter seinem schweren, eisenbeschlagenen Stiefel und er erstarrt. "Ups..." Er kann gerade noch nach unten sehen, dann gibt das Holz nach und er tritt ins Leere. Die Leiter klappt unter ihm zusammen wie ein Kartenhaus und er purzelt in einem Regen aus Splittern, Staub, mumifizierten Holzwürmern und verrosteten Eisensplinten mit vernehmlichem Scheppern zu Boden - allerdings landet er weich, denn er plumpst direkt auf den Waldläufer und findet sich, als der Staub sich legt, direkt auf dem nach Luft japsenden Spitzohr wieder. "Agh!" Macht Borgil und rappelt sich hastig auf... was in dem Harnisch etwa so aussieht, als versuche ein dicker Käfer wieder auf die Beine zu kommen. Phelan murmelt etwas von Leitern und Zwergen und hilft ihm auf die Füße. "Götternochmal," schimpft Borgil, als er endlich wieder in der Senkrechten steht und schnaubend Waffengurt und Wurfäxte wieder in Ordnung bringt.  "Ich weiß schon, warum ich die Frauen rund und gut zu nehmen mag. Ihr seid ja knochiger als der Purpurtod."

Als der Waldläufer jedoch nach einem augenrollenden Blick den durch das Spektakel neugierig herunterspähenden anderen oben im Gang zuruft, daß alles in Ordnung sei, nur die Zwerge heute seltsam tief fliegen würden, kann auch Borgil nicht mehr ernst bleiben und bricht in sein röhrendes Drachenbronchitislachen aus. "Pffffff," macht er erheitert. "Außer meinem Stolz und der Leiter ist nichts verletzt.... und Ihr steht ja auch noch." Die angebotene Räuberleiter Phelans kann er jedoch nur mit einem bedauernden Kopfschütteln bedenken. "Jungchen, das ja nett, aber ich wiege mit der Rüstung satte vierhundert Pfund, die stemmt auch Ihr nicht. Nicht mal der Riese da oben, jedenfalls nicht allein. Caewlin, zieht Phelan mit einem Seil hoch," knurrt er nach oben. "Ihr müßt mich alle zwei hochziehen, wenn ihr mich da oben haben wollt, fürchte ich."
Gesagt, getan. Phelan hangelt sich an dem eilig herabgelassenen Seil so sicher und gewandt nach oben, als hätte er sein Lebtag lang nichts anderes getan (und Borgil vermutet langsam jede jede Art von Seilhüpfer- oder kletterei als kleines Einmaleins des elbischen Waldläufertums), aber er selbst stellt sich mehr als blöd an - und wahrscheinlich sieht es auch so aus. Da hilft auch kein hochrotes Gefluche, er sei schließlich ein Zwerg, kein Eichhörnchen, kein Baummarder, kein verflixter Kobold und auch kein verdammtes Waldwiesel. Schließlich bekommen ihn der Halbelb und der Nordmann irgendwie in die Luke und zerren, schieben und ziehen ihn hindurch, bis er schließlich mit einem leisen "Plopp" durchrutscht und sie alle drei rittlings in den Gang kippen. Nachdem sie ihre aufrechte Haltung und soviel von ihrer Würde, wie noch übrig ist, wieder beisammen haben, die Kleidung in Ordnung gebracht, das Seil aufgerollt und die Luke geschlossen ist, beugen sie sich dann zu viert im Schein des Lichtkristalls über Caewlins Karte - nur das Mädel sieht immer noch aus, als wolle sie sich schier ausschütten vor Lachen. "Hähähä," äfft Borgil - dann heischt der Plan der Tunnelsysteme und Kanalisationslabyrinthe ungeteilte Aufmerksamkeit. "Also, Sturmender, wo sind wir und wie gehen wir vor?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 12. Dez. 2004, 18:51 Uhr
In Whytfisks Gemach


Eine Gänsehaut kriecht über Ravens Rücken, als Whytfisk die unablässigen Kreise, die er um sie zieht, abrupt beendet und das Grinsen so plötzlich aus seinen Zügen verschwindet, als hätte er eine Maske von seinem Gesicht gerissen. Sein Flüstern raschelt wie trockenes Laub durch die Kammer und bricht sich unheilverkündend an den nackten Steinmauern. Unwillkürlich hält sie die Luft an und spannt die Bauchmuskeln, weil sie den nächsten Schlag fast schon erwartet, doch er wendet sich nur ab und kehrt zu seinem Schreibpult zurück, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Das fahle Haar umweht seinen Schädel wie ein Schleier aus Spinnweben und verleiht ihm im flackernden Schein des Talglichts ein geisterhaftes Aussehen, das sie schaudern lässt. Obwohl er ein hagerer, fast schon dürrer Mann ist und sein Aussehen an eine knochenbleiche Vogelscheuche erinnert, haben seine Bewegungen nichts hölzernes oder ungelenkes, sondern eine erstaunliche Geschmeidigkeit und die fließende Eleganz eines Tänzers. Seine Schritte sind auf dem kalten Steinboden der Kammer nicht einmal zu hören und Raven beginnt zu ahnen, dass die meisten seiner Opfer wohl schon tot waren, bevor sie überhaupt bemerken konnten, dass er in ihrer Nähe war.

Er winkt sie mit seinen knochigen Händen heran, doch bevor sie auch nur einen Schritt in seine Richtung tun kann, packt der Wachposten sie wie einen Welpen am Genick und bugsiert sie unsanft vorwärts. Unwillig reißt sie ihren Kopf zur Seite und schießt einen giftigen Blick auf ihn ab, doch aus dem Klammergriff seiner mächtigen Pranken gibt es kein Entkommen und er lässt sie erst wieder los, als die Kante des Schreibpults sich in ihre Rippen bohrt. Whytfisks sichtlich belustigte Worte treiben ihr die Zornesröte ins Gesicht und am liebsten wäre sie mit den Fäusten auf ihn losgegangen - das einzige, was sie daran hindert, ist der Felsklotz von Wächter in ihrem Rücken, mit dem sie nicht unbedingt noch nähere Bekanntschaft schließen möchte. "Wenn du auf den Nordlord warten willst, dann kannst du warten, bis du schwarz wirst", schnaubt sie und reckt trotzig ihr Kinn nach vorne. "Er wird nicht kommen. Er weiß weder, dass du deine unfähigen Spitzel auf uns angesetzt hast, die so dämlich sind, sich schon bei der erstbesten Gelegenheit zu verraten, noch ahnt er, dass du etwas gegen ihn im Schilde führst." Die Lüge kommt Raven problemlos von den Lippen, aber in dieser ausweglosen Situation würde sie selbst ihre Seele verkaufen, wenn sie Whytfisk damit von seinem Vorhaben abbringen könnte. "Er weiß gar nicht, dass ich hier bin." Und das weiß er wirklich nicht. Er hat keine Ahnung, wo ich bin und das ist auch gut so.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 12. Dez. 2004, 20:23 Uhr
in einer Zelle und der grossen Halle


Blutaxt Hand brennt noch immer als würde er eine glühende Kohle in ihr halten. Er kann Schmerzen gut ertragen, dass konnte er schon immer, aber das ist fast unerträglich, weil das Brennen nicht mit dem einer normalen Verbrennung gleich zu setzen ist. Er weiss immer noch nicht wie sie das gemacht hat, zumal sie ihre Hände nicht eingesetzt hat. Blutaxt wusste, dass das Mädchen irgendwelche Zaubertricks beherrschte, das hatte sie schon am Strand gezeigt. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie diese ohne zutun ihrer Hände würde anwenden können. Verdammtes kleines Weibsstück, dass wirst du mir noch büssen und ich freue mich schon drauf, wenn ich dir die Kehle durchschneiden kann. Er tritt noch einmal nach ihr, als sie sich noch weiter in die Ecke zurück zieht und ihn diesmal wieder aus angsterfüllten Augen ansieht. "Als Strafe wirst du wohl einen oder mehrere Tage ohne etwas zu Essen auskommen müssen, aber das hast du dir selber zu zu schreiben, sei das nächste Mal einfach etwas netter zu mir und vielleicht erringst du dir dann ein paar Vergünstigungen." Sein Grinsen ist hämisch und herablassend und seine Stimme klingt eiskalt.

Blutaxt dreht sich von ihr weg und verlässt die Zelle, in der es dunkel wird, nachdem die Fackel, die Blutaxt wieder aus der Halterung nimmt, ihr Licht nicht mehr in der Zelle verbreitet. Er würdigt der zusammengekauerten Gestalt in der Ecke keines Blickes mehr, als er die Tür zuwirft, das Schloss knarrend wieder einrastet und der Schlüssel sich klirrend dreht. Der Wache , die im Zellentrakt Dienst tut , gibt Blutaxt die Anweisung, dass das Mädchen nur noch Wasser bekommt, bis er diese Anweisung wieder ändert.  Dann stapft er seine brennende Hand immer wieder schüttelnd, als könne er so dem Schmerz entgehen, in Richtung der grossen Halle. Dort hofft er Einauge zu finden, der Einzige, der etwas vom Heilen versteht unter den ganzen Kanalratten, da er früher mal in die Lehre bei einem Heiler gegangen war.

Als Blutaxt die grosse Halle betritt, schwirrt diese nur so von den unterschiedlichsten Gesprächen und während er nach einem dreckigen Lappen angelt und diesen in einen Krug Wasser tunkt, um ihn dann um seine Hand zu wickeln, hört er die unterschiedlichsten Gesprächsfetzen, die sich aber alle um das Gleiche gehen Sie ist immer noch hier, und sie ist bei Whytfisk. Bei dem Dunklen, ich will meine Rache haben und das so schnell wie möglich...ich hoffe der Meister wird mir noch etwas überlassen. Seine Augen funkeln bei dem Gedanken daran was er alles mit diesem Schattenhaar anstellen würde, ehe sie dann endlich über die prupurnen Flüsse gehen könnte, er malt sich die schönsten Grausamkeiten aus und wie er sie langsam quälen wird, immer nur ein kleines Stückchen mehr und nie alles sofort - langsam - alles schön langsam. Eine Ratte bleibt vor seinen Füssen sitzen und ein breites Grinsen zieht über sein Gesicht. "Na Bruder, hab ich es dir nicht gesagt, jeder Hund hat seinen Tag und meiner wird bald kommen....sehr bald....ich kann es fühlen." Die Ratte huscht weg und Blutaxt macht sich auf die Suche nach Einauge, den er am anderen Ende der grossen Halle findet, und dem er seine Verbrennungen zeigt. Einauge schüttelt nur den Kopf, fragt aber nicht wie es passiert ist, und betrachtet sich das Ganze mit seinem einen rotunterlaufenen Auge, ehe er in seiner Kleidung herum gräbt, irgendein schmuddeliges Töpfchen zu Tage fördert, und den stinkenden Inhalt auf Blutaxt Verbrennungen schmiert. Die ölige, schwarze, stinkende Salbe nimmt den Schmerz fast augenblicklich und die Hand fühlt sich leicht taub an.Das gefällt Blutaxt nicht unbedingt, weil er so die Hand nicht würde nutzen können, aber es würde wohl nicht anders gehen. Leise vor sich hinfluchend lässt er sich an dem Feuer nieder und greift nach der nächsten Flasche Rum und trinkt einen grossen Schluck daraus, so als wäre es Wasser und kein Rum. Seine Gedanken wandern wieder zu Raven und was er alles mit ihr anstellen würde. Er sieht die Bilder richtig vor sich und ein diabolisches Grinsen liegt auf seinem Gesicht, dass durch das flackernde, rote Licht des Feuers nur noch grausamer wirkt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 12. Dez. 2004, 21:25 Uhr
In den Tunneln


"Seht ihr diese Dreiecksformation hier?" Caewlin zeigt auf die Karte im südlichen Teil des verzweigten Kanalnetztes, wo zwei Tunnel sich zu einem einzigen vereinen. "Als diese Abwasserkanäle angelegt wurden, haben ihre Erbauer den Hauptgängen schlüpfrige Namen gegeben," knurrt er, "und wohl jede zweite Hure in der damaligen Stadt hier unten verewigt. Dieser Gang heißt Prancies Schenkel und dreimal dürft ihr raten, warum." Oder wo wir jetzt gerade  stehen. "Wir sind hier, wo der schmale Tunnel ihn kreuzt." Er weist links und rechts von sich in die Düsternis, wo  beiderseits ein dunkler Schlund zu sehen ist. "Von hier aus direkt nach Norden hinauf liegen die Quartiere und das Reich  der Kanalratten... und gleich an diesem Ende sogar die Kammern und Höhlen, die sie früher schon als Zellen benutzt  haben. Aber Whytfisks Räume werden wesentlich tiefer verborgen und besser abgeschottet sein. Und ich habe keine  Ahnung, wieviele kleine Quergänge und unbekannte Nischen es gibt, die nirgends eingezeichnet sind, und die nur sie  kennen. Wir haben vielleicht einen Vorteil... selbst wenn Whytfisk Raven schon hat. Er weiß nicht, daß ich nicht allein  bin, selbst wenn er mit mir rechnet - und ich glaube, er ahnt auch nicht, daß wir aus dieser Richtung kommen könnten,  denn die Unterstadt liegt viel weiter nördlich."

Einen Moment starrt er im fahlen Licht auf die Karte und sieht dann Borgil und Phelan an. "Das Mädel hat gesagt, die  ersten Wachen sind bestimmt noch eine Stunde von hier entfernt, aber sie kann es nicht sicher sagen. Es könnte mit  der Entfernung von hier zu den Zellen der Kanalratten hinkommen. Whytfisk hat sicher noch nicht genug Männer, um sein Revier rundherum mit Wachen und Patrouillen abzuriegeln, und wird die meisten im Norden und Osten aufgestellt haben, in den Richtungen, aus denen er eher Besuch erwartet. Wenn wir uns nahe genug heranschleichen können, könnten wir zumindest einige seiner Männer ausschalten, einen nach dem anderen. Aber wir müssen schnell sein und nach Art der Stämme des Nordens zuschlagen: rasch, leise und ungesehen, und uns sofort wieder zurückziehen. Wenn wir uns auf einen offenen Kampf einlassen, ehe wir in ihr Herz vorgestossen sind und den Jungen haben, sind wir erledigt, und Raven ist es auch." Er kaut nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und nimmt den Blick nicht von den Tunneln auf der Karte. "Hier gibt es soviele kleine Gänge, daß man  leicht ein paar Hinterhalte legen kann, aber dummerweise können sie das genauso tun und wir können sie nicht daran  hindern. Aber wenn wir die Kanalratten lange genug glauben lassen können, daß sie es mit einem Mann allein oder vielleicht mit zweien zu tun haben, dann behalten wir einen kleinen Trumpf in der Hand und sie werden vielleicht unvorsichtig."

"Auf jeden Fall sollten wir zuerst den Jungen befreien, bevor Whytfisk ihn umbringen läßt oder seinen Männern zum Fraß  vorwirft. Wenn wir zu spät kommen, wird nicht mehr genug von ihm übrig sein, daß es sich zu retten lohnt und außerdem wird Whytfisk das hoffentlich ein wenig verwirren." Er weiß selbst, daß das alles nicht mehr als vage Gedanken sind, da er weder weiß, wieviele Männer Whytfisk um sich geschart hat, noch wo sie sind oder in welcher Verfassung, und mit welchen Waffen. Er kann nur blind in die Dunkelheit gehen und das Beste hoffen. Zuschlagen, verschwinden, irgendwo wieder auftauchen und erneut zuschlagen ist das einzige, was ihm einfallen will - und was bleibt ihnen auch anderes übrig? Nichts. Caewlin verstaut die Karte wieder unter seinem Waffenrock, den er über dem rauchgrauen Kettenhemd trägt und pfeift leise Akira an seine Seite. Die Bluthündin ist sofort bei ihm. Er nimmt dem Mädchen den leuchtenden Stein wieder ab und steckt ihn ein. Mehr Licht als den Schimmer von Phelans Kristall will er nicht wagen, und die beiden Halbelben und der Zwerg können ohnehin in dieser Dunkelheit sehr viel besser sehen, als er. "Rotzgör, du bleibst bei Phelan, bis wir näher dran sind, dann brauche ich dich oder den Waldläufer zum auskundschaften. Gehen wir."

Der Tunnel ist schnurgerade und so öde wie ein Kaninchengang. Seine Wände sind aus uraltem Stein und nacktem Fels, und er führt sie stetig nach Norden und immer tiefer hinein in das dunkle, pochende Herz der Kanalisation. Der Gestank nimmt zu, je weiter sie vordringen, und bald setzt er sich in ihrer Kleidung und in ihren Lungen fest, bis er sie umgibt wie eine undurchdringliche Wand. Er ist so beißend, daß man ständig am Rand der Übelkeit entlangbalanciert und am liebsten aufhören würde, zu atmen. Irgendwo tropft Wasser. Ab und an können sie an schwachem Luftzug und den kaum hörbaren Geräuschen, die aus der Unterstadt über ihnen herabdringen, einen Schacht, verborgen in der Finsternis, erahnen. Das einzige, das ihnen auf ihrem Weg begegnet, sind Ratten mit glühenden Augen und struppigen Fell, und Akira tötet jede, die dumm genug ist, sich in Reichweite ihrer Kiefer zu wagen. Sie werfen lange, wachsame Blicke in jede Nische und Höhlung, an der sie vorüberkommen, aber außer Schatten, Finsternis und Ratten, und ab und an seichten Wasserlachen ist nichts zu entdecken. So leise wie möglich schleichen sie weiter voran, Borgil und er selbst voraus und die Bluthündin dicht an seiner Seite. Nach knapp einer Stunde, wenn sein Zeitgefühl ihn nicht trügt, liegt der Tunnel immer noch so still und ruhig vor ihnen, daß Caewlin schließlich stehen bleibt. Instinktiv flüstert er, obwohl noch nicht das Geringste zu sehen oder zu hören ist. "Entweder, wir sind blind und an den Wachen vorbeigelaufen, oder wir laufen gleich in sie hinein."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 12. Dez. 2004, 21:33 Uhr
In Whytfisks Gemach


>Wenn du auf den Nordlord warten willst, dann kannst du warten, bis du schwarz wirst.< Raven faucht wie eine in die Enge getriebene Katze, etwas, das Whytfisk sehr amüsant findet. Tatsächlich amüsiert ihn die Vorstellung, sein bleiches, weißes Fleisch könnte sich eines schönen Tages tatsächlich verfärben, noch mehr. Whytfisk, Svartfisk... einerlei. Raven dagegen ist mittlerweile scharlachrot vor Wut. >Er wird nicht kommen. Er weiß weder, dass du deine unfähigen Spitzel auf uns angesetzt hast, die so dämlich sind, sich schon bei der erstbesten Gelegenheit zu verraten, noch ahnt er, dass du etwas gegen ihn im Schilde führst. Er weiß gar nicht, dass ich hier bin.< Whytfisk spürt etwas sehr seltsames in seiner Kehle vibrieren. Er braucht lange, bis er erkennt, was es ist und die Laute, die schließlich aus seinem Mund kommen, kaum lauter als sein ewiges Flüstern, erinnern an das Zischeln und Fauchen von Schlangeln und Wieseln, an das Hecheln hungriger, struppiger, grauer Wölfe oder das Keckern schwarzer Krähen. Er kichert: ein langes, hohles, heiseres, irres Kichern und er will überhaupt nicht mehr damit aufhören. Selbst der unerschütterliche Rorge hinter Raven windet sich unbehaglich und sieht überall hin, aber nicht auf Whytfisks verzerrten Mund, aus dem diese schauerlichen, rostigen Töne kommen. Als sie endlich verklingen, hinterlassen sie die grinsende Fratze obszöner Heiterkeit.

"Caewlin," flüstert er und steht auf. Der Name füllt die kalte Leere in seinem Inneren mit Rastlosigkeit. Aus glitzernden Augen, so farblos wie blasser Winterhimmel, mustert er die zierliche Frau vor sich. Entweder, sie glaubt tatsächlich, was sie sagt, oder sie ist eine sehr gute Lügnerin. Oder beides
"Er wird kommen," fährt er fort, die Augen auf einen Punkt irgendwo hinter Raven und Rorge und den Steinwänden seines Gemachs gerichtet. Eine Stelle in seinem Nacken prickelt verheißungsvoll und kalt, doch als er versucht, das Gefühl festzuhalten, zerrinnt es ihm wie Sand zwischen den Fingern und hinterläßt den schalen Geschmack von Fäulnis. "Du hast diesen Mann Freund und Waffengefährten, und was weiß ich noch genannt, aber du hast keine Ahnung, wer er ist. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob er eine Ahnung hat oder nicht. Denn früher oder später wird er dich suchen und es erfahren. Ich habe Zeit. Es spielt keine Rolle, ob ich einen Siebentag oder einen Zwölfmond warten muß. Und dann wird er kommen, Raven. So sicher, wie die Sonne im Westen versinkt. Er wird kommen... und ich werde ihn erwarten."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 12. Dez. 2004, 22:56 Uhr
In den Gängen der Kanalisation

Wenn die Mauern der Steinfaust schon schwer zu ertragen waren, so sind die dunklen, bestialisch stinkenden Gänge so ziemlich das Übelste, was Phelan sich vorstellen kann. Der Lichtstein spendet etwas Helligkeit, wirkt aber gegen die Dunkelheit etwa so wie eine Kerze gegen die tiefste Nacht. Der Hund hinterlässt hinter ihnen eine blutige Spur aus Rattenkörpern und vor ihnen streckt sich der Gang weiter und immer weiter aus ohne dass ein Ende abzusehen ist. Das Mädchen läuft mit verschränkten Armen neben Phelan her, soweit das der Tunnel zulässt. "Nimm du ihn." Phelan hält ihr den Stein unvermittelt hin und sie blickt ihn mit großen, überraschten Augen an, denen das violette Licht ein zusätzliches unheimliches Leuchten verpasst. "Nimm ihn schon, ich brauche beide Hände, wenn ich hier etwas tun will, verstehst du?" Schließlich greift sie nach dem leuchtenden Edelstein und hält ihn hoch wie eine winzige Sonne in dieser ewigen Finsternis. "Danke." Phelan ahnt, dass sie in der anderen den Dolch umfasst hält, den sie ihr in der Goldenen Harfe übergeben hatten, aber er ahnt auch, dass ihr diese Waffe gegen diese Männer, diese Kanalratten, wohl kaum eine große Hilfe sein würde. Auch, wenn sie es schon einmal geschafft hat hier rauszukommen.

<Entweder, wir sind blind und an den Wachen vorbeigelaufen, oder wir laufen gleich in sie hinein.>

"Es ist so still wie in einem Grab hier. Wahrscheinlich würde es da aber weniger stinken." Phelan verzieht zum hundersten Mal in der letzten Stunde das Gesicht. "Entweder sie haben keine Ahnung, dass wir kommen, dass überhaupt jemand kommen könnte oder wir laufen ihnen geradewegs in die Arme. Wie auch immer - jetzt sind wir hier. Tun wir so, als hätten wir den Vorteil." Phelans versucht sich an einem Grinsen, das ihm aber nicht recht gelingen will. Stattdessen zieht er einen Pfeil aus dem Köcher auf seinem Rücken und legt ihn auf den Bogen.

Sie setzen ihren Marsch eine weitere Weile fort, ein Schritt nach dem anderen und keiner spricht ein Wort.

"Still!" Der Ausruf, auch wenn er so leise wie nötig ist, ist unnötig, denn keiner der vier macht ein unnötiges Geräusch.  Aber Phelan hält den Atem an, lauscht und ist sich dann sicher. "Jemand kommt. Mindestens zwei. Weg mit dem Stein, weg damit unter deinen Umhang." Das Licht erlischt und lässt erst einmal völlige Dunkelheit zurück, bis Phelans halbelbische Augen die Konturen des Ganges immer deutlicher ausmachen können. Der Pfeil auf der gespannten Sehne zeigt suchend nach vorne und seine Hoffnung ist, dass sie die Ankömmlinge unerwartet begrüßen können würden. Dann ist es nicht mehr zu überhören. Ein leises, boshaftes Lachen dringt durch den Tunnel zu ihnen herüber und wird von den steinernen Wänden zurückgeworfen. Dennoch ist sich Phelan sicher, dass sich dessen Ursprung nicht weit von ihnen entfernt befindet. Er weiß, dass zumindest Caewlin in dieser Finsternis so gut wie nichts sehen kann, aber dieses Risiko geht er ein.

Dann sind sie da. Zwei Männer, die wie aus dem Nichts aus einem bislang unbemerkten Gang zu ihrer Linken auftauchen, vielleicht zehn oder fünfzehn Schritt vor ihnen. Sie bewegten sich schnell, geschmeidig, aber es sind nur zwei. Und nah genug, dass Phelan ohne Schwierigkeiten zielen kann. Der erste Pfeil verlässt singend die Sehne und bohrt sich zielsicher in den Hals des ersten Mannes, der mit einem gurgelnden Geräusch zu Boden geht. Schnell jetzt, schnell. Der zweite blickt ungläubig zu ihnen herüber, zieht seine Waffe und dreht sich dann, um in den Seitengang zu verschwinden, aus dem er gekommen ist. Der Pfeil erreicht seine Seite im letzten Moment, Phelan kann noch erkennen, dass der Mann fällt. Weniger gefällt ihm, dass er das mit einem lautstarken Schmerzensschrei tut.

Dann läuft Phelan los, den Bogen in der Linken, den Dolch in der Rechten. Es dauert nur Sekunden, bis er den Seitengang erreicht, in den die Kanalratte sich auf allen Vieren zu flüchten versucht. Phelan packt ihn am Kragen, dreht ihn herum und zieht ihm die Klinge des Dolchs über die Kehle. Der Kerl stinkt beinahe noch erbärmlicher als die Gänge ohnehin schon und seine Kleidung besteht aus dreckigen Lumpen, die nicht einmal diesen Namen verdient haben. "Hat dein Whytfisk nicht einmal genug Gold übrig, damit seine Männer sich anständig anziehen können? Ein Bad wäre vielleicht auch nicht schlecht gewesen." Er windet ihm das schartige Kurzschwert aus der Hand, während der Mann mit einem Gurgeln aus dem offenen Hals die Augen schließt.

Alles bleibt still. Phelan kehrt in den größeren Tunnel zurück, wo das Mädchen zögernd den Lichtstein wieder unter ihrem Mantel hervorzieht. "Ich glaube nicht, dass das unbemerkt geblieben ist. In diesen Gängen hört man eine Ratte am anderen Ende Talyras furzen." Er wischt sich mit dem Handrücken über die Augen und hätte sich am liebsten irgendwo die Hände gewaschen, obwohl er den Mann kaum berührt hat. "Wenn die hier alle so stinken, dann sollten wir wenig Probleme haben ihr Hauptquartier zu finden."


Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 12. Dez. 2004, 23:39 Uhr
In einer Zelle


KeinTon kommt über ihre Lippen, als der Tritt des Mannes sie hart in die Seite trifft. Ein paar Tage nichts zu essen? Den Frass vertragen eh nur die Ratten! Sie stöhnt leise, als sie sich bewegt und rasende Schmerzen wieder durch ihren Körper jagen. Sie kann nicht mehr sagen, woher sie rühren: von den Schlägen ihrer Bewacher, seinem Tritt oder sind es noch Nachwirkungen seiner brutalen Vergewaltigung. Als die Tür hinter ihm ins Schluoß fällt, atmet sie auf. Wenigstens war ihr das schlimmste ersparrt geblieben - für dieses Mal. Denn er würde wieder kommen, dessen ist sie sich bewusst. Und ich werde sicher nicht lieb zu dir sein, niemals! Eher sterbe ich!...Aber das werd ich wohl eh! Der Gedanke kommt so plötzlich wie ein kalter REgenguss und lässt sie erschauern. "Ich will in diesem verdammten Loch nicht draufgehen. Nein, nein, nein, ich will NICHT!" Mit leiser Stimme sagt sie sich diese Worte immer wieder vor. Eine Ratte sitzt in einiger Entfernun und beobachtet sie. Dann wendet sich das Tier um und verschwindet in einem Loch in der Wand. Der Wand hinter Jen sitzt. "Jen, Jen, bist du noch da?" Blöder Frage!Wo soll er bitte schön sein? Angestrengt horcht sie in die Nachbarzelle, gespannt auf ein Lebenszeichen wartend.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 13. Dez. 2004, 00:17 Uhr
Um sich nicht völlig dem Nichtstun hin zugeben, hat Tiuri damit begonnen sich seine verdiente Mahlzeit zu beschaffen. Mit den Händen kann er sie nicht erreichen, also versucht er es mit den Füßen. Es ist schwierig, denn sehen kann er den Becher und das Brotstück nicht und wenn er versucht es zu ertasten geht er das Risiko ein, dass er das Wasser verschüttet. Hinzu kommt, dass Tiuris Beine jedes Mal wenn er versucht die Muskeln anzuspannen und sich konzentrieren will, zu zittern beginnen. Die Ratten die sich schon lange nicht mehr vor ihm fürchten schiebt der Junge mit den Füßen fort wenn sie sich ihm nähern um das Stück Brot zu ergattern.
„Freunde, das ist meins… denkt nicht einmal daran! Haut ab und sucht euch etwas eigenes zu futtern!“
Ganz vorsichtig und unter einiger Anspannung ertastet der Junge schließlich doch den Becher und positioniert seinen Fuß so, dass er den Becher langsam näher schieben kann. Der Boden ist nicht glatt und manchmal muss Tiuri auch nach links oder rechts dirigieren, aber schlussendlich ist es weder der Boden, noch sein Bein, das ihm in dieser Aktion zum Verhängnis wird. Als er den Becher endlich nahe genug heran geholt hat um ihn mit den Händen zu greifen, wird er wieder von einem seiner Hustenanfälle gebeutelt und mit den Becher in der Hand krümmt er sich einen Moment unter dem Schmerz der ihm mittlerweile bis in den Rücken und tief in die Brust hinein fährt. Seine Hand kann den Becher nicht fest halten und er fällt zu Boden.
„Großartig, wirklich großartig!“ Wenn Tiuri spricht ist es nicht mehr als ein flüstern und sogar dabei ist seine Stimme rau wie ein Reibeisen. Als er im Gegenzug nach dem Brot suchen will, ist es verschwunden, dafür hört er aus einer Ecke vermehrtes Quieken von Ratten. Vergeblich hebt er den Becher auf und an den Mund, er ist leer und Tiuris Hemd klebt sich nass, aber kühlend, an seine heiße Haut.
An seinem Bein spürt er wieder eine Ratte und Tiuri, der schon längst aufgehört hat sich davor zu ekeln, wartet ab was passiert. Er kann nicht sagen ob es die gleiche Ratte ist wie letztes Mal, aber auf jeden Fall flüchtet sie nicht erschrocken als er seine Hand neben sie legt. Im Gegenteil, schnuppernd kann er sie neben sich spüren und schließlich sogar ihre kleinen Füßchen auf seiner Hand. Vier Füße sind es schließlich auf seiner Haut und obwohl er sich nicht fürchtet, erschaudert Tiuri einen Moment als die Ratte sich seinem Arm nähert. Ihre Krallen kratzen über seine Haut und es kitzelt, so dass der Junge grinsen muss. Es ist eine relativ kleine Ratte, nicht so groß und fett wie ihre Kumpanen hier unten in seiner Zelle und sie wandert behände seinen Arm nach oben bis hin zu seinem Nacken. Von dort aber holt Tiuri sie schließlich herunter. Kurz strampelt sie und will seinem Griff entgleiten, aber plötzlich gibt sie nach und bleibt aus unerfindlichen Gründen in der Hand des Jungen und lässt sich von vorsichtigen Fingern streicheln.
Als er von draußen Aurians Zellentüre zufallen hört fährt er erschrocken zusammen. Wie lange war der Mann bei ihr? Tiuri vermag keine Zeit mehr zu schätzen, genauso wenig wie er noch weiß wie lange er schon hier ist. Zitternd schließt sich seine Hand etwas enger um die Ratte, die sich aber auch daran wenig stört und ihren Erkundungsgang über Tiuris Arm wieder aufnimmt. Der Junge hindert sie nicht daran, auch nicht als sie über seine Schulter läuft und  schließlich sogar seine Brust hinunter, wieder zurück in seine Hände.
Aurians Stimme lässt Tiuri regelrecht erleichtert aufatmen. Sie lebt noch, aber wie, ist die Frage, denn wer weiß was er ihr angetan hat.
>Jen, Jen, bist du noch da?<
Ihre Frage belustigt ihn beinahe schon und er schnaubt leise auf. Nein, ich bin heim gegangen als es mir hier zu blöd wurde! Denkt er grinsend, aber er meint es nicht böse und würde so etwas auch nie sagen, weiß er doch, dass Aurian es nicht so meint, sondern einfach nur reden will. Oder einfach eine Stimme hören will, die ihr nicht androht ihr den gar aus zu machen.
„Ich bin da!“ Das Antworten fällt ihm schwer und ruft einen Hustenreiz hervor gegen den der Junge eine Zeit lang zu kämpfen hat und der ihn seinen gesamten schmerzenden Körper spüren lässt. Mittlerweile vor allem seine Magengegend die sich von den Tritten des Kerkerwächters langsam in ein sattes Blau verwandelt haben muss.
„Geht es dir gut? Hat er dir etwas getan?“ Ganz so durchgehend kann der Junge die Frage nicht stellen, immer wieder muss er Pausen machen, oder einen Satzteil wiederholen, da im die Stimme versagt und er keinen Ton mehr hervor bekommt. Er krächzt erbärmlich, schlimmer als jede Krähe und jede von den alten Warzennasigen Hexen aus alten Kindergeschichten die er kennt.
„Ich wollte dir so gern helfen!“ bringt er schließlich noch hervor und fühlt sich mit einem Mal wieder sehr hilflos und klein, aber doch viel zu groß für diese furchtbar enge Zelle aus der es keinen Ausweg gibt außer einer versperrten Türe. Dass die Wände augenblicklich wieder zu zittern beginnen versucht er zu ignorieren, aber selbst die Ratte spürt seine aufkommende Panik und verzieht sich in irgendeine Ecke. Tiuri zieht die Beine an und schließt die Augen, noch immer bringt das keine Besserung, im Gegenteil, also öffnet er sie wieder und fixiert die Wand hinter der sich Aurian befindet um auch ja keines ihrer Worte die kommen mögen zu verpassen oder zu überhören.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 13. Dez. 2004, 01:05 Uhr
In Whytfisks Gemach


Ein heiseres Bellen quält sich langsam aus Whytfisks Kehle empor in die Stille der Kammer und wird als gespenstisches Echo dutzendfach von den Felswänden zurückgeworfen. Es hört sich an, als würde ein Heer geisterhafter Höllenhunde durch sein Gemach winseln und der Ton klingt so grauenvoll und unheimlich, dass Raven entsetzt einen Schritt zurückweicht. Das schaurige Röcheln, das aus seinem Brustkorb dringt, schürt in ihr zuerst die vage Hoffnung, dass er direkt vor ihren Augen zu Boden sinken und an Schwindsucht krepieren würde, doch dann begreift sie, dass er lacht. Zornig zieht sie die Brauen zusammen. Mein Besuch scheint dich ja mächtig zu erheitern... Angewidert starrt sie auf seinen Adamsapfel, der in seinem dürren Hals mit jedem Kichern auf und ab hüpft, als würde er ein Eigenleben führen und wendet schließlich den Blick ab. Whytfisks bleiches Knochengesicht anzusehen, ist ohnehin schon kein Vergnügen, aber ein Knochengesicht, das sich zudem noch zu einer grausig kichernden Fratze verzerrt, ist bei weitem mehr, als sie verkraften kann.

Schließlich verebbt sein Lachen, versickert irgendwo zwischen feuchten Mauern und seelenlosem Felsgestein und als er schließlich den Blick auf sie richtet, ist seine Miene kälter als Eis und seine Stimme senkt sich zu einem unheilvollen Flüstern. >Er wird kommen... und ich werde ihn erwarten.< Ravens Eingeweide scheinen zu einem Knoten aus kalter Angst zusammenzuschrumpfen, aber ihre Wut lässt sie trotzig widersprechen. "Das wird er nicht", knurrt sie ungehalten. "Warum sollte er auch? Er würde mich nicht einmal vermissen und selbst wenn, würde er niemals auf die Idee kommen, mich hier unten zu suchen. So viel liegt ihm an meinem Leben sicher nicht, als dass er freiwillig noch einmal hier runter kommen würde. Nein, Whytfisk, wenn du ihn haben willst, wirst du ihn dir schon holen müssen. Und was unseren Handel betrifft, vielleicht habe ich etwas besseres für dich, als das Leben des Nordmanns..." Sie hat noch immer keine Ahnung, welches Märchen sie ihm auftischen soll und allmählich bricht ihr wirklich der kalte Schweiß aus, denn Whytfisk mustert sie nun mit unverhohlener Neugier. Denk nach, denk nach, denk nach, verdammt! Während sie zitternd den Blick aus diesen so schrecklich leblosen Augen erwidert, rasen ihre Gedanken in wilden Galoppsprüngen durcheinander, um etwas zu finden, womit sie ihn ködern könnte.

Was könnte für ihn so wichtig sein, dass er dafür seine Rachepläne an Caewlin aufgibt? Denk nach! Was? Geld? Wohl kaum Ein einziger Blick in sein karges Gemach genügt, um sie davon zu überzeugen, dass er sein Leben nicht an Luxus und Reichtümer verschwendet. Fieberhaft überlegt sie weiter, während ihre Hände sich bebend zu Fäusten ballen.
Was dann? Macht? Hätte er sicher gerne, aber die kann ich ihm nicht bieten. Eine Frau? Wohl auch nicht. Er könnte sich so viele beschaffen, wie er will und wäre bestimmt nicht auf einen flachbrüstigen Flohhüpfer wie mich angewiesen, um sich zu vergnügen. Und so wie er beim Gehen den Arsch zusammenkneift, hält er sich wohl auch eher an seinesgleichen..... vielleicht sollte ich ihm eine Horde Lustknaben besorgen. Oder...
Im Angesicht des nahen Todes entwickelt sie einen makabren Galgenhumor, aber noch ein anderer Gedanke durchzuckt sie plötzlich und sie krallt verzweifelt nach ihm, bevor er sich wieder verflüchtigen kann. Oder.... wenn Whytfisk es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, unbedingt Blaerans Tod zu rächen - vielleicht war er ihm ja auch noch auf andere Art und Weise verbunden als nur als Handlanger, auf ganz andere Art und Weise ... Ihre Augen werden schmal und hinter ihrer Stirn überschlagen sich die Gedanken. Versuch es, vielleicht ist es dein letzter Strohhalm!

"Was den Handel betrifft, so könnte ich dir vielleicht mit einigen ... pikanten Informationen über deinen ehemaligen Meister dienen. Bedauerlicherweise müsste ich diese aber mit ins Grab nehmen, solltest du den Nordmann nicht zufrieden lassen." Whytfisk starrt sie nur schweigend und mit unbewegtem Gesicht an. Er starrt sie so lange an, bis ihre Knie sich wie Pudding anfühlen und ihr Herzschlag zu einem angstvollen Flattern in ihrer Brust wird. Scheiße, das war's dann wohl....

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 13. Dez. 2004, 06:45 Uhr
>Geht es dir gut? Hat er dir etwas getan?< Immer wieder unterbrochen von trockenem Husten dringen die Worte zu ihr. Ehrliche Sorge schwingt darin mit. "Nein nichts, es geht schon. Ein paar blaue Flecken meht aber sonst. Ehrlich!" Vorsichtig versucht Aurian sich etwas bequemer hinzusetzten, was die neue Prellung an ihrer Rippe mit einem kräftigen Stich quittiert. Scharf zieht sie die Luft ein. Aber mit dem Schmerz fällt ihr auch seine Hand wieder ein. Schön verbrannt hatte er sich die. Ein kleiner Erfolg, aber immerhin, das war die Schmerzen wert. Und er hatte seine Finger von ihr gelassen. >Ich wollte dir so gern helfen!< Jens Stimme und noch mehr seine Emotionen verraten, wie ernst ihm diese Worte sind. "Oh Jen, danke, aber ich glaub...mir kann keiner helfen." Sie denkt an das Messer und den Schnitt in ihrem Gesicht, der brennt wie Feuer. Entstellt! Geschändet und entstellt!Wie Dolchstösse bohren sich diese Worte in ihr Herz und ihre Seele. Und der Wunsch einfach nur einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen, wird beinahe übermächtig. Dennoch zwingt sich das Mädchen, Jen zu antworten. "Es ist auch nichts passiert, ehrlich!"

Eine der Ratten, ein besonders fettes und ekelhaftes Exemplar, nähert sich ihr. Aurian folgt dem roten Leuchten ihrer Augen, das einzige Indiz woran sie die Anwesenheit des Tieres erahnen kann, denn nicht mal ihr halbelbisches Blut hilft ihr in dieser Dunkelheit. Das ist noch schlimmer, als der Verlust des Essens. Immer näher kommt das Tier und Aurian hat das Gefühl, als würde es sie hämisch angrinsen. "Verschwind du blödes Vieh!" Ihre Stimme ist nur ein Zischen, für einen Menschen kaum zu hören. Doch unbeeindruckt von ihren Worten kommt sie näher und fixiert sie. Mit einem Mal beginnt Wut in ihr zu köcheln: Wut auf dieses Loch, Wut auf die Männer hier unten, besonders auf den Langen. Und ihre magische Seite, die nun schon vollkommen frei ist, verlangt ihr Recht. Die Ratte dient ihr nun als Ventil: Getroffen von einem Lichtblitz der ihren Fingern entflieht erstarrt das Vieh und fliegt dabei, ungebremst von der Wucht gegen die Wand. Aurian stutzt und betrachtet ihre Hand. Das Messer kommt ihr in den Sinn: Wie siedend heiß muß es gewesen sein, weißglühend hatte es seine Haut versengt! Ob...ob ich das auch so kann? Rechts neben ihr sind einige Ringe in der Wand eingelassen, sie kann sie nur erahnen. Mit leicht zusammengekniffenen Augen fixiert sie diese, konzentriert sich ganz auf diesen, in der Hoffnung ihn zum Glühen zu bringen. Doch das Eisen wiedersetzt sich standhaft ihren Bemühungen. Ihre Augen tränen und sie will schon aufgeben, als es ganz leicht zu glühen beginnt. Ein triumphierendes Lachen entflieht ihr. Es geht, oja es geht! Und wenn du mich umbringst, dann mach. Aber du wirst dich an mich erinnern, das schwör ich dir bei allen Göttern! Und eine weitere Ratte klatscht - diesmal ohne zu erstarren, warum auch immer - mit einem Protestfieper an die Wand.  

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 13. Dez. 2004, 12:28 Uhr
In den Tunneln


Phelan setzt sich nach Caewlins Worten an die Spitze, den Bogen in der Hand, einen Pfeil auf der Sehne und sie setzen ihren Marsch so leise wie möglich fort - allerdings nicht lange. >Still!< zischt der Elb und das Licht geht aus. Nach der Warnung des Halbelben warten sie in vollkommener Dunkelheit - für Borgils Zwergenaugen kein Problem, aber Caewlin dürfte jetzt blind sein.  Dann ist ein leises Lachen zu hören und plötzlich geschieht alles gleichzeitig: Der Hund - in diesem infernalistischen Pestilenzgestank hilft der Bluthündin auch die feine Nase rein gar nichts, sonst hätte sie die Gefahr längst gerochen - grollt kaum hörbar, Caewlin hat den Morgenstern in der Hand, so schnell, daß Borgil die Bewegung nicht einmal sehen kann, und er greift nach einer Wurfaxt, doch Phelan ist schneller. Der Waldläufer hat die zwei Wachen erschossen, noch ehe er selbst oder der Nordmann vier Schritte weit in ihre Richtung gekommen sind. Der Todesschrei der einen Kanalratte hallt durch den Tunnel, in ihrer aller überreizten Ohren viel lauter, als er eigentlich ist. "Hervorragend," knurrt Borgil. "Jetzt haben wir an der Haustür geklopft." Das Mädel knipst das Licht wieder an und Phelan kehrt zu ihnen zurück. "Hmpf! Die zählen nicht!" Schnaubt Borgil mit unüberhörbarer Empörung in der Stimme und schwenkt die nutzlose Wurfaxt. "Laßt mir das nächste mal gefälligst einen übrig!" Er schiebt sich an dem Halbelben vorbei und kann von der Seite Caewlins Gesicht sehen, der alles andere als gut gelaunt aussieht - dann geht er mit dem Nordmann zu den Leichen und sie schaffen sie aus dem Seitengang in eine nahegelegene, enge Felsnische, in die sie sie stopfen. Würde jemand ernsthaft nach ihnen suchen, würde man sie sicher finden, aber so liegen sie wenigstens nicht auf dem Präsentierteller herum. Das miserable Aussehen der beiden Männer gefällt Borgil allerdings überhaupt nicht... er hätte von Whytfisk irgendwie mehr erwartet und er weiß genau, daß das noch längst nicht alles, war, was sie erwartet. Diese beiden mögen ihre besten Tage lange hinter sich haben, erbärmlich gekleidet und schlecht ausgerüstet gewesen sein, aber in den Reihen der Kanalratten finden sich noch ganz andere Gestalten, jedenfalls, wenn man den Gerüchten glaubt. Schattentänzer, Assassinen und Meisterdiebe. Schläger und Grubengladiatoren und ausgebildete Meuchelmörder, die schneller und leiser als ein Flüstern töten.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 13. Dez. 2004, 15:27 Uhr
Es geht Faraday unglaublich gegen den Strich, dass der Nordmann sie 'Rotzgör' nennt. Am liebsten würde sie ihm dafür einen Tritt zwischen die Beine verpassen. Und wahrscheinlich wäre das auch die einzige Stelle, wo sie ihn treffen könnte. Andererseits ist es ihr auch egal. Sollten sie sie doch sonstwie nennen. Denen würde sie ihren Namen nicht verraten, niemals. Die Karten interessieren sie jedoch. Sie rückt so eng wie möglich und so dicht wie nötig heran um sie sich genau ansehen zu können. Es fasziniert sie den Ort, an dem sie stehen, auf Pergament gezeichnet zu sehen, so als wäre man ein Vogel, der hoch am Himmel fliegt und auf alles auf und unter der Erde hinabblickt. Gesehen hat sie so etwas jedenfalls noch nie und es juckt ihr in den Fingern, eine davon zu fassen zu bekommen. Das ist natürlich unmöglich. Stattdessen starrt sie gebannt auf den Plan und versucht dann daran zu errinnern, wie lang Jen und sie im Dunkeln umhergekrochen sind, ehe die Kanalratten sie gefaßt hatten. Aber so dunkel wie diese Tunnel so dunkel ist auch ihre Errinnerung. "Eine Stunde", bringt sie dann leise hervor, weil eine Stunde nach einem guten Zeitraum klingt. Sicherlich ist es auch völlig gleich. Wenn der Nordlord sich hier unten auskennt, dann wird er uns wohl schon zu Jen führen können.

Dann brechen sie endlich auf. Die ganze Zeit versucht Faraday sich krampfhaft zu errinnern, wohin genau sie gegangen sind, aber alles sieht gleich aus. Noch dazu zweigt von diesem Tunnel nicht ein einziger Seitengang ab. Irgendwann gibt sie auf sich den Kopf zu zerbrechen - immerhin tut er endlich nicht mehr so weh. Den Dolch hält sie stichbereit unter ihrem Mantel vorborgen. Vielleicht würde sie irgendjemanden damit noch überraschen können. Eins - zwei - drei - vier - fünf - sechs - sieben - acht - neun - zehn. Eins - zwei - drei... Und noch einmal und noch einmal, bis selbst ihre beiden Hände nicht mehr ausreichen um die Zahlen zu addieren. Immer wieder schleicht sich ein leises, boshaftes Flüstern an ihr Ohr, das ganz leise "Jen, Jen!" ruft und dann wieder kichernd verstummt. Faraday schaudert. Vielleicht ist er ja schon tot und sein Geist verfolgt mich jetz' bis in alle Ewigkeit. Der Heiler reißt sie mit seinen Worten aus ihren Gedanken, die ihr sicher früher oder später so viel Angst gemacht hätten, dass sie einfach schreiend davongelaufen wäre.
Verstehst du, verstehst du! Bin doch nich' blöd! Ohne Erwiderung nimmt sie ihm den Stein aus der Hand. Sie hat erwartet, dass er heiß wäre und ihre Hand verbrennen würde, aber nichts dergleichen passiert. Der Kristall liegt ruhig strahlend und kühl in ihrer Handfläche. Möglicherweise müßte man sich vor diesem Zauber doch nicht allzu sehr fürchten.
Fast stolz, dass sie allein vorangehen darf mit dem Licht in der Hand hält sie die Hand höher, bis der ganze Tunnel auf wenige Schritt Entfernung vor ihnen in weiches, violettes Licht getaucht ist. Das gefällt Faraday. Sie fühlt sich wie ein Stern am Nachthimmel, strahlend und funkelnd. Und noch wichtiger ist: sie hat eine Aufgabe bekommen. Sie darf die Gruppe führen und ihnen leuchten. Ihre Wangen überziehen sich mit einer leichten Röte, weil sie so aufgeregt ist. Obendrein hat sie einen schwer gepanzerten Zwerg und einen Mann hinter sich, vor dem sie im Normalfall davongelaufen wäre.

<Still!>

Faraday zuckt vor Schreck zusammen und bleibt stocksteif stehen. Sie tut, wie der Mann ihr sagt und lässt den leuchtenden Kristall unter ihrem Mantel verschwinden. Sofort ist alles wieder dunkel. Eine rabenschwarze, schaurige Dunkelheit, die ihr die kleinen Härchen auf Armen und im Nacken zu Berge stehen lässt. Auf einmal ist sie sicher, dass nicht nur vor ihnen jemand ist. Sie sind auch hinter uns, überall, wir müssen sterben, jetz', hier und wir werden fürchterliche Schmerzen haben. Ihr Herz klopft ihr bis zu Hals. So laut, dass jeder es einfach hören muß. Langsam nimmt ihre Umgebung wieder Kontur an, doch das plötzliche Sirren des Pfeils dicht neben ihr lässt Farday abermals zusammenzucken und sogar einen Satz auf die Seite machen. Stocksteif bleibt sie stehen wo sie nun ist und beobachtet, was sich vor ihr abspielt. Sieht, wie die beiden Männer umkippen und wie der Heiler hinläuft und etwas zu dem einen von ihnen sagt. "Er hat geschrie'n, jetzt werden sie kommen und uns holen." Ihre Stimme ist leise und von solcher Düsternis, dass ihr selbst vor so viel Endgültigkeit graust. Ihre Hand zittert, als sie den Stein wieder unter dem schützenden Stoff hervorzieht. Das Licht spendet diesmal keinen Trost. Stattdessen kommt sie sich nun vor wie auf dem Präsentierteller. Bebend folgt sie dem Zwerg und dem Nordmann, macht ihnen Licht, damit sie ihre grausige Arbeit verrichten können. Faraday kann den Blick die ganze Zeit nicht von den beiden Leichen lösen. Schau sie dir nur an. So ists, so endets, für euch aaalle. Wirst schon seh'n, kleine Maid, wirst schon seh'n...

Etwas würde sich in ihrem Leben verändern. Und vielleicht is' das hier heute der Anfang.

Sie umfasst ihren Dolch so fest, als wäre er ein lebensrettender Ast über einem reißenden Fluß und lässt die Männer ihre Arbeit tun. Sieh dich um und steh nich' da wie ein Schaf! Aufmerksam behält sie den Tunnel vor und hinter ihnen im Auge. Dieser hier ist kleiner und wäre womöglich leichter zu verteidigen. Allerdings nicht, wenn ihre Angreifer überraschend kämen und aus zwei Richtungen. Er braucht uns, hat er gesagt der Nordlord. Und leise sein, das kann ich. Sie wagt nicht etwas vorzuschlagen. Sie sieht hier unten in dieser Dunkelheit auch ohne Licht, sie könnte vorausgehen und sich umsehen, damit sie nicht noch einmal überrascht würden. Sie werden dich nicht gehenlassen, Vögelchen. Das alles könnte sie. Sie könnte es. Stattdessen steht sie mucksmäuschenstill da und wartet gespannt ab, was als nächstes geschehen würde. Und dieses Mal würde sie helfen, das nimmt sie sich ganz fest vor.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 13. Dez. 2004, 21:26 Uhr
"Ihr seid rasch mit dem Bogen, Phelan," Caewlin nickt dem Waldläufer zu und hakt die Schlagkugeln am Morgenstern wieder ein.
>Ich glaube nicht, dass das unbemerkt geblieben ist. In diesen Gängen hört man eine Ratte am anderen Ende Talyras furzen.<
"Möglich," Caewlin zuckt mit den Schultern. "Früher oder später sind sie so oder so gewarnt. Später wäre mir lieber, aber was nicht sein soll, soll nicht sein. Gehen wir. Das waren bestimmt nicht die einzigen auf Patrouillengang." Er hat die zweifelnden Blicke des Zwergen durchaus bemerkt, als sie die Leichen fortgeschafft hatten, und seine Gedanken sind in ganz ähnliche Richtungen gegangen... aber wenn Whytfisk hier im Süden seiner Quartiere nicht unbedingt die Elite seiner Leute postiert hatte, dann soll ihm das nur recht sein. "Zurück in den Gang, aus dem die Männer kamen. Wir nehmen den Seitentunnel. Dort gibt es irgendwo einen Verbindungsschacht zum alten Zellentrakt. Wenn sie die Felskammern noch benutzen, dann kommen wir dort wahrscheinlich am ungesehensten hinein." Sie wenden sich alle nach links, zwanzig, fünfundzwanzig Schritt in den Tunnel hinein, bis rechts von ihnen eine etwa türbreite Öffnung in der Felswand auftaucht, die mit einer dicken Ölhaut verhängt ist. An den Rändern schimmert rötlicher Fackelschein hindurch und wirft gespenstische Lichtstreifen in die undurchdringliche Schwärze des Ganges.

Caewlin tritt dicht heran, um durch einen Spalt zwischen Fels und Leder zu spähen, doch im selben Moment werden schlurfende Schritte in dem Gang hinter der Ölhaut laut und eine nuschelnde Stimme ist zu hören, die mürrisch vor sich hinmurmelt: "Immer ich... mal wiss'n... was... hab' doch wen Quieken hör'n..." Caewlin stellt sich auf die andere Seite der Öffnung, während Borgil und das Rotzgör sich hastig so dicht wie möglich an die Felswand pressen und Phelan mit fliegenden Fingern einen frischen Pfeil auf die Sehne legt, und ein paar Schritt in die plötzliche Düsternis zurückweicht: das Mädchen hatte geistesgegenwärtig den Kristall wieder verborgen. Die Ölhaut wird zur Seite geschoben und verbirgt Caewlin hinter schweren Falten. Ein Mann tritt in den Gang, hager, vielleicht einen halben Kopf nur größer als Borgil, mit strähnigem, schwarzen Haar, den Mandelaugen der Steppenreiter und der dunklen Haut der Südmenschen - und dem Gesicht eines Wiesels. Er trägt eine rußende Pechfackel in der Linken und ein Stück angekauten Pfriem in der Rechten und bleibt stocksteif stehen, als er sich plötzlich Aug' in Aug' mit einem schwergepanzerten Zwerg wiederfindet. Caewlin tritt hinter ihn, packt seinen Kopf und bricht ihm mit einem hässlichen Knirschen das Genick. Der Mann geht zu Boden wie ein entgräteter Fisch und Caewlin läßt ihn liegen - fortschaffen können sie ihn nachher immer noch. Er steigt mit einem großen Schritt über die Leiche, ruft mit einer Handbewegung die Bluthündin an seine Seite und späht in den Gang.

Er ist vielleicht zwanzig Schritt lang und vier Schritt breit und Caewlin kennt ihn nur zu gut. Hierher haben sie mich geschleift, nachdem der Fette meine Hand genommen hat. Zu beiden Seiten sind in regelmässigen Abständen schwere, eisenbeschlagene Türen im Fels, fünf an jeder Seite, und zwischen den Türen stecken zischelnde Pechfackeln in eisernen Wandhalterungen. Die gewölbte Decke ist rußgeschwärzt und Salpeter überzieht die Wände. Ihnen gegenüber, am oberen Ende des Zellentrakts, macht der Gang einen Rechtsknick und von irgendwoher dahinter dringt Stimmengemurmel, Fluchen und das leise Knistern eines Feuers zu ihnen herab. "Wachen," flüstert Caewlin. "Ich kann nicht sagen, wie viele." Er läßt seinen Blick nach links und rechts über die Zellentüren schweifen. Einige sind eingedrückt und hängen morsch und halbverfault in rostigen Angeln, andere stehen offen. Zwei zu ihrer Linken jedoch sind fest verschlossen und sehen ganz und gar massiv aus. Beim Anblick der zwei geschlossenen Türen flammt kurz Hoffnung in Caewlin auf, Raven könnte in einer der Zellen sitzen - in der anderen sitzt zweifellos der Junge -, aber er verwirft den Gedanken beinahe sofort wieder. So dumm ist Whytfisk nicht. Wäre Raven hier, hätten wir eine Armee zu ihrer Bewachung vorgefunden. Er läßt den Morgenstern im Waffengurt - jedes Kettenklirren könnte sie verraten - und zieht lautlos einen seiner Dolche, dann schleicht er in den Gang, Akira auf den Fersen, darauf gefaßt, sich jeden Augenblick weiteren Kanalratten gegenüberzusehen.

Die anderen folgen ihm, der Halbelb und das Mädel stiller als Schatten und Borgil so leise, wie es ihm irgend möglich ist - doch sie haben Glück und alles bleibt ruhig. Es braucht nur einen Blick zu dem Waldläufer, damit er ans obere Ende des Ganges schleicht und dort um die Ecke späht, und Borgil, ständig in Angst zu kurz zu kommen, folgt ihm auf dem Fuß. Caewlin selbst wartet, bis die beiden auf ihrem Posten sind, schickt dann Akira zurück zur Ölhaut am unteren Ende des Ganges und wendet sich den verschlossenen Türen zu. Schwarzes Eisen, dunkle Mooreiche und nirgendwo ist so etwas wie ein Schlüsselbund zu sehen. Er wagt es nicht, die eisernen Sichtfenster in den Türen aufzuschieben, aus Angst, sie könnten rostig Quietschen und sie alle verraten. "Rotzgör," flüstert er. "Komm her. Irgendwo hier muß dein Jen drinstecken. Kriegst du die Schlösser auf? Aber leise!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 13. Dez. 2004, 23:08 Uhr
Tiuri ist erleichtert, dass Blutaxt Aurian scheinbar nichts getan hat, auch wenn er sich da nicht so sicher ist. Dass jemand lügt kann er durchaus verstehen und nachvollziehen, tut er doch selbst selten etwas anderes wenn er den Mund nur öffnet. Die Wände geben keine Ruhe und auch die kurze Erleichterung kann die Panik nicht aufhalten und schon fürchtet sich Tiuri davor Angst zu haben und während er sich immer enger zusammen zieht, beginnt er sich selbst zu schimpfen und gedanklich wilde Flüche auszustoßen. Der Junge hasst sich selbst dafür, dass er die Ruhe einfach nicht bewahren kann und dass er weder die Augen des Bleichen noch das Feuer aus den näher kommenden Wänden sperren kann.
„Es ist einfach zu eng hier… zu eng!“ murmelt er und rückt ein Stück von der Wand weg. Die Finger seiner rechten Hand trommeln gegen das Holz des Bechers, den er griffbereit hält falls eine der Kanalratten die Zelle betreten sollte. Egal ob es etwas bringt oder nicht, egal ob ihr mich irgendwann umbringt, von mir könnt ihr nichts anderes erwarten als Flüche und Schläge! Er zuckt zusammen als er das Gefühl hat, dass die Wände jeden Moment umfallen könnten und auf ihn hernieder stürzen, ist sogar regelrecht erstaunt einen Moment später noch am Leben zu sein.
„Ich muss hier raus, dringend raus…“ Für einen Augenblick verwirft er seinen Vorsatz den Kanalratten nichts anderes als Gegenwehr zu bieten, denn es muss besser sein auf ihrer Seite zu sein als hier in diesem widerlichen Loch zu sitzen. Aber genauso schnell wie ihm der Gedanke gekommen ist, verschwindet er auch wieder und er sagt sich, dass er so etwas nicht einmal denken kann. Trotz all dem Mist den er im letzten Jahr gebaut hat, irgendwo muss sogar Tiuri noch einen Funken Moral besitzen, auch wenn er ihn selten gegen andere Leute anwendet. Diese Zelle macht dich noch weich… pah, du bist ja schon gebrochen, wie deine verdammten Finger, kriechst hier auf dem feuchten Boden rum und lässt dich von Wänden zerquetschen! Du bist nicht mutiger als ein Kleinkind!
So sehr sich der Junge auch einreden will, dass all diese Dinge seiner Einbildung entspringen, das Fieber und die Panik bringen ihn dazu sich selbst nicht zu glauben, dass man sich so etwas nur einreden kann übersteigt einfach seinen Horizont.
Irgendwo neben sich hört er seinen Rattenfreund fiepen und vorsichtig greift er danach. Da sich die Ratte nicht wehrt und sich auch genauso anfühlt wie die letzte, nimmt Tiuri an, dass es die selbe ist und drückt sie beinahe schon fürsorglich ein wenig an sich.
„Wenn ich hier raus gehe, gehst du mit mein Freund! Ich lass dich nicht hier in diesem stinkenden Loch, keine Sorge, du wirst das Tageslicht zu sehen bekommen!“
Dass der Ratte seine Worte relativ egal sind, kann sich Tiuri denken, aber für ihn selbst sind sie wichtig, weil er sonst einfach nicht glaubt diese schlimmste aller Höllen die er sich vorstellen kann, zu ertragen.
„Du weißt es nicht, aber Faraday holt uns hier raus, du wirst sehen, sie war da und sie wird wieder kommen und er wird uns gehen lassen, sie und mich… und dich natürlich, aber davon weiß er ja nichts und, nichts gegen dich, aber ich denke es wird ihm egal sein!“
Tiuri flüstert leise vor sich hin, hält die Ratte aber relativ nahe an sein Gesicht, damit er sich sicher sein kann, dass das kleine Tier ihn auch hört. Immer wieder muss er laut husten, aber da hält er die Ratte schnell von sich weg um ihr nicht direkt in die feinen Ohren zu brüllen. Seine Haut glüht noch immer und trotzdem wird er immer wieder vom Schüttelfrost gebeutelt und auch sein Kopf hat nicht aufgehört weh zu tun. Jedes Mal husten ist eine Tortur für ihn, nicht nur weil sein Körper dabei schmerzt, auch der Kopf protestiert heftig gegen die plötzlichen, stoßenden Bewegungen.
Die Ratte als einzigen Freund in seiner direkten Umgebung, drückt sich Tiuri wieder gegen eine Wand, den Becher immer noch in einer Hand, denn die Kanalratten außerhalb der Zelle kann er einfach nicht vergessen. Ihre Blicke, ihren Gestank und ihre widerlichen Worte.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 14. Dez. 2004, 20:45 Uhr
Aurians Antrieb, die Ratten mit ihren magischen Versuchen zu verjagen, schwindet immer mehr. Nur kurz hatte sie ihre Verzweiflung unterdrücken können, doch sie kommt zurück und mit ihr das Gefühl der Schande und auch die Schmerzen: Durch die dunkelheit in der Zelle - der Kerl hatte die letzte Fackel mitgenommen - kann sie zwar nichts sehen, doch auch so weiß sie, dass ihr Körper überseht sein musss von blauen Flecken. Wie ein Spiegel ihrer Seele stellt er sich dar. Geschunden und gequält. Vorsichtig zieht sie die Beine näher an den körper und umfängt sie mit den Armen so gut es ob der Ketten an ihren Handgelenken geht. Diese haben mittlerweile ihre Haut aufgescheuert, doch sie spürt das Brennen nicht. Kalt ist ihr, innerlich genauso wie auch äusserlich. Von Jen ist nichts zu hören als gelegentliches trocknes Husten. Es scheint ihm nicht besonders zu gehen! Wie auch, in diesem Loch!

Obwohl ihr die Angst im Nacken sitzt, beginnt die Müdigkeit sie zu übermannen. Doch immer wieder schreckt sie hoch, schon das leiseste Getrappell der Ratten lässt sie hoch schrecken. Und in den MInuten des Schlafes verfolgen sie wüste Alpträume: Finger, die nach ihr greifen, an ihren Kleider zerren und höhnisches Lachen. Und blanke Messerklingen, die blutige Muster auf ihrer Haut hinterlassen. Augen, die sich an ihrem Leid weiden und weit weit entfernt eine Gestalt, kaum zu erkennen, die sie ansieht, unendlich traurig und doch keinen Schritt auf sie zukommt, zukommen kann. Das Gesicht ist verschwommen ob der Entfernung, doch er trägt die Uniform der Stadtgarde und blondes Haar umweht sein Gesicht. Doch dann kommt Nebel auf, dicht und undurchdringbar und sie ist wieder allein mit den Fingern und messerklingen. Es ist als müsse sie die letzten Stunden und Tage erneut durchleben. Ein Scharren an der Tür lässt sie erneut auffahren, schweißgebadet und zitternd. Er kommt zurück, will vollenden, was er begonnen hat! Panik keimt in ihr auf und sie spürt keine Schmerzen mehr. Nur Angst. Verzweifelt versucht sie sich auf ihre magischen Fähigkeiten zu konzentrieren, doch ihre Gedanken wirbeln umher. Würde er sie töten? Gleich und schnell? Oder quälen, sich noch einmal holen wonach ihm so gelüstet? Das Scharren an der Tür wird lauter und mit einem Mal schwingt sie auf; Licht fällt herein, wirft den Schatten zweier Gestalten herein. Voll Angst versucht sie weiter in die Ecke zu kriechen und dabei das Ding, das einmal ein Hemd war fester um den Körper zu ziehen; die grünen Augen sind dunkel und wirken noch größer. Einige Strähnen der schwarzen Mähne hängen wirr in ihr Gesicht. Der eine der beiden scheint die Tür auszufüllen; es ist nicht der Mann von vorhin, zwar auch sehr groß aber auch breiter. Ein leiser Aufschrei entflieht ihr. Jetzt ist alles aus! Jen, Jen hilf mir!

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 15. Dez. 2004, 09:29 Uhr
Die Holztüren sind von der immerwährenden Feuchtigkeit der Tunnel dunkel und wirken so massiv, wie eine Türe nur sein kann. Eiserne, rostige Beschläge und ein riesiges Türschloß, das davon zeugt, wie lange diese Gänge und Zellen schon existieren müssen. Faraday besieht sich die Verriegelung gründlich und ein überlegenes Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht. Jetzt kann sie ihnen zeigen, dass sie nicht nur ein lästiges, wehrloses Anhängsel ist, sondern dass sie über Fähigkeiten verfügt, hinter denen die Sicherheit jahrelanger Übung steckt. Irgendwo aus den dichtem, dunklen Haarschopf fingert sie eine metallene Haarnadel heraus und biegt sie in eine ganze bestimmte Form zurecht. Dass ihr der Nordlord dabei auf die Finger sieht ist ihr nur recht.

Behutsam schiebt sie die Haarnadel in die dunkle Öffnung des Türschlosses, dreht einmal, zweimal, dreimal. Klemmt sich die Zunge zwischen die Zähne und horcht mit äusserster Aufmerksamkeit auf die Geräusche, die sie mit ihrem Tun verursacht. Abermals dreht sie, erst nach rechts - klapp - dann nach links und die Tür gibt nach. "Da. Offen." Ihre Wangen glühen vor Stolz, während sie die Nadel zurück in ihre alte Form biegt und sie wieder in den Haaren verschwinden lässt.

Der Nordlord drückt die Türe dann auf. Es handelt sich tatsächlich um eine Zelle, kaum groß genug, um sie als etwas anderes zu bezeichnen. Eine Ratte huscht quiekend in die Dunkelheit, als das Licht der Pechfakeln ins Innere fällt. Und in der hintersten Ecke dieses Lochs kauert eine schmale Gestalt mit langem, kohlrabenschwarzen wirren Haaren, die ihnen aus großen Augen gehetzt und voller Angst entgegenschaut. Das ist nicht Jen. Wo ist Jen? Wo ist er? Und langsam macht sich die Gewissheit in Faraday breit, dass sie zu spät kommen, dass Jen genau das Schicksal ereilt hat, vor dem sie ihn retten wollte. Die Frau schreit leise auf und es klingt mehr nach einem verwundeten, angsterfüllten Tier als nach einem Menschen. Faraday wagt sich nicht weiter vor. Sie ahnt, was sie mit ihr getan haben und Übelkeit steigt in ihr hoch.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 15. Dez. 2004, 12:45 Uhr
In Whytfisk Gemach, etwa eine Stunde vor Ankunft der Abenteurertruppe in der Kanalisation


"Das wird er nicht?" Echot Whytfisk flüsternd und die monströse Erheiterung liegt immer noch in seinen Augen, auch wenn sein Kichern verstummt ist. Er kann an ihrem Tonfall hören, daß sie wirklich glaubt, was sie sagt und das verblüfft selbst ihn. "Ich weiß, daß er kommt. Vielleicht mag er nicht wissen, wo du steckst, aber das läßt sich sehr rasch ändern, glaub mir. Und wenn er erfährt, daß ich dich habe, wird er die Andernwelt und alle Neun Höllen in Bewegung setzen, um dich zurückzuholen. Und wenn du das nicht weißt, dann bist du noch dümmer, als ich dachte. Ich weiß es, denn ich habe gesehen, wie er..."
>Was den Handel betrifft, so könnte ich dir vielleicht mit einigen ... pikanten Informationen über deinen ehemaligen Meister dienen. Bedauerlicherweise müsste ich diese aber mit ins Grab nehmen, solltest du den Nordmann nicht zufrieden lassen...< Ihre Worte und der Name, der sich mit ihnen in seinem Inneren anschleicht wie ein Tier, schneiden ihm seine ab wie ein weißglühendes Messer. Blaeran. Welch Hohn der Götter, daß diesem Mann der Namen eines Heiligen gegeben wurde.

Whytfisks Gesicht ist nicht mehr fahl, sondern weiß wie handgeschöpftes Pergament und seine Augen quellen aus den Höhlen. Er ist auf den Beinen und an ihrer Kehle, ehe sie auch nur einen Schritt rückwärts machen kann, hat seine Finger kalt und weiß an ihrem weichen Hals und auf ihren Schultern. Ihr linkes Schlüsselbein bricht unter seinem Griff wie ein Kienspan. "Nimm seinen Namen nur ein einziges Mal in den Mund, du verräterische Schlampe, und ich bringe dich um. Ein einziges Mal, nur einmal. Wag es, ihn auszusprechen, und ich fessle den Nordmann mit deinen Gedärmen, während ich dein zuckendes Herz vor seinen Augen fresse! Hast. Du. Mich. Verstanden?" Er schüttelt sie bei jedem Wort, wie ein Hund eine Ratte totschütteln würde und stößt sie dann so heftig von sich, daß sie rückwärts gegen Rorge taumelt, und hustend, spuckend und keuchend um Atem ringt. Whytfisk wischt sich so angewidert die Hände an seinem Lumpenmantel ab, als hätte er etwas unreines berührt. "Behalt dein dreckiges Leben. Ich will, daß du lebst und leidest, bis ich euch angetan habe, was ihr mir angetan habt. Was ihr ihm angetan habt," zischt er so leise, daß nicht einmal er selbst sich hört. Er, sonst kälter als Frost und stets Herr der Lage, ringt jetzt mühsam um Beherrschung. Töte sie. Nimm dir ihr Fleisch und laß ihr Blut auf Blaerans Grab regnen. Zur Hölle mit dem Nordmann. Wenn er kommt, laß ihn in ihre leeren, toten Augen sehen.

"Rorge, laß die Eisen bringen."  
Der Mann zischt etwas durch die Ölhaut in seinem Rücken und einen Augenblick später huschen zwei weitere Kanalratten herein, die Raven klirrende Eisenketten an Händen und Füßen anlegen. Die Beinfesseln lassen ihr gerade genug Freiheit, trippelnde Schritte zu gehen, die Handketten sind kaum ellenlang und Whytfisk verstaut den Schlüssel mit einem bösen Lächeln unter seinem Lumpenmantel. "Bringt sie..." einen Moment zögert er, als überdenke er eine Entscheidung noch einmal, dann ruckt er herum. "Bringt sie in die Felsenkammer nebenan. Ich will sie in meiner Nähe haben. Warnt Blutaxt. Sie ist nicht für ihn. Noch nicht." Er kann sie haben, wenn sie tot ist. "Schickt ihn zu mir und versammelt dann die Männer in der Honigwabe. Sie sollen sich bereit machen und in einer Stunde von jetzt an aufbrechen, sie kennen ihre Befehle. Verdoppelt die Wachen in den Nordtunneln und schickt zusätzliche Patrouillen in Richtung Unterstadt aus."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 15. Dez. 2004, 13:09 Uhr
Im Zellentrakt der Tunnel

Er kann nicht genau erkennen, was das Mädel eigentlich mit dem Schloß anstellt, so sehr er ihr auch auf die Finger sieht, aber es hält ihr und ihrer verbogenen Haarnadel keine fünf Minuten stand. >Da. Offen,< verkündet sie schließlich, stolz wie ein Kind, das weiß, es hat seine Aufgabe gut gemacht - und das ist ansteckend. In Caewlins Mundwinkeln liegt eindeutig ein Grinsen, als er jetzt auf sie hinuntersieht. "Gut gemacht, Rotzgör," als er sie jetzt so nennt, klingt es alles andere als abfällig, sondern voll leiser Anerkennung. Dann drückt er vorsichtig gegen die Tür und sie schwingt - den Göttern sei Dank lautlos - auf. Allerdings finden sie in der Zelle keinen Jungen vor, sondern ein schmutziges, übel zugerichtetes Mädchen in völlig zerfetztem Gewand, das erst panisch in die plötzliche Helligkeit blinzelt und dann bei ihrem Anblick hastig in die hinterste Ecke krabbelt. Caewlin muß kein Hellseher sein, um zu sehen, daß sie geprügelt und geschändet wurde, und außerdem ist ihr Gesicht völlig blutverkrustet - wäre es das nicht und hätte er sie bei Licht gesehen, hätte er in ihr gleich das Botenmädchen vom letzten Frühling erkannt, das ihm und Calyra die Einladung zur Hochzeit des Lord Commanders überbracht hatte, aber so nicht.  Bei ihrem leisen Schrei bleibt ihm allerdings fast das Herz stehen und er ist mit einem Satz bei ihr und presst ihr die Linke auf den Mund. "Sei still, Mädel. Wir holen dich hier raus, aber bei allen Neun Höllen, halt den Mund! Du hetzt uns die Wachen auf den Hals. Ich tue dir nichts."

Sie zappelt und windet sich wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber Caewlin hält sie fest und blickt in ihre weit aufgerissenen Augen, das einzig helle in ihrem verschmierten Gesicht, bis sie ruhiger wird. "Ich tue dir nichts. Ich nehme meine Hand jetzt weg, aber versprich mir, daß du leise bist." Sie zögert einen Moment, aber dann nickt sie doch und er nimmt die Finger von ihrem Mund. Caewlin nimmt den Blick nicht von ihrem Gesicht, als er über seine Schulter flüstert: "Mädel, komm her, sie hat Handketten an. Kriegst du das Schloß auch auf?" Das Mädchen nähert sich langsam, aber sie hat ihre Haarnadel schon wieder in der Hand, als sie sich niederbeugt, um sich an den Ketten zu schaffen zu machen. Es dauert länger, als bei dem Türschloß, aber schließlich schnappen die Eisenschellen mit leisem Klacken auf. Caewlin brennt die Zeit unter den Nägeln - jeden Moment könnte eine der Wachen auftauchen und sie wären hier im Zellentrakt in einen Kampf mit allein die Hölle weiß wievielen den Kanalratten verwickelt. Er hat zwar seit dem Morgen - wie lange ist das her? - nichts mehr gegessen, aber er fühlt sich allmählich, als wären die warmen Rosinenlaibchen allesamt großzügig mit Polsternägeln gespickt gewesen. "Raus hier. Der Junge muß nebenan sein, ist die einzige noch verschlossene Tür," zischt er, dann wendet er sich wieder an das verletzte Mädchen, das sich zitternd die von den Eisen wundgescheuerten Handgelenke reibt. Sie sieht erbärmlich aus und ihr Zustand ist es ebenso. "Wir können dir helfen, wir haben zu Essen, Wasser und einen Heiler bei uns, aber jetzt müssen wir zuerst hier verschwinden. Kannst du laufen?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 15. Dez. 2004, 13:13 Uhr
Im Zellentrakt


Während das Mädel und der Sturmlord sich an den Zellentüren zu schaffen machen, eilt Borgil Phelan nach, der an der Tunnelkehre oben Schmiere steht, und lugt vorsichtig an dessen Arm vorbei um die Ecke. Der Gang, der dort weiterführt, liegt leer und nur von Fackelschein erfüllt vor ihnen, aber ein Stück weiter hinten, vielleicht fünfzehn Schritt entfernt, klafft in seiner linken Wand ein ziemlich großes Loch - und aus diesem Loch ist Stimmengewirr und Feuerprasseln zu vernehmen - und ab und an die Bewegungen mehrerer Kanalratten. Borgil kann unmöglich sagen, wie viele es sind und zieht den Kopf zurück. Im Gang hinter ihnen rückt das Mädel derweil dem Schloß der einen Zellentür zu Leibe und Caewlin hatte den Hund an die Ölhaut zurückgeschickt, wo Akira schwarz in schwarzen Schatten Wache hält. Himmelgötternochmal, was ist das eigentlich für ein marodes Unterfangen!

Niemand von ihnen kann sagen, wieviele Männer Whytfisk hat, und sie haben erst drei davon erledigt - und den Geräuschen nach zu Urteilen, die leise zu ihnen herabwehen, sitzen dort in dieser Felsenhöhle oder Seitenkammer oder was immer das da drüben im Gang ist, zwischen sechs und einem Dutzend weiterer. Sechs wär gut. Ein Dutzend wär noch besser, da bleibt bei diesem verflixten Bogenschützen mit den lockeren Fingern mehr für mich. Borgil späht noch einmal um die Ecke und Phelan neben ihm ist so ruhig und still, als wäre der Waldläufer selbst aus Stein, dann wirft er wieder einen Blick hinter sich. Zellentür Nummer Eins ist offen, von dem Rotzgör und Caewlin ist nichts mehr zu sehen, dafür ist das drängende Flüstern des Sturmenders zu hören. Beeilt euch mal dahinten! Von denen da oben kann jederzeit einer zum Pissen gehen oder auf die Idee kommen, nach den Gefangenen zu sehen.

Halb ist er enttäuscht, daß alles so ruhig bleibt, halb ist er erleichtert - ein offener Kampf mit vielen Kanalratten ist eine andere Sache, als herumschleichende Wachen aus dem Weg zu räumen... obwohl Borgil einer deftigen Prügelei alles andere als abgeneigt wäre. Er weiß aber genauso gut, daß das endgültig Alarm schlagen und diesen Whytfisk wissen lassen würde, daß sie hier sind. Und er ist bestimmt nicht entzückt, wenn wir ihm seine Gefangenen vor der Nase wegschnappen. Borgil verrenkt sich fast den Hals, um alles sehen zu können: flackernder Fackelschein, tiefe Schatten - immer noch ist alles still. Aber irgendwas sagt mir, daß das nicht mehr lang so bleiben wird. "Könnt Ihr was erkennen, Phelan?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 15. Dez. 2004, 15:42 Uhr
Sosehr sie sich auch wehrt, gegen die Kraft des Mannes hat sie keine Chance. In ihrer Panik regestriert sie zuerst nicht, was er sagt Nein, loslassen, nicht anfassen! ist alles, was sie denken kann. Erst langsam dringen seine Worte zu ihr durch >Sei still, Mädel. Wir holen dich hier raus, aber bei allen Neun Höllen, halt den Mund! Du hetzt uns die Wachen auf den Hals. Ich tue dir nichts.< Immernoch voll Angst sieht sie ihn an, nickt aber, als er ihr das Versprechen abimmt, nicht zu schreien. Irgendwoher kommt er ihr bekannt vor, doch sie kann nicht sagen woher und irgendwie ist es ihr egal. Mit einem Mal ist ein Mädchen an ihrer Seite, nesselt an den Ketten herum und mit leisem Klicken gehen diese auf. Vorsichtig reibt sie sich die Handgelenke.  Der Junge? "Wenn Ihr Jen meint, der ist nebenan. Ich...er...wir haben geredet, weiß nicht mehr wie lang her!" Ihre Stimme ist leise, zittrig, wie ihre Knie als sie sich langsam hoch rappelt und für einen Moment an der Wand lehnt, zusammengekrümmt. Zum einen, um den Lumpen von einem Hemd so gut wie möglich um den Körper zu drapieren, zum anderen aber auch, weil ihr alles weh tut. Wie lange sie wohl hier gesessen war? Sie weiß es nicht, auf jeden Fall lang genug um zu bewirken, dass sich die gesamte Zelle vor ihr dreht. Scharf zieht Aurian die Luft ein und schließt für einen Moment die Augen. > Kannst du gehen?"< Die Stimme reisst sie aus den Gedanken und lässt sie die Augen öffnen. Sie nickt und folgt den beiden aus der Zelle, wobei sie schwankt, als hätte sie zuviel Met getrunken. Als sie auf den Gang hinaustritt macht sich das Mädchen bereits an der Tür nebenan zu schaffen, während der große Mann nervös den Gang hinunterblickt, immer in der Erwartung, Gesellschaft zu bekommen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 15. Dez. 2004, 18:36 Uhr
Von den vier Abenteurern vor Aurians Tür bekommt Tiuri nichts mit. Er hätte sich darauf konzentrieren müssen etwas zu hören, aber das kann er nicht mehr. Wenn er nicht gerade eine Panikattacke durchsteht, nimmt ihm das Fieber die Kraft und lässt ihn einfach still dasitzen, von häufigem Zittern und Husten gebeutelt. Aber Aurians Aufschrei bekommt er sehr wohl mit, vielleicht weil er während der Zeit hier gelernt hat, unbewusst auf jedes noch so kleine Geräusch aus der Nebenzelle zu achten. Hat er nicht auch eine Türe aufgehen hören, Schritte? Er weiß es nicht, kann die Gedanken nicht gut genug sammeln und so rasen sie in seinem schmerzenden Kopf und es ist beinahe der gleiche Augenblick in dem er aufspringt, voller Angst, dass Blutaxt zurück in die Zelle der jungen Frau gekommen ist. Diese plötzliche Kraftanstrengung wollen seine Beine nun aber überhaupt nicht mitmachen und ohne Übergang zwischen Aufspringen, Stehen und Niederfallen sinkt er mit den Knien auch schon zu Boden und stützt sich unbewusst mit den Händen auf. Seine gebrochenen Finger rebellieren und der Schmerz fährt ihm bis in die Schulter. Tiuri presst die Lippen aufeinander um nicht  zu schreien, etwas, das er seit einem Jahr nicht mehr getan hat. Schmerzen können ertragen werden, wenn man es nur will und ein Stück seines Willens ist darauf fixiert, auch wenn der Rest nur noch irgendwo unter Fieber und Panik schlummert.
„Aurian, Aurian!“ Tiuri will schreien, Lärm und auf sich aufmerksam machen, einfach nur irgendetwas, dass Blutaxt von Aurian weg holt. Soll er doch kommen und ihn zu Brei schlagen, seine ganze Wut an ihm aus lassen, aber Aurian soll er verschonen. Aber so sehr der Junge auch schreien will, aus seinem Mund kommt nichts anderes als heiseres Krächzen, das man unter keinen Umständen in der Nachbarzelle hören kann. Auch ein zweiter Versuch bringt nichts und so hört Tiuri in die Dunkelheit hinein ob sich irgendetwas auf der anderen Seite tut, aber es bleibt still.
Geht er, bleibt er, hat er sie erschlagen?
Der Junge zieht sich zurück an seine Wand, tastet dabei vorsichtig den Boden ab. Seinen kleinen Rattenfreund steckt er sich in die Tasche, wo dieser sich zusammenrollt und einfach keinen Grund findet zu protestieren. Den Becher hebt er ebenfalls auf und so wartet er und hofft, dass Blutaxt auch hier hinein kommen würde, oder wenigstens der Dicke, denn auch wenn er weiß, dass er selbst ohne Ketten in seinem Zustand und ohne seinen Dolch keine Chance gegen einen der beiden hätte, noch immer kann er treten, beißen und werfen und er möchte diesen dreckigen Kanalratten einfach Schmerz zufügen.
Bis jedoch etwas passiert könnte eine Ewigkeit vergangen sein, Zeit spielt schon längst keine Bedeutung mehr. Als sich die Türe dann doch öffnet bemerkt Tiuri wie verschwommen er sieht und es ist nur der Größe der Gestalt in der Tür zu verdanken, dass er mit einem schwachen Wurf des Bechers auch trifft. Der Becher prallt einfach an dem Mann ab und Tiuri stellt langsam fest, dass das nicht der Dicke sein kann. Einer der größten der Kanalratten ist Blutaxt, aber dass er wirklich so groß ist bringt Tiuri beinahe, selbst in dieser Situation, zum Staunen. Krächzend und äußerst leise sind die ganzen Flüche die der Junge nun beginnt gegen die Kanalratten auszuschütten, immer wieder von Husten und Zittern unterbrochen, ehe ihm noch eine zweite Gestalt auffällt und während er nachdenkt was an ihr anders ist, hört er nicht einmal auf vor sich hin zu flüstern.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 15. Dez. 2004, 19:02 Uhr
<Raus hier. Der Junge muß nebenan sein, ist die einzige noch verschlossene Tür.>

Bei den ersten Worten zuckt Faraday zusammen. Heißer Zorn steigt in ihr auf, den auch seine offensichtliche Anerkennung wegen des geöffneten Schlosses nicht wett macht. Deine Anerkennung brauche ich nicht. Und deine Befehle gleich noch weniger. Albernerweise ist sie versucht ihm die Zunge herauszustrecken. Gesehen hätte er es wohl ohnehin nicht, denn er kümmert sich bereits um die schmutzige Frau dort am Boden in der Ecke, aber Faraday hat nun viel Wichtigeres zu tun, denn Jen ist zum Greifen nahe.

Ohne einen einzigen Laut mit ihren Schritten zu verursachen verlässt sie die Zelle und wendet sich der nächsten Tür zu. Bei der nächsten Gelegenheit würde sie zu fliehen versuchen, so viel steht fest. Denn was würden sie mit ihr anstellen, wenn diese Sache hier erst vorbei wäre? Sollten sie sich doch gegenseitig die Schädel einschlagen - das hier ist nicht ihr Kampf. Und auch nicht Jen's. Langsam verraucht die Wut, aber ein bitterer Nachgeschmack bleibt zurück. Sie sieht am anderen Ende des Ganges den Zwerg und den Heiler stehen. Was für ein Heiler bist du, der anderen ohne mit der Wimper zu zucken den Hals durchschneidet? Auf einmal ist da nur noch Verachtung für diese Leute, die sogar stärker ist als die vorherige Angst.

Das Schloss der zweiten Türe ist ebenso beschaffen wie das der ersten. Kurz drückt sie das Ohr gegen das massive Holz und lauscht angestrengt, während deutliche Stimmen, heiseres Gelächter und zotige Scherze von weiter hinten ihr dieses Vorhaben schwer machen. Drinnen ist es still, aber Faraday glaubt ein schwaches Husten zu hören. "Jen, Jen! Ich bin da, ich bin gleich da." Ihre eigene Stimme klingt heiser und ist nicht mehr als ein Flüstern, doch sie erscheint ihr wie das einzig Reale an diesem dunklen Ort. Faraday bemerkt wie ihre Hände unvermittelt zu zittern beginnen, so sehr, dass ihr die Haarnadel herunterfällt. Mit fliegenden Fingern fährt sie über den dreckigen Boden und findet das kleine Stück Metall auch sogal. Die Haarnadel ist schnell zurechtgebogen. Rein, drehen, klapp!. Sie hält die Luft an, denn sie hat keine Ahnung, was sie dort drin erwartet. Vielleicht hab'n sie ihn erstochen oder totgeschlagen...

Der beißende Geruch von Angst, Krankheit und Exkrementen fliegt ihr entgegen, doch das alles hat keine Wichtigkeit. Denn an der Wand sitzt eine dürre, zusammengesunkene Gestalt - die einen Becher nach dem Nordlord hinter ihr im Gang wirft, der ihn auch trifft, von ihm abprallt und den sie im letzten Moment auffangen kann, ehe er polternd zu Boden schlägt. Völlig perplex starrt sie nach vorne. Er ist es tatsächlich. Schmutzig, verwundet zwar, aber er lebt. Er lebt! "Jen!" Dann ist sie mit kaum zwei Schritten bei ihm, sinkt vor ihm auf die Knie, aber wagt nicht ihn anzufassen. "Du lebst, du lebst wirklich noch! Oh Jen!" Die zuvor mühsam zurückgehaltenen Tränen beginnen nun zu fließen. "Ich hab' geglaubt, dass ich.. dass du.. wir sind da und wir holen dich hier raus." seine Augen sind glasig, sein Haar strähnig und verklebt und seine Hände liegen in Ketten. "Gib mir deine Hände. Ich mach' das auf." Behutsam greift Faraday danach. Ihr Blick streift seine verbogenen Finger und der Magen krümmt sich ihr zusammen. "Gleich sind sie offen, wart ab." Rein, drehen, klapp. Und dann sind seine Hände frei.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 15. Dez. 2004, 19:13 Uhr

In Whytfisks Gemach


Whytfisk ist so schnell bei ihr, dass Raven nicht einmal mehr Zeit zum Blinzeln bleibt. Seine Arme schießen aus den Tiefen seines Lumpenmantels auf sie zu wie zwei bleiche, sich windende Schlangen, die Hände mit den langen Nägeln gekrümmt wie ihre aufgerissenen, giftzahnbewehrten Mäuler. Die knochigen Finger klammern sich um ihren Hals und drücken brutal zu. Keuchend reißt sie die Arme hoch und zerrt an seinen Handgelenken, versucht ihn abzuwehren und seine Finger wegzubiegen, doch seine Daumen drücken erbarmungslos ihre Kehle zusammen, während seine hässliche Fratze keine halbe Handbreit mehr von ihrem Gesicht entfernt ist. In seinen farblosen Augen flackern die Schatten eines Irrsinns, der nackte Panik in ihr aufsteigen lässt. Ihre Gegenwehr wird immer verzweifelter und sie schnappt hektisch nach Luft, während seine Finger sich unerbittlich immer fester um ihren Hals schließen. Unter seinen Armen, die gegen ihren Brustkorb drücken, ertönt ein hässliches Knacken, als würde ein dürrer Zweig brechen und im gleichen Augenblick rast eine Welle des Schmerzes durch ihre Schulter und die Rippenbögen und ihre Linke löst sich von seinem Handgelenk und baumelt mit einem Mal so kraftlos herab, als hätte man einer Marionette die Fäden durchtrennt. Aber Whytfisk lässt nicht von ihr ab, sondern verstärkt nur noch den Druck und sie kann spüren, wie der Knochen unter seinem Gewicht nun vollends bricht und sich nach innen bohrt.

Sie will schreien, aber aus ihrer zusammengequetschten Kehle dringt nicht mehr als ein dünner, wimmernder Laut. Kalter Schweiß rinnt über ihre Schläfen. Der brüllende Schmerz, der wie loderndes Feuer durch den Arm und den Brustkorb bis hinauf in ihre Kiefer schießt, raubt ihr fast die Besinnung. Doch Whytfisk lässt sie nicht los, sondern schüttelt sie so heftig, dass sie glaubt, ihr Kopf würde vom Rückgrat brechen. Bei jeder Bewegung verstärkt sich der Schmerz schier ins Unermessliche, bis nur noch gleißende Sterne vor ihren Augen tanzen und die restliche Welt in Schwärze zu versinken droht. Sie hat keine Kraft mehr und keine Luft und das beklemmende Gefühl in ihrer Brust droht sie zu ersticken. In letzter Verzweiflung macht sie einen neuerlichen Versuch, sich von ihm loszureißen und wirft sich nach hinten - und in diesem Augenblick nimmt er abrupt die Hände von ihrem Hals.

Keuchend und wild nach Luft schnappend taumelt sie rückwärts, stolpert, versucht sich zu fangen, doch die Beine knicken ihr kraftlos weg und sie prallt im Fallen gegen Rorge, der hastig einen Schritt nach hinten macht und sie vollends zu Boden gehen lässt. Instinktiv will sie mit den Armen und Händen den Sturz abfangen, doch ihre Linke gehorcht ihr nicht und als sie auf die kalten Steine und die verletzte Schulter stürzt, hat sie das Gefühl, ihr Körper würde in zwei Hälften gerissen. Whytfisks Knochengesicht schwebt über ihr und in panischer Angst schiebt sie sich kriechend rückwärts, während die Schmerzen in ihrer linken Seite zu einem ohrenbetäubend schrillen Kreischen anschwellen und seine Worte ihr Herz einen Schlag aussetzen lassen. >Rorge, laß die Eisen bringen!<

Ihr Haar ist nass von Schweiß und ihre dunklen Augen wirken riesig in dem kalkweißen, schmerzverzerrtem Gesicht, als Rorge sie grob am Halssaum ihres Wamses packt und wieder auf die Füße stellt. "Nicht.... nicht die Eisen..." Aber ihre flehende Stimme geht in ihrem eigenen Keuchen und Husten und in dröhnenden Schmerzen unter. Keine Eisen, nie wieder, bitte... ich werde alles ertragen, aber legt mir nicht die Ketten an... Verzweifelt versucht sie sich von Rorge loszumachen und sich zappelnd aus seinem eisernen Griff zu winden, doch ihre Tritte und kraftlosen Schläge lassen ihn völlig unbeeindruckt und sie könnte genauso gut gegen Windmühlen ankämpfen. Sie kann nichts weiter tun, als ohnmächtig zitternd zuzusehen, wie sich die schweren Eisenschellen um ihre Handgelenke schließen. Whytfisks Befehle, die er mit scharfer Stimme seinen Wachleuten erteilt, nimmt sie kaum noch wahr, als Rorge sie hinter sich her aus dem Gemach seines Herrn zerrt. Seine mächtige Faust liegt fest geschlossen und unverrückbar um das schwere, ellenlange Stück Eisenkette zwischen ihren Händen.

Sie haben nicht weit zu gehen, lediglich den steinernen, spärlich von Pechfackeln erleuchteten  Tunnel entlang und um eine enge Kehre, bis sie die Felsenkammer erreichen, die Whytfisk ihm genannt hat, und doch scheint Raven der Weg tausendmal schlimmer als jeder Spießrutenlauf. Das Gesicht verzerrt vor Schmerzen und vor Angst stolpert sie hinter dem Wächter her, darauf bedacht, mit ihm Schritt zu halten, denn jeder Zug seiner Faust an der Kette lässt die Schmerzen nahezu unerträglich werden. Wie ein Stück Vieh zur Schlachtbank schleift er sie hinter sich her, während die Kanalratten, die sich in dem kurzen Gang aufhalten, sie mit Hohn und Spott und obszönen Rufen überschütten und schmierige Finger nach ihr greifen, die sie verzweifelt abzuwehren versucht, bis sie schließlich eine mächtige, altersdunkle Holztür mit schweren Eisenbeschlägen erreichen, vor der Rorge stehen bleibt. Er öffnet sie und leuchtet kurz mit der Fackel hinein und Raven bleibt ein einziger Blick auf nackte, feuchte Felswände, die mit einem grünlichen Belag überzogen sind, und einen Haufen vergammelten Strohs in einer Ecke, bevor er sie hineinstößt und abgrundtiefe Dunkelheit sich um sie schließt, als die Tür hinter ihr ins Schloss fällt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 15. Dez. 2004, 19:36 Uhr
Die Worte, sein Name, dass es nicht sein wirklicher Name ist spielt in dem Moment keine Rolle, diese Stimme, ihre Stimme, lassen ihn für einen Moment die Augen schließen und aufhören mit Fluchen. Was ist das für ein Spiel, ist das echt? Ist sie wirklich da? Sie ist gekommen und holt mich hier raus! Kurz flackert ein schwaches Lächeln über sein Gesicht als sie sich dann vor ihm nieder lässt und im Gegenlicht sieht er kaum das sie weint, aber hört die Veränderung in ihrem Atem. Er hebt die Hände, will ihr die Tränen von den Wangen wischen, möchte ihr tröstende Worte sagen, aber nichts kommt aus seiner Kehle und sie nimmt seine Hände um die Eisen zu öffnen. Tiuri hat seine Hände auf ihrem Schoß gebettet während sie mit schnellen und geschickten Bewegungen und einer Haarnadel das Schloss öffnet. Tiuri hört zwar das leise Klicken in den Eisen, aber er starrt einfach nur Faraday ins Gesicht. Obwohl sie selbst dreckig ist und ihr Haar etwas wirr vom Kopf absteht, hat er das Gefühl in all dem Dreck und der Dunkelheit, nie etwas schöneres gesehen zu haben.
Die Serahim müssen so aussehen! Hin und wieder kneift er die Augen ein wenig zusammen, weil sie vor seinem Blick verschwimmt, der Junge sich diesen Anblick aber jetzt einfach nicht nehmen lassen will. Als seine recht Hand endlich frei ist, hebt er sie an und fährt ihr damit über die Wange, streicht die Träne weg und wundert sich wie kühl sich ihre Haut unter seinen Fingern anfühlt und möchte die Hand am liebsten nie wieder weg nehmen, aber sie mahnt ihn aufzustehen und zu fliehen, so dass Tiuri langsam klar wird, dass der Bleiche ihn und Faraday nicht gehen lasst, sondern, dass das Mädchen hier mit ihm einen Fluchtversuch startet. Das Aufstehen fällt ihm schwer, das Stehenbleiben aber noch schwerer. Er schwankt und seine Knie geben bei jedem Schritt ein Stück mehr nach. Die kleine Zelle wirkt plötzlich riesig und die Türe unendlich weit entfernt und der Gedanke, dass nach der Zelle das endloslange Kanalsystem folgt und er sich nicht ausruhen kann, scheint ihm beinahe unerträglich. Unter einem Husten gibt ihm schon ein Knie nach und er krümmt sich unter den Schmerzen in Brust und Rücken.
Sie ist bis hier her gekommen und holt dich raus, das ist nicht umsonst, beweg dich elender Idiot, du musst das schaffen, für Faraday.
Mit mühe streckt er das Bein wieder durch und geht dann im Gegensatz zu vorher beinahe schon stetig aus der Zelle, seine rechte Hand auf Faradays Schulter. Am Türrahmen macht er halt und klammert sich mit beiden Händen, links an den Türstock, rechts an die Tür und lässt im gleichen Moment schon wieder mit der linken Hand los, der Schmerz löst den Zorn in ihm wieder aus, ändert aber nichts daran, dass die Türe keinen festen Halt bietet, schwankt und er wieder einmal zu Boden geht. Langsam fragt er sich wie lange er gesessen ist ohne sich zu bewegen und greift wieder nach der Türe um Halt zu finden.
Steh auf! STEH AUF!
Mühsam kämpft er sich wieder hoch und sein Blick fällt dann auf Aurian und einen Riesen von einem Mann, bei dem der Junge, der eigentlich nicht klein ist, selbst wenn er gerade gestanden wäre, den Kopf in den Nacken legen muss um ihm ins Gesicht zu schauen. Bei dem Fremden ist Aurian und als er sie sieht zuckt wieder das Bild vor seinem inneren Auge auf.
Nicht jetzt, später, wenn die Götter es wollen hast du Zeit!
Trotzdem kommt er nicht umhin, die Frau vor sich mit dem Bild in seinem Kopf zu vergleichen und kommt zu dem Schluss, dass sie anders aussieht. Wäre er klar im Kopf gewesen, hätte Tiuri erkennen können, dass es Dreck und die Zeit in der Zelle ist die sie anders aussehen lässt und vor allem der neue Blick in ihren Augen, in denen noch ein Schatten liegt von dem was man ihr angetan hat und eine völlig neue Scheu und Furcht.
„Ich hab dir gesagt, sie kommt!“ Tiuris Worte werden nur einmal von einem Husten unterbrochen, aber seine Stimme ist so rau und leise, dass er sich nicht sicher ist ob Aurian ihn verstehen kann. Er steht jetzt an die Wand gelehnt, weil er sich ohne Stütze kaum auf den Beinen halten kann und er trotz der etwas kargen letzten Zeit zu schwer ist für Faraday.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 15. Dez. 2004, 19:40 Uhr
( zeitlich ehe Tiuri und Faraday die Zelle verlassen :rolleyez: )

"Nein, ich sehe genauso viel wie Ihr, Borgil." Nur vielleicht von etwas weiter oben. Phelan verzieht keine Miene und wendet den Blick nicht von seinem Ziel ab. Er kann überdeutlich verstehen, was dort hinten gesprochen wird, was und wie sie über ein Mädchen reden, das in einer der Zellen liegen muß, wahrscheinlich in der, die Caewlin und das Mädchen gerade geöffnet haben. Zwei Zellen verschlossen, alle anderen offen oder gänzlich ohne Tür. Oft haben sie nicht Besuch hier unten. Und das ist gut so. Phelan konzentriert sich darauf die Stimmen zu unterscheiden, zählt zwei, drei, vier, fünf oder vielleicht mehr Männer, aber auf keinen Fall wesentlich mehr. Es sei denn sie haben ihnen die Zunge herausgeschnitten oder sie sind zu besoffen um zu sprechen. "Ich frage mich, ob der Raum dort hinten nur diesen Zugang hat oder einen weiteren. Wir müssen vermeiden, dass einer von ihnen Alarm schlägt. Denn das werden sie, sobald sie merken, dass jemand hier ist. Und ich frage mich, warum sie es nicht schon längst wissen. Sitzen da, als hätten sie zu feiern und..." Phelan beißt sich auf die Zunge. Denn sie haben etwas zu feiern. Es bringt nichts, wenn sie sich hier weiter die Beine in den Bauch stünden. Wer auch immer in den Zellen ist, er würde verletzt sein, oder tot. Oder beides. "Schafft Ihr es hier stehenzubleiben ohne zu versuchen den Kanalratten die Schädel einzuschlagen? Ich möchte sehen, wen sie dort gefunden haben. Sie werden Hilfe benötigen." Langsam lässt er den Bogen sinken und steckt auch den Pfeil wieder in den Köcher. Im Moment kann er ihn nicht gebrauchen. Dann schleicht er ebenso still zurück wie er vorher gekommen war.

Beide Türen sind geöffnet und im Gang steht die beeindruckende Gestalt von Caewlin und daneben eine Frau oder ein Mädchen, die neben ihm wirkt wie ein kleines Kind. Verdammt, ich kenne sie... Tausend Gedanken und Situationen rasen Phelan durch den Kopf und halten inne, als sie das Sommerfest erreichen, während er auf die beiden zugeht. Unter all dem Schmutz und ihren Verletzungen ist Phelan sicher, dass sie bei dem Lord Commander und seiner Frau gestanden hatte. Ja, sie hatte sogar Morganas Sohn auf dem Arm gehalten, aber ihr Name will ihm nicht einfallen. Vielleicht hatte ihn auch niemand erwähnt. "Sie hier? Aber warum?" Die junge Frau schwankt, als hätte sie niemals gelernt zu stehen, voller Schwäche, die Phelan beinahe körperlich spüren kann. Und ihre Wunden... Er will sich nicht vorstellen, was sie mit ihr gemacht haben, aber es ist klar, dass sie getan hatten, was Männer, die nichts mehr zu verlieren haben, eben mit einer Frau tun. Und Schlimmeres. "Wir müssen sie hier wegbringen. Die da hinten werden bald merken, dass ihre Freunde nicht zurückgekehrt sind. Oder sie werden kommen um..." Der Satz hängt unvollendet im Raum, aber es ist auch so nicht nötig weiterzusprechen. Die Frau wirkt ohnehin, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. "Und wer ist dort drin? Haben wir endlich diesen ominösen Jungen gefunden?" Warum ist Raven nicht hier? Müßte sie nicht hier sein? Oder hat dieser Whytfisk einen passenderen Kerker für sie gefunden?

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 15. Dez. 2004, 20:50 Uhr
 etwa eine Stunde vor Eintreffen des Rettungstrupps

Der Feuerschein flackert über Blutaxt Gesicht und lässt das Grinsen , dass noch immer auf seinem Gesicht liegt, zu einer Fratze werden. Seine Hand hat wieder angefangen zu pochen, aber nicht so schmerzhaft wie vorher und er ignoriert den Schmerz, zumal seine Gedanken dabei sind sich alle möglichen Grausamkeiten aus zu denken, die er mit der  vermaledeiten Diebin und der kleinen Hure anstellen würde, ehe sie die pupurnen Flüsse überqueren würden. Noron reisst ihn aus den Gedanken, und für einen Moment blinzelt Blutaxt ihn mit funkelnden Augen an, weil er ihn in seinen Träumereien gestört hat. Als Noron aber sagt Whytfisk verlange nach ihm, und ihm Whytfisks Befehle übermittelt, steht Blutaxt eilfertig auf.

Lass sie noch bei ihm sein, ich will sie sehen, mich an ihrer Angst weiden, wenn sie mich erkennt und sie in meinem Gesicht lesen kann, was ihr bevorsteht. Unvorsichtiger Weise stützt er sich beim Aufstehen auf die verbrannte Hand und flucht laut, was Noron kurz zusammen schrecken lässt. Blutaxt nimmt noch einen Schluck Rum aus der fast leeren Flasche und macht sich dann auf den Weg durch die Gänge Zu Whytfisk Gemächern. Die Kanalratten strömen der Honigwabe zu und Blutaxt Blut rauscht in seinen Adern. Bald ist es so weit, ich kann es spüren, jeder Hund hat seinen Tag und unserer ist heute gekommen, ja er ist da! Er biegt gerade um die Ecke in den Gang zu Whytfisks Gemächern, als er sieht wie sie Raven in Ketten gelegt abführen, es kribbelt ihm in seinen Fingern, und am liebsten würde er sofort losstürmen und seine eigene Rache vollenden, aber Noron hatte ihn gewarnt, der Meister wolle nicht, dass er auch nur einen Finger an Raven legt. Seine Zähne knirschen übereinander und im Fackelschein kann man die Gesichstmuskeln in Blutaxt Gesicht arbeiten sehen, seine Hände öffnen und schliessen sich, was seine Hand schmerzen lässt, Blutaxt davon aber nichts registriert, zu sehr sind seine Gedanken auf Raven konzentriert. Er holt einmal tief Luft und wirft einen letzten Blick auf den Rücken von Raven, die dann seinem Blick entzogen wird.

Vor Whytfisk Gemächern bleibt er kurz stehen und sieht auf seine verbrannte Hand, der Meister würde sicher nicht begeistert sein, dass er seine rechte Hand nicht würde richtig gebrauchen können, aber auch mit seiner Linken war er ein gefährlicher Gegener und noch unberechenbarer als mit der sicheren Rechten. Er reckt sich zu seiner vollen Grösse auf und füllt damit den Gang bis zur Decke fast aus, er räuspert sich kurz und zieht dann die Ölhaut zur Seite. Hoch aufgerichtet aber mit gesenktem Blick betritt er den Raum und schliesst die Tür hinter sich. Vor Whytfisk Tisch bleibt er stehen und er kann die Angst noch riechen , die Raven hier verströmt hat  -ein süsser, schwerer Geruch - der seine Nerven zum vibrieren bringt. Schliesslich blickt er auf und sieht Whytfisk ins Gesicht. "Ihr habt mich rufen lassen, Meister."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 15. Dez. 2004, 21:52 Uhr
Im Zellentrakt


>Wenn Ihr Jen meint, der ist nebenan. Ich...er...wir haben geredet, weiß nicht mehr wie lang her.< Das Rotzgör nickt erleichtert und ist sofort wieder auf den Beinen und auch Caewlin erhebt sich, eine Hand ausgestreckt, während das Mädchen langsam aufsteht, bereit, jederzeit zuzupacken, sollte sie straucheln. In dem von Fackeln erhellten Gang zwischen den Zellen vergewissert sich Caewlin rasch, daß sowohl an dessen oberen Ende bei Borgil und Phelan, als auch unten an dem Durchgang mit der Ölhaut bei Akira alles ruhig ist. Das Rotzgör kümmert sich schon mit fliegenden Fingern um das zweite Türschloß und das befreite Mädchen neben ihm zittert in ihrem zerrissenen Hemd wie Espenlaub. Von ihrem Rock ist nicht mehr genug übrig, das den Namen Kleidungsstück verdient hätte. Caewlin läßt zerrt aus seinem Gepäck eines seiner Ersatzhemden und reicht es ihr. Das Mädel ist kaum größer als Cal - sie würde die Ärmel ein gehöriges Stück zurückkrempeln müssen, aber es würde ihr auch mindestens bis an die Knie reichen. "Hier," flüstert er, "zieh das üb... was, du?" Sie hat ihm ihr Gesicht zugewandt und er erkennt im Fackellicht das Botenmädchen von der Steinfaust, das im Sommer am Seehaus gewesen war. Noch bevor er weitere Fragen stellen kann, klackt das Schloß der zweiten Zelle auf.

Er blickt zu dem Rotzgör, sieht wieder zu... wie war ihr Name? Auris... Auren.. Aurian! und beschwört sie mit den Augen, jetzt im Hintergrund zu bleiben und still zu sein, während er sich fragt, wie bei allen neun Höllen ein Botenmädel der Steinfaust hier herunter in die Gewalt der Kanalratten kommt und warum sie sie - offensichtlich - länger als Gefangene behalten, und ihr nicht gleich die Kehle durchgeschnitten hatten. Er hat noch keinen Schritt in Richtung der sperrangelweit offenstehenden Tür getan und steht hinter dem Rotzgör, als ein Becher aus der Dunkelheit angeflogen kommt, haarscharf über die Schulter des Mädchens vor ihm hinwegfliegt und mit einem leisen "Pling!" an seinem Kettenhemd abprallt. Das Mädel fängt ihn geistesgegenwärtig auf und erwischt ihn gerade noch, bevor er mit einem Scheppern zu Boden gegangen wäre, das ihnen augenblicklich sämtliche Kanalratten in Hörweite auf den Hals gehetzt hätte. Caewlin starrt böse in die Finsternis vor ihm und einen Moment ist er versucht, die Tür einfach wieder zuzumachen - aber das Mädel ist schneller und verschwindet in der Zelle. Er läßt sie gehen und wendet sich mit einem unterdrückten Knurren ab - soll sie ruhig mit dem unbekannten Becherwerfer Wiedersehen feiern und ihn da allein herausholen. Er hat seinen Teil der Abmachung erfüllt, sie hat ihren Jen wieder. Und wir sind gleich alle tot, wenn wir hier noch länger herumstehen...

Phelan verläßt seinen Posten, kommt zu ihnen und es erweist sich, daß auch der Waldläufer Aurian zu kennen scheint, doch sie haben jetzt alle keine Zeit, "Roha ist ein Dorf" zu spielen und der Halbelb weiß das. >Wir müssen sie hier wegbringen. Die da hinten werden bald merken, dass ihre Freunde nicht zurückgekehrt sind. Oder sie werden kommen um...< "Allerdings," Caewlin nickt. "Abgesehen davon brauchen wir alle einen Ort, wo wir rasten können. Wir müssen essen und ihre Wunden versorgen. Wieviele Kanalratten sind da oben ungefähr?"  Phelan murmelt etwas von "Fünf sicher, vielleicht auch mehr" und Caewlin nickt verstehend.  "Ja... scheint so," erwidert er auf die Frage des Waldläufers nach dem Jungen und aus seiner nachdenklichen Miene wird ein düsteres Grinsen. "Niedliches Kerlchen, wirft mit Bechern..."
In diesem Moment bringt das Rotzgör Jen aus der Zelle, der sich kaum aus eigener Kraft aufrecht halten kann und erschöpft ins Fackellicht blinzelt. Sie kommen zu ihnen und Jen lehnt sich mühsam an die Wand - der Junge hat eine verstümmelte Hand und zahlreiche Prellungen, und er starrt vor Dreck, hauptsächlich scheint er jedoch einfach völlig entkräftet. Caewlin tauscht einen besorgten Blick mit Phelan. "Bringen wir sie erst einmal wieder hinunter in den Gang und dann..." er wird Akira unterbrochen, die plötzlich neben ihm auftaucht und aufmerksam ans obere Gangende blickt, wo sich Borgil gerade eben wild gestikulierend umdreht, sein Beil schon in der Hand.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 15. Dez. 2004, 23:40 Uhr
In einer Felsenkammer

Nach dem Tumult in Whytfisks Gemach und den lärmenden Stimmen der Kanalratten in dem kurzen Gangstück, durch das sie hierher gebracht wurde, setzt nun mit einem Mal Stille ein. Stille, die in Ravens Ohren dröhnt und das Pochen ihres eigenen Herzens plötzlich zu einem erschreckend lauten Geräusch werden lässt. Kein Ton ist ansonsten in dem felsigen Kerker zu hören und auch von draußen klingt kein einziges Geräusch herein und nicht der Hauch eines Fackelscheins oder Lichtschimmers. Die Finsternis ist allumfassend und so dicht und zäh, so körperlich, dass man sie beinahe mit Händen greifen könnte. Die Kammer riecht nach Moder und Verfall und nach Tod, so intensiv, als würde jede einzelne Pore des nackten, fugenlosen Felsgesteins diesen Geruch ausströmen, als würde der uralte Stein ihn atmen.

Bebend bleibt Raven hinter der geschlossenen Tür stehen und starrt mit tränenden Augen in die Schwärze, ohne etwas zu sehen, nur darum bemüht, sich nicht zu bewegen, um nicht neuerliche Schmerzwellen durch Schultern und Rippen jagen zu lassen. Allein das Atmen schmerzt grausam und mit jedem Heben und Senken ihres Brustkorbs leidet sie Höllenqualen, jeder einzelne Atemzug ist von einem bedrohlich klingenden Rasseln und Pfeifen begleitet. Das Gewicht der Eisenschellen zerrt an ihren Armen und sie hat das Gefühl, dass eine Tonnenlast ihr den kaputten Arm gleich vollends aus dem Gelenk reißen würde. Zitternd lehnt sie sich an das raue Holz der Tür und rutscht mit dem Rücken an ihr hinab, bis sie in die Hocke kommt. Zoll für Zoll hebt sie vorsichtig den Arm, wobei sie mit der gesunden Hand nachhelfen muss, bis sie ihn schließlich auf ihrem Oberschenkel platzieren kann, der die Last der Kette und der Eisenschelle auffängt. So verharrt sie minutenlang, völlig reglos, die Augen geschlossen, gegen den Schmerz und die drohende Bewusstlosigkeit ankämpfend, die sich ihrer bemächtigen will, bis sie sich wieder so weit in der Gewalt hat, dass sie die Lider aufschlagen kann.

In ihrem Kopf dreht sich alles, Schmerz und Gedanken, Hass und Wut und Hilflosigkeit und lodernder Zorn und am allerschlimmsten das zerstörerische Gefühl, bitterlich versagt zu haben. Sie streckt die verkrampften Beine aus und lässt sich gänzlich auf den Boden sinken, wobei sie sich nur mit Mühe die Tränen verbeißen kann. Was hat er mit meinem Arm gemacht? Was hat dieser rattendreckfressende Scheißkerl mit meinem Arm gemacht? Vorsichtig tastet sie mit ihrer Rechten nach dem zertrümmerten Schlüsselbein. Die Haut über der Stelle ist glühend heiß und unter ihren Fingerspitzen kann sie ein dumpfes Pochen spüren und warmes, klebriges Blut an der Stelle, wo sich die Bruchkante ein wenig durch die Haut gebohrt hat. Schon die kleinste Berührung verursacht unerträgliche Schmerzen, aber sie beißt die Zähne zusammen und betastet behutsam die Stelle, die allmählich anzuschwellen beginnt. Der Knochen ist ziemlich genau in der Mitte gebrochen und unter der fiebrigheißen Haut kann sie auf der schulterzugewandten Seite des Knochens die splittrigen Kanten des Bruches spüren. Jedoch ist es die andere, dem Hals zugewandte Hälfte, die ihr weitaus größere Sorgen macht und tausendmal mehr Schmerzen bereitet, denn Whytfisks Gewicht hat sie so weit hineingedrückt, dass sie offenbar die obere Spitze des Lungenflügels verletzt hat. Ich werde jämmerlich ersticken, wenn sie da drin bleibt, schießt es ihr durch den Kopf. Und mit jeder Bewegung scheine ich sie nur noch weiter hinein zu treiben. Verzweifelt und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig lässt sie den Kopf sinken.

Weg von der Tür .... wo war dieser Strohhaufen? Dort links muss es sein... Es kann nicht allzu weit zur gegenüberliegenden Wand sein und obwohl sie nur einen kurzen Blick in die vom Fackelschein erleuchtete Kammer hatte werfen können, schätzt sie, dass die Zelle kaum mehr als zehn Schritt im Durchmesser haben kann. Mühsam und unter Schmerzen hievt sie sich auf die Knie und tastet sich durch die Dunkelheit voran und was zuerst wie eine geringe Entfernung aussieht, wird zu einer Tortur, die eine halbe Ewigkeit zu dauern scheint und die sie immer wieder unterbrechen muss, bis sie wieder zu Atem kommt und der Schmerz abflaut. Röchelnder Husten schüttelt ihren Körper und als ihre Finger schließlich auf die stachligen, modrig riechenden Strohhalme treffen, ist sie am Ende ihrer Kraft. Sie schiebt das faulige Stroh mit den Füßen zu einem Haufen zusammen, in dem sie sich keuchend und hustend niederlässt. Völlig erschöpft lehnt sie sich mit dem Rücken gegen die Wand, die sie kalt und klamm hinter sich spüren kann. Wieder tastet ihre Rechte nach dem verletzten Knochen. Die Schwellung ist merklich schlimmer geworden und Hals und Schulter scheinen heißer zu glühen als ein Kohlefeuer. Raven weiß, wenn sie noch etwas tun will, dann muss sie es gleich tun, bevor die Schwellung so stark wird, dass sie den Knochen nicht mehr tasten kann. Kalte Verzweiflung krallt nach ihrem Herzen.

Verdammt, verdammt, ich kann das nicht! Aber sie weiß, dass sie kaum eine andere Wahl hat. Der Knochen wird so nicht wieder zusammenwachsen und sie ihren Arm niemals wieder benutzen können und schlimmstenfalls würde sie an ihrem eigenen Blut in der Lunge ersticken. Es kann dir egal sein, völlig egal, über kurz oder lang wirst du hier sowieso verrecken. Woran du letztendlich stirbst, hat überhaupt keine Bedeutung mehr. Und doch schöpft sie ein paar Mal Atem und versucht, sich Mut einzuflößen, obwohl ihr sterbenselend ist und ihr Herz in wilder Furcht vor dem, was sie sich gleich zumuten wird, wie ein Schmiedehammer klopft. Mit flatternden Händen tastet sie nach der richtigen Stelle, kneift die Augen zu, beißt mit aller Kraft die Zähne zusammen und schiebt zwei Finger unter den Knochen, um ihn langsam nach vorne und wieder in seine richtige Position zu drücken. Der Schmerz kommt mit brüllender Wucht und einer Heftigkeit, die ihr einen Moment lang den Atem raubt und ihren Magen rebellieren lässt, aber sie drückt weiter, bis die Schlüsselbeinhälfte dort ist, wo sie hingehört und sie das Bewusstsein verliert und in den schimmligen Strohhaufen sinkt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 16. Dez. 2004, 12:11 Uhr
Im Zellentrakt



>Schafft Ihr es hier stehenzubleiben ohne zu versuchen den Kanalratten die Schädel einzuschlagen? Ich möchte sehen, wen sie dort gefunden haben. Sie werden Hilfe benötigen.< "Jajaja, geht schon," knurrt Borgil heiser und so leise er mit seinem tiefen Zwergenbass eben flüstern kann. "Werd mich schon beherrschen." Er wartet, bis der Halbelb seinen Platz an der Ecke geräumt hat und rückt dann ein wenig vor, die Hände griffbereit an den Wurfbeilen in seinem Waffengurt. Borgil späht in den vom Fackelschein erhellten Gang vor ihm, bis ihm die Augen tränen. Er kann zwar flackernden Feuerschein und sich bewegende Schatten dort vorn hinter der Felsenöffnung erkennen, aber er kann schließlich nicht um zwei Ecken schielen und alles, was in dieser Höhlung liegt, bleibt seinem Blick verborgen. Verfluchter Mist, verfluchter Mist, verfluchter Mist... Es wäre so viel einfacher, mit Caewlin, dem Spitzohr und diesem Höllenhund einfach dort einzufallen, ihnen allen den Schädel einzuschlagen und wieder zu gehen - das, was die Sache zu einem verfluchten Mist macht, ist, daß sie das alles völlig lautlos bewerkstelligen müssten, wollen sie nicht riskieren, sich alle Kanalratten auf einmal auf den Hals zu hetzen. Und selbst Borgil in seiner Ungeduld muß zugeben, daß es nur von Vorteil sein kann, wenn Whytfisk wenigstens noch eine Weile nichts von ihrem Hiersein wüßte.

Er kann hinter sich das leise Flüstern der anderen hören, wagt es aber nicht, sich umzudrehen, um zu sehen, wen das Mädel und der Nordmann da befreit hatten. Er kann den Gang nicht aus den Augen lassen - und schon einen Herzschlag später erweist sich das als weise Voraussicht. Die Stimmen dort oben werden lauter und plötzlich wirft jemand aus der Felsenhöhle einen langen Schatten in den Gang. Borgil hält den Atem an und holt die Wurfäxte aus dem Gürtel, strengt sich an, die zu ihm herabdringenden Wortfetzen zu verstehen: "Hol... mehr... Rum..." kann er hören, gefolgt von einem heiseren Murmeln, das er nicht versteht. Dann so etwas wie: "Halt's Maul.... Messer... Blutaxts Hand... gesehen... Scheiße... faß... nicht... an..." und ein dreckiges Lachen, gefolgt von einem verächtlichen Ausspucken und einem Fluch. Dann meint Borgil Schritte zu hören und nur einen Moment später erscheint der Schemen einer Kanalratte im Gang, der sich direkt in Richtung Zellen und damit zu ihnen aufmacht. Borgil dreht sich auf dem Absatz um und hastet fuchtelnd zu den anderen, findet Akira schon neben Caewlin, die in lautlosem Grollen die Zähne gefletscht hat und zwei befreite Gefangene dazu, die aussehen, als seien sie schon seit Wochen hier unten. "Kommt einer!" Zischt er. "Fort mit euch!"  

Phelan schließt geistesgegenwärtig die Zelle des befreiten Jungen, und Borgil tut es ihm mit der Zellentür Mädels gleich - die offenstehenden Felskammern wären ihr Ende gewesen. Dann verbergen der Elb und er selbst sich in der nächsten leeren Zelle, deren rostige Tür sperrangelweit offensteht. Caewlin, Faraday und der Hund, was bleibt ihnen anderes übrig, hasten in eine andere leerstehenden Felsenkammern gegenüber, deren Tür nur noch aus verbogenen Scharnieren und einem zersplitterten Rest Holz besteht, und Borgil kann gerade noch sehen, wie der Nordmann das schmutzige Mädel mit dem Linken Arm hineinhebt und den befreiten Jungen, der kaum gehen kann, wie einen Sack Mehl über der anderen Schulter hat.
Eine Kanalratte, ein junger Mann mit lächerlichem Ziegenbärtchen und kahlrasiertem Schädel, aber im Gegensatz zu jenen, die sie schon getötet hatten, erstaunlich sauber, einen leeren Krug in der anderen Hand, kommt den Gang zwischen den Zellen herunter. Er schenkt den verschlossenen Zellentüren keine Aufmerksamkeit. Borgil tauscht einen Blick mit Phelan, steckt die Wurfäxte weg und zieht sein Handbeil. Dann scharrt er bewußt mit dem Fuß. Es hört sich an, wie es sich eben anhört, wenn Metall über Stein kratzt. Leise, aber laut genug, um den Kerl im Gang abzulenken. Phelan taucht in die tiefen Schatten hinter der rostigen Tür und Borgil macht zwei Schritte rückwärts in die Mitte der Zelle. Ihr Plan geht auf: die Kanalratte bleibt stehen, dreht den Kopf von links nach rechts und wird schlagartig mißtrauisch.

Noch einmal scharrt Borgil mit dem schweren Stiefel. Zu laut für eine Ratte, zu leise für etwas Großes. Komm schon... sieh nach, Mann. Sieh nach, sei kein verfluchter Hosenschisser! Der Ziegenbart tut ihm den Gefallen. Er stellt den Krug auf den Boden, zieht einen Dolch und nähert sich dann so lautlos, daß Borgil sich fragt, ob seine Füße überhaupt den Boden berühren. Braver Junge... komm noch ein Stück... noch ein Stück... Der Fackelschein aus dem Gang reicht nicht bis an die hintere Zellenwand, wo Borgil jetzt steht und er kann nur beten, daß Ziegenbart Hosenschisser neugierig genug sein würde, genau nachzusehen. Er ist es. Borgils Handbeil ruckt hoch und gräbt sich in seine weiche, ungeschützte Kehle, genau in dem Augenblick, als der Mann ihn in den Schatten erkennt und zurückfahren will. Blut trifft Borgils Hände, Unterarme und das Beil mit einem Schwall, heiß und rot. Der Ziegenbart versucht noch zu schreien, doch auch sein Mund ist voller Blut. Borgil sieht zu, wie seine Beine einknicken, wie er vornübersinkt, zur Seite rollt und stirbt. Es geschieht nicht lautlos: er gurgelt, atmet und das Messer fällt zu Boden - aber auch wenn Borgil und Phelan die Geräusche in der Zelle laut vorkommen mögen, zwanzig Schritt entfernt an einem prasselnden Wachfeuer werden sie kaum zu hören sein. Als der Ziegenbart sich nicht mehr rührt, zieht Borgil sein Beil aus dessen Kehle und schleift ihn hinter die Tür außer Sicht. "Eins für mich. Zwei für Euch," erklärt er fröhlich. "Ich hole auf, Elb."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 16. Dez. 2004, 23:59 Uhr
Irgendwie schafft Aurian es, hinter ihren beiden Rettern aus der Zelle in den Gang zu taumeln, owohl sie das Gefühl hat, als wären ihre Beine aus Butter und ihr Körper eine einzige Prellung, die verziert ist mit allen nur erdenklichen Arten von Wunden. Das Licht der Fackeln, die den Tunnel erhellen, ist unbarmherzig und instinktiv krümmt sie sich noch etwas mehr zusammen, aus Scham, Schmerz und Kälte. Während die junge Frau sich an der Tür zu schaffen macht, lehnt sie an der Wand, ein Häufchen Elend sondergleichen. Dabei fällt ihr Blick auf die rechte Hand ihres Retters oder besser gesagt, das was an deren Stelle ist: Eine eisene Schelle. Erst zuckt sie leicht zusammen, doch dann schießt ihr ein Blitz des Erkennens durch ihr verängstigtes Gehirn: Sie hat ihn schon einmal gesehen, im Frühjahr war sie auf seinem Anwesen gewesen: Der Sturmlord. Scheu blickt sie auf, um sich zu gewissern und nun scheint auch er sich an das kleine Botenmädchen zu erinnern. >zieh das üb... was, du?< Erstaunen spiegelt sich in seinen Zügen. Aurian greift nach dem Hemd das er ihr reicht: EWs ist viel zu groß, reicht bis knapp an ihre Knie, dochj sie ist nur froh darüber. Darin kann sie sich verstecken. Hastig zieht sie es über. "Danke!" Ihre leisen Worte sind kaum zu verstehen. Eben taumelt ein Junge aus der Zelle, er scheint fast in einer noch schlimmeren Verfassung zu sein als sie selbst. >Ich hab dir gesagt, dass sie kommt!< seine Worte sind kaum mehr als ein Flüstern, unterbrochen von rasselnden Atemgeräuschen. "Ja das hast du!" Sie abntwortet ihmm eben so leise.

Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse: Ein weiterer Mann taucht auf und ein rießiger Hund, deren Knurren Aurian das Blut in den Adern gefrieren lässt. Dann noch einer, einiges kleiner, ein Zwerg, bis an die Zähne bewaffnet. Irgendwie kommen auch diese beiden ihr bekannt vor, doch sie hat keine Zeit darüber nachzudenken, denn der Sturmlord schnappt sie und hebt sie so mühelos in eine der Zellen, als wäre sie eine Feder ohne jegliches Gewicht. Bei seiner Berührung krampft sie sich zusammen, ist versucht um sich zu schlagen und nur der Umstand, dass er sie sofort wieder absetzt, verhindert eine vollkommen unkontrollierte Panikreaktion ihrerseits. Auch Jen wir einfach in die Zelle verfrachet und der riesige Nordmann bedeutet ihnen, still zu sein. Schlufende Schritte werden hörbar, dann ein seltsames Scharren. Aurians halbelbisches Erbe verleiht ihr geschärfte Sinne und so kann sie den röchelnden Laut wahrnehmen, der für die Ohren der anderen unhörbar. Das Röcheln eines sterbenden Menschens. Für einen Moment schließt sie die Augen und dhofft für einen flüchtigen Augenblick, das alles sei nur ein Alptraum, aus dem sie gleich erwachen würde. Doch das alles ist real und vor Angst schlägt ihr Herz bis zum Hals. Würden sie sie finden? Nicht auszudenken was sie mit ihnen machen würden, vor allem der große Mann, was würde er tun, wenn er erkennen würde, dass sein 'Spielzeug' - bei diesem Gedanken rinnt ihr eine Gänsehaut über den Rücken - nicht mehr da ist? Bitte ihr Götter ersparrt mir das! Voll Angst blickt sie zu Jen, den der Sturmlord ebenfalls in dem Raum abgesetzt hat. Das Mädchen, das ihre Ketten geöffnet hatte, kauert neben ihm, wirkt als wolle sie ihn beschützen. Aurian fühlt sich mit einem Mal schrecklich allein. Sie hatten ihn gesucht, nicht sie. Hatte sie überhaupt jemand vermisst? Oder wäre sie dem Ungeheuer bis in alle Ewigkeit ausgeliefert geblieben? Die absurderlichsten Gedanken rasen durch ihren Kopf, während sie in die Stille horcht, angestrengt, ob noch weitere Mitglieder dieser Bande auftauchen würden.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 17. Dez. 2004, 10:21 Uhr
In einer Felsenkammer

Finsternis umfängt sie, eine tiefe, lichtlose Schwärze, in der sie sich treiben lässt, immer wieder gebeutelt von wirren Fieberträumen, in denen ein bleiches Knochengesicht mit den Augen eines toten Fisches und einem wahnsinnigen Grinsen herumgeistert. Ein Geräusch stört die Stille der Kammer und die Stille ihres fiebrigen Dämmerzustandes, irgendwo am Rande ihrer Wahrnehmungen, zuerst nur leise, doch es wird allmählich so penetrant, dass sie es selbst in ihrem halbwachen Zustand nicht mehr ignorieren kann. Erst nach einer ganzen Weile kann sie es als das erkennen, was es ist - das Klappern ihrer eigenen Zähne, die vor Kälte in einem wilden Stakkato aufeinanderschlagen. Heftiger Schüttelfrost lässt ihren Körper erschauern und ihre Gliedmaßen zittern, doch der Versuch, sich enger in dem fauligen Stroh zusammenzurollen, endet mit einem leisen Schmerzensschrei aus ihrer wunden Kehle.

Raven fühlt sich völlig betäubt und Hals und Schultern auf der linken Seite sind so geschwollen, dass ihr Arm bis hinunter zum Ellbogengelenk bewegungsunfähig ist und schon das Krümmen und Strecken der Finger die Verletzung in dumpfem Schmerz pochen lässt. Ihr Atem kommt pfeifend und flach und die Kehle tut ihr beim Schlucken weh, dort wo Whytfisks dürre Finger sie zusammenquetscht haben. Aber beinahe noch schlimmer ist der brennende Durst, der sie plagt. Sie versucht, die Augen zu öffnen, doch es empfängt sie nur die gleiche Schwärze wie hinter ihren geschlossenen Lidern. Wie viel Zeit vergangen ist, seitdem sie hier ist, ob Minuten, Stunden oder Tagesläufe, vermag sie nicht mehr zu schätzen. Und die Zeit, die in der Oberwelt und der Stadt hoch über ihr gilt,  hat hier unten, in der Finsternis tief unter der Erde, wo es weder Sonne noch Sterne gibt, auch keine Bedeutung. Und für sie selbst ohnehin nicht mehr. Ihre Zeiteinteilung berechnet sich nur noch nach der Stunde ihres kommenden Todes, den sie hier unweigerlich finden wird und sie fragt sich, wann dies sein wird. Sie weiß nicht einmal, ob die schwere Tür zu ihrer Kammer jemals wieder geöffnet werden wird. Vielleicht lassen sie mich hier einfach verrotten, bis die Würmer an mir nagen. Aber es kommt ihr viel wahrscheinlicher vor, dass Whytfisk in seinem perversen Rachewahn sich selbst an ihrem Tod noch belustigen und an ihren Qualen berauschen wird.

Ächzend und unter Schmerzen stemmt sie sich mit dem Rücken an der kalten Felswand hoch, bis sie zum sitzen kommt, immer wieder von Fieberschauern und heiserem Husten geschüttelt. Obwohl sie erbärmlich friert in der modrigen, klammen Eiseskälte der Kammer, ist ihre Stirn glühend heiß und mit feinen Schweißperlen überzogen. In einem halbherzigen Versuch macht sie sich an der Kette und den schweren Eisenschellen zu schaffen und probiert, sie abzustreifen, doch obwohl ihre Handgelenke schmal und die Finger lang und schlank sind, gelingt es ihr nicht, sie aus den eisernen Fesseln zu ziehen. Das einzige, was sie damit erreicht, sind blutiggescheuerte Gelenke und schließlich gibt sie es resigniert auf. Selbst wenn sie es schaffen würde, die Schellen loszuwerden, so ist sie immer noch in dieser Felskammer gefangen, aus der es keinen Fluchtweg gibt. Und wo sollte ich auch hin, vermutlich wäre ich schon tot, bevor ich auch nur einen einzigen Schritt in den Gang hinaus gemacht hätte. Eine eigentümliche Lethargie ergreift allmählich von ihr Besitz und es bleibt ihr nur, zu warten, worauf auch immer. Zitternd lehnt sie sich gegen die Wand, deren Kälte ihr in alle Knochen kriecht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 17. Dez. 2004, 15:29 Uhr
Irgendwie bekommt Tiuri all die Dinge um ihn herum nur zeitverzögert mit. Während er noch den Mann betrachtet der ihm erst gar nicht aufgefallen ist und sich fragt was an seinem Gegenüber eigentlich anders ist, scheint den anderen schon wieder etwas neues untergekommen zu sein. Ein Hund, ein fuchtelnder Zwerg, all das bemerkt Tiuri erst nach dem es schon einige Zeit andauert und er ist sich nicht sicher ob er mit diesen Sinnen die Kanalisation jemals wieder verlassen wird. Entsprechend erstaunt ist er auch, als der Große ihn einfach über die Schulter wirft. Alles in Tiuri verspannt sich, dank seiner schmerzenden Magengegend in die ihn der Wächter mit Vorliebe getreten hatte und für einen Moment will der Junge sich am liebsten über die Schulter des Nordmannes übergeben. Doch der hat Glück, denn Tiuris Magen ist völlig leer und so würgt er zwar still vor sich hin und unterdrückt das kurze Aufflackern von Panik als sie in eine Zelle gehen. Nie wieder wollte er einen so engen dunklen Raum betreten und jetzt muss er schon wieder hinein. Seine fiebrig glänzenden Augen haften sich fest an die offene Türe und an den Lichtschein draußen, aber er ist froh wenigstens wieder festen Boden unter seinen Füßen zu spüren. Auch Aurian ist da und Faraday, die dicht bei ihm steht. Müde lehnt er sich gegen eine der kalten Wände und greift mit der rechten Hand vorsichtig in seine Hosentasche.
Die Ratte ist noch da, beißt ihn nicht einmal in den Finger als er nach ihr greift, aber sie zittert vor lauter Furcht dank der wilden Fahrt die sie hinter sich hat.
Tut mir leid kleiner Freund, ich verspreche dir, wenn wir hier lebend raus kommen, das Leben wird für dich wie im Paradies!
Von der sterbenden Kanalratte bekommt er nichts mit, denn erstens kann er aus seiner Position nicht mehr als das Licht vor der Türe sehen und zweitens ist das Geräusch dass der sterbende Verursacht an sich viel zu leise für die Ohren des Jungen in denen dafür das Blut rauscht wie ein wilder Fluss. Der Schmerz in seinem Kopf hat sich zu einem festen monotonem Hämmern entwickelt und Tiuri hat das Gefühl als würde jemand der mindestens so groß wie der Nordmann ist, mit einer Keule auf seinen Schädel einschlagen. Nur wenn ihn der Schüttelfrost überfällt hört der Schmerz wie er vorher war auf, dann sind es sogar zwei Keulen die seitlich auf ihn nieder sausen und wenn er hustet, was er sich aber jetzt tunlichst verkneift, hat er das Gefühl, dass sein ganzer Kopf zerspringt.
Obwohl er froh ist, dass er endlich aufstehen und aus der Zelle gehen konnte, zu gern hätte er sich wieder hingesetzt, der Boden unter seinen Füßen dreht sich, genauso wie Faraday neben ihm und er möchte einfach liegen oder wenigstens sitzen. Aber Tiuri weiß auch, dass er lange brauchen würde um aufzustehen und dass er diese Zeit womöglich nicht haben würde. Das letzte was er will ist hier irgendjemanden, geschweige denn sich selbst, in Gefahr zu bringen. Im Gegenteil, eigentlich würde er gerne helfen, aber sogar in seinem hämmernden Kopf sagt ihm sein Verstand, dass er einfach nicht von nutzen sein kann. Erstens ist er gerade schrecklich langsam und unbeweglich und zweitens hat er nicht einmal eine Waffe, kann also dementsprechend nichts tun.
Außer mit Bechern werfen, wirklich großartig Junge, echt toll!  
Die Zeit in der Zelle scheint einfach nicht zu vergehen. Der Große und ein riesiger schwarzer Hund stehen an der Tür und spähen hinaus, Tiuri begnügt sich damit die beiden anzusehen, denn an ihrer Reaktion würde er hoffentlich auch erfahren, was dort draußen vor sich geht und ob sie im nächsten Augenblick dem Tod ins Auge blicken würden. Sein Hals beginnt schrecklich zu kratzen und der Hustenreiz kommt schließlich sogar von irgendwo tief unten aus seiner Brust. Der Junge presst die rechte Hand fest auf seinen Mund, wendet sich in Richtung Ecke und verbirgt das ganze Gesicht an seiner rechten Schulter.
Sei bloß still, wenn sie dich hören, dann…
Das Husten kann er trotzdem nicht ganz unterdrücken, aber es fällt verhältnismäßig sehr leise aus und Tiuri hofft, dass es niemand gehört hat und es, falls doch, nur für das übliche Husten aus seiner Zelle hält.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 17. Dez. 2004, 16:30 Uhr
Faraday ist erleichtert. So sehr, dass sie keinen klaren Gedanken fassen kann. All die Sorgen und die Verzweiflung sind auf einmal von ihr genommen. Ich hab's geschafft! Und wenn sie es so weit geschafft haben, dann würden sie es auch hier heraus schaffen. Sie haben Jen übel zugerichtet. Faraday registriert es kurz und verbannt es dann wieder aus ihrem Kopf. Sorgen würde sie sich immer noch können, wenn sie wieder über der Erde wären. Der Heiler wird ihm bestimmt helfen. Sie hilft ihm, weil er kaum richtig stehen kann. Auf dem Gang wartet bereits der Nordlord mit der Frau auf sie, die Jen zu kennen scheint. Oder sie hatten es irgendwie geschafft sich durch die dicken Wände der Zellen zu verständigen. Es macht Faraday stolz, dass er auf sie gezählt hat, obwohl sie bis zuletzt nicht mehr daran geglaubt hatte, dass sie sich jemals wiedersehen würden. Aber da ist auch noch etwas anderes. Wer ist die?! Sie trägt jetzt ein Hemd, das ihr viel zu groß ist und bietet einen jämmerlichen Anblick. Das gibt Faraday eine gewisse Genugtuung, aber gleichzeitig überflutet sie Mitleid. Sie weiß, was sie mit ihr gemacht haben, weil sie es selbst schon erlebt hat. Unvermittelt weicht sie ein kleines Stück von der Verletzten weg.

Es bleibt Faraday weder Zeit sich weiter Gedanken über die Fremde zu machen noch sich über die gelungene Befreiung Jen's zu freuen. Der Zwerg kehrt vom anderen Ende des Ganges zurück und seine Worte sind knapp und unmissverständlich. Faraday bekommt nicht mit, wie die aufgebrochenen Türen geschlossen werden, weil der Nordlord die beiden Verletzten packt und in eine der leerstehenden Zellen trägt. Faraday folgt ihm auf dem Fuß und kauert sich eng an die Wand und so nahe an Jen wie sie es eben wagt. Der Junge unterdrückt mühsam ein Husten und Faraday kann sehen, wieviel Mühe es ihn kostet. Sie hat sich vor nicht allzu langer Zeit ebenso gefühlt, bis der Heiler ihre geholfen hatte.

Sie hält den Atem an und starrt das leere Rechteck der Türe an, als erwarte sie dort jeden Moment ein schreckliches Monster zu erblicken, zwingt sich aber dann den Blick abzuwenden. Wenn tatsächlich irgendjemand oder irgendetwas käme, dann will sie es nicht sehen. Tatsächlich nähern sich Schritte - und gehen an ihrer Zelle vorbei. Keiner rührt sich, nicht einmal ein Atmen ist zu hören. Dafür ist das plötzliche Scharren in Faradays Ohren umso lauter. Kurz darauf ein dumpfer Aufprall, ein Gurgeln, das sie schon zuvor gehört hat, ein schleifendes Geräusch. Und dann herrscht wieder Stille. Jemand sagt etwas. Es muß der Zwerg sein, aber das kann Faraday nur vermuten. Ihre Hände zittern immer noch und das macht sie wütend. Sie will keine Angst haben, sie hat schon so viel Angst gehabt. Aber es will dennoch nicht vergehen. Sie schaut hinüber zu der Fremden und auch in ihren Augen steht etwas, das aber über Angst weit hinaus geht.

Der Zwerg taucht in der Tür auf und sie eilen hinaus auf den Gang, so leise wie möglich. Kurz kann Faraday einen Blick auf die Zelle erhaschen, in der der Zwerg zuvor verschwunden ist, aber dort ist nichts zu sehen, bis auf etwas Dunkles, Glänzendes auf dem schmutzigen Boden. Sie hat keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Stattdessen schleicht sie auf die verhängte Öffnung zu, durch welche sie zuvor den Zellentrakt betreten hatten. Raus hier, jetzt kommen wir endlich raus hier. Ihre Gedanken fliegen, gehen sämtliche Möglichkeiten durch, wie es jetzt weitergehen könnte, während sie die Ölhaut aufhält und Jen und der Frau hindurch und hinaus hilft.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 18. Dez. 2004, 18:34 Uhr
Borgil handelt schnell und ganz offensichtlich geübt. Die Kanalratte geht zu Boden, noch ehe der Mann Alarm schlagen kann. Er ist noch jung, kaum älter als zwei dutzend Zwölfmonde. Ein Handlanger der anderen. Der Zwerg zieht den Körper in die Zelle und hinter die Tür, so dass man ihn nicht sofort entdecken würde. Aber sie würden nachsehen kommen, daran besteht kein Zweifel.

"Wartet's ab, Borgil. Die Nacht ist noch jung. Wenn Ihr Glück habt, dann rennt Euch vielleicht noch einer oder zwei direkt in die Klinge." Phelan grinst, obwohl ihm angesichts ihrer Situation nicht nach Scherzen zu Mute ist. Aber er hat keine Lust sich wie ein Dieb durch diese Gänge zu schleichen und die Sache mit Griesgrämigkeit noch schlimmer zu machen.

Es bleibt keine Zeit. Phelan bleibt als Letzter zurück, während die anderen durch die von einer Ölhaut verdeckten Öffnung in der Tunnelwand den Zellentrakt verlassen. Er geht nochmals ein Stück zurück auf die Biegung des Ganges zu. Noch ist alles wie zuvor. Die Kanalratten reißen derbe Witze und spielen ganz offensichtlich Karten oder irgendein anderes Spiel. Das Klirren eines Kruges oder eines anderen Gegenstandes lässt Phelan zusammenzucken. "Du verdammter Sohn einer räudigen Hündin, ich gewinne dieses Spiel und kein anderer." Sie streiten sich. Gut für uns, das lenkt sie ab. "Wo bleibt der Rum?" Die Worte lassen Phelan aufschrecken und den anderen so schnell wie möglich folgen. Er sieht, dass Caewlin an der behelfsmässigen Tür wartet und ihn zur Eile drängt. "Die Ratten schreien nach Rum. Es wird nicht mehr lang dauern, bis sie kommen um nachzusehen. Der Junge und die Mädchen, sie müssen weg hier."

Hinter ihm schließt sich der Vorhang aus Ölhaut und die Stimmen bleiben endgültig hinter ihnen zurück. Der Nordmann hat eine der Karten herausgezogen und deutet auf das Wirrwarr der Gänge und Tunnel, vor allem aber auf ein Gewölbe weiter östlich von ihnen und sagt etwas von "dort sind sie sicher". "Was ist mit den anderen?" Phelans Kopfnicken deutet in die Richtung der Zellen. "Sie werden den Rest der Meute alarmieren, sobald sie merken, dass ihre Gefangenen weg sind und drei ihrer Männer tot. Bringen wir die drei hier weg und kümmern uns dann um den Rest." Die Worte sind an Borgil und Caewlin gerichtet und so leise gesprochen, dass die drei anderen ihn nicht unbedingt verstehen. Besonders die junge Frau ist in einem bedenklichen Zustand und kann sich ähnlich wie der Knabe kaum auf den Beinen halten. Sie macht das nicht mehr lang mit. Sie müssen raus hier, wir alle müssen raus hier.

Die Gruppe geht den schmalen Gang zurück in die Richtung des Haupttunnels. Alles ist still und weder links noch rechts ist irgendjemand zu sehen. Gegenüber zweigen zwei weitere schmale Gänge ab; sie nehmen den, der ihnen direkt gegenüber liegt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 19. Dez. 2004, 01:10 Uhr
In Whytfisks Gemach


Whytfisk blickt auf, als Blutaxt hereinkommt und in seiner Kammer herumschnüffelt wie ein Schwein im Eichenwald. Kannst du ihre Angst riechen? Atme es tief ein, dieses Parfume, denn das ist alles, was du von ihr bekommen wirst. >Ihr habt mich rufen lassen, Meister.< Blutaxt hatte schon von jeher die  Angewohnheit, alles offensichtliche auszusprechen. "Allerdings. Die Männer sind in der Honigwabe versammelt. Nimm dir ein Dutzend und überwache mit ihnen die Dicke Betha in Richtung Unterstadt. Vor allem den geheimen Zugang zum Schrank dieser Hure in der Orchidee, vielleicht wählt ihn der Nordmann noch einmal. Die anderen zwei Patrouillen schickst du einmal nördlich von hier in Richtung des eingestürzten Tunnels und nordwestlich in die kleineren Gänge, falls er sonstwo aus der Unterstadt herunterkommt. Haltet Ausschau. Etwas sagt mir, daß er bald kommen wird.... und wenn nicht, nun wir haben Zeit. Wenn er dann auftaucht, weißt du, was du zu tun hast und die Männer wissen es auch: lockt ihn her. Kein offener Kampf. Wenn er jemanden bei sich hat, tötet alle, aber ihn nicht. Wenn es sich nicht vermeiden läßt, nehmt ihn gefangen... ansonsten spielt mit ihm, reizt ihn, treibt ihn in die Honigwabe. Er gehört mir allein." Ein langer Blick aus eisigen Augen unterstreicht die letzten Worte. "Und jetzt verschwinde. Versagst du, ist das dein Ende."
Blutaxt eilt hinaus und Whytfisk kann ihn in Richtung Honigwabe davoneilen hören. Er legt sich auf seine schmale, steinharte Pritsche, steif wie ein aufgebahrter Toter, starrt eine Ewigkeit reglos in die Finsternis der hochgewölbten Steindecke und schließt irgendwann die Augen. So aufgewühlt war er nicht mehr seit... seit seinem Tod. Raven Schattenhaar endlich vor sich zu haben, in seiner Hand, in seiner Gewalt, hilflos und ihm allein ausgeliefert - auf diesen Tag hat er lange gewartet. In mehr als siebenhundertzwanzig Nächten hatte er diesen Moment vor seinem Inneren Auge gesehen, ihre Augen brechen und ihre Stimme verstummen lassen... warum also schmeckt sein Triumph dann dennoch... schal?

Sie war gekommen - aus freien Stücken. Sie war gekommen, in ihre eigene Rechtschaffenheit gehüllt wie ein Priester, der sich einem Menschenfresserdorf nähert. >Ich will dir ein Geschäft anbieten. Mein Leben gegen das des Nordmanns. Lass ihn unbehelligt und nimm dafür meines.< Der wandelnde Edelmut. Den Geruch von Ravens Angst, den Blutaxt so gierig eingesogen hatte, kann er immer noch schwach riechen - wie das verlockende Duftwasser einer Frau. Bald wirst du ihn riechen, Nordmann. Du kommst, ich weiß es. Du wirst kommen und dann werden wir sehen, wie weit du bereit bist zu gehen, um sie zu retten. Tief in seinem Inneren sieht er ein Paar Augen, ruhig, gelassen, aber kalt, so kalt und scharf wie Eissplitter und noch einmal spürt er - wie damals - wie ihn Angst berührt wie sanfte Flügel.  Ein Schauer durchläuft die hagere Gestalt auf dem harten Feldbett, dann liegt Whytfisk wieder so reglos wie zuvor.
Stunden später erwacht er und richtet sich verwirrt in seinem Lumpenmantel auf, geweckt vom gleichen Gefühl, das er, als er die Augen schloß, noch in seinem Inneren gehegt hatte, wie einen kostbaren Schatz... aber diesmal ist seine Angst instinktiv, unwissend wie die eines Tier... eines Raubtieres, das in der Finsternis die Augen öffnet und sich plötzlich selbst als Beute fühlt. Er kommt.
Benommen versucht er, diesen Gedanken zu begreifen, ihn mit seinem jahrelangen Warten und seiner Rache in Zusammenhang zu bringen, die düstere Vorfreude zurückzuholen, aber es gelingt ihm nicht. Etwas anderes schwebt wie ein böser Zauber im Raum, etwas Dunkles. Er kommt. Er ist nicht allein. Er ist schon nahe...
Wer? Wer ist bei ihm? Wer kommt?

Das Talglicht ist längst verloschen, Whytfisks Felsenkammer so schwarz und kalt wie ein Grab. Niemand hatte seinen Schlaf gestört, niemand hatte ihm eine Meldung gebracht. Seine Patrouillen durchstreifen die nördlichen Tunnel, haben jeden Zugang aus der Unterstadt in die Kanalisations abgeriegelt, alles ist bereit. Niemand kommt. Er wird sicher kommen, aber noch ist es zu früh. Zu früh. Er erhebt sich in völliger Finsternis, blind und zielsicher wie eine Fledermaus, tritt an seinen Schreibtisch und entzündet ein neues Talglicht. Vor der Ölhaut kann er seine Wachen leise miteinander flüstern hören. Niemand kommt. Dennoch hat er das Gefühl, daß die Dinge an den Rändern unscharf werden. Hat er etwas übersehen? Der Junge. Langsam überzieht ein böses Lächeln Whytfisks eingefallenes Gesicht. Da ist noch der Junge. Seine unbestimmte Angst schmilzt in diesem Gedanken wie Frost in der Sonne.  Faraday hatte ihn verraten... aber er würde Wort halten. Um den Jungen würde er sich kümmern - und sein Sterben würde so lange dauern, bis seine Männer das Mädchen gefunden hatten. Vielleicht schenke ich sie Blutaxt... wenn er seine Sache gut macht. Gelegentlich füttert selbst er seinem Hund die Knochen vom Tisch. Zuerst jedoch, würde er essen. Essen und vielleicht einen Kelch Wein trinken. Dann würde er seinen Männer befehlen, Wasser für ein Bad zu richten und den Jungen gründlich zu waschen, bevor sie ihn zu ihm brachten.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 19. Dez. 2004, 16:33 Uhr
>Bringen wir die drei hier weg und kümmern uns dann um den Rest.< Sowohl er selbst, als auch Caewlin nicken zu diesem Vorschlag des Waldläufers und so schleichen sie allesamt so leise wíe möglich fort vom Zellentrakt zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Das befreite Mädel zittert und stolpert erbärmlich und der Junge ist kaum besser dran, so daß sie nur langsam vorankommen - allerdings können sie es auch nicht wagen, sie zu tragen, denn sollte eine Patrouille oder ein Späher der Kanalratten sie erwischen, hätten sie nicht erst die Zeit, ihre Schützlinge irgendwo abzulegen, um sich dann einem Kampf zu stellen. Caewlin stützt das verletzte Mädchen, das sich inzwischen ein Hemd angezogen hat, so groß, daß es nur von dem Nordmann stammen kann, Phelan und der kleine Rotzlöffel helfen dem Jungen. Sie kehren zurück in Prancies Schenkel und in dem breiten Tunnel ist alles ruhig - doch diesmal biegen sie nicht in ihn ein, sondern überqueren ihn nur, um in ein verschlungenes Gewirr schmälerer Gänge auf seiner anderen Seite einzutauchen. Die Bluthündin tappt voraus, Borgil selbst bildet die Nachhut. Immer wieder dreht er den Kopf, doch auch hinter ihnen bleibt alles still. Ein sicherer Ort hat der Sturmlord gesagt. Ja wo denn hier unten? Borgil weiß so gut wie die anderen, daß ihnen die Zeit davonrennt. Wie lange würden die Wachleute dort oben auf ihren Rum warten, ohne mißtrauisch zu werden oder nachzusehen, wo Hosenschisser Ziegenbart damit blieb? Wie lange, bis sie ihn mit zerfetzter Kehle in seinem eigenen Blut und die leeren Zellen obendrein finden würden?

"Macht schneller!" raunt er halblaut, während Caewlin sie bald nach Links, bald nach rechts führt. Die Steine hier unten sind alt, alt und stumm und haben zuviel gesehen. Salpeter überzieht die feuchten Wände und läßt sie im schwachen Schein des Kristalls, den das Rotzgör wieder trägt, grün schimmern. Hin und wieder verraten halbvermoderte Halterungen für Gerätschaften und überkrustete Eisensprossen oder Fackelringe, daß sie sich in Teilen uralter Arbeitstunnel befinden müssen. Der Gestank ist allgegenwärtig, erdrückend wie eine dumpfe Glocke aus Tod, Verwesung, Scheiße, Schimmel und Rattendreck, aber bald mischt sich noch etwas anderes darunter: der rußige, saure Geruch alter, kalter Asche und geschmolzenen Steins. Borgil kann sich keinen Reim darauf machen, bis der schmale Gang unvermittelt breiter wird, eine Linkskehre macht und dann plötzlich abbricht. Phelan flüstert etwas, doch Borgil kann außer einer Reihe breiterer und schmälerer Rücken vor ihm erst einmal gar nichts erkennen, bis das Rotzgör schließlich den Kristallstein höher hält und etwas mehr Licht riskiert. Ein paar Stufen, die früher schon abschüssig gewesen sein müssen, jetzt jedoch völlig  gesplittert aussehen und kaum noch als Stufen zu erkennen sind, führen vor ihnen in etwas hinunter, das einmal eine hohe Felsenhöhle gewesen sein muß, vielleicht zwanzig Schritt breit und ebenso lang.

Ihre Wände sind verformt, deformiert, als wäre der Stein dort hundertmal geschmolzen und wieder erkaltet, und ihr Boden ist dick mit steinhart gewordenem, schwarzen Schlick und einer dicken Schicht alter, feuchtverklumpter Asche bedeckt. Seltsame Formen und Gebilde verbergen sich darunter, von denen Borgil gar nicht wissen will, was sie einst waren - er kann es sich aber denken. Das hier muß eines der Nester dieser Wurmdämonen gewesen sein, ist sein erster Gedanke. Und sein zweiter: Caewlin hat recht. Hier dürften wir vermutlich wirklich sicher sein. Nicht einmal die Kanalratten werden sich hierher wagen. Caewlin führt sie hinunter und sie suchen sich einen Platz an der linken Wand, der einigermaßen frei ist von gummiartig nachgebendem Aschebrei. Sie nehmen ihre Rucksäcke ab, rollen ihre Schlafpelze aus und setzen das geschundene Mädel und den verletzten Jungen erstmal darauf. Borgil verteilt Brot und kaltes Fleisch an beide und gibt ihnen Wasser. "Ich bin Borgil, Wirt der Harfe. Wir sind hier zwar eigentlich auf der Suche nach Raven, aber wir konnten euch ja schlecht dort sitzen lassen, nicht wahr?" Brummt er und schafft es sogar, beruhigend wie ein gemütlicher Bär dabei zu klingen. "Oi... Jungchen, deine Hand sieht übel aus. Hier. Eßt und trinkt erstmal, aber langsam. Langsam, schlingt es nicht hinunter, sonst übergebt ihr euch nur. Wir müssen da noch äh... eine Kleinigkeit erledigen, aber wie Caewlin hier schon gesagt hat, hier seid Ihr erstmal sicher." Und wir nachher hoffentlich auch.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 19. Dez. 2004, 22:12 Uhr
Während Borgil Aurian und Jen mit Essen und Wasser versorgt, legt Caewlin alles unnötige Gepäck ab, behält nur seine Waffen und reicht seinen Umhang wortlos dem frierenden Mädel. Er würde ihn jetzt ohnehin nicht brauchen. Dann wartet er, die Bluthündin an seiner Seite, bis Phelan und der Zwerg soweit sind. Sie können nicht erst rasten und kostbare Zeit verlieren, in der die Wachen möglicherweise das Fehlen der Gefangenen oder ihren toten Kumpanen bemerken würden - so sehr ihn inzwischen selbst nach ein wenig Ruhe, Essen und Wasser verlangt. Sie müssen zuerst und schnell handeln, wenn sie sie noch überraschen wollen. Wir kommen, Whytfisk. Wir sind schon hier, mitten in deinem Reich und du weißt es nicht. Sein Blick fällt auf das Rotzgör, das sich dicht bei dem Jungen hält und immer noch den Kristallschein in der hohlen Hand hat - ein kleines, helles Licht in der drückenden Finsternis ringsum. "Bleib hier und pass auf sie auf. Wir sind bald zurück. Und wenn nicht, du kennst den Weg hier heraus. Wenn wir in einer Stunde nicht zurück sind, dann wartet nicht länger. Phelan?"

Der Waldläufer, der die Zeit genutzt hat, die Verletzungen des Jungen und des befreiten Mädchens oberflächlich ins Auge zu fassen, nickt und erhebt sich, den Bogen in der Hand. "Bringen wir es hinter uns. Wir brauchen alle eine Rast."
Der Weg von der Höhle, in der einst das erste der kleineren Wurmnester war zurück zum Zellentrakt ist nicht weit und sie legen ihn ohne Verletzte, die sie aufhalten, rasch zurück. Der von Fackelschein erhellte Gang zwischen den winzigen Felsenkammern liegt noch immer ruhig und leer hinter der Ölhaut, der Tote in einer Lache schwarzen Blutes noch immer hinter der Tür. Sie schleichen an den Zellen vorbei und um die Kehre, die der Gang in Richtung der Höhle macht, und können die Kanalratten reden und fluchen hören... offensichtlich noch immer ahnungslos. Akira stellt das kurze, dichte Fell im Nacken, öffnet in lautlosem Knurren das Maul und zeigt fingerlange Reißzähne. Phelan schleicht sich soweit vor, wie er es wagt, riskiert einen kurzen Blick und eilt sofort an ihre Seite zurück. "Und?" Wispert Caewlin und holt lautlos den Morgenstern aus dem Gürtel. "Wieviele sind es?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 20. Dez. 2004, 09:27 Uhr
Der Sturmlord schleppt Aurian mehr durch die Gänge als sie selbst geht. Zwar haben ihre Beine sich mittlerweile entschlossen, sich wieder daran zu erinnern, was ihre Aufgabe ist, doch alles tut ihr weh und bei jedem Schritt hat sie das Gefühl, irgendetwas in oder auf ihr würde zerreissen. Dazu kommt, dass sie all ihre Willenskraft aufwenden muss, nicht in Panik zu verfallen. Die Kanalratten in ihrem Rücken und der feste Griff des Nordmannes trägt das seinige dazu bei. Er tut dir nichts, er holt dich hier nur raus! Dennoch, sie will nicht, dass irgendjemand sie berührt, ihr auch nur in die Nähe kommt.
Immer dunkler und drückender werden die Wände um sie herum, bis sie schließlich eine Höhle erreichen. Dort wird sie auf einem Mantel abgesetzt, ebenso wie Jen. Der Zwerg, der sich als Borgil vorstellt, .. Woher kenn ich den Namen? Ach ja ich hab in der Harfe gewohnt!, es scheint ihr so lang her zu sein...er reicht ihnen Brot und Wasser. Während Jen sich darüber her macht, nippt sie nur am Wasser. Sie kann nichts essen, sie würde nichts hinunter bringen.Und selbst, sie würde es nicht bei sich behalten. Mit fast leerem Blick blickt sie ihren Rettern nach, die noch einmal den Raum verlassen und sie mit dem Jungen und dem Mädchen zurücklassen. Die Hand Jen's sieht schlimm aus und nur mit Mühe kann er essen. Sie haben deine Finger gebrochen, so wie meine Seele. Was hast du mir nur angetan, du...du...Ausburt der neun Höllen! Bei dem Gedanken an ihren Peiniger macht sich erneut Verzweiflung breit. Und noch etwas: der beinahe unbändige Wunsch nach Rache für das was er ihr angetan hat. Immer stärker wird er, während sie in der Hölle auf die Rückkehr der anderen warten. Eine Stunde hatte der Sturmlord gesagt. Wieviel war das? Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren, keine Ahnung, wie lange sie schon hier unten ist, wie lange das alles her ist. Es scheint ihr ewig und doch wie gester, als dieser...dieser Dreckskerl sich an ihr vergangen hatte. Sie können nur warten. Ihr Blick trifft Jens. Irgendwie kommt er ihr bekannt vor, doch sie hat nicht die Kraft sich darüber auch noch den Kopf zu zerbrechen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 20. Dez. 2004, 14:47 Uhr
Der Weg durch die Gänge des Kanals scheint unendlich lang zu sein und schon nach dem ersten Schritt weiß Tiuri nicht mehr wie er den nächsten machen soll. Links und rechts gestützt schleppt er sich mühsam voran, wobei er versucht nicht allzu viel Gewicht auf Faraday zu verlagern, da sie einfach unheimlich zerbrechlich auf ihn wirkt, vor allem hier, neben den drei Kriegern. Er hat das Gefühl als würden sie den Weg entlang rennen, aber von hinten treibt sie der Zwerg zu noch mehr Eile an, dabei wünscht sich Tiuri nichts mehr als eine Pause um die müden Beine zu entlasten. Immer wieder strauchelt und stolpert er, fällt nur nicht weil ihn von der Seite sogleich jemand aufhält und manchmal schwebt er dann zwei Schritte über den Boden, mehr gezogen und getragen als sich noch selbst vorwärts bewegend. Mit jedem Schritt dreht sich die Welt schneller um ihn, die Orientierung hat er längst verloren, manchmal kommt der Boden auf ihn zu, manchmal er auf den Boden und dann drehen sich seine beiden Helfer wieder mit ihm und noch immer dröhnt sein Kopf, schmerzt die Hand und jede getretene Stelle an seinem Körper. Außerdem versucht er das Husten zurück zu halten und erreicht damit, dass ihm jeder Atemzug die ganze Brust und den Rücken hinunter schmerzt, und jedes unterdrückte Husten ist noch schlimmer. Er sieht Aurian zittern, spürt, dass auch ihn immer wieder Schauer durchfahren, aber eigentlich ist ihm heiß, als wäre es Sommer und er wäre irgendwo in einer Wüste Azuriens. Irgendwann, ungefähr bei der Hälfte des Weges, ist sich Tiuri sicher, sterben zu müssen und der Gedanke, als namensloser Dieb in den Kanälen zu verrotten ist ihm beinahe unerträglich, so unerträglich, dass er alle Kräfte sammelt und sich doch noch weiter schiebt. Als sie endlich stehen bleiben, würde Tiuri am liebsten auf der Stelle umfallen, aber er wartet bis die Schafspelze ausgebreitet sind und man ihm sagt, dass er sich setzen darf. Das was er dann tut kann man kaum setzen nennen, es ist eher gut platziertes fallen, aber es hat den gleichen Effekt, er kann die Beine von sich strecken und muss keinen Schritt mehr machen.
Der Zwerg stellt sich als Borgil und Wirt der Harfe vor, aber das sagt Tiuri wenig, auch wenn er glaubt den Namen schon einmal gehört zu haben, was ihm in die brennenden Augen sticht ist das Essen das der Zwerg ihnen gibt, zusammen mit Wasser, das auch nach Wasser schmeckt und nicht nach verdünntem Rattendreck. Sein ausgehungerter Magen beginnt sofort wieder sein Recht nach Essen einzufordern und Tiuri greift gierig nach dem dargeboten. Die Mahnung nicht zu schnell zu essen hört er zwar, muss aber doch am eigenen Leib erfahren, dass sie nicht von irgendwoher kommt. Schnell wird ihm schlecht und er kann nur schwer ein Würgen unterdrücken, lässt es dann langsamer angehen und trinkt immer wieder einen Schluck Wasser. Währenddessen ist seine zweite Stütze bei ihnen und sieht sich kurz unter dem Licht eines Kristalls seine und Aurians Verletzungen an. Der Mann fährt mit der Hand über seine Stirn, sieht in seine Augen, die Prellungen und schließlich auch die Hand die er vorsichtige abtastet. Die rechte Hand hält Tiuri verborgen, es geht ihr wie immer und keiner müsste sie sehen. Aurian windet sich unter den vorsichtigen Berührungen des Mannes als würde ihr alles körperliche, aber auch seelische Schmerzen verursachen und Tiuri wünscht sich er könnte etwas für sie tun.
Die Männer verschwinden, Faraday bleibt bei ihnen zurück, mit dem Auftrag nur eine Stunde zu warten, auch wenn Tiuri nicht weiß wie man in dieser Hölle die Zeit noch messen soll. Seine Augen sind schwer und er kann sie kaum noch offen halten. Die Müdigkeit hält ihn davon ab darüber nachzudenken was passieren würde wenn die Kanalratten sie erwischen. Er lässt sich einfach umfallen, liegt angenehm weich im Gegensatz zu den letzten Tagen auf dem Fell und blickt zu Faraday hoch. Sie sind weit genug weg, sein Husten muss er nicht mehr unterdrücken, hier würde ihn keiner hören. Er schließt die Augen und spürt sofort wie der Schlaf ihn übermannen will. Tastend greift er nach Faradays Hand und zwingt sich die Augen wieder zu öffnen. Er verzieht einen Mundwinkel zu einem Lächeln.
„Danke“, krächzt er und muss über den Klang seiner Stimme fast grinsen. Aus seiner Tasche hat sich sein neuer Freund befreit und klettert nun Tiuris Arm hinauf um auf der Schulter des Jungen das Geschehen zu beobachten. Der Kopf des Jungen schmerzt wenn er die Augen stark verdreht, aber er blickt dennoch nach oben.
„Na Kleiner, ich hab doch gesagt ich nehme dich mit!“ Tiuri ist erstaunt, dass er die Worte relativ zusammenhängend aus der Kehle bekommt, eigentlich hat er gedacht, dass er demnächst nur mehr mit Sithech diskutieren würde.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 20. Dez. 2004, 15:58 Uhr
In der alten Felsenhöhle


Faraday beobachtet den Heiler, der sich um die Verletzungen der beiden anderen kümmert. Und sie ist dankbar für das Essen und das Wasser, das ihnen die drei Männer dalassen. Die Frau kuschelt sich in den Umhang des Nordlords und nippt nur zögernd an einem der Wasserschläuche. Es stinkt gotterbärmlich in dieser seltsamen, ekelhaften Halle. Auch die Felle auf dem Boden machen es Farday kaum angenehmer, sich auf das verbrannte Gestein niederzulassen. Ihr Magen knurrt wie ein bissiger Hund und trotz des Gestanks nimmt sie sich und isst, während die drei Männer verschwinden und sie in diesem Raum voller Hoffnungslosigkeit und Schmerz zurücklassen.

Während sie viel zu hastig kaut und schluckt, besieht sich Faraday die Halle genauer. Der Lichtstein, der nun vor ihr auf dem Boden liegt, gibt kaum genug Helligkeit ab um die Wände damit zu erreichen. Irgendwas is' hier passiert. Sie bekommt Gänsehaut, kann sich aber nicht erklären warum. Erst die Berührung von Jen's Hand reißt sie aus ihren Gedanken. Er sieht sie aus müden Augen an, mit dem selben Blick, wie schon zuvor in der Zelle. "Ich hab..." Sie will ihm gestehen, dass sie es nicht geschafft hat, dass er hätte tot sein können, wenn die Fremden sich nicht der Sache angenommen hätten, weil eine Freundin hier hinunter gegangen war. Aber sie kommt nicht weiter, denn zu ihrem Staunen kriecht aus der Tasche des Jungen eine kleine, graubraune Ratte und hangelt sich seinen Arm hinauf bis sie seine Schulter erreicht, wo sie sich zufrieden umherblickend niederlässt. Ihre winzige Nase zuckt durch die Luft, von rechts nach links und wieder zurück, so als könne sie aus dem immerwährenden Gestank noch etwas anderes herausriechen. "Wo kommt die denn her? Sag' bloß, du hast sie schon die ganze Zeit in der Tasche gehabt?" Mit spitzen Fingern bricht Faraday einen kleinen Krümel ihres Brotes ab und hält ihn dem Tier hin. Die Ratte schnüffelt, erst vorsichtig, dann traut sie sich näher heran, als sie den Leckerbissen zwischen Faradays Fingern entdeckt. "Wie heißt sie denn?" Die flinken Bewegungen des pelzigen Begleiters erheitern sie. "Darf ich sie anfassen?" All die Schrecken der letzten Tage scheinen für einen Moment vergessen beim Anblick der winzigen rosa Pfoten und der schwarzen Kugelaugen, die so drein blicken, als wüßten sie weitaus mehr, als man dem Tier zutrauen würde.

Faradays Blick streift abermals Jen. Was immer der Heiler mit ihm gemacht hatte, es scheint nicht das selbe zu sein wie zuvor bei ihr. Er wirkt keineswegs wesentlich gesünder und Faraday legt die Stirn in Falten, bis sich die verkrustete Wunde mit einem deutlichen Ziehen bemerkbar macht. Sie haben gesagt, wir haben keine Zeit. Vielleicht lassen sie uns ja einfach hier zurück... Aber nein, nicht die da.  Sie schielt neugierig zu der Frau hinüber, die die Hände hat sinken lassen und traurig vor sich hinschaut. "Hey du. Wer bist du und warum bist du hier unten?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 20. Dez. 2004, 17:47 Uhr
Im Zellentrakt und vor der Wachstube der Kanalratten

Die Zeit drängt und so bleibt Phelan nicht viel mehr zu tun, als sich die Verletzungen der beiden nur flüchtig zu betrachten. Dem Jungen haben sie mehrere Finger gebrochen, seine Hand ist hässlich blaurot verfärbt und geschwollen. Bis auf einige weitere Schrammen und einer schweren Erkältung und Fieber scheint ihm aber weiter nichts zu fehlen. "Ein Bett, Ruhe und ein paar Kräuter und du bist bald wieder auf den Beinen, auch wenn du dürr bist wie eine Vogelscheuche." Die Worte sind eher in den eigenen Bart gebrummt als an den Jungen namens Jen gerichtet. Die junge Frau ist weitaus übler dran, allerdings beschränken sich bei ihr die Wunden nicht nur auf den Körper. Phelan braucht sie nicht weiter zu untersuchen um zu erkennen, unter was sie außer der Erschöpfung noch zu leiden hat. Er würde ihr später ein paar Kräuter geben, die den schlimmsten Schmerz dämpfen würden.

Die beiden anderen drängen zur Eile und sie haben recht. Vielleicht sind sie besoffen genug, um den Ziegenbart für eine Weile zu vergessen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen wirft er einen letzten besorgen Blick auf die kleine Gruppe, die sie hier zurückließen und er hofft, dass sie vernüftig genug sind nicht auf eigene Faust zu versuchen einen Weg aus den Tunneln und Gängen zu finden. Es wäre ihr sicheres Todesurteil.

Ungesehen wie zuvor gehen sie den selben Weg zurück, überqueren den Haupttunnel und biegen dann mit äusserster Wachsamkeit in den Zellentrakt ein. Kaum ist die Ölhaut geöffnet dringen wieder die Stimmen an Phelans Ohren. Er deutet den beiden anderen zurückzubleiben und tastet sich lautlos bis zur Biegung des Tunnels vor. Nichts ist zu sehen, nur zuckende Schatten tanzen auf dem Fußboden vor dem Durchbruch in der linken Seite des Ganges. Ohne sich umzusehen winkt Phelan seine Begleiter zu sich heran und deutet ihnen an der Ecke zu warten. Dann verlässt er seine Deckung, setzt einen Fuß vor den anderen, beinahe selbst ein Schatten in dieser stinkenden, schmutzigen Düsternis. Die ungleichmäßigen Ränder des Durchbruchs machen es ihm leichter unbemerkt in den Raum zu sehen. Nach dem ersten kurzen Blick schätzt er das Gewölbe auf höchstens fünf Schritt Länge und eine etwa solche Breite. Ein Pfeil ist unbemerkt in Phelans Hand gewandert und wartet auf der Bogensehne auf seinen Flug. Aber nichts tut sich. Der Streit dort drinnen - und sie streiten sich ganz offensichtlich - hält nach wie vor an; es geht um irgendein Kartenspiel, Diebereien und andere Verbrechen. Gut so. Schneidet euch gegenseitig die Gurgel auf, das erspart uns Arbeit. Phelan riskiert einen zweiten, längeren Blick und erkennt an einem langen Holztisch, dessen Schmalseite zur Türöffnung zeigt sechs Männer, drei auf jeder Seite.  An dem ihm gegenüberliegenden Ende brennt ein Feuer in einem kleinen, schmiedeeisernen Ofen und dessen Rohr mündet in die niedrige Decke und verschwindet dort. Der ihm nächste Mann ist etwa anderhalb Schritt von ihm entfernt, zu weit für eine Klingenwaffe ihn schnell zu erreichen und eigentlich zu kurz um ihm einen Pfeil in den Hals zu jagen. Allesamt wirken sie keineswegs so zerlumpt wie die ersten beiden und noch weniger so jung und grün wie der Ziegenbart.

Auf einen weiteren Wink kommen Borgil und Caewlin ihm nach, bis sie sich direkt neben dem Waldläufer an der linken Seite der Öffnung befinden. Der Feuerschein von drinnen reicht aus um auch den Nordmann erkennen zu lassen, dass Phelan mit den Händen die sechs Männer drinnen zählt. Sechs dort drin, drei hier draussen. Und der Hund. Möglicherweise der Trumpf in ihrer Tasche, der die Unterlegenheit ausgleichen könnte. Phelan nickt und hebt dann den Bogen. Es ist riskant zu schießen. Phelan muß einen guten Teil seiner Deckung aufgeben um zielen zu können. Sein Glück, dass keiner mit irgendeinem Angriff zu rechnen scheint. Er wählt sich bewußt den dritten Mann von ihm aus als Ziel. Die anderen beiden bewegen sich, vor, zurück, vor, während Phelans Blick auf den Hals der Kanalratte gerichtet ist. Zurück... vor. Der Pfeil verlässt die Sehne mit einem hohen Sirren und trifft sein Ziel nur Sekundenbruchteile, ehe dessen Nebenmann sich wieder vor ihn schiebt. Phelan zieht sich in Windeseile zurück, doch der zweite Pfeil liegt schon abschußbereit auf dem Bogen. "Zwei!" Mit diesem Wort gibt er seine Deckung gänzlich auf, springt an die gegenüberliegende Wand zurückweichend vor die Öffnung, zielt und trifft den zweiten, den mittleren der drei, der zu Boden geht und seinem toten Kameraden Gesellschaft leistet.


Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 20. Dez. 2004, 19:41 Uhr
Im Zellentrakt, in der Wachstube der Kanalratten


"Ha!" Borgil folgt Phelan, das Beil in der Hand, der in die Felsenöffnung springt und noch einen Pfeil fliegen läßt - und keine Sekunde später bekommt er endlich Gelegenheit, seine eigene Waffe zu beschäftigen, denn einer der Männer am Tisch kommt fluchend auf die Beine und greift den Halbelben an, der noch immer den Bogen in der Hand hält, und mit fliegenden Fingern nach einem frischen Pfeil greift - dummerweise hat die heranstürmende Kanalratte keinen Blick an den Zwerg neben dem angepeilten Opfer verschwendet. "Untersteht Euch, zu schießen!" Grollt Borgil über die Schulter, während er dem Angreifer in den Weg springt und dessen ersten Hieb - der Kerl führt doch glatt zwei Kurzschwerter als Waffen - abfängt und ihn hart zurückwirft. "Ha! HA!" Im Hintergrund kippt der Tisch um und Borgil kann aus den Augenwinkeln etwas großes, schwarzes an sich vorbeifliegen sehen. Der Hund. "Der gehört mir allein, Bürschchen!" Ein herrliches Hauen und Stechen folgt: Borgil und die Kanalratte umkreisen sich wild, greifen an, wehren ab, stoßen zu - der Mann ist mit seinen beiden lächerlichen Fleischspießen gegenüber Borgils schwerer Rüstung eindeutig im Nachteil, aber dafür ist er schnell wie eine zustoßende Schlange und mehr als einmal muß Borgil ihn einfach in sich hineinlaufen lassen, weil er nicht mehr rasch genug ausweichen oder parieren kann. Als der Kerl jedoch mit einem irrwitzig schnellen Hieb doch glatt Borgils Deckung durchbricht, und um Haaresbreite ein Stück von seinem schönen, roten Bart absäbelt, reicht es ihm endgültig. "WAH! Mein Bart!" Schwerter und Handbeil gerade verkeilt, hat er das Gesicht des Mannes für einen Moment keine Handbreit vor seinem entfernt. Borgil stampft wütend auf und ein eisenbeschlagener Zwergenstiefel trifft mit hässlichem Krachen und voller Wucht fünf in dünnes Leder gewickelte Zehen. Das Gesicht seines Gegners wird käsebleich, doch statt eines markerschütternden Schreies kommt den Göttern sei Dank nur ein dünnes, hohles Pfeifen aus seinem Mund.

Borgils Beil ruckt hoch und knirscht gegen den Unterkiefer der Kanalratte, dann landet eine steinharte Zwergenfaust wohlplaziert in dessen Bauch. Derart malträtiert klappt der Kerl zusammen wie ein gut geöltes Scharnier und geht auf die Knie. "Endlich in vernünftiger Höhe!" Das letzte, das der Mann mit verdrehten Augen sieht, ist die Axt, die ihm den Schädel spaltet. Borgil stemmt einen Fuß vor die Brust der toten Kanalratte und gibt ihr einen Tritt, der sie auf den Rücken befördert, und seine Axt dabei gleich aus dem roten Knochenbrei holt, der einmal eine Stirn war. "Zwei! Hört mal, Ihr Waldläuferchen, seid ein wenig... häh?" Borgil hat sich nicht weiter aufgehalten - obwohl sein Kampf mit der Kanalratte weniger als eine Minute gedauert haben kann, kommt es ihm vor wie eine Ewigkeit und die Zeit drängt - und hastig den umgekippten Tisch mit den beiden erschossenen Männern davor umrundet, doch alles, was dort zu sehen ist, ist ein kampfbereiter Nordmann, der ebenso ratlos wie er selbst auf einen grollenden Bluthund blickt, der ein blutiges Bündel totschüttelt und ein flackerndes Feuer in einer Grube im Boden. Sonst nichts. "Wo zum Henker sind die anderen zwei Kerle geblieben? Die waren doch gerade noch... hier..." Das kommt Borgil mehr als unheimlich vor und er blickt sich wild in der Höhle um. Rotes Feuer, flackernde Schatten. Tiefe Dunkelheit an den Wänden und hinter der Feuergrube. "Agh! Phelan, versperrt den Eingang! Die lösen sich in Luft auf!" Er tritt hastig den Rückzug an und eilt an des Waldläufers Seite - wenn ihnen auch nur einer entwischte, wäre es um ihre Heimlichkeit geschehen. "Caewlin, kommt her! Schnell. Da sind bestimmt..." er will eigentlich sagen: Schattengänger, als plötzlich der Kopf der Bluthündin herumruckt und sich gelbe Augen über die blutverschmierte Kante einer umgestürzten Tischplatte hinweg direkt auf ihn richten. "Wa...?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 20. Dez. 2004, 22:04 Uhr
Phelan hat Gelegenheit, zwei Kanalratten zu erschießen, ehe die Männer in der Höhle überhaupt merken, was ihnen geschieht. Noch ehe der zweite Mann fällt, geben sie alle ihre Deckung auf und folgen dem Waldläufer - doch dann ist es mit dem  Überrumpeln endgültig vorbei, und Leben kommt in die Wachen. Die drei hinteren Männer springen zischend vor Wut auf  und kippen den langen Tisch einfach um, um sich dahinter in Deckung zu bringen. Spielkarten, Holzbecher und  Kupfermünzen fliegen in alle Richtungen davon oder rollen in die roten Blutlachen der beiden Leichen auf dem Boden. Ein vierter Mann fährt herum und greift mit wirbelnden Katzbalgern Phelan an. Der Waldläufer hat noch immer den Bogen in der Hand, reichlich nutzlos im Nahkampf, doch Borgil stellt sich rasch vor ihn, und Caewlin wendet sich nach links. Akira setzt mit einem langen Sprung und wildem Knurren einfach über den Tisch hinweg und kommt grollend über einen der Männer dahinter. Caewlin kann ihn nur noch nach Luft röcheln hören, ehe die Kiefer des Hundes sich schließen, doch als er den Tisch umrundet hat, findet er dort nur noch die Bluthündin und eine Leiche vor. Von den übrigen beiden Kanalratten ist nichts zu sehen. Verdammt! Was ist das für eine Hexerei?

Er dreht sich einmal um  sich selbst, den Morgenstern kampfbereit in der Hand, umrundet die Feuergrube, späht in die Schatten. Aus den Augenwinkeln kann er sehen, wie Borgils Axt sich in das Gesicht seines Gegners harkt und auch eine vierte Kanalratte damit stirbt - doch hier bei der Feuergrube, wo er sich eigentlich den zwei übrigen Männern gegenübersehen müßte, sind immer noch nur flackernde Schatten. Dann ist der Zwerg bei ihm und sieht genaus perplex ins Nichts, wie er. Bin ich blind? War das eine Illusion? Phelan hat sich nicht verzählt! Ich habe sie so deutlich gesehen wie die anderen... also wo bei allen Neun Höllen...? Plötzlich geschieht alles auf einmal: Borgil tritt hastig fluchend den Rückzug zu Phelan an und versperrt einfach durch seine Breite den Höhleneingang, Akira fährt herum und geht knurrend auf den Zwerg los und noch ehe er sie erschrocken zurückrufen kann, sieht er einen Schatten direkt vor ihr, zwischen ihr und Borgil. Caewlin macht einen schnellen Schritt nach Rechts, will das Feuer hinter sich bringen, doch er hat sich noch nicht gedreht, als ihm etwas hart in den Rücken schlägt.

Irgendetwas Scharfes, Kaltes dringt durch Kettenhemd und gehärtetes Leder und zieht eine brennende Spur aus Schmerz über seine Rippen. Er kann ein halbersticktes Keuchen hinter sich hören, dann schlägt er blind mit dem Morgenstern hinter sich und das Keuchen wird zu einem schmerzerfüllten Grunzen. Er fährt herum, hört irgendetwas zu Boden klappern und schlägt einfach auf gut Glück mit der rechten handlosen Eisenschelle ins Leere, dorthin, wo er das Gesicht vermutet. Was er trifft gibt nach und plötzlich taumelt aus dem tanzenden Nichts von Feuerschein und Dunkelheit eine Kanalratte, beide Hände auf den eingedrückten Kehlkopf gepresst, die Augen in Schock und Schmerz weit aufgerissen. Caewlin holt aus und die Schlagkugeln des Morgensterns zermalmen seinem Angreifer Gesicht und Schädel, als sie auf ihn niederkrachen. Dann wirbelt er herum und sieht gerade noch, wie Akira nicht Borgil, sondern irgendetwas direkt vor dem Zwergen angeht und zu Boden reißt, das erst im Tod wieder sichtbar und zu der letzten noch übrigen Kanalratte wird.

Die gewaltigen Kiefer schließen sich mit hörbarem Knacken und dann steht die Bluthündin knurrend auf der Brust ihres getöteten Gegners, während ihr das Blut aus der Schnauze rinnt. Caewlin betrachtet die ganze stinkende Schweinerei um sich her - das hier wegzuräumen würde zu lange dauern und mit dem ganzen Blut überall ohnehin keinen Sinn machen, es sei denn, sie wollten auch noch aufwischen. Dann sieht er Phelan und Borgil an, während er die Hand auf seine schmerzende Seite presst. Der verfluchte Bastard hatte ausgerechnet die Seite erwischt, die vor noch nicht einmal zwei Tagen unangenehme Bekanntschaft mit den Hauern eines Keilers gemacht hatte und ohnehin grün und blau ist. Du wirst es überleben, tief ist der Dolch nicht eingedrungen. "Gjallad, Akira. Komm her." Die Bluthündin zieht sich noch immer grollend von ihrem Opfer zurück und er legt ihr kurz die Hand auf den pelzigen Schädel. "Gut gemacht, Mädchen." Er wischt notdürftig Blut und Hirnmasse vom Morgenstern und hakt die Schlagkugeln wieder ein, die Hände glitschig vor Blut. "Laßt uns hier verschwinden. Ich muß etwas essen." Ich muß schlafen. Ausruhen. Meine Rippen einbinden. Raven finden.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 20. Dez. 2004, 22:49 Uhr
>Hey du. Wer bist du und warum bist du hier unten?< Die Worte des Mädchens reissen Aurian aus ihrer Lethagie. Als sie sie ansieht, sind ihre Augen dunkelgrün und all ihr Schmerz und das Nichtverstehen ob dem Warum ist darin zu lesen. "Aurian. Mein Name ist Aurian. Und warum ich hier bin .... ich weiß es nicht. Oder vielleicht doch..." Siedendheiß fällt ihr ein, das irgendeiner der Männer, sie weiß nicht mehr welcher, etwas davon geredet hatte, dass wegen ihr drei seiner Kamaraden gerichtet wurden. Der Strand. Ihre Stimme ist noch leiser als sie fortfährt: "Ich glaube, sie wollen sich rächen. Vor einigen Monden...es sind drei Männer in der Steinfaust gerichtet worde, ich glaube sie waren deren Kameraden. Die drei..sie...sie haben versucht mich umzubringen. Aber ich weiß nicht warum!" Natürlich weißt du es. Die verflixte Magie ist schuld dran. Hättest du den einen damals nicht einfach so erstarren lassen... Sie denkt den Gedanken nicht zu Ende sondern beobachtet die Ratte, die vertrauensvoll auf Jens Schulter herumturnt und sich von dem Mädchen mit hartem Brot füttern lässt. Irgendwie putzig das Tierchen, doch Aurian hat immer wieder den fetten Artgenossen vor Augen, der gewirkt hatte, als würde er sich an ihrem Leiden ergötzen, als sich der lange Kerl an ihr vergangen hatte. Unbewusst versucht sie ein Stückchen wegzurutschen, doch das hätte sie besser nicht getan. Ein dumpfer Schmerz fährt erneut durch ihren Körper, sie kann nicht sagen wo er herkommt. Um nicht aufzuschreien beißt sie Zähne zusammen. Die Tränen schießen ihr in die Augen. Es dauert einige Minuten, bis der Schmerz wieder abebt. "Und du, wie heißt du?" Ihre Stimme zittert, als sie sich an das Mädchen wendet, das sie mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck ansieht. Gleichzeitig sieht sie immer wieder zur Tür. Wann kämmen die anderen zurück? Was war geschehen?

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 20. Dez. 2004, 23:28 Uhr
Faraday scheint ganz hingerissen von der kleinen Ratte die sich begeistert über das dargebotene Stück Brot hermacht, als hätte sie seit Tagen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen.
„Klar, kannst du sie anfassen! Und ja, ich hatte ihn in der Tasche.“ Tiuri lächelt schwach, aber wenigstens lenken ihn die Ratte und Faradays Faszination etwas von der eigenen Müdigkeit ab. Über einen Namen hat er sich bis jetzt nicht den Kopf zerbrochen, er hatte eigentlich auch andere Sorgen gehabt und „Kleiner Freund“ hat es für die Ratte immer ganz gut getroffen. Die Ratte beäugt kritisch Faradays Hand als sie näher kommt um sie zu streicheln, lässt es aber dann gewähren, da es eindeutig die Hand war die auch das Brot abgegeben hat und die kann ja nur ein Freund sein.
„Er ist wie ich, kein Name…“, wäre er nicht am Boden gelegen, hätte Tiuri mit den Schultern gezuckt. Faraday hatte im ja einen Namen gegeben, aber trotzdem stört es den Jungen, dass er sich nicht an seinen eigenen Namen erinnern kann. Nichtsdestotrotz, ist sein neuer Name, Jen, etwas ganz besonderes, ein Geschenk, fast schon ein Freundschaftsbeweis, für eine Freundschaft die er jetzt als vorhanden nimmt, denn wenn es keine wäre, dann wäre Faraday mit Sicherheit nicht hier herunter gestiegen um ihn hinaus zu holen.
„Ich taufe ihn Litli-Vinur, Kleiner Freund!“
Faraday fragt nach Aurians Namen und dem Grund ihres hier seins, nicht gerade diplomatisch oder sehr einfühlsam, besonders nach dem was Aurian hinter sich hat, aber was man dem Mädchen angetan hat kann Faraday ja nicht wissen, auch wenn sie es vielleicht ahnt. Aurian antwortet tapfer, erzählt von irgendwelchen Komplizen der Kanalratten oder sogar ehemaligen Kanalratten, die jetzt jedenfalls nichts dergleichen mehr sind, sondern höchstens Futter für die Würmer, weil hingerichtet in der Steinfaust. Bei ihrer nächsten Bewegung schwimmen Aurians Augen vor Tränen, Tiuri kann es nur in ihren Worten hören als sie Faraday nach ihrem Namen fragt. Während die jungen Frauen reden und sich die kleine Ratte schon über das nächste Stück Brot, diesmal in Faradays Hand sitzend, her macht, hat Tiuri Zeit sich umzusehen. Es ist gewissermaßen Ekel erregend und unheimlich. Der Stein aus dem die Höhle ist seltsam verformt und verzerrt, kann Tiuri darin überall bleiche Gesichter sehen, egal wie schwarz der Stein auch sein mag, sehen ihn fahle Augen an und hin und wieder scheinen die Wände zu zittern je länger er sie ansieht, als wollten sie ihn verhöhnen und über ihn lachen wie er so da liegt, schwach und nutzlos, sogar ohne Erinnerungen. Schnell wendet der Junge den Blick wieder ab, aus lauter Angst die Wände könnten doch noch auf ihn nieder fallen, aber sie zittern wohl auch nicht, denn keine der beiden Frauen reagiert irgendwie darauf, oder sie bemerken es einfach nicht. Vinur hört einen Moment zu fressen auf und schaut ihn mit seinen schwarzen Kulleraugen direkt an, als wolle er ihm sagen, dass er versteht was Tiuri denkt und fühlt und dass er sich keine Sorgen machen soll. Aber der Moment geht schnell vorbei als sich der Nager wieder seinem Brot widmet und scheinbar nichts mehr um sich her mit bekommt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 21. Dez. 2004, 22:05 Uhr
Stumm hatte Blutaxt den Worten von Whytfisk zugehört, und der letzte Satz dröhnt noch in seinem Kopf nach als die Ölhaut hinter ihm zu fällt. Zu gerne hätte Blutaxt einen Blick auf Raven geworfen, oder wäre sogar in ihre Zelle gegangen, nur um ihr Gesicht bei seinem Anblick zu sehen. Aber der Meister hatte zur Eile gerufen und Blutaxt durfte sich keinen Fehler erlauben, nicht einen einzigen, denn Whytfisk würde Wort halten und ihm selbst den Hals durchschneiden. So wirft Blutaxt nur einen kurzen Blick in Richtung der Felsenkammer, zu der sie Raven gebracht haben, ballt die Fäuste und eilt dann in Richtung Honigwabe davon.

Die Honigwabe trägt ihren Namen heute mit Berechtigung, denn sie summt wie ein ganzer Bienenstock. Überall suchen Männer eilig ihre Waffen zusammen und bilden sich teilweise zu kleinen Gruppen, die dann in den Gängen verschwinden. Der Rest bleibt in der Honigwabe versammelt und wartet auf die Befehle von Whytfisk. Blutaxt nimmt sich zwölf Männer, denen er vertraut und mit denen er schon oft gekämpft hat, und die auf nur ein Handzeichen von ihm reagieren. Er erklärt kurz worum es geht und bricht dann mit den Männern auf, um in die dicke Betha zu gehen.

Die Luft in den Gängen scheint von Spannung angefüllt zu sein und Blutaxt ahnt, dass es nicht mehr lange dauern wird, ehe sich diese Spannung entläd. Seine eigenen Nerven sind zum Zerreissen gespannt und er schärft seinen Männern noch einmal ein, den Sturmlord nicht zu töten. Er beschreibt den Männern Caewlin genau, damit sie ihn nicht verwechseln können.

Die Gruppe eilt die Gänge entlang und eilig huschen Ratten vor ihnen davon. Ihr spürt es auch nicht wahr? Unser Tag der Rache ist da! Sie erreichen den Gang, der zu der verborgenen Tür in der Orchidee führt. Blutaxt glaubt zwar nicht, dass der Sturmlord, nach allem was er von ihm gehöhrt hat, diesen Weg wählen würde, aber er stellt trotzdem vier Männer in der Nähe auf um sicher zu sein. Nochmals schärft er ihnen ein, dem Sturmlord nichts zu tun, ausser ihn in die Nähe der Quartiere und der Honigwabe zu locken und somit direkt in Whytfisk Arme. Er stellt die restlichen Männer an Quergängen der Dicken Betha auf, immer so dass man sie nicht sehen kann, selbst im Fackelschein nicht.

Er selbst bleibt auch in einer Nische stehen, die nahe dem Zugang von der Unterstadt ist und dann beginnt das Warten und nichts ist nervenaufreibender als in der fast undurchdringlichen Finsternis zu stehen und auf etwas zu warten, von dem man nicht genau weiss, was es ist. Blutaxt Gedanken wandern schliesslich wieder zu der kleinen Hure aus der Oberstadt, die ihn damals so hintergangen hat, und ihm den Spass mit ihr reichlich verdorben hatte. Er weiss, er kann ihr jetzt noch kein Haar krümmen, aber er hofft, dass er wenigstens das Messer führen darf, das ihre Kehle vor den Augen des Normanders aufschlitzt. Das wäre ein wahres Vergnügen, auch wenn ihm dann das wirkliche Vergnügen und seien wirkliche Rache versagt bleiben würden. Er schwelgt noch eine ganze Weile in diesen Vorstellungen ehe er einen lautlosen Rundgang zu den anderen Männern beginnt, weil er  nicht mehr still stehen kann und er sich versichern will, dass alle auch auf ihrem Posten und wachsam sind. Immer wieder lauscht er in den Gang, aber ausser dem gelegentlichen Tapsen von Rattenfüssen oder dem Scharren eines der Stiefel von einem seiner Männer, ist in den Gängen nichts zu hören. Eine Tatsache, die ihm überhaupt nicht gefällt, weil sie ihn zum nichts tun verurteilt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 22. Dez. 2004, 13:18 Uhr
"Etwas Ruhe wird uns allen gut tun. Wenn ich mir die Wunde gleich besehen soll, dann sagt es." Phelan mustert Caewlin, das blutige Chaos um sie herum ignorierend. "So etwas hab ich noch nicht erlebt. Verschwinden einfach im Schatten. Wer weiß, was für Kerle uns hier noch begegnen werden, aber ich hoffe, es werden nicht noch mehr von der Sorte." Wenn wir den Hund nicht gehabt hätten... er hätte uns die Kehlen aufschneiden können, noch ehe wir auch nur die Hand gehoben hätten. Worauf hast du dich hier nur eingelassen, Phelan Desmond. Die beiden Pfeile lässt er wo sie sind, denn er hat keine Lust auch nur einen Handgriff mehr als nötig an dieses stinkende Gesindel zu legen. Er fühlt sich noch keineswegs müde oder erschöpft, aber er hat auch keine so schweren Waffen geschwungen wie seine beiden Begleiter. Die Zeit des Kampfes wird kommen. Eine düstere Vorahnung streift Phelan mit lautlosen Schattenschwingen und verschwindet so plötzlich wie sie gekommen ist. "Gehen wir. Ich habe kein gutes Gefühl die drei allzu lang allein zu lassen."

Sie lassen ein Miniatur-Schlachtfeld hinter sich zurück und die plötzliche Stille in den Gängen ist unerwartet bedrückend und unheimlich. Wer weiß wie viele von denen hier unten herumschleichen. Der Geruch von Blut hängt schwer und süßlich in der Luft, noch drückender als der restliche Gestank. Aber auch das bleibt hinter ihnen, als sie den Zellentrakt endgültig verlassen. So sehr es Phelan vor all den erdrückenden Wänden, vor dem Boden, vor den neugierigen Ratten, vor dem Dreck hier unten graust, so scheint es ihm doch, als könne er wieder durchatmen. Es drängt ihn in die ausgebrannte Halle zurückzukehren, denn er hat ein ungutes Gefühl. Vielleicht lassen sie uns schnurstraks in eine Falle rennen.

Nichts geschieht, und sie erreichen ungehindert den Ort, den der Nordmann als Rastplatz ausgewählt hat. Die drei drängen sich dicht zusammen und blicken ihnen mit großen Augen und ängstlichen Gesichtern entgegen. Warum dieser Ort so sicher sein soll weiß Phelan nicht, aber er spürt deutlich, dass hier etwas geschehen sein muß, vor dem selbst die Kanalratten Respekt haben. Vielleicht würde er es irgendwann erfahren, vielleicht auch nicht. Einerlei.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 22. Dez. 2004, 18:04 Uhr
"Aurian.. hm... klingt schön... irgendwie." Faradays Augen funkeln, dann senkt sie den Blick und zieht die Schultern nach vorne. "Ich heiß' Faraday. Weißt du nun, warum du da bist oder nich'?" Ihre Stimme klingt weitaus nicht so unfreundlich wie die Worte sich anhören - oder wie es Faraday eigentlich gerne hätte. Und wie lang? Warum lebt sie denn überhaupt noch? Faraday ahnt, dass diese junge Frau nicht nur irgendein Mädchen ist, das die Kanalratten einfach so mit in ihr unterirdisches Reich genommen hatten. Oder sie wollt'n sie einfach langsam zu Grunde richten. Sie schüttelt sich unwillkürlich und ihr wird klar, wieviel Glück sie gehabt hat. Das könnt' ich sein... Das Brot schmeckt auf einmal so bitter, dass Faraday es weglegt. "Wir kommen hier raus, wirst schon sehen." Und irgendwie schafft sie es unerwartet zuversichtlich zu klingen. "Ihr hättet sehen sollen, wie sie die zwei Kanalratten geschafft haben. Die haben nicht mal 'oh' sagen können, schwupp, schon lagen sie flach." Sie fühlt sich auf einmal so stolz, als wäre sie es gewesen, die die Pfeile abgeschossen hat. "Und ich hab Licht gemacht. Damit wir überhaupt zu euch finden. Hier." Faraday hebt den Kristall auf, den sie zuvor auf das Fell gelegt hat um die Ratte füttern zu können. "Is' das nich' toll? Der leuchtet, einfach so." Sie blickt voller Verwunderung den Lichtstein an und hat das Gefühl, als könne sie ewig hier im Finstern sitzen, in das Leuchten schauen, als halte sie die Sonne in der Hand. So müssen sich Götter fühlen, oder große Zauberer.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 22. Dez. 2004, 21:01 Uhr
Sie kehren in fast völliger Finsternis in die Halle zurück. Caewlin geht zwischen Phelan und Borgil, blind wie eine Fledermaus, Akira so dicht neben ihm, daß er ab und an den schweren, warmen Hundeleib an seinem Bein spüren kann. Sie können das Funkeln des Kristallsteins sehen, lange bevor sie das provisorische Lager und ihre Schützlinge erreichen. >Is' das nich' toll? Der leuchtet, einfach so.< Beinahe hätte er gelacht, aber plötzlich spürt er Wut in sich. Wut auf diese ganze beschissene Situation, Wut auf das Mädel, Wut auf den schwarzen Stein ringsum, Wut auf Whytfisk, Wut auf Raven - und am meisten ist er wütend auf sich selbst. "Ja, toll. Deck das Licht ab oder stell dich gleich hinaus in den Gang und schrei: hier sind wir!" Knurrt er, dann wendet er sich ab und lehnt sich an die Wand. Der Schmerz in seiner Seite pocht dumpf, ist aber auf ein erträgliches Maß geschrumpft und sein Magen knurrt vernehmlich. Er wühlt in seinem Proviantbeutel nach etwas Eßbarem, nimmt sich Dörrfleisch und einen Kanten Brot und läßt sich dann auf seine Felle sinken.

Caewlin legt den Morgenstern griffbereit neben sich und streckt die schmerzenden Beine aus. Akira rollt sich neben ihm zusammen, legt den Kopf auf seine Knie und er wirft ihr einen Brocken Fleisch hin. Er verschwindet zwischen ihren Kiefern und Caewlin streichelt ihr die blutige Schnauze. Er will die Wände nicht sehen, die verformt und geschmolzen und wieder erkaltet sind, er will die Asche nicht sehen, unter der sich vielleicht noch mumifizierte Wurmleichen und verkohlte Skelette befinden, er will die Halle nicht sehen, die lichterloh gebrannt hatte, als er das letzte Mal hier gewesen war. Inmitten von Freunden und Kampfgefährten, meine Frau an meiner Seite. Und ihre Stimme... Für einen Moment kann er sie in seinen Gedanken hören, so deutlich, als stünde sie neben ihm und sänge... und plötzlich verraucht seine Wut wie Nebel in der Sonne und zurück bleibt nur eine Art trockener Melancholie. Er hatte gehofft, diese Tunnel und Kanäle hier unten nie wieder sehen zu müssen. Bin ich schon wieder hier, tja. Ohne Tunnel und Rattendreck kann ich einfach nicht leben... Er will keinen seiner Gefährten ansehen, die Whytfisks irre Rachepläne vielleicht alle in den Tod zieht.

Bist du deshalb allein hier heruntermarschiert, Raven? Weil du niemanden in diese Sache hineinziehen wolltest? Zu spät, Schwesterherz. Whytfisk hat dich und ich laufe direkt in seine Arme, wie ein braves, braves Hündchen. Eine huschende Bewegung zieht Akiras Aufmerksamkeit auf sich und die Bluthündin ruckt hoch. Caewlin erwischt sie gerade noch am Nackenfell, ehe sie die scheinbar zahme Ratte des Jungen gejagt hätte. "Gjallad, Akira. Diese nicht." Caewlin hält die Hündin noch einen Moment fest, die mit gelben Augen ihrer vermeintlichen Beute nachstarrt, bis er sicher ist, daß sie gehorchen wird und lehnt dann den Kopf an den kalten Fels hinter ihm. Er ist todmüde, aber Schlaf würde er hier unten keinen finden... jedenfalls glaubt er nicht daran. "Borgil." Der Zwerg, dabei etwas zu essen, blickt auf. "Während Phelan sich um die Verletzten kümmert," er nickt in Richtung des Waldläufers hinüber, der bereits damit begonnen hat, die Hand des Jungen genauer in Augenschein zu nehmen und sich dabei von dem Rotzgör mit dem Kristallstein leuchten läßt, "würdet Ihr die erste Wache übernehmen?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 23. Dez. 2004, 14:22 Uhr
In einer Felsenkammer

In der Kammer herrschen Stille und undurchdringliche Finsternis wie in einem kalten Grab. Die einzigen Geräusche, die Raven wahrnehmen kann, sind ihr eigener stolpernder Herzschlag und ihr Atem, der rasselnd aus ihren Lungen dringt und in dem hohen, steinernen Gewölbe ein gespenstisch hallendes Echo von den Wänden zurück wirft. Nicht einmal das Trippeln und Huschen kleiner, krallenbewehrter Pfoten ist zu hören, auch nicht das Rascheln von Mäusen im Stroh oder das schrille Pfeifen der Ratten, die außerhalb ihres Gefängnisses zu tausenden den Kanal bevölkern. Wahrscheinlich wagen sich in diese Gruft nicht einmal Käfer und Spinnen. Selbst die würden einen riesigen Bogen um etwas machen, das so nach Tod stinkt wie dieser Kerker. Raven hat sich so tief im modrigen Stroh verkrochen wie nur irgend möglich, die Beine eng an den Körper gezogen, doch die eisige Kälte, die aus dem nackten Felsgestein dringt, kriecht ihr trotzdem in alle Knochen und lässt sie am ganzen Leib schlottern. Immer wieder übermannen sie Erschöpfung, Fieber und Schmerzen und die Phasen, in denen sie wach und bei klarem Bewusstsein ist, werden immer seltener und immer kürzer. Und ihr ist es fast willkommen, denn mit dem klaren Geist kehren auch jedesmal bitterböse Gedanken zurück und sie will nicht denken, nicht darüber nachgrübeln, nicht diese höhnische Stimme ihres Gewissens hören, die sie einen nichtsnutzigen Verräter schimpft, der seine Freunde ans Messer liefert.

Ihre Gedanken kreisen unablässig um all das, was in den letzten Stunden geschehen ist und es scheint ihr beinahe unfassbar, dass es kaum einen Sonnenlauf gebraucht hat, ihr ganzes Leben aus den Fugen geraten zu lassen. Vor zwei Tagen schien die Welt noch völlig in Ordnung gewesen zu sein und nun hockt sie verletzt in einem kalten Kerker, einem geisterbleichen Irren mit seiner Armee aus zerlumpten Kanalratten ausgeliefert und wartet auf ihren Tod. Helfen wolltest du und ein Leben retten und was ist daraus geworden? Du hast es nur geschafft, Caewlin noch mehr in Gefahr zu bringen und direkt in Whytfisks Arme zu treiben. Hast du wirklich geglaubt, du könntest ihm trotzen mit deinem jämmerlichen Heldenmut und deiner großen Klappe? Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen, nicht einmal dein Gefährte wollte mehr bei dir bleiben, nicht einmal er, der dich niemals verlassen wollte. Wie spitze, nadelscharfe Eissplitter sind die Gedanken, die Wunde um Wunde stechen und sie fast den Verstand verlieren lassen, doch es gelingt ihr nicht, sie auszusperren, so sehr sie sich auch bemüht.

Die Schmerzen in den Rippen und der glühend heißen, geschwollenen Schulter sind zu einem grimmigen Pochen geworden und mit jeder kleinen Bewegung brüllt eine neuerliche Schmerzwelle von den Kiefern bis zu den Fingerspitzen durch ihren Arm. Sogar das Gewicht des Lederwamses, das auf der Verletzung scheuert, wird allmählich unerträglich. Mit zitternden Fingern versucht Raven, das Wams zu öffnen und ein wenig nach oben zu schieben, so dass es nicht direkt auf der Wunde zu liegen kommt, doch ihre Rechte flattert so sehr vor Kälte, dass sie die Schnallen kaum öffnen kann. Nach einigen ungelenken Versuchen gelingt es ihr schließlich, doch Erleichterung bringt auch das kaum und die Schmerzen lassen trotzdem nicht nach, als sie die Rechte erschöpft wieder sinken lässt. Es geschieht dir nur recht. Du hast dir den Tod wahrlich verdient und Whytfisks sämtliche Foltern wären noch nicht genug Strafe für das, was du getan hast.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 25. Dez. 2004, 19:52 Uhr
In der ausgebrannten Halle


Sehr einladend sieht ihr provisorisches Lager in der leeren, stinkenden Halle nicht gerade aus, von geschützt oder gut zu verteidigen ganz zu schweigen - allerdings haftet diesem Ort etwas an, daß ihn durchaus glauben läßt, hier vor Kanalratten sicher zu sein. Selbst er - und er ist ein Zwerg, tief in Felsgestein und schwarzer Erde geboren und an solchen Orten gewöhnlich Zuhause - meidet den Blick auf die verrußten Wände und den geschmolzenen Stein. Caewlin blafft die kleine Diebin an und Borgil wirft ihm einen scharfen Blick zu, doch der Nordmann sieht keinen von ihnen an. Er hat die Augen geschlossen, sich auf seinen Schlaffellen sitzend an die Wand gelehnt, seinen monströsen Bluthund neben sich. Caewlin hört sich müde an -  oder resigniert und sein narbiges Gesicht ist so verschlossen wie eine verriegelte Tür. Hmpf. "Die erste Wache. Aye, gut." Borgil packt Speck, Brot und Käse wieder ein und erhebt sich ächzend. "Ich wecke Euch dann in vier Stunden."

Die Axt über der Schulter bezieht er Posten auf den abschüssigen Steinstufen am Eingang zur Halle und späht in die ewige Dunkelheit der Gänge und Tunnel hinaus, für seine Zwergenaugen zwar nicht unbedingt in allen Einzelheiten, aber durchaus noch zu erkennen. Einen Kristallstein nimmt er sich nicht mit - wenn Caewlin wegen einem kleinen Licht viel weiter hinten schon so einen Aufstand veranstaltete, dann würde er ihm wahrscheinlich glatt den Schädel einschlagen, sollte er hier vorn auch nur einen Kienspan entzünden. "Naja gut," grollt Borgil flüsternd in seinen Bart. "Er hat ja Recht. Selbst wenn Kanalratten diese Halle für Gewöhnlich meiden, man soll es ja nicht beschreien."
Seine Wache vergeht recht ereignislos - bis auf das gelegentliche Scharren einer in den Tunneln vorbeihastenden Ratte und dem ewigen Tropfen von Wasser irgendwo weiter entfernt ist alles still, geradezu verdächtig ruhig.

Ab und an wirft er einen Blick über die Schulter auf das Lager hinter sich, wo Caewlin schläft und Phelan sich eine ganze Weile um die Verletzungen der beiden Befreiten kümmert, bevor auch sie sich zur Ruhe legen. Einmal tappt die Bluthündin heran, schnüffelt an seinem ausgestreckten Handschuh und entfernt sich dann wieder, das Klicken ihrer Krallen mal laut, mal leise auf dem Ascheschlick und Stein des Bodens. Am Ende seiner Wache weckt er Caewlin, der mit finsterem Gesicht und wortlos aufsteht und seinen Platz am Hallenausgang einnimmt, dann legt er sich selbst für eine Mütze voll Schlaf auf dicke, ausgerollte Lammfelle. Argh, mein Rücken!  Ich werde einfach zu alt für solche Abenteuer! Die Unterbringung ist lausig, die Verpflegung bescheiden, die Luft ein einziger Mief und überall gibt's Ratten. Ratten! Selbst der Knirps hat sich schon eine angelacht. Caewlin ist knurriger als ein unausgeschlafener Bär mitten im Winter und von Raven keine Spur. Ach Mädel, Mädel, was machst du nur für Sachen. Mit diesen und ähnlich sorgenvollen Gedanken schläft er irgendwann ein - und als er ein paar Stunden später wieder geweckt wird, hat er das Gefühl, gerade eben mal die Augen geschlossen zu haben.  

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 25. Dez. 2004, 21:49 Uhr
Es scheint eine Ewigkeit zu vergehen ehe ihre Befreier zurück kehren. Ihr Anblick lässt Aurian zusammenzucken: Alle drei sind blutverschmiert, gezeichnet von den Spuren eines Kampfes. Der mächtige Hund an der Seite des Nordmannes scheint seinen Teil beigetragen zu haben, seine Schnauze schimmert verräterisch rot. Während Caewlin sich auf den Fellen zur Ruhe begibt und der Zwerg am Eingang Wache schiebt, beginnt der Heiler sich um Jens Hand zu kümmern. Die zahme Ratte des Jungen beäugt ihn misstrauisch, als wolle sie ihren menschlichen Freund beschützen. Faraday leuchtet ihnen mit jenem seltsamen Stein, den sie schon die ganze Zeit bei sich trägt und das grüne Licht wirft unheimliche Schatten an die schwarzen Wände, die seltsame Formen bilden. Der Ort soll eine Zuflucht sein und strahlt gleichzeitig eine bösartige Aura aus, die sie noch etwas mehr zittern lässt. Sie sehnt sich nach Schlaf, ihr von den Schlägen misshandelter Körper schreit nach Ruhe und spiegelt dabei den Zustand ihrer Seele wieder: Gequält, gedemütigt, misshandelt. Wenn ich die Augen schließe, vielleicht wach ich nie mehr auf und alles ist vorbei? Sie weiß, dass dieser Gedanke vollkommen irrational ist, aber sie kann nicht mehr und während der Heiler Jen versorgt, döst sie ein.
Dunkelheit, Kälte und ein Gesicht, erst wenige Male gesehen und doch eingebrannt in ihrem Gedächnis. Gierige Augen, schmutziges Gelächter und das Gefühl von Händen. Weg! Lass mich! Gefangen in ihrem Traum stöhnt sie auf, ehe sie, um sich schlagend, mit einem leisen Aufschrei erwacht. "Lass mich, geh weg, nicht!" Nackte Angst steht in ihren Augen, panisch fliegt ihr Blick durch den Raum. Sie nimmt die beruhigenden Worte des Heilers nicht wahr, nur eines hat sie im Sinn: Flucht! Doch hinter ihr ist die Wand und sie hat nicht die Kraft, aufzustehen. Der Schnitt an ihrer Wange pocht und wie zum Schutz schlingt sie ihren linken Arm um ihre Knie, während sie ihre Rechte wie zur Abwehr in Richtung des Mannes streckt. Blaue Nebelschwaden umwehen ihre Finger, vermischen sich mit dem grünen Licht des Steines, den Faraday noch immer in der Hand hält. Doch all das nimmt sie nicht wirklich wahr: Ihre überreizten Nerven sehen immer nur ihren Peiniger vor sich und spüren seine Hände, seine Schläge, sein Verlangen. "Nicht ...nicht anfassen! Lass mich, nicht .. nicht nochmal. Verschwinde!" Ihre Stimme ist kaum mehr als ein heiseres Flüstern, das sich in den weiten des schwarzen Raumes zu verlieren droht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 25. Dez. 2004, 22:18 Uhr
In Whytfisks Gemach


Als Whytfisk seinen Weinkelch leert und sein ansonsten karges Mahl beendet, ist die Panik seines Traumes... oder war es eine Vorahnung?... fast vergessen. Der Junge. Seine Männer sind auf ihren Posten, die Nordtunnel sind abgeriegelt... aus der Unterstadt würde sich niemand unbeobachtet seinem Reich nähern. Und wenn sie nicht von Norden kommen? Wispert eine leise Stimme in seinen Gedanken. Einen Moment zieht er die bleiche Stirn in Falten. Nun, dann würden andere sie erwarten. Die Frage ist jetzt nur noch, ob der Nordmann bereits auf dem Weg ist oder ob er... einen gewissen Ansporn brauchen würde. Wir werden sehen. Er hat Zeit und er kann warten - und der Junge würde ihm letzteres versüßen. Aus einer flachen Holztruhe gegenüber seines harten Lagers holt er eine Rolle aus abgewetztem Leder und breitet sie mit fast andächtiger Ruhe auf dem Tisch aus, wie ein Maester, der seine Werkzeuge bereit legt. Im Inneren sind schmale Fächer und der Schein der Talglichter schimmert hell und kalt auf dem Metall ihres Inhalts. Lange, nadeldünne Dolche, glänzender Eisendraht, angespitzter Bambus, rasiermesserscharfe Klingen, dornenbesetzte Fingerschrauben, bösartige Haken, gedrehte Spitzen, dunkel vor Giften, und derlei mehr. Jedes seiner Spielzeuge nimmt er einzeln zur Hand, schärft sie sorgfältig und ölt sie ein, dann ruft er einen seiner Wachmänner herein.

Rorge erscheint und der Blick des bulligen, unrasierten Mannes mit dem strähnigen schwarzgrauen Haar und der schiefen Nase bleibt einen Wimpernschlag lang an den Messern auf dem Tisch hängen, ehe er sich flatternd irgendwo auf Whytfisks weiche Lederstiefel richtet. "Hol mir den Jungen aus seiner Zelle. Badet ihn, fesselt ihn und bringt ihn her." Rorge nickt nur und verschwindet wieder, während Whytfisk seine Werkzeuge einsammelt und sorgsam wieder verstaut. Für den Jungen will er sich Zeit nehmen. Er würde ihn in die Krypta bringen und sein Grab mit frischem Blut tränken. Langsam. Das verräterische Mädchen zu finden würde sicher nicht lange dauern. Fast bedauerlich. Ich habe ihr versprochen, sein Sterben wird so lange dauern, wie es bräuchte, sie aufzuspüren... aber sie soll zusehen, denke ich. Und da sind ja noch... ihre Augen. Soll sein Tod das Letzte sein, was sie sieht. Eine Art düsterer Vorfreude erfüllt sein Inneres und zeigt sich unheilvoll in seinen blassen Augen - dann sind im Tunnel vor seiner Felsenkammer hastige Schritte zu hören und er blickt, verärgert über die Störung seiner Gedanken, auf. Die Ölhaut wird zurückgeschoben, Rorge und zwei weitere Männer drängen herein und melden sichtlich nervös, die Gefangenen wären alle fort, befreit, die Wachmänner getötet, drei Späher vermißt.

Falls Whytfisk diese Nachrichten aus der Fassung bringen, ist ihm davon nichts anzusehen. Er verzieht keine Miene, aber das Flackern in seinen Augen ist erloschen. Kalt und grau wie Nebelrauch heften sie sich auf den Mann, der vor ihm steht und händeringend nach einer Erklärung sucht. "Das ist er..., M'lord. Bestimmt. Er muß es sein... wer sonst könnte... aber die Schlösser waren unversehrt... die Wachmänner alle auf ihren Posten... keiner der Späher hat irgendetwas gemeldet... selbst die Schattengänger sind tot... zerfleischt von etwas Großem, M'lord, wir wissen nicht von wa-..."
Der Mann stirbt, bevor er seinen Satz beenden kann. Whytfisk wirft den blutigen Kehlkopf achtlos hinter sich und schenkt dem zuckenden Bündel zu seinen Füßen keinen weiteren Blick. Rorge zeigt keine Regung, doch die andere Kanalratte - Whytfisk kennt sein Gesicht, aber seinem Namen hat er nie Beachtung geschenkt - tritt hastig einen Schritt zurück.
"Natürlich ist er das. Aber er ist nicht allein." Whytfisk atmet langsam und beherrscht ein. Pfirsich. Grün. Einatmen. Ausatmen. Pfirsich hinein, Grün hinaus. Er hat den verdammten Hund mitgebracht.
"Da... da...d-da waren auch Pfeile, M'lord. Ein Bogenschütze. O-oder zwei."

Bogenschütze. Bluthund. Caewlin. Wer noch?
"Wie lange ist das her?"
"I-ich weiß nicht genau, M'lord. Ein paar Stunden bestimmt, die Leichen waren nicht mehr warm."
Stunden.
"Schickt nach Blutaxt und seinen Männern. Sie kommen von Süden, nicht aus der Unterstadt. Sie sollen ausschwärmen, Prancies Schenkel und den südöstlichen Abschnitt der Dicken Betha abriegeln. Sofort. Und räumt das hier weg." Er stößt den Toten mit der Stiefelspitze an und wendet sich ohne ein weiteres Wort ab. Es würde einige Zeit brauchen, Blutaxt und seine Leute zu benachrichtigen und in die südlichen Tunnel zu führen... Zeit, die er vielleicht nicht hat. Der Gedanke bringt seinen Traum und die diffuse Angst darin zurück. Zeit. Ich brauche Zeit. Nur ein wenig. Ruhig. Raven ist hier. Er wird kommen. Er muß hierher, irgendwie. Wo sind sie jetzt? Er lauscht mit halbem Ohr darauf, wie Rorge den Leichnam hinausschleift, hört das Kratzen der herabfallenden Ölhaut und ein leises Quieken irgendwo in den Schatten.
Huschende Ratten im Dunkeln. Die einsame Ratte stirbt, aber gemeinsam sind sie stark.  Wo seid ihr? Kommt zu mir, kleine Brüder. Kommt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 28. Dez. 2004, 21:39 Uhr
Mit versteinerter Miene nimmt Faraday den warmen, leuchtenden Kristall herunter und sofort wird die Höhle wieder von den alten Schatten überflutet. Ihr Blick brennt und am liebsten hätte sie dem Nordmann eine patzige Antwort an den Kopf geworfen, aber sie wagt es nicht, beißt stattdessen die Zähne zusammen und presst die Lippen zu einer schmalen Linie aufeinander. Schnell wirft sie Jen und der jungen Frau namens Aurian einen Blick zu, aber zumindest Aurian nimmt keinen Anteil an der offenen Rüge. Sie hat mir ja nich mal meine Frage beantwortet. Mit hochroten Wangen und eisigem Gesichtsausdruck rückt Faraday ein Stück von Jen weg und wickelt sich in ihren Umhang ein. Sollen sie doch alle in den neun Höllen schmoren! Sie hat keine Lust mit irgendjemanden auch nur ein einziges Wort zu reden. Es ist ihr egal, was die drei Männer getan haben, aber sie weiß es sowieso. Was kümmern mich ein paar dreckige Kanalratten und die Probleme anderer Leute? Sollen sie doch alle verrecken hier unten. Mit einem empörten Schnauben schüttelt sie das Haar und sieht dann zu, wie der Heiler sich an Jen's und Aurians Verletzungen zu schaffen macht. Sein Tun ist ihr genauso suspekt wie schon zuvor, auch wenn sie nicht leugnen kann, dass es ihr wesentlich besser geht.

Irgendwann fallen Farday die Augen zu, ohne dass sie etwas dagegen tun kann. Auch wenn sie weder Fieber noch Schmerzen spürt, so wütet die Grippe doch nach wie vor in ihrem Körper und fordert ihren Tribut. Ihr Traum ist tief und schlaflos, jedoch so erholsam wie selten zuvor. Faraday ist fast verschwunden unter dem Umhang und dem Fell, in das sie sich im Schlaf eng gekuschelt hat. Lediglich eine Flut dunkler Locken kündet davon, wer dort auf dem Boden liegt. Mehrere Stunden vergehen, ehe sie langsam wieder zu sich kommt. Seltsame Bilder treiben vor ihrem inneren Auge vorbei wie Gondeln auf einem stillen Fluß. Da ist dieses dunkle Haus, dessen Türen sich nicht mehr öffnen lassen, weil draussen viele, viele Schritt hoch der Schnee liegt. Nicht einmal aus den Fenstern kann man mehr sehen, dort ist alles weiß. Dann ist da diese Gestalt, die durch das Haus schleicht, während Faraday sich in der Dachkammer versteckt. Sie kann die Person unten beobachten, ein schlanker, nicht allzu großer Schatten: eine Frau mit braunem, langen Haar. Faraday stösst sich oben ab und landet unten auf dem Rücken der Einbrecherin - und sie ist in diesem Moment eine Einbrecherin, dass das kleine Häuschen mit der Bogenwerkstatt gehört aus unerfindlichen Gründen Faraday - und ringt die Frau zu Boden. Sie will ihr in die Haare greifen und so ihren Kopf zu Boden drücken, doch alles, was sie zu fassen bekommt ist ein dickes Büschel heller, fast weißer Haare, die sich von der Haut lösen als wäre sie nichts anderes als warme Butter, auf der nichts einen festen Halt findet. Faraday springt auf und starrt ihre Hand an, ehe sie die Faust öffnet und die Haare wie feine, weiche Schneeflocken zu Boden sinken. Die Frau auf dem Boden liegt noch immer auf dem Bauch, aber sie kichert, leise, gehässig und unendlich boshaft. Langsam richtet sich die Gestalt auf. Faraday weiß mit einem Mal, dass es nicht Raven ist, die sie da vor sich hat, sondern jemand ganz anderen. Jemand, dessen Haut die Farbe von frischem Kalk hat und dessen Augen so kalt und leblos sind wie der Himmel an einem trüben Wintertag. Panisch versucht sie zu flüchten, hinaus aus dem Raum, hinein in den nächsten, nur um festzustellen, dass sie wieder im selben Zimmer gelandet ist. "'s gibt keinen Weg für dich. Hier's es vorbei, kleines Mädchen. Färaadaii! Vorbei!" Dann ist er über ihr, so schnell, dass Faraday nicht einmal seine Bewegung wahrgenommen hat. Er wirft sie zu Boden, kniet über ihr und atmet ihr seinen fauligen, stinkenden Atem ins Gesicht. "Lass mich, geh weg, nicht!"

Faraday schreckt hoch. Kleine Schweißtropfen stehen auf ihrer Stirn, aber ihre Hände sind eiskalt. Bibbernd zieht sie den Umhang enger um sich. "Nicht ...nicht anfassen! Lass mich, nicht .. nicht nochmal. Verschwinde!"  Aurian. Es ist gar nicht ihre eigene Stimme gewesen, welche sie aus dem Schlaf gerissen hat, sondern die der anderen. Sie nimmt den Lichtstein wieder auf, den sie zuvor in den Falten ihres Umhangs verborgen hat und beobachtet die junge Frau mit einer Mischung aus Furcht und Abneigung und - Mitleid. Sie hat so viel Angst. Was haben sie nur mit ihr gemacht? Schaudernd denkt Faraday an die stinkenden, ungepflegten Männer zurück und der Gedanke an eine einzige Berührung durch diese Finger lässt ihr sich den Magen umdrehen. Jen zwischen ihnen schläft, die Männer sehen womöglich herüber, aber das ist im Moment zweitrangig. Keiner von ihnen sollte diese Frau nun anfassen, wenn auch nur um sie zu beruhigen. Langsam, auf allen Vieren, kriecht Faraday über Jen hinweg zu Aurian hinüber und erst jetzt fällt ihr die blauen Nebelfetzen auf, die ihre zur Abwehr ausgestreckte Hand umwehen wie ein Schleier, der im Wind weht. Faraday zuckt zurück, starrt erst die Hand an und dann wieder die schreckgeweiteten grünen Augen. Langsam hebt sie ihre Hand, voller entsetzter Faszination, bis sie Aurians Finger berühren kann. "'s is gut. Hier tut dir keiner was." Sie weiß selbst nicht, warum sie das tut. Diese Frau trösten, die ihr so unsympathisch ist und deren Hand berühren, deren Umgebung vor Magie geradezu knistert. Aber sie tut es dennoch und die düstere Höhle und alles um sie herum ist für einen Moment in Vergessenheit geraten.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 29. Dez. 2004, 20:36 Uhr
In einer Felsenkammer


Ihr Schlaf ist wenig erholsam und kaum mehr als ein kurzes, unruhiges Dösen, immer wieder unterbrochen von Schmerzen und wirren Fieberträumen, die sie mit klopfendem Herzen hochschrecken lassen. Als Raven die Lider aufschlägt, starrt sie nur in abgrundtiefe Dunkelheit und wilde Panik schnürt ihr auf einmal die Luft ab, weil sie sich in den umnebelten Augenblicken zwischen Traum und Wirklichkeit nicht zurechtfindet und einen Moment lang nicht weiß, wo sie sich befindet und was geschehen ist. Erst als die Erinnerung an die vergangen Stunden - oder sind es Tage? - zurück kommt, beruhigt sich ihr flatternder Herzschlag wieder ein wenig. Wie lange sie wirklich schon hier in dem kalten steinernen Kerker sitzt, ohne Licht, ohne Wasser, ohne jemanden zu sehen oder zu hören, kann sie beim besten Willen nicht mehr einschätzen. Die Zeit, hier tief unter der Erde, in den verborgenen Eingeweiden der Stadt, scheint zu kriechen und jede einzelne Sekunde dehnt sich zu einer lähmenden Ewigkeit. Ob es dort oben in der Stadt wohl gerade Tag oder Nacht ist? Rasselnder Husten dringt aus ihrem Brustkorb, als sie sich ein wenig aufrichtet und ihre vom Sitzen gefühllos gewordenen Beine ausstreckt und die Frage verschwindet so schnell wieder aus ihren Gedanken, wie sie aufgetaucht ist und geht in Schmerzen und brennenden Durst unter.

Hinter ihrer fieberglühenden Stirn scheint alles zu kreiseln und sie fühlt sich, als würde sie durch dicke, zähe Nebelschwaden waten, die alles fern und fremd und unwirklich erscheinen lassen. Erschöpft lehnt sie den Kopf zurück an die kalte Felswand, darauf bedacht, sich dabei so wenig wie möglich zu bewegen, um nicht wieder eine Schockwelle aus Schmerz durch den Arm rasen zu lassen. Sie ist kaum mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen und all ihre Sinne funktionieren nur noch quälend langsam, die Finger und ihre Füße sind steif vor Kälte. Ob überhaupt noch einmal jemand diese Tür aufschließen wird? Oder lassen sie mich hier einfach still und leise sterben? Wenn ich nur einen Schluck Wasser hätte.... Ihre Kehle fühlt sich mittlerweile so trocken und ausgedörrt an wie die azurianische Wüste und das Schlucken und das Atmen fallen ihr unendlich schwer. Sie weiß, dass sie dieses Wundfieber und die Verletzungen an ihrem Lungenflügel und dem Schlüsselbein kaum lange überleben kann, aber irgendwie ist sie beinahe froh darüber, denn so hat sie zumindest eine kleine Chance, durch einen schnellen Tod Whytfisks grausamer Rache zu entgehen. Eine erneute Begegnung mit ihm wagt sie sich im Moment gar nicht vorzustellen und erst recht nicht, was dadurch vielleicht noch auf sie zukommen würde.

Er ist nur ein Mensch! betet sie sich verzweifelt vor. Ein ganz gewöhnlicher sterblicher, rattendreckfressender Scheißkerl - er ist kein Dämon aus den neun Höllen und er kann mir nichts weiter tun als mich umzubringen. Deswegen bin ich ja schließlich hier.... Aber bei der Erinnerung an diese seltsam milchigweißen Augäpfel mit ihrer farblosen Iris beschleicht sie eine dunkle Ahnung, dass er sich von den zahllosen Arten, jemanden zu töten, wohl kaum die kürzeste und schmerzloseste aussuchen wird. Wenn ich nur wüsste, was ich ihm über Blaeran erzählen soll. Wenn ich nur wüsste, was er noch alles plant .... und wenn ich nur wüsste, wo Caewlin ist und ob er wohlauf ist. Hoffentlich ist er nicht so wahnwitzig, wirklich gleich hier herunter zu kommen, wenn ich nur mehr Zeit hätte, mehr Zeit... vielleicht könnte ich doch noch irgendetwas tun ... Aber was? Sie weiß im Moment einfach keine Lösung, keinen Ausweg aus diesem fest verschlossenen Verlies und der hoffnungslosen Situation. Ein Gedanke jagt den nächsten, wirr und verzweifelt, und sie ficht einen aussichtslosen Kampf mit sich selbst. Ein kleiner Funke Lebenswille, der in ihrem Inneren unermüdlich glimmt, versucht sie anzustacheln, flüstert ihr ein, zu flüchten, zu versuchen die Ketten abzustreifen, die Wachen zu überlisten, irgendwohin zu entkommen, wo sie in Sicherheit wäre, doch ihre Kraft reicht kaum noch aus, sich zu bewegen, geschweige denn einen Fluchtversuch zu unternehmen und so lässt sie nur resigniert den Kopf sinken, schließt die Augen und wartet.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 29. Dez. 2004, 22:01 Uhr
Für Tiuris Geschmack sind die drei Krieger schon fast zu bald wieder da. Zwar ist der Ort an dem sie sich befinden seltsam ungemütlich und von unheimlicher Stimmung, auch hat der Junge immer noch Schmerzen, aber andererseits ist es eine erleichternde Ruhe hier zu liegen und zu wissen, dass er sich um nichts zu kümmern braucht, mehr noch, er kann im Moment gar nichts zu. Einfach nur hier bleiben und ruhen ist das einzig mögliche und mehr will Tiuri auch gar nicht. Liegen, schlafen, erholen und an nichts denken müssen, sich nicht fürchten zu müssen, obwohl er das gar nicht so recht abschalten kann, selbst wenn er das will. Die seltsamen Wände sieht er einfach nicht mehr an, dann können sie ihn auch nicht stören und es kann ihm nicht davor grauen was er sieht.
Doch die drei Männer kommen zurück, blutverschmiert und noch schlechter gelaunt als vorhin, zerstören sie das bisschen Ruhe das sich sogar in diesem ungemütlichen Ort ausgebreitet hat.
Der Große lässt sich auf seine Felle neben seinen ebenso riesigen Hund fallen und hält selbigen gerade noch davon ab den kleinen Vinur mit einem Happen hinunter zu schlucken. Dabei ist das Maul des Hundes schon blutverschmiert, eigentlich müsste er schon genug gefressen haben. Das ist auf jeden Fall der Gedanke der Tiuri dabei durch den Kopf geht. Litli-Vinur hat sich etwas spät, aber doch, wieder in Tiuris Hosentasche verkrochen.
„Du bist zu unvorsichtig!“ murmelt Tiuri der Ratte zu und stemmt sich dann einigermaßen mühsam hoch, weil das Spitzohr sich noch einmal seine Hand näher ansehen will. Tiuri weiß zwar nicht was das genau bringen soll, aber er macht brav was von ihm verlangt wird, schließlich sind die Männer und Faraday seine Retter und was anderes als Dank und Anerkennung haben sie nicht verdient. Vinur betrachtet das Geschehen für einen Moment misstrauisch aus Tiuris Hosentasche hinaus, nur um sich dann sofort wieder zu verkriechen. Der Junge achtet nicht auf sie, es ist anstrengend genug für ihn sich auf die Dinge zu konzentrieren die das Spitzohr mit ihm und seiner Hand macht. Erst drehen und wenden, dann biegen und positionieren, wobei sich alles anfühlt als würde er ihm die Finger gleich noch einmal brechen. Hin und wieder ist Tiuri danach dem Spitzohr die Hand einfach zu entreißen und sich irgendwo zum Schlafen nieder zu legen, aber er ist zu alt für Trotzreaktionen und sagt sich gedanklich einfach immer wieder vor, dass das alles zu seinem Besten ist, dass er auch schon weit schlimmeres gefühlt hat und Schmerz erträglich ist.
Mit diesen Überlegungen und Gedankengängen lenkt Tiuri sich für einige Zeit ab, auch wenn er dabei an nicht weniger miese Zeiten erinnert wird und es auch nicht hilft den Schmerz zu vergessen.  
Nach dem sich das Spitzohr um Tiuris Hand gekümmert hat, gibt er ihm einige Blätter zu Kauen. Das ist zwar eher eine trockene Angelegenheit und auch geschmacklich nicht unbedingt Tiuris Lieblingsspeise, aber was ihn wirklich zum Husten bringt, sind die Schlucke aus der Flasche des Spitzohrs die er dann nimmt. Schließlich wendet sich das Spitzohr noch einmal Tiuris Hand zu und der Junge erkennt, dass er sich die Finger bis jetzt nur angesehen hat, eingerenkt sind sie noch nicht. Tiuri beißt die Zähne zusammen, aber der Schmerz ist doch stark, weil die Finger schon angefangen haben falsch zusammen zu wachsen.
Nur nicht schreien, du musst nicht zeigen wenn du Schmerzen hast! Sei ein Mann.
Nach der Behandlung sind die Finger einigermaßen gerade, wenn sie auch nicht weniger weh tun als vorher, eher im Gegenteil.
Schließlich legt der Heiler ihm die Hand auf die Stirn, schließt die Augen und zusätzlich zu dem Dröhnen in seinem Kopf, fügt sich ein leises Kribbeln und schließlich sogar ein brennendes Gefühl unter der Hand des Mannes, bis der Schmerz langsam nachlässt und das Dröhnen und Pochen mit sich nimmt, genauso wie einen guten Teil der Schwäche und des gnadenlosen Schwindelgefühl. Zwar ist Tiuri noch weder ganz gesund, noch wieder ganz bei Kräften, aber er hat nicht mehr das Gefühl als könnte er nie wieder aufstehen und hätte keine Möglichkeit sich auf den Beinen zu halten. Auch der Schmerz in der Brust ist zurück gegangen, schnürt ihm nicht mehr die Luft ab und reizt ihn nicht jeden halben Augenblick zum Husten. Das Gefühl nicht mehr völlig invalide zu sein ist beruhigend, als wäre die Möglichkeit, dass sie die Kanalisation lebend verlassen, um einen Gutteil gestiegen.
„Danke“, Tiuri hat sich auf das Fell zurück gelegt und schon die Augen geschlossen, seine  Stimme ist viel klarer, wenn auch noch leise und etwas rauer als gewöhnlich, als sich das Spitzohr von ihm abwendet und zu Aurian geht.
Diese wiederum scheint von der Tatsache, dass ihr jemand zu nahe kommt gar nicht begeistert und schießt mit blauen Nebelschwaden um sich, wobei Tiuri obwohl er erstaunt ist, sich nicht rührt und nur die Augen aufreißt und dem Mädchen ungläubig auf die Finger schaut. Er hat eine Menge gehört und gesehen im letzten Jahr, aber so etwas ist ihm noch nicht untergekommen und er fragt sich, wie so oft wenn er etwas scheinbar neues sieht, ob er das denn vielleicht schon früher einmal erlebt hat und ob das denn die meisten Leute jemals zu Gesicht bekommen. Auf jeden Fall kommt es dem Jungen seltsam vor und er glaubt nicht, dass die meisten Leute so etwas zustande bringen würden. Aurian sieht aus wie die personifizierte Panik, verkriecht sich immer weiter in die Ecke und stiert fast schon durch das Spitzohr hindurch, ohne ihn dabei wirklich zu sehen. Sie flüstert irgendetwas vor sich hin, es ist zu leise für Tiuri um es zu verstehen, aber er kann trotz allem die Angst hören die darin mitschwingt. Zu gern hätte er ihr beruhigend die Hand auf die Schulter gelegt, aber das würde es in diesem Moment wohl noch schlimmer machen und er kann nicht leugnen, auch wenn er es sich selbst gegenüber nie zugeben würde, dass ihn die blauen Nebelfetzen doch irgendwie beunruhigen.
Es ist schließlich Faraday die über ihn hinweg zu Aurian steigt und das ist auch die beste Wahl und so schließt der Junge einfach wieder die Augen und tut als würde er von alledem nichts mit bekommen, damit Aurian ihre Ruhe hat. Er ist keine Gefahr für sie, im Gegenteil, alles was er braucht sind Freunde und Ruhe und Aurians Vertrauen zu gewinnen wird schwer sein und das will er sich nicht schon jetzt verbauen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 30. Dez. 2004, 10:23 Uhr
Phelan bildet auf dem Rückweg in die seltsame Halle den Kopf der kleinen Gruppe. Borgil stapft mit grimmiger Miene hinter Caewlin her. Sie haben kein Licht bei sich, weswegen sich der Nordmann auf ihre Führung und den Hund verlassen muß. Als sie die letzte Kehre nehmen wird es zusehends heller, was gerade innerhalb der düsteren, drückenden Enge der schmutzigen Tunnel aussieht, als liefen sie der aufgehenden Sonne entgegen. Phelan kneift die Augen zusammen und alle beschleunigen ihre Schritte. Drinnen sitzen die drei noch so da, wie sie sie vor nicht allzu langer Zeit verlassen haben. Das Rotzgör hält den Lichtstein mit glänzenden Augen hoch, doch eine scharfe Bemerkung Caewlins lässt den Glanz beider augenblicklich verlöschen. Selbst Borgil wirft ihm einen Seitenblick zu, doch der Nordmann weicht ihren Blicken aus. Phelan legt sein Bündel auf den Boden in die Nähe der ausgebreiteten Felle, dorthin, wo die staubende Asche ihm noch am geringsten erscheint. Dennoch steigen kleine wabernde Wolken hoch und legen sich als dünne, mausgraue Schicht über Waffen und den verschnürten Schultersack. Phelan hustet und zieht dann aus seinem Gepäck all die Dinge, die ihm für eine schnelle, vorübergehende Linderung frischer und älterer Wunden nötig erscheinen. Doch noch ehe er sich daran macht den Jungen und die Frau zu untersuchen reinigt er sich die Hände, erst mit starkem Alkohol aus einer gut versiegelten Flasche, dann mit ein wenig Wasser aus seinem Trinkschlauch.

Das Mädel sieht zwar im ersten Moment körperlich etwas weniger mitgenommen aus, ihre glasigen Augen allerdings sprechen eine ganz andere Sprache: die Sprache der schlimmsten Grausamkeit und tiefsten Verletzung, welche Phelan auch mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht würde lindern können. Also wendet er sich zuerst dem Jungen zu. "Jen? Zeig mir deine Hand. Und was sie dir sonst noch angetan haben." Er fühlt an Stirn und Hals des Jungen. Beide glühen unter einem inneren Feuer. Phelan zieht einige Blätter aus einem Beutelchen hervor. Sie sind von einem saftigen Grün, beinah fingerlange Ovale und verbreiten sofort ein würziges, intensives Aroma. "Kau sie gut ehe du sie schluckst, sie helfen das Fieber zu senken." Normalerweise hätte er dem Jungen einen Tee daraus gebrüht, aber dazu fehlen ihm Zeit und Mittel. "Und trink das hier nach." Phelan reicht ihm nach kurzem Überlegen das kleine Fläschen, dessen Inhalt er vorher zum Reinigen seiner Hände verwendet hat. "Nur einen Schluck, hörst du?" Der Junge trinkt, schluckt - und beginnt keuchend zu husten. Phelan lacht leise auf. "Ja, ja. Wenn du alles ausspuckst ist niemandem geholfen." Und am wenigsten dir selbst, wenn ich mich um deine Hand kümmere. Der Alkohol würde niemals genügen um Jen die Schmerzen zu nehmen, aber es nützt nichts, die Finger müssen gerichtet werden, sonst würden sie schief oder gar nie mehr zusammenwachsen und die Hand wäre für immer unbrauchbar.

Phelan handelt sehr schnell, um dem Jungen einen langwierigen Schmerz zu ersparen. Es knackt leise als sich Knochen auf Knochen schiebt. Jen wird blaß wie eine Kalkwand, aber er presst Zähne und Lippen aufeinander, so dass bis auf kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn nichts darauf hinweist, was er gerade durchzustehen hat. Phelan ist zufrieden. Er wünschte, er könne die Brüche noch schienen, aber das ist nicht möglich. Also muß es genügen die Finger mit Leinen straff zu bandagieren. "Halt sie ruhig, wenn es geht, sonst wachsen die Knochen nicht anständig zusammen." Jens Blick zeigt deutlich, dass er versteht, was der Heiler ihm damit sagen will. Dann tut Phelan das, was er zuvor mit dem Mädchen getan hatte. Mit Hilfe seiner geistigen Kräfte zieht er langsam einen Teil der Krankheit aus dem Körper des Jungen, so lange, bis er das Gefühl hat, es würde wenigstens für die nächsten Stunden genügen, um Jen deutliche Erleichterung zu verschaffen. Aber er kann nicht verhindern, dass diese weitere Heilung deutlich spürbar an seinen eigenen Kräften zehrt. Besorgt blickt er zu der jungen Frau hinüber. Auch ihr würde er noch helfen, danach wäre es genug. Mehr als genug. Phelan beobachtet zufrieden, wie der Junge das einzig Richtige tut, sich zurücklegt und die Augen schließt. Das Mädchen neben ihm hat sich zusammengerollt wie eine Katze unter ihrem Umhang, aber am Funkeln ihrer Augen sieht er, dass sie genau beobachtet, was er mit ihrem Freund anstellt.

Phelan wartet einige Momente, bis sich die Brust des Jungen unter tiefen, ruhigen Atemzügen hebt und senkt. Dann wendet er sich Aurian zu. Die junge Frau wirkt ängstlich wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. Phelan versorgt die Schramme in ihrem Gesicht und einige der Prellungen an ihrem Körper, doch er heilt sie nicht, wie er es zuvor bei den anderen beiden getan hat. Ich kann dir nicht helfen. Das kann nur die Zeit und du selbst. Und zu allem anderen würde noch Zeit sein, wenn sie hier heraus wären. Phelan muß seine Kraft einteilen, denn er weiß nicht, was ihnen hier noch bevorsteht. Zufrieden registriert er, dass auch Aurian sich schließlich hinlegt und dann einzuschlafen scheint. Auch Caewlin hat sich auf eins der Felle niedergelassen. Neben ihm wacht die Hündin und nichts in ihrer Umgebung scheint den wachen, feuchten Augen zu entgehen.

Mit etwas wackligen Schritten geht Phelan zu Borgil hinüber, der am Eingang der kleinen Halle wacht. "Borgil, ich muß ruhen. Ich würde Euch gern ablösen, aber das Heilen kostet Kraft. Und ich möchte nicht, dass Ihr den alten Waldläufer hier zurücklassen müsst und Euch die restlichen Kanalratten alleine vornehmt." Phelan grinst und auch Borgil verzieht unter dem dicken Teppich roten Barts das Gesicht. Minuten später hat Phelan eine Kleinigkeit gegessen und es sich dann auf dem harten Boden bequem gemacht. Womöglich stört ihn diese harte Unterlage sogar am wenigsten, denn er geht zumindest davon aus, dass alle anderen normalerweise in Betten zu schlafen pflegen. Dennoch will die düstere Atmosphäre des Orts ihn nicht einschlafen lassen und kurz ist ihm, als höre er leise Schreie - Todesschreie - von weit, weit her, aus lang vergangener Zeit. Ein Schauer überläuft ihn wie ein Guß kalten Wassers. Was immer hier auch geschehen sein mochte, selbst die Kanalratten mieden diesen Ort und das ist, was ihm wirklich Sorge bereitet. Dennoch gleitet er irgendwann in einen leichten Schlaf hinüber, eine Erholung, nach der sein Körper dringend verlangt. Das unangenehm leere Gefühl der Ausgezehrtheit ist das Letzte, was er noch wahrnimmt als er die Augen schließt.

Es müssen einige Stunden vergangen sein als wieder zu sich kommt. Nicht einmal Aurians Rufe haben ihn wecken können und es ist ihm niemals wohl in diesem Zustand zu schlafen, wenn er sich nicht wirklich sicher fühlt. Aber er fühlt sich nun etwas erfrischter und kratzt sich gähnend den Kopf. Borgil schnarcht selig ganz in der Nähe vor sich hin und Caewlin und die große Hündin sind am Höhleneingang und halten Wache. "Ihr hattet recht, Caewlin, sie haben uns nicht gefunden. Aber sie werden die Toten gefunden haben. Wie gehen wir weiter vor? Ihr kennt Euch hier unten aus, wo könnten sie Raven festhalten? Und wir sollten die anderen drei hier rausschaffen, ehe..." Phelan hebt den Kopf und lauscht. Er glaubt etwas gehört zu haben, ein helles Geräusch, ähnlich dem Schlagen winziger Trommeln, aber es ist verstummt und nichts als das unstete Tropfen von Wasser durchbricht die Stille. Aber auch die Hündin lauscht, das Hinterteil halb erhoben, um jederzeit ihre sitzende Position verlassen zu können. Caewlin sieht ihn fragend an. "Keine Schritte, aber... ich weiß nicht, was es war." Die Reaktion des Tieres jedoch bestätigt ihm, dass da irgendetwas gewesen sein muß. "Was auch immer, es ist wieder still jetzt. Geht etwas essen, wenn ihr wollt, ich kann  so lange hier bleiben und zusehen, ob noch etwas geschieht. Vielleicht waren es Fledermäuse, irgendwelche Tiere, möglicherweise."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 30. Dez. 2004, 11:35 Uhr
Die Zeit scheint dahin zu tröpfeln wie ein kleines Rinnsal, das sich abmüht und nur tröpfchenweise über ein Hinderniss aus Stein kommt. Blutaxt ist die ganze Zeit lautlos durch den Gang geschlichen, von einem Posten zum anderen, hat immer wieder nach dem Rechten gesehen, um ja keinen Fehler zu machen, der ihm den Kopf kosten würde. Ratten huschen unruhig durch die Gänge und die Spannung in der Luft scheint unerträglich zu werden, doch kein Geräusch, ausser den üblichen Geräuschen der dunklen Gänge hier unten, ist zu hören. Blutaxt Nerven sind zum Reissen gespannt. Er kennt den Nordmann und er weiss, wie er kämpft. Und während er seine verletzte Hand betrachtet, die langsam wieder anfängt wie die neun Höllen zu brennen, überlegt er wie sehr ihn diese Verletzung wohl einschränken würde.

Jäh wird er aus seinen Gedanken gerissen als er am Ende des Ganges leise verstohlene Schritte hört. Er ist ein Stück weg von den nächsten Wachen, weil er in einen der Quergänge gehen wollte, um dort nach dem Rechten zu sehen.

Blutaxt bleibt stehen und lauscht. Es sind eindeutig sehr vorsichtige leise Schritte, die er hört, und eindeutig die von einem Menschen. Er drückt sich in eine Ecke, in der er fast ganz verschwindet und atmet nur noch ganz flach. Jeder Nerv in seinem Körper vibriert und er hat keine Zeit mehr, die andern zu sich zu rufen. Seine Augen sind in dem nur noch spärlichen Licht in die Richtung gerichtet, aus der die Geräusche kommen , doch er kann nichts ausser einem dunklen Schemen erkennen, der sich auf ihn zubewegt. Blutaxts Dolch wandert in seine linke Hand und er umschliesst fest den Griff, so dass die Adern und die Muskeln an seiner Hand deutlich zum Vorschein kommen. Wenn es der Sturmlord ist, würde er alle seine Kraft gebrauchen und obwohl Blutaxt sicher nicht der Schwächste ist, ist er sich nicht sicher , ob seine Kraft für diesen Riesen ausreichen würde.

Der Schemen erreicht die Stelle an der Blutaxt sich versteckt hat und wie ein Pfeil schiesst Blutaxt aus der Nische, greift um den Oberkörper des Schemen und setzt ihm die Klinge an die Kehle. Ein Fluchen wird laut und der Geruch der Blutaxt entgegen schlägt, macht ihm klar, dass er mit Sicherheit nicht Caewlin vor sich hat, auch die Grösse stimmt nicht überein und der Sturmlord würde sicher nicht nach Kloake und billigem Rum riechen. Fluchend nimmt er den Dolch von der Kehle der Kanalratte. "Bist du eigentlich noch ganz gescheit, dich so anzuschleichen, ich hätte dir die Kehle durchschneiden könne und du hättest noch nicht einmal Piep sagen können, wie dämlich muss man eigentlich sein!!" Blutaxt spricht sehr leise, aber die Kälte, die in seinen Worten mitschwingt, ist eindeutig und der Mann ihm gegenüber zieht kurz den Kopf zwischen die Schultern ehe er sich wieder aufrichtet und Blutaxt mit vor Wut glühenden Augen anfunkelt. "Sollte ich etwa wie eine Horde wild gewordenenr Büffel durch die Gänge tramplen, hä?" Blutaxt Faust schiesst vor und landet gezielt am Kiefer der Kanalratte, deren Kopf zur linken Seite fliegt und es gefährlich knackt. Ein wenig von der Anspannung in Blutaxt löst sich durch den Schlag, und als die andere Kanalratte ihn wieder ansieht, ist das Funkeln aus deren Augen verschwunden und er hält sich den gebrochenen Kiefer. "Sei froh dass ich dir nicht noch was anderes breche und nun erzähl warum du dich hier unten herumtreibst."

Der Mann kann kaum noch sprechen und nuschelt etwas davon, dass Blutaxt auf Befehl von Whytfisk in Prancys Schenkel gehen soll, da der Sturmlord von dort kommen würde, weil man im Zellentrakt die Gefangen befreit hätte. Weiter berichtet er, dass Caewlin nicht alleine wäre und zumindest einen Bogenschützen dabei hätte.

"Was beide Gefangene befreit?" Bluaxt Fäuste schliessen und öffnen sich wieder und Wut steht ihm ins Gesicht geschrieben. Dieser verdammte Hurensohn hat sich mein Spielzeug geholt!? Eilig ruft Blutaxt seine Männer zusammen und kümmert sich nicht mehr um den Boten, der zurück durch die Gänge eilt, um dem Meister zu berichten, dass Blutaxt auf dem Weg zu Prancys Schenkel sei. Schnell, aber so leise wie möglich, eilt der Trupp Kanalratten durch die Gänge bis sie Prancys Schenkel erreicht haben, den Blutaxt von seinen Männern erst einmal auf Anzeichen durchsuchen lässt, ob jemand Unbekanntes hier gewesen ist. Sie entdecken die Luke und auch Anzeichen dafür, dass hier Leute nach oben gekommen sein müssen, was die zerbrochene Leiter eindeutig beweist. Versteckt in einem Nebengang entdecken sie auch die Leichen der beiden getöteten Kanalratten, eine mit durchgeschnittener Kehle und die andere durch einen Pfeil getötet.  Blutaxt schnaubt, da einer der Getöteteten ein alter Kumpan von ihm war und schickt sofort einen der Männer los um Whytfisk Bericht zu erstatten.

Verdammter Sturmlord, wenn ich dich in die Finger kriege dann Gnaden dir die Götter! Blutaxt weiss, das er dem Sturmlord kein Haar krümmen darf, wenn er nicht selbst seinen Kopf verlieren möchte, aber seine Wut auf den Normander wird mit jedem Wimpernschlag grösser. Blutaxt postiert seine Männer und geht selber leise den Gang auf und ab, in alle Richtungen spähend, und auf ein Geräusch wartend, dass das Kommen des Nordlords ankündigt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 30. Dez. 2004, 12:44 Uhr
Caewlin starrt während seiner Wache in die Dunkelheit der Tunnel ringsum, die genauso finster sind, wie seine Gedanken. Irgendwo ist das stete Tropfen von Wasser zu hören, und er versucht daran und an seinem Herzschlag die Zeit zu messen, aber irgendwann gibt er es auf. Für die Dauer ihrer Rast würde er sich einfach auf sein Gespür verlassen müssen. Noch ist es vorhanden, aber er weiß aus Erfahrung, daß einem hier unten nach ein paar Tagen jegliches Zeitgefühl verloren geht. Bald werde ich nicht mehr wissen, wie lange eine Stunde dauert oder ob es Tag oder Nacht ist. Nach seiner Schätzung sind sie jetzt, am Ende von insgesamt vielleicht acht Stunden Rast - vier davon hatte Borgil Wache gehalten, vier er selbst - noch keinen ganzen Tageslauf hier. Es war nach Mitternacht, als wir im Hafen in die Tunnel gestiegen sind. Es war schon heller Tag in der Welt oben, als wir das Mädel und Jen befreit haben, und es war noch Vormittag, als wir die Wachen erledigt haben. Jetzt wird es wieder Nacht. In Talyra zumindest... hier unten ist immer Nacht. Wenn er die Augen schließt, kann er Cals verletzten Blick sehen, als er sie in Ninianes Baum zurückgelassen hatte, also starrt er mit brennenden Augen in die Finsternis und lauscht auf jedes noch so leise Geräusch... doch außer dem ewigen, hohlen Tropf... Tropf... Tropf... irgendwo nicht allzu weit entfernt, ist nicht einmal das Kratzen von Rattenfüßen zu hören.

Es ist so still. Trügerisch still. Die toten Wachen und die leeren Zellen müssen längst bemerkt worden sein. Er holt noch einen Streifen Dörrfleisch hervor und kaut ihn entschlossen, spült alles mit einem Schluck aus seiner Feldflasche hinunter, doch selbst das klare Wasser aus dem Brunnen der Harfe kann den fürchterlichen Geschmack der Fäulnis und Verwesung, und vor allem den der kalten Asche, nicht vertreiben. Wenigstens sind wir hier soweit entfernt von allen noch benutzten Kanalisationstunneln, daß es nicht auch noch nach Scheiße stinkt. Die anhaltende Ruhe und das ereignislose Verstreichen auch seiner Wache gefallen ihm überhaupt nicht, aber was bleibt ihm anderes, als zu abzuwarten, Phelan seine Arbeit tun und die anderen schlafen zu lassen? Nichts, also steht er reglos in der Dunkelheit am Eingang der Halle und harrt dort aus, bis seine Wachschicht abgelaufen ist... oder wenigstens das, was er für vier Stunden hält. Er will sich gerade umwenden, um in die Halle zurückzukehren und alle zu wecken, als das befreite Mädchen aus einem Alptraum hochschreckt. Ihr panisches Flüstern wird wispernd von den Wänden zurückgeworfen und irgendwann von schwarzgrauer Asche verschluckt, dennoch sträuben sich Caewlin sämtliche Nackenhaare. Zum einen, weil er nicht abschätzen kann, wie weit das in den Tunnel zu hören gewesen sein muß, zum anderen wegen der nackten Angst in ihrer Stimme. Sein erster Impuls ist, zu ihr zu gehen, sie zu beruhigen, irgendeine Geste des Mitgefühls zu machen, sein zweiter, ihr den Mund zu zuhalten. Ihr grauenerfülltes Flüstern läßt ihn jedoch innehalten: >Nicht ...nicht anfassen! Lass mich, nicht .. nicht nochmal. Verschwinde!< Jeder Mann wäre jetzt der Falsche gewesen, sich um sie zu kümmern - und er wohl erst recht. Mit einem sarkastischen Lächeln betrachtet er seinen blutdurchtränkten Handschuh und den Armstumpf und sieht sein eigenes Gesicht vor seinem inneren Auge: zu narbig, zu hart und mit zu kalten Augen. Oh, mein Anblick würde sie jetzt sicher beruhigen.

Zu seiner Überraschung ist es die kleine Diebin, die zu ihr kriecht und leise auf sie einspricht. Und ich hätte schwören können, alles, was das Rotzgör interessiert, ist die eigene Haut. Würdest du dich auch so um sie kümmern, wenn du wüßtest, daß sie zur Stadtgarde gehört? Von den magischen blauen Lichtreflexen um Aurians Finger kann er hinter der schmalen Gestalt der Diebin nichts sehen, sonst hätte er mit Sicherheit reagiert. Er läßt ihr noch eine Weile, sie zu beruhigen, bleibt wo er ist und wartet ab, doch dann regt sich Phelan, steht auf und kommt zu ihm, und auch Jen scheint wach und beobachtet die beiden Mädchen - nur der Zwerg schnarcht noch leise vor sich hin. Er begrüßt den Waldläufer mit einem schiefen Grinsen und kann in der allgegenwärtigen Düsternis soweit von dem schwachen Schein des Kristallsteins entfernt, Phelans Gestalt nur als dunklen Schemen ausmachen. Ab und an bricht sich ein verirrter Lichtreflex im Weiß seiner Augen oder auf einem Stück Metall seines Lederwames, Gürtels oder Dolchgriffes, ansonsten ist er nichts als ein Schatten, schwarz in schwarz. >Ihr hattet recht, Caewlin, sie haben uns nicht gefunden. Aber sie werden die Toten gefunden haben. Wie gehen wir weiter vor? Ihr kennt Euch hier unten aus, wo könnten sie Raven festhalten? Und wir sollten die anderen drei hier rausschaffen, ehe... Ein Geräusch unterbricht ihn, unhörbar für Caewlins Ohren, aber auch Akira späht angespannt und wachsam in die Tunnel und legt den Kopf schräg. Ihre pelzigen Ohren spielen nach vorn und zur Seite, als versuche sie, jede noch so leise Schwingung einzufangen. Er sieht den Waldläufer gespannt an, doch nach einer Weile des Lauschens, zuckt Phelan mit den Schultern. >Was auch immer, es ist wieder still jetzt. Geht etwas essen, wenn ihr wollt, ich kann  so lange hier bleiben und zusehen, ob noch etwas geschieht. Vielleicht waren es Fledermäuse, irgendwelche Tiere, möglicherweise.<

"Ich habe schon gegessen... in diesem Gestank bringt man ohnehin kaum etwas herunter," erwidert er leise und wendet nicht einmal den Blick von der Schwärze des Tunnels draußen ab. Irgendetwas hatten der Hund und der Halbelb gehört - und das genügt ihm, um schlagartig wachsam zu sein. "Vielleicht waren es irgendwelche Tiere, aber ich war schon ein paarmal in diesen Tunneln und Fledermäuse haben wir nie gesehen. Überhaupt keine Tiere außer... Ratten." Unbehagen nistet sich in seinem Inneren ein. "Ihr habt gefragt, wo Raven sein könnte... ich weiß es nicht, Phelan. Ich weiß nur, daß Whytfisk sie bei sich behalten wird, wenn er sie hat. Er wird sie nicht aus den Augen lassen, wenn er weiß, daß ich komme und inzwischen weiß er es. Er will Rache an uns beiden für Blaerans Tod, aber vor allem will er uns wohl leiden sehen... wie auch immer. Die Quartiere der Kanalratten liegen jetzt etwas nordöstlich von uns und irgendwo dort wird Raven sein." Und Whytfisk mit ihr. "Ich kann nur spekulieren, aber wenn sie damit gerechnet haben, daß wir von Norden, aus der Unterstadt kommen, dann wissen sie jetzt, daß das Gegenteil der Fall ist und wir durch Prancies Schenkel von Süden heraufkamen. Damit ist uns der Weg dorthin zurück abgeschnitten. Sie haben mit Sicherheit die Luke und den Keller dicht gemacht, durch den wir hereinkamen. Ich würde gern einen Bogen schlagen, so daß wir wieder in ihren Rücken gelangen und noch ein wenig mit ihnen Katz und Maus spielen, ehe wir uns auf einen offenen Kampf einlassen."

Aber irgendwann werden wir das müssen. Anders wirst du kaum an Raven herankommen.
"Ich gehe und wecke Borgil, wenn Ihr so lange hier bleibt. Die anderen sollen etwas essen und dann sehen wir zu, daß wir hier verschwinden." Wir sind schon viel zu lange hier. Er nickt dem Waldläufer noch einmal zu und kehrt dann zu ihrem winzigen Lager und seinen eigenen Schlaffellen zurück. Er füttert Akira mit dem Fleisch, das Borgil ihm für die Hündin mitgegeben hatte, holt aus den Proviantbeuteln Fleisch, Dörrobst, Brot und Wasser und verteilt etwas davon an die beiden Mädchen und den Jungen. Dessen Hand ist soweit Caewlin es an Fingerspitzen und Handgelenk sehen kann, immer noch blauverfärbt und schrecklich geschwollen, aber immerhin sehen die Finger unter dem dicken Leinenverband wieder sehr viel gerader aus. Er weckt Borgil, der mit einem unwirschen Brummen aus dem Schlaf schreckt und in das Kristallsteinlicht blinzelt und rollt dann seine Pelze wieder auf. Seinen Umhang hat immer noch Aurian und er läßt ihn ihr - kalt ist ihm nicht und im Kampf könnte er ihn ohnehin nicht brauchen. "Eßt etwas und packt zusammen. Wir müssen fort von hier."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 30. Dez. 2004, 22:04 Uhr
"Ist ja gut, ist ja gut, ich bin wach, ich bin wach!" Borgil wühlt sich aus seinen dicken, warmen Lammfellen und setzt sich verschlafen auf. Sein Bart ist - den Göttern sei Dank und Hallas Flechtkünsten erst recht - noch in Ordnung, aber der dicke, rote Haarschopf auf seinem sonst völlig kahlrasierten Schädel steht wie ein zerfledderter Reisigbesen in alle Richtungen ab. "Gnnpf," nuschelt er und angelt nach seiner Wasserflasche. Da die nicht zu finden ist, nimmt er gleich den Feuerwein. Auch gut, macht schneller wach. Nach einem kräftigen Schluck und einem nochmaligen Blinzeln haben ihn Gestank, Ascheschlick und kalte Felswände wieder. Er blickt sich suchend um, entdeckt Phelan am Halleneingang, Caewlin, das befreite Mädel, den verletzten Jungen - Jen oder so ähnlich - und das Rotzgör neben sich beim Essen, und wuchtet sich entschlossen auf die Füße. "Bin gleich wieder da...", knurrt er und sucht sich als erstes einmal eine finstere Felsnische weiter hinten in der Halle, um sich zu erleichtern. Als er zu den anderen zurückkommt, ist Caewlin bereits dabei, seine Felle aufzurollen und die Taschen zu schließen. >Wir müssen fort von hier.<

"Aye, und das schnell, wenn es geht. Sind schon viel zu lange hier." Borgil stopft Proviant und Feldflaschen zurück in die Lederbeutel, läd sich seinen Teil des Gepäcks wieder auf und kaut dabei ein eiliges Frühstück aus Dörrfleisch und Zwieback hinunter. "Hab schon mal besser gegessen... aber auch schon viel schlechter. Götter, wie ich das an diesen Abenteuergeschichten hasse. Keine ordentliche Verpflegung, miese Betten und keine Gelegenheit, sich morgens erstmal kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen..." grummelt er. Dann überzieht ein breites Grinsen sein Gesicht. "Aber reichlich Gelegenheit, sich zu prügeln. Also worauf warten wir, häh?" Sie schultern ihre Siebensachen und Borgil versorgt ihre beiden Schützlinge nach einem abschätzenden Blick mit ein paar Gegenständen, die er aus seinem Rucksack hervorzaubert. Aurian bekommt die kleine Armbrust und die Bolzen, der Junge einen langen, schlanken Dolch. Er tauscht einen Blick mit Caewlin, doch der Nordmann nickt nur und schweigt. "Nehmt das für den äh... Notfall." Er sieht Jen und das dunkelhaarige Botenmädchen der Steinfaust lange und ernst an. "Wir werden euch beide mitnehmen müssen. Wir können euch nicht hierlassen und nicht allein durch die Tunnel schicken, das wäre euer Tod," erklärt er schließlich. "Die Männer, die euch gefangen hielten, die Kanalratten. Whytfisk, so heißt ihr Anführer... sie haben noch jemanden in ihrer Gewalt, den wir befreien müssen. Und zwar äh..."

Ein halblauter Warnruf Phelans unterbricht seine Ausführungen, im selben Augenblick schießt die Bluthündin des Nordmanns grollend an den Halleneingang. Der Waldläufer hat sich nicht von der Stelle bewegt, aber er starrt in den Tunnel vor der Halle hinab, einen Pfeil schon auf der Sehne - doch dann läßt er den Bogen sinken und nach einer Schrecksekunde eilen sie alle an seine Seite. In südlicher Richtung ist der Tunnel vor der Halle ein gutes Stück einzusehen, hundert Schritt oder mehr - doch was im flackernden Schein des Kristallscheins, den Faraday hell leuchten läßt, dort sichtbar wird, läßt selbst Borgil einen Moment den Atem stocken: ein wimmelnder, windender, rasend schnell näher kommender Teppich hunderter, tausender kleiner, pelziger Leiber mit blinkenden Augen und nackten Schwänzen. Auf dem Boden, an den Wänden, selbst über den rauhen Fels der Tunneldecke. "Ratten!" Krächzt er erschrocken. Viel zu viele, um an einen Kampf auch nur zu denken.Und dann: "LAUFT!" Er gibt Aurian, die neben ihm steht, einen Stoß in die andere Richtung, zerrt den Jungen mit sich, und dann rennen sie alle - Phelan voran, hinter dem Waldläufer Faraday, den leuchtenden Stein hochhaltend, neben Borgil die knurrende Bluthündin, die sich immer wieder umwendet, um sich den quiekende Ratten zu stellen und doch von Caewlin weitergescheucht wird, direkt vor ihm Jen und Aurian, die er halb schiebt, halb treibt und schließlich er selbst und der Nordmann.

"Caewlin," keucht er, wohl wissend, daß er in seiner schweren Rüstung und mit seinen kürzeren Beinen ohnehin langsamer ist als die anderen. "Wir müssen sie aufhalten...zuviele... zu schnell..." Im Weiterhasten tastet er in seinem Rucksack nach dem Kästchen mit Loas Öl, wagt es nicht, die Schatulle ganz zu öffnen aus Angst, ihm könnten alle Tonflakons herauspurzeln und sie alle miteinander in ein schmorendes Aschehäufchen verwandeln, zerrt einen heraus und hält ihn fest. "Rennt! Rennt schneller! Schneller und blickt nicht zurück!" Er läßt sich zurückfallen, nur ein wenig, nur zwei Schritt, drei und dreht sich um. Der Tunnel hinter ihm brodelt, wimmelt vor Ratten, als wären die tausend winzigen Körper ein einziges denkendes, lebendes Wesen. Sie wälzen sich heran wie eine Flut, nicht mehr als fünfzehn Schritt entfernt. Borgil wirft das kleine Tonfläschen mit voller Wucht hinter sich, dann nimmt er die Beine in die Hand, noch ehe es an der felsigen Tunnelwand zerschellt und augenblicklich in Flammen aufgeht. Er sieht sich nicht um, aber das Kreischen der brennenden, sterbenden Ratten und das zornige Quieken der überlebenden dringt ihm gellend in die Ohren. Er muß rennen wie ein Hase, um die anderen einzuholen, schnaufend, schwitzend, fluchend in der schweren Rüstung - und er kann hören, daß sie immer noch verfolgt werden. "Weiter, weiter, wartet nicht auf mich! Kch...kch...Lauft!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 31. Dez. 2004, 12:21 Uhr
Aurian nimmt nichts um sich wahr, nur das blaue Glühen, einzig von dem Gedanken beherrscht, sich damit alles und jeden vom Leib zu halten. Erst die sanfte Berührung an ihrer Hand lässt sie langsam wieder in die Realität zurückkehren und nun nimmt sie auch die Stimme wahr, beruhigend und doch eindringlich.> 's is gut. Hier tut dir keiner was.< Eine weibliche Stimme, die Stimme des Mädchens, Faradays Stimme. Während diese beruhigend auf sie einredet, werden die blauen Funken schwächer und versiegen schließlich langsam. Zurückbleibt ein am ganzen Körper zitterndes Botenmädchen, die den Umhang des Nordmannes noch fester um den Körper schlingt. Dank des Heilers waren wenigstens die körperlichen Schmerzen etwas gelindert, doch innerlich vermeint sie in Scherben zu liegen. Immer weiter redet das Mädchen neben ihr auf sei ein und langsam wird Aurian ruhiger. „Danke!“ Nur dieses eine Wort kommt beinahe tonlos über ihre Lippen. Caewlin kommt aus der Dunkelheit auf die beiden zu und hätte Faraday sie nicht in die Wirklichkeit zurückgeholt, der Nordmann hätte wohl eine unkontrollierte Ladung Magie zuspüren bekommen. So nimmt sie das Dörrfleisch das er ihr reicht, entgegen und nur ihre Augen, in denen immer noch Panik flackert, verraten, dass sie bis vor wenigen Augenblicken noch in einem einzigen realen Alptraum gefangen war. Zögernd kaut sie auf dem Stück herum, zwingt sich zu schlucken, obwohl es ihr bei jedem Bissen den Magen umzudrehen droht. Doch ohne Nahrung hätte sie nicht genug Kraft, den anderen zu folgen und selbst wenn ihr ihr eigenes Schicksal egal ist, die anderen würde sie nicht ins Verderben ziehen, nur weil sie sich aufgibt.

Allgemein macht sich Aufbruchsstimmung und Unruhe in der Gruppe breit, Irgendetwas bedrohliches, nicht greifbares liegt in der Luft, die Spannung ist direkt greifbar und Aurians Halbelbensinne registrieren die Vibrationen noch verstärkter. Der Zwerg reicht ihr eine Armbrust und grummelt irgendetwas von >..für den Notfall, noch jemanden befreien...mitnehmen...< Aurians Herz beginnt zu rasen. Sie kann mit so einem Ding nicht umgehen und überhaupt, hier untern bleiben? In seiner Nähe, in der Nähe dessen, der ihr all das angetan hat? Sie kommt nicht dazu, etwas zu erwidern, denn mit einem Mal überschlagen sich die Ereignisse: Der Heiler stößt einen Warnruf aus, beinahe zeitgleich wird sie von Borgil vorwärts gestoßen und wie von selbst tragen ihre Beine sie durch den Tunnel. Als sie einen flüchtigen Blick über die Schulter wirft, stockt ihr der Atem: Ratten, tausende von Ratten, die wie eine Flutwelle hinter ihnen her kommen. Der riesige Hund kann nur mit der Autorität seines Herrn daran gehindert werden, sich auf die Biester zu stürzen und ihnen zu folgen. Doch die Tiere sind schnell, zu schnell. Der Zwerg bleibt zurück und schleudert irgendetwas gegen die Masse aus grauen Leibern. Einige hundert gehen in Flammen auf, doch noch immer sind es zu viele, die hinter ihnen her kommen. Unzählige glühende Augenpaare, und  mit einem Mal sieht sie wieder das Vieh vor sich, dass sich in der Zelle ihres Peinigers an ihrem Leid zu ergötzen schien. Abrupt bleibt Aurian stehen, wirbelt herum, sieht der Invasion in die Augen. Ein eigenes Glühen liegt in ihren Augen, als sich ihre Hand wie von selbst hebt und blaue Blitze die ersten Reihen der Ratten treffen. Die Tiere erstarren mitten in der Bewegung und die blaue Wolke zieht sich weiter über die Meute. Es ist schwer zu sagen, wie viele von der Magie getroffen werden, doch die Lawine stockt auf jeden Fall.

Der Zwerg hat zu ihnen aufgeschlossen und starrt ebenso wie die anderen entgeistert zwischen Aurian und den Ratten hin und her. Das Mädchen nimmt den Blick nur am Rande wahr. „Weiter, los! Ich weiß nicht, wie lang das hält und wie lang sie uns vom Hals bleiben!“ Der Anblick der Ratten hatte ihren Überlebenswillen entfesselt. Sie will hier unten nicht sterben, nicht bevor sie noch etwas erledigt hat, ein Gedanken, der sich in ihr festgesetzt hat und immer stärker wird: Rache! Rache an ihrem Peiniger! Sie wirbelt wieder herum und hetzt weiter durch den Gang, gefolgt von den anderen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 31. Dez. 2004, 15:16 Uhr
Obwohl sich Tiuri weit besser fühlt, ist das Aufstehen für ihn immer noch mühsam. Er ist müde, unendlich müde und auch die Tatsache, dass dieser Ort mehr als unheimlich ist und dass die Kanalratten hinter ihnen her sind, kann nichts daran ändern. Zu gern würde er liegen bleiben, aber er rafft sich auf, dabei bemüht die linke Hand nicht zu sehr zu belasten. Der Große gibt ihm etwas zu essen und auch Aurian nimmt etwas zu sich, auch wenn sie dabei aussieht als würde sie auf Holz beißen. Es überrascht ihn nicht wirklich, dass sie danach sofort los müssen und dass er und Aurian mit diesen Leuten gehen müssen. Die Kanalratten wissen mittlerweile mit Sicherheit bestimmt, dass ihre Leute tot sind und die Gefangenen ausgebrochen sind, sie sind bestimmt überall in den Gängen und suchen nach ihnen. Vielleicht sind sie schon längst nicht mehr nur in der Kanalisation sondern schon in der Oberstadt. Die Sache hier muss zu Ende gebracht werden, denn jetzt sind sie nirgendwo mehr sicher, die Kanalratten würden ihnen überall hin folgen.
Litli-Vinur in seiner Tasche fiept leise vor sich hin, streckt immer wieder den Kopf hinaus und strampelt mir den dünnen Beinchen. Tiuri spürt wie die kleine Ratte in seiner Tasche zittert, aber noch ahnt er nicht was auf sie zu kommt.
Der Zwerg händigt ihm einen langen schlanken Dolch aus und Tiuri ist froh, endlich wieder eine Waffe in der Hand zu halten. Sein eigenes Messer haben ihm die Kanalratten abgenommen als sie ihn gefangen genommen haben. Zwar kann er das Messer nicht, wie er es üblicherweise tun würde, mit der linken Hand halten, aber es ist immer noch weit besser als unbewaffnet zu sein. Er kann den Dolchgriff mit der Linken nicht völlig fest umschließen, hat auch gar nicht so viel Kraft in dieser Hand, aber er hat selbst in der Dunkelheit der Zelle nichts von seinem Geschick verloren, wenn ihm auch noch etwas Geschwindigkeit fehlt.

Gerade ist Tiuri dabei seinen Dolch etwas aus zu testen, schwenkt und dreht ihn, wiegt ihn in seiner Hand, als plötzlich ein Warnruf zu ihnen herüber dringt. Aus seiner Tasche dringt ein schrilles, ängstliches Fiepen und die kleine Ratte zittert schlimmer als Espenlaub. Was sie fühlt ist viel mehr als nur Furcht, es ist Todesangs und das lässt Tiuri aufsehen.

>Ratten! LAUFT!< Der Junge bekommt nicht mit wer gerufen hat und wer sie jetzt zum Laufen anhält, seine Beine bewegen sich wie von selbst. Er rennt los, so schnell ihn seine müden Beine tragen. Sie zittern und knicken ein, er stolpert, aber er läuft. Hinter ihm bekommt er nichts mit, erst die Explosion die einige der Ratten in die Luft sprengt reißt ihn aus seiner Flucht und sofort stolpert er wieder als er den Kopf nach hinten dreht.
Was er jedoch tatsächlich bemerkt ist, was Aurian tut. Blaue Blitze und fliegende Ratten, diesen Anblick wird er nie wieder vergessen, den Anblick von echter Magie, etwas das er noch nie zu vor gesehen hat. Auch wenn er sich nicht erinnern kann, irgendwo tief in sich, weiß er es einfach, das is etwas mit dem er sich noch nie konfrontiert gesehen hat.
Aber aufhalten können sie sich nicht damit, laufen weiter, denn noch sind die Ratten nicht alle tot und wer weiß, sind sie nur die Vorboten, und die menschlichen Kanalratten sind alle hinter ihnen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 02. Jan. 2005, 20:30 Uhr
Die Worte kommen ohne ihr Zutun über ihre Lippen und Faraday könnte jetzt nicht mehr sagen, was sie Aurian alles zugesprochen hat. Der Nordlord versorgt sie mit Dörrfleisch und Faraday kaut verbissen darauf herum, während ihre Gedanken kreiseln wie ein Blatt im Herbstwind. Sie fühlt sich kräftig genug um die nächsten Stunden ohne Probleme zu überstehen, aber sie fürchtet auch, dass die Magie - Es war doch Magie? - des Heilers nicht ausreichen oder sogar aprupt ihre Wirkung verlieren könnte. Und dann? Was passiert, wenn mir hier unten die Beine versagen? Eine weitere Last, nicht schon genug mit den beiden. Sie beobachtet wie Jen und Aurian die karge Kost zu sich nehmen, und die Situation erscheint ihr auf einmal so lächerlich, so hoffnungslos und sie ist sich auf einmal sicher, dass sie nie wieder das Sonnenlicht sehen wird, dass der Schneesturm das letzte gewesen ist, was sie von der bunten, lebendigen Welt hoch oben über ihren Köpfen gesehen hat. Sie erinnert sich an ihre Mutter, die gütigen, kohlumrandeten braunen Augen inmitten eines hellgeschminkten Gesichtes und rotglänzenden Lippen, die immer beruhigende Worte für sie übrig hatten, egal wie finster die Nacht war und den erschreckenden Wesen in den mitternächtlichen Schatten zum Trotz. Und immer, wenn Faraday sich am meisten gefürchtet hatte, dann war sie es gewesen, die ihr eine der kostbaren, teuren Kerzen entzündete. Nichts kann so finster sein, dass ein kleines Licht es nicht vertreiben kann. Faraday versinkt in der Sicherheit ihrer Gedanken und kaut und kaut auf dem Fleisch herum, als hätte sie einen harten, widerlichen Klumpen im Mund. Nebenbei bekommt sie mit, wie Aurian und Jen Waffen erhalten, lächerliche, kleine Waffen gegen eine Überzahl von Dieben, Mördern und Schlimmeren. Wir werden sterben hier unten, sie wissen es, sie müssen es wissen. Dennoch packt sie den kleinen Lichtkristall so fest wie einen rettenden Anker, ihr Licht in der Dunkelheit der modrigen Tunnel und dieser alten, aschebedeckten Halle.

Der Warnruf des Heilers erst durchdringt die Flut an Gedanken und Faraday ist sofort auf den Beinen, das restliche Fleisch achtlos fallen lassend. Wir werden sterben, jetzt kommen sie, sie kommen! Mit wenigen Schritten ihrer schlanken Beine ist sie neben dem Halbelb und ihre Augen weiten sich aufs Äusserste, als sie erfasst, was sich dort wie ein pelziger, zuckender Teppich in atemberaubender Geschwindigkeit auf sie zubewegt. Ein kleiner Laut entkommt ihr, gerade so laut, wie es ihre Lungen in diesem Moment zulassen, dann packt jemand ihren Arm und zieht sie voran. Ihre Beine bewegen sich wie von selbst in atemberaubender Geschwindigkeit. schrille, hohe Geräusche lassen ihr die Haare zu Berge stehen und treiben sie nur zusätzlich an. Ratten! Ein Meer aus Ratten! Ihre Füsse trommeln dumpf in gleichmässigem Rythmus auf den schmutzigen Boden und ihr Atem pfeift. Der Heiler ist direkt vor ihr und sie versucht so gut es geht mit ihm Schritt zu halten, so schnell sie kann. Dabei wartet sie darauf jeden Moment hinterrücks von einer Welle aus quiekender, scharfzähniger Leiber überrollt zu werden. Oh ja, sie weiß, was hungrige Ratten tun können, sie weiß es nur zu gut. Die Zeit scheint in einem irren Wirbel aus atmen, stechendem Schmerz in den Seiten und dem Gestank nach Angst stillzustehen, dick wie Sirup, der ein Entkommen unmöglich macht. Der Lichtkristall in ihrer Hand malt zuckendes grünes Licht auf die Wände, doch Faraday hat dafür keinen Blick übrig. Ihr Blick brennt sich regelrecht in den Rücken, das wehende Haar des Heilers, der immer schneller zu werden scheint, viel zu schnell. Faraday spürt, wie ihre Beine die Kraft verlässt, sie rechnet damit jeden Moment zu stolpern und hinzufallen und dann... überrannt und gefressen zu werden. Atemlos riskiert sie einen kurzen Blick über ihre Schulter und sie sieht Jen direkt hinter sich. Jen, allein für den sie nun nicht aufgeben darf, denn wenn sie fällt dann fällt auch er. Entschlossen und neue Kraft schöpfend richtet sie sich wieder nach vorne auf - auf nichts, denn der Heiler ist fort und im nächsten Moment ist der Boden unter den Füssen verschwunden.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 03. Jan. 2005, 11:46 Uhr
Phelan läuft los, weg von der graubraunen Woge aus Rattenkörpern, Fell und Zähnen, während er kurz und unsinnigerweise darüber nachdenkt den Bogen zu ziehen und dann doch die Vernuft wieder Oberhand gewinnt. Ein Bogen gegen hunderte, vielleicht tausende von Ratten. Er hört ihre schrillen Schreie, die teilweise schmerzhaft gegen die Obergrenze des Hörbaren schlagen als stecke sein Kopf in einer großen Silberglocke, auf die jemand mit wilden Schlägen eindrischt. Sollten sich ihnen nun auch noch Kanalratten in den Weg stellen, so will er, als wahrscheinlich Schnellster der kleinen Gruppe, vorne weg die Befreiten beschützen und vielleicht bestünde der Hauch einer Möglichkeit, die Ahnung von Hoffnung darauf, dass sie dieses dunkle Verlies ohne weiter Schäden würden verlassen können. Hinter ihm flackert das Licht eines Kristalls auf und ab, passend zum rasenden Takt seines eigenen Herzens. Männer, Narge, wilde Tiere - das alles ist greifbar, das ist zu töten oder wenigstens zu überwinden. Nicht aber das hier. Das hier ist ein real gewordener Alptraum.

Hinter Phelan geschehen zwei Dinge. Erst einmal hört er Borgil rufen. Rennen und nicht umsehen. Was ruft man Leuten zu, wenn man will, dass sie genau das Gegenteil machen? Die Erheiterung dauert nur kurz an, aber als ihn Momente später die Hitzewelle erreicht weiß er, dass er gut daran getan hat weiterzulaufen. Natürlich. Loas Öl. Als bereite er in Ruhe eine größere Reise vor, so geht Phelan im Geiste durch, was sie in der Goldenen Harfe eingepackt hatten - oder wenigstens den Teil davon, der ihm noch einfallen will - als die Todesschreie der kleinen Tiere ihm unvermittelt und schrecklich in den Ohren gellen. Fast kann er sehen wie die Nachfolgenden sich über die verkohlten Kadaver schieben wie Lava über den Rand eines Vulkankraters. Alles vernichtend, was ihnen aus Versehen oder mit Absicht in den Weg kommt. Mit einem Mal flammt es auf, blau wie der Sommerhimmel und es zischt, als werfe man einen heißen Stein in einen Kübel kaltes Wassers. Phelan kann nur raten, was hinter ihm passiert, doch diese Sache interessiert ihn trotz Borgils Mahnung nun doch. Im Lauf wendet er den Kopf, ebenso wie das Rotzgör hinter ihm, doch natürlich kann er nichts Genaues erkennen, nur dass es hinter ihm aussieht, als schlügen blauweiße Flammen aus einem unwirklichen Feuer dem Rattenheer entgegen.

"Magie!" Er hat keine Ahnung wer das gewesen sein könnte oder wie sie es gemacht haben, aber seine Gedanken werden so urplötzlich unterbrochen als hätte ihm - nein - ihm wird der Boden unter den Füssen weggezogen und zwar so schnell und überraschend, dass er nur noch die Hände ausstrecken kann um dann doch nur an der glitschigen Kante der Bodenluke abzugleiten und sich die Hände der Länge nach aufzuschürfen. "Vorsicht!" Der Schrei bleibt ihm beinahe im Hals stecken. Einen oder anderthalb Schritt tiefer landet er mit einem schmerzhaften Ruck und rutscht dann schräg abwärt in die Richtung, in der er eigentlich hatte laufen wollen. Es gibt keinen Halt, egal wie sehr er sich bemüht. Ein spitzer Aufschrei hinter ihm kündet davon, dass auch das Mädchen in das Loch gefallen ist. Phelan streckt die Arme aus, doch kann er keine Wand erreichen. Es geht steil bergab in diesem lichtlosen, feuchten Tunnel ehe langsam eine graue Öffnung, das Ende des Schachts, in Sicht kommt. Der Waldläufer kann nichts tun ausser Arme und Beine während des Sturzes aus ungewisser Höhe an sich zu ziehen, um möglichst unbeschadet aufkommen zu können, doch es ist kein fester Boden, den er trifft.

Das Wasser peitscht schmerzhaft gegen Rücken und Beine, schließt sich kalt und bodenlos über ihm und drängt übelschmeckend in Mund und Nase. Phelan droht einen Moment die Orientierung zu verlieren, dann stößt er mit einigen kräftigen Zügen durch die Oberfläche und zieht sich an den ummauerten Rand zur Seite, um einem Zusammenstoß mit seinen Nachfolgern zu entgehen. Es bleiben ihm wenige Augenblicke um sich umzusehen, während er sich über das Mäuerchen nach draussen zieht, durchfroren und erschöpft wie ein nasser Hund. Dann landet das Mädchen und direkt im Anschluß der Junge Jen mit einem gewaltigen >>Platsch!<< in dem Wasserbecken inmitten einer großen, lichtlosen Halle, deren gesamte Ausmaße Phelan im Moment nur erahnen kann. Diesen Ort haben die Götter vergessen und mit ihm alle, die darin leben.

"Los, gebt mir eure Hände!" Fast überflüssig zu rufen, denn die Köpfe der beiden sind noch unter Wasser. Als erstes taucht der Junge auf, prustend und Wasser hustend, doch Phelan packt ihm am rudernden Arm, zieht ihn mit aller Kraft an sich und hinaus aus dem eisigen Wasserbecken.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 03. Jan. 2005, 14:17 Uhr
Alles passiert auf einmal, alles geht durcheinander. Sengende Hitze, blaues Licht, atemlose Rennerei und plötzlich kein Boden mehr unter den Füßen. "Wuuuaaahh!" Ist alles, was Borgil völlig außer Puste noch herausbringt, dann rutscht und kugelt er in rasender Geschwindigkeit auf dem - gut von gehärtetem Leder und kaltem Stahl geschützten - Allerwertesten eine steile Schräge hinab. "Verfluchter Mist! Was... agh! Bei allen Dämonenfratzen... argh! Uff!" Etwas großes, schweres, das nur Caewlin sein kann, prallt in seinen Rücken, genauso fluchend wie er, während ihre Holtertipolterrutscherei schmerzhaft weitergeht. Irgendwo kann er den Bluthund knurren und jaulen hören, den wohl dasselbe Schicksal ereilt hat, wie sie alle: durch einen unebenen, felsigen, glitschigen Tunnelschacht ins Bodenlose zu schliddern. Irgendwie besitzt er noch die Geistesgegenwart, seine Tasche festzuhalten, während die Stahlkanten seiner Stiefel kreischend über den Stein ringsum schrammen. Er versucht noch, die Fersen in den Boden zu rammen, sich festzuhalten, zu bremsen, irgendwie langsamer zu werden, aber alle Mühe ist vergebens. Es kommt, wie es kommen muß, sie schießen aus dem Tunnel heraus wie Erbsen aus einem Blasrohr, mitten hinein in schwarze Leere - und fallen dann unweigerlich nach unten. Fliegende Zwerge! Ist Borgils letzter, fast erheiterter Gedanke, dann riskiert er im Fallen einen Blick nach unten. OH NEIN!-  und klatscht aus fünfzehn, achtzehn Schritt Höhe in eiskaltes Wasser. Er kann nach Luft japsen, paddeln und mit den Armen rudern wie er will, er sinkt wie ein Stein in seiner schweren Rüstung - bis ihn jemand am Zipfel seines Umhangs erwischt und nach oben zieht. "Wasser!" Kreischt er los, kaum daß seine Nase wieder an Sauerstoff gelangt. Eine Hand schiebt ihn auf einen Felsenrand zu, keine Armlänge von ihm entfernt und ist plötzlich wieder weg, während er sich hustend, spuckend und götterlästerliche Flüche keuchend festhält.

Sein eigenes Gewicht, daß seiner nassen Kleider und des schweren Harnisch zerrt an ihm, zerrt ihn in die Tiefe, aber hier kann er sich wenigstens festhalten, halb im Wasser, halb auf dem Rand der Zisterne oder des Brunnenschachts oder wo immer sie sonst gelandet sein mögen. Neben ihm zieht sich die Bluthündin aus dem Wasser und versprüht sich schüttelnd einen Tröpfchenregen. "Phelan..." hustet er. "He du auch, Junge. Jen. Helft mir raus hier... Caewlin?" Er kann sich nicht umsehen, aber er spürt kräftige Hände, die ihn an den Harnischschnallen und Schulterstücken aus dem Wasser zerren und schieben und ihn dabei mahnen, er solle sich gefälligst nicht so schwer machen und ein wenig mithelfen. Ächzend und hustend landet er irgendwie auf dem Trockenen, während Wasser in Sturzbächen aus seinem Umhang und seiner Rüstung rinnt und hinter ihm im Zisternenbecken noch immer lautes Platschen zu hören ist. "Sind...," keucht er, "sind alle da?" Blinzelnd sieht er sich um. "Ich muß aus diesem Zeug heraus. Mach mir mal die Schnallen auf, Junge, ja?" Während Jen den Harnisch lockert, wühlt Borgil hastig in seinem Rucksach nach der Schachtel mit Loas Öl. Zum Lob der Götter ist sie zwar feucht geworden, aber es ist keine Nässe ins Innere gedrungen, ebenso wie ihre Vorräte in den beschichteten Ledertaschen noch einigermaßen brauchbar scheinen. Er krabbelt recht unwürdig auf die Füße, aber jeden Gedanken an Würde kann er in seinem Zustand ohnehin vergessen - kein Zwerg sieht mehr aus wie Laurin Riesentod, wenn er begossen wie ein Pudel und halb ersoffen ist, und seine Rüstung zudem bei jedem Schritt quietscht wie ein schlecht geöltes Türscharnier. Als er sich umdreht, sieht er Caewlin aus dem Wasser auftauchen, der verzweifelt mit dem Armstumpf irgendwo Halt sucht, während er mit der Linken das Rotzgör am Schlafittchen hat und ihren Kopf über Wasser hält. "Ach du Schande!" Vergessen ist die gerupfte Würde. "Los, gebt schon her!" Er streckt den Arm aus. Caewlin könnte nicht einmal er allein aus dem Wasser ziehen, aber das Mädel bestimmt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 04. Jan. 2005, 22:33 Uhr
"Sie atmet nicht." Borgil und Phelan ziehen das Rotzgör aus dem Wasser, während Caewlin sich schweratmend über den Rand wuchtet, und dann Aurian die Hand reicht, die direkt hinter ihm auftaucht. Im Gegensatz zu der Diebin, scheint sie sehr gut schwimmen zu können. Das Wasser ist eisig und rinnt in Bächen aus seiner nassen Kleidung, bildet Pfützen auf dem glatten Steinboden. Kettenhemd und gehärtetes Leder scheinen tonnenschwer an seinem Körper. Während er dem Botenmädchen der Steinfaust - oder eher der Magierin der Stadtgarde? Er hatte gesehen, was sie in ihrer Wut und Verzweiflung im Tunnel mit den Ratten getan hatte - aus dem Wasser hilft, kümmern Phelan, Borgil und Jen sich besorgt um das Rotzgör. Sie ist bleich wie der Tod und sieht ohne die wilden Locken um ihr Gesicht ganz anders aus. Eigentlich sollten sie alle zusehen, daß sie sofort aus ihren nassen Sachen kommen, ihr Gepäck überprüfen, sich trockene - oder wenigstens nur feuchte - Kleidung anlegen, aber irgendetwas hält ihn noch davon ab, und wenn es nur die unbekannten Schatten ringsum sind. Lieber ein triefend nasses Kettenhemd an, als gar keines. Das schwache Echo und sein Gefühl sagen ihm, daß die Halle, in der sie sich befinden, groß sein muß - größer als jeder andere Raum, indem sie bisher hier unten waren, vielleicht sogar so groß wie die Halle des Großen Wurmnestes. Er richtet sich auf, streift das Wasser ab, so gut es geht und wringt das lange Haar aus. Das Lederband, das es bisher im Nacken zusammengehalten hat, hat er im Wasser verloren. Der Waldläufer versetzt dem Rotzgör sanfte, aber nachdrückliche Klapse auf die Wangen, um sie wieder zur Besinnung zu bringen, aber sie regt sich nicht.

"Sie hat ziemlich viel Wasser geschluckt, am besten, Ihr sorgt dafür, daß sie es wieder ausspuckt. Borgil, könnt Ihr ein wenig mehr Licht machen? Ich will wissen, wo wir hier gelandet sind." Und was in den Schatten liegt, ehe ich mich hier umziehe Der Zwerg nickt, windet der Bewußtlosen den Kristallstein, den sie noch immer fest umklammert hält, aus der Hand, hält ihn hoch und läßt ihn strahlen. Er flammt auf wie eine kleine Sonne und in seinem hellen, weißen Licht können sie sehen, daß sie sich tatsächlich in einem Felsendom von beeindruckenden Maßen befinden. Hier unten ist es kalt - so kalt, daß ihrer aller Atem als weißer Dampf aufsteigt und sie, naß wie sie sind, mit den Zähnen klappern. Caewlin sieht sich um, soweit sein Blick reicht, doch die Halle scheint vollkommen leer, dann schnallt er seine Tasche auf. Sie ist zwar ein wenig feucht, aber nicht durchnässt und die Ersatzkleidung, die er eingepackt hat, ist noch einigermaßen trocken. Dafür triefen seine Schlafpelze - und wohl auch die aller anderen -, und die Aussicht, die nächste Rast auf feuchtem Fell zu verbringen, ist alles andere als berauschend. "Hier. Zieh das an. Du holst dir den Tod, wenn du in dem nassen Zeug bleibst." Er reicht Aurian ein trockenes Hemd - sein letztes - und versucht sich an einem möglichst harmlosen Lächeln. Dann schält er sich selbst aus Kettenhemd und gehärtetem Leder, sowie dem Rest seiner klitschnassen Kleidung. Über ihr Zaubern vorhin in den Tunneln verliert er kein Wort - Magie war ihm noch nie geheuer. Der Gedanke, eine Magoi und ihre Kräfte bei dem, was noch vor ihnen liegt, bei sich zu haben, hat allerdings durchaus etwas Beruhigendes an sich. Er leert mißmutig seine Stiefel aus und zieht sie wieder an, während Phelan die Arme des Rotzgörs wie beim Rudern hebt und senkt und ihr dadurch den Brustkorb zusammendrückt, um sie zum Atmen zu bringen.

Es hilft augenscheinlich, denn nach ein paar Wiederholungen würgt, hustet und übergibt sie sich. Der Halbelb hält ihr den Kopf, während ihr Wasser aus Mund und Nase läuft. Sie kommt nicht wirklich zur Besinnung, aber sie atmet immerhin wieder. Caewlin windet seine nasse Kleidung aus und reibt sein Kettenhemd so gut es geht mit einem einigermaßen trockenen Stück Leinen ab, bevor er es sich schwer und feucht wieder überstreift, und dann fluchend mit noch immer klammen Fingern die Schnallen schließt. Er ruft Akira, die schnüffelnd und mit einem leisen, aber anhaltenden Grollen in der Kehle in die Dunkelheit jenseits ihres Lichtkreises davontappen will, an seine Seite zurück und fragt sich, wo sie hier eigentlich gelandet sind. Diesen Raum kennt er nicht. Eben war er mit den anderen noch in wilder Flucht vor Tausenden von Ratten durch einen Tunnel gehetzt und dann... Dann sind wir durch die verdammte Falltür gekracht und im Wasser gelandet. Er sieht nach oben, doch dort ist nichts zu entdecken außer blickloser Schwärze. Wenigstens scheinen sie die Ratten losgeworden zu sein - gefolgt sind sie ihnen jedenfalls nicht. Oder aber, die Falltür hat sich hinter uns wieder geschlossen. Das ungute Gefühl, vom Regen in die Traufe gekommen zu sein, läßt ihn nicht los. Er wendet Aurian den Rücken zu und tritt zu Phelan, Jen und Borgil. Das Rotzgör scheint noch nicht wieder bei sich, aber er kann im nun wieder gedämpfteren Kristallicht sehen, wie der schmale Brustkorb sich hebt und senkt. "Ist mit Euch alles in Ordnung?" Der Reihe nach sieht er Borgil, Phelan und den Jungen an. Sie sind alle nass wie getauchte Katzen und sie schlottern in der Kälte, aber keiner von ihnen scheint verletzt. Jen ist groß, aber er hat selbst nur noch nasse Kleidung im Angebot - sein einziges anderes trockenes Hemd dient Aurian mittlerweile als Kleid. "Ihr müßt aus diesen Sachen heraus. Und wir sollten uns hier genauer umsehen." Und beten, daß es noch einen anderen Ausweg gibt, als den, durch den wir herkamen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 04. Jan. 2005, 23:14 Uhr
Eben war sie noch durch den Gang gerannt, sich voll und ganz der Tatsache bewusst, dass ihre Magie ihnen nur einen kurzen Aufschub gewährt und dann, ja dann ist plötzlich der Boden unter ihren Füssen weg. Freier Fall, nein nicht ganz, eher eine unbeschreiblich schnelle Rutschpartie sind die Folge. Erschrocken schreit sie auf, jedoch nur kurz, den am Ende der Höllenfahrt landet sie in einem unterirdischen, eiskalten See. Das schwarze – jedenfalls wirkt es in der Dunkelheit so – Wasser klatscht über ihr zusammen und sie versinkt in einer Brühe aus Dreck. Der Umhang des Nordmannes zieht sie nach unten, den der Stoff, der sich immer voller ansäuft wird schwer und immer schwerer. Sie hält die Luft an, hat schon das Gefühl, als müssten ihre Lungen zerplatzen und eine seltsame Schwärze kommt immer näher. Ich muss mich nur fallen lassen und alles ist vorbei! schießt es ihr durch den Kopf. Doch im selben Moment sieht sie ein Gesicht vor sich, blaue Augen, ein blonder Haarschopf und ein sanftes Lächeln: Cedric, so wie er sie das letzte Mal angesehen hatte, als sie sich kurz im Hof der Steinfaust über den Weg gelaufen waren. Sein Bild scheint sie von der Schwärze wegzuziehen und sie beginnt zu strampeln. Dabei verheddert sie sich jedoch im Umhang, verliert für einen Moment die Orientierung. Panik überkommt sie und der Drang, einfach einzuatmen wird immer größer. Verzweifelt zerrt sie an dem Kleidungsstück und mit einem Mal löst sich die Spange und der schwere Stoff verschwindet in der Tiefe.

Aurian strampelt nun nur heftiger und mit einem Mal ist sie an der Oberfläche, hustend und spuckend zwar, aber doch weitgehend heil. Gierig saugt sie die Luft ein, auch wenn sie noch so abgestanden ist und undefinierbar stinkt. Am Rand des Sees – oder ist es ein unterirdisches Becken? – ist der Elb bereits aus dem Wasser und zieht gerade Jen heraus. Neben sich vernimmt sie ein plantschen und prusten als der Zwerg auftaucht. Aurian schwimmt hinter Caewlin zum Ufer. Schwimmen kann sie, auch wenn es zeitweise mehr Ähnlichkeit mit dem Paddeln eines Hundes hat. Sie und Kenor hatten es sich selbst beigebracht, im Dorfweiher und eigentlich hatte sie sich schon immer recht geschickt angestellt dabei. Eben wird Faradays lebloser Körper ans Land gezogen, ehe sich ihr eine starke Hand entgegenstreckt und sie mit einem Ruck herauszieht, als wäre sie kein Gewicht. Schwer atmend und hustend steht sie am Rand des Beckens und nimmt dankbar das trockene Hemd entgegen, das der Nordmann ihr mit einem schiefen Lächeln, jedenfalls soll es wohl so was sein, entgegenstreckt. In der Düsternis der Höhle wirkt sein Gesicht jedoch eher wie eine Dämonenmaske der neun Höllen. „Danke!“ Mit Mühe bringt sie einen angeschlagenen Grinser zustande. Das Hemd ist ihr genauso zu groß wie das vorherige, doch wenigstens ist es trocken. Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie sich die anderen um Faraday kümmern, die reichlich angeschlagen wirkt. Auch sie würde ihr gern helfen, doch statt dessen sinkt sie nur auf die Knie, unfähig sich auch nur einen Meter zu bewegen. Aurian hat in Summe doch reichlich Wasser geschluckt und als ihr Blick auf die Brühe vor ihr fällt, ist es zu spät: Sie beginnt zu würgen bis auch der letzte Rest von dem Zeug heraußen ist. Erschöpft sinkt sie gegen die Wand. Ihr rechter Arm brennt wie Feuer, kribbelt als Nachwirkung der unkontrollierten Magieentladung. Auch ist der Riss an ihrer Lippe wieder aufgeplatzt und pocht vor sich hin. Reiß dich zusammen, verdammt noch eines! Mühsam richtet sie sich auf, und tritt neben den Nordmann, der begonnen hat, einen Ausweg zu suchen. Dank ihrer Halbelbensinne sieht sie um einiges besser und die wagen Konturen der Höhle jagen ihr Schauer über den Rücken. In einiger Entfernung ist ein undeutlicher Schemen zu erkennen. Könnte das ein Ausweg sein? „Seht dort hinten, was ist das?“ Sie deutet in die Richtung und auch Borgil, der mittlerweile zu ihnen getreten ist, blinzelt in diese Richtung.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 04. Jan. 2005, 23:58 Uhr
In einem Moment starrt Tiuri noch auf Faradays Hinterkopf als würde sein Leben davon abhängen und als könnte er sich nur so auf den Beinen halten und im nächsten Moment ist sie weg. Verschwindet einfach vor ihm und gleich darauf verliert auch er den Boden unter den Füßen und fällt.
Sterbe ich? Der Gedanke schießt ihm für einen Moment in den Kopf und dann noch tausend andere, schnell und unkoordiniert. Entweder der Weg den er fallend zurück legt ist schrecklich lang, oder er denkt einfach eine Menge Sachen in kurzer Zeit. Schmerz durchfährt seinen Arm als er ins Wasser fällt, aber er ist klar genug im Kopf um nicht ewig lange unterzugehen vor Schreck. Er kann schwimmen, irgendwann auf seiner Reise ist er von einem Mädchen aus einem Boot in den Ildorel geworfen worden, damals hat er es sich zwangsweise selbst beigebracht. Er strampelt mit Armen und Beinen, öffnet die Augen und sieht neben sich noch Faraday, greift nach ihr und will sie mit sich nach oben ziehen, als plötzlich etwas großes von oben gefallen kommt und sie einfach mit nach unten zieht. Es ist zu dunkel um etwas zu erkennen, gerade schimmert ihre weiße Haut noch hell im dunklen Wasser und jetzt kann er sie nicht mehr sehen, verschluckt. Mit etwas Mühe schwimmt er nach oben, ringt nach Luft und spuckt die eklige Brühe aus. Kräftige Hände ziehen ihn heraus, noch ehe er noch einmal nach Faraday tauchen kann. Er hustet noch immer, der Geschmack des Wassers ist widerlich. Tiuri blickt sich um und überlegt ob er noch einmal ins Wasser springen soll, aber wer weiß würde sie ihn überhaupt brauchen, würde sie seine Hilfe überhaupt wollen. Außerdem ist es unmöglich sie in der Dunkelheit zu finden so lange noch jemand anderes im Wasser ist.
Der Junge hilft dem Spitzohr den Zwerg nach oben ins Trockene zu ziehen, auch wenn ihn das einige Anstrengung kostet, denn der Zwerg ist trotz seiner geringen Körpergröße schwer. Sehr schwer, was auch an der massiven Rüstung liegt die er trägt, aber mit Sicherheit nicht nur. Tiuri versucht seine linke Hand nicht zu sehr zu strapazieren, aber er weiß auch, dass Egoismus und Wehleidigkeit jetzt fehl am Platz sind. Diese Leute hatten ihn schließlich befreit, es ist das mindeste was er tun kann, wenn er sie aus dem Wasser zieht, auch wenn ihm die Hand dabei weh tut. Trotzdem, als der Zwerg ihn darum bittet die Schnallen des Harnischs zu öffnen, vermeidet Tiuri es die Hand zu benutzen und beißt stattdessen sogar ein Mal in einen der Riemen, auch wenn ihn der Zwerg dabei seltsam ansieht. Der Junge hebt nur einmal die bandagierten Finger, die er einfach nicht abbiegen kann, so sehr er sich auch bemüht und grinst entschuldigend. Die ganze Zeit jedoch lässt er die Augen nicht von der Wasseroberfläche, von wo jetzt auch Caewlin auftaucht und Faraday unter den Arm geklemmt hat.
„Faraday!“ Sie rührt sich nicht und atmet nicht, auch nicht als sie sie schon an Land gezogen haben. Tiuri hat keine Augen für die Übrigen die aus dem Wasser steigen, sondern betrachtet nur mit stummer Furcht wie der Heiler Faraday dazu bringt erst das Wasser auszuspucken und dann schließlich wieder zu atmen. Aber noch schlägt sie die schönen Augen nicht auf und Tiuri nimmt sie dem Spitzohr kurzer Hand aus dem Arm und kniet sich auf den Boden, Faraday an sich gedrückt. Er selbst zittert wie Espenlaub, aber Faraday soll nicht auskühlen sondern aufwachen und er hält ihren Kopf. Sein Haar klebt ihm so nass im Gesicht wie seine Kleidung am Körper, aber er überhört die Aufforderung die nassen Kleider los zu werden mit voller Absicht. Er weiß wie sein Körper unter der Kleidung aussieht, verbrannt und vernarbt von der Fußsohle bis zum Hals, die ganze rechte Körperhälfte und er würde sich hier eher den Tod holen als sich vor Faraday und auch Aurian auszuziehen. Zu gut nur kann sich der Junge daran erinnern wie unangenehm es ihm war, dass Faraday sein Bein gesehen hat nach dem sie es erst auch noch grün und blau getreten hat. Mittlerweile ist er hier, dreckig, verletzt und schwach, aber ein kleines bisschen Stolz möchte auch er sich bewahren und nicht angestarrt werden wie ein Insekt mit zwei Köpfen.
Aurian zieht sich umständlich um, so dass niemand ihren geschundenen Körper sehen kann und übergibt sich dann schließlich doch dank des Wassers. Die Männer legen Leder und Leinen ab und Tiuri schaut in Faradays Augen die sie endlich wieder aufschlägt und etwas desorientiert in seine Richtung schaut. Er hilft ihr sich aufzusetzen und gegen die Wand zu lehnen und wringt dann den Stoff seines Hemdes etwas aus, auch wenn das genau gar keine Verbesserung zu Folge hat. Tiuri würde ja gerne sagen, dass er jetzt wenigstens wieder sauber ist, aber das Wasser hat einen furchtbaren Geruch und auch der Junge muss ein Würgen unterdrücken, um das gerade erst zu sich genommene Essen wieder zum Vorschein treten zu lassen.
Tiuri steht mit schwankenden Knien auf und sieht sich um, wo immer sie auch sind, der Nordmann hat recht, sie müssen sich hier umsehen und herausfinden ob es noch einen anderen Weg hier her gibt als den durch die Decke und ob die Kanalratten wissen wo sie sind. Aurians Worte reißen ihn aus seinen Überlegungen über dreckige Menschen die schon längst ihre Kreise um sie ziehen und sich hämisch darüber freuen, dass diese Eindringlinge die tatsächlich gedacht hatten sie könnten fliehen, umzingelt und bald nicht mehr als Rattenfutter sind.
>Seht dort hinten, was ist das?<
Tiuri kneift die Augen zusammen und starrt angestrengt in die Richtung in die Aurian deutet. Auch die anderen sind schon da und tun es ihm gleich. Ohne etwas wirklich gesehen zu haben schweift sein Blick zu den anderen Augenpaaren ab, wovon nicht alle wirklich aussehen als hätten sie ebenfalls etwas entdeckt. Der Junge versucht es noch einmal und starrt in die Dunkelheit bis er sich zu mindest einbildet dort einen wagen Schemen sehen zu können. Tiuris Gedanken rotieren, Schemen, in der Dunkelheit, warum, woher? Alle seine Muskeln spannen sich und das Zittern hört auf vor lauter Anspannung.
„Wenn wir dort etwas sehen, dann muss dort Licht sein, aber wir sind zu tief, als das es Tageslicht sein könnte, also muss das von jemandem kommen. Sie sind hier unten und wer weiß, warten sie dort auf uns, wo wir hinter uns keinen Ausweg sehen.“

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 05. Jan. 2005, 20:14 Uhr
Faraday schliddert in halsbrecherischer Geschwindigkeit voran ohne etwas tun zu können. Der felsige Boden ist überzogen von Moos, Algen und Feuchtigkeit und mehr als einmal bleibt sie auf der vergeblichen Suche nach Halt schmerzhaft hängen. Ein schriller Schrei begleitet sie die ganze Zeit, er halt in Tunnel und Ohren wider, aber sie begreift nicht einmal, dass es ihr eigener ist. Der Lichtstein ist ihr entglitten und schliddert und purzelt nun neben ihr her, als wolle er ihren Weg begleiten. In ihrer entsetzen Hilflosigkeit greift sie danach und umklammert ihn so fest, als wäre er ein Strick, an dem sie sich aus dieser Lage herausziehen könnte. Dann ist mit einem Ruck Schluss mit der wilden Fahrt und Faraday fällt und fällt und fällt. Ich werd mir den Hals brechen, gleich bin ich tot, tot! "Oooooh!"

Der Aufprall auf dem Wasser ist mindestens so schmerzhaft, als wäre sie auf Stein aufgekommen, aber es ist noch viel schlimmer. Mit Eisklauen schlägt das dunkle Nass über ihr zusammen und binnen eines Lidschlages ist ihr Mund und ihre Nase voller Wasser, das ihren letzten Schrei zu einem hilflosen Gurgeln erstickt. Da ist kein Boden unter ihren Füssen, da ist nichts ausser der Kälte und dem Drängen nach Luft, dem schmerzhaften Druck in ihren leergeschrieenen Lungen. Und dann weicht das Schwarz um sie herum einer stillen, schmerzlosen Dunkelheit.

Ich fliege! Voller Erstaunen stellt Faraday fest, dass da kein Boden unter ihren Füssen ist. Sie treibt voran wie in einem stillen Gewässer aus purpurner Luft, aber es ist nicht nötig zu atmen. Es ist warm und sie fühlt sich geborgen. Da ist keine Spur mehr von Kälte, Krankheit und Schrecken. Faraday möchte lächeln, aber sie fühlt ihr Gesicht nicht, fühlt ihren Körper nicht, fühlt gar nichts. Vielleicht bin ich einfach weg, bin nie dagewesen. Die Erkenntnis erfüllt sie mit einer unendlichen Ruhe, als würde sie in einem weichen, sicheren Bett ruhen, aus dem sie nie wieder aufstehen muß.

Aber dann zerbricht das Dunkel um sie herum, als zerspränge ein gläserner Krug in tausend Scherben. Übelkeit steigt in ihr hoch, so übermächtig, dass sie nichts tun kann als sich vornüber zu beugen und sich zu übergeben, all das Wasser auszuspucken, das ihr auf einmal so widerlich wie Öl in der Kehle drängt, als wäre in ihrem Inneren ein Damm gebrochen. Und mit dem Bewußtsein kehren die Schmerzen zurück. Faraday zittert wie Espenlaub, unfähig ihren Körper unter Kontrolle zu bringen. "Ich bin nicht tot." Die Worte kratzen so sehr in ihrem geschundenen Hals, dass sie sofort wieder zu husten beginnt. Dann bleibt sie erschöpft liegen, nicht in der Lage, auch nur den kleinen Finger zu heben. Ganz kurz hat sie zwei bekannte Gesichter gesehen, aber sie kann ihnen im Moment keine Namen zuordnen. Warum kann ich nicht einfach tot sein? Sie will die Augen nicht öffnen, sie fühlt sich sogar zu schwach auch nur einen rasselnden Atemzug zu tun. Sie kann nur daliegen und den weit entfernten Stimmen lauschen, die ihr so völlig egal sind. Sollten sie doch mit ihr machen, was sie wollten; sie würde einfach hier liegen bleiben und sich nie mehr von der Stelle rühren.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 06. Jan. 2005, 09:53 Uhr
"Gute Götter, das darf doch nicht wahr sein. Wir verlieren hier niemand wegen ein bißchen Wasser, verflucht noch eins!" Dabei weiß Phelan nur zu gut, wie es vor allem um den Jungen und das Mädchen bestellt ist - beide erkältet und mit glühenden Körpern und jetzt triefend wie nasse Ratten hier unten in dieser Eiseskälte. Das Rotzgör liegt einfach da und ihr Körper zittert um die schlimmste Kälte zu lindern, aber das würde ihr nicht helfen. "Nicht wenn du hier liegen bleibst. Hörst du?" Der Junge sitzt hinter ihr und hat ihren Kopf auf seinen Schoß gebettet, aber Phelan packt sie bei den Schultern und schüttelt sie. "Du öffnest jetzt die Augen und stehst verdammt nochmal auf!" Er hat keine Lust eins dieser Kinder zu verlieren, nicht noch ein Kind. Das Mädchen murrt widerwillig wie eine Katze, die man ins Wasser zu werfen droht. Mit klammen Fingern öffnet Phelan sein Bündel und zieht abermals das kleine Fläschen mit dem hochprozentigen Inhalt heraus, öffnet es und hält es der blassen Gestalt zu seinen Füssen an den Mund. Der Alkohol verlässt wie ein kleiner, brennender Fluss sein Gefängnis und das Gör beginnt herzhaft zu husten, aber sie schluckt und reißt dann die Augen auf. "Hilf mir, los." Mit Jens Hilfe bringen sie Faraday auf die Beine wie einen nassen Sack, der nicht alleine aufrecht bleiben kann.  "Bring sie dazu mit dir zu laufen. Wir müssen die Kälte aus unseren Körpern bringen."

Phelan selbst ignoriert die Kälte, die sich mit Grabesfingern in seinem Körper ausgebreitet hat, so, wie er es schon vor langen Jahren gelernt hat. Er wringt sich die tropfenden Haare aus, dann überprüft er seine Ausrüstung. Alles ist noch da, nur der Umhang hängt viel zu schwer um seine Schultern, dennoch wärmt die gefettete Wolle wenigstens ein bißchen. Aber er ist froh, dass er im Gegensatz zu Caewlin und Borgil lediglich einen Lederharnisch trägt und keine metallene Rüstung. Die Halle, in der sie stehen, hat mächtige Ausmaße und eine Kuppeldecke, rund wie ein steinerner Bienenstock. In ihrer Mitte befindet sich das Wasserbecken mit der gemauerten Umrandung, ein Abfluß oder sonst etwas. Jedenfalls müssen sie sich hier weit unter dem Wasserspiegel des Ildorel befinden. Die Dunkelheit hält den ganzen Raum fest in ihrer erstickenden Faust, nur von oben schimmert schwach Licht herein und zwar nicht nur durch den Schacht, durch den sie zuvor herein gerutscht sind. Phelan weiß wenig davon, dass es unter Talyra noch Überreste einer viel älteren Stadt geben soll, aber wer auch immer diese Tunnel und Höhlen gebaut hatte, er hat sich auf sein Handwerk verstanden. Weit hinten in der Nähe der Wand erheben sich bullige Schatten von irgendwelchen großen Dingen. Phelan glaubt große Fässer zu erkennen, ähnlich denen, in denen Wein gelagert wird. Ein seltsamer Ort für so etwas. Aber tatsächlich teilt sich gut 15 Schritt über den hölzernen Behältnissen die Decke zu einem weiteren Schacht, durch den schwaches Licht hereinfällt und dann den Kampf gegen die Schatten verliert. Er folgt Borgil und Caewlin, die sich begonnen haben in diesem unterirdischen Verlies umzusehen, erreicht schließlich die Nähe der Wände und entdeckt in den Steinwänden seltsame, behauene Figure, die wie kleinformatige, deformierte Drachen direkt aus dem Mauerwerk zu entspringen scheinen. Sie haben weit geöffnete Klauen und Mäuler und die Andeutungen von Hörnern verzerren ihre schmalen Gesichter zu grotesken Fratzen.

"Borgil, seht. Was ist das?" Erst jetzt entdeckt er, dass die Wesen in regelmässigen Abständen die ganze Halle zu umgeben scheinen. "Was bei den Göttern soll das hier unten sein? Weinfässer, Wasserbecken! Wer hat sich die Mühe gemacht hier unten so etwas in den Stein zu hauen? Und warum"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 06. Jan. 2005, 13:13 Uhr
Während Phelan sich fast wütend und mit Jens Hilfe um das Rotzgör bemüht, quetscht sich Borgil schnaufend aus seiner Rüstung. Er muß wenigstens drunter etwas trockenes anziehen. Metall weicht wenigstens nicht durch! Bemerkt er in Gedanken spitz, während er sich so rasch es geht umkleidet. Nasse Beinlinge von stämmigen Zwergenwaden zu schälen gleicht in etwa dem Versuch, mit bloßen Fingern eine Kokosnuß abzupulen, aber irgendwie gelingt es ihm. Hinter sich kann er das Rascheln von Kleidern und das tropfen nassen Stoffes hören, der ausgewrungen wird und zuckt mit den Schultern. Den Luxus von Zartgefühl und Schamhaftigkeit können sie sich jetzt einfach nicht leisten, sie müssen trocken und warm werden. Und von seinem alten Narbenkörper, knorrig und steinhart wie eine verwachsene Eiche würde ihm ohnehin keiner etwas abschauen. Wieder einigermaßen hergestellt in einem trockenen Hemd und Hosen reibt er hastig Arm- und Beinschienen und den Harnisch trocken, und legt alles wieder an, dann gesellt er sich zu Aurian und Caewlin, die nebeneinander stehen und angestrengt ins Dunkel spähen, bis das Mädel etwas entdeckt. >Seht dort hinten, was ist das?< Borgil folgt ihrem Blick, die Axt griffbereit im Gürtel. Noch immer ist ihm klamm, Haar und Bart sind noch feucht, aber immerhin quietscht er nicht mehr. Das, was sie erspäht hat, entpuppt sich bei näherem Hinsehen und im aufflammenden Licht des Kristallsteins jedoch nicht als Ausgang oder Tunnel, sondern als gigantisches Faß, das umgekippt auf der Seite liegt. Es ist so groß, daß selbst Caewlin aufrecht in seiner Öffnung stehen könnte... oder immerhin fast.

Dann meldet sich Jen zu Wort - das erste Mal, das der Junge im Kreis aller etwas einwirft, wenn Borgil sich nicht täuscht. >Wenn wir dort etwas sehen, dann muss dort Licht sein, aber wir sind zu tief, als das es Tageslicht sein könnte, also muss das von jemandem kommen. Sie sind hier unten und wer weiß, warten sie dort auf uns, wo wir hinter uns keinen Ausweg sehen.< "Nicht unbedingt," brummt Borgil beruhigend. "Sie sind bestimmt hier unten irgendwo, aber das Licht kommt aus den Schächten über uns - und nicht von der Welt draußen, sondern wahrscheinlich irgendwoher aus der Unterstadt..." spekuliert er. "Dann sehen wir uns einmal genauer um." Borgil läßt den Kristallstein noch einmal leuchten, was er hergibt  - und was sie alle  in seinem Licht sehen können, gefällt ihm ganz und gar nicht. Sie stehen inmitten einer weitläufigen, kreisrunden Halle neben einem ummauerten Brunnenloch im Boden, das allein sicher zehn Schritt Durchmesser hat. Hinter ihnen bringt Phelan irgendwie das Rotzgör auf die Füße und schiebt sie in Jens Arme, wo sie hängt wie ein entgräteter Fisch. Die ist hinüber. Sie scheint zwar nicht mehr völlig besinnungslos, aber allein Stehen kann sie nicht. "Die braucht was Trockenes am Leib und Wärme," murmelt Borgil mitleidig in seinen Bart, aber mehr zu sich selbst. Ja, und heiße Suppe, ein noch heißeres Bad und ein Bett, in dem sie sich zwei Wochen auskurieren kann, denkt er zähneknirschend. Wie wir alle. Der Waldläufer, der sich genauso ratlos wie sie umsieht, tritt neben ihn und macht ihn auf etwas in den Wänden aufmerksam. >Borgil, seht. Was ist das?<
"Häh?" Er dreht sich um und starrt in die angewiesene Richtung. "Wasserspeier! Ach du Schande... ich glaube... ja fast... wir sind... hum!" Borgil macht ein paar Schritte weg von den anderen, hebt den Stein hoch und beleuchtet mit geisterhaft bleichem Licht ihre Umgebung und die Wände dieser gigantischen Käseglocke, in der sie da gelandet sind.

"Das sieht fast aus, als wären wir in einer der alten Zisternen gelandet," erklärt er nach einer Weile. "Zu imperialer Zeit war die Stadt von einem tiefen Graben unterhalb der Stadtmauern umgeben, der bei einer Belagerung mit Seewasser geflutet werden konnte. Damit die Stadt trotzdem auch in Kriegszeiten mit frischem Trinkwasser versorgt war, ließen die Baumeister der Impertoren von Ûr tiefe Brunnen anlegen. Es soll einst ein ganzes Höhlensystem voller solcher Zisternen gegeben haben. Das hier muß ein Teil davon sein... oder so." Die grotesken Gesichter der Wasserspeier überall in den Wänden ringsum scheinen ihn mit grinsenden Fratzen zu verspotten und er richtet seinen Blick nach oben. Die Decke ist rund und hochgewölbt, doch von zahlreichen Schächten nach oben durchbrochen. Einige scheinen schnurgerade wie Orgelpfeifen, andere schräg, so wie der, durch den sie hereingerutscht waren. Durch manche fällt schwacher Lichtschein von irgendwoher und fast meint er, auch Geräusche drängen zu ihnen herab, aber viel zu leise, als daß er sagen könnte, was oder woher. Das Beunruhigendste jedoch ist, daß es nirgendwo, so sehr sie auch suchen, einen Ausweg oder eine Tür zu geben scheint. Sie durchsuchen die ganze Halle, klopfen die - bis auf die Wasserspeier in etwa vier Schritt Höhe - spiegelglatten Steinwände ab und untersuchen den Boden. Sie finden nichts. Keine Fuge, keinen Tunnel, keinen Schacht, keine Tür, nicht einmal eine verschlossene oder ganz verborgene Geheimpforte.

Nach einer Stunde entnervender Sucherei geben sie auf. "Wir sitzen fest," Borgil bringt ihr Dilemma auf den Punkt. Aus seinem Rucksack kramt er die restlichen trockenen Kleider, die er noch hat: zwei Hemden, eine Hose aus weichem Wollfilz, ein paar lederne Ersatzbeinlinge und verteilt sie an Phelan, Jen und das Rotzgör. "Hier. Seht zu, daß ihr wenigstens sie Trocken bekommt. Es wird keinem von euch wirklich passen, aber es ist das einzige, das wir noch haben." Ihr Schlaffelle haben sie alle ausgerollt und ausgewrungen so gut es eben geht. Ohne Feuer würden sie in dieser klammen Kälte hier unten nie trocknen, also macht Borgil mit seinen Äxten kurzerhand aus einem der großen Fässer Kleinholz. Die Fässer sind das einzige, das sie in der Halle gefunden haben. Alle uralt, und alle leer. Fünf Stück, davon eines umgekippt, sind unweit des Brunnens sauber aufgestapelt. Seine Zunderschachtel ist allerdings völlig durchweicht, doch das Problem löst Aurian mit bewundernswerter Knappheit, indem sie einmal die Hände über die zerstückelten Bretter hält, etwas murmelt und damit ein lustiges, kleines Feuerchen entfacht. Das steinalte und trockene Holz brennt rasch und auch wenn es nicht wirklich viel Hitze abgibt, sie haben es wärmer und heller, und das ist angesichts ihrer Lage auch schon etwas wert. "Wir müssen hier irgendwie raus... nur wie, das ist die Frage."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 06. Jan. 2005, 19:21 Uhr
Irgendwann war Blutaxt das umherwandern zu blöd geworden und er hatte sich oben an der Spitze von Prancys Schenkel postiert, und seine Männer in beiden Gängen verteilt. Ratten huschen eilig hin und her und man kann ihnen ihre Aufregung deutlich anmerken.Was geschieht hier! Lautlos beobachtet Blutaxt die Ratte zu seinen Füssen, die ihn einen Moment unbekümmert ansieht und dann plötzlich weghuscht in Richtung der verbrannten Kaverne, in die sich die Kanalratten nur äusserst selten trauen. Die Würmer haben dort geherrscht und selbst den Kanalratten waren diese Viecher mehr als unheimlich gewesen. Sie waren Schuld daran gewesen, dass Schattenhaar und der Sturmlord überhaupt in die Kanalisation gekommen waren. Immer mehr Ratten strömen der Kaverne zu und bald sieht es aus als würde ein Bach aus Rattenleibern durch die Gänge ziehen und sich zu einem Strom vereinigen. Fasziniert beobachtet Blutaxt dieses Schauspiel doch sein Verstand kommt nicht dahinter, was die Ratten dazu veranlassen mag. Der Meister hat sie gerufen du Idiot, wer sonst!

Er würde seine Neugier zu gerne befriedigen und den Ratten folgen, aber dass hiesse seinen Posten zu verlassen und das kann er auf keinen Fall tun, sonst sässe sein Kopf nicht mehr lange auf seinem Hals. Irgendwann bricht der Fluss aus Rattenkörpern ab und Dunkelheit umgibt ihn wieder, nur durch schwachen Fackelschein von entfernten Gangfackeln erhellt. Eine Weile geschieht nichts, es ist kein Geräusch zu hören und dann dringt ein Ton an seine Ohren, der ihm das Blut in den Adern gefrieren lässt. Die Todesschreie von hunderten Ratten schallen durch die Gänge. Todesschreie von Brüdern, denn nichts anderes sind die Ratten für ihn. Eine Gänsehaut zieht über seine Arme und er hält sich für einen Moment die Ohren zu und dann riecht er es auch, durch die Gänge ziehen Schwaden von Rauch, die nach verbranntem Fleisch riechen, verbranntem Rattenfleisch.

Beim Dunklen was geschieht hier, woher kommt das Feuer, ob in der Kaverne wieder etwas zum Leben erwacht ist?
Ein Schaudern läuft durch seinen Körper, ehe er sich selbst wieder zur Ruhe ruft. Er selbst will und kann seinen Posten nicht verlassen, aber er muss wissen was dort geschehen ist und wer oder was die Ratten in den Tod geführt hat. Whytfisk würde ihm den Hals umdrehen und noch mehr, wenn er es versäumen würde dem nach zu gehen. "Jona, komm her!" ruft er leise in einen von Prancys Schenkel und kurz drauf taucht aus dem Dunklen Jona auf, sein pockennarbiges Gesicht fragend zu Blutaxt gerichtet."Jaja, Jona, ich habe es auch gehört und auch gerochen. Einer muss gehen und sehen was dort geschehen ist, nein besser zwei. Schnorrer!", ruft Blutaxt in den anderen Schenkel Prancys und kurz darauf erscheint ein hagerer Kerl, den sie Schnorrer nennen , weil er nie selber irgendetwas hat, sondern sich immer alles leiht, was er braucht, und es natürlich niemals zurück gibt.

"Ihr beide geht zu der Kaverne und seht nach was dort passiert ist. Stellt jetzt keine Fragen, ich habe genausowenig Antworten darauf wie ihr." Die beiden Männer gehen mit gezogenen Waffen den Gang entlang und Blutaxt sieht ihnen an, dass ihnen gar nicht wohl dabei ist, obwohl die Beiden sonst kaum etwas erschrecken kann. Unruhig bleibt Blutaxt an der Stelle stehen und sieht in die Dunkelheit. Der Rauch der verbrannten Ratten liegt schwer in der Luft, kratzt im Hals und in den Lungen und Blutaxt nimmt einen kräftigen Schluck aus der kleinen Flasche Rum, die er bei sich hat. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern ehe die Männer zurück kommen und davon berichten hunderte von Toten und verbrannten Ratten gefunden zu haben. Es habe nach Loas Öl gerochen und noch nach etwas anderem was sie aber noch nie gerochen hätten. Doch die ganze Kaverne sei leer gewesen, nichts zu sehen von irgendwelchen Eindringlingen und auch keine Geräusche seien zu hören gewesen. Es wäre nur unheimlich gewesen.

Blutaxt kann sich immer noch keinen Reim darauf machen, wenn es der Sturmlord gewesen ist, wo war er dann jetzt? Deshalb schickt er Schnorrer los, damit dieser Whytfisk davon in Kenntnis setzt und weitere Befehle mitbringen soll. Ich hasse es dämlich rum zu stehen und zu warten. Mir wäre ein offener Kampf Mann gegen Mann zehn mal lieber, als dieses elendige Versteckspiel.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 06. Jan. 2005, 22:37 Uhr
In einer Felsenkammer


Die Stunden kriechen im Schneckentempo dahin und manchmal kommt es Raven vor, als würde sie durch ein schwarzes, endloses Universum treiben, seltsam körperlos und ohne jegliches Gefühl für Zeit und Raum, als würden hier in dem feuchtkalten Verlies nicht die gleichen Gesetze gelten wie auf Rohas weitem Rund, sondern eigene - die uralten Gesetze von Stein und ewiger Stille. Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen immer mehr und manches Mal kann sie nicht einmal mehr mit Gewissheit bestimmen, ob sie wach ist oder im Fieberschlaf vor sich hin dämmert. Oftmals erinnern nur die Schmerzen daran, dass sie noch bei Bewusstsein ist und in diesen halbwachen Augenblicken versucht sie verbissen, sich zu bewegen und irgendetwas zu tun, um nicht wieder in diese ohnmächtige Finsternis zu sinken. Sie macht ihr Angst und hat doch gleichzeitig etwas sonderbar Einladendes an sich, als würde jemand sie mit bleichen, knochigen Fingern zu sich locken wollen, in eine Welt ohne Schmerzen, ohne bittere Selbstvorwürfe, ohne Angst und ohne dieses Gefühl der Verlorenheit.

Es wäre so einfach, sich fallen zu lassen, diesem verlockenden Ruf zu folgen, alles hinter sich zu lassen - aber nein, irgendwo in ihrem Inneren arbeitet unermüdlich und mit einer geradezu nervtötenden Penetranz dieser kleine, unnachgiebige Funke Lebenswille, der sie über all die Jahre aufrecht gehalten hatte und offenbar auch jetzt absolut nicht gewillt ist, einfach kampflos aufzugeben. Und so gibt sie ihm nach statt den Verlockungen friedlicher Schwärze und zermartert sich ein ums andere Mal das Gehirn nach einem Ausweg aus diesem stinkenden Kerker. Einmal schafft sie es, bis zur Tür hinüberzukriechen, wobei ihr die Strecke zur gegenüberliegenden Felswand wie die Überquerung eines ganzen Ozeans erscheint und sie mehrere üble Schmerzattacken in Kauf nehmen muss, die ihr den Atem rauben und bis an den Rand der völligen Erschöpfung treiben. Doch so sehr sie auch nach draußen lauscht, es ist kein einziger Laut zu hören - entweder schließt die schwere, eisenbeschlagene Tür wirklich so dicht, dass sie alle Geräusche aussperrt, oder es gibt da draußen schlichtweg einfach nichts, was ein Geräusch verursachen würde.

Einige Augenblicke lang presst sie ihr Ohr an das kalte, modrig riechende Holz der Tür, doch ohne auch nur das kleinste Zeichen zu erhaschen, dass sich irgend jemand in Reichweite aufhalten würde. Selbst als sie mit der ihr noch verbliebenen Kraft dagegen hämmert, rührt sich nichts und die Schläge verhallen ungehört in der Stille des Kellers. Immer mehr kommt sie zu der Überzeugung, dass sich die Pforten in die Freiheit wohl nie mehr öffnen werden. Auch Whytfisk scheint sie vergessen zu haben und bei dem Gedanken daran breiten sich Unruhe und eine düstere Vorahnung in ihr aus. Er hatte nicht den Eindruck gemacht, als würde er sie hier einfach verrotten lassen wollen und dass er nicht wieder auftaucht, obwohl schon Stunden oder Tage vergangen sein müssen, seit sie hier ist, kann nichts gutes bedeuten. Das ungute Gefühl in ihr verstärkt sich noch und sie will lieber gar nicht daran denken, was Whytfisk aufgehalten haben könnte, auch wenn sie es insgeheim schon zu ahnen beginnt. Ihre Gedanken wandern zu einem narbengesichtigen Nordmann und die steinernen Mauern ihres Kerkers scheinen sie plötzlich erdrücken zu wollen und ihr die Luft abzuschnüren. Ich wünschte, du würdest nicht versuchen, hier herunter zu kommen, obwohl ich weiß, dass du es vermutlich tun wirst. Er wird dich in eine Falle locken und alles, was ich damit erreichen wollte, dass ich hier bin, wird völlig sinnlos gewesen sein. Wenn ich dich nur irgendwie warnen könnte, aber ich kann nicht das geringste tun, nichts...

Während sie sich langsam und mit pfeifendem Atem über das eiskalte, feuchte Felsgestein Elle für Elle zurück zu ihrem kärglichen Strohlager schiebt, zerrt ihr fieberwirrer Geist Erinnerungen an ihren ersten "Besuch" hier unten in der Kanalisation hervor. Auch seinerzeit waren sie in einer schier aussichtslosen Lage und dem Tode mehr als nahe gewesen, doch damals hatte ein Funke Hoffnung sie angetrieben und ein übel verwundeter Caewlin, den es in Sicherheit und wieder ans Tageslicht zu bringen galt - und der Gedanke an ihren Gefährten, der dort oben auf sie gewartet hatte und den sie hatte wiedersehen wollen. Und nun? Wo bist du jetzt? Jetzt gibt es dort oben niemanden mehr, der auf sie warten oder sich um sie sorgen würde. Mit schmerzverzerrtem Gesicht kauert sie sich in dem modernden Strohhaufen zusammen. Zweifel und Vorwürfe und die quälende Frage nach dem Warum nagen an ihr, doch sie hat keine Antwort darauf. Und sie wird es auch nicht mehr erfahren, denn derjenige, der sie beantworten könnte, ist bereits meilenweit fort und sie selbst hockt gefangen in einem schwarzen Kerker und wartet auf den Tod.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 07. Jan. 2005, 00:59 Uhr
In der Zisterne


Caewlins Blick hängt an den Fässern - im flackernden Schein der Flammen, der die riesige Halle kaum erhellt, sind sie nicht mehr als ein formloses Gebilde hinter ihnen. Borgil hatte eines zu Feuerholz zerhackt, aber vier stehen noch und Caewlin hatte sie sich beim Durchsuchen der Halle genau angesehen. Sie sind alt, doch nicht verrottet und das Siegel der Lords von Vînnar, Trauben und Rebenblätter, ist ins Holz ihrer Böden eingebrannt. Weinfässer. Und nicht die gewöhnlichen, kleinen Fässer, wie man sie in Wirtshäusern findet, nein, Kelterfässer. Irgendjemand hat hier unten Wein gelagert und ich wette, es war Blaeran. Nicht nur, daß der ehemalige Anführer der Kanalratten diesen Ort gekannt haben muß, er war auch Snob genug gewesen, seinen Wein aus Vînnar in solchen Fässern kommen, und ihn hier unten in der ewig gleichen Kühle dieses Felsendoms lagern zu lassen. Das Rotzgör döst am Feuer, frierend, aber immerhin wieder in einigermaßen trockenen Kleidern. Der Junge und der Waldläufer hatten sie trotz ihrer schwachen Proteste aus ihrem nassen Kleid geholt, und sie in ein Hemd und Hosen des Zwerges gesteckt. Das Hemd passt ihr, doch die Hosen enden kurz unterhalb der Knie. Sie haben sich alle am Feuer aufgewärmt, etwas gegessen und ihre nassen Sachen zum Trocknen so nahe wie möglich an die Flammen geschoben. Caewlin hat den Morgenstern auf den Knien und seine Dolche vor sich auf einem ledernen Tuch, und ölt die Schlagkugeln sorgfältig mit dunklem Waffenöl ein, während Borgil trübsinnig in die Flammen starrt und brummt, sie müssten hier irgendwie heraus.

"Allerdings," erwidert er rauh. "Aber die einzigen Ausgänge aus dieser... Zisterne sind die Schächte in der Decke und wir können nicht fliegen. Wir haben genug Seil, aber wir kommen nicht hinauf, um es irgendwo zu befestigen. Vielleicht ließe sich ein Pfeil mit einem Seil daran hinaufschießen... aber von glattem Fels wird er nur abprallen und etwas anderes sehe ich dort oben nirgends." Er legt den Morgenstern neben sich und nimmt einen Dolch zur Hand, den er ebenso reinigt und mit Kalk poliert. "Vielleicht könnten wir auch aus den Fässern irgendetwas...  bauen, aber im Augenblick sind mir die Einfälle gerade ausgegangen." Er zieht einen Lederschlauch mit Feuerwein aus seiner Tasche, nimmt einen Schluck und reicht ihn an Aurian neben ihm weiter. Sie sitzt zwischen ihm und Borgil und scheint wenigstens im Augenblick nicht mehr in jedem Mann in ihrer Nähe einen Feind zu sehen. Oder zumindest in uns nicht. "Hier, trink das. Es wärmt von Innen, aber pass mit deinem Mund auf." Ihre Unterlippe ist aufgeplatzt und auf ihrem Kiefer prangt der Abdruck einer Männerfaust. "Das ist Feuerwein." Sie lassen den Lederschlauch einmal herumwandern und Phelan flößt selbst der Diebin etwas davon ein. Ihre Lider flattern, als sie schluckt, aber sie erwacht nicht. Wie auch immer sie es anstellen sollen, hier herauszukommen, irgendwie werden sie es schaffen müssen - er hat sicher nicht die Absicht, hier auf dem Präsentierteller sitzen zu bleiben, bis Whytfisk kommen, und ihn holen würde. "Irgendwelche.... verdammt?!"

Vorschläge hatte er eigentlich fragen wollen, doch ein plötzlich einsetzendes, lautloses Grollen läßt ihn verstummen. "Was ist das?" Aus dem leisen Grollen wird ein Vibrieren, als bebe der Stein ringsum, und aus dem Vibrieren ein Donnern - und es kommt rasch näher. Eine Luftblase steigt aus dem Brunnenloch hinter ihnen auf und platzt mit einem leisen "Plopp!", das sie alle erschrocken auf die Füße springen läßt. Noch einmal brodelt Luft hoch - dann beginnt das Wasser zu steigen, langsam, aber stetig. "Was bei allen Neun Höllen ist das jetzt... verdammt." Sein Blick fällt auf die Wasserspeier an den Wänden und Borgils Worte hallen in seinem Inneren wider: >Das sieht fast aus, als wären wir in einer der alten Zisternen gelandet.< Aus dem anschwellenden Dröhnen ringsum wird ein Rauschen und dann bricht aus einer steinernen Fratze nach der anderen Wasser hervor. "Rasch! Sammelt eure Sachen ein, wir müssen..." seine Worte gehen in einem ohrenbetäubenden Getöse unter, als aus dem Brunnenloch hinter ihnen plötzlich nicht mehr nur Wasser aufsteigt, sondern in Wogen hervorbricht und in die Halle schäumt. "...weg!" Sein Blick irrt gehetzt durch ihr steinernes Gefängnis, während das Wasser steigt und steigt, und bleibt an den Fässern wieder hängen. Die Fässer. "Wir müssen in eines der Fässer. Schnell!" Das Wasser umspült schon ihre Füße und löscht zischend ihr kleines Feuer, als sie von ihrer verstreuten Habe einsammeln, was sie erwischen können. Der Junge stützt das Rotzgör, alle anderen stürzen mit ihm zu den Fässern. Sie sind hoch, höher als er und haben an ihrer bauchigsten Stelle sicherlich einen Durchmesser von zweieinhalb Schritt oder mehr. "Phelan, helft mir. Borgil, kommt her, Ihr zuerst."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 07. Jan. 2005, 06:49 Uhr
Die Bretter zu entzünden geht Aurian so leicht von der Hand, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sicher, diesen Zauber hatte Maester Malakei ihr gleich zu Beginn der Ausbildung beigebracht, mit dem lapidaren Kommentar, das wäre etwas alltagstaugliches, was man schnell einmal brauchen würde. Doch hatte sie sich da noch immer aufs äusserste konzentriern müssen, ist es nun, als wäre es das Selbstverständlichste. Sie kommt jedoch nicht dazu sich zu wunder und darüber nachzudenken, dafür hat sie einfach nicht die Kraft. Eigentlich will sie sich nur irgendwohin verkriechen, die Augen schließen und nie mehr aufwachen, doch irgendwas in ihr, ist ihre magische Seite oder der Wunsch nach Rache, treibt sie vorwärts. Als der Nordmann ihr den Weinschlauch hinhält, realisiert sie, wie nahré sie ihm und dem Zwerg sitzt und für einen Moment spannt sich Körper an wie eine Sehne vor dem Abschuß des Pfeiles. Sei nicht so dämlich, diese Männer hier tun dir sicher mal nichts! Verdammt reiß dich zusammen! Dennoch zittern ihre Hände, als sie den Lederschlauch entgegennimmt, was der Nordmann ob der Dunkelheit nicht erkennen kann. >Es ist Feuerwein!< Der Alkohol bant sich den Weg durch ihren Hals und Aurian kann nur mit Mühe ein Husten unterdrücken. Doch das Zeug verfehlt seine Wirkung nicht und eine wohlige Wärme breitet sich in ihr aus. Auch die anderen nehmen jeweils einen Schluck sogar Faraday wird dazu gebracht, etwas zusich zu nehmen, obwohl sie immer noch halbbewusstlos in Jens Armen liegt.

Von einem Moment zum anderen ist es aber vorbei mit der trügerischen Ruje: Das Wasser beginnt zu brodeln und glucksen und dann schießt eine Fontäne aus dem Becken. Ich bin gerade erst halbwegs getrocknet, nicht schon wieder Wasser! Dieser unsinnige, trotzige Gedanke schießt ihr durch den Kopf, als sie aufspringt, die kleine Armbrust und eines der Felle schnappt und hinter den Männer auf eines der Fässer zueilt. Eben wird der Zwerg von Caewlin und dem Heiler, den der Nordmann mit Phelan anspricht, in eines dieser Ungetümer gehieft. Aurian ergreift den Rand und will sich schon hochziehen, als sie sich erneut von hinten geschnappt fühlt und ehe sie protestieren kann, von einem der beiden in das Fass gehoben wird, als hätte sie kein Gewicht. Fast postwendend folgen Faraday, die von Jen mehr  geschliefen wird, als das sie selbst geht, und der Junge.

Aurians Blick fällt auf das Wasserbecken: Es blubbert und brodelt immer mehr und das Wasser steigt in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Ihr Lagerplatz ist mittlerweile komplett überflutet und von dem Mauern, die das Wasserbecken der Zisterne umgeben, ist nichts mehr zu sehen. Der Blick des Mädchens schweift nach oben. Zwar ist die Decke der riesigen Halle noch weit entfernt, doch sie kommt immer näher und ein grauenhafter Gedanke bemächtigt sich ihrer.Wir werden da oben zerschellen! Das Wasser wird uns an dem Stein zerquetschen! Wir müssten einen der Tunnelauslässe erreichen! Doch wie?

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 07. Jan. 2005, 14:29 Uhr
Der Zwerg zerstreut Tiuris Bedenken, dass sie unter Umständen schon eingekreist sind und es keine Möglichkeit gibt hier zu entkommen. Die gibt es allerdings ohnehin nicht, denn es lässt sich ohne weiteres, einfach kein Ausgang finden, außer dem, durch den sie auch hinein gekommen sind. Der aber ist einige Fuß über ihnen und kann von keinem einfach erreicht werden, auch nicht über den Schultern eines anderen, schon allein deswegen, weil er sich über dem Wasser befindet. Das Suchen und das ewige auf und ab gehen tut Tiuris Nerven gut. Konzentriert lässt er seine Finger über die Steinwände gleiten, geht noch einmal zum Wasser, als ihm dort etwas seltsames ins Auge sticht. Ein schrilles Fiepen und ein plätscherndes Geräusch untermalen das Bild der strampelnden Ratte die sich nur noch mit Mühe an der Wasseroberfläche hält.
Tiuri greift intuitiv an seine Hosentasche, doch diese ist leer und so fischt er die Ratte aus dem Wasser. Vor lauter Sorge und Aufregung hat er auf den kleinen Freund völlig vergessen und dieser putzt sich jetzt in seiner Hand und straft Tiuri mit Nichtachtung.
„Entschuldige Vinur!“ murmelt Tiuri und streicht dem kleinen graubraunen Kerlchen sanft mit dem Daumen über das nasse Fell. Eine Zeit lang trägt er ihn noch in der Hand mit sich, steckt ihn dann aber doch wieder zurück in seine Hosentasche, einfach weil er ohnehin nur eine Hand zu Verfügung hat und diese kann er nicht damit beschäftigen eine kleine Ratte zu halten. Doch auch nach einer Stunde lässt sich einfach kein Ausgang finden, Fässer, riesige leere Fässer, das schon, aber kein Ausgang.
Und nicht einmal Wein! Tiuri versucht die Sache aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, aber die Tatsache, dass er hier in einem dunklen Loch verrecken würde müssen, ist wirklich nicht sehr erbaulich, schon gar nicht für jemanden der ausgangslosen Räumen allgemein nichts abgewinnen kann. Der Zwerg gibt ihm eine Hose und ein Hemd und auf Faraday muss irgendwie in trockene Kleidung geschält werden, was aber, weil sie sich selbst nicht wirklich rühren kann, bedeutet, dass er oder der Heiler das tun müssen. Es wäre nicht die erste nackte Frau die Tiuri sieht, aber irgendwie ist ihm die Tatsache, dass das weder nach noch gegen ihren Willen geschieht unangenehm. Also bringt er Faraday dazu etwas klarer zu sein, schüttelt sie sanft, spritzt ihr etwas Wasser ins Gesicht und der Heiler gibt ihr noch einen Schluck aus dieser Flasche die er mit sich rum trägt. Danach ist sie schließlich so weit wach, dass sie sich fast alleine umziehen kann und bei den restlichen Tätigkeiten hilft ihr Tiuri zwar, schließt aber dabei galant die Augen, schließlich will auch er nicht unbedingt beobachtet werden. Das ist auch gleich sein nächstes Problem, zwar geht er nicht davon aus, dass seine Kumpanen sich gerne nackte Jungen ansehen, aber er will nicht einmal, dass einer auch nur einen zufälligen Blick auf ihn erhascht. Also verkriecht er sich in eine Ecke und zieht sich dort umständlich um.

So richtig passend sind die Kleidungsstücke des Zwerges nicht, denn Tiuri ist lang und dünn, der Zwerg aber klein und breit. Genauso sieht es auch aus. Die Beinlinge sind dem Jungen zu kurz, reichen ihm gerade bis zum Knie, sind aber oben um den Bauch herum ein gutes Stück zu weit, so dass er einen Knoten hinein macht um sie nicht zu verlieren. Das Hemd wiederum passt etwas besser, zwar zu weit, aber dadurch dass es an seinem schmalen Körper herunter hängt, ist es wenigstens nicht allzu kurz, eine Tatsache die Tiuri wirklich schätzt. Er setzt sich neben Faraday, die sich noch immer alleine kaum aufrecht halten kann, auf eines der Felle und stützt sie, wobei er sich so hält, dass sein rechtes Bein, das jetzt vom Knie abwärts nicht mehr von Stoff verhüllt ist, verdeckt wird. Als ob die Situation für den Jungen aber nicht schon schlimm genug ist, kommt der Zwerg auf die Idee ein Feuer zu entzünden und Aurian macht das mit magischem Gemurmel und über das Holz gehaltenen Händen möglich. Die Flammen knistern fröhlich vor sich hin und schüren Tiuris schwache Nerven. Nervös trommelt er mit den Fingern hinter sich auf den Boden, starrt immer wieder ins Feuer und hört diese schrecklichen Schreie in seinem Ohr. Nur in seinem, kein anderer scheint sie wahr zu nehmen und er rückt immer weiter nach hinten, gerade so, dass er den Kontakt zu Faraday nicht verliert, damit sie nicht umfällt. Hin und her gerissen zwischen der Aufgabe sie zu halten und einfach aufzuspringen und umher zu wandern, bleibt er schließlich sitzen. Noch immer klopft er mit den Fingern gegen den Stein und sein ganzes Bein zuckt nervös, als wollte er jeden Moment hoch fahren und weg rennen. Was so am Feuer gesprochen wird bekommt er gar nicht so richtig mit, seine Ohren sind voll von den Schreien und immer wieder schüttelt er kurz den Kopf als könnte er sie dann daraus verbannen. Den Schluck Feuerwein nimmt er dankend an, am liebsten hätte er einfach alles ausgetrunken und wäre dann besoffen dort herum gelegen. Sogar auf das ungewöhnliche Rauschen wird er erst verspätet aufmerksam.

Die Ratte die sich auf seine Schulter begeben hat, verschwindet schnell in seiner Hosentasche und Tiuri blickt auf und erstarrt. Wasser, überall kommt Wasser auf sie hernieder. Der Nordmann fordert sie auf in die Fässer zu steigen und Tiuri schnappt einfach Faraday und zieht sie mit sich. Aurian wird einfach über den Rand gehoben und schon sind er und die Diebin hinter her, gefolgt von den anderen, auch wenn es der letzte etwas schwerer hat, aber das bekommt Tiuri gar nicht so richtig mit. Das Wasser ist schrecklich laut, er versteht nicht was die anderen sich zu rufen und er selbst, normalerweise eigentlich nicht auf den Mund gefallen, schweigt, starrt auf die engen Wände rund um sich herum. Fest sind sie und eng, natürlich fest, sonst wäre es ja auch sinnlos dort hinein zu klettern, aber zu eng für Tiuri. In aufsteigender Panik beginnt er mit der Faust gegen das Holz zu schlagen, das zum Glück nicht nachgibt. Die Luft scheint plötzlich zu knapp zu werden und er hat das Gefühl nicht atmen zu können. Wie ein Fisch am Trockenen ringt er nach Luft, hört dabei nicht auf gegen die Wände zu schlagen und versucht irgendwie nicht gegen irgendeine Wand oder Person gedrückt zu werden, was einfach unmöglich ist, so groß die Fässer auch sind.
Den Blick nach oben gerichtet spürt der Junge durch das Wanken des Fasses, dass das Wasser beginnt sie in die Höhe zu heben. Obwohl das Wasser schon einen guten Teil hoch ist, hat das dank ihrem Gewicht einige Zeit gedauert. Jetzt gibt es für sie nicht mehr viele Möglichkeiten, einen der Schächte, oder an der Wand zerquetscht zu werden, wobei Tiuri in seiner Aufregung und beginnenden Panik hofft, dass das Wasser sie ganz allein zu den Schächten treibt, oder dort abfließt und sie Zeit haben irgendwie dort hin zu paddeln. Das Schwanken des Fasses stört seinen Magen zum Glück kein bisschen, aber noch immer glaubt er gelegentlich zu ersticken und weil es nichts bringt auf das Fass einzuschlagen, schließt er die Augen um zu vergessen wie nahe die Wände sind, so wie er es auch schon in seiner Zelle gemacht hat. Sofort fühlt er sich zurück versetzt in den kleinen dunklen Raum, die bleichen Augen um ihn und immer wieder die schrecklichen Schreie in seinem Kopf.

Wenn ich wenigstens wüsste woher sie kommen!

Aber wie immer ist sein Kopf völlig leer, ohne Erinnerung an irgendetwas, vor dem Tag an dem er erwacht ist, verbrannt von Kopf bis Fuß. In kurzen Momenten hat er gerade noch die Ruhe sich darüber zu ärgern, dass er einfach ums verrecken hier keine Hilfe, sondern eine Last ist und nichts dagegen tun kann. So sehr er auch versucht die Angst zu unterdrücken, sie ist stärker als er und das schürt seinen Zorn noch zusätzlich.

Ob ich immer schon so war? So völlig nutzlos? Vielleicht gibt es deswegen keinen der mich kennen will!

Eigentlich sollte er sich Gedanken darüber machen, wie sie von hier am besten in einen der Schächte in der runden Decke kommen, aber seine Konzentration beschränkt sich darauf zu atmen und so ruhig zu bleiben, dass er nicht anfängt zu schreien und wild um sich zu schlagen.    

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 08. Jan. 2005, 13:44 Uhr
Phelan verzichtet auf die trockene Kleidung des Zwergs. Wichtiger sind Jen und das noch immer namenlose Mädchen. Stattdessen versucht er sich so dicht wie möglich an dem auf magische Weise entfachten Feuer zu wärmen. Es ist nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er pitschnass in der Kälte sitzt, aber noch nie waren alle seine Kleidungsstücke so derart nass gewesen. Eben so, wie das nun einmal ist, wenn man in ein Wasserbecken gefallen ist. Er zittert leicht, verzichtet jedoch darauf irgendetwas abzulegen bis auf den wollenen Umhang, der durch das Feuer wenigstens etwas wärmer wird, auch wenn er nicht vollständig trocknen kann. Phelan lauscht Borgils Ausführungen und fragt sich, wie die Kanalratten diese Weinfässer überhaupt hier herunter bekommen haben. Denn nirgendwo ist eine Tür, ein Tor, sonst etwas und die Schächte in der Decke? Nein, undenkbar. Außerdem erscheint die ewig feuchte Zisterne nicht gerade als der richtige Platz um einen edlen Tropfen gut zu lagern. Er starrt ins Feuer und die letzten Stunden ziehen an ihm vorbei. Wäre er mitgekommen, wenn er gewußt hätte, in welches Schlamassel sie im wahrsten Sinne des Wortes hineingeschliddern würden? Egal wie, nun sind wir also hier. Er wirft einen letzten, sehnsüchtigen Blick zur hohen Kuppeldecke, als könne diese sich unbemerkt öffnen und einen Weg nach draussen freigeben. Dann schließt er die Augen und döst sitzend vor sich hin, um die verbrauchten Kräfte zu regenerieren.

Das Wasser kündigt sich mit einem unheilvollen Dröhnen an und tatsächlich scheinen sich unterirdische Schleusen geöffnet zu haben, die nun mit voller Wucht das Wasser über die Münder der Kreaturen an der Wand ausspeien, welches sich in Sekundenschneller auf dem steinernen Boden ausbreitet. "Götterverdammt! Das war eine Falle, eine verfluchte Falle! Möge der Dunkle selbst diesen Whytfisk in den neun Höllen schmoren lassen!" Dann geht alles ganz schnell. Im Hand- (oder eher: im Zwergen-) umdrehen befinden sie sich alle in einem der großen Weinfässer, das langsam aber stetig mit dem Wasser der Decke entgegentreibt. Längst ist das Rauschen des Wassers einem dumpfen Gurgeln gewichen, als der Wasserstand die hässlichen Fratzen in den Wänden überstiegen hat.

Wenn Phelan vor etwas Respekt hat, dann sind das Feuer und Wasser, Naturgewalten, denen sie überhaupt nichts entgegen zu setzen haben. Das Fass trudelt in den verschiedenen Strömungen hin und her wie ein verlassenes Schiff in der Flut. Bleib ruhig und denk nach. Denk nach! Die dunkle Kuppel ist mittlerweile so nah, dass er problemlos die Steine, die Fugen darin erkennen kann. Und die Schächte, die ihnen beinahe wie höhnische Mündern entegegen lachen. Einige davon sind schmäler, andere wesentlich größer. Vielleicht groß genug, um ein Fass in sich aufnehmen zu können. Doch das Fass tut alles andere als sich direkt einen solchen Weg zu suchen. Phelan richtet sich mühsam das Gleichgewicht haltend auf und sieht sich hektisch um. " Wenn wir irgendwie dorthin gelangen könnten. Seht! Der Schacht dort drüben. Er ist groß genug, als dass wir hindurchpassen könnten." Wenigstens würde uns das etwas Zeit verschaffen. Denn selbst wenn, dann würde der Schacht sicherlich vergittert, wenn nicht sogar mit einer Luke oder etwas anderem verschlossen. "Wir brauchen so etwas wie ein Ruder... irgendetwas, womit wir das Fass lenken können. Schaffen wir das?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 09. Jan. 2005, 19:43 Uhr
Ihr bauchiges Gefährt schlingert und tanzt auf den brodelnden Wassermassen hin und her wie eine Nußschale auf dem weiten Ozean - bei schwerem Seegang mit orkanartigem Wind. Borgil, grün im Gesicht, wird zum wiederholten Male von den Füßen geholt, purzelt über Phelan und knallt mit dem Kopf schmerzhaft gegen die Faßdauben. Den Wasserströmungen hilflos ausgeliefert können sie nur im Inneren sitzen, nach oben starren und die hochgewölbte Steindecke bedenklich rasch näherkommen sehen. Sie haben Glück, nicht zu kentern - als die Fluten das Faß mitgerissen und dann getragen hatten, waren sie ein paarmal kurz davor gewesen, und nur Caewlin, der sich mit seinem Gewicht jedesmal dagegengestemmt hatte, hatte sie davor gerettet, doch noch jämmerlich zu ersaufen. "Argh! Ich bin ein Zwerg! Kein verdammter Fisch! Ich hasse Wasser! Ich hasse Boote - und das hier ist noch nicht mal ein blödes Boot! Das ist ein Weinfaaaahhhuuuaah!" Borgil kippt hintenüber und landet diesmal halb auf der jaulenden Bluthündin. Den anderen ergeht es nicht viel besser, während das Faß sich in einem Wasserstrudel dreht und dann mit einem kleinen Sprung wieder freikommt. Einzig der Waldläufer scheint keine großen Schwierigkeiten damit zu haben, sein Gleichgewicht zu halten.

Über das Dröhnen des Wassers ringsum - nach Borgils Schätzung muß ihr Faßbootwasauchimmer ganz schön tief im Wasser hängen - hört er Phelans Stimme. Der Halbelb muß brüllen, um sich in diesem gurgelnden Inferno Gehör zu verschaffen. >Wenn wir irgendwie dorthin gelangen könnten. Seht! Der Schacht dort drüben. Er ist groß genug, als dass wir hindurchpassen könnten.< Borgil hat keinen blaßen Schimmer, wovon der Waldläufer spricht und im Augenblick ist es ihm auch herzlich egal - er ist nur noch davon überzeugt, daß ihr letztes Stündlein geschlagen hat und er nie wieder in einem Stück hier herauskommen würde. Das letzte Wort, daß er hört ist "Ruder" und er zieht ohne nachzudenken seine Axt - das einzige Ruderähnliche, das ihm auf die Schnelle einfällt. "Hier. Aber wie wollt Ihr damit rudern, häh? Wir können ja nicht mal über den Rand gucken!" Er hat immer noch keine Ahnung, was eigentlich vorsichgeht und obendrein alle Hände voll damit zu tun, nicht schon wieder umzufallen, als er von Caewlin angeschnauzt wird, auf seinem Platz neben der Bluthündin zu bleiben, komme was da wolle. Der Nordmann, nach Borgils Schätzung der einzige von ihnen, der mit schwankenden Booten und Wasser Erfahrung haben dürfte, weist Aurian an, zu bleiben, wo sie ist, und wirft Faraday, die ohnehin wieder besinnungslos ist, einen kurzen Blick zu.

Dann hievt er Jen (samt Borgils Axt) auf seine Schultern, was das Faß erneut beinahe zum kentern bringt, und sucht schwankend halt. Einen Augenblick sieht es so aus, als würden sie allesamt umkippen und untergehen, doch dann grapscht der Junge nach dem Faßrand und erwischt ihn. Ihr kreiselndes Gefährt neigt sich bedenklich in seine Richtung, doch Phelan reagiert und gleicht auf der anderen Seite aus. Daß er dabei auf Borgils Stiefeln und Händen herumtrampelt stört im Augenblick nicht einmal den Zwergen. Sil, Vater aller Zwerge, göttlicher Weltenschmied, Herr über Amboß, Esse, Glut und Stein - laß mich nicht so unwürdig sterben. Und mach um Himmels Willen, daß mir nicht mehr so schlecht ist... Von unten nach oben schielend bietet sich ihm ein denkwürdiger Anblick. Jen steht auf den Schultern des Nordmanns, hängt am Faßrand, einen Arm draußen und steuert damit wild hin und her, um daß Faß irgendwie zu manövrieren, während Aurian, er selbst und Akira gebannt zusehen, und versuchen, sich nicht von der Stelle zu rühren. Borgil sieht die steinerne Decke vielleicht noch sechs, fünf Schritt über ihnen vorbeiziehen - und sie kommt näher und näher.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 10. Jan. 2005, 09:30 Uhr
Atmen, sitzen, ruhig…

Tiuri versucht seine Gedanken in dem schwankenden Fass zu ordnen. Von Gleichgewicht und Balance ist er weit entfernt, rollt in dem schwankenden Fass umher wie eine Kugel. Immer wieder fällt er irgendwem entgegen oder fängt jemanden auf, wobei er die ganze Zeit versucht einfach so ruhig wie möglich im Fass sitzen zu bleiben. Wenigstens lenkt ihn diese Fahrt von seiner Furcht ab. Die Wände kommen nicht mehr näher, auch wenn ihm das atmen immer noch schwer fällt, was aber auch daran liegen kann, dass ihm der Zwerg vorher in die Rippen gefallen ist und der ein beträchtliches Gewicht hat. Auf jeden Fall scheint das ganze zum Scheitern verurteilt zu sein, weil sie immer noch auf die Decke zu steuern und sie keine Möglichkeit finden, das Fass zu manövrieren. Einen Moment lang denkt er sie könnten mit Verlagerung ihres Gewichtes das Fass dazu bringen in die richtige Richtung zu steuern, aber immer wenn zu viele von ihnen auf eine Seite fallen, dann droht das Fass höchstens zu kippen und steuern können die Abenteurer ihr bauchiges Gefährt so schon gar nicht.

>Wir brauchen so etwas wie ein Ruder... irgendetwas, womit wir das Fass lenken können. Schaffen wir das?<

Das Spitzohr wirft seinen Gedanken in die purzelnde Runde und sitzt dabei auch noch als einziger relativ ruhig da. Tiuri hält Faraday fest die, immer noch halb besinnungslos, noch schlimmer dran ist als die anderen und sich kaum an einem Platz halten kann.

Ein Ruder und dann? Das Fass ist so hoch, wahrscheinlich kommen wir ohnehin nie wieder
hier raus, erst gerettet und dann vom Rettungsanker erschlagen!


Trotzdem streckt er sich um den Schacht zu sehen von dem der Waldläufer gesprochen hat, wobei er schnell wieder das Gleichgewicht verliert und Borgil beinahe in die eben gezogene Axt gefallen wäre.

Ruder??

Und auch Borgil, der die Axt ja gezogen hat, fragt sich wie man damit eigentlich rudern sollte und ob das Ganze nicht sowieso völliger Unsinn sei. Der Große hingegen scheint das anders zu sehen, er weiß scheinbar was zu tun ist, dirigiert den Zwerg in eine Richtung und sagt ihm, dass er dort bleiben soll, egal was noch kommt. Mit diesen Worten wendet er sich Tiuri zu und eine knappe Anweisung, dass sich der Junge auf seine Schultern stellen soll folgt. Im gleichen Augenblick hat er ihn auch schon geschnappt und in die Höhe gehievt, wobei von hinten ein Schub von Phelan folgt, der Tiuri eine Stützmöglichkeit gibt, damit dieser gleich zum Stehen kommt. Mit der neuen Menge Gewicht auf einer Seite beginnt das Fass auch gleich zu kippen und der Waldläufer kann das mit seinem eigenen Gewicht gerade noch ausgleichen. Jetzt halten sich Phelan und Borgil auf der einen Seite des Fasses und Tiuri und der Große auf der anderen. Es ist ein wahres Wunder, dass sich Tiuri auf den, wenn auch recht breiten, Schultern des Nordmannes halten kann, das Fass schwankt erst tief ins Wasser hinein und dann wieder zurück, der Junge kann sich nur damit retten nach dem Rand des Fasses zu greifen und überlegt sich einen Moment ob es nicht die richtige Gelegenheit wäre sich jetzt zu übergeben. Als es wieder etwas ruhiger wird, entscheidet er sich dagegen und versucht erst einmal sein Gleichgewicht zu finden. Der Nordmann steht wie ein Felsen, das muss er auch, denn die eine Hand die ihm noch bleibt hat er um Tiuris Knöchel drapiert und hält ihn eisern fest.

Tiuri ist froh seinen Kopf endlich wieder aus dem Fass halten zu können, es ist als würde zum ersten Mal Luft in seine Lungen fließen und er atmet einmal tief durch bevor er nach unten zur Axt greift. Allerdings, von dieser erhöhten Position, scheint die Decke noch ein gutes Stück näher gekommen zu sein, oder das Wasser steigt tatsächlich so rapide an, dass sie das auch ist. Tiuri sieht sich um, findet erst den Schacht nicht den Phelan gemeint hat, bist er ihn an einem Ende erkennt. Der Junge muss sich überlegen wie er denn am besten dort hin rudern würde, denn er kann nur auf einer Seite des Fasses richtig rudern, auf die andere Seite zu gelangen wäre schwierig, höchstens noch hinter und vor sich könnte er etwas ausrichten, zu breit ist das Fass.
Die Axt ist groß und relativ schwer, als Axt möglicherweise ein Glanzstück, so genau kann Tiuri das nicht sagen, aber als Ruder ist sie gerade benutzbar, wenn auch nicht allzu effektiv. Das unruhige Wasser ist dabei eine weitere Herausforderung, schon allein deshalb, weil Tiuri die Axt mit beiden Händen kaum halten kann. In seiner rechten Hand hat er wenig Kraft und kann sie nicht richtig schließen und an der Linken trägt er immer noch die Spuren von Whytfisks liebevoller Behandlung. Trotzdem beißt er die Zähne zusammen und greift die Axt fest an, auch wenn jedes Ziehen durch die Bewegung des Wassers schmerzt. Mit so viel Kraft wie möglich beginnt er zu rudern und treibt das Fass damit in eine neue Richtung. Die Insassen versuchen dabei nicht hin und her zu fallen, was ihnen aber noch besser gelingt als Tiuri selbst. Der Nordmann gleicht sein Gewicht mit einem Schritt zur Seite aus und Tiuri der gerade auf die andere Seite lehnt, rutscht mit dem rechten Fuß von dessen Schulter. Dass er dem Mann dabei gegen Hals und Brust tritt kann er nicht ändern und ruft nur eine Entschuldigung hinunter, ohne dabei wirklich die Konzentration vom Wasser zu nehmen. Die Ellbogen stützt er am Fassrand auf und versucht so ausbalancierter zu stehen während er rudert. Hin und wieder flucht er irgendetwas vor sich hin, weil die Axt und seine Hände nicht so wollen wie er und das Fass schon gar nicht. Es reicht so tief ins Wasser hinein, dass es kaum zu lenken ist und nur zu gern in seiner Richtung bleiben möchte. Die Decke kommt immer näher und noch sind sie nicht nahe genug am Schacht, Tiuri rudert was das Zeug hält, aber anstatt sich dabei wirklich maßgeblich in die richtige Richtung zu bewegen, dreht sich das Fass hauptsächlich um seine eigene Achse. Erst als Tiuri so im Fass gerichtet ist, dass er nur mehr geradlinig auf den Schacht zu steuern muss, hängt er sich über den Fassrand, so gut ihm das möglich ist, und benutzt die Axt weniger als Steuer denn als Antrieb für das unförmige Gefährt.

Leichter wäre es wahrscheinlich aus dem Fass zu springen und einfach dagegen zu drücken und zu steuern!

Aber Tiuri verwirft diesen Gedanken schnell wieder, denn seine Kraft lässt langsam nach und so ein guter Schwimmer ist er auch wieder nicht, dass er sich das zutrauen würde. Und gerade jetzt, wo ein kleiner Hoffnungsschimmer vor ihnen auftaucht, dass sie diese Zisterne wieder lebend verlassen, hat er keine Lust den Löffel ab zu geben und in diesem stinkenden See zu ersaufen. Dafür trampelt er weiter dem Nordmann auf den Schultern herum und Tiuri kann sich nur denken, dass er langsam schwer wird auf dessen Schultern, so dünn er mittlerweile auch war, groß ist er immer noch.
Immer näher kommen sie dem Schacht, obwohl das Wasser, dass nun schon so hoch ist, dass es schneller steigt wegen der Kuppelform der Halle, sie unaufhörlich in die Mitte drängt. Das Steuern fällt Tiuri nicht leicht, nicht aus der Position die er jetzt hat und so schrammen sie erst einmal gegen die Steinwand bevor sie tatsächlich den Schacht erreichen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 11. Jan. 2005, 00:01 Uhr
In Whytfisks Gemach/ In Ravens Zelle


Whytfisk sitzt in der Schwärze seiner kargen Gemächer mit der Gewißheit, daß irgendwo im Netz seines Plans möglicherweise ein Faden gerissen war - und die ist ein schlechter Gast. Er hatte die Ratten ausgeschickt, um den Bluthund und seine Gefährten, wieviele es auch sein mögen, nach Norden und seinen Männern in die Arme zu treiben, ihn möglichst zur Honigwabe zu locken, wo man ihn gebührend in Empfang genommen hätte... aber stattdessen war ihm und seinen Helfern die Flucht gelungen - und seitdem sind sie wie vom Erdboden verschluckt. Blutaxt war mit seinen Männern inzwischen in Prancies Schenkeln angelangt und hatte einen Boten zu ihm geschickt. Doch der hatte ihm nur vorgejammert, daß Hunderte Ratten mit Loas Öl verbrannt worden wären, daß das alles nach Hexerei rieche, daß der Nordlord unheimlich sei, ein Geist, kein Mann - das hatte ihn letztlich den Kopf gekostet und im Augenblick sieht Whytfisk nachdenklich ins trübe Weiß verdrehter, toter Augen auf dem Tisch vor ihm. Wenn er etwas noch mehr Verabscheut, als Dummheit, dann abergläubisches Gewinsel. Der Idiot... Schnorrer oder Schnarrer... war schon im Leben kein erfreulicher Anblick gewesen und sein Tod hat nichts daran verbessert. Er hätte einen Trupp Männer in die Tunnel geschickt, in denen der Sturmlord verschwunden war, doch ganz in der Nähe dort war der eingestürzte Gang - dann war das Wasser gekommen. Ab und an, manchmal auch mehrmals in einem Tageslauf, dringt Wasser in großen Mengen in die alten Kanäle ein. Niemand weiß woher, es füllt einige alte Zisternen und läuft nach einer Weile von selbst wieder ab. Selbst Whytfisk kann nicht genau sagen, woher es kommt, oder warum das geschieht, aber er vermutet seit langem, daß es etwas mit den Hafenschleusen zu tun hat. Mit einer angewiderten Handbewegung befördert Whytfisk die blutigen Überreste von seinem Tisch und ruft eine seiner Wachen, die sich um die Schweinerei kümmern würde.

Er hat jetzt anderes zu tun, als über die Dummheit seiner Männer oder das plötzliche Auftauchen und Verschwinden des Nordmanns nachzusinnen. Er hatte sich die Toten aus den Gängen und die aus der Wachhöhle bei den Zellen bringen lassen, hatte sie sich angesehen... Wunden von einer Axt und einem Schlachtbeil. Elbenpfeile. Ein gebrochenes Genick. Bißwunden von einem wirklich großen Hund. Bluthund. Elbenpfeile. Zwergenaxt. Und ein Dieb, um die Schlösser zu öffnen, denn das ist mit Fingerspitzengefühl erledigt worden, nicht mit Gewalt. Faraday? Möglicherweise. Wo auch immer der Nordmann jetzt sein mag und wer ihm auch zur Seite steht... "Früher oder später wirst du herkommen, denn ich habe... sie."  Die Schwärze ringsum antwortet nur mit Schweigen. Ein wenig später steht Whytfisk mit einem hohlen Lächeln vor seiner Gefangenen, ein längliches Ding in einem blutverschmierten Ledertuch in den Armen. Rorge und eine weitere Kanalratte, ein stiller, bleicher Mann, noch hagerer als Whytfisk selbst, doch sehr viel dunkler, wie unheilvolle Schatten hinter ihm. Raven sitzt im schmutzigen Stroh, blinzelt einen Moment ins helle Licht von Rorges Fackel und kommt dann auf die Füße.  "Es ist Zeit, sich ein wenig zu unterhalten, meine Liebe, bevor sie uns noch... ausgeht. Findest du nicht?" flüstert er und beobachtet ihr blasses, schmales Gesicht wachsam. "Ich habe dir versprochen, der Nordmann kommt und er ist hier. Oh, sie mich nicht so an, kleines Schattenhaar. Hast du wirklich geglaubt, er ließe dich hier bei mir? Dann kennst du ihn wirklich schlecht." Mit einem fast erwartungsvollen Glanz in den Augen wirft er der Verletzten das blutige Bündel vor die Füße. "Ich habe dir etwas mitgebracht. Nur für den Fall, daß du noch Zweifel hast. Sieh es dir gut an."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 11. Jan. 2005, 21:11 Uhr
Der Junge auf seinen Schultern mag zwar dünn wie ein Besenstiel sein, aber mit der Zeit wird auch er schwer, und Caewlin hat keine zweite Hand, mit der er ihn oben halten oder sich im schwankenden Faß abstützen könnte. Es ist eine elende Schinderei für sie alle, für ihn, für den Jungen selbst und für die anderen, die sich abmühen, ihr schlingernd bockendes Gefährt im Gleichgewicht zu halten... und irgendwie, wie weiß er selbst nicht genau zu sagen, gelingt es ihnen. Jen bringt das Faß mit Borgils Axt unter den Schacht und hält es dort durch geschicktes Gegensteuern gerade so lange, bis das Wasser sie mit einer letzten Drehung von selbst hineinträgt und die weite Halle unter ihnen vollkommen flutet. Sie schießen nach oben wie der Korken aus einer Amphore gärenden Weins und Caewlin bringt den Jungen samt der Axt gerade noch heil von seinen Schultern, ehe sie alle übereinander fallen und das Faß mit häßlichem Schaben an den Schachtwänden entlangschrammt. Den Göttern sei Dank schlägt ihnen keine Felskante ein Leck - der Schacht ist gerade breit genug, daß sie nicht steckenbleiben und doch so eng, daß sie nicht mehr auf Strömungen und Strudeln umhertanzen. Dafür steigen sie, getrieben vom Druck der Wassermassen unter ihnen, rasend schnell - zu schnell, als daß sie irgendetwas sagen oder tun könnten, als fluchend übereinanderzukugeln, während das Dröhnen und Rauschen des Wassers weit unter ihnen zu einem monotonen Gurgeln verblaßt. Irgendwo hoch über ihnen schimmert schwaches Licht und schemenhaft zieht ringsum feuchter, schwarzgrauer Stein vorbei. Es kann nur ein paar Herzschläge dauern und doch kommt es Caewlin wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich wiederlangsamer werden. Mit einem leisen Knurren schiebt er Akira von seinen Beinen - seit sie vor dem Wasser in dieses dreimal verfluchte Faß geflüchtet waren, mag alles in allem weniger als eine Viertelstunde verstrichen sein, doch er fühlt sich, als hätte er einen ganzen Tag lang Holz gehackt und den anderen ergeht es bestimmt nicht viel besser.

Mit Phelan tauscht er einen zweifelnden Blick, Jen sieht blaß aus, Borgil ist grün im Gesicht und tastet fluchend nach seiner Axt, nur Aurian scheint eher verwundert, als verängstigt - und Faraday regt sich noch immer nicht. "Ist jemand verletzt? Nein? Gut... seht zu, daß ihr sitzen bleibt. Wir werden langsamer, das heißt das Wasser fließt nicht mehr so schnell oder es hat ganz aufgehört. Ich hoffe, wir kommen hier heraus, ehe es wieder abläuft - falls es überhaupt wieder abläuft -, denn sonst sitzen wir wieder in der Zisterne fest." Die Aussicht, durch den Sog des zurückweichenden Wassers wieder in eine Felsenhalle gezogen zu werden, aus der es keinen Ausweg gibt, ist nicht gerade berauschend. Nicht zu wissen, wie sie aus ihrem Faß wieder herauskommen sollen - und vor allem, wo -, ist auch nicht besser. Doch noch werden sie hoch und höher ins Ungewisse getragen, sehr viel langsamer jetzt, aber stetig... und irgendwann schließlich nur noch Zoll um Zoll. Schweratmend lauschen sie auf jedes Geräusch. Wie weit würde das Wasser sie bringen? Wohin? Und was wäre dann dort? Niemand von ihnen kann es sagen und er kann den anderen ansehen, daß ihnen ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen. Im schlimmsten Fall bleiben wir irgendwann wie ein Korken im Flaschenhals stecken. Und der Schacht...tja, ich hoffe, daß Spitzohr kann notfalls klettern. Immerhin sind wir nicht wie ein Sack voller Welpen ersäuft worden. Noch nicht. Niemand spricht es aus, aber Anspannung und Angst hängen schwer in der Stille. Die alten Faßdauben knarren und ächzen und irgendwann - Caewlin kann unmöglich sagen, wie viele Schritt sie hochgetragen wurden -  bleiben sie tatsächlich stecken. Erst schrammt die linke Seite knirschend über harten Stein, dann die rechte, das Faß kippt nach links, verkeilt sich vollends und hängt mit einiger Schräglage fest. Caewlin unterdrückt einen Fluch und beißt einen Moment lang die Zähne so fest aufeinander, daß sich die Haut über seinen Kiefern spannt. "Phelan, könnt Ihr hinaufklettern und nachsehen, ob es dort irgendwo weitergeht?" Er versucht alle Resignation aus seiner Stimme fernzuhalten, während sie alle wieder auf die Füße kommen, und auch der Elb nickt nur. Wir sind schon tot. Wir sind tot, wir wissen es nur noch nicht. Weißt du es nicht... oder willst du es nur einfach noch nicht zugeben?

Er ignoriert die trockene Stimme in seinen Gedanken, reicht dem Elben ein Seil und beobachtet dann, wie der Waldläufer leichtfüßig und geschickt über den oberen Faßrand in der Dunkelheit verschwindet. Zu seiner Überraschung ist er nach weniger als fünf Minuten schon wieder zurück und berichtet, daß nur ein kurzes Stück über ihnen der Schacht in einer Felsenkammer endet. Caewlin nickt. "Schaffen wir die anderen dort hin. Hier können wir nicht bleiben. Wenn das Wasser noch weiter steigt, wird das Faß bald voll laufen." Er dreht sich um und sieht erst Jen, dann Aurian und schließlich Borgil an. "Bringt das Rotzgör auf die Füße. Ich gehe als erster und helfe euch hoch. Behaltet Akira hier und bindet ihr ein Seil um Brust und Bauch. Wir müssen sie hochziehen, wenn sie nicht springen kann." Borgil nickt seufzend und Caewlin folgt Phelan in die unbekannte Finsternis. Aus dem Faß herauszukommen ist bei der Schräglage nicht mehr allzuschwer, auch wenn Caewlin sich durch den schmalen Spalt zwischen Faßrand und Felswand hindurchwinden muß... auf einem nassen Holzfaß, sei es auch noch so groß, herumzuklettern allerdings schon - und an einer nassen, fast senkrechten Felswand in beinahe vollkommener Dunkelheit herumzuklettern noch mehr. Er kann den Elben vor ihm nicht sehen, aber hören - und zu seiner Erleichterung flammt kurz darauf über ihm der Schein des Kristallsteins auf. Gleich darauf sind Kopf und Schultern Phelans im bleichen Licht zu sehen, der aus einer großen Öffnung im Stein von einer Art Felssims zu ihm heruntersieht. Es ist nicht weit zu klettern, etwa neun oder zehn Schritt - aber die Schachtwand ist feucht und glitschig vor Salpeter und es gibt kaum Felsnasen, auf die man die Füße setzen kann und noch weniger Spalten, in die sich seine Finger krallen können... und sein Armstumpf ist auch nicht gerade hilfreich. Es kommt ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er schließlich nach Phelans ausgestreckter Hand greifen und sich mit Hilfe des Waldläufers über die letzte Kante ziehen kann. Einen Moment bleibt er keuchend auf Händen und Knien hocken, dann richtet er sich auf.

Die ovale Höhlung ist vielleicht acht Schritt lang und fünf Schritt breit. Die Wände sind aus unbehauenem Fels und nirgends ist eine Tür oder ein Tunnel zu sehen... nur der Schacht, der in ihrem östlichen Ende mündet und sich vier Schritt über ihnen in der Höhlendecke wieder fortsetzt. Nichts als eine götterverdammte Luftblase im Stein... Er hätte fluchen und schreien mögen und irgendetwas zertrümmern, aber das würde ihnen auch nicht weiterhelfen. Wenn es in ihrer Lage überhaupt noch etwas gibt, das ihnen helfen kann, dann Ruhe, also zwingt er sich, zu atmen und schluckt den bitteren Zorn hinunter. "Holen wir sie hoch." Er bindet sich das Seil einmal um die Mitte, läßt es in den Schacht hinab und sucht mit beiden Beinen festen Stand. "Borgil!" Von unten kann er erst nur das Wasser bedenklich gegen das Faß klatschen hören, dann dumpf aus dessen Inneren die Stimme des Zwergen. "Wir sind oben. Schick mir Jen als nächsten herauf. Er soll mit seiner Hand nicht versuchen, zu klettern, sondern das Seil nehmen. Wir ziehen ihn hoch." Er hört den Zwergen unverständliches Knurren, doch nach einem Moment ertönt auch Jens Stimme von unten. Das Seil spannt sich, als der Junge es sich umbindet und ruckt schmerzhaft an Caewlins Linker und an beiden Armen, als er beginnt, sich daran hochzuziehen. Phelan tritt vor ihn, näher an die Schachtöffnung und packt mit an. Sie brauchen nur wenige Minuten, um den Jungen in die Kammer zu holen, aber Caewlin kommt es trotzdem wie Stunden vor, bis der Halbelb ihn an den Armen ergreifen und ihm in die Höhle helfen kann. "Borgil soll das Rotzgör als nächste hochschicken," keucht er. Seine überanstrengten Muskeln pochen. "Sie wiegt nicht viel. Dann Aurian, dann Akira. Borgil zum Schluß. Ich schaffe Borgil nicht alleine. Ihr müßt... mir ... helfen."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 12. Jan. 2005, 09:38 Uhr
So gut es geht, versucht Aurian ihren zugewiesenen Platz in dem schlingenden Fass zu halten. Immer wieder blickt sie nach oben und dank ihrer Halbelbensinne sieht sie die sich nähernde Decke nur zu deutlich. Aus irgendeinem Grund verspürt sie jedoch keine Angst. Vielleicht weil es mir egal ist? Ich kann nichts tun und wer weiß.... Gerade als sie diese Gedanken wälzt, schießt ihr Gefährt gleich einem Korken in einen der vertikal verlaufenden Schächte, die in die Zisterne münden. Erst schnell, dann immer langsamer, bis es sich in einer Schräglage verkeilt. Vorsichtig rappelt sie sich hoch, während Phelan schon dabei ist, die letzten Meter empor zu klettern, gefolgt von Caewlin, der sich doch ziemlich verwinden muss, um durch den engen Spalt zu kommen. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis das Seil wieder über ihren Köpfen baumelt. Aurian hilft Jen, dieses um seine Brust zu schlingen, da der Junge seine verletzte Hand nicht wirklich gebrauchen kann und die Ruderei für diese auch nicht gerade schonend war. Kurz fällt ihr Blick auf die andere Hand, die auch von bereits älteren Verletzungen gezeichnet ist. Doch sie verliert kein Wort darüber, kann sie sich doch denken, das Jen nicht daran erinnert werden will.

Während der Junge nun nach oben gezogen wird, wendet sie sich Faraday zu. „Faraday, komm, wach auf! Wir müssen hier raus, komm!“ Nur ein unwilliges Stöhnen ist die Antwort, doch immerhin reagiert das Mädchen ein bisschen, auch wenn sie die Augen nicht aufschlägt. Aurian schlingt ihr das Seil um den Körper, während Borgil, der alle nur erdenklichen Flüche in seinen Bart brummelt, die kleine Diebin festhält, damit sie halbwegs auf den Beinen bleibt. „Ihr könnt sie hochziehen!“ ruft Aurian nach oben. Eigentlich wäre sie ja die nächste doch mittlerweile ist die Bluthündin mehr als unruhig. Das Fass kracht und grummelt bedenklich, als würde es bersten. Akira winselt leise auf und spontan entscheidet Aurian, die Hündin vor ihr hoch zu schicken. Was sich als gar nicht so einfach darstellt, denn diese hält gar nichts davon, sich festbinden zu lassen. „Ruhig Mädchen, alles gut!“ Mit leiser Stimme spricht Aurian auf das Tier ein. Gleichzeitig versucht sie sich so auch selbst zu beruhigen, denn immer bedenklicher werden die Geräusche, die ein baldiges Bersten des Fasses ankündigen. Sie wirft dem Zwerg einen verunsicherten Blick zu, doch dessen Miene ist unbewegt, die buschigen Brauen zusammengezogen. „Bis sie uns beide oben haben dauert es womöglich zu lange. Ich ...ich werde so hoch klettern, das geht schon!“ Und ehe Borgil protestieren kann, beginnt Aurian, sich den Schacht empor zu kämpfen. Eigentlich wäre so etwas ja kein Problem für sie, immerhin ist sie durch ihre Arbeit als Botin in einer guten körperlichen Verfassung, doch die Gefangenschaft und die Ereignisse der letzten Tage haben ihre Spuren hinterlassen. Das Mädchen beisst die Zähne zusammen. War wieder eine glorreiche Idee von dir verdammt noch eins! Die Prellungen an ihrem geschundenen Körper protestieren aufs schärfste, doch sie ignoriert den Schmerz, als sie dich hinter der Bluthündin, die leise vor sich hin grummelt, ob der ungewohnten Behandlung hinauf klettert.

Oben wird sie von Phelan in Empfang genommen, der sie die letzten Meter emporzieht. Jen hält Faraday im Arm, die zwar etwas klarer wirkt, dennoch noch nicht ganz wieder bei Bewusstsein ist. Eben befreit der Sturmlord seinen Hund von dem Seil, welches sofort wieder in den Schacht gelassen wird. Noch fehlt Borgil und diesen empor zu hiefen, würde ein hartes Stück Arbeit werden.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 12. Jan. 2005, 10:53 Uhr
In einer Felsenkammer


Der Schmerz in ihrer linken Seite, dieses bösartige, grimmige Pochen, hat sich zurückgezogen wie ein verwundetes, in die Enge gedrängtes Tier, darauf lauernd, bei jeder kleinsten Störung unvermittelt loszubrüllen und sich mit aller Macht wieder in Erinnerung zu rufen. So lange sie sich nicht bewegt, gibt er lediglich ein dumpfes Grollen von sich und so kauert Raven reglos und mit geschlossenen Augen im Stroh, den Kopf zurück an die kalte Felswand gelehnt, und versucht einfach nur, still zu sitzen und sich nicht zu rühren. Ihre Lungen brennen wie Feuer und ihr Brustkorb fühlt sich an, als würde eine Tonne Ziegelsteine darauf lasten. Ein beängstigendes Gefühl der Enge droht sie fast zu ersticken, doch obwohl alles in ihr verzweifelt danach schreit, heftig nach Luft zu schnappen, versucht sie möglichst flach und gleichmäßig zu atmen, um den Schmerz nicht noch mehr anzufachen. Was würde sie nicht alles darum geben, sich irgendwo draußen im Larisgrün frischen, klaren Winterwind um die Nase wehen zu lassen, den harzigen Duft der alten Bäume oder den von frischgefallenem Schnee zu schnuppern - stattdessen strömen mit jedem ihrer Atemzüge nur der Gestank der Kanalisation und die klamme, abgestandene Luft der Felsenkammer in ihre schmerzenden Lungen.

Doch auch wenn ihr Körper an schwere Eisenketten und einen modrigen, feuchtkalten Kerker gefesselt ist - ihre Gedanken sind es nicht. Ziellos taumeln sie umher und kreisen immer wieder um ihren Gefährten und die Nachricht, die er ihr hinterlassen hat. Sie überlegt, wo er wohl gerade sein mag und wie weit er in den wenigen Tagen gekommen sein wird. Die Elbenlande .... das ist so unendlich weit weg, fast so weit weg wie Normand. Ich weiß nicht einmal, wo deine Familie lebt, darüber wolltest du ja nie sprechen. Ich wußte ja noch nicht einmal, dass du eine Schwester hast... Gerade die Tatsache, dass er offenbar so vieles verschwiegen hatte, so vieles nicht ausgesprochen hatte, hinterlässt ein bitteres Gefühl in ihr. Und noch bitterer erscheint ihr, dass ihm eine Person, die er Jahrzehnte seines Elbenlebens weder gesehen noch gesprochen oder ihr gegenüber überhaupt erwähnt hat, plötzlich wichtiger sein soll als seine Gefährtin, mit der er zusammenlebt.

So viel ist also von deinen Schwüren geblieben, von deinen Versprechen .... nichts ist davon übrig, nichts. Und du hast nichts zurückgelassen, sogar dein Baum hat sein Leben und seine Magie ausgehaucht, als du fortgegangen bist. Ihre Rechte tastet flatternd nach einem kleinen Gegenstand, der an einem um ihren Hals geschlungenen Lederband und verborgen unter Hemd und Wams ruht. Ravens Finger halten einen Moment zögernd inne, dann zieht sie den kleinen Anhänger hervor, der an der dünnen, ledernen Schnur baumelt. Sie braucht kein Licht, um das kleine Amulett sehen zu können, das an dem Band befestigt ist. Sie trägt es fast schon ihr ganzes Leben lang und die Form ist ihr so vertraut, dass sie das Bild dieser uralten, kunstvollen Elbenarbeit deutlich vor ihrem inneren Auge sehen kann, einen kleinen, milchweißen Blütenstern mit filigranen, ineinander verschlungenen Blättern und Ranken, von dem ihre Mutter sagte, dass er ihr Lebenslicht sein würde, als sie ihn ihr vor langer Zeit auf ihrem Sterbebett gab. Doch der irisierende Schimmer, der die Blüte stets umgeben hatte und sie auf sonderbare Art und Weise lebendig hatte wirken lassen, ist fast schon erloschen und reicht nicht einmal mehr aus, um die Höhlung ihrer Hand mit seinem Schein zu erhellen. Auf eigentümliche Art scheint der Anhänger wirklich mit ihrem Leben verbunden zu sein und in dem Maße, wie ihre Lebenskraft allmählich schwindet, erlischt auch das Leuchten der Blüte, das inzwischen kaum mehr als ein düsteres Glimmen ist. Ihre Finger tasten eine Bruchkante an dem kleinen Amulett, dort, wo sie vor vielen Monden die Blüte entzwei gebrochen hat, um sie mit ihrem Gefährten zu teilen. Auch wenn du in der Ferne weilst, du wirst wissen, wenn ich nicht mehr bin, denn auch dein Teil des Amuletts wird sein Licht verlieren. Falls du es überhaupt noch besitzt.

Während das Fieber allmählich wieder ansteigt und ihr Gesicht wie in einem kalten Feuer zu glühen beginnt, schweifen ihre Gedanken fort von den Elbenlanden und ihrem Gefährten und weit hinauf in den Norden des Landes, in ihre alte Heimat Normand. Ihr Geist zerrt lange vergessene Erinnerungen hervor, Erinnerungen an sturmumtoste Klippen, an schier endlose, tiefdunkle Wälder, an kristallklare Fjorde und an grünes Hügelland und zwischen all den verworrenen Bildern, die ihr das Fieber vorgaukelt, taucht das Gesicht ihrer Mutter auf, ein schmales, schönes Gesicht mit dunklen Augen, umrahmt von schwarzem Haar. Du wärst wohl nicht sehr glücklich, wenn du mich so sehen könntest.... Ravens zitternde Finger schließen sich fest um den kleinen Anhänger, als könne er ihr Licht spenden hier in der kalten verzweifelten Finsternis ihrer Zelle, als könne er ihr Mut geben, die kommenden Stunden zu überstehen. Ich bin bald bei dir...

Die wirren Gedankengänge hinter ihrer fieberheißen Stirn werden jäh unterbrochen, als ein Geräusch an ihre Ohren dringt, ein Scharren und Kratzen, das sie erst nicht einordnen kann. Mit angehaltenem Atem lauscht sie in die Dunkelheit, um die Richtung zu bestimmen, aus der es kommt und ihr Blick wandert zur Tür, ohne in der Schwärze der Kammer etwas sehen zu können. Ein lautes Knirschen ertönt, als die schweren, eisernen Riegel geöffnet werden und das Knarren des aufschwingenden Türflügels dröhnt nach der endlos währenden Stille wie ein schrilles Kreischen in ihren Gehörgängen. Whytfisk ... sie kommen mich holen... Einen Herzschlag lang presst sie das Amulett an ihre Lippen, bevor sie es eilig wieder zurück unter das Hemd stopft und die Beine dichter an sich zieht. Drei Gestalten schieben sich durch die Türfüllung und zuerst kann sie gegen das Licht, das von außen in die Kammer dringt, nur ihre Silhouetten erkennen - zwei dürre und eine massige, die gut einen Kopf größer ist als die anderen beiden. Dann hält dieses riesige, wandelnde Muskelpaket, den sie an seinen gemurmelten Worten als Jorge erkennt, eine Fackel in die Kammer und sie muss geblendet die Augen schließen. Die tanzenden Flammen sind nicht besonders hell, doch nach der endlos scheinenden Finsternis kommt es ihren lichtentwöhnten Augen vor, als trage er eine glühende Sonne auf dem Griff der Fackel vor sich her und nicht nur pechgetränkte, brennende Lumpen.

Blinzelnd versucht sie auf die Füße zu kommen und stemmt sich, den Rücken haltsuchend gegen den kalten Fels gepresst, an der Wand entlang nach oben, als sich eine der beiden schmalen Silhouetten aus den Schatten des Fackelscheins löst und nach vorne ins Licht tritt. Whytfisk. Aus zusammengekniffenen Augen starrt sie ihn an und in ihrem Inneren beginnen sofort alle Alarmglocken zu schrillen, als er das Wort an sie richtet. Seine leise Stimme klingt so freundlich wie das Zischeln einer Schlange, als er ihr ein zusammengerolltes, blutverschmiertes Päckchen vor die Füße wirft. Misstrauisch blickt sie auf das lederumwickelte Etwas hinunter. >Ich habe dir versprochen, der Nordmann kommt und er ist hier....<

"Was..." Ihre schmerzende Kehle gehorcht ihr erst beim zweiten Anlauf und fühlt sich an, als hätte sie gerade einen Eimer Sand verschluckt. "Was soll das heißen?" krächzt sie. "Was ist das?" Ein tückisches Glitzern blitzt in Whytfisks Augen, als er dem Bündel mit der Stiefelspitze einen Stoß versetzt und die lederne Hülle ihren grausigen Inhalt preisgibt. Ravens Lider beginnen zu flattern und sie muss sich keuchend gegen die Wand lehnen, um nicht einfach umzukippen. Aus den ledernen Fetzen rollt ein Arm auf sie zu. Der abgetrennte, blutverschmierte und völlig zerfleischte Arm eines Mannes. Plötzlich hat sie den Geschmack bitterer Galle im Mund. Wilde Panik greift nach ihrem Herzen und bringt ihren Puls zum jagen. Caewlin .... bei allen Göttern, ist das Caewlins Arm?

Sie zwingt sich, noch einmal hinzusehen, obwohl es ihr dabei fast den Magen umdreht. Der Arm ist kräftig und muskulös, die Finger sind gekrümmt, als würden sie nach etwas greifen wollen. Haut- und Fleischfetzen hängen von den blutigen Knochen. Doch dann lässt ein plötzliches Gefühl der Erleichterung ihr die Knie weich werden, als sie erkennt, dass es der rechte Arm eines Mannes ist. Es kann nicht der des Nordmanns sein, denn Caewlin trägt statt seiner rechten Hand eine Eisenschelle. Voller Abscheu richtet sie ihren Blick auf den grinsenden Whytfisk, der ihr noch einmal bedeutet, sich den Arm genauer anzusehen und auf die klaffenden Wunden weist. Die faustgroßen, ausgefransten Löcher sehen aus, als hätte jemand oder etwas ganze Klumpen Fleisch herausgebissen. Ein Raubtier. Ein Wolf vielleicht. Oder ein großer Hund. Ein sehr großer Hund. Akira... Ihre Augen werden schmal. "Der Nordmann .... hier? Das glaube ich dir nicht." Bitte lass es eine Lüge sein...

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 12. Jan. 2005, 18:47 Uhr
In dem Hohlraum über der Zisterne


Faraday hat beinahe aufgegeben. Liegenbleiben, Atem ein, Atem aus, sogar das zu anstrengend, so überflüssig. Oh ja, natürlich hört sie, wie Jen und der Heiler auf sie einreden. Die Entrüstung des Elben (wenn er denn einer ist) würde sie sogar erheitern, wenn ihr nicht alles so derart egal wäre. Hat sie es denn wirklich verdient hier unten einfach zu verrecken? Nein, sie verliert überhaupt nichts, wenn sie jetzt hier einfach liegen bliebe - vorausgesetzt, sie würden sie liegen lassen. Den Gefallen tut ihr natürlich niemand. Sie wird auf die Füsse gezogen und erstaunlicherweise geben ihre Knie nicht nach. Der Schluck Alkohohl aber bringt ihre Lebensgeister wieder zurück. Sie spürt, wie Jen sie mit zittrigen Fingern umzuziehen versucht und erledigt es dann so gut es geht selbst, während er die Augen schließt, um ihr eine peinliche Situation zu ersparen. Jede Bewegung fühlt sich an, als schwimme sie durch zähes, öliges Wasser. Ihr Hals ist rau wie ein Reibeisen und alles Räuspern hilft nicht um den penetranten Hustenreiz zu lindern. Dann steht sie da mit einem viel zu weiten Hemd und einer viel zu kurzen Hose und ihren nassen Stiefeln. Irgendjemand entzündet ein Feuer, ein goldenes, warmes Licht in dieser feuchten, unheimlichen Dunkelheit. Ich werd' nie wieder die Sonne sehen, sind Faradays letzte Gedanken ehe sie sich in der wärmenden Nähe der Flammen niederlässt und wegdöst, eine irritierende aber entspannende Mischung aus Schlaf und ohnmächtiger Schwäche.

Sie erwacht erst wieder als sie jemand hart auf die Beine zerrt und das unheilvolle Dröhnen und Rauschen trifft sie wie der Klang einer riesigen Glocke, die ihr jemand über den Schädel gestülpt hat. Und dann kommt das Wasser. Eisige Fluten, die ihre Füsse umspülen und in Sekundenschnelle ihre Knie erreichen. Halb stolpernd halb getragen wird auch sie in das riesige Fass verfrachtet, wo sie abermals zu Boden sinkt. Ihr wird schlecht von der schlingernden, tobenden Fahrt in dem zweckentfremdeten Weinfass, aber ihr Magen hält seinen Inhalt energisch fest und will ihn nicht hergeben. So versucht sie würgend und hustend irgendeinen Halt an den Holzplanken zu finden, zu entkräftet, um das eigene Gewicht zu halten. Die akrobatischen Versuche das Fass in irgendeine Richtung zu lenken finden irgendwo weit entfernt von ihr statt, doch recht plötzlich lässt das Wackeln und Drehen nach und unvermittelt ist mit erst einem, dann mit zwei heftigen Rucken Ruhe.

"Faraday, komm, wach auf! Wir müssen hier raus, komm!" ruft eine Stimme und endlich schlägt Faraday mühsam die Augen auf. Über ihr dringt schwacher, vertrauter Lichtschein herab, doch alles dreht sich viel zu sehr, als dass sie die Lage vollends erfassen könnte. Aurians besorgte, angstgeweitete Augen sind das Einzige, auf das sie sich in diesem Moment konzentrieren kann. Und plötzlich schämt sie sich. Schämt sich dafür, dass sie fast ersoffen wäre, weil sie nie im Leben schwimmen gelernt hat. Schämt sich dafür, dass sie zu dusselig war einer einfachen Frau hinterher zu spionieren, schämt sich für ihr ganzes Leben und für die Situation, in der sie nun alle stecken, denn eine leise Stimme flüstert ihr mit penetranter Eindringlichkeit ein, dass das zu einem beträchtlichen Teil ihre Schuld ist. "Mmh!" macht sie und zieht die Augenbrauen zu einer wahren Leidensmiene zusammen. Irgendjemand bindet ihr währenddessen etwas um den Körper, ein Seil wohl, und dann schnürt es sich um ihre Brust zusammen. Ihre Beine verlassen den mehr oder weniger sicheren Boden. Sie kann nichts tun als sich ziehen zu lassen, irgendwo hinauf in eine unsichere Düsternis. Mittlerweile hat sie einigermaßen verstanden, was wohl geschehen sein muß und irgendwo in ihrem Inneren glimmt ein winziger Funke auf, den sie kaum Hoffnung zu nennen wagt. Dann ist sie oben, wird von dem Nordmann und dem Heiler in Empfang genommen und zieht sich keuchend so gut es geht selbst über die felsige Kante. Die Schrammen an den Händen reißen dabei wieder auf und beginnen zu bluten, aber Faraday ist wie betäubt. Jen steht vor ihr, ebenso wie sie selbst in völlig unpassenden Kleidungsstücken, die ihn noch dünner wirken lassen als er ohnehin schon ist, und ist ihr dabei behilflich das Seil loszuwerden, damit der nächste heraufgezogen werden kann.

Sie sieht sich in der neuen Umgebung um, aber das Ergebnis dieser Untersuchung ist keineswegs ermutigend. Fels, blanker Stein, wohin sie auch sieht. Keine Tür, kein Durchgang, nichts. Sie möchte laut lachen, aus Verzweiflung und Entmutigung und Erschöpfung, aber dazu fehlt ihr die Kraft. Nicht einmal ihre Mundwinkel bewegen sich. Aber immerhin steht sie auf ihren eigenen Beinen, wenn auch recht wackelig. Sie dreht sich um, tritt so nahe an das Loch im Boden heran wie es eben wagt und schaut nach unten. Das riesige Fass ächzt und knirscht bedenklich und darunter brodelt und rauscht noch immer das Wasser. Sie erkennt den dunklen Schopf der Frau, die sich mühevoll an der behauenen, glatten Wand nach oben arbeitet. Der Heiler streckt ihr so weit wie möglich einen Arm entgegen und zieht sie das letzte Stück herauf. Auch die Hündin ist mittlerweile oben angekommen und der Nordmann hat sie bereits von dem Strick befreit und lässt ihn abermals in den Schacht fallen, wo der Zwerg als Letzter in dem Fass wartet.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 12. Jan. 2005, 20:06 Uhr
Phelan ist erleichtert, als alle heil oben ankommen. Was er bei seinem Aufstieg jedoch entdeckt hatte, hatte ihn selbst keineswegs ermutigt. Und von all diesen Schächten suchen wir uns ausgerechnet den aus, der in der nächsten Sackgasse mündet. Aber lieber in diesem Loch verhungern als wie die Hunde ersaufen. Seine Miene ist grimmig und er verdrängt jeglichen Gedanken an das, wie es mit ihnen hier oben nun weitergehen könnte. Vielleicht steigt das Wasser noch weiter und wir enden aufgedunsen wie tote Fische in diesem stinkenden Loch, ohne dass wir je wenigstens anständige Gräber bekommen. Aber wenn er sich denn aussuchen könnte wie und wo er zu sterben hat, dann bei den Göttern nicht hier, sondern wenigstens an einem Ort wo er den Himmel sehen kann, auch wenn selbst die Erinnerung an frische Luft nichts mehr ist als eine freundliche Ahnung von etwas, das so weit entfernt ist wie so vertrauten Weiten des Larisgrüns. Zunächst aber müssen sie den Zwerg heraufbringen und Phelan hegt ernsthafte Zweifel an der Haltbarkeit des Seiles, so stabil es auch wirken mag. Borgil trägt eine massive Rüstung, die ihn doppelt so schwer macht, aber sie hier zurückzulassen wäre blanker Selbstmord, vorausgesetzt, sie fänden einen Weg aus der Höhle heraus.

Während Borgil sich unten das Seil um den Leib bindet, dreht Phelan sich zu den dreien um, die so angeschlagen aussehen, als könnten sie keinen Schritt mehr tun. Aber sie müssen alle zusammenarbeiten, sonst würde Borgil da unten ersaufen. Es kann sich nur noch um Minuten handeln, bis das Fass dem Druck des Wasser nachgeben würde. Das Holz stöhnt und ächzt verdächtig. Ganz offenbar ströhmt noch immer Wasser in die Zisterne, wenn nun auch mit weniger Kraft als am Anfang, während das Fass wie ein Korken unter Hochdruck in dem Schacht feststeckt. Unter anderen Umständen hätten sie erst den Zwerg und dann den Panzer hochziehen können. "Hört zu. Ihr zieht hier oben und ich versuche von unten zu schieben." Phelan weiß, dass er den Zwerg kaum würde heben könnnen. "Aber wenn uns das Seil reißt, dann haben wir, dann hat er da unten ein ernsthaftes Problem. Das Fass steckt fest und wenn das Wasser nicht weiter ansteigt, dann bleibt er da unten hocken bis zum Ende seiner Tage. Bitte", und die Worte sind an Aurian, Faraday und Tiuri gerichtet, "zieht, als hinge euer eigenes Leben daran." Und bei den Göttern, das tut es tatsächlich!

Dann ist er verschwunden, in das nasse Loch geklettert, als habe er nie etwas anderes getan. Doch auch wenn er es sich nicht anmerken lässt, so ist er bei Weitem noch nicht wieder bei Kräften. Die kurze Ruhepause hatte zwar gut getan, aber eine anständige Mütze voll Schlaf in einem richtigen Bett wäre Phelan jetzt bei weitem lieber. Leichtfüssig kommt er unten neben dem verblüfften Zwerg auf, der Phelans Kletterei beobachtet hat, als wäre dieser ein besonders exotisches, geschicktes Insekt, das den ganzen Tag nichts anderes tut als Bäume hinauf- und wieder hinunter zu kriechen. "Hinauf mit Euch und ich schwöre, das ist das letzte Mal auf dieser Reise, dass ihr mir Euren Hintern ins Gesicht streckt."

Das Seil spannt sich. "Zieht da oben, zieht!" Der Abstand vom Fassboden bis zur Oberkante des Schachts beträgt rund zwei Mannlängen und das lässt Phelan hoffen, dass er von unten genug Kraft einsetzen kann um Borgil weit genug nach oben schieben zu können, so dass der sich selbst das letzte Stück hochziehen kann. Phelan will nicht daran denken, dass dort oben eine geschändete Frau, ein halbtotes Mädchen und ein zaundürrer Junge mit gebrochenen Fingern an dem Seil ziehen, von Caewlin einmal abgesehen und so stemmt er sich gegen den Zwerg, als wolle er einen Fels die Wand hinaufschieben. Trotz der Kälte tropfen ihm salzige Schweißperlen ins Gesicht und trüben die Sicht, doch es gibt nichts zu sehen, nur zu hören. Das dumpfe Gurgeln des Wassers und das kreischende Ächzen von Holz, das dem Druck kaum recht viel länger würde standhalten können.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 12. Jan. 2005, 21:39 Uhr
Irgendwo in Schacht und Stollen


"Ihr könnt ihn mir ja küssen, Spitzohr, wenn ihr schon da hinten an mir herumtatschen müsst!" Brüllt Borgil, höchst unwürdig an einem ächzenden Seil baumelnd wie ein nasser Sack an einer Wäscheleine. Caewlin hatte einen nach dem anderen den Schacht hochgezogen, selbst die riesige Bluthündin, die gut zweihundert Pfund auf die Waage bringen muss -  Aurian war selbst geklettert. Sie hatte nicht lange gebraucht, um hinter Akiras pelzigem Hintern, elegant an der Wand emporzusteigen und den Stollen oben zu erreichen, aber Borgil war es trotzdem wie eine ganze Stunde vorgekommen, ehe auch die Magierin oben verschwunden war. Dann hatte das Licht über ihm kurz geflackert. Für einen Moment hatte er gedämpfte Stimmen gehört, ohne die Worte zu verstehen und das Seil war wieder zu ihm herabgefallen, und hatte lose an der Wand gependelt. Caewlins Stimme war oben zu hören gewesen, leise aber keinen Widerspruch duldend - "Borgil, jetzt Ihr!" - doch der Zwerg hatte sich das dicke Seil höchst zweifelnd umgebunden, während das massive Faß unter ihm geächzt und gestöhnt hatte. "Ihr solltet Euch einen Augenblick ausruhen!" Hatte er hinaufgerufen. "Ich bin schwerer als die anderen alle zusammen, wißt Ihr."

"Hört auf, blöd herumzuquatschen und kommt endlich!" War Caewlins einzige Antwort gewesen und keinen Augenblick später war Phelan plötzlich wieder neben ihm aufgetaucht.
Jetzt pendelt er an einem Seil über einem Schacht in dem ein Faß steckt, das jeden Moment explodieren kann, über sich nichts als gähnende Schwärze und heftiges Keuchen unsichtbar in einer Höhle und unter sich einen Halbelben, dessen Schulter sich gerade in seinen Allerwertesten bohrt. "Sil, Vater aller Zwerge... so will ich noch viel weniger sterben!" Knurrt er erbost, doch es hilft nichts - kein göttlicher Bote greift in sein grausames Schicksal ein, um ihn auf Seharimflügeln hier herauszutragen. Fluchend und schimpfend zieht Borgil das Seil straff, stemmt einen Fuß gegen den Stein der Schachtwand und beginnt dann, so rasch wie er nur kann, hinaufzusteigen. Das Seil zittert in seinen Händen. Er weiß, daß sein Gewicht und die grausamen Rucke Caewlin halbwegs die Arme aus den Gelenken reißen müssen, trotzdem klettert er so rasch es geht. Mit Phelans Hilfe, der eifrig schiebt, geht es sogar überraschend schnell. Auch Caewlins Kräften sind Grenzen gesetzt und die anderen werden ihm zwar so gut wie möglich helfen (jedenfalls hofft Borgil das), aber die Hauptlast liegt - oder hängt - doch an dem Nordmann.

Trotz allen Vorankommens brauchen sie schier ewig, die paar Schritt hinaufzusteigen und den Stolleneingang zu erreichen. Einmal rutscht Borgil leicht am nassen Fels ab, was einen Ruck am Seil zur Folge hat, der oben ein so schmerzerfülltes Brüllen auslöst, das Borgil sich hastig mit Händen und Füßen an allem greifbaren festklammern läßt - Phelans Schultern und Gesicht inbegriffen. Dann erreichen sie die zerbröckelte Felskante doch und Borgil zieht sich mit einer letzten, verzweifelten Kraftanstrengung hinauf. Ruckartig von seinem beträchtlichen Gewicht erlöst stolpern Caewlin, Jen, Aurian und das Rotzgör alle einen Schritt nach hinten und lassen dann schweratmend und mit vor Anstrengung geröteten Gesichtern erst das Seil fahren und dann sich selbst fallen. "Agh!" Macht Borgil,während er auf die Füße krabbelt und Phelan Platz macht. "Danke. Dachte schon ich müßte da unten jämmerlich ersaufen." Sie haben es tatsächlich gerade noch geschafft, denn kaum sind sie oben, zermalmt das Wasser im Schacht mit einem knirschenden Splittern das Faß zu Brei - und das, das weiß Borgil genau - wäre in der schweren Rüstung sein Ende gewesen. In dem Schacht wäre er gesunken wie ein Stein. Wieder halbwegs unternehmungslustig und Sithech gerade noch mal von der Schippe gesprungen, sieht er sich um und entdeckt ringsum nur Stein. "Und? Wo geht's jetzt weiter?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 13. Jan. 2005, 14:51 Uhr
Als Borgil endlich oben ist, läßt Caewlin sich mit einem dumpfen Schmerzlaut fallen, wo er steht und lehnt sich nur noch keuchend gegen den Fels. Zu viert hatten sie den Zwerg irgendwie hochgezogen, während Phelan geschoben hatte und nach seinem Zeitgefühl waren Stunden vergangen, bis sich das Seil in seinen Händen endlich entspannt hatte. Jetzt glänzt sein Körper vor Schweiß und die geschwollenen Finger seiner Linken pulsieren wild im Rhythmus seines Herzens. Das kratzige Seil hat ihm tief in die Haut geschnitten und blutige Striemen in seiner Handfläche hinterlassen. Er ist zum umfallen erschöpft, seine Arme sind hart wie Stein und die verkrampften Muskeln pochen nicht mehr, sondern schreien vor Schmerz - falls er jemals so etwas wie Schultergelenke besessen hat, hat sie jemand durch Feuerräder ersetzt -  und er hat das Gefühl, seine Hand nie mehr bewegen zu können. Kaum sitzt er, spürt er Akiras feuchte Nase an seinem Hals, doch er kann nicht einmal den Arm heben, um sie wegzuschieben. "Hör auf, stúlkan mín," raspelt er zwischen hektischen Atemzügen. "Ich... habe... nichts... mehr... zu fressen für dich." Borgil kommt auf die Füße, schüttelt sich wie ein nasser Hund, blickt sich um und fragt dann unbekümmert, wo es jetzt hinginge. Ringsum ist nur das Keuchen und abgehackte Atmen der anderen zu hören, denen es kaum besser geht, als ihm selbst. "Nir...gend..wo..hin," knurrt er und stemmt sich mühsam auf die Beine. Einen Moment lang kämpft er darum, nicht in bitteres Lachen auszubrechen. "Wir sitzen... fest. Götter..." stöhnt er und bleibt vornübergebeugt stehen, die Linke über dem Knie aufgestützt. Sein Rücken schmerzt höllisch und vor seinen Augen flirren bunte kleine Lichter. Irgendwo unterhalb seiner Rippen hat sich ein stechender Schmerz eingenistet - vermutlich war die Wunde wieder aufgebrochen. Er hat in zwei Tagen gerade vier Stunden Schlaf und zu wenig Essen bekommen, hat gekämpft, ist verwundet worden, hat Blut verloren, Wasser geschluckt und einen Zwerg in Vollrüstung, der mindestens eine Tonne wiegen muß, einen Schacht hochgezogen - für den Augenblick jedenfalls ist er erledigt. "Und das mir. Ich hätte Bergführer werden sollen."

Er richtet sich auf und sieht sich um, dann tritt er näher an den Schacht, um hinabzuspähen. Das Wasser steigt immer noch, langsam zwar, aber es steigt und macht keine Anstalten, abzufließen. Eine Stunde, vielleicht auch zwei, bis es uns hier erreicht... Als er sich umdreht, blickt er in fünf angespannte Gesichter, öffnet den Mund, um ihnen zu antworten und schließt ihn schweigend wieder. Dann schüttelt er nur den Kopf. "Áleiðis. Noch sind wir nicht tot und ich habe keine Lust, noch einmal nass zu werden. Und den Tag, an dem ich vor Euch aufgebe, Borgil, erlebt Ihr nicht mehr. Sehen wir uns um." Wieder untersuchen sie Felswände, kriechen in Nischen, tasten sich über feuchten Stein, hämmern Boden und Wände ab - sie finden nichts. Caewlin und Phelan jedenfalls nicht, die ihren kalten Zufluchtsort rund um den Schacht absuchen. Das Wasser steigt noch immer, nur noch Zoll um Zoll, doch unaufhaltsam. Ein grunzender Ruf des Zwergen hinter ihnen läßt sie herumfahren. Borgil steht vor einem Stück Felswand und fährt andächtig mit den Fingern über den feuchten Stein. Caewlin kann absolut nichts ungewöhnliches daran entdecken - der Fels sieht aus wie jedes andere Stück Höhlenwand ringsum, aber Borgil nickt grinsend. "Da ist eine Tür drin, so sicher wie das Gebet in einem Tempel!"
"Eine Tür?" Caewlin blickt zweifelnd auf die Wand. Möglich, daß der Stein an dieser Stelle auffallend glatt ist, aber sonst ist nichts zu sehen - keine Fuge, keine Ritze, erst recht keine Angeln oder ein Spalt, von einem Schlüsselloch ganz zu schweigen. Borgil nickt ungeduldig und knurrt etwas von Zwergenpforten und Geheimtüren, verborgen im Stein selbst. "Magie?" Seine Frage ist an den Zwerg gerichtet, aber er sieht Aurian dabei an. "Borgil, eine Tür, die niemand sehen und keiner von uns öffnen kann nützt uns gar nichts, selbst wenn sie... wirklich dort ist."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 13. Jan. 2005, 20:37 Uhr
Als der Zwerg das obere Ende des Schachtes erreicht und das Seil mit einem Ruck nachgibt, verliert Aurian das Gleichgewicht und knallt unsanft mit dem Rücken gegen die Steinwand. Für einen Augenblick verschlägt es ihr die Luft und ihr geschundener Körper ist um eine weitere Prellung reicher. Mittlerweile hat sie sowieso das Gefühl, als gäbe es keine Stelle, die nicht grün und blau ist. Doch fast begrüßt sie die körperlichen Schmerzen und Strapazen, lenken sie diese doch von ihren eigentlichen, inneren Qualen ab. Sie will nicht daran denken, sich nicht daran erinnern, was der Mistkerl ihr angetan hat. Nur eines wünscht sie sich: die Gelegenheit zur Rache zu bekommen. Was nachher ist, sie weiß es nicht, will nicht darüber nachdenken. Ein dumpfes Dröhnen durchdringt den Hohlraum und mit Schauern denkt das Mädchen daran, was mit ihnen geschehen wäre, wenn sie noch da unten gewesen wären. Entweder zermahlmt oder ersoffen! Schöne Option!
Mühsam kommt sie etwas hoch. Die anderen wirken genauso erschöpft, nur der Zwerg scheint vor Tatendrang zu sprühen. Dieser wird jedoch gedämpft, als auch er erkennen muss, in welch weiterem Gefängnis sie sich nun befinden. Borgil ergeht sich erneut in einer Flut von Verwünschungen, die jedoch jäh unterbrochen werden, als er eine Wand erreicht, die auf den ersten Blick genauso aussieht wie die anderen. >"Da ist eine Tür drin, so sicher wie das Gebet in einem Tempel!< Aurian rappelt sich zur Gänze hoch und tritt neben Caewlin. Sie runzelt die Stirn. Sicher, auf den ersten Blick ist das Stein wie jeder andere und doch hat sie ein seltsames Gribbeln in der Magengegend. „Irgendetwas ist mit der Wand das stimmt.“ Die einzige Antwort des Zwergs ist ein bestätigendes Grunzen. Die junge Magierin streicht mit den Fingerspitzen über den Stein und als sie in die Höhe kommt, an der sich bei einer Tür das Schloss befindet zuckt sie zurück, als hätte sie sich verbrannt. „Au!“ Die fragenden Blicke der Restlichen nimmt sie nicht wahr. Erneut fährt sie über den Stein und seltsame Nebelstreifen folgen dieser Wanderung und enthüllen Stück für Stück die Umrisse einer Tür. Wie sie es genau macht, sie könnte es nicht erklären. Wie schon die ganze Zeit über scheint die Magie sie zu beherrschen anstatt umgekehrt und ein Instinkt scheint ihr zu vermitteln, was sie tun muss.
Es scheinen Ewigkeiten zu vergehen, bis die Tür komplett freigelegt ist und als sich ihre magische Seite so plötzlich zurückzieht, wie sie gekommen war, taumelt sie und prallt gegen den Nordmann, der noch immer hinter ihr steht. Alles dreht sich und Aurian fühlt sich seltsam leer und kraftlos. Dennoch, als Caewlin sie auffangen und stützen will, zuckt sie zusammen als hätte sie sich verbrannt und der Anflug von Panik fliegt über ihr Gesicht. Fast schon zu heftig reißt sie sich los. „Es geht schon, alles in Ordnung!“ Ihre zitternde Stimme straft ihre Worte Lügen und sie vermeidet es, irgendjemanden anzusehen. Stattdessen fixiert sie die Felsentür. „Wir müssen dieses Schloss irgendwie aufbekommen!“ Jens Worte hallen in dem Gewölbe unnatürlich laut wieder. Der Junge scheint das aber gar nicht zu bemerken den er hat sich bereits im Schein des Elbensteins daran gemacht, den Öffnungsmechanismus unter die Lupe zu nehmen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 14. Jan. 2005, 15:28 Uhr
Das Hochgezogen werden ist eine unangenehme Angelegenheit, das Ziehen an sich aber noch viel schlimmer. Tiuri fragt sich langsam, wo in der ganzen Sache die Gerechtigkeit bleibt. Erst wird er gefangen genommen, dann wird er befreit und gleich wieder verfolgt, schließlich stürzt er in eine Zisterne und als das nicht genug ist ertrinken sie alle dort auch noch beinahe.

Hätte jetzt nicht wenigstens dieses dämliche Fass ein Stück weiter oben stecken bleiben können?

Aber es ist nun einmal wie es ist und Tiuri hätte am liebsten geschrieen als er oben ankommt und sieht, dass auch hier kein Ausweg zu sehen ist, weit und breit nur Stein und Fels. Aber erst hilft er Faraday noch nach oben und schließlich hilft er mit der Halbelbin und Aurian gemeinsam Caewlin, der immer noch die Hauptarbeit übernimmt, den Zwergen nach oben zu ziehen. Die linke Hand kann er dabei nicht gebrauchen, nach der Ruderakrobatik kann er die Hand nicht mehr bewegen, geschweige denn seine Finger abbiegen. Also hängt er sich mit der rechten Hand so fest wie möglich ins Seil und stöhnt kurz auf als das Seil ihnen mit einem Ruck durch die Hände fährt. Die verbrannte Haut gibt sofort nach und Tiuris Handfläche brennt wie Feuer. Als der Zwerg schließlich oben ist, wäre der Junge am liebsten einfach umgefallen und eingeschlafen. Langsam weiß er nicht mehr wie er sich eigentlich auf den Beinen hält und seine Hände zittern vor Schwäche, auch wenn er es nicht zugeben möchte. Mit schleppenden Schritten rafft sich Tiuri hinter den anderen auf und beginnt ebenfalls die Wände abzusuchen.

Schon wieder eingesperrt, wirklich toll!

Die Kraft noch in Panik zu verfallen hat er nicht und vielleicht gewöhnt er sich langsam sogar daran und er versucht sich damit abzufinden, dass er hier in einem dreckigen Loch unter der Erde draufgehen wird und sie alle hier wahrscheinlich nichts mehr retten kann. Trotzdem fährt er brav mit den Fingern über die Wände, auch wenn er nicht wirklich weiß wonach er eigentlich suchen soll, es sieht alles gleich aus, Fels um Stein und Fels und alles schön glatt, so dass keiner auf die Idee kommt auch nur nach oben zu klettern. Vor einem besonders glatten Stück Felsen bleibt Borgil schließlich stehen und ruft sie zu sich. Der Zwerg ist sich sicher, hier ist eine Türe und Tiuri kommt nicht umhin sich die gleichen Fragen wie Caewlin zu stellen, was nutzt eine Tür wenn man sie nicht sehen und nicht öffnen kann, dann könnte es genauso eine Wand wie jede andere sein. Aber er sagt kein Wort, sondern wartet ab ob der Zwerg vielleicht doch noch eine Idee hat. Aber statt Borgil nimmt Aurian die Sache in die Hand und mit magischen Fingern und Nebel, (spätestens an diesem Zeitpunkt tritt Tiuri einen Schritt zurück weil ihm die Sache endgültig unheimlich wird) legt die junge Magierin die Türe frei. Dass diese auch noch verschlossen ist wundert den Jungen gar nicht und er ist fasziniert von dem ungewöhnlichen Schloss. Eines wie dieses hat er bisher noch nicht zu Gesicht bekommen und er bekommt nicht mit, dass Aurian beinahe zusammen bricht und ihre Worte viel zu zittrig klingen um wirklich wahr sein zu können.

„Wir müssen dieses Schloss irgendwie aufbekommen!“ ohne dass er bemerkt hat, dass er sich näher darauf zu bewegt hat, kniet Tiuri vor der Türe und besieht sich das Schloss genauer. Mit den Fingern fährt er vorsichtig darüber, beißt sich auf der Unterlippe herum und zieht konzentriert die Augenbrauen zusammen. Das Schloss ist massiv und sicher nicht von einem Stümper hergestellt, diese Tür soll aus irgendeinem Grund nicht so einfach passierbar sein, sie ist nicht nur gut versteckt, sondern auch noch ausgezeichnet verschlossen. Fasst schon seufzend klingt es als der Junge die eingeatmete Luft ausatmet und dabei aufsteht. Mit den Händen greift er vorsichtig an sich herab wobei er an seine Tasche und zu der kleinen Ratte kommt, welche er gleich hinaus nimmt und auf seine Schulter setzt. Dass er es geschafft hat sie bis hier her zu bringen ist ein wahres Wunder. Von den Dingen die er normalerweise mit sich trägt ist dank den Kanalratten nichts mehr über.
Was er allerdings, obwohl er ein Mann ist, immer mit sich trägt ist eine Art Haarnadel, die allerdings zu diesem Zweck wohl kaum noch zu verwenden ist. Sie steckt trotzdem irgendwo in Tiuris Haaren in der Nähe seines Nackens, was wäre ein Dieb auch ohne eine solche. Wieder kniet er sich vor dem Schloss nieder, kneift das rechte Auge zu und starrt mit dem Linken noch tiefer hinein.

„Dunkel“, murmelt er und hält die Hand auf. Irgendjemand legt ihm den leuchtenden Stein in die Handfläche und der Junge versucht in das Schlüsselloch zu leuchten und dabei auch noch etwas zu erkennen. Faraday schaut ihm über die Schulter und er rückt ein Stück zur Seite.
„Hast du so eines schon mal geknackt?“ er fragt nicht ob die Halbelbin ein solches Schloss schon einmal gesehen hat, denn er wird nicht zugeben, dass es irgendwelche Schlösser gibt die er, der er sich selbst Liktik genannt hat in ihrer Gegenwart, nicht kennt. Doch auch die junge Frau schüttelt den Kopf nach dem sie das Schloss konzentriert beäugt hat und Tiuri fragt sich langsam wer hier seine Finger am Werk hatte.
Er fährt also mit der Haarnadel in das Schlüsselloch, dreht und wendet, schiebt dabei die Zunge über den Mundwinkel hinaus und horcht aufmerksam wie es in dem Schloss klingt.

„Sag mal, hast du…“ er wendet sich an Faraday und noch ehe er den Satz beendet hat, reicht sie ihm auch ihre Haarnadel, die ebenfalls schon herrlich verbogen ist und erst in eine passende Form gebracht werden muss, da sie ja auch nur als Hilfswerk fungieren soll. Mit der linken Hand kann er sie nur nicht halten und so versucht der Junge erst mit den Fingern der Rechten beide Haarnadeln zu drehen, aber das will so recht auch nicht funktionieren, also rückt er ein Stück zur Seite und Faraday hockt sich neben ihn hin, hält ihr Ohr ebenfalls an das Schloss und bekommt die zweite Haarnadel zum Halten. Sie drehen und wenden und nach einiger Zeit will Tiuri schon fast aufgeben.

„Vielleicht sollten wir alle einmal in Ruhe sterben, ähm, schlafen…“ Schlafen würde ihm gut tun, obwohl ihm eigentlich eher nach sterben zu Mute ist und dass er sich verspricht lässt auf mangelnde Konzentration schließen. Doch nur einen Wimpernschlag nach dem er den Satz ausgesprochen hat macht es plötzlich ‚klick’ in dem Schloss und die Türe ist offen.
„Sie ist auf! Wir haben es geschafft!“ Der Junge kann es selbst gar nicht glauben und am liebsten hätte er Faraday gepackt und einmal durch die Luft gewirbelt, aber er lässt es bleiben, denn erstens hätte die Diebin das sicher nicht begrüßt und zweitens fehlt ihm ohnehin die Kraft dafür.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 16. Jan. 2005, 10:13 Uhr
Aurian tritt neben ihn, noch während er zweifelnd dem Zwerg über die Schulter blickt und versucht, in der glatten Felswand etwas zu sehen das einer Tür ähneln könnte. Sie kann mit ihrem magischen Gespür offenbar durchaus noch etwas anderes dort wahrnehmen, als nackten Stein - und tatsächlich, als sie mit den Fingern sacht darüberstreicht, werden dort blasse Linien sichtbar... Fugen, die sich zu Ritzen dehnen und nach und nach den rechteckigen Umriss einer Tür aus dem Stein schälen, etwa fünf Fuß hoch und drei Fuß breit. Nebel hüllt die schmutzigen, dünnen Finger der Magoi ein und folgt ihren Händen, als wolle er ihre abgerissenen Nägel und die Schrammen unter dem Dreck verbergen - und verschwindet so plötzlich wieder, wie er erschienen war. Sieh an. Ab und an ist Magie tatsächlich zu etwas gut. Caewlin unterdrückt ein halbes Lächeln, aber seine Mundwinkel zucken verdächtig. Aurian macht einen unsicheren Schritt rückwärts, als pralle sie von einer unsichtbaren Wand ab. Er hebt nur den Arm, um zu verhindern, daß sie noch weiter über die eigenen Füße stolpert und sich am Ende noch auf den Hosenboden setzt, doch als seine Finger ihren Unterarm berühren, zuckt sie zurück als sei er giftig. Er sieht die nackte Angst in ihren Augen und hebt langsam die Hand, die leere Handfläche nach außen. "Ich tue dir nichts und das weißt du." Er sieht sie nicht an, sondern folgt ihrem Blick, der sich fast trotzig auf die Felsentür richtet, an der sich Jen und das Rotzgör bereits mit kollegialem Eifer zu schaffen machen, und spricht leise über ihre Schulter. "Du willst ihn umbringen." Das ist eine Feststellung, keine Frage. Er hat ihr Gesicht gesehen, den dunklen Schatten, der nach der aufflackernden Panik durch ihre Augen gehuscht war. Sie wünscht sich nicht nur, den Mann, der sie vergewaltigt hat, tot zu sehen, sie will ihn selbst töten, sich zurückholen, was man ihr mit Gewalt genommen hat. "Er wird dich dennoch heimsuchen." Seine Stimme wird noch leiser. "Ihn umzubringen ist dein Recht. Tu es und es wird dich erleichtern. Aber es wird ihn nicht aus deinen Gedanken vertreiben - und aus deinen Träumen auch nicht." Er holt einen Streifen Dörrfleisch aus seiner Tasche und reicht ihn ihr. "Iß. Du brauchst Kraft. Wenn du einen Mann töten willst, umso mehr."  

Ein leises Klicken und ein verblüfftes: >Sie ist auf! Wir haben es geschafft!< lenken ihn ab. Jen wendet sich um und sogar unter all dem Schmutz ist das breite Grinsen zu sehen, daß er im Gesicht trägt. Ein hörbares Aufatmen geht durch ihre kleine Gruppe, doch auch wenn Caewlin ihre Erleichterung, einen Ausweg gefunden zu haben, durchaus teilt - solange er nicht weiß, was sie hinter dieser Tür erwartet, wird er ihr nicht nachgeben. "Ich sehe nach." Die Tür ist aus massivem Stein, zwei Handspannen dick und entsprechend schwer, doch sie läßt sich mit einem leisen Knirschen nach Innen aufschieben. "Phelan, leuchtet mir mit dem Kristallstein, wenn ich durch bin." Er verzichtet auf den Morgenstern und zieht einen Jagddolch mit breiter Klinge. Caewlin muß sich tief bücken, um durch die Tür zu passen und dahinter umfängt ihn einen Augenblick tiefe Schwärze, ehe heller Lichtschein an ihm vorbei dringt. Zu seiner Überraschung kann er aufrecht stehen, die Decke wölbt sich erst etwa einen Schritt über ihm. Vor ihm liegt ein gewundener Gang - vollkommen still und leer. Der Boden ist trocken und eben, die Wände sind grob behauen und neigen sich so stark zur Decke, daß der Gang einen beinahe dreieckigen Querschnitt aufweist - doch sie sind weder salpetrig noch feucht. Selbst die Luft scheint nicht vom allgegenwärtigen Kanalisationsgestank geschwängert... zumindest nicht so beißend, wie in anderen Tunneln. "Kommt nach," flüstert er rauh über seine Schulter. "Es ist alles ruhig." Nacheinander dringen sie in den Stollen ein - erst Phelan, dann Borgil, Jen, das Rotzgör, Aurian und schließlich Akira. Als sie alle versammelt sind und Borgil die Tür hinter ihnen mit einem leisen Rumpeln anlehnt, ohne sie zu schließen, erlaubt auch Caewlin sich ein tiefes Atmen. "Wir sollten rasten, alle etwas essen und schlafen." Nicht zu wissen, wo der Stollen vor ihnen hinführt und das Gefühl, irgendwo blind und orientierungslos in Whytfisks Reich herumzumarschieren, gefällt ihm überhaupt nicht - aber der Tunnel scheint leer, sicher und er ist trocken. Und für den Moment wenigstens ist Caewlin bereit, alles zu glauben, wenn es ihm nur ein paar Stunden Ruhe verschafft.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 16. Jan. 2005, 11:21 Uhr
Als die Türe hinter ihnen mit leisem Rumpeln beinahe zufällt hat Phelan das Gefühl, als habe ich abermals ein Rückweg hinter ihnen geschlossen; ein Rückweg in eine dunkle Höhle deren einziger Ausgang in eine modrige, riesige Zisterne führt, aus der kein Weg herausgeht ausser durch unterirdische Wasserleitungen. Dennoch - er fühlt sich wie eine Maus in einer Falle, gefangen, hoffnungslos, vom Mut verlassen. Sein ganzer Körper schreit nach Erholung, nach einer Pause und seine Arme spürt er schon gar nicht mehr, aber an Schlaf will er hier nicht denken. Sie haben uns mit den Ratten schon einmal eiskalt erwischt, selbst wenn sie nicht gewußt haben, wo wir sind. Nein, er würde nicht schlafen.

"Caewlin hat recht. Wir brauchen etwas Ruhe." Sonst kommt keiner von uns hier lebend heraus. "Schlaft, ich halte Wache." Falls irgendjemand protestieren wollte, so sagt doch keiner etwas, denn sie sind alle müde und erschöpft und irgendeiner muß wachbleiben. Phelan sucht aus seinem Beutel selbst ein wenig Essen hervor, irgendwelche durchweichten Trockenfrüchte und etwas trockeneres Dörrfleisch von Borgil und ißt so ruhig, wie es ihm eben möglich ist, ohne ein Wort zu sagen. Er ist froh über den trockenen Boden und hat den Lichtstein so gelegt, dass alle etwas sehen können, ohne dass der Schein allzu weit in den Gang hineinleuchtet. Wir sind wie Maulwürfe, die blind im Leib der Erde herumkriechen, ohne Ziel und ohne Sinn. Und wenn Whytfisk Raven hat, dann wird er sie kaum so lange am Leben lassen um zu warten, bis wir in sein Quartier kriechen. Sonst hätte er uns schon kommen lassen. Wozu dieses ganze Versteckspiel? Er legt Bogen und Säbel ab. Als das Gewicht von seinen Schultern weicht glaubt er, sich noch nie so erleichtert gefühlt zu haben. Es ist nicht schlimm, dass er nicht schläft. Das hat er schon früher getan. Gewacht, Nächte hindurch, aus vielen Gründen. Denn auch der Wald schläft niemals. Aber die klamme Kühle, die stickige, stinkende Luft und das Fehlen von Sonnenlicht und einem Himmel über dem Kopf, das ist es eigentlich, was ihm seine Kräfte und seine Hoffnung raubt.

Langsam lässt er seinen Blick über die Gruppe schweifen. Das Mädel, mit dem eigentlich alles begonnen zu haben scheint, sie ist kaum mehr als ein Schatten ihrer selbst. Abgemagert, mit nachtdunklen Schatten unter den leuchtenden Augen, die langen, dicken Locken wirr und klebrig von Schweiß und Angst und altem Blut. Der Junge, ebenso dürr und grotesk anzusehen in den viel zu kleinen und weiten Kleidungsstücken, Hand und Blick gebrochen wie ein dünner Ast im Wind. Aurian, die Botin der Steinfaust. Eine schöne Frau unter all dem Dreck und den Verletzungen. Ihre Wangen sind eingefallen und ihr Blick irrt immer wieder umher, als suche sie etwas, verstört wie kleiner, kranker Fuchs. Borgil, der selbst ob seiner gesunden Zwergennatur angeschlagen wirkt und Caewlin, der Nordmann, der Einhändige, der für eine Freundin alles aufs Spiel setzt und nicht nur das. Was wäre gewesen, wenn das Mädchen Raven hier unten nicht gesehen hätte? Und woher sollen wir wissen, ob sie die Wahrheit spricht? Vielleicht ist alles nichts weiter als eine List um ihren Jen zu befreien und uns alle den Hunden zum Fraß vorzuwerfen? Aber so recht mag er daran nicht glauben. Er schätzt sie als jemanden ein, der in erster Linie seine eigene Haut retten will. Und sie hätte wissen müssen, dass es kein Spaziergang ist, ihren Freund zu befreien.

Nach und nach dösen die anderen ein, Borgil leise schnarchend, Caewlin schreckt immer wieder aus dem Schlaf hoch, als wolle ern sich mit aller Kraft wachhalten oder als rissen ihn schlechte Träume immer wieder aus Sheilairs Umarmung. Dann aber wird es langsam ruhig. Zu ruhig, und auch Phelan spürt, wie die Erschöpfung ihm die Augenlider zudrückt. Mühsamer als wenn ihn jemand beobachtet hätte kommt er auf die Beine und nimmt einzig seinen Dolch  und einen Lichtkristall an sich. Dann macht er sich geräuschlos auf den Weg nach vorne.

Der Gang fällt nach einigen dutzend Schritten langsam aber stetig ab. Hier liegt keinerlei Unrat oder sonst etwas. Die eine oder andere fette Ratte huscht ihm über dem Weg, doch die Tiere machen keine Anstalten dem Ankömmling auszuweichen. Ihre Knopfaugen blitzen im Licht des Steins, als sie dem heimlichen Wanderer neugierig nachsehen. Phelan zählt seit dem Gefälle seine Schritte und endet bei gut einem Hundert, als der Gang in einer plötzlichen Rechtsbiegung endet. Phelan verdeckt den Kristall mit der hohlen Hand und nähert sich der Kurve. Nichts ist zu hören, gar nichts. Dann schiebt er sich vorwärts, um die Biegung herum. Jetzt erkennt er, dass der Gang sich weitet, auf grob geschätzt sechs Schritt, ehe er sich wieder zu seiner alten Breite verengt. Und dort, vielleicht zwanzig Schritt vor ihm, endet der Tunnel in einer Öffnung, die mit einer Ölhaut verdeckt ist, ebenso wie der Zugang zu den Zellen. In der Verbreiterung des Ganges lagern allerlei Kisten und Fässer. Jetzt versteht Phelan, warum die Ratten so fett sind in dieser Gegend. Leere Kannen und Kelche neben den versiegelten Fässern sprechen die deutliche Sprache, dass hier Wein oder anderes Hochprozentiges gelagert ist und die Kisten sind bis obenhin voll mit Essen. Weiter vorne stehen vier weitere Fässer, deren Deckel nur lose aufgelegt sind. Darunter befindet sich Wasser, frisches, klares Wasser, das Phelan nach dem Kosten mit der hohlen Hand so süß erscheint wie Morgentau. Und ihm wird klar, dass sie ihrem Ziel vielleicht näher sind, als ihnen im Augenblick lieb sein kann. Ein Vorratsraum und ein Gang, der direkt in ein ehemaliges Weinlager führt. Wie weit kann Whytfisk noch sein? Ein halbherziges, von ironischer Hoffnung gezeichnetes Lächeln ist das einzige äussere Anzeichen seiner Gedanken. Wir werden nehmen, was wir bekommen.

Schnell macht er sich auf den Rückweg, sammelt sämtliche Wasserschläuche ein, die er finden kann und schultert seinen geleerten Beutel. Dann macht er sich abermals auf den Weg, füllt sämtliche Schläuche mit Wasser, fünf Stück an der Zahl, die ihm so schwer erscheinen wie ein halber Bär. Aus den Kisten fischt er einen Leib Brot und ein großes Stück geräucherten Schinken. Alles trocken und duftend, kein Vergleich zu ihrem eigenen triefenden Proviant.

Als er dann schließlich zur Lagerstätte zurückkehrt geht sein Atem schwer von der Last. Erschöpft lässt er sich nieder und legt das Gesammelte auf einen Haufen, bricht sich ein Stück von dem Graubrot und schneidet sich eine Scheibe von dem Schinken und lässt sich alles schmecken. Das süße Wasser spült alles hinunter. Er bleibt an die Wand gelehnt sitzen und betrachtet abwechselnd die Schlafenden, dann wieder den Gang vor ihm, doch seine Gedanken sind ganz woanders, weit fort von diesem Ort. Nein, er bereut es nicht mitgekommen zu sein, wenigstens nicht in dem Sinne, dass er dann wahrscheinlich wesentlich besser dran gewesen wäre. Aber der Wunsch nach frischer Luft und nach der Freiheit unter dem weiten Himmel ist schier übermächtig. Sein Herz beginnt zu klopfen und steigert seinen Rythmus stetig, bis er das Gefühl hat, seine Brust wolle ihm unter den inneren Schlägen zerspringen. Nur mühsam ruhig atmend kämpft er die Panik hinunter, die ihn zu überwältigen droht. Doch wenn er die Augen schließt, dann sieht er den Wald vor sich, seinen Wald. Spürt das weiche, feuchte Moos unter seinen Füssen und schmeckt den frischen Wind in Nase und Mund, riecht das Laub und das harzige Holz der Bäume. Phelan spürt nicht, wie er einnickt und die Gedanken langsam zu Träumen von besseren, von helleren Zeiten werden.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 16. Jan. 2005, 14:32 Uhr
In Ravens Zelle


Whytfisk beobachtet mit einer beängstigenden Ausschließlichkeit Ravens Gesicht, als er ihr sein Geschenk an sie zeigt. Er sieht sie zurückweichen, sieht, wie ihre Augen sich weiten, kastanienbraun und glänzend vor Entsetzen.
"Wen versuchst du, zu belügen, Schattenhaar? Mich oder dich selbst? Du hast die Bißspuren gesehen und du weißt so gut wie ich, daß es auf ganz Roha nur einen Hund gibt, der groß genug ist, solche Wunden zu reißen. Ein Normander Bluthund. Und wo der Hund ist, ist auch der Herr. Er ist auf dem Weg... und bald, schon sehr bald, werdet ihr beide... mein sein." Mein. Und ich werde mir euch nehmen, rostig vor Blut und in unzählige Schreie gehüllt. Selbst für einen Mann mit seiner grausamen Disziplin hat dieser Gedanke etwas, das wahnsinnig machen kann. Eine Weile mustert er noch Ravens Gesicht, die sich sehr bemüht, ihn so trotzig und angewidert wie möglich anzusehen, dann bringt einer seiner Männer auf einen leisen Wink hin ein leeres Fäßchen herein. Einst mag es Tabak enthalten haben, nun dient es Whytfisk als Hocker und er läßt sich mit einer fließenden Anmut und absoluter Lautlosigkeit darauf nieder, so als habe er selbst den Stoff seines Lumpenmantels unter seiner Kontrolle. "Erzähl mir etwas, damit uns das Warten nicht lang wird," erklärt er tonlos, aber das irre Grinsen hat wieder den Weg in seine Mundwinkel gefunden und tanzt dort hin und her, ein grotesker Widerspruch zu der flachen, vollkommen emotionslosen Stimme. "Erzähl mir von... ihm." Das letzte Wort flüstert Whytfisk nur noch und überläßt es Raven, herauszufinden, wer gemeint ist. Blaeran. Meister. Mein Leben für dich.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 17. Jan. 2005, 09:43 Uhr
In einem unbekannten Stollen


Borgil hat keine Ahnung, wie lange sie alle schlafen - doch er erwacht vom Duft geräuchterten Schinkens und glaubt sich einen verwirrten Moment lang in seinem eigenen Bett in der Harfe. Dann gewahrt er den harten Steinboden unter sich, sieht die rauchgraue Tunneldecke und setzt sich knurrend auf. Alle anderen schlafen tief und fest - hier in der abgeschiedenen Stille eines geheimen, trockenen Stollens vermutlich keine hundert Schritt von irgendwelchen haarsträubenden Gefahren entfernt. Die Erschöpfung hat ihren Tribut gefordert, wahrscheinlich hätten wir auch in Whytfisks Privatgemächern geschnarcht. Wie auch immer, er ist heilfroh, daß sie unentdeckt und unbehelligt geblieben sind. Einen Moment lang versucht er, die Zeit zu messen, aber jegliches Gefühl dafür ist ihm abhanden gekommen: es könnte ein ganzer Tag vergangen sein oder nur wenige Stunden... anhand von seiner eigenen Ausgeruhtheit vermutet er jedoch vage, daß er wenigstens zehn Stunden geschlafen hat. Irgendwas riecht hier immer noch nach Räucherschinken oder ich will kein Zwerg mehr sein! Suchend blickt er sich um und entdeckt einen Laib frischen Brotes und ein Stück Schweinekeule - tatsächlich geräuchert! - neben dem Waldläufer auf dem Boden. Außerdem sind all ihre Wasserschläuche wieder prall und gut gefüllt. Da hol mich doch der... Borgil grinst und unterdrückt ein Lachen. Dann rappelt er sich auf, verschwindet kurz ein Stück den Gang hinunter um das zu tun, was alle lebenden Wesen wenigstens einmal in einem Tageslauf tun müssen und fragt sich dabei unbehaglich, wo der Waldläufer hier unten Schinken, Brot und Wasser aufgetrieben haben mag, wenn nicht in der Speisekammer der Kanalratten. Vermutlich aus der Speisekammer der Kanalratten... und das bedeutet, wir sind ihnen schon ziemlich auf den Pelz gerückt.

Zurück bei den anderen leert er seine Taschen und überprüft gewissenhaft, was ihnen noch an Ausrüstung geblieben ist. Vier Tonfläschen mit Loas Öl, die er sorgsam wieder in ihre Kiste packt - vielleicht würden sie sich noch mehr als nützlich erweisen, wenn sie hier unten einer größeren Anzahl Kanalratten gegenüberstünden. Er hat außerdem noch vier Streifen Dörrfleisch, zwei Handvoll getrocknete Früchte - den Rest hat das Wasser ruiniert - und ein wenig Zwieback (feucht). Das Verbandslinnen ist auch durchweicht von der schmutzigen Dreckbrühe, in die sie geklatscht waren, aber er läßt es trotzdem bei seinen Sachen. Sechs Wurfbeile hat er noch in seinem Gürtel, sein Handbeil und die Kriegsaxt.... alles in allem könnte es also auch schlechter aussehen. Ja, wir könnten alle nackt in einem Bau von Feuerameisen sitzen! Er streckt die Beine aus, lehnt sich an die Tunnelwand und ißt seufzend den feuchten Zwieback. Keinen Zweck, ihn länger aufzuheben, er würde doch nur schimmeln. Phelan, der zwar die erste Wache übernommen, aber dann soweit Borgil weiß keinen geweckt hat, läßt er wenigstens noch eine Weile ruhen - der Waldläufer war ebenso erledigt, wie sie alle und er hatte bei ihrer letzten Rast zudem noch die Hand des Jungen versorgt. Er muß völlig hinüber sein, armer Kerl. Borgil hatte Phelan Desmond zwar dem Namen nach gekannt und auch einiges vom Protektor des südlichen Larisgrüns gewußt, aber bis auf ein paar Gelegenheiten waren sie sich nie selbst begegnet - er hat den Halbelben erst auf ihrer denkwürdigen Fahrt hier herunter kennen und schätzen gelernt. Sein Blick wandert weiter zu Caewlin und er schüttelt sacht den Kopf. Selbst im Schlaf ist das Gesicht des Nordmanns wie aus Eisen gegossen. Der muß auch völlig hinüber sein. Von Aurians Gesicht ist unter dem Schmutz nicht viel zu erkennen, aber die junge Magierin schläft, ebenso wie Jen und das Rotzgör. Hat uns nicht mal ihren Namen verraten, das Mädel... aber gut, ist ihre Sache. Hauptsache, sie hat ihren Jen wieder. Der Junge gefällt ihm, hat das Herz am rechten Fleck - Borgil erinnert sich mit einem Lächeln an seine Freude, als er und das Rotzgör die geheime Tür im Stein geknackt hatten. Diebespack! denkt er amüsiert. Und wo wären wir ohne sie? Alle ersoffen.

Eine Weile läßt er alle noch schlafen und hält Wache, lauscht aufmerksam den Gang hinab, aber dort ist alles still - doch dann hält es sein knurrender Magen nicht mehr aus. Feuchter Zwieback hin oder her, er muss eine Scheibe von dem Schinken haben. Er weckt erst Caewlin, der knurrend wach wird, den Dolch schon in der Hand, und ihn finster anstarrt. Borgil bringt sich hastig außer Reichweite. "Immer mit der Ruhe, Nordmann. Laßt euch ja nicht einfallen, von meinem Bart was abzusäbeln!" Dann geht er zu Jen hinüber und rüttelt ihn sanft an der Schulter seiner unverletzten Hand. "He. Aufwachen, Junge. Aufwachen ihr Schlafmützen. Kommt schon. Es gibt Frühstück." Er überläßt es dem verwirrt blinzelnden Jungen,  Aurian und das kranke Mädchen hint er ihm zu wecken und stapft zu seiner Tasche zurück. "Caewlin," ächzt er, als er sich wieder auf seinen Platz niederläßt und den Jungen heranwinkt. "Phelan hat die ganze Zeit gewacht, falls er keinen von euch geweckt hat - lassen wir ihn noch ein wenig ruhen oder soll ich ihn wecken? Er muß über seiner Wache eingeschlafen sein. Aber er hat Schinken und Brot gefunden irgendwo - und frisches Wasser. Wir brauchen alle etwas in den Magen. Und dann mal diese Karte, falls sie noch lesbar ist und nicht durchweicht in der Zisterne schwimmt. Wir haben keine Ahnung, wo wir sind..." er deutet auf das Brot und den Schinken. "Aber vermutlich in Whytfisks Speisekammer."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 17. Jan. 2005, 19:40 Uhr
>Du willst ihn umbringen.< Die Worte des Sturmlords, sachlich und jede Emotionen, fassen das in Worte, was die junge Magierin schon die ganze Zeit spürt und nicht wagt, sich einzugestehen. Oh ja, ich will ihn töten, nur darum habe ich mich noch nicht aufgegeben, dem Drang mich einfach fallen zulassen wiederstanden! Doch sie behält ihre Gedanken für sich und ergreift wortlos das Dörrfleisch, welches der Nordmann ihr reicht. Es ist zäh, fast wie das Leder alter Stiefel, doch sie nimmt ohnehin keinen Geschmack wahr. Mittlerweile haben Jen und das Mädchen die Tür geöffnet und in dem Gang dahinter kommt die Gruppe endlich etwas zur Ruhe. Aurian rollt sich auf einem der noch feuchten Felle zusammen, macht sich so klein wie möglich. Zum einen ist ihr kalt, den Caewlins Umhang hat sie im Kampf gegen das Wasser der Zisterne verloren, zum anderen fühlt sie sich so nicht gar so schutzlos. Tief in ihr pochen noch immer die Schmerzen der Vergewaltigung und der Schläge, doch sie sind dumpf, wie hinter einer Schicht aus Watte. Was immer der Heiler auch getan hatte, er hatte wenigstens die körperlichen Qualen etwas betäubt. Aurian glaubt nicht daran, schlafen zu können, doch die Strapazen fordern ihren Tribut und so versinkt sie doch in einen tiefen, schwarzen, traumlosen Schlaf.

Irgendwann, sie kann nicht sagen wie lang sie so gelegen hat, jegliches Zeitgefühl hat sie bereits in der Zelle verloren, wird sie von einer vorsichtigen Berührung an ihrer Schulter geweckt. So vorsichtig Jen auch ist, das Mädchen fährt doch mit einem leisen, halb erstickten Schrei hoch, welcher jedoch gerade laut genug ist, um die kleine Ratte, die aus der Tasche des Jungen lugt, dazu zu bringen, schleunigst den Kopf einzuziehen. Für einen Moment flackern ihre Augen, dann hat sie sich wieder in der Gewalt und wortlos steht sie auf, um zu den anderen zu gehen. Aurian schämt sich beinahe, so schreckhaft zu sein, es ist schlimmer als in den Tagen ihrer Flucht. Und mit jedem Gedanken wächst ihre Wut und ihr Wunsch nach Rache. Ihre magische Seite brodelt in ihr, bereit jeden Moment hervorzubrechen, unkontrolliert und nur von ihren Instinkten etwas geleitet. „Danke!“ Sie nimmt das Brot und den Schinken von dem Zwerg entgegen und lässt sich neben Caewlin nieder. Wie schon in den Stunden und Tagen zuvor widersteht es ihr, auch nur einen Bissen zu essen, doch die Worte des Nordmannes hallen in ihr wieder. >Du brauchst Kraft. Wenn du einen Mann töten willst, umso mehr.< Sie mustert den Sturmlord von der Seite. Sein Gesicht ist unbeweglich, einer Maske gleich. „Ist es...ist es falsch, ich meine dass, ich ihn töten will! Ihm alles antun was er mir angetan hat und noch viel mehr. Ihn leiden lassen, ihn spüren lassen, was es heißt hundertmal zusterben und doch zu leben. Ich will sein Gesicht sehen, wenn erstirbt, ich will, dass mein Gesicht das letzte ist was er sieht, bevor er zu Sithech geht und in den neun Höllen röstet!“ Unsicher blickt sie zu dem Sturmlord auf und doch glüht das Feuer der Rache in ihren grünen Augen. Instinktiv fährt ihre Hand an ihren Hals, doch dort ist nichts, selbst den Anhänger, den Stein ihres Vaters hatte er ihr genommen. Auch den werde ich mir zurückholen, ich schwöre es dir du Bastard!

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 17. Jan. 2005, 23:38 Uhr
"Nein, weckt ihn auf Borgil," erwidert Caewlin und fährt sich mit der Hand über die Augen. Er hätte dem Waldläufer gern mehr Ruhe gegönnt, aber er hat keine Ahnung, wie lange ihr Glück, unentdeckt zu bleiben, noch anhalten mag. Er steht auf, tut es dem Zwergen gleich und verschwindet kurz im Tunnel, um sich zu erleichtern - und als er zurückkehrt, sitzt der Halbelb mit schattenverhangenen Augen und nachdenklichem Gesicht, aber wach an der Stollenwand und schneidet von dem Schinken Scheiben für alle ab, die Borgil weiterverteilt. >Wir haben keine Ahnung, wo wir sind...,< hört er den Zwerg sagen. >Aber vermutlich in Whytfisks Speisekammer.< Caewlin unterdrückt ein unbehagliches Schnauben und setzt sich zu dem Halbelben und dem Harfenwirt. Er hat lange geschlafen - zu lange vielleicht und nicht sehr gut, und seine Träume waren dunkel. Whytfisks Speisekammer ist ein Ort, an dem man tote Kinder und geschändete Leichen findet, keinen Räucherschinken und Brot. "Wir müssen herausfinden, wo wir genau gelandet sind. Phelan, wo habt Ihr das her?" Der Waldläufer berichtet kurz von seinem Erkundungsgang zum Ende des Stollens, während seiner Wache und Caewlin dankt ihm murmelnd für das frische Wasser. Er kann sich nicht entscheiden, ob er das Gehörte gutheißen oder verfluchen soll. Phelans Vermutung, dem Quartier der Kanalratten angesichts dieses Vorratslagers nahe, sehr nahe zu sein hat etwas beunruhigendes und erleichterndes zugleich. Die Erleichterung siegt - so oder so, es würde enden.

Whytfisk. Caewlin sieht ein Paar milchheller Augen vor sich und stellt sich vor, wie sich seine Finger um einen bleichen Hals schließen und zudrücken. Raven... Götter im Himmel, sei am Leben und unversehrt! Aurian kommt zu ihnen, wird von Borgil fürsorglich mit Brot und Schinken versorgt und setzt sich neben ihn. >Ist es...ist es falsch, ich meine dass, ich ihn töten will! Ihm alles antun was er mir angetan hat und noch viel mehr. Ihn leiden lassen, ihn spüren lassen, was es heißt hundertmal zusterben und doch zu leben. Ich will sein Gesicht sehen, wenn erstirbt, ich will, dass mein Gesicht das letzte ist was er sieht, bevor er zu Sithech geht und in den neun Höllen röstet!< Ihre Miene ist eine rührende Mischung aus Entschlossen- und Unsicherheit. Caewlin sieht sie an und zieht eine Augenbrauche hoch. Neben seinem Mundwinkel zuckt ein Muskel, sonst bleibt sein Gesicht unbewegt.
"Falsch?" Echot er und trinkt langsam einen Schluck Wasser. "Manche Menschen behaupten, man solle die Rache den Göttern überlassen," erwidert er nachdenklich und zuckt mit den Schultern. "Ich bin kein gläubiger Mann, Mädchen, aber ich weiß etwas über Rache. Wenn du ihn tötest, wirst du dich eine Weile gut fühlen. Ein paar Minuten, ein paar Stunden - vielleicht auch ein paar Tage oder Wochen. Deine Rache steht dir zu und er hat den Tod verdient. Aber glaub nicht, daß Rache etwas ändert. Was dir geschehen ist, kannst du damit nicht ungeschehen machen." Ihre Augen sind grün wie Birkenlaub, sehr hell in ihrem schmutzigen Gesicht. Sie starrt auf einen Punkt im Nirgendwo und Caewlin ist sich sicher, daß sie das Gesicht ihres Vergewaltigers vor Augen hat. Er hätte ihr gern etwas Tröstliches gesagt, aber damit wäre ihr nicht geholfen.

"Was er dir angetan hat, war schändlich, Mädchen, aber niemand stirbt daran. Du kannst es überwinden und nach einer Weile wird es keine Rolle mehr spielen - das körperliche, meine ich. Was die Wunde in deinem Inneren angeht..." er macht eine vage Bewegung, die sowohl ein Nicken, als auch das Gegenteil sein kann. "Du kannst dein ganzes Leben damit verbringen, vor jedem Mann zu zittern und es nie vergessen - oder aber du versuchst einen Weg zu finden, die Furcht zu bezwingen. Es ist deine Entscheidung. Wenn du dem Mann gegenüberstehst, der..." Caewlin verstummt einen Moment. Einen Augenblick lang sieht er nachdenklich auf sie hinunter, dann fährt er leise fort. "Sieh in seine Augen und erinnere dich daran, daß er kein Dämon und kein Monster ist, sondern ein Mann. Ein einfacher, sterblicher Mann. Röste ihn und dann versuch, ihm zu vergeben. Vergib ihm und vergiß ihn - er ist es nicht wert, daß du die Angst dein ganzes weiteres Leben beherrschen läßt." Was auch immer sie von seinen Worten halten mag - sie hatte nach seiner Meinung gefragt und er hat ihr geantwortet. Borgil fragt nach einer Karte und Caewlin zieht ein zerfleddertes Stück Pergament unter seinem Waffenrock hervor. "Hier, aber ich weiß nicht, ob man noch etwas darauf lesen kann, sie war ziemlich nass. Und ich habe keine Ahnung, wo wir sind. Wenn alle etwas gegessen haben, sollten wir zusammenpacken und... uns hinter dieser Ölhaut umsehen."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 18. Jan. 2005, 12:38 Uhr
In einer Zelle


Whytfisks Worte, so beiläufig geäußert, verfehlen ihre Wirkung nicht und jedes einzelne bohrt sich zielsicher durch die Benommenheit, mit der das Fieber ihren Geist umnebelt, und trifft Raven genau da, wo es am meisten schmerzt. Seine leise, kehlige Stimme klingt fast heiter, als er ihr seine Neuigkeiten präsentiert, und in ihren Tiefen vibriert bereits verborgener Triumph. >Du hast die Bißspuren gesehen und du weißt so gut wie ich, daß es auf ganz Roha nur einen Hund gibt, der groß genug ist, solche Wunden zu reißen. Ein Normander Bluthund. Und wo der Hund ist, ist auch der Herr. Er ist auf dem Weg.....<

Seine Worte sind keine Lügen. Und sie weiß es. Bei dem Gedanken, dass Caewlin sich in diesem Moment schon tief unter der Erde in diesem verwirrenden Labyrinth aus Kammern und feuchtkalten Tunneln, endlosen Gängen und Gestank befindet und auf direktem Weg den Mittelpunkt von Whytfisks sorgsam und geduldig gewebtem Spinnennetz ansteuert, lässt kalte Finger der Furcht ihr Rückgrat empor kriechen und ihr Herz krampft sich zusammen vor Sorge und Angst. Er wird ihm direkt ins Messer laufen .... und du hast noch dafür gesorgt, dass er es auch wirklich tut. Sie hatte es nicht wahrhaben wollen, hatte bis zuletzt geglaubt, dass sie ihm irgendwie hätte helfen und Whytfisks Rache von ihm abwenden können, sie hatte an eine winzige Chance geglaubt, das alles noch zu einem guten Ende bringen zu können - doch diese Chance hatte es nie gegeben, sie war einzig aus ihrer Verzweiflung geboren, war der Strohhalm gewesen, an den sie sich geklammert hatte und hatte in Wirklichkeit doch nie existiert. Die ganze hoffnungslose Wahrheit trifft Raven wie ein Keulenschlag und sie muss den Blick von Whytfisks farblosen Augen abwenden, in denen dunkel und kalt der Wahnsinn flackert.

Er scheint jedoch noch nicht genug zu haben von seinem Spiel, das ihn über alle Maßen zu amüsieren scheint und schickt einen seiner Männer, ihm ein Fass als Sitzgelegenheit zu holen, während er sie weiterhin starren Auges mustert. Ihr Anblick scheint ihn auf gewisse Weise fast zu erheitern, obwohl sie ein Bild des Jammers abgibt - sie ist kaum mehr fähig, aufrecht zu stehen, zerschlagen und zerschrammt, mit einem zertrümmerten Schlüsselbein und einem Loch in der Lunge, mit zerrissenen, blutverschmierten Kleidern, die Hände gekettet in schwerem Eisen, das blauviolette Schwellungen und blutigen Schorf auf ihren Handgelenken hinterlässt. Sie hasst sich in diesem Moment selbst für all das, was sie angerichtet hat, aber noch mehr schwelt der Hass auf dieses bleiche Ungeheuer, das sich elegant auf dem Fass niederlässt, das einer der Männer bringt. Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht gespuckt, aber sie presst die Kiefer zusammen und starrt zu Boden, wo sich zwei fette Ratten, die durch die offenstehende Tür in die Felskammer geschlüpft sind, quiekend und geifernd über den abgetrennten Arm hermachen, der noch immer zwischen Whytfisk und ihr in einer blutigen Lache auf dem Boden liegt. Rorge beendet das gierige Festmahl der beiden Tiere, indem er eines mit einem Tritt gegen die Wand schmettert, wo es mit zersplittertem Schädel liegenbleibt, und das andere kurzerhand einfach unter seinen schweren Stiefeln zermalmt.

>Erzähl mir von... ihm.< Whytfisks Stimme wispert durch die Felsenkammer wie frostiger Winterwind und bei jedem seiner Worte hat Raven das Gefühl, die Wände der Kammer würden sich mit blankem Eis überziehen. "Lass mir Wasser bringen, wenn ich dir etwas erzählen soll. Was willst du wissen?" flüstert sie mit schmerzender Kehle und verzweifelter Hoffnungslosigkeit in den dunklen Augen, während sie ihm ihr blasses Gesicht zuwendet. Was soll ich ihm erzählen? Blaeran ... was will er über ihn hören? Lobeshymnen? Oder die Wahrheit? Soll ich ihm sagen, dass er ein arroganter, selbstgefälliger Verräter war? Raven ahnt, dass Whytfisk ihm so verfallen war, dass er ihr vermutlich mit bloßen Händen den Kopf von den Schultern reißen würde, sollte sie es wagen, auch nur ein übles Wort über ihn zu verlieren. Das Einfachste wäre, ihm in den höchsten Tönen von seinem ehemaligen Anführer vorzuschwärmen und ihm Honig ums Maul zu schmieren, aber sie bringt es nicht fertig. Sie kann es nicht. Die Wut und der Hass, die unkontrolliert in ihrem Inneren brodeln, sind einfach zu groß. Sie will ihm wehtun, sie will ihm Schmerzen zufügen, so wie er ihr welche zugefügt hat, sie will ihn treffen und in seinen Wunden stochern, bis er den Verstand verliert - und sie weiß genau, wo sie die scharfe Klinge ihrer Worte ansetzen muss. "Was soll ich dir erzählen? Wie es war, mit ihm das Lager zu teilen? Willst du wissen, ob er ein guter Liebhaber war?" Dass Blaeran ihr niemals näher gekommen ist, als bei ihrer Arbeit als Dieb unbedingt nötig war, braucht Whtyfisk ja nicht zu wissen und sie wird es ihm auch nicht verraten. "Soll ich dir erzählen, was er liebte und was er hasste, wer seine Lieblinge unter den Männern waren? Wen er bevorzugte? Was willst du hören?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 18. Jan. 2005, 19:28 Uhr
Faraday sinkt wie ein Stein auf den trockenen Gang des Bodens, zieht die Beine an sich und schläft fast augenblicklich ein. Ihr Schlaf ist tief, dunkel und so fest, als könne sie nichts und niemand mehr daraus erwecken. Viele, viele Stundenläufe vergehen, ehe eine Hand sie sanft an der Schulter rüttel, während sie den Kopf zwischen dem feuchten Lockenberg und den Knien verborgen hat. "Mmmh!" Sie murrt unwillig und reibt sich gähnen die Augen. Doch es dauert einige Zeit, ehe sie begreift wo sie ist und wer da um sie herum sitzt. Es geht ihr besser, ja. Aber das ist auch schon alles. Sie zittert wie eine nasse Katze. Selbst der nasse Wollumhang wäre ihr jetzt lieber als in diesem Aufzug hier zu sitzen. Aber jetzt ist der erste Moment seit langer, langer Zeit, in dem sie wieder einen klaren Gedanken fassen kann. Sie sitzt einfach da und beobachtet über die Knie mit einer Mischung aus Misstrauen und resignierter Ergebenheit hinweg ihre Gefährten. Sie alle könnten ihre gestohlen bleiben, bis auf Jen, der Junge, der neben ihr an die Mauer gelehnt sitzt und ganz und gar nicht gesund aussieht. Als ihre Blicke sich treffen kann Faraday es nicht verhindern, dass sie ihn anlächelt. Aufmunternd und ein wenig stolz, weil sie es geschafft hat ihn aus seiner Zelle heraus zu holen. Und es wärmt ihr Herz, dass er die Geste erwidert, doch sie spürt, wie gleichzeitig das Blut in die Wangen schießt und verbirgt ihr Gesicht schnell wieder hinter ihren verschränkten Armen. Nebenbei lauscht sie den Gesprächen der anderen und kann es kaum fassen, dass es etwas wirklich Anständiges zu essen geben soll.

Dankbar nimmt sie ein Stück Brot und etwas Schinken entgegen und ißt so hastig, als wäre das ihr letztes Mahl. Dass es das vielleicht auch wirklich sein könnte, daran denkt sie lieber nicht. Das Essen gibt ihr neue Kraft und die maßlose Erschöpfung weicht gespannter Erwartung. Vor allem deswegen, weil der Heiler, dem der Zwerg nun endlich einen Namen gibt - Phelan - sich ziemlich sicher ist, dass sie dem eigentlichen Kanalrattennest nicht mehr fern sein können. "Nein!" Das Wort ist kaum lauter als ein heftiger Atemzug, aber all die Gefühle, die dahinter stecken, stehen Faraday deutlich in den schreckgeweiteten Augen geschrieben. Sie will nie wieder, nie, nie wieder den bleichen, unheimlichen Mann sehen, von dem sie wahrscheinlch noch träumen würde, wenn sie einmal alt und greis wäre - vorausgesetzt, sie käme hier überhaupt lebendig und mit heilen Knochen heraus. Sie drängt sich unwillkürlich näher an Jen heran, als könne der Junge sie vor irgendetwas beschützen. Aber er ist ihr einziger Vertrauter hier unten, in diesen dunklen, todbringenden Gängen und seine Wärme gibt ihr das Gefühl von Sicherheit. Dennoch sagt sie kein Wort, denn eigentlich schämt sie sich für das, was sie da tut. Glaubst du, er kann dir helfen? Mit der verkrüppelten Hand? Er ist tot, genauso wie du. Ihr seid alle tot. Die Worte verhallen mit einem leisen, gemeinen Lachen.


"Ich ähm..." Die beiden gekrächzten Worte genügen um genau viermal so viel Aufmerksamkeit wie nötig auf sich zu ziehen. Am liebsten würde Faraday jetzt, genau hier und jetzt, im Erdboden versinken. "Ich... die Tür da hinten is' nur angelehnt oder?" Mit fahrigen Bewegungen kommt Faraday auf die Beine und versteckt ihre puterroten Wangen hinter den dichten Locken. Dann dreht sie sich mit einem Ruck um und macht sich auf den Rückweg, drückt die Steintür mit einiger Anstrengung auf und verschwindet durch den schmalen Spalt. Dabei hat sie das Gefühl, als würde sich die Blicke der anderen regelrecht in ihren Rücken bohren. Aber was sein muß, muß sein und sie kann es sich beim besten Willen nicht noch länger verkneifen. Dann hockt sie in der Dunkelheit, erkennt kaum die Hand vor Augen und wünscht sich ganz furchtbar weit weg. Schließlich geht es ihr besser und sie versucht die zwergische Kleidung so gut wie möglich in Ordnung zu bringen. Ganz so, als würde das hier unten irgendjemanden interessieren. Ihr Blick ertastet währenddessen in dem flirrenden Dunkelgrau den noch dunkleren Schatten des Schachtes, durch den sie zuvor hochgekommen waren. Mit tastenden Schritten nähert sie sich dessen Rand und späht hinunter. Nicht, dass sie viel erkennen kann, aber eins ist ganz sicher: das Wasser hat sich zurückgezogen, irgendwann in den letzten Stunden, als sie alle geschlafen hatten. Der Schacht liegt nun leer vor ihr, dunkel und tief genug, als dass sich ein Mensch alle Knochen bräche, würde er aus Versehen hineinstürzen. Und erst jetzt steigt die Erkenntnis in Faraday hoch, dass sie, seitdem sie nun hier unten herumirrten, nicht einmal daran gedacht hatte, wie leicht es doch wäre, wenn sie ihrem Leben einfach ein Ende setzen würde. So wie es zuvor viele, viele Male gedacht hatte und dann doch zu feige gewesen war. Und jetzt? Niemand wird dich vermissen, niemand wird sich kümmern, wenn du springst. Wen soll es schon angehen? Du hast niemanden auf der ganzen Welt, der sich auch nur einen Moment um dich sorgen würde. Faraday starrt und starrt und starrt, bis bunte Lichter vor ihren Augen zu tanzen beginnen. Nur ein einziger, winziger Schritt.

"Nein! Nein! NEIN!" Energisch ballt sie die schmalen Hände zu Fäusten, bis die Knochen noch heller durch die weiße Haut hindurchscheinen. "Nein." Die gemeine Stimme ist verstummt, ganz so, als wäre sie niemals dagewesen und Faraday hat die plötzliche Gewissheit: sie will leben und sie will hier heraus! Sie und Jen und alle anderen. Wir werden es schaffen, ganz egal wie, aber wir schaffen es!


Als sie dann zurückkehrt hält sie das Gesicht nicht länger unter den Haaren verborgen, sondern hat die dunklen Locken zu einem langen Zopf geflochten, so dass sie sie nicht länger behindern können. Und sie senkt den Blick nicht, als die anderen ihr entgegenschauen. Sie würde den Blick nie wieder senken. Denn es gibt nichts, wofür man sich schämen muß. Nur aufzugeben... dafür würde ich mich mein Leben lang schämen. Sie hockt sich wieder neben Jen nieder, diesmal jedoch in gemessenem Abstand und hilft in aller Ruhe den Rest Schinken in irgendeinen Beutel zu verstauen und beobachtet nebenbei, wie die Männer ihre Waffen überprüfen. Dabei fällt ihr auf, dass sie den Dolch noch in dem geflochten Seil stecken hat, der ihr als Gürtel dient und verhindert, dass die viel zu große Hose sich selbstständig macht und sie in eine wirklich unangenehme Situation bringen würde. Mit zitternden Fingern fasst sie nach der Waffe und wiegt sie in der Hand, als könne ihr das irgendetwas über den spitzen Gegenstand verraten. Aber das Gewicht gibt ihr Zuversicht. Notfalls könnte sie damit verletzten, sogar töten. Und sie würde es tun, wenn ihr nur jemand die Gelegenheit dazu geben würde. Dann ist es soweit. Alles ist getan, was es noch zu tun gegeben hat. Nicht viel, zugegebenermaßen. "Bringen wir es hinter uns", sagt irgendjemand, der Nordmann oder der Heiler, einerlei. "Ja..."

Sie brechen auf, der Heiler voran, Zwerg und Mann hinter ihm, danach Aurian, Jen und Faraday. Sie lassen dem Halbelben etwas Vorsprung, so dass dieser der erste ist, der die Ölhaut erreicht, die den zur Vorratskammer umfunktionierten Gang von dem trennt, was auch immer nun dahinter liegt. Keiner spricht ein Wort, nicht einmal ein lauter Atemzug ist zu  hören, als Phelan vorsichtig die Ölhaut löst und in den Raum dahinter blickt. Es dauert einige Zeit, eine Zeit, in der Faraday vorsichtig nach Jen's Hand tastet, die Rechte, die heile Hand und diese drückt, ohne den Jungen dabei anzusehen. Sie sind bis hierher gekommen und sie sind alle am Leben und das ist das Einzige, was jetzt zählt. Dann endlich dreht der Heiler sich um und nickt, flüstert dem Nordmann und dem Zwerg etwas zu und winkt schließlich die anderen zu sich.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 18. Jan. 2005, 20:54 Uhr
Tiuris Erleichterung, dass sie sich endlich ausruhen dürfen ist groß, seine Beine versagen ihm schon fast von alleine den Dienst als er sich auf den Boden fallen lässt und dort fast auf der Stelle einschläft. Stundenlang ist sein Schlaf tief und fest, erst gegen Ende beginnen ihn wieder seine Träume zu verfolgen, wenn auch etwas anders als gewöhnlich. Statt in dem brennenden Haus befindet er sich in einem brennenden Fass und schwimmt auf einem Meer von Blut einem Schacht entgegen der plötzlich vor seinen Augen verschwindet, ständig begleitet von diesen schrecklichen Schreien und dem Blick des Bleichen.
Als Borgil ihn weckt blinzelt der Junge verschlafen, murmelt „Feuer“ und erkennt dann doch wo er sich gerade befindet.
Auch nicht wesentlich besser… denkt er etwas resignierend, erhebt sich aber doch um die beiden Frauen zu wecken. Er weckt erst Aurian, wobei er versucht so vorsichtig wie möglich zu sein, ruft sie sacht erst nur mit leisen Worten, aber als sie sich nicht rührt legt er ihr behutsam die Hand auf die Schulter. Aurian fährt trotzdem mit einem erstickten Schrei in die Höhe und sieht ihn aus ängstlichen Augen an. Tiuri hebt abwehrend die Hände und murmelt eine Entschuldigung, obwohl er weiß, dass er nichts falsch gemacht hat, nichts anders hätte machen können. Ihr Blick brennt sich in seinen Geist ein, so ängstlich, so scheu, mehr als jedes Reh und jeder Vogel angesichts seines Todes, schlimmer als alles das er bis jetzt gesehen hat und sie tut ihm leid. Sicher kann sie mit Mitleid nicht viel anfangen, es würde ihr nicht helfen und es ändert nichts, aber er kann auch nicht anders als so zu fühlen. Seufzend steht er auf um Faraday zu wecken. Sie hat sich fest zusammen gerollt, doch sie zittert vor Kälte dank der nassen Kleider. Er selbst fühlt sich nicht mehr richtig krank, aber als wäre ein Fuhrwerk über ihn hinweg gerollt, sein Kopf und seine Glieder sind schwer wie Blei, aber er ist erstaunlich munter und das verleiht ihm wenigstens ein bisschen Lebensgefühl, auch wenn er glaubt, dass er langsam nicht mehr atmen kann in dieser Enge. Tief saugt er die abgestandene, stinkende Luft in seine Lungen und versucht sich zu erinnern wie lange es her ist, dass er frische Luft geatmet hat und wie sie gerochen hat, aber es will ihm nicht mehr einfallen.
Faraday erhebt sich etwas murrend und sie setzen sich, lehnen die Rücken an die Wand und die junge Frau schenkt ihm ein seltenes Lächeln. Er will sich gerne einreden, dass es etwas Hoffnung mit bringt, denn es verändert ihr ganzes Gesicht, trotz der Dreckschicht die sich darauf gebildet hat und seit der Berührung mit dem Wasser zwar nicht verschwunden, dafür aber noch etwas fleckiger geworden ist.

Das Frühstück tut ihm gut, am liebsten hätte er noch viel mehr in sich hinein gestopft, es ist ihm, als hätte er eine Ewigkeit nichts ordentliches mehr gegessen. In diesem Moment hätte er diesen Schinken sogar für die Götter als gut genug empfunden. Dass das bedeutet, dass sie sich dabei allerdings schon in Whytfisks Speisekammer befinden müssen, hebt Tiuris Stimmung nicht gerade. Er würde diesem elenden Fischkopf am liebsten sonst etwas antun, aber er weiß auch, dass er das nicht kann, dass er wahrscheinlich nicht die geringste Chance hätte. Dem Mann jedoch gegenüber zu stehen und machtlos zu sein, wie schon einmal, lässt ihn an dem Sinn der ganzen Aktion zweifeln und er fragt sich warum sie eigentlich noch hier sind.
Warum sind wir nicht gegangen? Warum haben wir nicht einfach einen Ausweg aus diesem stinkenden Labyrinth gesucht?
Es dauert etwas und beinahe hätte er nach dem Grund gefragt, ehe ihm einfällt, dass man ihnen gesagt hat, dass noch jemand hier unten war und für Tiuri ist es klar, dass er niemanden, der auch nur im entfernten mit seinen Rettern befreundet ist, hier lassen würde oder sich beschweren. Natürlich geht ihn die Sache wenig an und er könnte versuchen zu verschwinden, aber er hat sich befreien lassen und jetzt steht er in der Schuld dieser Leute, er kann ihnen wohl nicht viel helfen, aber wenn er versucht hätte zu flüchten, hätte er ihnen die Kanalratten wahrscheinlich schnell auf die Fersen gehetzt.
Und ich selbst hätte es wohl gar nicht überlebt!
Faraday, die sich näher an ihn gedrängt hat, steht auf und Tiuri vermisst sofort die angenehme Wärme die ihr Körper, trotz der feuchten Kleidung, ausgestrahlt hat. Er fröstelt leicht und umschlingt seine Knie mit einem Arm.

Aurian unterhält sich leise mit dem großen Nordmann, Tiuri ist nicht überrascht von ihrem Zorn zu hören, es überrascht ihn mehr, dass auch er nichts schlechtes daran finden kann diesem elenden Blutaxt den gar aus zu machen. Er versucht sich zu überlegen wann er so geworden ist, aber er kann es nicht sagen und weiter als bis zum vorletzten Sommer reichen seine elenden Erinnerungen ja auch nicht und die letzte Zeit hatte er in einem Loch verbracht, mit Eisen um den Händen, vielleicht war es ja dort gewesen.
Bei dem Wort „rösten“ fährt Tiuri ein Schauer über den Rücken, ja das würde den gewünschten Schmerz bringen, das kann der Junge versichern, aber er sagt nichts, will lieber nicht auf sich aufmerksam machen und zugeben, dass er sie belauscht hat.
Noch einmal fährt sein Blick über Aurian und im gleichen Moment hat er wieder irgendwelche Bilder im Kopf, das Bild dieses Mannes, nur anders, der Mann mit den braunen Haaren und den blauen Augen, groß ist er. Er hat mehrere Bilder von ihm in seinem Kopf und er schließt die Augen, schüttelt den Kopf, aber sie verschwinden nicht, er kann sie immer wieder abrufen, es müssen Erinnerungen sein, seine Erinnerungen, auch wenn er damit nichts anfangen kann, sie nicht zuordnen kann. Er nimmt sich noch einmal die Zeit sich diese Momente durch den Kopf gehen zu lassen und er ist dankbar dafür, dass er sich bevor er stirbt – denn Tiuri glaubt nicht daran, die Kanalisation jemals lebend zu verlassen – noch an etwas erinnern kann, andererseits verflucht er es auch, denn es lässt nicht zu, dass er sich völlig auf die bevorstehende Konfrontation mit den Kanalratten konzentriert.

Faraday kommt zurück, die Haare aus dem Gesicht gebunden und ihr Blick, ihr ganzer Ausdruck ist anders als zuvor. Stolzer und fast etwas zuversichtlicher und er fragt sich ob sie gerade irgendeine Hoffnungs spendende Vision oder Unterhaltung mit den Göttern hatte, aber sie sagt nichts, setzt sich einfach wieder zu ihnen, diesmal aber wieder ein Stück weiter von ihm weg und er kann nicht verhindern, dass er es etwas bedauert. Forschend schaut er ihr in die ungewöhnlichen Augen, die heller aussehen unter all dem Dreck in ihrem Gesicht, aber sie sieht ihn gar nicht an, sondern wiegt ihre Waffe in der Hand und ist in ihren eigenen Gedanken versunken.

Sie packen Schinken und Wasser zusammen und machen sich auf, nach dem auch Tiuri hinter der Türe einem natürlichen Drang nachgegangen ist. Sie gehen hinter dem Spitzohr namens Phelan her den Gang entlang. Vor einer Ölhaut halten sie an und er spürt wie Faraday nach seiner Hand greift. Sie sieht ihn nicht an und er drückt ihre Hand sanft, den Blick geradeaus gerichtet. Sie lässt ihn los als sie losgehen, aber er hält ihre Hand noch zwei weitere Schritte ehe sie in eine große Halle treten und Tiuri der Mund fast offen stehen bleibt. Er kennt diesen Ort hier, schließlich hat er beinahe Stunden dort hinein gestarrt als sie die Kanalratten belauscht haben. Er sieht die Kanalratten noch vor sich wie sie ihn und Faraday plötzlich anstarren und die Waffen auf sie richten, der bleiche Mann, er fühlt sich wieder zurück versetzt an diesen Tag an dem er ständig nur geflüchtet war und an dem all die Dinge die ihm passiert waren in diesem Loch, noch vor ihm liegen.
„Erinnert dich das an etwas?“ er sieht Faraday nicht an als er spricht, sein Blick ist immer noch auf die Wände gerichtet, auf die Wurzeln die aussehen wie kalte tote Schlangen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 18. Jan. 2005, 23:38 Uhr
Das Bild, das sich Phelan nach dem zögerlichen Beiseiteschieben der Ölhaut bietet, ist beeindruckend. Sein Blick wandert linkerhand an einer mächtigen, natürlich gewachsenen Steinsäule vorbei in die feuererhellte Schwärze hinein und Phelan hält die Luft an. Vor ihm öffnet sich ein riesiger Raum, so groß, dass er dessen Ende schwerlich abschätzen kann. Die Wände bestehen gleichermaßen aus altem, rostrot und von grünen Adern überzogenem Mauerwerk aus einer Zeit, die sich Phelan nicht vorstellen kann, aus hellen Granit, das in der Dunkelheit schimmert wie blankes Gebein und dem natürlichem Erdreich. Und über all dem spannen sich wahre Netze aus fahlen, toten Wurzelsträngen, die wie erstarrte Schlangen nur darauf zu lauern scheinen, dass ihnen jemand zu nahe kommt. Weiter, viel weiter vorne lodern rußende Flammen um die Wette, als nähre sie ein unmerklicher, beständiger Luftzug. Und sie sind es, die der immensen Halle Licht spenden. Und noch etwas erspäht Phelan, dem seine nachtsichtigen Elbenaugen nun zum wiederholten Male auf dieser vermaledeiten Reise zu Gute kommmen: eine Erhebung, schätzungsweise in der Mitte dieses Raumes, knochenbleich und zur Gänze aus eben jenen Wurzeln bestehend. Doch im Moment kann er nicht sagen, um was es sich bei diesem seltsamen Gebilde wirklich handelt. Es ist auch egal. Denn es riecht nach Fäulnis, nach altem Schweiß, nach Angst, Tod und Hass und über allem hängt das schwache Aroma von etwas sehr, sehr Altem, das Phelan einen eisigen Schauer über den Rücken treibt. Scharf ausatmend packt er den Griff des noch immer blutverschmierten Krummsäbels fester, doch er kann sich nicht errinnern, wann die Waffe in seine Hand gewandert ist. Hier wird es enden. All der Schrecken, all der Schmerz. Hier hat er seinen Ursprung - und hier wird es enden.

Was nach diesen ersten Eindrücken, die Phelan beinahe zu überwältigen drohen, jedoch viel wichtiger ist: niemand ist zu sehen oder zu hören. Nichts rührt sich in diesem unheimlichen Gewölbe, das einst, so vermutet Phelan, nichts weiter als eine natürliche Grotte im Bauch der Erde gewesen ist, bis Menschen- (oder sogar Elben- oder Zwergen-)hand sie zu dem gemacht hat, was sie nun ist. Kurz lässt er die Ölhaut zurückfallen, wendet sich nach seinen Gefährten um und es hätte ihn kaum überrascht, wenn sie nicht mehr da gewesen wären. Aber sie sind da, Caewlin, Borgil, die mächtige Hündin zwischen ihnen und dahinter Aurian, Faraday und Jen. "Es ist das Herz, es ist gewiss. Das dreckige, verfaulte Herz dieser Tunnel und endlosen Gänge. Kommt." Er hebt die Hand um auch die weiter hinten Stehenden heranzuwinken, doch ihm ist nicht wohl dabei. Am liebsten würde er die drei hier lassen, sie nicht dem aussetzen, was ihnen bevorsteht und dass etwas kommen wird, das spürt er so sicher wie er zu fühlen vermag, wann die Vögel im Frühling aus dem Süden zurückkehren. Aber sie dürfen sich nicht trennen, nicht jetzt und nicht hier. So hält er also die Ölhaut auf, lässt den Nordlord und den Zwerg passieren. Die Hündin zieht die Lefzen nach oben und knurrt so kehlig, dass es kaum wahrzunehmen ist. Und dann die drei anderen. Die Momente ziehen sich wie heller Honig, als sie an ihm vorübergehen und dann folgt auch er.

Zu seiner Überraschung ist dem Jungen und dem Mädchen dieser Ort nicht unbekannt. Jedenfalls entnimmt er es ihren Worten und ihren Gesichtern. Natürlich. Sie haben die beiden hierher gebracht. "Sie sammeln sich hier, in dieser Höhle, nicht wahr?" Und dann, ein dutzend Schritte später, wird Phelan gewahr, um was es sich bei der seltsamen Antürmung knochenweißen Wurzelwerks handelt. Es ist ein Thron, ein natürlicher Thron, der gleichzeitig so widernatürlich ist wie ein Kind mit zwei Köpfen. Er nähert sich den beiden Männern. "Das hier muß eine verfluchte Falle. Wo sind sie alle? Bei den Göttern, wo? Und wo ist Raven? Sie muß hier sein, wenn sie noch lebt. Kein König verlässt freiwillig seinen Thron." Der kleine Funken Hoffnung, dass sie die Frau lebendig finden würden, erstirbt beinahe unter einer riesigen Woge aus Verwirrung und plötzlicher Erkenntnis.

Weiter, viel weiter hinten kann er im Dämmerlicht eine Handvoll weiterer Gänge ausmachen, die allesamt in diesen Ort münden. Und noch immer ist es so still wie in einem Grab. Phelan bleibt stehen, blickt sich um, dreht sich zurück in die Richtung, aus der er gekommen ist. Und dort, neben dem Gang mit der Ölhaut, entdeckt er zwei kleinere Nischen in der Wand, beide ebenso verhangen wie der Gang in den Vorratstunnel. Fast erwartet er, dass ihn irgendetwas Untotes daraus anspringen könnte, aber nichts geschieht, als er die Abdeckung der rechten Nische beiseite schiebt. "Waffen, Götter, Waffen, seht euch das an." Und tatsächlich. Die Einbuchtung in der Wand hat eine Tiefe von vielleicht zwei Schritt und ist etwa halb so breit, aber auf dem engen Raum stapeln sich Schwerter, teils schartig, teils glänzend poliert, Äxte, eine übermannslange Hellebarde, Bögen, Schleudern, Armbrüste. Das meiste davon ist kaum zu gebrauchen, doch dann zieht Phelan zwei Schleudern heraus, deren Sehnen durchaus noch elastisch genug sind um gebraucht werden zu können. "Jen und.. du. Kommt her, nehmt euch das hier. Dolche bringen euch nichts. Sie würden euch höchstens auslachen, wenn ihr sie damit bedroht. Nur zwei weitere Läuse in Pelz des Bären." Er drückt den beiden die Schleudern in die Hände, jedem eine, und tut dann sogar noch einen Sack mit gut faustgroßen Steinen auf. "Sie haben gut vorgesorgt. Das solltet ihr ihnen danken, wenn ihr könnt." Irgendwie schafft er den Mund zu einem Grinsen zu verziehen. Doch in seinem Inneren sieht es ganz anders aus. Dieser Ort ist ihm unheimlich und mehr als das: er macht ihm Angst. Es sind nicht die hässlichen Wände oder die trügerische Stille. Es ist das, was die Höhle mit jedem Moment aus den toten Lungen auszuatmen scheint und die Vorahnung von dem, was noch kommen würde.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 19. Jan. 2005, 19:08 Uhr
In der Honigwabe


Wohl ist ihnen allen nicht, als sie dem Waldläufer hinein in eine von tiefer Düsternis, dräuenden Schatten und dem flackernden Schein eines gewaltigen Feuers erfüllte Säulenhalle folgen. Akira tappt zwischen ihnen, größer als ein Hund sein sollte, neben ihrem riesenhaften Herrn - wie im Norden offenbar alles größer ist, als es sein sollte. Was immer sie wittert, es scheint ihr nicht zu gefallen, wie ein lautloses, anhaltendes Knurren beweist, aber es kündet offensichtlich auch nicht von unmittelbarer Gefahr. Tatsächlich ist die Halle leer - vollkommen leer bis auf das Feuer, das in einer sicherlich vier Schritt durchmessenden Grube vor einem seltsamen Hochsitz aus knotigen Wurzelsträngen brennt. >Das hier muß eine verfluchte Falle sein.< Wispert Phelans Stimme durch das glühende Halbdunkel. Der Feuerschein rändert ihre dunklen Umrisse mit Gold und Kupfer und taucht alles, das er trifft, in weiches, orangerotes Licht und scharfe, schwarze Schatten. > Wo sind sie alle? Bei den Göttern, wo? Und wo ist Raven? Sie muß hier sein, wenn sie noch lebt. Kein König verlässt freiwillig seinen Thron.< Selbst Borgil, der für derlei Feinheiten normalerweise überhaupt keinen Sinn hat, spürt etwas ganz und gar Bedrohliches, Fremdes, als schrien die Steine um sie her mit warnenden Stimmen, als lebe und atme diese ganze verfluchte Höhle wie ein riesiges, dunkles, bösartiges Tier. "Hört auf, uns alle nervös zu machen," grummelt er halblaut. "Wo immer sie sind, sie sind nicht hier. Wenn das hier eine Falle ist, dann hätten sie längst jede Gelegenheit gehabt, uns hochzunehmen!" Er späht in jeden Winkel, kann aber außer Leere und weitere Tunnelöffnungen in den Felswänden hinter den Säulen absolut nichts erkennen. Eins, zwei drei, vier... er verrenkt sich den Hals, in alle Himmelsrichtungen starrend und zählt lautlos mit.

"Zwölf Gänge, die hier rein führen," zischt er dann, "drei auf jeder Seite, mit dem, durch den wir kamen. Ich wette, die Kanalratten haben keine Ahnung von der Geheimtür zur Zisterne. Und wenn sie davon nichts wissen, dann wissen sie auch nicht, daß wir mitten in ihre verdammte Wohnstube gestolpert sind. Bei Sil, endlich haben wir einmal Glück! Wir sitzen mitten in ihrem götterverfluchten Ar...ahem Herzen und sie wissen's nicht!" Doch Phelan, falls er ihn hört, ist schon weiter vorgedrungen und entdeckt eine Waffenkammer - nicht mehr als eine Nische im Felsgestein, aber vollgestopft mit allerhand Nützlichem und Borgil, praktisch wie immer, tritt näher, um diese unerwartete Göttergabe genauer in Augenschein zu nehmen. "Da soll mich doch ein Troll lausen", lacht er leise, als er die Schleudern sieht, die der Halbelb, nicht minder praktisch denkend, gleich Jen und dem Rotzgör in die Hände drückt. Weise Entscheidung. Wer weiß, ob sie gute Armbruster wären, aber mit einer Schleuder kann jeder Bauernlümmel umgehen. Einen Moment nachdenklich sieht er sich um, dann nickt er zu dem seltsamen Wurzelthron hinüber. "Da oben wärt ihr aus jeder Schußlinie und hättet einen guten Blick über die gesamte Halle..." er spricht nur seine Gedanken laut aus, aber noch während die Worte unter dem dichten roten Bartgeflecht (Hallas Zöpfe halten trotz wilder Flucht, unfreiwilliger Bäder und Kämpfe noch immer) hervordringen, nehmen sie Gestalt an. "Warum sie nicht hier erwarten? Offensichtlich sind sie ja nicht da - aber wenn... aber wenn wir sie dazu bringen könnten, die Halle zu stürmen? Hier haben wir Waffen, ausreichend Platz zum äh... manövrieren," er tätschelt sein gewaltiges Schlachtbeil, "freie Sicht und wenn wir uns hier unten vor dem Feuer aufpflanzen auch gute Rückendeckung." Grübelnd kratzt er sich den narbigen Schädel und die dichten, feuerroten Brauen sträuben sich wild. "Müssten nur die anderen Tunnel da hinten verstopfen, damit wir keine unliebsamen Überraschungen erleben..."

Er blickt sich suchend um, stöbert ein wenig in der Waffenkammer, schiebt eine weitere Ölhaut zur Seite und pfeift leise durch die Zähne. Diese Felsennische ist statt mit Waffen mit allerhand Diebeswerkzeug versehen: Dietriche in jeder Form, Farbe und Größe, Brecheisen, seltsame Pulver in flachen Tonschalen, Drähte, gebogene Haken, Feilen, Seile in jeder Dicke, Länge und Beschaffenheit, Kletterhaken und vor allem: Fallen.  Ein ganzes Wandbord ist mit Schlingfallen und Fußangeln vollgestopft, mit bösartig aussehenden Schlageisen und seltsamen Dornenzähnen. "Bei Sils rotem Bart und Amboß, ich weiß auch schon wie!" Frohlockt er. "Jen, Rotzgör, seht euch das an - da muß euch doch das Herz aufgehen." Die beiden kommen mit mißtrauischer Neugier näher, doch als sie sehen, was er gefunden hat, siegt der Berufsstolz. Das Rotzgör mustert kritisch die Fallen, zieht nachdenklich die Stirn in Falten und murmelt etwas von: "Kann's mal versuch'n."
"Ach, das wäre nett," grinst Borgil und beobachtet amüsiert, wie der lange schlaksige Junge und sie mit großer Sorgfalt einige Fallen auswählen, die Köpfe dicht zusammengesteckt. Er kann nicht sehen, was genau sie tun, aber sie scheinen sich mit den verschiedenen Mechanismen vertraut zu machen - für Borgil, auf dem Gebiet der Technik durchaus kein Stümper, bei all den Rädchen und Scharnieren, Hebeln und winzigen, ausgeklügelten Gewichten und Gegengewichten, Knoten, Bändern und Auslösern ein Buch mit mehr als sieben Siegeln. "Zwölf Tunnel, denkt dran," knurrt er dazwischen und die beiden nicken nur geistesabewesend. Schließlich haben sie ein paar Fallen ausgewählt und das Rotzgör nickt. Sie meint zwar, sie könnten diese Fallen wohl in den Tunneln auslegen, gibt aber zu Bedenken, daß die Kanalratten, allesamt selbst Diebe, sie entdecken und entschärfen würden. Einen Moment ratlos beißt Borgil verärgert, daß er daran nicht gedacht hat, auf seiner Unterlippe herum. Dann wendet er sich an Aurian. "Könnt Ihr die Fallen äh... unsichtbar machen? Könnt Ihr sowas? Wenn ja, dann ab in die Gänge damit und flugs verzaubert, wer weiß, wie lange wir hier noch so ungestört bleiben."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 19. Jan. 2005, 20:49 Uhr
Der Raum, der sich ihnen hinter der Ölhaut eröffnet, schein voll vom bösartiger Aura. Die Luft schein regelrecht durchdrängt von kalter Wut, Niedertracht, Bosheit und Gewalt. Ein kalter Schauer rinnt Aurian über den Rücken, als sie hinter dem Zwerg die Höhle betritt. Das Feuer in der Mitte des Raumes wirft gespenstische Schatten an die Wände und der Thron scheint zu leben. Was ist das nur für ein Ort? Ist das ein Vorhof der neun Höllen? Oder eines ihrer neun schwarzen Herzen? Ein seltsames Gefühl breitet sich in ihr aus, das grausame Wissen hier dem unausweichlichen entgegen gehen zu müssen. Während sie sich noch umsieht, versucht sich jedes Detail einzuprägen, beginnen der Zwerg und der Heiler bereits, die Waffen zu verteilen. Die eine Felsennische scheint eine wahre Fundgrube zu sein und ehe sie sich’s versieht, hat ihr Borgil einen Dolch in die Hand gedrückt. Jen und Faraday nehmen einstweilen die Fallen in Augenschein und Aurian vermeint ein Glühen in den Augen der beiden zu sehen, fast so etwas wie Vergnügen, diese Gerätschaften in die Finger zu bekommen. Und schon steuern die beiden dem ersten der beiden Gänge entgegen, einige der Schlageisen geschultert. >Könnt Ihr die Fallen äh... unsichtbar machen?< Sie hat keine Ahnung, gelernt hat sie es nicht. Aber welchen der magischen Tricks der letzten Stunden hat sie gelernt? Keinen. Sie hat es einfach getan, fast so leicht wie Atmen war es ihr gewesen und genauso selbstverständlich. „Ich kann’s versuchen!“ Mit diesen Worten folgt sie den beiden Dieben in den Tunnel. Hier ist es um einiges dunkler, als in der Halle und Faraday leuchtet dem Jungen mit dem Elbenstein, während dieser die Schlagfalle sorgfältig in der Mitte des Tunnels auslegt. Aurian bleibt etwas hinter ihnen stehen und beobachtet, wie sie sie noch etwas ausrichten und zurechtrücken. Dann ist sie dran. Doch vorerst geschieht nichts, die eisenen Zähne sind noch genauso deutlich zu sehen wie zuvor. Aurian runzelt die Stirn. Sie weiß eigentlich nicht was sie tun muss, kann sich nur von ihren Instinkten leiten lassen. Werde ich ausgerechnet jetzt versagen? Bitte nicht, ihr Götter lasst mich wissen, was ich tun muss!

Angestrengt fixiert sie die Falle, spürt die Blick der Diebe auf sich, den aufmunternden Jens und den skeptischen Faradays. Und als sie bereits glaubt, sie könne es tatsächlich nicht, beginnen die Umrisse immer mehr zu verschwimmen, scheinen wie Nebel zu zerfallen und dann ist die Falle verschwunden. >Wo is sie?< Faraday tritt vorsichtig einen Schritt näher. >Is sie weg?< Aurian schüttelt den Kopf. „Nein sie ist noch da, ich sehe sie, oder vielmehr spüre ich sie. Geh nicht näher, sonst trittst du hinein. Außerdem...ich glaube es warten noch einige Gänge darauf versorgt zu werden.“ Zum ersten Mal sehen die beiden Diebe etwas wie ein Grinsen auf den Zügen der Magierin, doch erreicht dieses nicht ihre Auge; diese sind immer noch von dem selben, unergründlichen Blick, in dessen Untergrund ein Funken der Angst und der Wut glimmt. In der Dunkelheit wirkt es noch trauriger, beängstigender als sonst und schleunigst machen Jen und Faraday sich daran, die weiteren Fallen aufzubauen. Aurian folgt den beiden und mit jedem Schlageisen fällt es ihr leichter, diese in einem magischen Nebel verschwinden zu lassen. Schließlich ist die Höhle sozusagen von einem Ring unsichtbarer Eisenfallen umgeben. Die drei kehren zum Feuer zurück und die Diebe erklimmen den Thron, bewaffnet mit den Schleudern; einer der drei Männer hatte in der Zwischenzeit einen großen Korb voll Steinen, der Munition, hinaufgeschafft. Aurian bezieht hinter dem Heiler Stellung, mit dem Rücken zum Feuerstein. Unter all dem Dreck schimmert ihre Haut blass hervor und die grünen Katzenaugen glimmen unheimlich. Die zerzauste schwarze Mähne fällt auf ihre Schultern herab und in ihrer rechten Hand liegt der Dolch. Komm nur! Komm nur, du verdammter Dreckskerl! komm mir unter die Augen und ich bring dich um! Jetzt, wo der Kampf bevorsteht, ist ihr Wunsch nach Rache so brennend, dass sie glaubt, sie muss verglühen. Noch nie hat sie so empfunden, so gehasst. Sie spürt jede Prellung, jede zerrissene Faser in ihrem Körper und diese, dumpf im Untergrund brodelnden Schmerzen, treiben ihren Rachedurst weiter.

Ihr Blick gleitet von einem zum anderen: Borgil, der Zwerg, in seiner Rüstung, dessen Augen unter den buschigen Brauen grimmig blitzen und der seine Streitaxt in der Hand wiegt, bereit jederzeit zuzuschlagen. Phelan, der Halbelb, an dem nun nichts mehr ist, was an den sanftmütigen Heiler erinnert. Der Säbel liegt in seiner Hand, bereit den Tod zu bringen. Caewlin, der mächtige Nordmann, den Morgenstern
in der Linken, das Gesicht eine einzige Maske aus Entschlossenheit. An seiner Seite die Bluthündin, leise vor sich hingrollenden, die Nackenhaare gesträubt und auf dem Sprung, jeden zu zerfleischen, der sich ihr nähert. Faraday und Jen hinter sich erahnt sie mehr, sie wagt es nicht sich umzudrehen, fixiert vielmehr den Gang vor sich. Was würde sie nun noch erwarten?

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 19. Jan. 2005, 22:29 Uhr
Caewlin wartet am Feuer, bis Jen, das Rotzgör und Aurian vom Auslegen und Verzaubern der Fallen zurückkehren. Es geht rasch, rascher, als er vermutet hat, aber zwölf Tunnel mit Fangeisen und Fußangeln zu präparieren, dauert dennoch eine Weile - Zeit genug, um über Borgils irrwitzigen Plan, die Kanalratten hier in ihrem eigenen Nest zu erwarten, nachzudenken. Es ist ein hirnverbrannter, verzweifelter, absolut unausgegorener Plan, aber Caewlin kann keinen besseren aufweisen und der Zwerg hat Recht, wenn er behauptet, daß sie keinen besseren Platz für einen Kampf finden würden. Und einen besseren Zeitpunkt auch nicht. Als sie alle wieder am Feuer versammelt sind, nickt er. Er lächelt nicht, aber seine Augen werden eine Spur wärmer, als er der Reihe nach in jedes einzelne, schmutzige, angespannte Gesicht blickt. "Die meisten Kanalratten werden von Süden kommen, schätze ich," beginnt er leise. "Und wenn nicht, spielt es auch keine große Rolle. Wir bleiben hier im unteren Teil der Halle und lassen sie zu uns kommen, gleichgültig aus welcher Richtung, weil wir hier das Feuer und bessere Sicht haben. Aurian, geh dort links hinüber an die Säule und nutz sie als Rückendeckung. Du hast deinen Dolch? Gut. Phelan... würdet Ihr?"

Er muß nichts weiter erklären. Der Waldläufer versteht ihn auch so, nickt und hebt seinen Krummsäbel eine Spur an. Er würde in ihrer Nähe bleiben und sie beschützen. "Borgil, Ihr geht nach rechts. Ich bleibe in der Mitte. Vaer, Akira, du bleibst bei mir. Jen und du auch, Mädel... klettert auf den Hochsitz hinter dem Feuer. Dort oben seid ihr sicherer als hier unten und habt freie Sicht. Schleudert eure Steine auf alle Kanalratten, die versuchen hinter uns oder in unsere Flanken zu kommen." Sein Blick wird eindringlich. "Wenn sie durchbrechen oder wir fallen, dann flieht. Sucht euch Tunnel, die nach Norden und nach oben führen und blickt nicht zurück." Er schickt die beiden mit einem Vorrat an Schleudersteinen auf den bleichen Wurzelthron, während Borgil sich breitbeinig, das Schlachtbeil griffbereit, vor einer Säule zu seiner Rechten aufpflanzt und Phelan sich ein paar Schritt vor Aurian stellt. Er selbst bleibt wo er ist, drei Schritt vor der Feuergrube, einem gähnend schwarzen Tunnelschlund, vielleicht zehn Schritt entfernt, direkt gegenüber. Die Flammen schlagen hoch, als wollten sie ihn willkommen heißen. Der Zwerg verläßt seinen Platz noch einmal, kramt hektisch in seinem Rucksack herum, als wäre ihm gerade noch etwas eingefallen und fördert dann ein Holzkästchen zutage.

Er öffnet es, während er zu dem Waldläufer hinüberstapft, drückt Phelan eine kleine, tönerene Phiole daraus in die Hand und nimmt sich selbst die letzte. "Werft das in den mittleren Tunnel da," erklärt er, "wenn sie da herkommen. Werft es weit und zielt gut. Das ist Loa's Öl, die letzten Flakons, die wir haben. Das sollte eine Menge von ihnen ausschalten... fragt sich nur, wie wir sie alle auf einmal zum Stürmen der Halle bewegen sollen."
Caewlin beobachtet, wie der Zwerg auf seinen Platz zurückkehrt, die irdene Phiole lächerlich klein in den harten, knorrigen Zwergenhänden. "Das laßt meine Sorge sein," erwidert er nur und jede Wärme ist aus seinen Augen verschwunden. Noch ein letztes Mal sieht er sich um. "Bereit?" Borgil nickt, Phelan auf der anderen Seite ebenfalls. Aurian starrt mit brennenden Augen in die südlichen Tunnel und von Jen auf dem Wurzelthron, unsichtbar in den schwarzen Schatten dort oben, kommt nur ein leises "Ja." Caewlin nickt und schaltet alle anderen Gedanken, als jenen an ein bleiches Knochengesicht und ein Paar milchige Augen aus. Er hakt die Schlagkugeln des Morgensterns aus, die mit rasselnden Ketten nach unten fallen, atmet hörbar ein und füllt seine Lungen mit Luft. "WHYTFIISK!"  

Das Echo seiner Stimme rollt durch die Halle und wird hundertfach von den Steinwänden zurückgeworfen. Caewlin wartet, bis es verklungen ist, holt wieder Atem und brüllt erneut den Namen seines Feindes. "WHYTFIIISK!"
Whytfisk...hytfisk...tifisk... hallt es durch die Tunnel. Hier unten in diesem Labyrinth aus Stein und Fels muß sein Schreien meilenweit zu hören sein - und genau darauf ist er aus. "WHYTFIIISK!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 19. Jan. 2005, 23:27 Uhr
In Raven's Zelle, nicht allzuweit entfernt


>Was soll ich dir erzählen? Wie es war, mit ihm das Lager zu teilen? Willst du wissen, ob er ein guter Liebhaber war?< Whytfiks beugt sich vor und schlägt Raven die Faust ins Gesicht, schnell wie eine zustoßende Schlange und doch beinahe beiläufig. Ihr Kopf fliegt herum und die Haut an ihrer linken Stirn und Schläfe färbt sich rot. "Ich habe vielleicht unnatürliche Neigungen," erwidert er kalt, "aber billige mir bitte einen gewissen Sinn für Ästhetik zu." Whytfisk schüttelt sich geziert, als wolle er einen ekelerregenden Gedanken vertreiben. "Blaeran war... schön. Seine Vorlieben waren zwar ebenfalls nicht immer mit den Geboten der Götter zu vereinbaren, aber er mit... dir - nein, ich glaube nicht, daß ich mir das auch nur vorstellen will. Und ich weiß, was er liebte und was er ha..."

"WHYTFIISK!"

Eine brüllende Stimme, laut, tief und rauh, hallt durch die Tunnel und Gänge und ihr Echo geistert durch Fels und Stein. Die beiden Wachen hinter Whytfisk erstarren, ebenso wie Raven, doch er lauscht verzückt und ein Erschauern durchläuft den hageren Körper vom Scheitel bis zur Sohle, als hätte er eben betörenden Sirenengesang vernommen und nicht das zornbebende Schreien eines wütenden Nordmannes.

"WHYTFIIIISK!"

"Ah," Whytfiks unnatürlich bleiche Augen glühen, bis sie fast weiß wirken, dann erhebt er sich. "Es wird Zeit," erklärt er gut gelaunt. "Man verlangt nach mir - und einen Lord soll man bekanntlich nicht warten lassen, nicht wahr?" Er schenkt Raven ein zähnebleckendes Lächeln, das man getrost als völlig wahnsinnig bezeichnen kann, und wendet sich dann an Rorge, der wartend und angespannt hinter ihm steht. Das zornige, anhaltende Schreien mag Whytfisk in freudige Erregung versetzen, seine Männer bringt es eindeutig aus der Fassung. Sie hatten wohl mit vielem gerechnet, aber damit nicht. Er auch nicht, wenn er ehrlich ist und er weiß so wenig wie sie, was das zu bedeuten hat, aber es spielt auch keine Rolle. Er ist hier. Er ist hier! "Geh," Whytfisk sieht dem großen, breitschultrigen und stiernackigen Mann fest in die flackernden Augen. Rorge ist unverblümt, schroff und brutal, aber er gehört auch zu jener Sorte Männer, die unbedingt loyal sind, auf Befehl töten, ohne Widerspruch gehorchen und vor allem nicht von selbst anfangen, zu denken. Bösartige Grausamkeit jedoch ist ihm fremd. Schade eigentlich, doch er wird seinen Zweck erfüllen. "Du weißt, was du zu tun hast. Geh nach oben. Such sie. Finde sie und töte sie." Rorge nickt nur, senkt ergeben den Kopf unter dem Gewicht von Whytfisks Blick und verschwindet hinaus, um seinen dunklen Auftrag auszuführen, den Tod und die Vollkommenheit seiner Rache nach Talyra zu tragen. "Komm," wendet Whytfisk sich wieder an Raven. "Es ist Zeit."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 19. Jan. 2005, 23:33 Uhr
Die Gänge liegen still vor Blutaxt. Still und leer, als würden sie wirklich einen Geist jagen, wie manche der Männer schon flüstern, wenn sie glauben, er hört es nicht. Schnorrer war nicht zurück gekehrt und Blutaxt kann sich denken, dass er das auch niemals mehr tun würde - dafür kennt er seinen Meister zu gut. Schlechte Neuigkeiten hat Whytfisk noch nie gut aufgenommen. Blutaxt lauscht in die Gänge hinein, aber ausser dem Tapsen von Rattenfüssen und dem Tropfen von Wasser, das sich irgendwo seinen Weg durch den Fels sucht, herrscht absolute Stille - nichts - kein Laut der verraten würde, dass jemand kommt, dringt an sein Ohr. Ich verschwende hier nur wertvolle Zeit, die sind längst über alle Berge und schon gar nicht mehr hier. Vor sich hingrummelnd kickt er ärgerlich einen Stein weg. Das Gesicht von Schattenhaar, vermischt mit dem Gesicht seines Spielzeugs, taucht immer wieder vor ihm auf, steigert seine Wut auf den Sturmlord, der es ihm genommen hat, und er schwört ein weiteres Mal blutige Rache.
 
Dann plötzlich schallt etwas durch die Gänge: ein Ruf, ein Schreien, laut, herausfordernd, immer wiederkehrend. Blutaxt braucht eine Weile, ehe er das Wort versteht, und bis ihm klar wird, was DAS bedeutet - im Denken war er noch nie der Schnellste. Doch als er den Namen und die Stimme erkennt, beginnt jeder Nerv in seinem Körper zu vibrieren. Sie sind in der Honigwabe!! Nur von dort kann das Geschrei kommen, nur dort gibt es ein solches Echo! Diesmal dauert es nur einen Wimpernschlag, bis er weiss was dies bedeutet. Sie sind da! Genau da, wo Whytfisk sie haben wollte, haben sich an ihnen vorbeigeschlichen und nur Der Dunkle weiss, wie sie es geschafft haben. Umgehend ruft Blutaxt seine Männer, die er in Prancys Schenkel verteilt hat, zusammen, schickt sie los die anderen zu holen, um sich in der Dicken Betha zu treffen. Er selbst eilt mit weitausgreifenden Schritten durch die Gänge bis zur Dicken Betha und schart dort die Männer um sich, die aus den verschiedensten Winkeln der Kanalisation auftauchen. Mehr oder weniger sind es an die vierzig Mann, die er dann in zwei Gruppen aufteilt. Von der Dicken Betha führen zwei Gänge in die Honigwabe, und durch genau diese Gänge schickt er seine Männer um die Halle zu stürmen. Er denkt nicht einmal mehr daran, erst auf Whytfisks Befehle zu warten - die Wut auf den Sturmlord und seine Gefährten hat ihn blind für alles andere gemacht. Ausserdem will er sein Spielzeug zurück. Und erst recht will er nicht, dass sie Raven von hier wegholen, die Whytfisk ihm vielleicht noch überlassen würde. Nur vielleicht, aber allein schon die vage Möglichkeit, lässt sein Blut noch schneller durch seine Adern rauschen.
 
Blutaxt nimmt den ersten Gang, der von der Dicken Betha abzweigt, und schickt die andere Gruppe den zweiten Gang hinab. Auf ein Zeichen von ihm stürmen die Männer los, zwanzig Mann in jedem Tunnel. Sie streben der Honigwabe und ihrer Rache zu. Jeder Hund hat seinen Tag und jetzt ist meiner gekommen! Blutaxt selber hält sich innerhalb der Mitte seiner Gruppe. Vorne am Ende des Ganges kann er schon das Feuer der Grube sehen, da er fast alle seine Männer an Grösse überragt. Vor dem Feuer steht eine schemenhafte Gestalt - gross, eindeutig sehr gross. Das kann nur der Nordlord sein, in Blutaxt Augen liegt ein gefährliches Funkeln und er ist nur noch von dem Wunsch beseelt Caewlin zu töten und Rache zu nehmen für all das, was Caewlin seinem Meister, ihm und den Kanalratten angetan hat.

Doch plötzlich gerät alles aus den Fugen, ein lauter Schmerzenschrei hallt durch den Gang und der vorderste Mann stürzt wie ein gefällter Baum. Einige Kanalratten direkt dahinter können ihren Lauf nicht mehr stoppen, stürzen über den Gefallenen und ein wildes Knäuel aus Armen und Beinen gespickt mit Schmerzensschreien, bildet sich am Ausgang des Tunnels. "Falle!" Kreischt einer mit überschnappender Stimme. "Da war eine verdammte Falle!" während sich unter dem Gefallenen ein roter See bildet. Als Blutaxt sich durch die drängenden Männer schiebt, kann er das Bein des armen Kerls sehen, unterhalb des Knies abgetrennt von zwei messerscharfen Fangeisen. Noch zehn Schritt bis zum Tunnelausgang, nur zehn verfluchte Schritt. "Verteilt euch! Krummbein, Fetter Tom, Vilar und Elden, nach vorn!" Die Männer schwärmen aus und er eilt ein paar Schritt weiter nach hinten, um Armbrustschützen und Messerwerfer ausfindig zu machen und besser zu verteilen, als etwas kleines, dunkles mit einem leisen, pfeifenden Geräusch angeflogen kommt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 20. Jan. 2005, 09:14 Uhr
Ja. Es ist tatsächlich der Raum, wo Jen und Faraday das erste Mal auf Whytfisk getroffen waren, der Ort, wo eigentlich alles begonnen hatte. Faraday schaudert, doch sie ist so entschlossen, wie nie zuvor in ihrem Leben. Dass sie hier niemals auf normalen Wege herauskommen würden, das hat auch sie endlich begriffen, aber mittlerweile ist sie sich doch sicher, dass die Frau, nach der sie suchen, gar nicht mehr am Leben ist. Für sie hätte Faraday ohnehin keinen Finger krumm gemacht, denn sie ist ihr völlig egal. Doch ihr eigenes, kleines Leben und das von Jen, darum würde sie kämpfen, mit allen Mitteln, die sie aufbringen kann. Denn sie will nichts mehr als raus aus diesem finsteren Labyrinth, sie will endlich wieder frei sein! Und sie wünscht sich ganz im Geheimen, dass sie danach vielleicht nicht mehr so einsam sein würde wie zuvor.

Faraday hat keine Ahnung von Fallen, aber sie hat Ahnung von Schlössern, von einfachen und von komplizierten. Die Fallen sehen kompliziert aus, aber es gilt lediglich darauf zu achten, dass man sie nicht aus Versehen auslöst. Ohne Zwischenfälle erreichen sie, Jen, Faraday und Aurian, die den beiden neugierig über die Schulter späht, mit der Vorrichtung den ersten der Gänge und Jen platziert sie einfach mitten im Gang - wo sie etwa so unübersehbar ist wie eine ausgewachsene Kuh. Erst Aurians Magie schafft diesem Problem Abhilfe. Neugierig und skeptisch zugleich beobachtet Faraday das Tun der jungen Frau. Naja, eigentlich tut sie überhaupt gar nichts, aber dafür geschieht etwas mit der Falle. Erst flimmert das Drahtgestänge leicht und dann ist es auf einmal weg, wie vom Erdboden verschluckt. "Wo is' sie?" Faraday strengt ihre Augen aufs Äusserste an, geht näher an die Stelle heran, aber da ist überhaupt gar nichts. "Is sie weg?" Nein, die Falle sei nicht weg, versichert ihr Aurian und Faraday mag das für den Moment glauben - überzeugt wäre sie aber erst dann, wenn das Ding wirklich losginge.

Dann ist das Werk getan. Alle Fallen lauern unsichtbar in den Mündungen der Gänge in die riesige Höhle. "Und 'etz?" Etwas ratlos blickt sie die Schleuder an, die so ungewohnt in ihrer Hand liegt. Würde sie damit schießen wollen, dann wäre es nötig freie Bahn zu haben, irgendwo, von einem erhöhten Platz aus, wäre ideal. Caewlin ist es dann, der sie beide auf den bleichen Thron hinauf schickt. Faraday ekelt sich davon. Die Wurzeln sehen aus wie Schlangen oder irgendwelche Innereien und sie hat keine Lust damit in Berührung zu kommen. Aber es ist die beste Möglichkeit. Also folgt sie dem Jungen hinauf auf die kleine, widerliche Anhöhe, aber achtet darauf die bleichen Stränge nicht mehr als nötige zu berühren. Es graut ihr bei dem Gedanken, wie sie sich anfühlen könnten. Vielleicht weich und feucht, ganz so, als seien sie lebendig. Aber noch mehr als das graust sie sich vor dem, was nun kommen könnte. Natürlich, irgendwann müßten sie sich den Kanalratten stellen, aber liebe wäre es ihr, wenn es andersherum wäre. Wenn sie die Unterirdischen hinterrücks überraschen könnten, denn an eine unbemerkte Flucht mag sie schon lange nicht mehr glauben. Jemand bringt ihnen den schweren Sack mit den faustgroßen Steinen, doch sie achtet nicht weiter darauf, wer es ist. Sie zittert noch immer, aber nun liegt das nicht mehr länger an der feuchten Kleidung und der Kälte.

Sie hockt sich, ihren Widerwillen mühsam hinunterschluckend, auf eine der beiden aus Wurzeln gewachsenen Armlehnen des riesigen Throns und zieht einen Stein aus dem Sack. Er ist schwer, aber er liegt gut in der Hand und noch besser auf dem verstärkten Teil der Schleuder. "Ich hab' früher Ratten abgeschossen mit sowas Ähnlichem. 'Ne kleine Schleuder für Kinder", flüstert sie Jen zu, der seinerseits ebenfalls die Waffe prüft und testet, und reckt dabei das Kinn auf ihre ganz eigene Art nach oben als wolle sie sagen: Aber jetzt bin ich kein Kind mehr . "Triffst du das Feuer da? Los, wer näher 'rankommt!" Beide spannen die Schleuderbögen und lassen fast im selben Moment los. Die Steine fliegen durch die Luft wie seltsame, lautlose Vögel und kommen dann fastgleichzeitig und funkenstiebend in der Feuerstelle auf. Jen grinst und Faraday ebenso. "Wir müssen nur aufpassen, dass wir nich' die Falschen treffen." Aurian steht nah am Feuer, die anderen irgendwo davor. Genau eben dort, wo Faraday hinzielen würde und wo auch vermutlich die Steine zu Boden gehen würden. Einerlei, sie kommt nicht mehr dazu sich weitere Gedanken über ihre eigene Treffsicherheit zu machen.

Der Schrei hallt vielfach von den Wänden nieder. "Whytfisk..." murmelt Faraday als sei sie selbst ein winzig kleiner Teil des vielfachen Echos. "WHYTFIIIISK!" "Whytfisk!" All die Angst ist jetzt weg, das Zittern ist weg, stattdessen kribbelt es in ihrem Magen, als kröchen dort unzählige Insekten herum. Dann ist es so still, dass Faraday das eigene, aufgeregt pulsierende Blut in ihren Ohren rauschen hört. Und still... und still, bis ein schriller Schmerzensschrei aus gar nicht allzu weiter Entfernung die Hülle aus Schweigen urplötzlich zerbricht. "Sie kommen, sie kommen!" Mit eiskalten Fingern greift sich Faraday den nächsten Stein, dreht ihn in der Hand und pustet darauf, als würde ihm das Zauberkräfte verleihen, ehe sie ihn auf das dicke Ende der Sehne legt. Sie spannt und zieht, abwartend, nach der kleinsten Bewegung in den Gangmündungen Ausschau haltend. Sie legt alle Kraft in den Zug, bis der Arm zu zittern beginnt und die Muskeln zu brennen beginnen. Endlich tauchen die ersten der Kanalratten auf, viele von ihnen, so dass dass Faraday sie nicht zählen kann. Sie zuckt zurück, damit hat sie nicht gerechnet. Und dann explodiert der eine der beiden Tunnel mit einem lauten Knall.


Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 20. Jan. 2005, 13:48 Uhr
In einer Zelle


Whytfisks geballte Faust schießt so schnell auf sie zu, dass Raven sie nicht einmal kommen sieht, geschweige denn ausweichen oder sich ducken kann. Bevor sie weiß, wie ihr geschieht, reißt ihr die Wucht des Schlages den Kopf in den Nacken und lässt den gebrochenen Knochen an ihrer Schulter in wildem Kreischen aufheulen. Benommen taumelt sie zurück, stolpert in den Eisenketten, die ihre Knöchel umschließen und einen Herzschlag lang glaubt sie zu fallen, das Gleichgewicht zu verlieren und auf den vor Schmerz brüllenden Arm zu stürzen. Keuchend prallt sie gegen den kalten Stein der Felswand hinter sich, der den drohenden Sturz abfängt, bevor sie zu Boden geht. Blut quillt aus der Wunde, die Whytfisks spitze Fingerknöchel in der dünnen, weichen Haut unter ihrer Braue gerissen haben und rinnt ihr über das Gesicht, bahnt sich einen Weg über ihre Wange und den Hals bis unter den Hemdkragen, und sie kann es warm und klebrig auf ihren Lippen schmecken. Das Auge, das Whytfisks Schlag getroffen hat, schwillt sofort zu und einen Moment lang sieht sie nur noch bunte Sternchen in der Schwärze kreiseln, während sie sich haltsuchend an den rauen Fels klammert und versucht, wieder zu Atem zu kommen.

Währenddessen plaudert Whytfisk weiter, als wenn nichts geschehen wäre und er bei einem nachmittäglichen Teekränzchen sitzen würde, obwohl um ihn herum Menschen sterben, obwohl ein blutiger, abgerissener Arm vor seinen Füßen liegt, obwohl in den nächsten Stunden in seinem dunklen Reich die Hölle ausbrechen wird, so sicher, wie sich jeden Morgen Shenrahs Auge über dem Ildorel erhebt. Und es ist seine Stimme, die Raven mehr Angst macht als alles andere, eine Stimme, die trotz des gezierten, beinahe affektierten Plaudertons, eiskalt und berechnend ist und sich wie eine spitze Nadel schmerzhaft in ihre Gehörgänge bohrt. Er scheint weder Gefühle noch Emotionen zu besitzen und nichts vermag ihn aus der Reserve zu locken, nichts vermag die leblose Maske seiner Beherrschung zu durchbrechen. Als Raven mühsam die Lider öffnet, sieht sie seine Augen auf sich gerichtet, kalt und starr wie die eines Hais, der in lauernder Ruhe seine Kreise dreht, in einem plötzlichen Blutrausch seine Beute verschlingt und dann ungerührt weiter seines Weges zieht. Noch immer redet er über Blaeran und seine Gedanken scheinen von diesem Mann, der schon längst tot und begraben ist, völlig gefangen zu sein und ihn alles um sich herum vergessen zu lassen.

Eine zornige Stimme holt ihn in die Realität zurück, eine Stimme, die mit schauerlichem Echo durch die kalten Gänge rollt und ihm unmissverständlich ihre Herausforderung entgegenbrüllt. Bei ihrem Klang blitzt ein Funke des Entzückens in Whytfisks farblosen Augen auf. Raven dagegen lässt sie die Knie weich werden und ihren Leib vor Angst wie eine Bogensehne erzittern. Ihr gehetzter Blick sucht den ihres Peinigers und der fiebrige Glanz, den sie in seinem sieht, krampft ihr den Magen zusammen vor Furcht und ohnmächtiger, hilfloser Wut. Nein, nein, nein! Caewlin, kehr' um! Kehr' um, solange du noch kannst! Fast kann sie Whytfisks Erregung riechen, auf der Zunge schmecken, er scheint sie aus jeder Pore zu verströmen - ein beißender Geruch nach Fäulnis und Tod, der mit einem Mal die ganze Kammer auszufüllen scheint. Wieder und wieder grollt Caewlins grausiger Ruf durch die Hallen, fordernd und zornig, und mit jedem Schreien seines Namens scheint Whytfisks ekstatisches Entzücken sich in ungeahnte Höhen zu steigern, bis blanker Wahnsinn in seinen Augen glüht. Zitternd presst Raven sich an die Felswand, als das Schreien abrupt abbricht und sich ein atemloser Moment der Stille niedersenkt. Ein irres Kichern gluckert aus Whytfisks Kehle empor, als er sich zu ihr umwendet und eine einladende Geste vollführt, als wolle er sie zum Tanz auffordern. Aber es wird kein Tanz. Es wird ihre Hinrichtung werden. >Ah, es wird Zeit, man verlangt nach mir ...<

Mit panischem Entsetzen in den Augen verfolgt Raven jede seiner lautlosen, schlangengleichen Bewegungen, als er sich mit flatternden Mantelschößen zu Rorge umdreht und ihm einige knappe Anweisungen erteilt, woraufhin der Hüne sich mit einem ergebenen Nicken und dem demütigen Blick eines folgsamen Hündchens davonmacht, um den Auftrag seines Herrn zu erledigen. >Du weißt, was du zu tun hast. Geh nach oben. Such sie. Finde sie und töte sie.< Raven kann Whytfisks kalte Stimme hören, seine leise gezischten Worte, und sie weiß, dass sie irgendwie wichtig sind, aber ihr Sinn vermag die Wolke aus Angst und pochendem Schmerz nicht gleich zu durchdringen, die ihren Geist umhüllt und alles in rotglühendem Nebel versinken lässt. Was ...was hat er vor? Wo schickt er Rorge hin? Sie? Wer ist 'Sie'? Ihre Gedanken drehen sich in einem wirren, panischen Strudel, überschlagen sich, kreiseln, rasen in tausend Richtungen gleichzeitig davon - und stehen abrupt still, als sie begreift. Die Welt um sie herum scheint plötzlich in tausend Stücke zu zerspringen.

"Nein!" Alles Blut weicht aus ihrem Gesicht und die Stimme versagt ihr einen zitternden Moment lang den Dienst. "Nein .... das kannst du nicht tun, das kannst du nicht! Hol ihn zurück! Hol ihn wieder zurück!" Mit einer fließenden Bewegung dreht Whytfisk sich zu ihr um und ein Grinsen liegt auf seinen vom Wahnsinn verzerrten Zügen, das Raven schaudern lässt. Ihre Kiefer pressen sich so fest zusammen, dass die Sehnen an ihrem Hals hervortreten und einen Moment lang muss sie die Augen schließen, um das Entsetzen zurückzudrängen, das mit eisigen Fingern nach ihr greifen will. Schwankend und mit blutüberströmten Gesicht und bebenden Knien steht sie vor Whytfisk und ihr Herzschlag dröhnt in ihren Ohren so laut wie gewaltige Hammerschläge. Sie weiß, was er vorhat. Sie weiß, was er tun wird. Und etwas in ihrem Inneren rastet so plötzlich und unvermittelt aus, als hätte man einen Hebel umgelegt.

"Du perverse, kleine Ratte!" zischt sie mit sich überschlagender Stimme und es ist kein Blut mehr, was durch ihre Adern rauscht, es ist glühender, flüssig gewordener Hass. "Du erbärmliches, krankes Stück Scheiße!" Obwohl die Eisenketten an ihren Knöcheln zerren wie tonnenschwere Bleigewichte, setzt Raven einen Fuß vor den anderen und steuert auf Whytfisk zu, bebend vor Zorn und Angst und Entsetzen. Sie dreht völlig durch. Ihre Hände verschlingen sich ineinander und sie holt aus, zerrt mit dem gesunden rechten Arm das Gewicht des kaputten mit nach oben, obwohl unerträgliche Schmerzen durch Schulter und Rippen rasen, obwohl sie die Knochen ihres zerschmetterten Schlüsselbeins knirschen hören kann, aber sie wankt weiter auf ihn zu und hat nur noch ein einziges Ziel - ihm mit den Eisenschellen, die ihre Handgelenke umschließen, das bleiche Knochengesicht zu zertrümmern und in sämtliche Einzelteile zu zerlegen. Der Schmerz treibt ihr heiße Tränen in die Augen, als sie beide Hände über die Schultern hebt und zum Schlag ausholt. "Ich werde dir deinen götterverdammten kranken Schädel einschlagen! Wieviele Leben willst du noch zerstören, du elendes Schwein?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 20. Jan. 2005, 14:55 Uhr
Whytfisk wartet nicht ab, bis die Eisenketten in Ravens Händen herabsausen. >Wieviele Leben willst du noch zerstören, du elendes Schwein?< Eine reichlich abgedroschene Beleidigung, die sich indes aus ihrem Mund ganz neu ausnimmt. Wäre sie nicht so schwach und verletzt gewesen, hätte sie durchaus eine Chance gehabt, ihn zu verletzten, denn ihre maßlose Wut verleiht ihr Kraft. Selbst so muß er ihr hart die Beine wegtreten und zur Seite weichen, um sie sich vom Leib zu halten. Einen Moment mischt sich ein Echo ihres Hasses mit dem Wahnsinn und der irren Erheiterung auf seinem Gesicht, als er sich noch im Ausweichen dreht, ihr das Knie in den Magen rammt und sie dann an den Haaren zurückreißt. Seine andere Hand packt ihren Kragen und zerrt sie wieder hoch, bis ihr blutverschmiertes, vor kaltem Schweiß glänzendes Gesicht nur noch eine Handbreit von seinem eigenen entfernt ist. "Wie fühlt sich das an? Das ist schön, nicht wahr?" faucht er, Belustigung und unheimliche Ruhe wie fortgewischt.

Jetzt vibriert der fahle, hagere Körper wie eine Bogensehne, die zum Zerreißen gespannt ist und Raven kann einen Blick hinter die ewig gleiche Maske aus Irrsinn, Gleichmut und eiserner Unbewegtheit tun - was dort lauert ist eine Bestie mit räudigem Fell und rotglühenden Augen, ein Widder mit goldenen Hörnern, etwas verdrehtes, entsetzlich dunkles wie ein Fleck fremder Materie, ein zyklopisches Labyrinth aus Finsternis. Er schüttelt die zierliche ehemalige Diebin wie eine Spielzeugpuppe. In den farblosen Augen liegt kein geheimer Spott oder verborgenes Wissen mehr, nur noch nackter Haß. "Ich bin noch lange nicht mit euch fertig. Ich töte wann und wen ich will und du bist weniger als ein Steinchen auf meinem Pfad. Ich..." gefährlich fest drücken seine Finger zu, doch dann entspannt er sich, so plötzlich wie die Wut ihn übermannt hatte. "Ich habe jetzt wirklich keine Zeit für solch albernen Spielchen," erklärt er so ruhig, als wäre nicht das Geringste geschehen. "Wir müssen gehen."

Raven windet sich wie eine verschreckte Katze, tritt, beißt, faucht, spuckt und bedenkt ihn mit sämtlichen Schimpfnamen, die ihr einfallen, doch außer ein paar blauen Flecken am Schienbein prallt ihr Wüten an ihm ab. Er winkt den zweiten Wächter heran, der mit wachsbleichem Gesicht noch immer in der Tür verharrt, damit der Mann ihm hilft, ihr die Ketten abzunehmen und ihr die Arme mit einem schmerzhaften Ruck eng auf den Rücken zu binden. Kaum ist das geschehen, winkt er den Wächter fort wie eine lästige Fliege. "Geh und stirb auf die Art, die dir am besten erscheint." Dann packt er sie grob am Kragen und zerrt sie hinter sich her in die Dunkelheit der Tunnel.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 20. Jan. 2005, 15:49 Uhr
Irgendwo zwischen Fallen und Dietrichen vergisst Tiuri beinahe wo er hier eigentlich ist und vor allem warum er hier ist. Er besieht sich alles ganz genau, nicht ohne dabei das eine oder andere praktische Gerät in die eigene Tasche wandern zu lassen, obwohl er, würde man ihn fragen, ohnehin nicht daran glaubt, dass sie hier wieder lebend raus kommen, aber nur zur Sicherheit, man weiß ja nie was kommt. Er schultert sich einige Fallen und zusammen mit Faraday und Aurian gehen sie in einen der Gänge hinüber. Kurz sieht er sich um, es gibt keine Nischen hier in denen man die Fallen verstecken kann, wäre Aurian also nicht fähig sie unsichtbar werden zu lassen, so würden die Kanalratten auch nicht hineintreten, egal wo er sie positioniert, blind sind sie ja nicht, noch dazu wo das Feuer alles schön erhellt und flackernde Schatten unheimlich in den Gängen tanzen lässt. Nicht nur einmal fährt Tiuri hoch und sieht sich um, jeden Moment in der Erwartung, dass eine Kanalratte auf sie zustürmen würde, doch nichts passiert, sie bleiben aus irgendeinem Grund weiterhin unentdeckt. Mit ihren magischen Fähigkeiten lässt Aurian die Falle verschwinden und einen Moment kann der Junge seinen Augen nicht trauen und der Magie traut er sowieso nicht ganz, sie konnte sich nicht sicher sein ob die Falle nicht tatsächlich verschwunden ist und sich die junge Magierin nur einbildet sie dort zu spüren. Aber was soll es, sie legen die Fallen in allen Gängen aus und Aurian wird immer schneller und besser bei jeder Falle die sie verschwinden lässt.
„Na dann, wollen wir sehen wie weit uns das hilft!“ Tiuri nickt, will sich ihr Werk noch einmal ansehen, aber dort ist natürlich nichts mehr zu sehen und er kehrt zurück in die Halle, wo Caewlin ihnen anordnet sich auf den Wurzelthron zu setzen.
Ganz geheuer ist dem Jungen bei der Sache nicht, das Gebilde sieht widerlich aus und noch immer sieht er die bleiche Gestalt von Whytfisk dort oben. Mit einem Finger berührt er vorsichtig eine der Wurzeln, ob sie nicht doch vielleicht unter einer Berührung die nicht von dem Herren dieses Reiches kommen, erwachen und nach ihm greifen würden. Seit er hier ist, ist er irgendwie auf alles gefasst, langsam glaubt er nicht, dass es noch viel gibt, dass ihn überraschen könnte. Jedes Mal wenn er denkt es könnte nicht schlimmer werden, passiert noch irgendetwas und sticht in die offene Wunde.
Todesmutig steigt er auf den Thron, Faraday hinter ihm drein, wobei ihm, als er einen Blick über die Schulter wirft, auffällt, dass sie auch nicht gerade glücklich darüber wirkt, welchen Platz sie ausgefasst haben. Andererseits hat der Nordmann einfach recht und deswegen widerspricht auch keiner von ihnen. Die Position dort oben ist am sichersten und am effektivsten für die etwas banale Art von Waffe die sie haben um sich zu wehren. In einem Nahkampf könnten sie mit den Schleudern und den Steinen so gut wie nichts ausrichten.
Außer ich ziehe einem von diesen Mistkerlen das Ding über den Schädel!
Der Junge ist beinahe erschrocken über sich selbst, dass er das tiefe Verlangen fühlt einem dieser Männer Schmerzen zuzufügen, richtige Schmerzen, näher noch als durch die ausgelegten Fallen und die geworfenen Steine, nein, Schmerzen die er ihnen von eigener Hand, direkt, zufügen kann. Aber wenn alles verläuft wie gewünscht, würde das nicht passieren.

Aber wann ist bis jetzt etwas so gelaufen wie wir es uns vorgestellt haben? Es ist eine pessimistische Seite an ihm die langsam die Oberhand gewinnt und mühsam versucht er sie zu verdrängen in dem er sich sagt, dass sie ja auch jedes Mal wieder hinaus gekommen waren, schließlich sind sie hier, ohne gröbere Verletzungen und alle lebendig.
Nur um jetzt hier gemeinsam zu sterben, wirklich eine Verbesserung!

In Gedanken versunken überprüft Tiuri seine Schleuder, befühlt das Band, den Griff, nimmt einen Stein und wiegt beides sorgfältig, fragt sich wie weit sie wohl fliegen und wie gut man mit den Dingern zielen kann. Es ist anzunehmen, dass es nicht zu schlecht gehen wird, denn die Kanalratten würden sich sicher nicht so einfach mit minderwertigen Waffen zufrieden geben, nicht wenn sie so viele haben.
Faraday reißt ihn mit ihren Worten aus seinen Gedanken und er blickt hoch.
>Ich hab' früher Ratten abgeschossen mit sowas Ähnlichem. 'Ne kleine Schleuder für Kinder.<
Und ich selbst… ich kann mich nicht erinnern so etwas jemals in der Hand gehalten zu haben, aber wer weiß, vielleicht doch… So steht es mit uns auf jeden Fall, wir müssen uns darauf verlassen, dass wir kämpfen können, es sind eine Menge Kanalratten, der Große, Phelan und Borgil können uns nicht beschützen, für sich selbst kämpfen, alle Ratten umbringen und auch noch die fehlende Person retten.
Faraday reckt neben ihm das Kinn in die Luft und schaut ihn mit einem Blick an, den er nur bei ihr bis jetzt gesehen hat und fordert ihn auf ins Feuer zu schießen. ‚Wer näher dran kommt’ ist überflüssig, sie treffen beide in die Flammen, wobei sie sich auch Sorgen machen sollten wenn es nicht so wäre, denn die Feuerstelle ist groß. Sie im Rücken zu haben ist kein besonders gutes und beschützendes Gefühl, auch wenn es das für jeden anderen vielleicht wäre, denn keine Kanalratte wird sie von hinten vom Feuer aus überraschen.
>Wir müssen nur aufpassen, dass wir nich' die Falschen treffen.<
Tiuri nickt etwas bange und hofft, dass ihm kein Stein auskommen wird und jemanden von den eigenen Leuten trifft. Der Große fragt ob sie bereit sind und Tiuri hört sich leise „Ja“ sagen und fragt sich im gleichen Moment warum er denn so eine elende Lüge erzählt. Er würde nie bereit sein, in seinem ganzen Leben würde er für so etwas nicht bereit sein, fürs Kämpfen ist er nicht geboren. Das glaubt er zumindest. Mit einem Blick auf den Nordlord fällt ihm ein, dass er dessen Namen ja gar nicht kennt, Borgil hat sich vorgestellt und irgendwann Phelans Namen erwähnt, aber er hat keine Ahnung wie der Riese und sein ebenso großer Hund heißen.
Was kümmerst du dich um seinen Namen du Idiot, du kennst nicht mal deinen eigenen, was spielt das für eine Rolle?
Doch so sehr er sich gerne einreden möchte, dass es doch völlig egal ist wie sein Name, oder der Name des Nordmannes lautet, so ganz verschwindet dieser Gedanke nicht aus seinem Kopf, noch immer quält es ihn, dass er hier vermutlich namenlos sterben wird und ihn, falls ihn denn jemand vermisst, niemals jemand finden wird, schon allein deshalb, weil er gar nicht seinen eigenen Namen trägt.
Ich bin gar kein richtiger Mensch ohne Namen… vielleicht können Leute ohne Namen aber auch gar nicht sterben…
Dass das ein Wunschdenken ist, ist sogar dem Jungen klar. Doch einen Moment später ist er sich gewiss, dass es einen Namen gibt den er sein restliches Leben nicht mehr vergessen wird. Die Stimme des Nordmannes hallt durch den ganzen Raum, die Gänge entlang und klingt in einem schaurigen Echo immer und immer wieder. Die Rufe klingen zornig und fordernd und Tiuri erschauert darunter obwohl sie nicht ihm gelten. Er kann nur hoffen, dass dieses bleiche Knochengerüst jetzt genauso wie er erzittert vor Furcht und dass auch er dieses Rufen niemals vergessen wird, auch wenn sein Leben ja, wenn alles nach Plan verläuft, nicht mehr lange andauern wird.

Es dauert eine halbe Ewigkeit, zu mindest kommt es Tiuri so vor, ehe die ersten Kanalratten die Gänge entlang kommen, aber dafür sind es viele, eine Menge auf einmal und sie stürmen ihnen entgegen als würden sie keine Furcht kennen. Tiuri sieht wie Faraday neben ihm die Schleuder spannt und erwacht aus seiner Mischung von grässlicher Faszination und Starre vor lauter Furcht. Auch er spannt die Schleuder, auch wenn seine Finger schmerzen und blickt gespannt auf die Gänge. Plötzlich sind sie weg, die ersten wenigstens, sie fallen zu Boden und ein Schreien dringt zu ihnen aus den Gängen herüber, sie sind in ihre Fallen geraten, wie blinde Tiere in die Fallen ihrer Jäger gegangen und jetzt liegen sie da, in einem Gang ein einsames Bein und er schluckt, als plötzlich eine Phiole von Loas Öl geflogen kommt und es eine Explosion im Inneren des Ganges gibt. Wieder Schreie, vor Schmerz und einfacher Erschrockenheit. Es raucht und staubt und verhindert so, dass sie irgendetwas sehen können, natürlich sind sie nicht alle tot und jetzt kommen sie hinter dem Rauch hervor, nach dem ein paar noch in den Fallen hängen geblieben sind.
Beinahe gleichzeitig lösen sich die Steine von Faradays und Tiuris Schleuder, fliegen auf die Männer zu und einer taumelt getroffen zurück.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 20. Jan. 2005, 21:32 Uhr
Borgil baut sich, das Schlachtbeil vor sich und eine Phiole Loa's Öl wurfbereit in der Rechten, wieder an seinem Platz auf. "Das laßt meine Sorge sein, das laßt meine Sorge sein," grummelt er. "Will er sich vielleicht hinstellen und nach Whytfisk schreien?" Wie sich herausstellt, tut der Nordmann genau das - laut und wütend genug, um den Dunklen aufzuwecken, wenn man Borgil fragt, was jedoch keiner tut - und sie müssen gar nicht einmal lange auf eine Antwort warten. Das Brüllen des Nordmanns zeigt Wirkung und ihr Glück hält tatsächlich an - statt einem Haufen lautloser Schatten und Messermeuchler aus dem Hinterhalt, wird in den beiden rechten der südlichen Gänge das Trappeln und Rennen zahlreicher Füße laut, untermalt vom Zischen von Stahl und derben Flüchen. Er kann unmöglich sagen, wieviele Kanalratten dort heranstürmen, aber es hört sich nach einigen an, und es scheinen in jedem Gang etwa gleich viele zu sein. Nicht gerade, daß sie alle noch ein Marschlied singen! Borgil sucht mit beiden Beinen festen Stand und visiert sein Ziel an - den rechten der drei unteren Hallenausgänge. Schon kann er das Nahen vieler Fackeln in der gähnenden Dunkelheit dort ausmachen und in ihrem hüpfenden Schein die Schemen rennender Männer - dann hallt hässliches Fallenschnappen gefolgt von markerschütternden Schreien aus den Tunneln, und er versucht gar nicht erst, sein zufriedenes Grinsen zu verbergen. "Damit haben sie nicht gerechnet, ha! Gut habt ihr das gemacht, ihr Diebesflöhe!" Röhrt er über die Schulter. "Und du natürlich auch, Magiermädel!" Das Schreien hält an, aber die Verwirrung unter ihren Feinden dauert nur eine Schrecksekunde, dann rücken sie weiter vor. "JETZT!" schreit er und wirft sein Tonfläschen, bis zum Rand gefüllt mit Brandöl, mitten hinein in den schwarzen Schlund vor ihm. Er kann nicht sehen, ob Phelan auf der anderen Seite es ihm gleich tut, aber er glaubt es - und dann bricht die Hölle los. Eine Explosion erschüttert den Gang vor ihm, gefolgt von einer brüllenden Feuerwolke und den gellenden Todesschreien jener, die das Pech hatten, in vorderster Reihe zu stehen. "Das hat gesessen! Gesessen!"

Borgil kann sich gerade noch beherrschen, nicht einen kleinen Freudentanz um seine Axt zu vollführen, als wäre er der Werfer beim Schlagballspielen, der gerade einen Volltreffer gelandet hat. Groteske Schatten wanken an den jetzt taghell erleuchteten Tunnelwänden hin und her, Männer, die lichterloh in Flammen stehen und in Agonie wild um sich schlagen, während schwarzer Rauch und der Geruch nach brennendem Fleisch in die Halle wehen wie der Atem eines Ungeheuers. Dann rasen die ersten lebenden Fackeln in die Halle, zwischen ihnen hindurch und an ihnen vorbei, wo sie irgendwo in der Düsternis zusammenbrechen und zu Asche verkrümeln oder von Schleudersteinen Jens oder des Rotzgörs niedergemacht werden. Aber hinter ihnen kommen jene Kanalratten, die das Brandöl überlebt hatten und Borgil hat keine Zeit mehr, sich umzusehen. Zwei stürzen sich mit wutverzerrten Gesichtern auf ihn und Borgil kommt ihnen entgegen, duckt sich, weicht aus, täuscht an und seine Axt harkt sich schmatzend durch Eingeweide und Gliedmaßen. Heranstürmende Feinde, Blutgeruch in der Luft, genügend Platz zum Ausholen und ein messerscharfes Schlachtbeil - kein Vergleich zum Bierhumpen polieren und ein paar Trunkenbolde hinauswerfen... der südliche Teil der Honigwabe verwandelt sich binnen Minuten in ein Schlachthaus, und Borgil ist in seinem Element. Wie hat sein altes Zwergenherz das vermißt! Vergessen sind Gestank und Finsternis, vergessen ihr gefahrvoller Weg hierher, vergessen die nagende Sorge, die Sonne nie wieder zu sehen. Er schwingt seine Axt, zertrümmert einem weiteren Mann Knochen und Schädel, wird selbst getroffen und spürt es nicht, steckt ein und teilt aus, und lebt nur noch für den Moment. Ein fetter Südländer, dessen nackter Oberkörper vor Öl glänzt und dessen zwei Säbel unablässig wirbeln, setzt ihm eine Weile hart zu und treibt ihn tatsächlich ein paar Schritte zurück, ehe Borgil sich auf dem mittlerweile blutglitschigen Boden einfach fallen läßt, zwischen den gespreizten Beinen seines Gegners hindurchrutscht, und ihm die Axt knirschend in den ungeschützten Rücken treibt. "Ha! HA! War das alles, war das vielleicht alles, was ihr könnt, ihr dämlichen Hundsfotte? Häh? Wer will als nächstes?" Ein langes Elend mit einer bösartigen Keule wird sein nächster Gegner und sie umkreisen sich wie Wölfe auf der Suche, nach der richtigen Stelle zum Zubeißen, während um sie her die Schlacht um die Honigwabe nun so richtig in Gang kommt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 21. Jan. 2005, 13:49 Uhr
Phelan steht weit genug weg von Borgil um von der ersten Hitzewelle wenig abzubekommen. Er selbst hält ebenfalls eine der kleinen, unscheinbaren Phiolen in der Hand, die so harmlos aussehen als befände sich lediglich Parfum darin. Aber seit der wilden Flucht vor dem Rattenheer weiß es Phelan besser und nun erst recht. Er zögert nicht lange, als die ersten Kanalratten durch den ihm nächsten Gang etwas weiter rechts auf ihn zustürmen, holt aus und schleudert das winzige Fläschen den Angreifern entgegen. Kaum berührt es den Boden detoniert der Inhalt mit ohrenbetäubendem Getöse, so dass Phelan sich die Augen mit dem Unterarm schützen muß und sich nebenbei ganz sicher ist, dass diese Explosion selbst in der Unterstadt noch die Grundmauern zum Wackeln gebracht haben muss. Ein Wunder, dass diese alten Gänge nicht einfach einstürzen. Doch es bleibt keine Zeit die alte Baukunst zu bewundern. Phelan verlässt seinen Platz neben Aurian und stürmt vor auf den Tunneleingang zu. Die Einzelteile der ersten Kanalratten liegen brennend und kokelnd auf dem Boden. Von ihnen ist nichts mehr übriggeblieben als ein beißender Geruch inmitten geschwärzter Wände. Doch kaum ist die Hitze und das Feuer vergangen, wagen sich die Un- und weniger Verletzen wieder nach vorne. Sie benehmen sich ganz so wie das Rattenheer, das sie uns auf den Hals gehetzt haben.

Der erste Mann rennt mit einem unmenschlichen Schrei auf den Waldläufer zu und holt mit einem ungeheurenKnüppel zum Schlag aus. Der Kerl ist riesig, gut einen Kopf größer als Phelan selbst und hat Schultern wie ein Stier. Phelan bleibt nichts als sich auf die eigene Wendigkeit zu verlassen und dem Bullen einfach auszuweichen. "Aurian! Weg da!" schreit er der Magierin, die noch irgendwo hinter ihm stehen muß,  eine Warnung zu. Gleichzeitig lässt er den Gegner herankommen und taucht dann im wirklich allerletzten Moment unter dessen Schlag weg, die eigene Drehung nutzend um der Kanalratte den Krummsäbel einmal quer über den Rücken zu ziehen, wo er Muskeln, Lunge und einen Teil der störenden Knochen wie Butter zerschneidet. Der so Getroffene bleibt stehen, reißt beide Arme - mitsamt der Keule - nach oben und kreischt wie abgestochenes Schwein, ehe er zu Boden fällt.

Phelans Säbel selbst glüht leicht in der feuererhellten Dunkelheit, doch es sind nicht die Flammen, die ihm dieses Licht schenken. Phelan, der die riesige Waffe jetzt beidhändig führt, spürt, wie der Griff sich erwärmt. Was immer er da nun in Händen hält, es handelt sich dabei mit Sicherheit nicht um einen gewöhnlichen Krummsäbel. Die Waffe hatte er vor gut zwölf Monden einem Nargen abgenommen und so weiß er nicht, ob ihm das seltsame Leuchten gefallen will oder nicht. Aber er hat keine Lust und keine Zeit sich neben des unguten Gefühls wegen dieses seltsamen Ortes noch Gedanken um gute oder schlechte Magie zu machen.

Die nächsten beiden Kanalratten tauchen auch schon in der Tunnelmündung auf. Auf ihren Gesichtern liegt ein so identisches, bösartiges, zahnloses Grinsen, als wären sie selten hässliche Zwillinge, durch Kampf und Dreck in dieser abscheulichen Ähnlichkeit vereint. Glücklicherweise ist der Gang nicht breit genug als dass mehr waffenschwingende Männer gleichzeitig durchkommen könnten, doch von hinten drängen immer mehr Feinde nach, nur darauf lauend in die Höhle zu gelangen und dieser Anblick ist alles andere als ermutigend. Aber Phelan kämpft, greift auf die letzten Kraftreserven zurück und vergessen ist die Erschöpfung als er das Blut durch seine Adern rauschen hört. Der Krummsäbel ist mit einem Mal so leicht wie ein trockener Ast und von einer Aura indigoblauen Leuchtens umgeben. Die Kanalratten jedoch haben keinen Blick für derlei magische Nebeneffekte. Sie gehen zu zweit gegen ihn vor, beide mit gebleckten Zähnen und knurrend wie tollwütige Hunde. Der Waldläufer holt aus und dreht sich einmal um die eigene Achse als wolle er einen wilden Tanz beginnen. Die Säbelklinge sirrt horizontal durch die Luft wie ein richtungsverirrtes Fallbeil und trennt auf ihrem Weg Kehle und Hals des Ersten fast vollständig durch, so dass sein Kopf in grotesker Weise zur Seite und nach hinten kippt. Blut spritzt Phelan ins Gesicht und verschleiert seine Sicht, doch er kann noch erkennen, dass der zweite nach unten wegtaucht und seinerseits zum Schlag ausholt. Phelan springt zurück, gerade noch rechtzeitig um dem kurzen Schwert zu entgehen. Er ringt um sein Gleichgewicht, weil er fast über den am Boden liegenden Bullen stolpert und diese wenigen unaufmerksamen Momente nutzt der Angreifer um nachzusetzen.

Metall trifft klirrend auf Metall und die Klingen verhaken sich, bis die Männer kaum eine Elle mehr auseinander sind. Phelan muß alle Kraft aufwenden um den ebenbürtigen Gegner von sich zu stoßen, der ihm seinerseits mit fauligem Atem und speichelspritzend einen Fluch an den Kopf wirft. Nein, Phelan riecht im Moment selbst nicht gerade nach Veilchen, aber immerhin habe ich eine gute Ausrede dafür!

Die Kanalratte stolpert durch den Stoss einige Schritte nach hinten. Phelan hebt den Säbel um zuzuschlagen, aber der andere läßt sich unvermittelt fallen und zieht dem Waldläufer mit einem Tritt gegen die Knöchel die Beine weg. Phelan kommt hart auf dem steinernen Boden auf und irgendetwas knackt sehr hässlich in seinem linken Handgelenk, mit dem er sich im letzten Moment abfangen will. Der Zahnlose steht schon mit einem siegessicheren Hyänengrinsen über ihm und hebt das Kurzschwert mit beiden Händen, um seinem Gegner das Herz zu durchbohren. Doch er kommt nicht soweit. Ein faustgroßer Stein trifft ihn mit voller Wucht seitlich am Schädel und zerschmettert ihm die Stirn. Danke ihr beiden! Mit einem seltsam erstaunten Blick geht der Mann zu Boden, doch die nächsten sind schon heran. Phelan schiebt den Toten von sich und kommt mit einer geschmeidigen Bewegung wieder auf die Füße. Doch seine linke Hand schmerzt höllisch und ist unnatürlich verrenkt, wahrscheinlich sogar gebrochen. Den Bogen kann er nun vergessen. Stattdessen hebt er den Säbel auf und packt ihn fest in die gesunde Rechte. Das würde eben genügen müssen, so oder so, und die Schmerzen würden warten müssen. Schon drängen weitere Kanalratten in die Höhe, es bleibt keine Zeit um in Ruhe Luft zu holen.

Die dunkelblaue Klinge schneidet mit einem singenden, hellen Ton die Luft, wieder und wieder, so lange bis Phelan nicht mehr sagen kann, wieviel er damit getötet hat, zwei, drei, vier oder mehr. Es ist, als habe die Waffe ein Eigenleben, so leicht und zielsicher ist sie zu führen. "Das - ist - für - den - Jungen - und - das - hier - für - das Mädchen - und - alle - anderen!" Raserei hat Phelan gepackt, selbst wenn er innehalten wollte, er könnte es nicht. Die Waffe tanzt und tanzt wie eine Schlange zu lautloser Musik und singt ihr eigenes Lied dazu. Neben ihm stehen Borgil und Caewlin, die niedermachen, was sich ihnen in den Weg stellt und die beiden auf dem Wurzelthron tun ihr Übriges mit den Schleudern dazu. Und ja, es fühlt sich so verdammt gut an hier unten aufzuräumen. All die Angst und die Zweifel sind in den letzten endlosen Minuten verschwunden, haben sich aufgelöst wie Rauch im Herbstwind.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 22. Jan. 2005, 00:57 Uhr
Caewlin hat die Hitze des Feuers im Rücken und die Hitze der Brände in den Tunneln weht ihnen mit schwarzem Rauch und den Schreien der Sterbenden entgegen, als der stählerne Tanz beginnt - lichterloh in Flammen stehende Männer torkeln in die Halle oder rasen mit kreischenden Stimmen, die nichts mehr menschliches an sich haben, an ihnen vorüber, aber nur wenige Augenblicke später speien die Tunnel unverletzte Kanalratten aus, die sofort zum Angriff übergehen. Wer nicht erscheint, ist Whytfisk. Hast du wirklich geglaubt, er läßt sich auf einen offenen Kampf ein? Sei kein Narr! Caewlin läßt sie herankommen, aber er hält sich nicht damit auf, fair zu kämpfen oder sauber zu töten - dazu sind ihre Gegner trotz Loa's Öl und Fallen viel zu viele - für ihn zählt nur, wer fällt, sollen das Rotzgör und der Junge die Verwundeten mit ihren Schleudern erledigen. Seinem ersten Gegner schlägt er das Schwert mit der Eisenschelle am rechten Handgelenk einfach aus den Fingern, rammt dem völlig überrumpelten Mann dann das Knie in den Magen und wirft ihn mit einem Stoß hinter sich in die Feuergrube, wo die Flammen den Rest erledigen. Sein unartikuliertes Schreien schrillt grauenhaft durch die Halle, doch Caewlin hat keine Zeit, sich umzusehen und kein Ohr dafür, denn schon ist brüllend der nächste heran und wird von Akira niedergerissen, die sich grollend auf ihn stürzt. Sein Todesschrei wird zu einem erstickten Röcheln und endet mit einem häßlichen Knirschen, als die gewaltigen Kiefer der Bluthündin sich über seiner Kehle schließen. Der dritte, der ihn erreicht, ist ein alter, grauhaariger Halbzwerg, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. Caewlin dreht den Morgenstern, rafft die Ketten, stößt mit dem eisenbeschlagenen Schaft zu und schlägt dem Alten erst die Zähne, dann den Schädel ein.

Der Halbzwerg sinkt gegen ihn, als wäre er mit einem Mal völlig knochenlos und sein Blut, schwarz im Feuerschein, tränkt warm und klebrig Caewlins Überwurf. Noch ehe der Tote vollends zu Boden sacken kann, zischt ein Armbrustbolzen an ihm vorbei und Caewlin weicht hastig zurück, doch nicht schnell genug: etwas Dunkles verfehlt nur knapp sein rechtes Auge und die Schläfe und zieht eine rotglühende Feuerspur an seinem Schädel entlang. Sein Kopf wird herumgerissen und brüllender Schmerz explodiert hinter seiner Stirn. Einen Moment lang sieht er nur flirrend bunte Lichter, ist  halb blind von dem Blut, das ihm ins Auge läuft und kann sich vor den plötzlich von allen Seiten auf ihn eindringenden Kanalratten nur noch retten, indem er wild mit dem Morgenstern um ich schlägt. Dann ist Akira wieder an seiner Seite, springt mitten unter die Angreifer, reißt zwei durch ihr schieres Gewicht nieder und bringt ihnen knurrend blutigen Tod. Caewlin duckt sich unter zwei weiteren Hieben hindurch, rennt einen seiner übrigen Angreifer einfach über den Haufen, kümmert sich nicht darum, ob der wieder hochkommt oder nicht, und drischt dem letzten den Morgenstern mitten ins Gesicht. Als er seine Waffe zurückreißt, kommt der halbe Kopf mit. Für einen Moment ist er frei und ein rascher Blick zu den Tunneln, etwa zwölf Schritt entfernt, zeigt ihm dort einen großen, rothaarigen Mann, der wild gestikulierend Befehle brüllt und vor ihm eine Rotte Kanalratten, die sich um ihm drängt wie ein lebender Schutzwall. Hinter einem kleinen Leichenberg etwas weiter rechts und näher, den der Zwerg dort inzwischen angehäuft hat, kauert der Armbruster und legt eben erneut auf ihn an. Caewlin geht in die Knie, reißt den nächstbesten Toten wieder hoch und benutzt den schlaffen Körper als Schild. Ein weiterer Bolzen trifft die Leiche mit einem dumpfen Ssstockkk und bleibt im Fleisch stecken, doch es sind nur sechs Schritt bis zu dem Schützen und damit nicht weit genug, um die Armbrust noch einmal zu spannen.

Caewlin erreicht ihn, gerade als er seine sperrige Waffe hochreißt, schlägt sie ihm mit der Eisenschelle aus der Hand, führt den Morgenstern mit der Linken von unten nach oben und erwischt den Schützen mit dem fingerlangen Eisendorn an der Spitze des Schaftes unterm Kinn. Er reißt ihn hoch und schüttelt ihn ab, hetzt weiter und dreht sich, Hiebe austeilend, um sich selbst wie ein Derwischtänzer. Der Morgenstern kreist und kracht nieder, kreist erneut und findet Fleisch, Knochen, Leder, Schildholz oder andere Klingen und zerschmettert alles, was in seine Reichweite kommt. Er hat keine Zeit, innezuhalten, sich auch nur eimal umzusehen oder auch nur Atem zu schöpfen und er hat längst aufgehört, zu zählen. Die Honigwabe der Kanalratten ist erfüllt vom Klirren und Kreischen nackten Stahls und den Schreien der Verwundeten und Sterbenden, doch Caewlin hört nichts von alldem. Es ist, als stünde die Zeit still. Er fühlt keinen Schmerz und keine Erschöpfung mehr, nicht den Schweiß, der sein Hemd durchtränkt und nicht das Blut, das ihm in die Augen rinnt oder das dumpfe Brennen seiner überanstrengten Muskeln. Für ihn besteht die Welt nur noch aus dem nächsten Feind und dem danach und alles, was er noch hört, ist das Donnern seines eigenen Blutes, das ihm in den Ohren rauscht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 22. Jan. 2005, 12:14 Uhr
Noch während Blutaxt nach hinten hastet um seine Schützen und Messerwerfer zu sammeln, wird er fast von den Füssen gerissen als eine Hitzewelle ihn von hinten trifft und ohrenbetäubender Lärm ihn umrauscht wie eine Flutwelle - Schreie gemischt mit dem Prasseln von Feuer, der Geruch von Loas Öl und verbranntem Fleisch treffen ihn. In dem Gang wird es für einen Moment so heiss, das er glaubt in einer der neun Höllen zu stehen, doch dann ist der heisse Sturm vorbei und Rauch erfüllt den Gang. Blutaxt weiss, er muss so schnell wie möglich mit seinen noch lebenden Männern aus diesem Gang, ehe der Rauch ihre Lungen füllt und sie erstickt. Er brüllt rasch einige Befehle und läuft dann inmitten der restlichen knapp zwanzig Mann aus seinem Gang dem Tunnelende zu. Er wirft keinen Blick auf die schon halb verkohlten und noch brennenden Leichen seiner Gefährten, die kreuz und quer im Gang liegen und ihn aus verbrannten Gesichtern mit leuchtend weissen Augen entgegen sehen, er überhört die Hilferufe und die Hände sie sich ihm schwarz und glühend entgegenstrecken und stösst sie achtlos zur Seite. Er und seine restlichen Männer steigen über die Leichen und zum Tode verurteilten weg, als wäre es Unrat, der sich im Gang gesammelt hat.

Als er das Tunnelende erreicht, ist in der Honigwabe der Kampf schon im vollen Gange, aus dem anderen Gang sind auch nicht mehr als zwanzig Mann entkommen und selbst von diesen scheint die Hälfte schon den Tod gefunden zu haben. Zu seiner linken Seite wütend ein Zwerg, auf der rechten ein Halbelbe - nach der Kleidung zu urteilen ein Waldläufer - und in der Mitte an der Feuergrube steht ER- der Nordmann mit einem Ungetüm von Hund an seiner Seite -und lässt seinen Morgenstern kreisen. Überall liegen schon Leichen oder Leichenteile auf dem Boden verstreut, doch auch denen würdigt Blutaxt keinen weiteren Blick. Blutaxt scharrt seine Männer um sich, gibt brüllend Befehle, schickt die Bogen und Armbrustschützen auf Plätze, von denen sie zielsicher treffen können und schickt dann die restlichen Männer in den Kampf. Er selbst hält sich zurück, geht ein Stück die Wand entlang und sucht in der Rauchgeschwängerten Honigwabe nach ihr, seinem Spielzeug. Beim Dunklen sie muss irgendwo hier sein...ich weiss es..

Und dann hat er sie entdeckt, sie steht an einer der Felssäulen in der Nähe des Waldläufers, der gerade von drei seiner Männer umringt ist und so beschäftigt damit ist, dass er an sie keinen Blick verschwendet. Blutaxt mag nicht der schnellste im Denken sein, aber was das Kämpfen angeht ist er anders, wie eine Maschine, die nur noch funktioniert. Er drückt sich in die Dunkelheit der Wände und geht so an den Kämpfenden vorbei um in ihren Rücken zu kommen und sich das Mädchen zu schnappen. Seinen Dolch hat er in der unverletzen Hand und sein Schwert in der , die sie ihm verbrannt hat. Seinen Blick immer zwischen den Kämpfenden und dem Mädchen hin und her wandernd, erreicht er schliesslich unbemerkt die Felssäule. Das Mädchen schaut gebannt auf den Kampf und scheint nicht gemerkt zu haben, dass er sich ihr genähert hat. Nur noch zwei grosse Schritte und er ist bei ihr, in ihrem Rücken, blitzartig hat er ihr den Schwertarm um den Körper geschlungen und presst sie an sich , während gleichzeitig sein Dolch an ihre Kehle wandert. Sein Atem streicht schwer an ihrem Ohr vorbei, während er flüstert: "Du hast doch nicht wirklich geglaubt, du würdest mir so einfach entkommen!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 22. Jan. 2005, 13:10 Uhr
Aurian steht noch immer mit dem Rücken an der Felsensäule. Rings um sie ist die Schlacht im vollem Gang. Borgil wütet, unter den Streichen seiner Axt fallen die Angreifer wie dürre Bäume unter den Schlägen der Holzfäller. Der riesige Bluthund des Nordmannes wütet wie ein Dämon der neun Höllen und sein Herr lässt den Morgenstern auf den Köpfen der Kanalratten tanzen. Direkt vor der jungen Magierin hat sich Phelan, der Heiler, positioniert. Er gleicht einem Todesengel und von seinem Säbel geht ein schauriges blaues Licht aus, das unterbrochene Schatten wirft, bedingt durch das Blut, das bereits an der Scheide klebt. Von hinten kommen immer wieder Steine geflogen; Jen und Faraday scheinen sich direkt einen Wettkampf darin zu liefern, wer mehr Angreifer niederstreckt. Doch all das nimmt sie nur am Rande wahr: Unablässig wandern ihre Augen über die Reihen der dreckigen, verwahrlosten und blutrünstigen Gestalten, die aus den beiden Tunnelröhren strömen. Sie sucht einen, wartet nur auf ihn, sucht die große, rothaarige Gestalt zu finden, deren Tod sie sich mehr wünscht als irgend etwas sonst auf den Weiten Rohas. Wo bist du, du feige, räudige Missgeburt? Vielleicht...wahrscheinlich sterbe ich hier unten, aber dich nehm ich mit! Los zeig dich endlich!Sie, die sonst immer sanft gewesen war und der schon der bloße Gedanke, einen Menschen zu töten Schauer über den Rücken gejagt hatte, ist beseelt von dem Wunsch nach Rache, grausamer Rache. Ihre Finger umschließen den Dolch und doch weiß sie tief in sich, dass nicht dieses Messer sein wird, das den Tod bringt.

Und dann spürt sie mit einem Mal nackten Stahl an ihrer Kehle und einen Arm wie ein Schraubstock hält sie umklammert. Rumgeschwängerter Atem streift ihre Haut und eine Stimme, deren Klang sich für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt hat, dringt an ihr Ohr, leise, gefährlich und triefend voll brutaler, gieriger Vorfreude: >Du hast doch nicht wirklich geglaubt, du würdest mir so einfach entkommen!< ER, der nach dem sie gesucht hat, hat sie zuerst gefunden. Einen Moment scheint ihr Herzschlag auszusetzen. Ihr Atem geht schneller, stoßweise. Und dann spürt sie wieder die Magie in sich aufsteigen, doch diesmal ist es anders, nicht so als würde sie neben ihrem Körper stehen und ihre Ausbruch nur beobachten, nein, diesmal erlebt sie alles vollkommen real, zum ersten Mal scheint diese Seite an ihr ein Teil ihrer Selbst zu sein, verschmolzen mit der Aurian, die sie immer war.

Der Ärmel, in dem der Arm steckt, der ihr den Dolch an den Hals drückt, beginnt zu schwehlen und zu rauchen. Der süße Geruch von verbranntem Fleisch dringt an ihre Nase und ein deftiger fluch an ihr Ohr als sich das Messer zurückzieht, begleitet von einem Schmerzensschrei. Instinktiv reißt sie sich los, wirbelt in einer Drehung herum und zieht ihrem Peiniger dabei den Dolch durchs Gesicht. Die klinge hinterlässt einen blutigen Schnitt quer über dessen rechten Wange. Aurian weicht zwei Schritte zurück, um etwas Platz zwischen sich und diese Ausgeburt der neun Höllen zu bringen. Ihre Augen glühen, scheinen grüne Funke zu sprühen; nackter Hass ist darin zu lesen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 22. Jan. 2005, 13:50 Uhr
Faraday und Tiuri haben sich nebeneinander auf dem Wurzelthron postiert und als die Kanalratten schließlich kommen ist Faradays Ekel vor den widerlichen, knochenbleichen Pflanzensträngen vergessen. Borgil und Phelan werfen etwas, das mit einem fürchterlichen Knall in den Gängen explodiert und Flammen schießen brüllend daraus hervor und übertönen beinahe noch die Todesschreie der Kanalratten, die auf dem Weg zu dieser Höhle gewesen waren. Aber als die ersten brennenden Männer schauerlich schreiend ihren Weg aus den Tunneln finden, sich zu Boden werfen und sich wälzen, als hätten sie noch irgendeine Chance die tödlichen Flammen zu ersticken, ist es mit Faradays neu gewonnener Fassung vorbei. Ihr wird schlecht, sie muß würgen und nur mit äußerster Anstrengung gelingt es ihr sich wieder einzubekommen. Dennoch stinkt es erbärmlich nach verbranntem Fleisch, ein widerwärtiger, bittersüßer Gestank. Faraday atmet so flach wie es nur geht, aber sie kann sich die Nase nicht zuhalten, denn sie braucht jetzt beide Hände.

Sie hat schon einige Kämpfe in ihrem Leben gesehen, aber das, was sich zu ihren Füßen abspielt, gleicht eher einer Schlacht. Die drei Männer kämpfen, als hätten sie nicht Stunden der Erschöpfung und der Entbehrung hinter sich. Sie kämpfen für sich, für die Frau, von der sie bislang nicht das kleinste Lebenszeichen gefunden haben und für alle, die dieser kleinen Gruppe angehören, das begreift Faraday jetzt. Und es ist das erste Mal, dass sie so etwas erlebt, dass jemand ohne einen Grund sein Leben riskiert um andere zu retten. Diese völlig neue Erkenntnis verblüfft sie und gibt ihr gleichzeitig die Kraft das hier durchstehen zu wollen, egal wie es enden würde. Mit aufeinandergepressten Lippen greift sie nach dem nächsten Stein, tut das, was Jen neben ihr schon die ganze Zeit tut: sie greift an. Mit wachen Augen sucht sie sich das erste Ziel, einen fetten, halbnackten Mann, der soeben den Zwerg angreift. Sie spannt die Schleuder, kneift die Augen zusammen, zielt und - lässt los. Der Stein pfeift durch die brennende Luft, aber er kommt viel zu weit und völlig nutzlos neben seinem Ziel auf. "Scheiße!" Der nächste Stein findet seinen Weg in ihre Hand und auf die Schleuder. Sie zielt mit äußerster Konzentration auf einen der Tunneleingänge und - trifft. Einen Mann wenigstens und auch nur an der Schulter, aber sie hat getroffen! Voller Eifer klemmt sie sich die Zunge zwischen die Zähne und der nächste Stein verlässt die Schleuder. Und noch einer und noch einer. Dass fast nur jeder dritte davon ein Ziel findet ist Faraday einerlei. Immerhin tut sie das hier zum ersten Mal und sie weiß: sie gibt ihr Bestes und bei den Göttern, sie findet fast Spaß daran! "Stell dir vor, es wär'n Ratten, nichts als widerliche, stinkende, schnüffelnde, dreckige Ratten!"

In ihrem Eifer entgeht ihr, dass Aurian mittlerweile in arge Bedrängnis geraten ist, außerdem ist die Feuerstelle ungünstig in genau dieser Blickrichtung. Aber etwas anderes sieht sie: dass sich neben dem rechten Tunneleingang Schützen postieren, zwei an der Zahl, die ein ganz bestimmtes Ziel im Auge haben: Jen und sie selbst oben ohne weiteren Schutz auf dem Thron. "Jen, da drüben! Sie schießen auf uns!" Faraday zieht den Kopf ein, rollt sich zusammen wie ein Katze, aber der Bolzen streift dennoch wie ein Geschoß aus purem Feuer ihren Hals und landet dann mit einem schmatzenden Geräusch hinter ihr in der Wurzellehne.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 22. Jan. 2005, 19:01 Uhr
Die Schreie der brennenden Männer dringen in Tiuris Ohr und der Geruch von verbranntem Fleisch lähmt ihn für einen Moment und er kann sich nicht wehren gegen die Bilder die plötzlich in seinem Kopf auftauchen. Ein brennendes Haus und zum ersten Mal eine zweite Person, die Person der diese schrecklichen Schreie gehört die er immer in seinen Träumen hört. Es ist eine Frau, sie steht von Kopf bis Fuß in Flammen und sie schreit und riecht genauso wie die Männer hier. Ihre Augen sind weit aufgerissen und das einfache Kleid brennt lichterloh. Einen Augenblick lang kann Tiuri gar nichts tun, sondern starrt wie gebannt auf die Männer die im Todeskampf schreiend durch die Gänge rennen, nur damit einer nach dem anderen schließlich zu Boden fällt und dann in Bewusstlosigkeit langsam verbrennt. Es dauert bis sich Tiuri soweit gefasst hat, dass er weiter machen kann, aber dann schiebt er alle seine Gedanken und Erinnerungen von sich und schenkt dem Geschehen unter sich seine volle Aufmerksamkeit.
Die Männer die durch die Gänge kommen sind beinahe zu weit weg. Sie haben zu viel Zeit um auszuweichen, trotzdem allerdings trifft er hin und wieder jemanden. Erst als die Kanalratten voran dringen achtet der Junge wieder auf seine Kameraden die unter ihnen verbissen vor sich hin Kämpfen, obwohl es eher einem zornigen Abschlachten gleicht und mit elegantem Kampf nicht mehr viel zu tun hat. Die Anspannung in Tiuri ist unheimlich hoch als er sieht wie die drei Männer ihre Feinde einfach niedermetzeln und er weiß, dass die Kanalratten es genauso mit ihnen tun würden, wenn sie dazu die Gelegenheit bekommen.

Und das werden sie, noch halten wir uns gut, aber sie sind viel mehr, das können wir unmöglich schaffen!

Tiuri schluckt den aufkommenden Pessimismus in sich hinunter und sieht wie der Nordmann ein Meer von Halbtoten hinter sich lässt. Die Männer versuchen sich unter Schmerzen langsam wieder hoch zu rappeln, können ihm alle zusammen immer noch gefährlich werden und so beginnt Tiuri hier seine Arbeit zu leisten und ist erstaunt über sich selbst was für ein gutes Ziel er hat und wie geschickt er mit der Schleuder ist, obwohl er sich nicht erinnern kann schon jemals eine benutzt zu haben. Die Steine leisten ihre Arbeit wie erwartet und schlagen den Männern blutige Löcher in die Schädel, so dass diese in sich zusammen sinken und einige von ihnen werden sich nie wieder erheben. Andere mögen nur bewusstlos sein, aber Tiuri hat nicht die Zeit jeden drei Mal zu treffen und auf Nummer sicher zu gehen.

Zischend zieht Tiuri die Luft ein als er sieht wie der Nordmann getroffen wird und wie der Hund beginnt wie eine Bestie zu kämpfen. Der Junge ist nur froh, dass das Tier auf ihrer Seite kämpft, auch wenn er sich fragt wie es wirklich zwischen den Guten und den Bösen unterscheiden kann, aber dabei muss er auf dessen Herren und auf den Hund vertrauen, außerdem hat er die Zeit auch gar nicht darüber nach zu denken. Sich von dem Spektakel abwendend sieht Tiuri den Waldläufer in seinem Blickfeld auftauchen. Der Halbelb kämpft mit einer blauen Klinge die durch das Fleisch gleitet als wäre es nicht mehr als Wasser.
Entweder das, oder Phelan hat eine Kraft die nicht von dieser Welt kommt!
Fasziniert von der Kampfart des Spitzohres sieht er gerade noch einen Angreifer auf Phelan zukommen. Ein großer Mann mit nackten Armen und unzähligen Tätowierungen rennt von hinten auf den Waldläufer zu. Eine Schwert hat er mit beiden Händen gepackt und hebt es schon über dem Kopf um dem Heiler einfach von hinten den Schädel einzuschlagen. Doch dieser ist schwer beschäftigt und Tiuri ist sich nicht sicher ob er den Mann kommen hört und so handelt er schnell und trifft den Mann erst nur am Arm, doch er zögert trotzdem für einen Moment und sieht dem Stein der ihn zwischen die Augen trifft genau entgegen. Er taumelt, doch sein Kopf ist scheinbar selbst aus Stein und hält einiges aus. Sein Hals aber nicht und in einer Umdrehung schneidet ihm Phelan den Kopf von den Schultern.

>Jen, da drüben! Sie schießen auf uns!<
Faradays Ruf lässt ihn herumwirbeln und gerade noch sehen wie ein Bolzen auf die Halbelbin zugeflogen kommt und sie am Hals streift. „FARADAY!“ Von seiner Position sieht es aus als hätte der Schütze sie direkt in den Hals getroffen, aber dann erkennt er, dass der Bolzen nicht in ihrem Fleisch, sondern hinter ihr im Wurzelthron steckt und atmet erleichtert auf, doch schon kommt das nächste Geschoß auf sie zugeflogen und verfehlt den Jungen nur um eine Winzigkeit. „Scheiße“, flucht er leise aber voller Überzeugung und versucht sich irgendwie hinter eine Lehne zu ducken. Diese bietet zwar etwas Schutz, aber die offene Sitzfläche ist immer noch schräg zu den beiden Schützen gerichtet.
„Faraday, bist du verletzt?“ Sie richtet sich auf und braucht nichts zu sagen, in ihren Augen sieht er den Schmerz und das Blut rinnt ihr den Hals entlang, aber er kann wenig tun, die Bolzen des einen Schützen und die Pfeile des zweiten fliegen über sie hinweg als müssten die Männer nie Angst haben, dass sie ihnen ausgehen könnten.

Auf so etwas können wir nicht warten, das dauert vielleicht ewig, bis dahin sind wir längst tot!

Tiuri riskiert einen schnellen Blick über die Armlehne und versucht sich dabei die Richtung einzuprägen in der die Schützen hocken, aber die flackernden Schatten des Feuers und der brennende Schweiß in seinen Augen lassen seine Sicht langsam verschwimmen und machen es schwierig die beiden Männer, die sich an die Tunnelwände drücken, auszumachen. Noch einmal blickt er hoch und duckt sich gerade noch rechtzeitig unter einem Pfeil hinweg der über seinem Kopf fliegt, sich in einen fetten Wurzelstrang bohrt und dort zitternd stecken bleibt. Tiuri zückt seine Schleuder während Faraday neben ihn kriecht und sich die Hand auf den Hals hält um das Blut etwas aufzuhalten.
Gemeinsam schielen sie über die Armlehne und geben sich gleichzeitig das Zeichen die Schleudern mitsamt ihren Köpfen über die Armlehne zu heben und zu schießen. Dass sie dabei nicht treffen ist nicht weiter verwunderlich, die Steine prellen an den Steinwänden ab und gehen im Lärm der Schlacht einfach unter.

„Verdammter Mist, diese Schützen sind geübte Kämpfer und wir…“ wir sind dumme Diebe die sich irgendwie da mit reinziehen haben lassen und können ums verrecken nicht kämpfen!
„Wir nehmen uns beide erst den gleichen vor, ich bin für diesen elenden Bolzenschießer!“ Faraday nickt, auch wenn ihr das Schmerzen verursacht und schwer atmend bereiten sie sich darauf vor noch einmal in die Höhe zu gehen. Wie Schatten schmiegen sie sich an die mit Wurzelnbehaftete Armlehne vor welcher sie sich bis vor kurzem noch geekelt haben und diesmal trifft wenigstens ein Stein. Tiuri hört Faraday erleichtert aufatmen und sieht den Mann mit der Armbrust in die Knie sinken und bewusstlos gegen die Wand gelehnt liegen bleiben, während sein eigener Stein irgendwo in der Mitte des Tunnels verschwindet.
Sie versuchen die gleiche Taktik gegen den Bogenschützen anzuwenden, doch der hat strategisch die bessere Position um auf die beiden zu schießen. Ein kleiner Felsvorsprung verdeckt seinen Kopf wenn sie sich hinter der Armlehne verstecken können sie sein Gesicht nicht sehen und ihn somit auch kaum treffen. Zwar versuchen sie es zwei Mal und Tiuri hört einmal einen Pfeil durch sein Haar fahren, nur eine Wimpernbreite von seinem Ohr entfernt und schluckt schwer. Keuchend drücken sie sich zwischen die Wurzeln und Tiuris Gedanken rotieren. Er hat das Bild des Schützen genau vor den Augen und versucht ihn sich noch tiefer einzuprägen, denn eigentlich gibt es nur eine einzige Chance für sie den Kerl umzubringen, er müsste seine Position verändern und den Schutz der Lehne verlassen. Tiuri weiß genau, dass er keine Zeit haben wird lange zu zielen wenn er aufspringt und vermutlich wird er dabei eher drauf gehen, als dass er etwas trifft, deswegen sagt er kein Wort, warnt Faraday nicht vor, sondern springt einfach auf und schießt und sieht den Bogenschützen im gleichen Moment zu Boden gehen wie er den Pfeil spürt der sich durch seine Seite bohrt.

Seine Knie geben einfach unter ihm nach und er fällt auf die Sitzfläche des Thrones, hält die Hand neben die Wunde, denn genau im Einschussloch steckt immer noch der Pfeil und Tiuri weiß genau, dass es schmerzhaft ist ihn zu entfernen und dass er wahrscheinlich weniger Blut verlieren würde wenn er ihn lässt wo er ist und sich nicht beim Versuch das Ding zu entfernen die halbe Seite aufreißt. Faraday die dem zu Boden gesunkenen Bogenschützen mit einem weiteren Schuss noch den Rest gegeben hat und sich auch vergewissert hat, dass der Mann mit der Armbrust sich nicht mehr regt, wendet sich ihm zu. Ihr Gesicht ist blutverschmiert, sie muss sich mit dem Arm irgendwie übers Gesicht gefahren sein und Tiuri versucht kurz die Mundwinkeln zu einem Lächeln zu verziehen um ihren sorgenvollen Blick abzuwenden.
„Geht schon“, sagt er, auch wenn seine Stimme dabei etwas zittrig klingt und er sich keineswegs sicher ist ob seine Worte der Wahrheit entsprechen. An sich weiß der Junge, dass er an einem Schuss in die Seite nicht sterben muss, außer der Pfeil war vielleicht vergiftet, aber noch zeigen sich keinerlei Anzeichen dafür, also rappelt er sich wieder hoch und lässt den Blick erst über das Gemetzel schweifen und dann wieder zurück zu Faraday und ihrer Wunde.

„Ist es tief?“ Seine Stimme ist immer wieder unterbrochen von seinem keuchenden Atem und einmal von einem Stöhnen das von seinen Schmerzen herrührt als er den Oberkörper drehen will. Die Tatsache, dass er schon schlimmere Schmerzen gespürt hat und dass das alles dagegen ein Kinderspiel ist, will ihm nicht unbedingt ein besseres Gefühl vermitteln, sondern ruft ihm im unpassendsten Augenblick auch noch das Bild der brennenden und schreienden Frau vor Augen. Sie ruft einen Namen, aber er kann ihn nicht verstehen, auch wenn er vermutet, dass es sein eigener ist und irgendwie stirbt mit diesem Bild der letzte Funke Hoffnung, dass noch jemand lebt der ihn kennt.
In diesem Augenblick bemerken Tiuri und Faraday, beide außer Atem und mit rasendem Herzschlag gar nicht, dass hinter der Rückenlehne ein kleiner, sehniger Mann steht, einen Dolch im Mund und einen Säbel in der rechten Hand. Die Augen schwarz vor Zorn und das ganze Gesicht voller Narben setzt er dazu an sich die Rückenlehne nach oben zu kämpfen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 23. Jan. 2005, 13:02 Uhr
Ihr Kampf ist ein einziges wildes, herrliches Hauen und Stechen. Borgil vergräbt seine Axt im Bauch einer weiteren Kanalratte, bekommt sie nicht gleich wieder frei und irgendjemand brät ihm von hinten einen Schwertknauf über den Schädel, daß ihm einen Moment lang die Ohren klingeln, er losläßt und waffenlos zurücktaumelt. Doch noch eher sein Angreifer einen weiteren Hieb nachsetzen kann, hat Borgil schon das Handbeil aus dem Gürtel gezogen und mitten in sein Brustbein gerammt. Auch diesmal bleibt das Axtblatt in einem Knochen stecken. "Laurin, Sil und Hammerfall, was ist denn das für eine verfluchte Kacke!" Brüllt er, während er die Füße auf die Leiche stemmt und mit beiden Händen an seiner Axt herumzerrt, um sie wieder loszubekommen. Die Chance nutzen andere und einen Moment lang sieht Borgil sich von vier Kanalratten umringt, die von allen Seiten auf ihn einstechen. Den Göttern sei Dank haben sie alle nur Dolche und Messer und seine schwere Rüstung zahlt sich aus. Metall kreischt hässlich auf Metall, als ihre Klingen über seinen Harnisch und die Schulterstücke schrammen, ohne nennenswerten Schaden anzurichten, aber einer trifft ihn am Arm, genau im Gelenkstück, wo Oberarmschiene und Kacheln aufeinandertreffen.

Brüllend vor Schmerz wirbelt er herum, donnert dem Messerstecher die eisengepanzerte Faust ins Gesicht und rammt einem zweiten einfach den narbigen Schädel in den Magen. Zweihundert Stein stahlgepanzerter Zwerg werfen den Mann schlicht um und einen Herzschlag später findet sich Borgil mitten in einer wilden Rauferei mit zwei Kanalratten wieder, mit denen er sich fluchend und keuchend auf dem blutigen Steinboden wälzt. Er bekommt einen mageren Unterarm zu fassen und in Ermangelung irgendeiner Waffe beißt er hinein, sein eisenbeschlagener Stiefel tritt gleichzeitig mit voller Wucht in etwas Nachgiebiges und einer seiner Angreifer kippt mit kalkweißem Gesicht nach hinten, hält sich das Gemächt und singt fortan vermutlich im Falsett - falls er denn singt. Wieder halb freigekommen drischt er dem anderen die steinharte Stirn auf die Nase, die mit einem leisen Knirschen bricht und Blut in alle Richtungen verspritzt und krabbelt dann mühsam und schnaufend wie ein Blasebalg wieder auf die Füße. "Bah! Kchhh...kein....kchckch... einfach... kch... kein Rückgrat... diese... Ratzen..." Er wankt noch recht atemlos zu seinem Beil zurück, das noch immer die Eingeweide einer toten Kanalratte ziert und holt es sich wieder.

Irgendetwas hat er abbekommen, denn in seinen Ohren ist ein pfeifender Summton und er hat das seltsame Gefühl, ein wenig zu tief ins Glas geschaut zu haben. Außerdem spürt er, daß er unter dem Panzerwerk heftig am Arm blutet, aber er hat keine Zeit, jetzt seine Wunden zu lecken oder ein wenig kürzer zu treten. Inzwischen ist er taub vom Klirren des Stahls und dem Schreien ringsum, der Schweiß sticht ihm brennend in die Augen, sein ganzer Körper schmerzt und Blut, Dreck und Hirnmasse verkleben seinen Bart und seine Kleider - und er genießt jeden Atemzug. Caewlin pflügt sich gerade wie ein Berserker durch eine Horde Kanalratten, Phelan auf der anderen Hallenseite bewegt sich so schnell, daß nur noch blauschimmernde Schwertstreiche von ihm zu sehen sind - und Borgil stellt befriedigt fest, daß sich die Reihen der Kanalratten trotz ihrer Übermacht inzwischen gewaltig gelichtet haben. "HA!" Brüllt er und einen Moment ist ihm schlecht, weil sich alles um ihn dreht. Dann wendet er sich selbst mit einem bösartigen Schnauben dem nächsten Gegner zu.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 23. Jan. 2005, 14:25 Uhr
Whytfisk ist schnell, so verdammt schnell, dass Raven keine seiner Bewegungen auch nur vorausahnen kann, als sie auf ihn zuwankt, blind vor Hass und Tränen. Die langen Tage in der Dunkelheit der Felsenkammer, Tage ohne Wasser und Nahrung, die sie in glühendem Fieber und alptraumhafter Verzweiflung verbracht hat, Tage voller schrecklicher Ereignisse, haben ihre Kräfte restlos aufgezehrt und fordern nun ihren Tribut und sie hat nicht die geringste Chance gegen die tänzerische Leichtigkeit, mit der Whytfisk ihren blindwütigen Angriff pariert. Mit der geschmeidigen Schnelligkeit einer Raubkatze weicht er den herabsausenden Eisen aus und tritt ihr hart gegen die Beine, dann wirbelt er herum und rammt ihr mit voller Wucht das Knie in die Magengrube. Würgend und Blut spuckend geht sie zu Boden und ihr zerschundener Körper krümmt sich unter der Gewalt seines Schlages zusammen wie ein Schnappmesser. Mag sein, dass er ihr auch noch ein paar Rippen gebrochen hat - sie weiß es nicht und sie kann es nicht einmal mehr spüren, ihr ganzer Leib scheint nur noch ein einziger, brennender Klumpen Schmerz zu sein. Whytfisk lässt ihr nicht einmal Zeit zum Luftholen, sondern packt sie grob an den Haaren und reißt sie auf die Füße. Verbissen versucht Raven, sich gegen seinen harten Griff zur Wehr zu setzen, kratzt und beißt und tritt um sich wie ein in die Enge getriebenes Tier, doch sie hätte genauso gut auf eine Backsteinmauer einschlagen können, denn all ihre Gegenwehr scheint Whytfisk überhaupt nicht zu kümmern und entlockt ihm nicht mehr als ein säuerliches Lächeln.

In ihrem Inneren weiß sie, dass es völlig wirkungslos ist, was sie tut, aber der glühende Hass und die Angst, die in ihren Adern brodeln, wollen hinaus und suchen sich ein Ventil, bahnen sich ihren Weg, ohne dass sie sie noch kontrollieren könnte. Voller Verzweiflung und Zorn prasseln ihre Schläge auf Whytfisk nieder, aber sie werden schwächer und schwächer, bis ihre Kräfte mit einem wimmernden Schmerzenslaut aus ihrer Kehle vollends erlahmen. Rasselnd pfeift ihr Atem durch ihre Lungen und sie schnappt heftig keuchend nach Luft, als müsse sie jeden Augenblick ersticken. Sie kann ihn mit dem ihr verbliebenen Auge nur hasserfüllt anstarren, sein Gesicht kaum eine Handbreit von ihrem entfernt, doch sie hat keine Kraft mehr, auch nur einen einzigen Hieb gegen ihn zu führen. Seine Lippen, nicht mehr als zwei dünne, blutleere Striche in der knochigen Fratze, teilen sich zu einem widerwärtigen Grinsen. Einen atemlosen Augenblick lang lässt er Raven hinter die Maske aus Selbstbeherrschung und eiserner Disziplin sehen und was er ihr offenbart, lässt ein so tiefes Gefühl des Abscheus und Ekels in ihr hochsteigen, dass es sie schüttelt. Er hat sich jedoch sofort wieder in der Gewalt und winkt mit einer lässigen Handbewegung den Wachposten heran, der von der Tür aus alles mit sichtlichem Unbehagen beobachtet. Mit seiner Hilfe nimmt er ihr die schweren Eisenschellen von den Knöcheln und Handgelenken und reißt ihr die Arme nach hinten, um sie mit Stricken auf ihren Rücken zu binden, wobei ihm das zähnefletschende Lächeln geradezu im Gesicht festgefroren zu sein scheint. Seine Augen glänzen wie in einem irren Fieber, als er sie packt und aus der Zelle schleift.

Kraftlos taumelt Raven hinter ihm her, stolpernd und auf dem unebenen Boden immer wieder strauchelnd, versucht mit ihm Schritt zu halten, um nicht zu stürzen und jedes Mal, wenn sie zu fallen droht, reißt er sie am Kragen wieder in die Höhe. Whytfisk hat es eilig und seine Stiefelsohlen scheinen vor bebender Vorfreude förmlich über den kalten Stein des Tunnels zu schweben. Die brennende Fackel trägt er wie ein Zepter am ausgestreckten Arm vor sich, als würde er einen Triumphzug anführen und sein Gesichtsausdruck spiegelt wieder, dass es für ihn auch genau das ist - sein endgültiger Triumph, den er auskosten wird bis zu seinem bitteren Ende. Das blutüberströmte Bündel, das er hinter sich herzerrt, ist das Unterpfand in seinem grausamen Spiel, seine Trumpfkarte, die er zur richtigen Stunde aus dem Ärmel schütteln und gegen den Sturmlord einsetzen wird. Und doch behindert ihn in diesem Moment ihre zerschlagene Gestalt, die sich kaum noch auf den Beinen halten kann, sie bremst seine federnden Schritte und verzögert das nahende, lange ersehnte Stelldichein, dem er zitternd entgegenfiebert. Als Raven abermals stolpert, lässt er sie mit einem Zucken seiner dünnen, bleichen Brauen einfach zu Boden gehen und schleift sie an den Stricken hinter sich her wie ein verendendes Tier, das er zur Schlachtbank bringt. Die Hände auf den Rücken gefesselt, kann sie sich weder abfangen, noch irgendwo festhalten und schrammt sie sich auf dem schartigen Felsboden des Tunnels das Gesicht blutig, doch Whytfisk denkt gar nicht daran, loszulassen oder seine Schritte zu verlangsamen. Sie hat keine Ahnung, wo sie sind oder wo er sie hinschleppt und es ist ihr auch egal, ganz egal, es hat keinerlei Bedeutung mehr. Das Spiel ist verloren und sie weiß es und der einzige Wunsch, den sie noch hat, ist, dass diese mörderischen Schmerzen aufhören würden, die in ihr wüten und alles endlich, endlich zu einem Schluss finden würde, gleichgültig wie er aussieht.

Als sie an eine Kreuzung zweier Tunnel gelangen, bugsiert Whytfisk sie wieder auf die Füße und stößt sie vor sich her in einen breiten Gang, der in nördlicher Richtung führt. Er hält sie wie ein lebendiges Schild vor sich, während sein knochiger Griff ihre Schultern umfasst und sie vorwärts schiebt, und der Blick aus seinen farblosen Augen eilt ihm in gespannter Erwartung voraus zum Ende des Stollens. Glutroter Feuerschein huscht über die nackten Felswände und je näher sie dem Ende des Ganges kommen, desto mehr glaubt Raven, in einen brodelnden Höllenschlund zu gelangen. Beißender Qualm und lodernde Flammen schlagen ihnen entgegen und der widerlich süße Gestank nach verbranntem Fleisch legt sich pelzig auf ihre Zunge. Das Gewölbe muss riesig sein, Wände und Boden durchzogen von bleichem, bizarr geformtem Wurzelwerk, als würden sie sich in den Eingeweiden eines gigantischen Baumes befinden, und seine Ausmaße kann sie nur erahnen. Die Decke über ihnen wölbt sich hoch ins Nirgendwo und verliert sich in dichten Rauchschwaden, das Ende der Halle liegt weit entfernt und ist nicht einmal mehr zu sehen. Aus einer gewaltigen Grube vor ihnen schlagen helle Flammen empor und das Fauchen und Brüllen des Feuers mischt sich mit dem Kreischen von aufeinanderprallendem Stahl und den Schreien sterbender Männer zu einem todbringenden Lied.

Whytfisk wendet sich nach links, fasst sie mit unerbittlichem Griff unter und zerrt sie an der wurzeldurchzogenen Hallenwand entlang, schlägt Haken um tote Kanalratten, um Verwundete und um sterbende Männer, deren übel zugerichtete Leiber verblutend zu ihren Füßen liegen, und sie passieren den Eingang eines weiteren Tunnels, der von Süden aus in die Halle mündet. Ein gutes halbes Dutzend bis zur Unkenntlichkeit verkohlter Leichen liegt mit verrenkten Gliedern an der Einmündung des Ganges, die Gesichter zu fleischlosen Fratzen zerfallen. An manchen lecken noch immer gierig die Flammen und fressen die letzten Haut- und Kleiderfetzen von den Knochen. Das Gesicht eine gefühllose Maske, steigt Whytfisk über die Leichname seiner Männer hinweg, den Blick völlig entrückt auf die tobende Schlacht gerichtet, die in der Weite der Halle hin und her brandet. Armbrustbolzen schneiden durch die rauchgeschwängerte Luft, Schwertstahl kracht auf Schwertstahl, ein Kanalratte taumelt an ihnen vorbei, das Gesicht von der Wucht einer gegnerischen Waffe völlig zerschmettert, doch Whytfisk lässt dies alles ungerührt.

Auf einer flachen Erhebung, die sich wie ein Schildbuckel aus dem Boden der Halle wölbt und ihm eine gute Sicht auf das Geschehen gewährt, hält er schließlich inne. Er hat Zeit, alle Zeit der Welt, und er nimmt sie sich, um zufrieden wie ein siegreicher Feldherr sein Werk zu betrachten. Still und lautlos sinkt Raven neben ihm zu Boden, als er den Griff ein wenig lockert. Sie kann nicht mehr. Und sie will auch nicht mehr. Durch einen roten Schleier aus Schweiß und Blut folgen ihre Augen Whytfisks Blick, der starr auf einem einzelnen Mann in der Menge ruht. Die hochgewachsene, breitschultrige Gestalt mit dem rotierenden Morgenstern, die sich als schwarze, scharfumrissene Silhouette gegen das Lodern der Feuergrube abhebt, hätte sie unter Tausenden erkannt. An seiner Seite hackt sich eine bluttriefende Streitaxt durch die Meute der Angreifer, hinter der sie einen vertrauten, narbigen Schädel und einen wogenden Bart erkennt, flammend wie Kupfer im Schein des Feuers. Borgil.... Caewlin... oh, ihr Götter...

Caewlin. Nun ist er genau da, wo der Bleiche ihn haben wollte und all ihre Mühen haben nichts weiter eingebracht, als Whytfisk zu belustigen. Nichts hat sie verhindern können, nichts abwenden oder aufhalten und ihr bitterliches Versagen würde Caewlin wohl letztendlich das Leben kosten. Beim Anblick des herumwirbelnden, um sich schlagenden Nordmanns, der einen Angreifer nach dem anderen mit seinem sirrenden Morgenstern niederschmettert, als würde er sich durch ein Feld aus reifem Weizen mähen, wird ihr die Kehle eng und sie muss sich eingestehen, dass sie im Moment mehr Angst vor ihm als vor Whytfisk hat. Angst vor seinen Vorwürfen, Angst vor bitteren Worten, die er ihr mit jedem Recht der Welt ins Gesicht schleudern könnte. Er weiß nichts von den Gründen, die sie hierher getrieben haben, nichts von hoffnungslosen Gedanken, nichts von einem verschwundenen Gefährten und ihrer Verzweiflung und sie hat keine Zeit mehr, zu erklären. Es ist zu spät für Worte, viel zu spät. Sie öffnet die Lippen, will schreien, sich bemerkbar machen, ihm irgend etwas zurufen, doch kein Laut dringt aus ihrer wunden Kehle, als Whytfisk ihr den Hals zudrückt und sie erbarmungslos weiterschleift, vorbei an singenden Schwertern, an seinem Heer von kämpfenden Ratten, vorbei an verbrannten Körpern und Lachen von dunkelglänzendem Blut, bis sie in die kalte Finsternis eines Tunnels eintauchen und Lärm und Schreie hinter ihnen zurückbleiben.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 23. Jan. 2005, 15:04 Uhr
Ein Speer durchbricht seine Deckung und schrammt dicht über dem Knie über seinen linken Oberschenkel, doch diesmal spürt er den Schmerz nicht einmal, sondern kämpft knurrend weiter. Inzwischen blutet er ohnehin aus einem halben Dutzend kleinerer und größerer Fleischwunden. In seinem rechten Arm steckt ein Pfeil von dem er nicht einmal weiß, wann er ihn getroffen hat und sein Überwurf hängt mittlerweile völlig in Fetzen. Akira ist bald neben ihm, bald vor ihm, bald hinter ihm und er selbst verteilt Hiebe nach allen Seiten und allen Kanalratten, die in Reichweite kommen. Irgendwann hat er für einen Moment keinen sicheren Stand mehr und der reine Instinkt rettet ihn, der ihn seine Waffe hochreißen läßt, um einen Hieb abzufangen. Er strauchelt nach hinten, weicht aus, duckt sich und stürzt wieder vor, unterläuft die Deckung seines Gegners und trifft dessen Herz - dann sieht er ihn. Auf einer kleinen Erhebung, lächerliche zehn Schritt entfernt hinter den Linien der übrigen Kanalratten, umweht von schwarzem Rauch. Die Götter allein wissen, wie lange er schon dort steht und ihn anstarrt. Es ist lange her, daß Caewlin dieses Gesicht zum letzten Mal sah, fast drei volle Jahresläufe, doch er hat es nie vergessen. Die schmalen Züge und der feingeschnittene Mund hätten einer Frau gehören können, doch grobe Knochen geben ihm etwas herbes, die pergamentfahle Haut wirkt krankhaft und er kennt niemanden, der derart kalte Augen besitzt.

Whytfisk. Und da... neben ihm... kauert eine zierliche Gestalt am Boden, die Augen das einzig helle in einem blutverschmierten, verschwollenen Gesicht, der Blick völlig leer. Raven. Caewlin schüttelt die im Tod gegen ihn gesunkene Kanalratte ab und starrt über das schreiende, blutige Chaos hinweg mit brennenden Augen in das bleiche, knochige Gesicht und in ein Paar milchweißer, hungriger Augen. "Whytfisk." Sein Gesicht mag reglos bleiben, aber die Adern an seinem Hals pulsieren heftig im Rhythmus seines Herzens, das wie eine Trommel gegen seine Rippen schlägt - und dann kommt Bewegung in ihn. "WHYTFISK!" Falls der Mann ihn hört, zeigt er keine Regung, doch im flackernden Schein des Feuers, der Brände und der verkohlenden Leichen kann Caewlin hektische rote Flecken auf den wachsweißen, eingefallenen Wangen erkennen - dann ist er verschwunden und Raven mit ihm, alles, was Caewlin gerade noch sehen kann, ist ein Stück Lumpenmantel, der hinter durcheinanderwimmelnden Kanalratten und herumkriechenden Verwundeten in die Dunkelheit an der rechten Hallenwand verschwindet. "WHYTFISK!" Caewlin blickt sich hastig um, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Raven zu retten und die anderen nicht im Stich zu lassen, befiehlt Akira bei Borgil zu bleiben, tauscht einen kurzen Blick mit dem Zwergen, der nur nickt, und hetzt dann in die Richtung, in die Whytfisk verschwunden war.

Drei Tunnel auf dieser Seite, drei pechschwarze, stinkende Stollen und er hat keine Ahnung, in welchen der wahnsinnige Kanalrattenführer Raven gezogen hatte. Zuerst folgt er ein Stück dem ihm nächsten, doch schon nach zwei Schritt steht er knöcheltief in Brackwasser. Da er außer seinem eigenen Atem kein anderes Geräusch hören kann und selbst Whytfisk nicht in der Lage ist, über Wasser zu wandeln muß es ein anderer Gang sein und er rennt fluchend zurück. Im nächsten Tunnel umfängt ihn augenblicklich pechschwarze Finsternis, aber er hört deutlich ein leises Wimmern, Schritte und das Schleifen eines Körpers über Fels. "WHYTFISK!" Er rennt in die kalte Schwärze und kann schon nach wenigen Schritten absolut nichts mehr vor sich erkennen, allenfalls noch die groben Umrisse der Tunnelwände und selbst die verschwimmen bald zu undurchdringlicher Dunkelheit. Ihm bleibt nichts, als der vagen Ahnung von Schritten irgendwo vor sich zu folgen, und als der Gang um eine Kehre biegt, sieht er gerade noch schwachen Fackelschein unvermittelt aufflackern und wieder verlöschen - gerade so, als hätten die Felswände ringsum Whytfisk und Raven verschluckt. Verdammt! Verdammt...

Caewlin schiebt den klirrenden Morgenstern in den Gürtel zurück, hakt die Schlagkugeln ein und zieht seinen Dolch. Dann tastet er sich an der Felswand entlang weiter voran in die Schwärze... und wäre beinahe rückwärts in eine mannshohe Felsspalte gestürzt, die sich unvermittelt vor ihm auftut. Er späht hinein, kann aber nichts erkennen. Er lauscht angestrengt und versucht, seinen eigenen heftigen Atem flach und leise zu halten, kann jedoch nichts mehr hören... wenn Whytfisk hier entlang gekommen war, dann ist er mittlerweile außer Hörweite. Dann zerrt er mit den Zähnen den ledernen, blutdurchtränkten Handschuh von der Linken, geht in die Hocke und streicht vorsichtig über den Boden. Nackter, harter Stein und dann... warmes Blut.... und einen halben Schritt weiter eine schmale, abschüssige Stufe, die nach unten führt - der Absatz einer Treppe in die Tiefe. Er packt den Dolch fester, macht einen Schritt und noch einen und tastet sich langsam hinab in die Finsternis.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 23. Jan. 2005, 15:40 Uhr
In der Krypta


Die knisterne Pechfackel in der einen und die stolpernde Raven im eisenharten Griff der anderen Hand eilt Whytfisk den finsteren, gewundenen Gang entlang, die schreckliche, düstere Heiterkeit noch immer in den hellen Augen und auf dem fahlen Gesicht. Der Kampflärm aus der Honigwabe bleibt hinter ihnen zurück und es wird still und kalt - an die Tatsache, dass seine Männer dort geschlachtet werden, verschwendet er keinen Gedanken oder wenn doch, ist es ihm herzlich egal. Sie waren nie mehr als Mittel zum Zweck, willige Sklaven, Futter für die Schweine. Er erreicht die gewundene Treppe in die Tiefe, deren Zugang so geschickt verborgen im Fels der Tunnelwand liegt, und verharrt kurz, bis er sicher ist, schwere Schritte hinter sich zu hören, dann zerrt er Raven mit einem hinab ins Dunkel. Hier unten in der Schwärze regt sich nichts mehr - keine Ratten, keine Fledermäuse, nicht einmal mehr das in den Tunneln so allgegenwärtige Tropfen von Wasser auf Fels. Whytfisk zieht die keuchende Diebin unnachgiebig hinab in die Krypta, vorbei an den langen Reihen verwitterter Steinstatuen mit blassen, strengen Gesichtern und führt sie zu dem grob behauenen Sarkophag in der Mitte der Halle, die blutigen Handabdrücke darauf im schwachen Fackellicht wie schwarze Vogelschwingen auf grauem Stein. „Du weißt, wer dort liegt, kleine Raven. Kannst du seinen Geist spüren? Ungerächt und ruhelos.“ Rostiges Kichern löst sich aus seiner Kehle und wird hundertfach von den Steinwänden ringsum zurückgeworfen. Nach dem flüsternden Echo durchbrechen Schritte auf der Treppe die Stille hinter ihnen und Whytfisk spürt plötzlich sein Herz. Noch immer hat er das Schreien des Nordmanns im Ohr, hört dessen raue, dunkle Stimme, die kleine, unruhige Geister unter seiner blassen Haut geweckt hat.

Er steckt die Fackel in eine rostige Halterung an der Wand, reißt Raven herum und setzt ihr die Spitze seines langen rasiermesserscharfen Dolches dicht unterhalb des Ohres genau auf die Halsschlagader. „Wie ich es dir versprochen hatte, Schattenhaar.“ Rorge ist auf dem Weg. Er ist hier, Raven ist hier, am Grab seines Meisters und der Nordmann kommt zu ihnen - das ist alles was zählt. Seine Rache wird vollkommen sein. Sein Tod wird vollkommen sein. Wenn die anderen ihn für einen solchen Narren hielten, der glaubt, er käme lebend wieder hier heraus, sollten sie - er hat daran keinen Herzschlag lang gedacht. Die Schritte in den Schatten werden lauter. Noch immer hat er das Bild des Sturmlords in der Honigwabe vor Augen, angestrahlt von den Flammen der Feuergrube, unglaublich groß, unglaublich wütend, unglaublich drohend und dabei doch kalt wie Eis. Mit einem wohligen Erschauern und einem tiefen Atemzug legt er die Linke an Ravens Stirn, zieht ihren Kopf zurück, drückt ihn fest gegen seine Brust und legt ihre Kehle damit frei. Der Sturmlord taucht aus tiefen Dunkelheit jenseits des Fackelscheins auf wie der Leviathan aus den Neun Höllen – aufrecht, lautlos und auf  eine völlig stille Art. Blut läuft ihm aus dem Haar über die Stirn und überzieht die eine Hälfte seines Gesichtes rotschwarz. Die andere ist so bleich, weiß wie die Maske eines Harlekins.
„Und hier endet es...“

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 23. Jan. 2005, 18:18 Uhr
In der Höhle auf dem Wurzelthron

"Jen! Jeeeeeen!"

Faradays Stimme überschlägt sich fast. Sie hat den Pfeil kommen sehen, hat gesehen, wie er sich unaufhaltbar auf sein Ziel zubewegt und getroffen hat.

"Geht schon", sagt er, aber dieser Kampf ist für Faraday vorbei, verloren, all die Mühen umsonst, wenn Jen jetzt und hier sterben würde. "Jen, oh Jen." Tränen schießen ihr in die Augen und verschleiern ihre Sicht. Blut färbt das Hemd um seinen dünnen Körper rot. Faraday weiß nicht, was sie tun soll. Ihr Hals brennt wie Feuer und sie spürt wie eine warme Nässe sich ihren Weg über Schulter und Brust bahnt, aber das ist unwichtig, nebensächlich. "Jen!" Ihre Tränen sind kühl auf der erhitzen Haut und ziehen helle Spuren über ihr verschmiertes Gesicht. "Wir schaffen das, hörst du mich? Wir schaffen das!" Weiter vorne tobt der Kampf mit unverminderter Heftigkeit, während hier, an diesem Ort, die Zeit stillzustehen scheint. Und so merkt sie nicht, was sich von hinten nähert, bemerkt nicht den Mann mit dem Säbel in der Hand und mit dem Messer zwischen den Zähnen, der sich wie ein Pirat an diesem Schiff aus Wurzeln hochzieht. Alles, was sie sieht, sind Jen's Augen, den Schmerz darin, das Schwinden einer ihr unbekannten Hoffnung und den Schreck in seinen geweiteten Pupillen, als er an ihrer Schulter vorbei nach oben sieht. Er öffnet den Mund um zu rufen, aber es wird lediglich ein unartikulierter Warnlaut, der genügt, um Faraday herumfahren zu lassen.

Da ist er, über ihnen, die eine Hand an die bleichen Wurzeln geklammert, in der anderen der hoch erhobene Säbel und sein Gesicht ist von Hass, von sinnlosem, blindem Hass zu einer Fratze verzerrt. Die Zeit steht still, Faradays Gedanken rasen durch ihren Schädel, nach einem Ausweg suchend, den es nicht geben kann. Bliebe sie hier, dann würde er erst sie, dann Jen töten und wiche sie aus, dann wäre Jen sofort tot. "Nein", keucht sie mit der letzten Luft in ihren vor Unglauben geleerten Lungen. "Nein!" Der Säbel saust pfeifend hinab und teilt die Luft - und die Wurzeln des Throns. Irgendwie hat Jen seine Beine rechtzeitig wegbekommen, vielleicht aber waren sie auch gar nicht dort. Faraday ist ausgewichen, sich windend wie ein Aal, aber sie ist flinker als der Mann. Er kann nichts dafür, er tut nur das, was er tun muß, weil es zu seinem Leben gehört. Aber das ist Faraday egal. Denn es geht hier um ihr eigenes Leben. Sie zieht sich an der Lehne hoch und greift mit der einen Hand nach dem Griff des Messers, das die Kanalratte zwischen die Zähne geklemmt hat, und drückt zu, zieht den Dolch nach hinten, spürt, wie die Klinge in weiches Fleisch schneidet und dann den Widerstand von Knochen. Der Säbel poltert klirrend zu Boden. Blut sprudelt aus dem Rachen der Kanalratte, den Mund zu einem unfreiwilligen, durch die Messerklinge geschaffenen Lachen weit aufgerissen. Wenn der Mann schreien wollte, so schluckt er jetzt nur Blut hinunter, ein unschönes Gurgeln in der zerschnittenen Fratze seines Gesichts. Faraday starrt ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination an und noch immer klammert er sich wie erstarrt an der Lehne fest, als ihre Hand nach einem Schleuderstein tastet, ein faustgroßes, tödliches Stück, das sie ihm mit aller Kraft auf den Schädel schlägt. Es kracht und knackt leise, dann endlich lässt er los und er ist bereits tot, ehe er hart auf dem Boden aufschlägt.

"Jen, Jen, mach die Augen auf, er is tot, er is tot!" Ein verzweifeltes Lachen wächst in ihrem Hals heran und sie streicht ihm mit der Hand sanft über die feuchte Stirn. "Ich versuch den Pfeil abzubrechen, du tust dir sonst noch mehr weh, wenn du daran hängen bleibst." Die Angst, dass der Pfeil seine Lunge durchbohrt hat, schnürt ihr die Kehle zu. Mit fahrigen Bewegungen packt sie den Pfeilschaft mit beiden Händen und atmet dann tief ein, die Augen vom Gesicht des Jungen abgewendet. Der Pfeil birst mit einem leisen Knacken und Jen stöhnt vor Schmerz auf. "Psch!" macht Faraday, "wir haben es gleich geschafft, wir kommen hier raus. Du schaffst das. Das ist nicht mehr als ein Mückenstich, nich schlimm, wirst's seh'n." Sie hilft ihm sich so hinzusetzen, dass die Schmerzen erträglich sind und schnappt sich dann voller Entschlossenheit wieder die herabgefallene Schleuder, um ihre blutige Arbeit fortzusetzen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 23. Jan. 2005, 20:47 Uhr
Um Blutaxt herum summt der Kampflärm, der von der hohen Decke der Halle vielfach verstärkt wird. Der Körper des Mädchens ist eng an seinen gepresst und er blickt auf das Kampfgetümmel vor ihm. Hätte er nicht das Mädchen im Arm, wäre es ihm eine unbändige Freude sich in das Getümmel zu schmeissen und sich den Waldläufer vorzunehmen. Die verschiedensten Gefühle toben in Blutaxt, Wut, Begierde, Hass, Kampflust und das Verlangen zu töten und eine unbändige Freude über das Gemetzel vor ihm, viel zu lange hatten sie in ihren Löchern gesessen und auf diesen Tag gewartet.  Kurz lässt er seinen Blick durch die Halle schweifen, den warmen Körper des Mädchens deutlich an seinem fühlend, die Reihen seiner Männer haben sich gelichtet, doch sind noch genug da um die Gegner zu beschäftigen.

Doch er kommt nicht mehr dazu sich darüber genauer Gedanken zu machen, zu sehr hatte er sich von dem Kampf und seinen in ihm tobenden Gefühlen ablenken lassen. An seinem Arm, der den Dolch hält, kriecht eine ihm bekannte Hitze hoch und als er auf den Arm blickt, sieht er wie die Kleidung gerade Feuer fängt, sein Dolch wird heiss in seiner Hand, doch er lässt ihn nicht los, allerdings muss er den Griff um das Mädchen lockern. "Du verdammtes kleines Miststück!" Zu spät erkennt er, dass es ein Fehler war den Schwertarm um sie zu lockern, oder ihr direkt die Kehle durch zu schneiden. Noch halb in Gedanken mit seinem brennenden Arm beschäftigt und den Geruch von frischem verbrannten Fleisch in der Nase, bekommt er zu spät mit, wie sie sich in seinem Arm dreht, ihre Hand hochfährt und er einen schneidenden Schmerz im Gesicht spührt. Aber darum kann er sich nicht kümmern, sie enwindet sich ganz seinem Griff und hastig und fluchend schlägt er auf die Flammen ein, die sich seinen Arm hinauf züngeln auf der Suche nach neuer Nahrung. Schmerz tobt in seinem Arm und seinem Gesicht, und Blut läuft ihm in das eine Auge und verschleiert ihm die Sicht. Aber all das macht ihn nur noch rasender und steigert das Verlangen zu Verletzen , und zu töten. Nun ist es ihm egal, ob er sie tötet oder nicht, sie war ein nettes Spielzeug aber dies war ein Streich zuviel.

Sein Gesicht verzieht sich zu einer Fratze und das Blut der Wunde im Gesicht mischt sich mit dem Russ und Dreck auf seiner Haut und sein Gesicht hat kaum noch etwas menschliches an sich. Die Flammen an seinem Arm sind gelöscht und der Schmerz ist vergessen, blinder Hass treibt ihn vorwärts. Sie hat sich etwa zwei Schritte von ihm entfernt, doch diese Distanz überwindet er mit fast einem riesigen Schritt, während er seinem Schwertarm in die Höhe hebt um ihr mit einem Schlag das Leben zu nehmen, das für ihn nun mehr weniger Wert ist, als ein Pfifferling. "Und nun stirb du kleine Hure, so wie ich es dir versprochen hab!!", brüllt er ihr entgegen, während das Schwert durch die Luft saust.

Von dem Kampfgeschehen um sich herum bekommt er nichts mehr mit, sein Blick ist auf das Mädchen fixiert in dessen Augen Flammen zu tanzen scheinen und die ihn voller Hass anstarren. Doch in seinen Augen glüht es nicht weniger und alles ausser dem Wunsch zu töten ist aus seinen Gedanken verbannt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 23. Jan. 2005, 21:53 Uhr
Sein Blick sagt mehr als tausend Worte: Er würde sie töten und keine Sekunde zögern. Es war ein Kampf auf Leben und Tod und nur einer von ihnen beiden konnte ihn überleben. Aurian bemerkt nichts um sich herum, weder das auftauchen des unheimlichen Mannes, der sie überhaupt ihrem Peiniger ausgeliefert hatte, noch Faradays und Jens Kampf auf dem Wurzelthron. Sie sieht nicht mehr den tanzenden Säbel des Waldläufers, nicht die mächtige Axt Borgils. Ihre ganze Wahrnehmung ist auf einen Punkt, eine Person gerichtet: Diese großen, rothaarigen Kerl vor ihr, der sie zerstört hat. Rache! Alles in ihr schreit danach, jede Faser ihres Körper, jede Empfindung ihrer Seele wünscht seinen Tod. Mit Genugtuung sieht sie sein zerschnittenes Gesicht, die verbrannte Hand. Leiden sollst du Bastard! Seine Fratze ist eine Ausgeburt der neun Höllen, als er erneut auf sie zustürmt. >Und nun stirb du kleine Hure, so wie ich es dir versprochen hab!!< Das Schwert saust durch die Luft und reflexartig lässt das Mädchen sich zur Seite fallen, um dem Hieb auszuweichen. Doch sie ist nicht schnell genug und so streift die Klinge ihr Bein und hinterlässt einen Schnitt, aus dem Blut auf den Boden sickert. Doch sie bemerkt ihn nicht und ist ebenso schnell wieder auf den Beinen wie sie sich hat fallen lassen. Ihr Hass ist noch eine Spur gewachsen. Und als er erneut auf sie zustürmt, treffen ihn blaue Blitze vor die Brust, die ihn in der Bewegung erstarren lassen: Nur in seinen Augen ist zu erkennen, dass er alles um sich herum wahrnimmt.

Langsam geht die junge Magierin auf ihn zu, fixiert ihn dabei, lässt ihn keinen Moment aus den Augen. Sie ist um einiges kleiner, zart und doch geht in diesem Moment eine unglaublich starke magische Aura von ihr aus. Sie umrundet ihn und bleibt erneut vor ihm stehen. Sie kann in seinen Augen lesen, welch Hass in ihm kocht, dass er sie sofort und auf der Stelle töten würde wenn er könnte. Doch er ist zu Unbeweglichkeit verurteilt. „Wie ist das, was ist das für ein Gefühl, jemandem ausgeliefert zu sein, sich nicht wehren zu können?“ Sie fährt mit dem Dolch seine Gesichtszüge nach, ohne die Haut zu ritzen. „Du hast mein Leben zerstört, du verdammter Bastard. Du Schwein hast mir alles genommen, meine Seele in Trümmer geschlagen und als Scherbenhaufen hinterlassen. Dafür wirst du zahlen, hier und jetzt und wenn es eine Gerechtigkeit gibt noch mal bei Sithech. Den ihm wirst du begegnen und zwar bald!“ Noch einmal streicht die Klinge durch sein Gesicht, dann geht sie einen Schritt zurück und in diesem Moment beginnen seine Kleider zu rauchen und zu schwehlen, beginnend an den Hosenbeinen. Angst, Entsetzen und Erkenntnis ob seines nahen Todes ist in seinen Augen zu lesen. „Spür ihn, den heißen Kuss des Todes!“ Ihre Stimme ist leise und doch ist ein Beben darin nicht zu überhören.    

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 23. Jan. 2005, 23:58 Uhr
In der Krypta


Caewlin tastet sich in völliger Finsternis die abschüssigen Steinstufen hinab und bewegt sich in den Schatten auf einen kleinen, leuchtenden Punkt in der Schwärze vor ihm zu. Es ist, als steige er in ein Grab hinab. Das ist es auch. Eine Gruft. Und ich weiß, wer hier unten liegt. Lange Zeit ist das einzige Geräusch, das er hören kann, sein eigener Herzschlag und das Donnern seines Blutes, dann hört er ein geisterhaftes Wispern, zu leise, als daß er Worte verstehen könnte. Noch rollt das Adrenalin stoßweise durch seine Adern und hält ihn aufrecht, aber sein ganzer Körper schmerzt, er hat den kupferkalten Geschmack von Blut im Mund und sein linker Arm ist beinahe taub – außerdem droht sein verwundetes Bein bei jedem Schritt unter seinem Gewicht nachzugeben. Etwa in der Mitte dieser düsteren Säulenhalle ist ein grob behauener, rechteckiger Steinblock... Blaerans Grab... und davor sind sie. Whytfisk hat Raven in seiner Gewalt, ein lebendes Schutzschild vor dem hageren Körper, eine lange, dünne Klinge direkt an ihrem Hals. Seine schweren, fast wimpernlosen Lider haben sich in trügerischer Gelassenheit halb über die hellen Augen gesenkt und er wirkt völlig entspannt.

Als Caewlin vollends aus den Schatten in den Lichtkreis der Fackel tritt, zeigt sich noch immer keine Regung auf Whytfisks Gesicht, aber dünne Haarsträhnen, ebenso fahl und farblos wie alles an ihm, kleben ihm schweißfeucht in der Stirn und Caewlin kann sehen, wie seine Halsschlagader heftig pocht. >Und hier endet es...< die geflüsterten Worte sind so leise, daß Caewlin Mühe hat, sie zu verstehen, aber es schwingt ein Unterton in ihnen mit, der ihm einen kalten Schauder über den Rücken jagt. Er holt stockend Atem, bewegt sich seitlich und misst mit den Augen den Abstand zu Whytfisk.... zu weit, um ihn mit einem schnellen Schritt zu erreichen. Dann sucht er Ravens Blick. Er ist nicht mehr leer, aber voller Entsetzen und trifft seinen mit einem stummen Flehen. Ihr Haar hängt ihr wirr und strähnig aus den Resten eines Zopfes in das erschreckend blasse Gesicht, sie hat tiefe Schatten unter den Augen, und eine böse Prellung über der linken Braue. Ihr Wams ist starr und feuchtfleckig von altem wie neuem Blut, und sie sieht aus, als kämpfe sie gegen große Schmerzen an. "Laß sie los." Zwei Schritt zur Seite und Whytfisk dreht sich mit. "Du kannst uns nicht beide zur gleichen Zeit mit deinem Dolch in Schach halten. Laß sie los." Noch ein Schritt und Whytfisk folgt ihm. "Laß sie gehen."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 24. Jan. 2005, 21:55 Uhr
Blutaxt sieht wie sein Schwert niedersaust,Flammen auf der Scheide tanzen, auch wenn immer noch Blut in sein Auge läuft, doch das Mädchen ist schnell und lässt sich zur Seite fallen und der Hieb trifft nur ihr Bein, anstatt ihr den Schädel  zu spalten. Ein wütendes Grollen dringt aus seiner Kehle, das von dem Kampflärm um sie herum fast geschluckt wird, doch für den Kampf hat er keine Augen, sondern nur für das Mädchen, das blitzschnell wieder auf die Beine kommt, ehe er sich ihre Position zu Nutze machen kann. Blinder Hass und kalte Wut toben in ihm, feuern ihn an und alles Denken ist ausgeschaltet ,er handelt nur noch. Blutaxt startet einen neuen Angriff, will sie mit einem Schlag töten, sieht die blauen Blitze und kann sich nicht mehr bewegen - kein Haarbreit kann er seine Füsse vorwärts setzen und nicht einen fingerbreit seine Hand bewegen. Er starrt auf seinen verkokelten Arm, der gerade in einer Vorwärtsbewegung war, und der in der Bewegung erstarrt ist. Blutaxt fühlt jeden einzelnen Muskel im Körper und seine Adern am Hals und auch an den Armen und Beinen schwellen vor Anstrenung an. Doch es nützt nichts, all seine ganze Kraft ist umsonst. Wut umhüllt ihn wie ein Nebel und nur undeutlich kann er ihr Gesicht sehen.

Doch dann klärt sich sein Blick und überdeutlich nimmt er alle Geräusche war und alles was um ihn herum geschieht, nur das er sich nicht bewegen kann.Er will ihr etwas entgegen brüllen, sie verfluchen und ihr die Pest und noch Schlimmeres an den Hals wünschen, aber selbst seine Zunge gehorcht ihm nicht mehr. Auch seine Augen sind starr und er kann sie nicht bewegen. Das Mädchen kommt auf ihn zu, blanken Hass in den Augen, sie geht um ihn herum, verschwindet aus seinem Blickfeld und taucht dann wieder vor ihm auf. Stellt sich vor ihn und der Triumpf ist in ihren Augen zu sehen und lansgam begreift er was geschieht. Sie nimmt ihren Dolch, zieht die Klinge über sein Gesicht, ohne dass sie ihn verletzt, kalter Stahl zu kalter Wut, und erneut versucht er sich zu bewegen, von der Stelle zu kommen um sie zu töten. Aber wie eben ist alle Anstrengung um sonst. Sie beschimpft ihn, verflucht ihn, was ihm in einer anderen Situation nur ein müdes Lächeln abgerungen hätte, doch langsam spürt er ein neues Gefühl in sich, eins das er so noch nie gekannt hat -  Hilflosigkeit. Aber Blutaxt versteht nicht, was sie ihn damit lehren will, er fühlt sich nur noch wütender und versucht immer wieder sich zu bewegen.

Und dann ist da wieder dieser Geruch, der Geruch von Magie und schwelendem Stoff, er kann nicht an sich herunter sehen, aber er spürt die Hitze, die seine Beine hochkriecht. Quälend langsam breiten sich die Flammen aus, lecken über seine Haut, lassen Rauch hochkräuseln, der ihm in seine Nase steigt und ihn sein eigenes verbranntes Fleisch riechen lässt. Schmerzen ungekannter Art toben durch seine Beine und jeder Versuch sie zu lindern scheitert an seiner Unbeweglichkeit. Panik steigt in Blutaxt hoch und die Erkenntnis, dass wen jetzt kein Wunder mehr geschieht, er sich in Sitechs Hallen wieder finden wird. Nein!!! Nein!!! So war das nicht geplant, dies ist mein Tag der Rache und nicht der eure, Der Dunkle soll euch alle verfluchen...ihr Missgeburten!!, brüllt es in seinem Inneren und hallt in seinem Kopf wieder, aber kein Wort verlässt seine Lippen und er kann das Mädchen nur noch voller Hass ansehen, ehe ihm die Schmerzen fast die Besinnung rauben. Und dann plötzlich ist es vorbei, der Schmerz lässt nach und der Rauch verzieht sich und Hoffnung keimt in ihm auf, das ihre Magie sie verlassen hat und er seine Rache doch noch zu Ende bringen kann.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 24. Jan. 2005, 22:35 Uhr
Sie spielt mit ihm und weiß dabei nicht einmal genau, wie sie es macht. Alles scheint wie von selbst zu gehen, so als sei sie nicht mehr die Selbe. Dass um sie herum ein erbitterter Kampf auf Leben und Tod tobt, nimmt sie nicht wahr. Sie realisiert nichts außer ihm und ihrer Rache. Kurz schießen ihr die Worte des Nordlords durch den Kopf:> Ihn umzubringen ist dein Recht. Tu es und es wird dich erleichtern.< Erleichtern? Im Moment genießt sie es und doch erschreckt sie ihre eigene Kälte. Ihre Gedanken waren für einen Augenblick abgeschweift und so konnten die Flammen an seinen Beinen wieder verlöschen. In den Augen des Mannes glimmt ein kleiner Hoffnungsschimmer und sein Zorn scheint sich wieder zu vergrößern. Doch er kann sich nicht bewegen und Aurian hat nicht vor, diesen Umstand zu ändern. Nun gut soll er glauben, es gäbe noch Hoffnung, die gibt es nicht! Erneut umrundet sie ihn, betrachtet seine versengten Beine. Der süße Geruch nach verbranntem Fleisch füllt bereits die gesamte Höhle, und dieser, sein Geruch, verliert sich in den anderen. „Wie fühlt man sich so, wenn man weißt was kommt und man nichts dagegen tun kann?“ Erneut wandert der Dolch in ihre Hand, zieht bedrohliche Kreise auf seiner Haut, kommt auf der Halsschlagader zum ruhen. „Wie wär’s wenn ich dir gleich hier und jetzt die Kehle durchschneide. Genauso nebenbei wie du mein Leben zerstört hast. Was wäre das für ein Gefühl zu bluten wie Schwein und nichts tun zu können?“ Der Stahl der Klinge reflektiert einen der Lichtblitze des Säbels, den der Waldläufer noch immer auf den Körpern der Angreifer tanzen lässt. Im Hintergrund ist das schaurige Knurren der Bluthündin zu hören und die Flüche des Zwerges. Doch alles scheint so weit weg zu sein. Mit einem leisen Ratsch zerschneidet sie sein Hemd. Dabei sieht sie ihm in die Augen und ihr Blick, voll von kalter Wut und von dem unbändigen Wunsch nach Rache beseelt, hätte die neun Höllen zufrieren und alle Dämonen fliehen lassen. „Jedem zum Tode verurteilten wird noch ein Wunsch gewährt. Ich weiß nicht, ob du es dir es noch immer wünschst, aber vor einigen Tagen wolltest du einen Kuss. Nun, du sollst ihn haben, den Kuss des Todes!“ Mit diesen Worten küsst sie ihn auf den Mund, hart, voller Verachtung und nur, um ihm anschließend ins Gesicht zu spucken. Und während sie einen Schritt zurückgeht, beginnen kleine Feuerbällchen über seinen entblößten Oberkörper zu tanzen, die Haare auf seiner Brust zu versengen. Wie Mücken umschwirren sie ihn und er kann nichts tun. „Sag mir nur eines: Warum? Warum habt ihr mich geholt? Deinen Spaß hättest du auch schon im Wald haben können, ohne dir die Mühe zu machen, mich hier her zu bringen! Los rede, und vielleicht, vielleicht stirbst du etwas schneller!“ Sie starrt ihn an und im selben Moment merkt er, das er seine Zunge wieder bewegen kann.    

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 24. Jan. 2005, 23:55 Uhr
In der Krypta


"Und ich bin tot. Ich glaube nicht, daß ich das tue." Das irre Lächeln auf Whytfisks Gesicht ist einer Art düsterem Leuchten gewichen. Er spürt sein Herz, sein altes, kaltes, dunkles Herz, das so lange stumm unter einem Stein geschlafen hatte. Nichts hat je vermocht, es zu wecken, nichts außer Blaeran und seine ungeheure... Präsenz. Dann hatten sie ihn verbrannt und nichts war geblieben außer kalter Asche, bleichen Knochen und noch kälterer Leere. Jetzt spürt er es wieder, dumpf und hart in seiner Brust. Die Präsenz die von diesem Mann ausgeht ist völlig anders, seine Mischung aus Stärke, Schwäche, Angst um die Frau und schwarzem Zorn absolut unwiderstehlich. Trotz seiner Verletzungen bewegt sich der Nordmann wie eine große Katze, lässig wie ein Kater, der faul durch die Sonne schlendert - und doch... selbst jetzt, als er um das erbärmliche Leben dieser stinkenden Hure feilscht, schwelt eine seltame Mischung aus Wildheit, Düsternis und melancholischer Entschlossenheit in ihm. Aber sein Zorn ist kalt, so kalt. Keine blinde, rotschleierne Wut, kein brüllendes Toben... nur Kälte und Beherrschung. Whytfisks stets so sorgsam kultivierte Gleichgültigkeit ist in Aufruhr, seine eiserne Disziplin, Maske für völligen Wahnsinn, in kosmischer Auflösung - doch dann bemerkt er Caewlins Blick und das flackernde Leuchten der Irre auf seinem Gesicht wird zu einem schmalen Verziehen seines Mundes, ein kurzes, wildes Aufblitzen spitzer Zähne. "Denk nicht einmal daran. Sie ist tot, bevor du mich erreichst." Der Nordmann bewegt sich zur Seite und Whytfisk dreht sich mit ihm, Raven gnadenlos an seine Brust gepresst. "Mut hast du, das muß ich dir lassen." Noch ein Schritt, noch eine halbe Drehung. Diesen Mann auch nur einen Herzschlag lang aus den Augen zu lassen wäre sein Todesurteil und Whytfisk weiß es. "Sie auch - wenn auch nicht viel Verstand. In diesem Punkt passt ihr beide wirklich wunderbar zusammen. Aber halte mich bitte nicht für ebenso dumm. Nur weil ich sie habe, bin ich noch am Leben, glaub nicht, daß ich dich unterschätze. Du bist vier Kopf größer und sehr viel schwerer als ich, und doch bist du schnell... so schnell. Ich habe gesehen, wie du kämpfst. Vielleicht sterbe ich hier unten, aber sterben müssen wir alle, nicht wahr? Wenn es so sein soll, dann soll es so sein... aber es wird zu meinen Bedingungen so sein und bevor wir soweit sind, will ich noch ein wenig... spielen. Willst du nicht stehenbleiben? Dieses Ringelpiez ist ermüdend. Du kommst nicht in meinen Rücken. Ich weiß es, du weißt es, sogar sie weiß es... wir können also damit aufhören, uns hier zu umkreisen. Wenn du mich fragst, haben wir einen toten Punkt erreicht. Ich habe sie und du kannst mich nicht angreifen." Ein heiseres Kichern löst sich aus Whytfisks Kehe. "Also spielen wir. Ah... du weißt doch, was ein Spiel ist?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 26. Jan. 2005, 08:47 Uhr
In der Krypta



Noch ein Schritt zur Seite. Sein verletztes Bein pulsiert wild und das Knie knirscht vor Schmerz und wieder folgt ihm Whytfisk, Ravens Körper und Leben als Schild. Das Messer an ihrem Hals rührt sich keinen Fingerbreit. Whytfisks Stimme schwappt über ihn hinweg, ein glatter, dunkler Singsang, schmierig wie ein Aal, die Worte seltsam verdreht und glasklar zugleich. Wahnsinnig. Er ist vollkommen wahnsinnig. Caewlins Gedanken rasen in alle Richtungen davon, während er sich mit wachsender Verzweiflung fragt, wie er den Weißfisch ködern und Raven außer Reichweite bringen kann. Noch ein Schritt zur Seite. In seinem Knie kreischt es rot und pochend. >Willst du nicht stehenbleiben? Dieses Ringelpiez ist ermüdend. Du kommst nicht in meinen Rücken. Ich weiß es, du weißt es, sogar sie weiß es... wir können also damit aufhören, uns hier zu umkreisen.< "Nein," erwidert er sehr trocken. "Es ist das einzige, das mir einfällt, um Zeit zu schinden." Selbst Whytfisk macht einen Moment lang ein erstauntes Gesicht, hat sich aber sofort wieder in der Gewalt. Caewlin weiß genau, daß er keine Zeit mehr zu verlieren hat - er spürt, daß er unter dem Kettenhemd stark blutet, sein Hemd und das wattierte Wams darunter sind mittlerweile rot durchtränkt und klebrig. Die Hitze der Kämpfe oben und das Adrenalin in seinem Blut, die ihn bisher vor den schlimmsten Schmerzen bewahrt haben, lassen nach und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er einfach umkippen würde. Wenn ich ohnmächtig werde, ist es vorbei.  "Aber... du hast recht. Sterben müssen wir alle. Die Götter haben unseren Lebensfaden schon lange gewoben, so oder so." Langsam und tief atmet er ein und wieder aus. Cal. Brynden. Es tut mir so leid. "Ein Spiel also. Du willst ein Spiel." Caewlins Blick sucht Raven und hält sich an dem schmalen, blassen Gesicht unter der Maske aus Dreck und Blut fest. Einen Moment lang verzerren sich Whytfisks Züge völlig, doch Caewlin sieht ihn nicht an. "Gut... aber wir setzen alles. Ich schlage dir neue Spielregeln vor - du läßt sie gehen und bekommst dafür... mich." Noch ein Schritt und diesmal belastet er mit voller Absicht sein verwundetes Bein. Im ersten Moment fürchtet er, es würde einfach unter ihm wegknicken und er könnte fallen, im zweiten, daß er sich vor Schmerz übergeben muß - aber er bleibt stehen und bei Bewußtsein. Die Messerspitze zittert und ritzt Ravens Haut. Whytfisks helle Augen glühen wie bleiche Flammen in dem hageren Gesicht, aber Caewlin hat noch immer keinen Blick für ihn übrig. "Laß sie gehen und nimm mich dafür. Sieh sie dir an, sie ist erledigt. Du wolltest doch von Anfang an mich, nicht sie. Laß sie also los." Beweg dich eine Handbreit weg von ihr und du bist tot. "Gib sie frei und laß sie gehen."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 26. Jan. 2005, 13:23 Uhr
In der Krypta


Whytfisks Linke auf ihrer Stirn und ihrem Haar presst ihren Kopf so hart zurück gegen seine knochige Brust, dass sie glaubt, seine Herzschläge direkt in ihrem Ohr pumpen zu hören, laut und wuchtig wie ein Schmiedehammer, und doch von einer beängstigend ruhigen Gleichmäßigkeit. Jeder einzelne von ihnen lässt die Klinge an ihrem Hals erzittern und die Haut darunter färbt sich allmählich rot. Geschmeidig folgt der Bleiche Caewlins Bewegungen und lässt ihn dabei nicht aus den Augen, wie eine Kobra, die den hypnotischen Klängen eines Schlangenbeschwörers folgt, ein Schritt hierhin, ein Schritt dorthin, eine Drehung, ein Gleiten und Fließen und Lauern, und Raven dreht sich mit ihm in diesem lautlosen Tanz, gefangen in seinem Griff und von Caewlins Blicken. Sie kennt den Nordmann gut genug, um zu ahnen, dass ihn allein sein Wille und seine Entschlossenheit noch aufrecht halten und hinter der kalten Eishelle seiner Augen kann sie Verzweiflung und hämmernde Schmerzen ausmachen. Allein die Götter wissen, wie lange er schon durch dieses düstere Labyrinth aus Stollen und Gängen marschiert und was ihm auf seinem Weg hierher alles zugestoßen sein mag, und ihr Herz krampft sich schmerzhaft zusammen, als ihr Blick dem seinen begegnet. Sie weiß von Whytfisks finsteren Plänen, weiß, was er vorhat und dass sie ihm diese Möglichkeit erst verschafft hat. Und sie weiß, dass Caewlin sie dafür aus tiefster Seele hassen wird. Es tut mir leid, es tut mir so leid, es ist alles meine Schuld ... ich wollte nicht, dass es so endet, ich wollte dir nur helfen, verzeih....

Sein Gesicht ist grau wie Asche und aus einer bösen Wunde an der Schläfe sickert Blut hervor und trocknet als dünne, verkrustete Spur auf Hals und Wange. Unter dem rauchfarbenen Stahl seines Kettenhemdes haben sich dunkle, feuchtglänzende Flecken ausgebreitet und auch sein Bein scheint böse verletzt zu sein, doch er verfehlt dennoch seine Wirkung auf Whytfisk nicht, denn Raven kann bei jedem von Caewlins Worten einen erregten Schauer durch den hageren Körper des Bleichen rieseln spüren. Whytfisk spielt. Er spielt mit ihnen, spielt, wie eine Katze mit der Maus spielt, bevor sie sie mit einem Tatzenhieb erlegt, und er genießt dieses Spiel.

Sie weiß, dass es nicht Whytfisks Ziel ist, sie beide einfach zu töten. Sein Ziel ist es, sie langsam zu töten, sie gegeneinander auszuspielen, sie Atemzug für Atemzug ein kleines bisschen mehr sterben zu lassen und sich daran zu berauschen. Und er wird ihr, die er in diesem Augenblick in seinen knochigen Fingern hat, ganz gewiss keinen schnellen Tod gönnen, er wird ihr nicht mit einem sauberen Schnitt die Kehle durchtrennen oder den Dolch bis zum Heft in den Hals stoßen, oh nein, er wird nur ein wenig ritzen, ein bisschen mit der rasiermesserscharfen Klinge spielen, nur so viel Druck ausüben, dass Blut und Leben ganz allmählich aus ihr herausrinnen und Caewlin dabei so lange zusehen lassen, bis ihr allerletzter Herzschlag nur noch ein fernes Echo ist. Sie weiß es, sie weiß es in diesem Augenblick, als sie sein Herz wild gegen ihren Rücken hämmern spürt und seine Finger sich mit einem feinen Schweißfilm überziehen, sie kann es an der zitternden Anspannung fühlen, die seinen ganzen Körper erfasst, sie kann es riechen und schmecken, als sein Atem wie ein übler Pesthauch über ihre Wange streift.

Raven spürt die Klinge des Dolches an ihrem Hals, nadelspitz und kalt auf der Haut, unter der ihr Leben als warmer, pulsierender Blutstrom vorüberfließt. Eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf würde genügen, ihr das Messer in den Hals zu treiben, ein einziger Ruck und ihr Leben würde aus ihr heraussprudeln, unaufhaltsam und unwiederbringlich. Sie würde es tun. Und Caewlin würde frei sein, ihn zu töten. Doch Whytfisks Griff, mit dem er sie umfasst hält und ihren Kopf gegen seine Brust presst, ist eisern und erlaubt es ihr nicht, sich auch nur eine Haaresbreite weit zu bewegen. Er wird sie nicht gehen lassen. Und er wird sich ebenso hüten, sie umzubringen, solange er mit ihr als Geisel den Nordmann in Schach halten kann. Und sie selbst hat dazu keine Möglichkeit, ist dazu verdammt, bewegungslos in seinem Klammergriff zu verharren und mit zusammengebissenen Zähnen das Streicheln der Dolchklinge über sich ergehen zu lassen, die in aufreizender Langsamkeit über ihre Haut schabt.

Whytfisk wird sie nicht loslassen und sie kann sich nicht losreißen - und wenn Caewlin auch nur einen Schritt in ihre Richtung tun würde, wäre sie ohnehin tot. Denk nach, denk nach, denk nach, verdammt! Abrupt endet ihr seltsamer Tanz, als Whytfisk mit einem heiseren Zischen das Wort an den Nordmann richtet und sie kann die Gier und die Ungeduld, die er nur mühsam verborgen hält, in seiner Stimme fast greifen. Caewlins Antwort jedoch hat er offenbar nicht erwartet und sie bringt diesen schwarzen Eisklumpen in seiner Brust, den er Herz nennt, einen stolpernden Schlag lang zum Aussetzen. >Nein. Es ist das einzige, das mir einfällt, um Zeit zu schinden.< Aber sie haben keine Zeit mehr, denn das Spiel scheint den Bleichen bereits zu ermüden.

>Laß sie gehen und nimm mich dafür.< Die Stimme des Nordmanns lässt sich ihr die Nackenhaare sträuben. Nein, nein, nein! Lass nicht zu, dass er dich in die Finger bekommt! hämmert es in ihren Gedanken und ihr Herz pocht so heftig gegen ihre Rippen, dass sie glaubt, es müsse ihr aus der Brust springen. Caewlin braucht nur eine Chance, nur eine einzige, an ihn heranzukommen, eine einzige würde genügen und Whytfisk wäre schneller tot, als er einmal blinzeln könnte - aber wie soll sie ihm die verschaffen, wie? Irgendwie müssen sie ihn dazu bringen, sie loszulassen und somit sein Schild und seine Deckung aufzugeben - nur wie? Bei allen Göttern, wie? Ihn ablenken, ihn aus der Fassung bringen, nur einen Wimpernschlag lang und es würde reichen... Caewlin könnte sie töten, das würde Whytfisk mit Sicherheit völlig aus dem Konzept bringen, aber er wird es nicht tun, das weiß sie, nicht freiwillig, nicht mit seinen Händen. Vielleicht würde es reichen, wenn er mich verletzen würde, damit rechnet der Weißfisch nicht ... ja, er könnte, er könnte es .... vielleicht.... Ihre dunklen Augen saugen sich förmlich an Caewlins Gesicht fest und sie versucht verzweifelt, ihm mit Blicken zu signalisieren, was ihr durch den Kopf schießt, aber wie soll er verstehen, was sie meint? Wie soll sie es ihm begreiflich machen, ohne Whytfisk zu warnen? Mistmistmist, was soll ich tun? Was? Was? Was? Denk nach, verdammt noch mal!

Verzweifelt fleht sie in ihrem umnebelten Hirn nach einem hilfreichen Gedanken, doch das einzige, was ihr in den Sinn kommt, ist eine fast vergessene Melodie, deren Klänge weit entfernt in ihrer Erinnerung widerhallen. Ein uraltes Heldenlied, eine Sage aus lang vergangenen Zeiten, die in Normand jedes Kind kennt, die an den Herdfeuern der einfachen Bauern genauso erklingt wie an den noblen Fürstenhöfen, eine Sage, die genau so endet wie ihrer beider Leben hier in diesen kalten, leeren Hallen und so frappierend ihrer Lage gleicht, als hätte der Barde, der es einst geschrieben hat, schon damals gewusst, dass sie eines Tages hier stehen würden. Das Lied ist lang und Raven kann sich nicht mehr an den ganzen Text erinnern, doch den Schluss hat sie noch genau im Kopf, das Ende des Lieds, in dem der eine Schwertbruder den anderen nur vor den Quälereien eines grausigen Untiers retten kann, indem er ihn tötet. Auch Caewlins Heimat ist Normand, auch er muss das Lied kennen, und vielleicht würde er verstehen ... vielleicht, wenn sie ... Scheiße, sing einfach! Er muss es kennen, er muss! Oh bitte, ihr Götter, bitte...

Dünn und zitternd müht sich ihre Stimme aus der wunden Kehle, verschluckt sich holpernd an den Worten in ihrer Muttersprache, die sie so lange nicht mehr gesprochen hat, und heiser und krächzend und völlig falsch beginnt sie zu singen, während das kalte Metall der Klinge sich in ihre Haut bohrt und sich ihr Blick in Caewlins Augen brennt. Du musst es kennen, du musst, du bist ein Nordmann... "Konungen in till trollkvinnan går, och trollkvinnan framför konungen står, Konungen tar fram sin silverskål...." In ihrem Blick liegt nur noch eine einzige, flehentliche Bitte. Tu es, tu es einfach, und wenn du mich dabei töten musst, dann zögere nicht... du musst es tun, du musst und du weißt es auch. Nur so kannst du deine Haut retten und mit Whytfisk abrechnen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 26. Jan. 2005, 19:54 Uhr
Eine, zwei, drei weitere Kanalratten tauchen aus dem Nichts vor ihm auf, hämisch grinsend, stinkend, siegessicher, überlegen. All das glaubt Phelan in den wenigen Augenblicken, die ihm bleiben um sie zu erkennen, aus ihren dreckigen Gesichtern zu lesen. Er wendet sich von dem Toten auf dem Boden ab, zieht die blauglühende Klinge aus weichem, nachgiebigem Fleisch und holt aus, um die riesige Waffe mit einem lauten Aufschrei dem nächsten Gegner entgegenzubringen. Seine Arme schmerzen, die Lungen brennen mit jedem Atemzug als bestünde die Luft aus flüssiger Lava, doch er könnte nicht einmal aufhören, wenn ihn die Erschöpfung in die Knie zwingen wollte. Der Säbel in seinen Händen glüht in einem überirdischen, magischen Licht wie eine riesige, blaue Laterne und das Licht zieht Spuren durch die Luft, wann immer die Klinge auf einen neuen Gegner herabfährt. Er tötet zwei der Männer und verletzt den dritten schwer, wahrscheinlich schwer genug, als dass dieser nie mehr aufstehen würde. Und doch versucht der Mann über den Boden davon zu kriechen, die Beine nutzlos hinter sich herziehend. Phelan beobachtet den Todesgeweihten. Kaltes Entsetzen überkommt ihn mit plötzlicher Heftigkeit. Wieviele hatte er in den letzten Stunden oder Minuten getötet? Aber er kann es nicht sagen. Da ist eine unbeschreibliche Leere in seinem Inneren, die von einem leisen, volltönigen Summen erfüllt wird, beinahe wie Gesang in einer fremdartigen Sprache, doch er versteht die Botschaft und er weiß, von wem sie stammt. Er blickt die Waffe in seiner Hand an und kann es nicht recht glauben.

"WHYTFISK!"

Allein dieses Wort reißt Phelan aus seiner Trance. Er blickt hinüber zu Caewlin und sieht in die Richtung, in die auch der Nordmann schaut. Und da stehen sie. Raven, zerschunden, verwundet. Sie wirkt schrecklich klein neben der bleiche Gestalt von einem Mann, der eher aussieht, als wäre er einem Grab entstiegen. Whytfisk, der augenscheinlich das erreicht hat, was er wollte - nämlich den Nordmann beim Kämpfen zuzusehen und ihm nebenbei seine Beute in diesem Miniaturkrieg zu präsentieren - packt die kleine Frau und verschwindet mit ihr in einer der Höhlen. Phelan erkennt noch, dass Caewlin ihm nacheilt. Er will ihm zurufen, aber dazu kommt er nicht. Er hätte ohnehin nicht gewußt was. Die kalten Augen des bleichen Mannes hatte er sogar auf diese Entfernung bestens erkennen können und was er darin gelesen hat läßt ihn schaudern. Er schwankt dazwischen Caewlin nachzugehen, aber er kann hier nicht fort, kann Borgil, Aurian und die beiden Diebe nicht einfach im Stich lassen. Und immer noch rücken Gegner nach, als hätte jemand in einem Ameisenhaufen herumgestochert und damit eine nicht bestimmbare Zahl der schwarzen Insekten ans Tageslicht befördert.

Zwei Kanalratten sind es, die auf ihn zustürmen, beide bis an die Zähne bewaffnet und in ihren Augen glimmt die Siegesgewißheit, denn auch sie erkennen, dass ihr Gegner erschöpft ist. Der Waldläufer packt den Säbelknauf mit beiden Händen, ignoriert den Schmerz in seinem Handgelenk, der sich durch den Arm hinauf in die Schulter frißt wie ein bösartiges, wildes Tier, und starrt ihnen herausfordernd entgegen. "Kommt, ihr Rattenpack. Holt euch, was ihr verdient."

Drei Klingen treffen laut klirrend in der Luft zusammen, doch eine davon treibt das gegnerische Metall spielend auseinander, als hätten die beiden Männer nichts in der Hand als Holzstöcken. Ein neuerlicher Rausch überkommt Phelan. Er glaubt das Blut in jeder einzelnen seiner Adern pulsieren zu hören und all der Lärm, die Schmerzenslaute um ihn herum sind weit, weit weg. Er sieht nicht, was mit Aurian geschieht, stattdessen wehrt er mit Mühe die wuchtigen Schläge seiner Gegner ab, die in Schritt für Schritt nach hinten treiben. Aus den Augenwinkeln kann er erkennen, dass die Bluthündin einen Mann zu Boden ringt, dass Borgil mit mindestens einem Gegner beschäftigt ist. Überall liegen Verwundete und Tote, es stinkt nach Blut, nach Innereien und nach Tod. Das schartige Schwert des einen zieht eine rote, brennende Spur über Phelans Seite, als er ihm zu spät ausweicht. Der Schmerz ist betäubend und der andere nutzt Phelans Ablenkung aus, um ihm den Säbel aus der Hand zu schlagen.

Phelans Gedanken rasen und er spürt die Panik, die ihm in den Augen steht. Nicht hier, Götter! Laßt mich nicht hier an diesem Ort sterben! Phelan sinkt auf die Knie, der Säbel mit einem Fußtritt außer Reichweite gebracht. Ihm bleibt der Dolch, der sich unter dem Umhang an seiner Seite verbirgt, doch sie sind zu zweit und er wäre schneller tot, als er die Hand heben würde. Dennoch versucht er es und erntet lediglich einen harten Tritt gegen die verletzte Hand. Kleine Feuer explodieren vor seinen Augen und er fühlt sich mit einem Mal unendlich schwach und erschöpft. Die Kanalratten verziehen die Gesichter zu hässlichen, triumphierenden Fratzen. Der, der ihm den Säbel aus der Hand geschlagen hat, hebt das Schwert über den Kopf und Phelan schließt die Augen und macht sich innerlich bereit für den Schmerz und das Unbekannte, was ihm zwangsläufig folgen würde. Aethling... bald sind wir wieder vereint.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Blutaxt am 26. Jan. 2005, 21:43 Uhr
In der Honigwabe


>Wie fühlt man sich so, wenn man weißt was kommt und man nichts dagegen tun kann?< Blutaxt will ihr ins Gesicht schreien, ihr sagen, dass er sich nicht hilflos fühlt, sondern vor Wut und Rache schäumt, dass er sie doch noch töten wird und noch viele Dinge mehr, aber ihr Bann hält und egal wieviel Kraft er aufwendet, er kann nicht einen einzigen Muskel im Körper bewegen. Seine Augen brennen und tränen, vom Rauch, der die Luft wie Nebel schwängert, und weil er seine Lider nicht schliessen kann, selbst das ist ihm nicht möglich. Tränen, vermischt mit dem Blut aus der Wunde im Gesicht zeichnen seltsame Muster auf sein russgeschwärztes Gesicht, lassen sein Gesicht nun endgültig aussehen wie eine Dämonenmaske. Schmerzen toben durch seine Körper, betäuben ihm die Sinne und klären sie gleichzeitig, so dass er alle Geräusche und Gerüche überdeutlich wahrnimmt. Das Mädchen verschwindet aus seinem Gesichtsfeld, als sie erneut um ihn herum geht und gibt den Blick frei auf einen taumelnden Waldläufer, der grade von zwei seiner Männer bedrängt wird und sie haben Erfolg, schlagen ihm das Schwert mit der blauen unheimlichen Klinge aus der Hand und der Waldläufer selbst geht in die Knie. Tötet ihn!! Los!! Zögert nicht, nehmt wenigstens einige dieser verdammten Oberstädter mit über die purpurnen Flüsse. Nun macht schon, denkt nicht lange nach. Erneut versucht er los zu stürmen, um selbst die Klinge gegen den Waldläufer zu erheben, aber auch jetzt bleiben all seine Mühen erfolglos. Das Mädchen schiebt sich wieder vor ihn, verhindert, dass er sieht ob seine Männer erfolgreich sind, und in dem Moment hasst er sie noch mehr als vorher schon. Seine weit geöffneten, tränenreichen Augen starren sie an und wenn Blicke töten könnten wäre sie auf der Stelle umgefallen.

Ihre Blicke treffen sich und es scheinen Funken zwischen diesen Blicken zu sprühen und seine Wut steigert sich noch mehr, weil er nicht das tun kann, was er tun will - nämlich sie und die ganze andere verdammte Brut zu töten. Ihr Dolch ist in ihre Hand gewandert und sie redet erneut mit ihm. Ihre Worte , obwohl nicht laut gesprochen, dröhnen in seinen Ohren wie ein Donnergrollen und schlagartig wird ihm klar, dass sie recht hat, er ihr hilflos ausgeliefert ist und sich noch nicht einmal im Tod wird wehren können , um wenigstens einige der Gegner mit zu nehmen. Ein schmachvoller Tod für eine Kanalratte ohne jeglichen Kampf zu sterben. Wenn er nicht eh sterben würde, würde sein Meister ihm dafür sicher den Kopf abschlagen. Er hofft das wenigstens Whytfisk erfolgreich sein wird und Blaerans Tod rächen wird so wie es Blaeran gebührt. Aber lange verweilen seine Gedanken nicht bei seinem Meister, denn er fühlt kalten Stahl auf seiner Haut nahe der Ader im Hals, die dank seiner Versuche sich zu bewegen, dick und heftig pulsierend von der übrigen Haut absticht.Aber sie sticht nicht zu, sondern lässt die Klinge weiter wandern, zerschneidet ihm das Hemd. Wahnsinniges Lachen steigt in ihm hoch, das in seinem Mund erstickt, wäre die Situation nicht so grotesk und wüsste er nicht, dass sie ihn töten wird, könnte er noch Gefallen an diesem Spiel finden. Sie redet wieder mit ihm, doch ihre Worte interessieren ihn diesmal nicht, die Schmerzen in seinen Beinen und die angestrengten Versuche sich zu bewegen, lassen ihn immer mehr in die Welt des Wahnsinns abgleiten. Ihr Gesicht kommt dem seinen nahe und schliesslich küsst sie ihn voller Verachtung und spuckt ihn danach an. Und dann explodieren Schmerzen auf seiner Brust es riecht nach verbranntem Haar, seinem Haar und er sieht nicht was mit ihm passiert, da er seine Augen nicht bewegen kann, er riecht nur und spührt die höllischen Schmerzen. Worte dringen zu ihm, die ihm nur langsam klar werden.

>Sag mir nur eines: Warum? Warum habt ihr mich geholt?< Seine Zunge löst sich und ein irres Kichern dringt aus seiner Kehle, das zu einem dämonischen wahnsinnigen Lachen wird. "Das weisst du noch immer nicht, du kleines Miststück. Du weisst nicht, dass DU Schuld bist am Tod von drei unserer Männer, guter Männer? Sie starben wegen dir, weil du ihnen den Spass an dir verdorben hast, unten am Ildorel. Aber ich habe es mir geholt und selbst wenn ich strebe , werde ich dich immer verfolgen, in deinen Träumen, in deinen Gedanken , du wirst mich nie los werden. Töte mich aber ein Teil von mir wird immer in dir sein." Ein weiteres irres Lachen entringt seiner Kehle, die Schmerzen spührt er schon nicht mehr, Feuerbälle tanzen vor seinen Augen einen seltsamen Reigen und er fühlt sich euphorisch. Der letzte wirkliche Gedanke, den er denkt, ist der, dass die eine mit ihr verbrachte Nacht Früchte getragen hat und er so in ihr weiterlebt. Dann verschleiern sich seine Sinne endgültig, als ihm die Schmerzen auch den letzten klaren Gedanken rauben und er vollkommen dem Wahnsinn verfällt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 26. Jan. 2005, 22:06 Uhr
In der Krypta


Caewlin kann sehen, wie es hinter Whytfisks fahler, von dicken, dunklen Adern durchzogener Stirn arbeitet, wie seine Gedanken angstrengt hin und herhuschen, wie er abwägt und überlegt und die wasserhellen Augen beginnen, wie im Fieberglanz zu leuchten - aber er kann unmöglich sagen, ob er nur mit ihnen spielt oder ernsthaft über das Angebot nachsinnt. Eine Ewigkeit scheint in atemlosem Schweigen zu vergehen, in der Caewlin nur darum kämpft, bei sich zu bleiben und Whytfisk ihn wie in Trance anstarrt. Doch noch ehe er versuchen kann, den irren Kanalrattenführer vielleicht vollends zu ködern, beginnt Raven plötzlich - keuchend und würgend, weil sie mit ihrem krampfhaft nach hinten gezerrten Hals kaum viel Luft bekommt - zu singen. >Kon.... in till trollkvinnan går, och trollkvinnan framf....konungen....står...< Ihre Stimme ist so schwach wie das Maunzen eines Kätzchens, aber Caewlin kennt die Weise. Er kennt das Lied und die Geschichte, die es erzählt - dennoch glaubt er einen Moment, hofft es vielleicht sogar, sich verhört zu haben. Nein. Sein Blick weitet sich schockiert, als er begreift worauf sie hinauswill, während Whytfisk nur ein halb verärgertes, halb belustigtes Schnauben über diese seltsame Anwandlung seiner Geisel von sich gibt. Offenbar versteht er kein Wort von dem heiseren Kauderwelsch, das Raven von sich gibt und kann sich keinen Reim auf ihr kleines Ständchen machen - Caewlin allerdings nur zu gut. Hilflos schüttelt er den Kopf. "Nej. Fan heller, nej, Raven! Tyst, din klantskalla."


Raven singt nur noch lauter und noch falscher und noch viel verzweifelter, als vorher, beschwört ihn mit den Augen, endlich zu tun, was sie verlangt. Er kann sehen, wie sie sich spannt, ein letztes Mal Atem holt, unbeirrbar in seine Augen starrt, kann sehen, daß auch Whytfisk es spürt und sein träumerischer Gesichtsausdruck sich schlagartig in Mißtrauen verwandelt. Noch ein Wort von ihr und er würde zustechen. "NEJ!" Brüllt Caewlin und weiß doch, daß es keine andere Möglichkeit gibt. Whytfisk fährt beim Klang seiner Stimme zusammen, doch was immer er in seinem Gesicht sieht, es läßt ihn den Bruchteil eines Herzschlags erstarren, als wäre ihm plötzlich bewußt geworden, was ihm bevorsteht. Das genügt.
Caewlin wirft den Dolch.
Raven kippt stöhnend weg, das Gesicht völlig leer vor Schock und Schmerz, rutscht Whytfisk aus den Armen, als wäre sie mit einem Mal vollkommen knochenlos geworden und der hagere Kanalrattenführer verharrt mit offenem Mund mitten in der Bewegung, die Arme leer und nutzlos - und der Weg ist frei. Caewlin hat den Morgenstern gezogen, noch ehe Raven vollends zu Boden gesunken war, dreht sich auf Whytfisk zu, holt zu einem Schlag von unten nach oben aus und... trifft nur leere Luft. Dort, wo eben noch der Anführer der Kanalratten gestanden war, zittern nur noch die Schatten ein wenig.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 26. Jan. 2005, 22:40 Uhr
In der Honigwabe


Weder sein Gesicht noch sein Lachen haben noch etwas menschliches an sich. Blanker Wahnsinn gepaart mit irrer Mordlust stehen in seinen Augen. Und dann beginnt er zu sprechen. Die Stimme ist mehr ein irres Kreischen, in dem die Schmerzen der verbrannten Haut mitschwingen. >Du weißt nicht, dass DU Schuld bist am Tod von drei unserer Männer, guter Männer? Sie starben wegen dir, weil du ihnen den Spaß an dir verdorben hast, unten am Ildorel.< Ihre Hand fährt reflexartig an ihre Seite, wo die Narbe ist, die das Messer des einen Angreifers am Strand geschlagen hatte. „Darum also!“ Ihre tonlose Stimme geht in seinen weiteren Worten unter. Mit seiner letzten Kraft scheint er sie noch quälen zu wollen, ihr seinen unauslöschlichen Stempel aufdrücken zu wollen. >Aber ich habe es mir geholt und selbst wenn ich strebe, werde ich dich immer verfolgen, in deinen Träumen, in deinen Gedanken , du wirst mich nie los werden. Töte mich aber ein Teil von mir wird immer in dir sein.< Ein kalter Schauer rinnt ihr über den Rücken. Seine Worte beschwören die Bilder jener Nacht – oder war es Tag, hier unten scheinen die Tageszeiten nicht existent zu sein! – wieder empor, seinen lüsternen Blick, die gierigen Berührungen seiner Hände, den hämischen Blick der fetten Ratte, die in der Ecke gesessen hatte. Ihr ist, als würde sie den dumpfen Schmerz erneut spüren, der sich in ihre Eingeweide gegraben hat.

„Schwein! Verdammter Bastard!“ Kalte Wut brennt in ihren Augen, ihr Gesicht gleicht dem eines Racheengels, schön und beängstigend zugleich. Rund um die Beine des Mannes entsteht ein Feuerring, dessen Flammen immer höher steigen. Die Feuerbällchen teilen sich und, nun wirklich nicht größer als Mücken, zeichnen sie ein groteskes Muster auf seinen Körper! Irres Lachen hallt durch die Höhle und für einen Moment scheint die Zeit still zu stehen. Dann klatschen die Flammen über dem Kopf des Mannes zusammen und sein Lachen wird zu einem einzigen heiseren Schrei, der nicht mehr von Rohas Landen zu sein scheint. Genauso plötzlich wie dieser hervorgebrochen war, erstickt er auch wieder und nichts ist mehr zu hören als das Knistern der Flammen. Rings um die junge Magierin gehen die Kämpfe ungehindert weiter und doch scheint das alles sie nichts anzugehen. Ihre blasse Haut wirkt gespenstisch im Schein des magischen Feuers, das, als sein grauenvolles Werk vollendet ist, in sich zusammenfällt und wieder im Boden verschwindet, als wäre es nie da gewesen. Was habe ich getan? Die Erkenntnis, soeben einen Menschen getötet zu haben, trifft sie wie ein Schlag und ihre Beine beginnen zu zittern. Sie sackt in sich zusammen und wäre jetzt einer der Angreifer auf sie zugestürmt, er hätte sie ohne irgendeine Gegenwehr erschlagen können. Unsagbare Leere breitet sich in ihr aus. Zu ihren Füssen befindet sich ein Haufen Asche, alles was von ihrem Peiniger übriggeblieben ist. Und inmitten dieser Asche blitzt etwas blaues, zieht sie an: Der Stein der de Winters, das Zeichen ihrer Familie, das er ihr in jener Nacht genommen hatte. Mit spitzen Fingern zieht sie den Anhänger aus dem Aschenhaufen, darauf bedacht, nicht an dem, was mal Mensch war, anzukommen. Vater! Nur dieses eine Wort zu denken ist sie fähig. Doch scheint der Stein ihr neue Kraft zu geben und während sie sich aufrappelt, bindet sie die Kette um ihren Hals. Aus irgendeinem Grund ist auch das Lederband nur angesengt, jedoch nicht verbrannt.

Aurian atmet tief durch. Irgendwo weiter hinten wüten Zwerg und Bluthund, von Nordlord ist nichts zu sehen. In ihrer unmittelbarer Nähe ist der Elb zu Boden gegangen. Doch sie kann ihm nicht helfen, da eine weitere menschliche Ratte eben auf sie zustürmt. Entweder hatte er nicht gesehen, was seinem Chef wiederfahren war, oder aber es war ihm egal. Das Mädchen kann gerade noch ausweichen und als der Mann an ihr vorbeistolpert, rammt sie ihm den Dolch in den Leib.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 27. Jan. 2005, 08:35 Uhr
In der Honigwabe


Einen Moment lang hat Borgil Luft, dreht sich hektisch in alle Richtungen, sieht wie Aurian Blutaxt zu Asche zerkrümelt und wie Phelan zu Boden geht. Er blickt sich hastig um, doch niemand anderes ist in Reichweite und Caewlin ist fort - hinter Whytfisk her, der Raven in einen dunklen Tunnel davongezerrt hatte. Also nimmt er seine Zwergenbeine in die Hand und hetzt nach Links, Akira die rechte Hallenhälfte überlassend, wo die Bluthündin grollend und knurrend und Kieferschnappend alles niedermacht, was noch auf den Füßen steht. "WOLLT IHR WOHL EURE DRECKIGEN FINGER VON MEINEM SPITZOHR LASSEN?!" Noch im Rennen läßt Borgil eines der Wurfbeile fliegen und es gräbt sich mit einem dumpfen Knirschen in den Rücken der einen Kanalratte - dann hat er den Waldläufer und seinen zweiten Gegner erreicht und der fährt auf dem Absatz herum. Anstatt sein erhobenes Schwert dem Halbelben überzuziehen, greift er Borgil an und der Zwerg, mitgerissen von seinem eigenen Schwung, läuft beinahe mitten hinein. Borgil läßt sich zur Seite fallen, krabbelt hektisch außer Reichweite, kommt wieder auf die Füße und fängt den nächsten Schwertstreich gerade noch mit der Axt ab. Metall kreischt auf Metall und Funken sprühen. Sie umkreisen sich, nach einer Lücke in der Deckung des anderen suchend, wobei ihre Stiefel auf dem blutglitschigen Boden ausgleiten und sie immer wieder über Leichen und zerbrochene Waffen steigen müssen. Die Kanalratte hat mit ihrem Schwert eine größere Reichweite, doch Borgils Axt ist massiver und der Kerl trägt kaum eine Rüstung - mit seinem beschlagenen Lederwams und den ledernen Arm- und Beinschienen hat er nicht einmal ein Drittel des Schutzes, den Borgil in seinem Panzerwerk hat - und er weiß es und hält sich schön außer Reichweite des scharfen Axtblattes. "Komm doch! Komm doch her, wenn du dich traust, du feiger Hundsfott!"

Der andere grinst nur böse. Rund herum im Kreis geht es einmal, zweimal, dreimal - Borgil wird zweimal fast aufgespießt, als die Kanalratte wild nach seinem Gesicht sticht und einmal erwischt er seinen Gegner beinahe mit einem tiefen Rückhandschlag, der ihm die Beine über den Knien abgesäbelt hätte, wenn er nicht gerade noch zurückgewichen wäre. Aus den Augenwinkeln kann Borgil sehen, wie Aurian einen vorbeihastenden Feind mit ihrem Dolch niedermacht und Phelan auf allen Vieren über den Boden kriecht auf der Suche nach seiner blauschimmernden Waffe, deren Leuchten schwach ganz in der Nähe flackert, und irgendwo im Hintergrund das halbe Dutzend Kanalratten, die als einzige noch übrig sind. Ihr Führer ist tot und ihr Meister verschwunden und jetzt drängen sie sich um die linke der beiden Tunnelmündungen, als wüßten sie nicht, was tun - was auch kein Wunder ist, denn rechts wütet Akira und reißt Verwundeten wie Sterbenden am Boden die Kehlen heraus. Stahl singt an Stahl, als Axt und Schwert sich erneut treffen, ein harter Hieb Borgils, der seinen Feind fast in die Knie gehen läßt und zurückwirft - und plötzlich Fersengeld geben läßt? Einen Moment lang vollkommen verdattert starrt Borgil der davonhastenden Kanalratte nach - dann zuckt er mit den Schultern und sonnt sich im unerwarteten Triumphgefühl. "HA!" Röhrt er - doch genießen kann er seinen Sieg nicht lange, denn Phelan, der gerade seinen Krummsäbel erreicht hat, braucht ihn und die Kanalratten rotten sich am Hallenausgang zusammen. "Kommt schon!" Borgil hilft dem Halbelben auf die Füße. Er sieht übel aus und ist verwundet, aber in der Eile kann der Zwerg unmöglich sagen, wo überall. "Phelan? Phelan! Kommt schon, so ist es brav. Auf die Beine mit Euch. Seht mich an! Wie viele Borgils seht Ihr? Na? Na? Eins, zwei, drei? Mehr? Nehmt einfach den in der Mitte..." noch während der hastig auf das Spitzohr einspricht, ihn dabei am Arm festhaltend, damit er nicht wieder umkippt und drauf und dran, ihm aufmunternde Klapse auf die Wangen zu versetzen, spürt Borgil plötzlich, wie eine eiskalte Hand nach seinem Rückgrat greift und sich ihm sämtliche Nackenhaare aufstellen.

Sein Genick und seine Schultern fühlen sich mit einem Mal an, als hätte ihm jemand eine Zielscheibe dort aufgemalt und er verstummt. In der Halle ist es plötzlich grabesstill. So still. Und die Kanalratten drängen sich alle am Ausgang. Akira tappt schnüffelnd aus der Finsternis heran, von der Schnauze bis zum Schwanz so mit Blut, Haut- und Fleischfetzen, Gedärmen und anderen Körperflüssigkeiten verschmiert, das man sein Leben lang suchen und kein einziges schwarzes Haar mehr an ihr finden könnte. Die Bluthündin starrt in die Schwärze irgendwo links hinter ihm  und tief in ihrer Kehle beginnt ein Grollen, das Borgil einen Ring aus Eis um sein Herz legt. "Was... bei allen Göttern, Phelan," zischt er, "ist hinter mir?"
Irgendwo aus der Tiefe und Dunkelheit, nicht einmal in der Halle und doch zu spüren wie ein Vibrieren im Fels ringsum, das ihnen bis in die Knochen dringt, ertönt ein rollender, dumpfer Schlag. Dann ist es wieder still - totenstill bis auf das Knurren des Hundes.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 28. Jan. 2005, 09:57 Uhr
Die Zeit scheint sich ewig zu ziehen, doch nichts geschieht. Kein Schwert saust auf ihn hinunter, kein Schmerz, kein Ende. Stattdessen ist da ein reichlich wütender Zwerg, der brüllend und tobend auf Phelans Angreifer zustürmt. "WOLLT IHR WOHL EURE DRECKIGEN FINGER VON MEINEM SPITZOHR LASSEN?!" Phelan reißt die Augen auf, sieht das Beil kommen, die erste Kanalratten stöhnend und tödlich verletzt zu Boden gehen. Er sieht auch das zum Schlag erhobene Schwert, das nun jedoch sein Ziel nicht mehr findet. Phelan bringt sich aus der ungünstigen Position, in der er sich nun einmal befindet, zur Seite, sucht nach dem Säbel, der dunkel glühend irgendwo ganz in der Nähe auf dem dreckigen Boden liegt inmitten von Blut und toten Körpern. Es stinkt penetrant nach verbranntem Fleisch, ganz so, als wäre in der Nähe ein Scheiterhaufen aufgebaut. Endlich erreicht Phelan den Säbel, packt ihn und will aufspringen, all die Erschöpfung wie überflüssigen Ballast von sich abschütteln. Er will Borgil zu Hilfe eilen, der die Kanalratte zum Zweikampf gestellt hat. Doch alles was er von dem Kerl noch zu sehen bekommt ist dessen Rückansicht, die genauso unansehlich ist wie die Vorderseite. Er tauscht einen verwunderten Blick mit Borgil und schon ist der Zwerg heran, um ihm aufzuhelfen, aber zu mehr als einem widerwilligen Grinsen ist Phelan nicht mehr fähig. Genügt es nicht schon, dass er gerade fast den Kopf verloren hat, aber dass er sich nun auch noch lassen muß ist fast zuviel, ganz gleich, wie gut es Borgil meint.

"Phelan? Phelan! Kommt schon, so ist es brav. Auf die Beine mit Euch. Seht mich an! Wie viele Borgils seht Ihr? Na? Na? Eins, zwei, drei? Mehr? Nehmt einfach den in der Mitte..." Eine Bemerkung über die Körperfülle von Zwergen im Allgemeinen und im Speziellen liegt dem Waldläufer auf der Zunge, aber sie bleibt ihm regelrecht im Hals stecken. Irgendetwas geschieht und selbst die Kanalratten weichen an die Tunnel zurück. "Was, verflucht..??" Ein dumpfes Grollen erschüttert den Boden und die Wände ringsum beben. Phelan blickt sich hektisch um, sieht die restlichen Kanalratten sich zurückziehen und in die Gänge verschwinden. "Was, bei allen Göttern, ist das?" Ein dumpfer Schlag zerreißt die Stille, ganz so, als hätte sich irgendwo ein riesiges Tor geschlossen. Das kehlige, drohende Knurren der Hündin ist das einzige Geräusch in der nun folgenden Totenstille und es geht Phelan durch Mark und Bein.

Er selbst steht dem Zwerg gegenüber, die Tunnelmündungen und die sich zurückziehenden Kanalratten im Rücken, Aurian mit schreckgeweiteten Augen schräg vor sich und weiter hinten erkennt er die beiden Diebe auf dem Thron, die sich unruhig umsehen. "Wir sollten hier verschwinden, Borgil. Und zwar schnell." Sein Blick zuckt suchend über die Höhlenwände. Da sind noch mehr Tunnel, schwarz wie geöffnete Mäuler, einer neben dem anderen - und Phelan erstarrt. Noch ist nichts zu erkennen, aber dort in der Dunkelheit in einer der bislang leeren Höhlen scheint sich zu bewegen. Scharren, leise Schritte, ein Zischen wie aus dem Maul einer Schlage. Es braucht keine besondere Gabe um zu fühlen, dass sich dort etwas nähert, das so falsch ist, als hätte der Dunkle selbst es ausgesandt. Und Phelan schmeckt es, riecht es, fühlt es mit all seinen Sinnen.


"Was... bei allen Göttern, Phelan, ist hinter mir?"

"Wünscht Euch die Kanalratten zurück, Borgil. Alle von ihnen und noch viel mehr. Oder wünscht Euch einfach weit, weit weg von diesem Ort. Die neun Höllen spucken aus, was sie dort nicht mehr haben wollen." Die Worte sind kaum mehr als ein heiseres Flüstern, aber sie klingen in der Stille wesentlich lauter als beabsichtigt.

Hinter sich hört Phelan die Kanalratten tuscheln. Sie sind noch immer da, bereit, ihnen den Rückweg zu versperren. Ein kurzer Blick über die Schulter lässt Phelan erkennen, dass sich das Diebes- und Mörderpack jedoch keine Hand breit aus den Tunneln wagt und sein Blick fliegt wieder zurück. Langsam, zäh wie in dickflüssigem Honig, schälen sich große, unförmige Umrisse aus der Schwärze. Phelan kneift die Augen zusammen und erstarrt. "AURIAN! Weg da, versteckt Euch, lauft!"

Die drei Kreaturen, die da auf sie zukommen, entstammen einem schlimmen Alptraum, sind so widernatürlich, dass der Waldläufer ihre Falschheit körperlich spüren kann. Eine perverse Kombination aus Mensch, Ratte und Höllenkreatur, bestialisch nach Verwesung und Schwefel stinkend. Phelan stellt sich neben Borgil, Seite an Seite mit dem Zwerg, und zieht mit der verletzten Hand das Langmesser. Die drei Monstren schleichen auf sie zu, lauernd wie Hyänen und trotz ihrer Körpergröße so flink wie Wiesel, und Phelan schätzt, dass sie leicht so groß sind wie Caewlin, der riesige Nordmann. Fetzen von zu enger Kleidung hängen um ihre Körper, die jedoch nichts menschliches mehr an sich haben. Vernarbte, wuchernde braune Haut bedeckt die breite Brust, die massigen Oberarme und die muskulösen Beine der Kreaturen. Sie lauern mit gebückten Rücken, haben Buckel zwischen den Schultern, so als wolle dort ein zweiter Kopf entwachsen. Aber das Schrecklichste sind ihre Gesichter. Einst menschlich, so sind die Gesichtskonturen nun völlig deformiert, verwachsen, teils aufgerissen, so dass das blanke Fleisch feucht darunter glänzt und fast scheint es, als sei das Gewebe ununterbrochen in Bewegung. Ihre Kiefer sind so verformt, als wollten sie wie bei einer Ratte spitz nach vorne auf die Nase zulaufen, aber dort, wo diese Erhebung sein sollte, sind lediglich zwei dunkle Vertiefungen, aus den überlang verzerrten Mündern ragen zwei tödliche Reihen von bräunlichen, spitzen Zähnen. Struppiges Fell von einer kaum bestimmbaren Farbe steht lang und wild von ihren Schädeln ab und unterhalb der fliehenden Stirn leuchten dunkelrot zwei Augen, die voller Boshaftigkeit direkt auf den Zwerg und den Waldläufer gerichtet sind.

"Scheiße, verfluchte Scheiße!" Alles in Phelan drängt danach die Beine in die Hand zu nehmen und zu flüchten, doch er fühlt auch, dass er sich diesen widernatürlichen Kreaturen stellen muß, die sich schleichend und schnüffelnd auf sie zubewegen. "Ihr nach rechts und ich nach links. Jetzt!" Es ist der verzweifelte Wunsch die Kreaturen zu zweit einzukreisen, statt selbst eingekreist zu werden, und sie von den anderen abzulenken. Die Köpfe der Monstren rucken mit einer spielerischen Leichtigkeit herum, und wieder erklingt das giftige Zischen, dessen Ursprung Phelan nun kennt. Viel zu weit entfernt erkennt er Borgil aus den Augenwinkeln, aber er wagt nicht den Blick von den beiden Kreaturen abzuwenden, die sich ihm jetzt nähern. Der Säbel glüht dunkelblau wie eine Barriere aus Licht zwischen ihnen auf. Die Waffe irritiert die Monstren sichtlich, aber sie tun alles andere als von ihrem Opfer abzulassen. Stattdessen trennen sie sich, bewegen sich an Phelans Seite, jede an eine andere. Kalte, glitzernde Augen verfolgen jede seiner Bewegungen mit einer höhnischen, übermächtigen Ruhe. Phelan muß immer weiter zurückweichen  um nicht vollends zwischen die beiden widerlichen Kreaturen zu geraten, deren Anblick allein ihm den Hals zuschnürt. "Hat es denn nicht gereicht, was schon geschehen ist? Anukis, Göttin, ich bitte dich, steh uns bei!" In diesem Moment setzt die erste Kreatur zum Sprung an.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 28. Jan. 2005, 14:41 Uhr
Am Wurzelthron


Wahrscheinlich ist der Schock noch zu groß für starke Schmerzen, aber es ist mit Sicherheit der Grund dafür, dass Tiuri es noch schafft sich rechtzeitig aus der Reichweite des, durch einen Säbel verlängerten, Armes einer Kanalratte zu bringen, die über die Rückenlehne des Wurzelthrons gekrochen kommt. Faraday ist halb über ihm und damit zwischen der Kanalratte und ihm selbst, aber weder will er selbst wirklich sterben, noch will er, dass Faraday etwas passiert, also rollt er sich auf die Seite und sieht nur, dass auch Faraday im letzten Moment ausgewichen ist. Was sie allerdings geistesgegenwärtig und mit unvermuteten Kräften mit dem Messer im Mund der Kanalratte tut, lässt ihn schwer schlucken. Das schreckliche Geräusch und das viele Blut, das aus seinem Mund strömt und schließlich tötet sie ihn, erlöst den Mann von seinen Leiden, einen völlig Fremden der sie, obwohl er sie noch nie in seinem Leben gesehen hat, töten wollte. Die ganze Sache erscheint Tiuri langsam völlig absurd, dass er selbst tötet, Leute die er nicht kennt, nein, dass er sich verteidigt gegen Leute die ihn töten wollen, die er aber auch nicht kennt und die auch keine Ahnung haben wer er eigentlich ist, er weiß ja selbst nicht wer er eigentlich ist, irgendwo zwischen Schmerzen und Atemlosigkeit verschwindet ihm der Sinn dieser Sache und löst sich in Rauch auf.

Mit der kurzen Pause die ihm bleibt als der Mann tot den Thron hinab gestürzt ist, kehrt auch der Schmerz endlich in seinen Körper zurück und erst jetzt fällt dem Jungen der rote Fleck auf seinem Hemd auf. Er hat gar nicht bemerkt, dass er blutet und versucht sich mühsam unter den Schmerzen in seinem Körper aufrecht zu halten. Alles um ihn herum scheint wie in Zeitlupe ab zu laufen und ist so weit weg, als könnte er nichts um sich erfassen. Für einen Moment droht er einfach zusammen zusacken und das Bewusstsein zu verlieren, aber er beißt die Zähne zusammen, krallt sich an einer Wurzel fest, auch wenn es sich widerlich anfühlt, das hat er mittlerweile längst vergessen, und hält sich krampfhaft bei Besinnung. Tastend sucht er nach seiner Schleuder, obwohl sich alles um ihn dreht und er nicht glaubt, dass er wirklich jemanden treffen könnte und hin und wieder muss er inne halten, atmen und einfach am leben sein, um weiter suchen zu können.
Wenn sie hinunter gefallen ist, bekomme ich sie nie wieder!
Nur vorsichtig wagt er einen Blick nach unten, doch auch dort findet er die Schleuder nicht, aber er wäre auch nicht dafür hinunter gestiegen, hätte die Steine eher mit der Hand geschossen, zu mindest hätte er sich eingebildet, dass er das gekonnt hätte. Aber im nächsten Moment hört er ein Schreien, ein grässlicher Schrei, der klingt als wäre der, der ihn ausstößt, schon halb in Sithechs Hallen eingekehrt. Es ist ein Schrei wie er ihn schon einmal gehört hat und danach noch hunderte Male im Traum.

Als er einen Blick nach hinten, über das Feuer in der Grube hinweg macht, traut er seinen Augen kaum. Da steht Blutaxt, der große rothaarige Hüne, vor der kleinen Magierin in Flammen und sie sieht ihn kalt lächelnd an, als wäre es genau das was sie beabsichtigt hat. Tiuri fragt sich, wie sie das gemacht hat, womit sie den Mann in Flammen gesetzt hat und warum er sich nicht rührt, während der Schrei noch immer in seinem Kopf nachhallt. Sein eigener Körper flammt auf unter fast vergessenen Schmerzen als er Blutaxt so sieht und erlebt gedanklich noch einmal seinen eigenen, ersten, wie er ihn manchmal nennt, Tod. Der Junge weiß genau wie sich die Kanalratte gerade fühlen muss und er kann seinen Blick einfach nicht von dem schaurigen Schauspiel abwenden, sondern starrt Blutaxt und Aurian an, bis nur noch ein Häufchen Asche von dem Mann über ist und sich das Mädchen bückt um etwas aus der Asche zu nehmen und es sich schließlich um den Hals hängt. Erschaudernd wendet sich Tiuri ab und lässt seinen Blick wieder über die Honigwabe streifen. Da kämpfen immer noch Phelan und Borgil, der Große ist nicht mehr da und erst sucht Tiuri nach ihm unter den Toten, doch auch dort kann er nichts entdecken und es bleibt ihm nur zu vermuten, dass er irgendwo hin verschwunden ist, vermutlich hinter den Feinden her, oder los gezogen um die fehlende Person zu suchen. Von Whytfisks Anwesenheit hat er nichts mitbekommen und das ist auch besser so, weil er schon den Blick des Mannes aus den fahlen, eingefallenen Augen nicht ertragen kann und er ihn auf der Haut wie tausend Messerstiche fühlen kann.

Die seltsame Veränderung, die durch die letzten verbleibenden Kanalratten geht, fällt ihm erst etwas verspätet auf. Sie drängen sich alle in einen Gang, versperren dort den Weg und sehen beinahe etwas ängstlich aus. Schwer atmend und auf die Lehne gestützt sieht sich Tiuri um, jede Bewegung tut ihm weh, sogar wenn er nur den Kopf dreht und sein ganzer Körper scheint ihm viel zu schwer zu sein, obwohl er schon nur mehr Haut und Knochen ist.
Auf dem Boden in der Halle liegt Phelan und Borgil steht vor ihm und will ihm hoch helfen, doch beide erstarren. Das Knurren der Bluthündin hallt laut und drohend durch das Erdreich und jagt Tiuri, wie auch den Kanalratten, noch einen Schauer über den Rücken.

Dann geht plötzlich alles ganz schnell. Phelan schickt Aurian sich zu verstecken, erst dann richtet Tiuri seinen Blick in die richtige Richtung. Groß und schwer und schrecklich deformiert sehen sie aus, trotzdem strahlen sie eine unwirkliche, tierische Geschmeidigkeit aus, diese Wesen für die Tiuri keinen Namen findet. Eine Mischung aus Mensch und Ratte, hässlicher und wahrscheinlich gefährlicher als alles was der Junge bis jetzt in seinem Leben an Lebewesen gesehen hat, auch wenn er diese Kreaturen nicht einmal mehr als Lebewesen bezeichnen würde, denn sie sehen aus als wären sie halb verwest und wären empor gestiegen aus dem Totenreich oder den neun Höllenl, um jetzt ihre blutige Arbeit zu verrichten. Die Kanalratten drücken sich ängstlich in die Gänge und auch Tiuri glaubt nicht, dass diese drei Monster zwischen Freund und Feind unterscheiden können, wenn sie denn überhaupt zu den Kanalratten gehören und nicht nur zufällig durch den Lärm geweckt wurden nach einem hundert Jährigen Schlaf.
Es dauert einige Zeit, die Tiuri schockiert zu sieht wie die Kreaturen die Honigwabe mit ihrer ungeheuerlichen und dunklen Präsenz füllen, etwas, das sogar Tiuri spüren kann, obwohl er eigentlich keine Fähigkeiten in diese Richtung besitzt. Erst nach dem er seine kurzweilige Starre überwunden hat beginnt der Junge wie panisch nach seiner Schleuder zu suchen, obwohl er auch weiß, dass er gegen diese Wesen mit ein paar Steinen nichts ausrichten können wird. Sollten sie ihn und Faraday auf dem Thron entdecken und zu ihnen kommen würden sie sterben, mit Sicherheit, denn es fehlen ihnen die Waffen um sich gegen so etwas zu wehren. Im Gegensatz zu ihm, scheinen diese Monster sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, sondern teilen sich jetzt gegen Phelan und Borgil auf, er selbst und Faraday sitzen machtlos auf ihrer erhöhten Position.

Das ist das Ende, sie werden sie töten und dann kommen um uns zu holen, sie werden uns alle umbringen und schließlich sogar die restlichen Kanalratten und es wird einfach keiner diesen schrecklichen Tag überleben und keiner wird nach uns hier suchen, keiner wird wissen wo wir gestorben sind!
Tiuri weiß nicht, dass sehr wohl jemand in der Welt über dieser, an die er schon kaum noch Erinnerungen in sich wach rufen kann, weiß, dass sie hier sind. Jetzt muss er hilflos zu sehen wie eine der Kreaturen wie eine mächtige, und im übrigen äußerst hässliche, Raubkatze zum Sprung ansetzt um sich auf das Spitzohr zu stürzen. Dieser würde der Wucht des massigen Körpers unter keinen Umständen standhalten können, also weicht er im letzten Moment seitlich aus und lässt seine blau leuchtende Waffe durch die braune, narbige Haut gleiten, auch wenn das Monster davon nicht wirklich betroffen wirkt.
Das irritierende ist, dass sie auch keine Waffen tragen, dafür aber lange spitze Zähne und sie vermutlich wie Vampire, nein wie Ratten mit diesen zerfleischen wollen würden.

„Wir müssen… etwas tun“, das Atmen und Sprechen fällt ihm schwer unter den Schmerzen, die er trotz der Angst die er spürt, nicht vergessen kann. Das Monster dem Phelan ausgewichen ist, wirft seinen Kopf in den Nacken, ein seltsames Zucken als wäre es mit seinem Körper nicht ganz eins und lässt ein tiefes unwilliges Geräusch hören.
„Mehr Waffen… mehr… etwas zum Schießen, irgendetwas… können nicht, nichts tun!“ Tiuri ist zu aufgebracht um sich genug zu konzentrieren, so dass  seine Sätze ganz und verständlich wären, er hofft nur, dass Faraday trotzdem versteht was er meint. Unter ihnen beginnt das gegeneinander Kreisen von Neuem und es ist nur eine Frage der Zeit wann der nächste Angriff folgen wird, schnell und vielleicht nicht so vermutet, oder sogar von zwei Seiten kommend, so dass sich Borgil und Phelan nicht mehr zu helfen wissen.
Suchend blickt sich Tiuri nach Aurian um, sie hatte einiges getan, Türen zum Vorschein gebracht, Fallen verschwinden lassen und einen Mann in Brand gesteckt, wo ist sie jetzt? Sie könnte etwas tun, irgendetwas und wenn es nur wäre, dass sie sie alle unsichtbar werden lässt und sie so diese Monster besiegen können. Aber so war die Sache aussichtslos, Faraday und er sind keine Krieger, richtige Kämpfer gibt es nur noch zwei und das ist einer weniger als diese Monster, die ihnen in Größe und vermutlich Kraft auch noch überlegen sind.

Ich bitte euch, ihr Götter, holt uns hier raus, schenkt uns ein Wunder!

Das ewige Kreisen macht Tiuri wahnsinnig und mit zitternden Fingern gelangt er zufällig an seine Schleuder und obwohl er nichts damit ausrichten kann, greift er danach und auch nach einem Stein. Der Kopf der Kreatur ist groß und hässlich, ihn zu verfehlen wäre fast schon schwierig, selbst für den angeschlagenen Dieb. Er trifft das Biest und unterbricht so für einen Liderschlag dieses monotone Schauerspiel. Das Monster sieht hoch, obwohl es nicht einmal wackelt oder Schmerzen davon zu tragen scheint, dreht seinen Blick in Richtung Wurzelthron, doch noch ehe es mit einem mächtigen Sprung ansetzen kann um den beiden das Leben aus den Körpern zu reißen, ist der Waldläufer auch schon zum Angriff übergegangen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 30. Jan. 2005, 11:19 Uhr
Der Warnruf des Heilers lässt Faraday in ihren Bemühungen Jen zu helfen innehalten. Ihr Kopf ruckt hoch und sofort fährt ein kalter Schauer über ihren Rücken, ohne dass sie in diesem Moment einen Grund dafür entdecken kann. Sie sucht den Heiler, sucht Aurian und dann entdeckt sie es. Ihr Blick frisst sich an der Dunkelheit in dem Gang fest, eine unnatürliche, viel zu schwarze Dunkelheit und sie reißt die Augen auf, als auf einmal Bewegung hinein kommt. Mit offenem Mund starrt sie den Kreaturen entgegen, die sich trotz ihrer Größe unglaublich gewandt bewegen. Sie sieht ihre riesigen muskulösen Körper, ihre deformierten Gesichter. Kaltes Entsetzen packt Faraday und obwohl sie es nicht will entkommt ihr ein spitzer Schrei. Sie weicht auf der Sitzfläche des Wurzelthrones zurück, als könne sie sich durch diese Bewegung in Sicherheit bringen. So etwas Grässliches hat sie noch nie in ihrem Leben gesehen und sie will es auch nie wieder sehen. Der Heiler weicht vor zweien der Kreaturen zurück, die in gut um einen Kopf überragen wie riesige Schatten, ihn umkreisen wie Raubkatzen, bereit zum tödlichen Sprung. "Jen!" Sie spürt die Begrenzung der Armlehnung in ihrem Rücken, sie möchte aufspringen und davonlaufen, irgendwohin, nur weg von diesen Monstern, aber die Angst lähmt sie. „Mehr Waffen… mehr… etwas zum Schießen, irgendetwas… können nicht, nichts tun!“ ruft der Junge. Panik greift Faraday nach ihrer Schleuder und nach einem Stein, der ihr auf einmal so lächerlich winzig vorkommt. Nein, mit diesen Waffen würden sie nichts ausrichten können, gar nichts! Jen schießt dennoch und trifft das ihm nächste Monster am breiten Schädel und die Kreatur starrt kurz aus brennenden Augen zu ihnen hinauf. "Es hat uns geseh'n, Jen, wir müssen hier weg! Wir werden sterben!"

Endlich löst sich Faraday aus ihrer Erstarrung und springt von dem Thron hinunter, stolpert, fällt, rappelt sich wieder auf, weicht einige Schritte zurück, aber sie kann nicht weiter, weiß nicht wohin. Dann sieht sie das Feuer, die Flammen in der Grube und eine vage Idee kommt ihr. "Jen, das Feuer. Verbrennen..." Aber womit? Der Thron!  Faraday lässt SChleuder und Stein zu Boden fallen, eilt zurück zu dem erhöhten Sitz aus unzähligen Wurzelsträngen und zieht dann mit aller Kraft an einer der weißen wurzeln, die jedoch nicht nachgeben will. "Hilf mir!" Endlich gibt der weiße Strang nach, löst sich mit einem Knacken aus dem Gewirr und Faraday reißt weiter daran, bis sie ein fast armdickes, trockenes, totes Stück in Händen hält. Damit rennt sie zur Feuerstelle und hält das Wurzelstück hinein, bis es am einen Ende Feuer fängt. Die Flammen kommen ihr bedrohlich nahe, aber das ist ihr jetzt egal. Brennen oder sterben! Mit zitternden Fingern legt sie das Stück auf die Schleuder, zielt kurz nach dem Monster, das sich anschickt auf den Zwerg loszugehen und lässt los. Die brennende Wurzel saust wie ein Komet durch die Düsternis und berührt das Monster wie beiläufig am behaarten Schädel, als die Kreatur dem Geschoß nicht mehr rechtzeitig ausweichen kann. Das trockene Fell, Haar, was auch immer, fängt sofort Feuer, aber die Kreatur kümmert sich zuerst nicht darum und springt auf den Zwerg zu. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtet Faraday, wie das Monster zu brennen beginnt, aber es ist, als könnten die Flammen ihm kaum etwas antun. Doch dann hält die Kreatur inne, fährt sich mit irritierten Bewegungen über den Kopf und erstickt die Flammen mit seinen riesigen Klauen ohne ein Anzeichen von Schmerz zu zeigen. Faraday weicht abermals zurück, fassungslos und panisch vor Angst. Sie würden hier unten sterben, das steht ihr nun so klar vor Augen wie die Sterne am Winterhimmel, den sie nie wieder sehen würde, wenn ihnen nicht ganz schnell etwas einfiele.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 30. Jan. 2005, 12:46 Uhr
Aurian spürt die Wesen, ehe sie sie sieht. Böse, dunkel, abgrundtiefe animalische Mordlust, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. „Was....?“ Und dann sieht sie die Wesen: Halb Ratte, halb Mensch sehen sie aus, als wären sie ihrem eigenen Grab entstiegen, bereits in Verwesung begriffen und doch nicht bereit zu sterben. Welche der neun Höllen hatte diese Kreaturen ausgeworfen? Die menschlichen Kanalratten drängen sich in dem Dunkel einer der Tunnel zusammen doch ihnen ist solch eine Zuflucht nicht gegeben. Hier, in mitten der Halle befindet sich die kleine Gruppe quasi auf dem Präsentierteller. "AURIAN! Weg da, versteckt Euch, lauft!" Der Ruf des Heilers dringt zu ihr aber sie kann nicht reagieren. Wie gelähmt steht sie da, starrt auf die Kreaturen, die sich mit einer Gewandtheit bewegen, die ihre Größe und ihre Statur Lügen strafen. Sie hört das Schnüffeln und Schniefen, das von den deformierten Nasen kommt, hört das Scharren der krallenbesetzten Füße auf dem Steinboden und die gemurmelten Worte der menschlichen Ratten. > „Sind geweckt..“ „..gibt es doch..“ „..nicht geglaubt..“< Nur bruchstückhaft sind deren Worte, aber die Magierin kann daraus erkennen, dass auch ihnen die Existenz dieser Wesen unbekannt war.

Borgil und Phelan stellen sich den drei Kreaturen und vom Wurzelthron aus versuchen Tiuri und Faraday mit brennenden Teilen des Throns und Steinen den Angreifern etwas entgegen zu setzen. Nur Aurian ist wie gelähmt. Sie steht noch immer an der selben Stelle, unmittelbar neben dem Aschhaufen, der einmal der Anführer der Kanalratten war. Plötzlich wendet sich eines der Wesen um und starrt sie aus kleinen, bösartigen Augen an. Aber noch schlimmer als der Blick ist die Aura, das was von den Gedanken, wenn man die Instinkte dieser Kreatur so nennen kann, ausgeht. Hass, Mordlust, irrational und abgrundtief böse. Die Sekunden scheinen zu Minuten zu werden, die Minuten zu Stunden, während Aurian und dieser Rattenmensch sich anstarren, fixieren. Die klauenartigen Hände öffnen und schließen sich und die Magierein vermeint in der Fratze ein Grinsen zu erkennen, voll Vorfreude auf ihren Tod. Spitze Zähne entblößen sich, bereit ihr und jedem anderen die Kehle durchzubeißen. Dann setzt die Kreatur zum Sprung an und vollkommen unvermittelt springt sie auf zu, schnell, lautlos. Und nun erwacht auch das Mädchen aus ihrer Erstarrung und im letzten Moment kann sie sich auf die Seite werfen. Im Fallen spürt sie die Berührung des Felles – oder ist es doch Haut? – die sie streift. Wie sie wieder auf die Füße kommt, sie weiß es nicht. Aus einem vollkommenen irrationalen Zug heraus wirft sie den Dolch in Richtung der Kreatur. Die Klinge kommt in deren Schulter stecken, doch scheint dies von ihr nicht wahrgenommen zu werden. Und wenn, dann hat das nur die Mordlust weiter angestachelt.

Erneut setzt das Wesen zum Angriff an. Bei allen Göttern, wir werden sterben. Das ... das kann alles nicht wahr sein! Und dann, beinahe schon zu spät, spürt sie etwas in sich, stärker als je zuvor: Hatte sich ihre magische Seite in den letzten Stunden immer wieder gezeigt und alles andere in den Hintergrund gedrängt, nun ist sie stärker als je zuvor. Wie ein Feuer, dass immer größer wird, breitet sich das magische Gefühl in ihr aus. Mit einem Aufschrei zieht Aurian vor sich eine Feuerlinie auf, doch die Flammen scheinen dem Wesen nichts auszumachen, denn es tritt darauf, als wären sie nicht vorhanden. Gehetzt blickt die junge Magierin sich um. Ihr Blick bleibt an der Decke hängen und eine Idee beginnt sich in ihrem Kopf festzusetzen. Vielleicht gäbe es doch noch eine kleine Chance hier lebend herauszukommen?  

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 30. Jan. 2005, 15:33 Uhr
In der Krypta



Nein! Nein, nein, nein, nein! Nicht so schnell! Nicht so schnell, ich bin noch nicht fertig mit euch, ich bin... Whytfisk muß hilflos mit ansehen, wie Raven ihm haltlos durch die Arme rutscht und mit einem halberstickten Wimmern zu Boden kippt, weg von ihm, ein halber Schritt nur und vielleicht nicht einmal das, und doch unerreichbar. Nein! Er spürt kaltes Entsetzen in die Kammern seines Herzens sickern, das Entsetzen vor etwas Unbekanntem und Unerwartetem. Er hatte alles vorausgesehen, sogar des Nordlords kleine Stehgreifrede, alles geahnt, selbst sein edelmütiges Angebot. Darauf hatte er gewartet... und wie hatte er sich danach gesehnt, es anzunehmen! Kette dich an, hätte er gesagt. Leg deine Waffen ab und kette dich an. Die Eisen waren vorbereitet, warten rostig und stark zwischen den Säulen auf der anderen Hallenseite. Und wenn er ihn hilflos und in Eisen gelegt vor sich gehabt hätte, dann hätte er sich in aller Ruhe Raven widmen können. Er hätte sie vor seinen Augen ausgeweidet und ihr zuckendes Herz verschlungen... und sich dann ihm zugewandt... mit aller Zeit der Welt. Er hatte mit ein paar Änderungen in seinem Plan gerechnet, hatte geahnt, daß ein paar Fäden seines sorgsam gewobenen Netzes reißen würden... aber jetzt steigt Wut in ihm auf, schreckliche, ohnmächtige Wut und bildet mit seiner Angst eine ganz neue, flüchtige Mischung. Etwas ist schiefgegangen, im letzten Augenblick schiefgegangen wie schon bei dem Jungen und Faraday. Färadäi. Wie bei der anderen Gefangenen, Blutaxts kleinem Spielzeug und den Ratten... den Ratten... Er sieht die Bewegung des Nordmanns im allerletzten Augenblick und duckt sich weg in die Schatten, mit denen er verschmilzt, eine hagere Gestalt in einem weiten Lumpenmantel - so unsichtbar wie der Wind in einer schwarzen Nacht. Dennoch zischen die Eisenkugeln mit den bösartigen Dornen so nahe an seinem Kopf vorbei, daß er den Luftzug spüren kann. Im nächsten Moment erlischt der flackernde, rote Fackelschein, von Whytfisks knochiger Hand erstickt und kalte, undurchdringliche Schwärze erfüllt die Krypta.

Whytfisk unterdrückt ein heiseres Lachen. Wieviele Fäden seines Netzes auch reißen mögen, der Nordmann und das Schattenhaar sind doch so hiflos wie zappelnde Fliegen in seinem Zentrum gefangen, sollen sie sich winden soviel sie wollen. In völliger Finsternis bewegt er sich lautlos seitwärts. Er kann den Nordmann hören, kann ihn riechen und schmecken - Mann, Schweiß, Blut, Erschöpfung und Zorn und irgendwo links von ihm auf der anderen Seite des Sarkophags ein schwaches, blutblubberndes Keuchen hektischer, wimmernder Atemzüge. Raven. Es wäre das leichteste der Welt, hinüberzugleiten und ihr den Dolch über die weiche, weiße Kehle zu ziehen... aber nein. Später. Vielleicht. Vielleicht lasse ich dich auch gehen, kleines Schattenhaar. Wenn du weißt, daß alles vergeblich war. Vielleicht lasse ich dich mit der kalten, unerträglichen Hoffnungslosigkeit und Leere leben. Der Nordmann vor ihm, drei Schritt entfernt - blind in der Dunkelheit. Whytfisk braucht keine Augen. Lautlos zieht er unter seinem Lumpenmantel einen zwei Handspannen langen, spitzen Eisendorn hervor, in der Rechten hat er noch immer den Dolch. Zwei, drei schnelle, unhörbare Schritte. Wärme und sachte Bewegung unmittelbar vor ihm - dreihundert Pfund festes Fleisch und Muskeln in Kettenhemd und gehärtetem Leder. Eine rasche Bewegung, ein tanzender Schritt, ein tiefer Stich dort in die Seite, zwischen den Schnallen des Kettenwerks hindurch, durch Leder, wattiertes Wams und Haut. Der Nordmann fährt keuchend vor Schmerz herum und Whytfisk spürt die Schlagkugeln des Morgensterns an seinem Gesicht vorbeiflüstern, nah, so nahe... zwei weitere Schritte bringen ihn wieder in den Rücken seines Opfers, doch diesmal dreht der Nordmann sich instinktiv mit ihm und er muß zurückweichen. Rund herum geht es im Kreis. "Ringel, ringel Rose. Zucker in die Dose... Schmalz in den Kasten, Morgen laßt uns fasten. Übermorgen Lämmlein schlachten und die sollen... schreien..." Ein zweiter Hieb von unten nach oben gleitet wirkungslos am Kettenhemd ab, während Whytfisk sich vorbeidreht und mit dem Dolch hinter sich sticht. Diesmal trifft er, ein tiefer, roter Stich, spürt warmes Fleisch an seinen Fingern vorbeistreifen, hört den Nordmann vor Schmerz brüllen, spürt, wie der Dolchgriff aus seiner Hand rutscht, bekommt einen harten Stoß in den Rücken und taumelt haltlos vorwärts. Er hört ein Knurren hinter sich und duckt sich weiter, einen panischen Augenblick lang so blind und hilflos wie sein Opfer, ehe er sein Gleichgewicht wiederfindet und der Angriff des Sturmlords an ihm vorbei ins Leere läuft.

Der Nordmann taumelt so nahe an ihm vorüber, daß Whytfisk nur die Hand ausstrecken bräuchte, um ihn zu berühren. Ich brauche keine Augen. Ich rieche dich. Ich rieche deine Wut. Ich rieche deine Angst. Ich rieche deinen Zorn. Was nützt dir deine Stärke jetzt, wenn du mich nicht sehen kannst? "Blaeran. Sein Name war Blaeran." Rund herum im Kreis geht ihr blutiger Reigen - ein Tanz, ein Schritt, ein Stich, ein Tanz, klirrende Ketten, singenden Schlagkugeln, ein Schritt, ein weiterer Stich... Whytfisks Hände sind bald rot und klebrig, doch der Sturmlord macht keine Anstalten, aufzugeben oder umzufallen. Er schwankt und taumelt, blind in der Finsternis, aber er wehrt sich verbissen wie ein Bär, den man in die Enge getrieben hat und der einfach nicht begreifen will, daß er schon tot ist. "Zu stur um zu sterben, Nordmann?" Wieder ein Schritt, noch eine Drehung - doch diesmal ist er zu langsam und die Eisendornen des hochsirrenden Morgensterns zeichnen rote Striemen auf seine Stirn. Blinzelnd fährt er zurück, zischend wie eine Schlange, wischt sich über die Augen und riecht seinen eigenen Schweiß, kalt und sauer. "Blaeran," flüstert er, während sein Herz hämmert und sein Blut singt. "Du hast ihn ermordet." Die Ketten klirren leer über ihn hinweg und er hechtet zur Seite, während der Nordmann sich keuchend vor Schmerz und deutlich hinkend jetzt vage in seine Richtung dreht. Ruhig. Ruhig. Er ist blind, er sieht nichts in der Finsternis. Die Schlagkugeln zischen vorüber, treffen wallenden Stoff und zerreißen Whytfisks Lumpenmantel. Er taumelt und der Sturmlord folgt ihm brüllend - einen Herzschlag später wird sein Rückzug zur hastigen Flucht, während der kreisende Morgenstern Kopf, Brust, Schultern und Arme nur um wenige Fingerbreit verfehlt. Dann rettet ihn eine der zerbröckelten Steinsäulen, hinter der er Deckung findet. Whytfisks Eisendorn zuckt wie ein Blitz nach vorn und nach oben, findet die Gelenkstelle unter dem Arm, die Lücke im Kettenhemd und dringt schmatzend tief ins Fleisch. Er kann den Nordmann erstickt Atmen hören, während er seine Waffe dreht und zurückreißt. Inzwischen muß der Krieger unter Kettenhemd und Leder bluten wie ein abgestochenes Schwein. "Blaeran! Sag es. Blaeran Schattenmeister." Er umkreist den Sturmlord, den blutigen Eisendorn für den nächsten Stoß bereit. "Sag es!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 30. Jan. 2005, 17:01 Uhr
In der Honigwabe


Phelan starrt mit weitaufgerissenen Augen an ihm vorbei und flüstert dann: >Wünscht Euch die Kanalratten zurück, Borgil. Alle von ihnen und noch viel mehr. Oder wünscht Euch einfach weit, weit weg von diesem Ort. Die neun Höllen spucken aus, was sie dort nicht mehr haben wollen.< Er fährt herum, folgt dem Blick des Waldläufers und erstarrt. "Heiliger Cobrin!" Fassungslos sieht Borgil, was im roten Flammenschein auf sie zukommt und packt seine Axt fester. "Wer von diesen perversen Schweinen hat da eine Ratte ge...wääärg, das ist ja widerlich!" Er hat keine Zeit, nachzudenken, zu fliehen, einen Plan zu fassen oder auch nur Angst zu haben - alles geschieht so schnell, alles geschieht auf einmal. Phelan warnt Aurian, die gelähmt vor Schreck verharrt, bis sie im letzten Augenblick ausweicht, die Werratten kreisen sie ein, während er mit dem Waldläufer Rücken an Rücken steht, Akira geht grollend zum Angriff auf die dritte der Kreaturen über und vom Wurzelthron her kommt erst ein Stein, dann ein brennender Ast angeflogen. Das Vieh, das ihn angreift, für dessen Sprung er sich schon gewappnet hatte, verharrt mitten in der Bewegung, tastet grunzend an sich herum und löscht mit den gebogenen Krallenhänden Brandfunken und Rauchwölkchen im angesengten Pelz. Viel scheint es ihr nicht auszumachen, aber, den Göttern sei Dank, sie ist abgelenkt. Eine bessere Gelegenheit wird er nicht bekommen, also nutzt Borgil seine Chance und greift an, zwar breit, aber lächerlich klein vor der gigantischen Kreatur. Axtschwingend konzentriert er sich auf erreichbare Ziele wie deformierte Beine, eine seltsame, verschobene Mischung aus menschlichen Knochen und Rattenpelz, mit Krallenklauen anstelle von Füßen. Räudiger Pelz überzieht fahle Haut, schlecht verborgen von zerschlissenen Beinlingen. Ohne auch nur einmal zu treffen wird er von einem beiläufigen Prankenhieb von den Füßen geholt und kugelt fluchend und brüllend vor Schmerz davon, krabbelt schwerfällig wieder auf die Füße, schüttelt sich wie ein nasser Hund, blinzelt, bis er wieder einigermaßen klar sehen kann und donnert der Werratte dann in schneller Folge zwei, drei Wurfbeile in den Rücken. Die Äxte graben sich tief in Fell und Fleisch und das Wesen fährt kreischend herum. Es wankt einen Moment, aber es fällt nicht und Borgil stemmt sich ächzend auf seine Axt - daß er die nicht verloren hat, erscheint ihm als reinstes Wunder. "Fall um," keucht er. "Fall endlich um, Höllenbrut! Ich... bin... doch... schon so erledigt..."

Rotglühende Augen heften sich auf ihn, als die Kreatur auf ihn zustapft, ein Schritt nach dem anderen. Aus den Augenwinkeln sieht er das Rotzgör und Jen am Thron vor dem Feuer. Das Feuer. Weil ihm nichts besseres einfällt und er weiß, daß er einen weiteren solchen Hieb dieses Wesen vermutlich nicht mehr überlebt, bewegt er sich torkelnd und taumelnd seitwärts auf die Flammen zu. "Hierher, Rattenfresse. Hierher. Siehst du mich? Jaaa, ich war das mit den Äxten! Komm her, komm zu Papa, komm, sei ein feines Ungeheuer..." Die Werratte folgt ihm, witternd, aufreizend langsam, als wisse sie genau, daß er am Ende ist, als hätte sie alle Zeit der Welt. Hinter seinem Feind sieht er Phelan kämpfen, sieht Akira und die dritte Rattenkreatur sich in einem knurrenden, kreischenden, brüllenden Knäuel aus Zähnen, Klauen und Pelz am Boden wälzen, sieht die Kanalratten sich an der Tunnelmündung drängen anstatt zu fliehen, von morbider Faszination und dem schrecklichen Schauspiel völlig gefesselt. Eine - die letzte - Wurfaxt hat er noch. Jetzt zieht er sie, wiegt sie in der Hand und visiert seinen widernatürlichen Gegner an. Inzwischen zieht die Werratte eine breite Spur schwarzen Blutes hinter sich her, aber falls ihr das etwas ausmacht, ist ihr davon nichts anzusehen. Fall um, fall endlich um, verdammtes Biest, fall um und stirb! So nähert sie sich zu langsam, so würde sein Plan nicht funktionieren... ha, welcher Plan? Einerlei, sie muß springen! Borgil fuchelt wild mit der Wurfaxt herum, sieht, wie die rotgeränderten, kleinen, bösartigen Augen dem schimmernden Axtblatt folgen, hebt es, täuscht einen Wurf an, hebt es wieder und läßt es fliegen. Diesmal trifft er unterhalb dessen, was wie eine deformierte Rattenmenschenschulter aussieht und das Wurfbeil gräbt sich tief hinein. Das Wesen krümmt sich, Rattenklauen, paradoxerweise niedlich rosig aussehend, öffnen und schließen sich krampfartig, dann zieht das monströse Ding mit einem haarsträubend bösen Grinsen das Beil aus der blutenden Schulter und wirft es mit einem verächtlichen Schnauben zu Boden. Sil, Vater aller Zwerge, ich bin dein treuer Diener. Ich habe eine würdiges Leben gelebt. Ich war Herr vieler Schlachten. Ich war meinen Freunden Schild und Axt und meinen Feinden ein schrecklicher Gegner. Ich habe die Götter geehrt und den Dunklen verflucht. Für alles, was ich hätte sagen sollen und nie gesagt habe, für alles, was ich hätte tun sollen und nie getan habe, für alles, was ich hätte wissen sollen und nie gewußt habe, bitte ich dich um Vergebung...

"Rotzgör, Jen! Weg da!"
Die Werratte verharrt noch einen Augenblick, dann wird aus ihrem schleichenden Lauern ein schnelles Gehen. Klackklackklack. Ihre Krallen klicken über den Steinboden. "Ja," flüstert Borgil. Klackklackklack, schneller jetzt. "Ja!" Mit beiden Beinen sucht Borgil festen Stand, hinter ihm die Feuergrube, knapp zwei Schritt entfernt, Flammenhitze sengend in seinem Rücken. Ein Traben, ein Laufen, ein Rennen. Klackklackklack. Borgil rammt den langen Schaft des Schlachtbeils fest auf den Boden und stützt es mit seinem ganzen Gewicht ab. Sprint und Sprung. Die Kreatur fliegt auf ihn zu wie das schrecklichste Ungeheuer aus der schlimmsten aller Schauergeschichten, die er je gehört hat. Die nackten, langezogenen Rattenwangen sind fröhlich gerötet, die Augen glitzern vergnügt, ein hungriges, gefrässiges Grinsen entblößt riesige Zähne. Dann stürzt das Wesen sich auf Borgil, der sich im letzten Augenblick fallen läßt, begräbt Zwerg und Axt unter sich, spießt sich selbst mit dem ganzen Gewicht des schweren, verformten Leibes auf den langen Dorn der Schlachtbeils und das geschwungene, messerscharfe obere Ende des Axtblattes. Der stinkende, räudige Körper wälzt sich über ihn hinweg und verschmiert ihn mit einem Schwall schwarzen Blutes, reißt dem Zwerg das Schlachtbeil aus der Hand, windet sich in rasender Agonie, vom eigenen Schwung haltlos weitergerissen, scharrt über den Boden und rollt sterbend ins Feuer. Borgil stemmt sich taumelnd auf Hände und Knie und spürt mit stechender Gewißheit, daß ihn das eben ein paar Rippen gekostet hat. Und seine Waffen. Er tastet an seinem Gürtel herum, findet nichts und greift sich schließlich eine eisenbeschlagene Keule, die irgendeiner Kanalratte gehört haben muß, während hinter ihm die Flammen hochschlagen und der Gestank der verbrennenden Rattenkreatur ihm kotzübel werden läßt. Verschwommen sieht er Phelan und den Bluthund kämpfen und torkelt mit beißenden Rußgeschmack auf der Zunge zu ihnen zurück.  

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 30. Jan. 2005, 17:42 Uhr
In der Krypta


Ravens Augen halten sich eisern an Caewlins Gesicht fest, während ihre Stimme wie dünner, wehender Rauch durch die steinernen Säulen und Bögen der Krypta streift und sich unter der hohen Deckenkuppel zu einem Flüstern verliert. Unbeirrt singt sie weiter, die Verzweiflung und die Angst in ihrem Herzen ignorierend, ebenso wie Caewlins harsche Worte und seinen entsetzten Blick. Nun mach schon! Jetzt! Der Dolch an ihrer Kehle gerät plötzlich ins Zittern und sie spürt, wie Whytfisks hagerer Körper sich alarmiert anspannt. Einen Herzschlag lang zögert der Nordmann und scheint verzweifelt mit sich zu ringen, doch dann werden seine Augen hart und schmal. Und dann geht alles ganz schnell. Sie ahnt es mehr, als dass sie es wirklich sieht, wie Caewlins Linke herabsaust, den Dolch zieht und in ihre Richtung schleudert, alles in einer einzigen fließenden Bewegung, zu schnell, als dass ihr Auge ihm folgen könnte. Sie kann nicht einmal mehr die Luft anhalten, hat keine Zeit mehr, irgend etwas zu tun. Blitzender Stahl wirbelt auf sie zu. Die Wucht der Waffe ist so groß, dass es Raven einfach von den Beinen reißt. Whytfisk will nachsetzen und für Sekundenbruchteile kann sie die nadelscharfe Klinge schmerzhaft an ihrem Hals spüren, doch dann rutscht ihr Körper ihm schlaff aus seinen Armen und sie stürzt zu Boden wie eine Marionette, der man urplötzlich die Fäden kappt. Stechende Schmerzen schießen durch ihre Knie, als sie hart auf dem Felsboden aufkommt und zur Seite wegklappt. Über ihrem Kopf hört sie den Morgenstern pfeifend die Luft durchschneiden. Doch er findet kein Ziel, trifft nur ins Leere und Whytfisk scheint plötzlich wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

Dann spürt sie einen Moment lang gar nichts mehr und ihr ist, als würde sie durch ein Meer von Watte sinken, lautlos, leer, endlos fallend, als würde die Zeit plötzlich stehen bleiben. Ravens Blick wandert ungläubig nach unten. In ihrem linken Oberschenkel, drei Handbreit über dem Knie, stecken mehr als eine Elle feinster, geschärfter Klingenstahl, der Griff noch immer zitternd. Aus der Rückseite ihres Beins ragt noch gut eine Handbreit der Dolchklinge hervor. Sie kann nichts fühlen, nichts spüren, kann nur verwundert ihr Bein anstarren, als würde es nicht zu ihr gehören. Blut strömt aus der Wunde und färbt das Leder der Hose dunkel, tropft auf den harten Fels unter ihr.
Und dann trifft sie der Schmerz, unvermittelt und mit voller Wucht, und brüllt wie eine Woge aus weißglühendem Feuer durch ihren Körper. Keuchend und gurgelnd schnappt sie nach Luft und Tränen schießen ihr in die Augen, und dann senkt sich mit einem Mal pechschwarze Finsternis über die Krypta und alles wird still. Nur ihr schmerzerfülltes Wimmern ist zu hören und das erstickte Rasseln ihrer Lungen und irgendwo über ihr Caewlins heftiger Atem. Das Geräusch rauer Stiefelsohlen auf dem hartem Stein, ein Kichern, ein gepeinigtes Aufkeuchen aus Caewlins Kehle und gleich darauf das Sirren der Schlagkugeln, direkt neben ihr. Dann wieder Stille.

Mit panisch geweiteten Augen starrt Raven in die Finsternis, kämpft gegen die Ohnmacht, in die der Schmerz sie reißen will. Weg, weg, weg! Er wird dich treffen! Kriech weg! Kriech weg! Wimmernd rollt sie sich herum, die Hände noch immer straff auf dem Rücken gefesselt. Sie kann fühlen, wie ein steter Blutstrom aus der Wunde quillt und an ihrem Bein hinabtropft, das Leder der Hose und den Stiefel durchtränkt. Du musst es abbinden, du musst das Bein abbinden! Aber womit? Sie kann nicht einmal ihre Hände befreien, geschweige denn, sich eine Aderpresse anlegen. Die Fesseln! Die Fesseln loswerden, schnell, schnell! Hektisch kriecht sie rückwärts, blind und hilflos in der Schwärze, verliert völlig die Orientierung, schiebt sich mit dem gesunden Bein voran, während das andere nutzlos und blutüberströmt über den Boden schleift. Whytfisks Stimme schlängelt sich ölig durch die Dunkelheit, flüsternd und zischelnd, gefolgt von einem schmerzerfüllten Brüllen des Nordmanns. Einmal sind sie links von ihr, dann wieder rechts, einmal ganz nah und dann wieder entfernt. Sie suchen sich. Umkreisen sich. Heftiger Atem keucht in der Finsternis. Was tut er? Was tut er mit ihm? Er wird ihn töten! Ihr Götter, er wird ihn töten... bitte halt' durch, bitte! Caewlin!

Raven ist vor Angst und Schmerzen wie von Sinnen, robbt mit pfeifendem Atem über die Steine, hustend und blutspuckend, um aus der Reichweite der beiden Kämpfenden zu gelangen, schrammt sich Hände und Ellbogen auf, bis sie mit der Schulter gegen eine harte Kante stößt. Der Sarkophag. Blaerans Grab besteht aus einem klotzigen, grobbehauenen Steinquader mit einer schweren Platte als Abdeckung, und das Gestein ist rau und scharfkantig Die Fesseln... beeil' dich! Der Stein hat scharfe Kanten, vielleicht kann ich die Stricke damit aufscheuern.... Verzweifelt versucht sie, den Rücken und die zusammengeschnürten Arme hart gegen den Stein des Sarges gepresst, sich nach oben zu stemmen, um die Kante der Abdeckplatte zu erreichen. Doch sie hat keine Kraft mehr, die Muskeln brüllen vor Schmerz und ihr ganzer Körper ist ein einziges unkontrolliertes, panisches Schlottern. Sie schafft es nicht, kommt nicht nach oben, sackt hilflos in die Knie. Tränen laufen ihr über das zerschrammte Gesicht. Sie merkt es nicht einmal. Götter.... helft mir doch...

Eine Welle bitterer Hoffnungslosigkeit schwappt über sie hinweg, während sie wie betäubt unter dem Schutz der steinernen Grabplatte kauert und fühlen kann, wie ihr Leben als dünner, steter Strom allmählich aus ihr heraussickert. Eine rotglänzende Lache breitet sich unter ihr aus. Es gibt nichts, womit sie die Stricke, die ihre Hände auf den Rücken fesseln, aufschneiden oder lösen könnte. Nichts. Nichts. Ihr Herzschlag ist nur noch ein kraftloses Flattern. Doch. Es gibt etwas.... Mühsam und unter Schmerzen hievt sie sich auf die Knie. Ihr Atem kommt in kurzen, pfeifenden Stößen und Angst durchflutet sie wie eine eisige Welle. Die Schmerzen sind höllisch und sie glaubt, sämtliche Knochen krachen zu hören, als sie sich so weit wie möglich nach hinten beugt und die gefesselten Handgelenke unter das Stück Klinge schiebt, das hinten aus ihrem Oberschenkel ragt. Die Klinge ist scharf, sehr scharf, und sie schneidet durch die Stricke und durchtrennt die Fasern, als bestünden sie aus Wasser. Doch sie schneidet ebenso durch ihr Fleisch und mit jeder Bewegung treibt sie sich den Dolch noch mehr ins Bein. Aber dann sind die Fesseln offen. Halb bewusstlos kippt sie zur Seite, sieht nur noch Schwärze und flimmernde Funken vor ihren Augen, als sie mit der heftig zitternden Rechten nach ihrer Gürtelschnalle tastet. Die Hand, steif und geschunden und abgeschnürt von den engen Stricken, flattert so sehr, dass sie mehrere Versuche braucht, bis sie endlich die Schnalle öffnen und den Gürtel herunterzerren kann. Sie schlingt ihn um ihren linken Oberschenkel, dicht unter der Leiste, und zurrt ihn zusammen, so fest sie kann, bevor der Schmerz ihr endgültig das Bewusstsein raubt und sie nach hinten gegen den Sarkophag kippt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 30. Jan. 2005, 19:32 Uhr
Die Fackel verlischt und hüllt ihn in vollkommene Finsternis - und schon einen Herzschlag später spürt er beißenden Schmerz in seiner Seite. Brüllend schlägt er wild um sich, doch er trifft nichts als Leere und dreht sich schwankend um sich selbst, während er die Rechte an die Seite presst. Er blutet stark, das kann er spüren, auch wenn Kettenhemd und Leder einiges abgehalten haben mögen. Er kann nicht die Hand vor Augen erkennen, kämpft gegen seine Schwäche und das penetrante Gefühl, gleich gegen ein Hindernis oder in einen wartenden Dolch zu laufen, läßt den Morgenstern blind kreisen und hofft, sich Whytfisk so vom Hals zu halten. Dann ertönt aus der Finsternis ein flüsternder Kinderreim, heiser, wahnsinnig, aber außer Reichweite. Die Stimme kommt von allen Seiten gleichzeitig, flüsternde Echos, als wären dort im Dunkeln vier Whytfisks und nicht nur einer. >Ringel, ringel Rose. Zucker in die Dose... Schmalz in den Kasten, Morgen laßt uns fasten. Übermorgen Lämmlein schlachten und die sollen... schreien...< Er ist ein Mensch! Hämmert Caewlins Herz. Er ist ein Mensch und er kann sterben! Sein Bein knickt immer wieder unter ihm ein und einmal fällt er schwankend auf ein Knie und kann nichts tun, als wahllos und wild um sich zu schlagen, bis er wieder auf den Füßen ist. Whytfisk ist lautlos und schnell wie eine zustoßende Schlange. Jeder Angriff kommt aus dem Nichts und Caewlin, gefangen in der Schwärze, kann nichts dagegen tun, außer auszuhalten, nicht zu fallen, irgendwie am Leben zu bleiben... darauf zu vertrauen, daß er seinen Gegner irgendwann mit einem Schlag erwischen muß. Er versucht es und bekommt einen Dolch in sein ohnehin schon verwundetes Bein, doch dann trifft der zuschlagende Morgensternschaft auf etwas Nachgiebiges und Caewlin setzt knurrend nach - zu langsam. Whytfisk entkommt, windet sich davon in die Schwärze und er stolpert ins Nichts.

Er schlachtet mich. Sein Herz trommelt in seiner Brust, als wolle es zerspringen, als er keuchend herumtorkelt. Whytfisk ist schnell, tödlich schnell und bewegt sich in der Finsternis ringsum so sicher, als könne er sie mit seinen Augen durchdringen, während Caewlin nicht einmal die Hand vor Augen sieht. Er hört mich... und wahrscheinlich riecht er mich auch. Außer seinem eigenen, abgehackten Atem und dem Pulsieren und Dröhnen seines eigenen Blutes, kann er hingegen gar nichts hören. Aber er spürt, wie er selbst immer schwächer wird und eigentlich nur noch darum kämpft, bei Bewußtsein und auf den Füßen zu bleiben. Er schlachtet mich. Hier in der Dunkelheit ist er mir haushoch überlegen. >Zu stur um zu sterben, Nordmann?< Caewlin schlägt blind in die Richtung, aus der das heisere Flüstern kommt und spürt eine sachte Bewegung in der Dunkelheit dort. Kurz ist ein Zischen und Rascheln zu hören, dann nichts mehr. Getroffen? >Blaeran,< flüstert die Stimme und Caewlin schlägt zu. Nichts. >Du hast ihn ermordet.< Der Morgenstern kreist und diesmal trifft er - verfängt sich in weichem Stoff und Caewlin setzt nach. Er deckt die Finsternis vor sich mit wilden Schlägen ein und weiß, daß Whytfisk dort ist, obwohl er nichts sehen kann, weiß, daß er ausweicht, zurückweicht, flieht, riecht ihn plötzlich: Schweiß und Angst und noch etwas anderes, das Caewlin  noch nie zuvor gerochen hat - dann prallt er schmerzhaft gegen rauhen Stein. Einen Moment klammert er sich stöhnend vor Schmerz an den rauhen Stein und lehnt sich dagegen, um nicht zu fallen. Blut läuft mittlerweile in Strömen unter Kettenhemd und Leder hervor und er ist längst über den Punkt vollkommener Erschöpfung hinaus. Er kann nicht sagen, wie oft Whytfisk ihn letztlich getroffen hat, aber sein ganzer Körper schmerzt und kämpft längst mit Kräften, die ihm sonst nicht zur Verfügung stehen. Er weiß nicht mehr, warum oder wie er sich eigentlich noch auf den Beinen hält, aber er tut es. Noch stehe ich.

Merkwürdigerweise verspürt er keinerlei Beunruhigung deswegen. In ihm ist kein Platz mehr für Angst oder Zweifel oder Sorge um Raven, von sich selbst ganz zu schweigen. Er weiß nur, daß Whytfisk ihn töten wird, tötet er ihn nicht zuerst, also kämpft er weiter und weiter und weiter. Halbvergessene Worte kommen ihm wieder in den Sinn, Worte, die er vor einer Ewigkeit und in einem anderen Leben zu Calyra gesagt hatte: Wenn du einem Gegner nicht beikommen kannst, weil er größer oder stärker, schneller oder einfach besser ist, als du, dann versuch eine andere Taktik. Versuch eine andere Taktik... Er bleibt wo er ist, die Säule im Rücken. "Du redest zuviel, Weißfisch." Er hält den Morgenstern vor sich, bereit zum Schlag und schiebt sich nach Links - dann trifft ihn aus dem Nichts etwas Hartes, diesmal unter dem Arm. Alles, was er fühlt, ist Kälte und er taumelt zur Seite, einen Moment lang sogar zu atemlos, um zu schreien. Ihm ist so schwindlig, daß er flimmernde Punkte vor seinen Augen schwimmen sieht und irgendetwas läuft warm an seiner Seite herab. Seine Linke und seine Füße fühlen sich taub an, sonst spürt er nichts... nichts außer Leere um sich her. Er tastet um sich, findet nichts, macht einen taumelnden Schritt in die falsche Richtung und hört dann Whytfisks flüsternde Stimme. >Blaeran! Sag es. Blaeran Schattenmeister.< So nah, kaum mehr als zwei Schritt entfernt - unerreichbar. Er spielt mit mir. Er schlachtet mich. Katz und Maus. Ringel, ringel Rose. Caewlin kann kaum noch stehen und unter ihm breitet sich eine rote Lache aus, die er nicht sehen kann. Andere Taktik. "Niemals!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 30. Jan. 2005, 20:27 Uhr
In der Krypta


"Sag es!"Whytfisk folgt dem davonstolpernden Nordmann, weg von den Steinsäulen, immer außer Reichweite des Morgensterns. Er kann die Ketten der Waffe klirren hören, den flachen, keuchenden Atem, die abgehackten, fahrigen Bewegungen seines Gegners. "Sag. Seinen. Namen." In der Finsternis umkreist er sein Opfer, ein hungriger Hai im schwarzen, schwarzen Meer. Er hört ein halbersticktes Keuchen, Schmerz jenseits des Aufschreiens, dann wird es still vor ihm. Whytfisk verharrt, lauschend, atemlos, reglos. Er dreht den Kopf von einer Seite zur anderen, um jedes Geräusch einzufangen. Nichts, nur durchdringender Blutgeruch, süß und kupfern, füllt seine Nase. >Niemals.< kommt eine gepresste, kaum hörbare Antwort aus der Schwärze vor ihm, dann wieder Schweigen. "Sag seinen Namen. Ich will seinen Namen aus deinem Mund hören. Sag es!"  Whytfiks macht einen Schritt zur Seite, absichtlich scharrend, doch nichts geschieht. "Blaeran. Sag es! Blaeran." Falls der Nordmann noch atmet, ist es kaum noch zu hören... dafür etwas anderes. Tropf. Tropf. Tropf. Zwei Schritt zur Seite, ein Schritt näher. Weiche Lederstiefel auf rauhem Fels, raschelnde Lumpenfetzen. Whytfisk hört seinen eigenen Herzschlag, laut in der plötzlichen Stille, hört seine Tritte, leichtfüßig wie die einer Katze, aber nicht mehr völlig lautlos. Hört irgendwo vor sich leichte Atemzüge, so schwach... oder eisern beherrscht? Pitsch-patsch. Pitsch-patsch. Tropf. Tropf. Pitsch-patsch. Stille. Pitsch. Patsch. Noch ein Schritt näher. "BLAERAAAAAAAAAAAN!"

Whytfisk steht hinter ihm. Er kann spüren, wie der Nordmann sich dreht und zum Schlag ausholt, hört die Eisenketten des Morgensterns singen, doch der Krieger ist zu langsam. Whytfisk duckt sich tief, taucht unter dem Schlag hinweg und springt nach vorn, und diesmal bohrt sich der Eisendorn von hinten in das Bein des Nordmanns, irgendwo oberhalb der Kniekehle. Der Sturmlord schwankt, taumelt und fällt, während Whytfisk hastig zurückweicht. Der Morgenstern gleitet ihm aus der Hand und klirrt über den Steinboden. Whytfisk verharrt und lauscht, hört seinen Gegner sich langsam und schwerfällig auf dem Boden herumwälzen. Er wirft seinen zerfetzten Mantel ab und schlendert in die Finsternis davon, ohne sich dabei noch die Mühe zu machen, sich weiter in Lautlosigkeit zu hüllen. Hinter sich hört er ein Stöhnen und die schwachen Versuche des Sturmlords, sich aufzurappeln. "Blaeran!" Flüstert er, während er schlangengleich herumfährt und auf den gefallenen Nordmann zugeht. "Sag seinen Namen! Wag es nicht zu sterben, ehe nicht sein Name über deine Lippen kam." Er tritt durch eine Blutpfütze, pitsch-patsch, bis seine Stiefelspitzen etwas berühren. Der Sturmlord versucht, sich zu erheben und Whytfisk setzt ihm einen Fuß auf die Brust, den Eisendorn in der Hand. "Blaeran. Sag es!!!"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Phelan am 30. Jan. 2005, 21:51 Uhr
Das Monstrum springt seinem Körpergewicht zum Trotz mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze, schnell wie ein todbringender Schatten, ohne dass Phelan ihm noch viel weiter ausweichen könnte. Alles, was er sieht, sind die runden, rotglänzenden Augen, gefühllos, kalt wie feuriges Eis. Phelan taumelt nicht seinem Instinkt nachgebend zurück, sondern stürzt mit erhobener Klinge nach vorne auf die Kreatur zu. Kaltes Metall dringt in weiches Fleisch, zerfetzt Muskeln und zieht eine todbringende Spur durch den Leib des Wesens, das mit einem ohrenbetäubend schrillen Aufschrei mit den krallenbewerten Klauen rudert, als könne es seine Richtung dadurch beeinflussen. Phelan lässt sich fallen, gibt den weichen Knien nach und rollt zur Seite. Dort kommt er sofort wieder auf die Beine, doch die Kreatur ebenso. Sie ist riesig, wuchtig, unüberwindlich wie ein Fels. Aus ihrer Brust tropft glänzend schwarzes Blut und noch immer schreit es. Phelan kann es atmen hören, tief, pfeifend. Die Leichtigkeit seiner Bewegungen ist durch die Verletzung dahin, aber es geht nicht in die Knie. Phelan hört es grollen, dann macht es den nächsten Schritt vorwärts. Noch einen. Und noch einen. Im direkten Zweikampf hat er keine Chance, das weiß Phelan, das sieht er. Dann springt es.

Die schimmernde Klinge malt einen leuchtenden Halbkreis in die Luft auf den Arm des Ungetüms zu, doch sie trifft ihr Ziel nicht. Mit rasender Geschwindigkeit schießt der Arm vor und die Klaue legt sich unnachgiebig wie ein Schraubstock um Phelans Arm und die Krallen bohren sich bis auf den Knochen ins Fleisch. Mit der anderen holt das Wesen aus, doch erstarrt in ihrer Bewegung. Im selben Moment ist ein dunkler Schatten heran, knurrend, grollend und die Bluthünding beißt sich im Nacken des Wesens fest, das schrill aufkreischt. Phelan nutzt diesen Moment und entreißt seinen Arm dem unnachgiebigen Griff und weicht zurück. Die Hündin ist über der Kreatur und ringt sie zu Boden, beißend, knurrend. Sie würde den Rest erledigen, darum macht Phelan sich keine Sorgen.

Er atmet schwer und die neuerliche Verletzung setzt ihm mehr zu als sich eingestehen mag. Bei allen guten Göttern! Anukis... steh mir bei! Aber es waren zwei dieser Kreaturen gewesen. Und die dritte? Er fährt herum, sieht Borgil am Feuer und eins der Wesen brennend und schreiend inmitten der Flammen. Doch das dritte. "AURIAN!" Helle Flammen schlagen vor der Frau aus dem Nichts empor, eine winzige Trennlinie zwischen ihr und der Kreatur, so nutzlos wie Staub. Phelan springt auf und rennt los, hält mit der Klinge auf den breiten Rücken des Rattenwesens zu, holt aus, doch das Monstrum reagiert sofort. Es stoppt, dreht sich und holt mit dem mächtigen Arm aus. Die Klaue kracht mit unglaublicher Wucht gegen Phelans Schulter und Hals und zieht blutige Striemen quer über seine Brust. Phelan prallt zurück und noch im Flug hört er es in seiner Schulter knacken. Feuer schießt durch seinen Arm und Oberkörper, dann prallt er hart auf dem Boden auf und der Aufschlag presst ihm die Luft aus den Lungen. Vor seinen Augen wird es schwarz und viele, viele Schritt weiter landet der Säbel klirrend auf dem Boden. Phelan schmeckt das Blut in seinem Mund, dreht sich auf den Bauch und spukt es aus. Im letzten Moment registriert er den Schatten über sich und zieht sich mit letzter Kraft weg, als neben ihm eine riesige Faust auf den Boden niedersaust. Aurian... Er hat des Wesen abgelenkt, so wie er es gewollt hat, aber ohne den Säbel ist er hilflos.

Sein Blick ist verschleiert, nur verschwommen erkennt er um sich herum den glühenden Schein des Feuers und ein Stück weiter das blaue Glühen des Nargensäbels. Alles andere ist aus seinen Gedanken verschwunden, da ist nichts mehr als Schmerz und das blaue Leuchten der Waffe vor ihm. Mit der Rechten zieht er sich voran, den linken Arm nutzlos hinter sich herschleifend, und die Finger der verletzten Hand umklammern noch immer den Griff des Messers. Mit jedem Zug fühlt es sich an, als würde etwas in ihm zerreißen. Auf einmal passiert alles furchtbar langsam, ganz so, als stünde die Zeit still. Er kommt zwei Schritt weit, drei, beinahe kann er den Säbel greifen, der vor seinen Augen zerfließt wie Wachs im Feuer. Ein Zischen erklingt über ihm, ein schrilles, boshaftes Geräusch. Phelan erstarrt in seiner Bewegung. Er weiß, dass die Bestie über ihm steht, auf ihn hinunterblickt wie auf ein hilfloses Insekt. Und er weiß, dass er nicht mehr viel tun kann, die Schulter und das Handgelenk gebrochen, den Arm halb zerrissen. Er schließt die Augen für einen winzigen, stillen Moment, ehe ihn der Schmerz wieder in die Wirklichkeit zurückholt. Die Hände des Monstrums packen ihn an Hals und Beinen und zerren ihn wie ein Kind in die Luft. Helle Lichter tanzen vor Phelans Augen, kalte und heiße Wellen schlagen über seinem Körper zusammen, während er den fauligen Atem der riesigen Werratte im Gesicht spürt. Mit einem grunzenden Geräusch stößt das Monstrum den Körper von sich und Phelan schreit laut auf, ehe er mit voller Wucht gegen eine der Felssäulen prallt, zu Boden fällt und dort regungslos liegen bleibt. Der Schmerz zuckt mit weißglühenden Klingen durch seinen Körper und raubt ihm den klaren Verstand, ehe die Welt in gnädiger Dunkelheit versinkt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 30. Jan. 2005, 22:38 Uhr
In der Krypta



Was immer Whytfisk mit seiner Waffe vorhat, er kommt nicht mehr dazu, es auszuführen. Caewlins Linke schießt hoch und packt den Kanalrattenführer am Bein. Der Weißfisch stößt den Eisendorn nach unten, doch er hat das Gleichgewicht schon verloren und so gleitet die Spitze wirkungslos an Caewlins Seite vorbei, und schrammt über den Felsboden davon - und dann ist jede Klinge vergessen, als er Whytfisk über sich zieht. Sie ringen in völliger Finsternis in einer Blutlache und im Staub miteinander, und Whytfisk windet sich wie ein Aal. Caewlin hat den rechten Arm fest um den knochigen Körper geschlungen und hält ihn eisern, zieht ihn näher und näher zu sich herab. "Blaeran," hört er sich selbst sagen, als er Whytfisks Atem warm auf seiner Haut spüren kann und weiß, daß das fahle Gesicht nur noch einen Fingerbreit von seinem entfernt ist. Seine Stimme ist nicht mehr als ein keuchendes Flüstern, aber Whytfisk versteht ihn - und erstarrt. "Blaeran ist verbrannt. Er ging schreiend zugrunde." Er stößt seine freie Hand von unten nach oben in Whytfisks ungeschütztes Gesicht und bricht ihm die Nase. Blutnebel regnet auf ihn herab, doch er drückt den Weißfisch so fest an sich wie eine lang vermißte Geliebte. "Ich hätte ihm selbst den verfluchten Schädel eingeschlagen, wenn ich nur gekonnt hätte." Caewlin rammt Whytfisk die Faust in den Mund und verwandelt schmale Lippen und spitze Zähne in roten Splitterbrei.  "So wie dir. Jetzt." Er ballt die verschmierte Hand zur Faust, spürt das Blut darauf heiß und klebrig in der kalten Luft, holt aus und schlägt zu. Ein häßliches Krachen knirscht durch die Halle und sein Echo rollt durch die Finsternis.

Whytfisks magerer Körper bäumt sich auf wie der einer aufgespießten Spinne, zuckt wild und liegt dann still - nur pfeifender Atem verrät, daß noch ein wenig Leben in ihm ist. Einen entsetzlich endlosen Augenblick lang kann Caewlin nur liegenbleiben, wie er ist, das schwere, klebrige Gewicht Whytfisks auf seiner Brust, seine verzweifelt röchelnden, schnappenden Atemzüge im Ohr, den eingeschlagenen Schädel dicht an seinem Hals. Er kann selbst nur keuchend nach Luft ringen und schmeckt Blut in seinem Mund, hat einfach nicht mehr die Kraft dafür, den blassen Kopf zu packen und mit einem Ruck das Genick zu brechen, sondern hustet, würgt und spuckt, braucht eine weitere halbe Ewigkeit, bis er Whytfisk von sich herunterschieben kann, und fühlt sich entsetzlich schwach. Dann rollt er sich auf die Seite und übergibt sich vor Schmerz und Ekel gleichermaßen würgend in die rote Lache unter ihm. Tastende Finger an seiner Seite. Er ist immer noch nicht tot. Götter. Raven! Er will nach ihr rufen, will hören, ob sie noch am Leben ist, will sie bitten, für Licht zu sorgen und erinnert sich gerade noch daran, daß er selbst sie verletzt hat. Ist sie tot? Götter... bitte... "Raven?" Er schiebt Whytfisks zur Seite ohne auf die grapschenden Hände und den rasselnden Atem des Sterbenden zu achten. "Du," flüstert er heiser, "du verdienst keinen Gnadenstoß. Ich höre dir einfach beim Sterben zu, ganz gleich, wie lange es dauert."

"Raven..." Wenn sein Dolch in ihrem Bein nun genau die Ader getroffen hatte... wenn sie Schock und Schmerz nicht verkraftet hatte, wenn sie zuviel Blut verloren hatte oder auf ihre Schulter gestürzt war... wenn Whytfisk ihr im Dunkeln die Kehle durchgeschnitten hat und ich habe es nicht einmal gemerkt. "Ra... Raven?!" Er will schreien, aber alles was er herausbringt, ist ein tonloses Krächzen - und dann packen eiskalte Finger ihn plötzlich am Arm, krallen sich ins Kettenhemd. Er fährt auf allen Vieren herum, stößt an eine Stufe und merkt plötzlich, daß sie bei ihrem Kampf bis ans Ende der Treppe gelangt sein müssen. Die Finger schließen sich kalt um sein Handgelenk. Leichter Druck, beinahe sanft. Fast wäre er über Whytfisk gefallen, als er blind im Dunkeln herumkraucht. Er zieht seinen Arm zurück und spürt, wie er bittere Galle hochwürgt. Er will wegkriechen, will aufstehen und sich ein Stück Stoff unter den Arm pressen, damit das Blut endlich aufhört, aus ihm herauszusprudeln, aber er kann nichts von alldem tun. Blind in der Finsternis, hilflos und schwächer als ein neugeborener Welpe, kann er nur sitzen bleiben, dazu verdammt, Whytfisks gurgelndes, reißendes Ringen um Sauerstoff mitanzuhören und zu spüren, wie das Leben aus ihm herausrinnt. Dann nuschelt der Sterbende etwas, blubbernd durch das Blut in seiner Kehle und die rote Ruine, die einmal seine Kiefer waren. Doch es sind keine Worte, es sind abgehackte, würgende Laute. Kleine, bebende Erschütterungen gehen durch den hageren Körper, lassen die magere Brust beben - und Caewlin braucht eine blinzelnde, vollkommen verwirrte Ewigkeit, bis er begreift, daß Whytfisk lacht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 30. Jan. 2005, 23:07 Uhr
Die Kreatur will eben zum Angriff übergehen, als sie mitten in der Bewegung stoppt und sich wieder von ihr abwendet. Im ersten Moment weiß das Mädchen nicht warum, doch dann fällt ihr Blick auf Phelan. Dieser hat inzwischen eines der beiden anderen Monster niedergestreckt. Die dritte Werratte stürzt eben, von Borgil mit der Axt behandelt, in das Feuerloch und die Wände werfen den grauenvollen Todesschrei mehrfach zurück. Er will sie ablenken! Das ist Wahnsinn! Vollkommen fassungslos starrt sie auf das Wesen, welches den Heiler soeben wie eine Puppe gegen die Steinsäule wirft. Es bringt ihn um! Mit einem Satz ist die junge Magierin hinter der Kreatur. Woher sie den Mut für das nimmt, was sie tut, sie weiß es nicht, sie denkt nicht darüber nach. „Hey, du ...du hässliches Ding du! Hier bin ich, wir waren noch nicht fertig miteinander!“ Ihre Stimme zittert und beinahe bleibt ihr das Herz stehen, als die Kreatur reagiert und sich umwendet. Böse stieren sie die kleinen Knopfaugen an. Mit einem Laut, der eine Mischung aus Grunzen und Fauchen zu sein scheint, dreht sich der Rattenmensch um und kommt auf sie zu. Aurian weicht zurück und lockt so das Wesen von Phelan weg. Los steh auf! fleht sie in Gedanken. Doch der Heiler scheint ziemlich angeschlagen zu sein. Fieberhaft wandert ihr Blick in der Höhle umher, immer die Werratte im Auge behaltend. Und dann kommt ihr eine Idee, irrsinnig, eigentlich ein Selbstmordkommando. Doch sie haben keine andere Chance. Rückwärtsgehend lockt das Mädchen die Kreatur immer weiter von den anderen weg, und bringt sich gleichzeitig mit dem Rücken zu der Gruppe. Noch Stückchen, noch ein Schritt. Das Wesen steht nun direkt unter einem seltsam anmutenden Felssims. Ein schneller Blick über die Schulter bringt ihr die Gewissheit, dass die anderen doch noch einige Meter entfernt sind. Alle Götter Rohas, steht mir bei! Noch einmal fleht sie in Gedanken die Hilfe derer an, dann reißt sie den rechten Arm hoch.

Ein blauer Blitz entfährt ihrer Hand, gebündelte magische Energie. Später würde sie nicht mehr sagen können, woher diese Kraft kam und wie sie sie so zu konzentrieren vermochte. Doch im Moment spielt das alles keine Rolle. Der Blitz trifft den Steinsims und krachend stürzen die Brocken in einem todbringenden Hagel auf die Kreatur herab. Doch Aurian kann diese Macht nicht wirklich kontrollieren, zu unerfahren ist sie noch. So reißt der Energieausstoß sie nach hinten und noch im Fallen spürt sie einen dumpfen Schmerz an der Schulter: Einer der herabfallenden Steine hatte nicht die Werratte getroffen, sondern sie selbst. „Ahhhh!“ Ihr Schrei geht beinahe in dem wutentbrannten Todesschreien des Monsters unter. Zuerst scheint der Steinhagel ihm nichts auszumachen, doch dann löst sich ein besonders großer Brocken und trifft es genau auf den Kopf. Mit einem poltern geht die Werratte zu Boden und der Aufprall lässt den Boden erzittern. Ein weiterer Stein verfehlt nur knapp ihren Kopf und instinktiv schützt sie sich mit den Armen. Das rettet ihr wohl im Moment das Leben, den ein weiterer, wen auch bedeutend kleinerer Stein trifft erneut ihre Schulter und ein wütender Schmerz ist die Antwort und raubt ihr beinahe die Sinne. Ein feiner Riss bildet sich in der Decke. „Lauft, die Decke!“ Noch immer geht um sie ein Steinregen nieder, der sie daran hindert, auf die Beine zu kommen. Wie hundert kleine Schläge prasseln kleine Steinchen auf sie herab, als sie versucht, zum Thron und den anderen zu kriechen, ohne dabei die spärliche Deckung ihre Arme aufzugeben.    

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Whytfisk am 30. Jan. 2005, 23:34 Uhr
In der Krypta


Whytfisk hat nicht gewußt, daß es solche Schmerzen gibt. Sein Kopf explodiert in rotem Feuer und wird herumgerissen - doch statt in gnädiger Dunkelheit zu versinken, ringt er nur mühsam um Atem, bekommt keine Luft mehr durch seine zerstörte Nase und die zermalmten Kiefer, sinkt zusammen und würde Schreien vor Qual, wenn er nur könnte. Seine Augen quellen aus den Höhlen, Blut und Hirnmasse rinnen warm und dick über seine Stirn, seine Lungen füllen sich mit Flüssigkeit, er blutet aus den Ohren.  Er wird herumgezerrt und weggeschoben, ein zuckendes Bündel sterbenden Fleisches und die Welt versinkt in Stille. Schwarz. Alles ist schwarz, dennoch klammert er sich an einen Gedanken, an seinen einzigen - er weiß nicht mehr, daß er noch Hände hat, bewegt sich nur noch instinktiv, greift nach dem Nordmann, spürt ihn neben sich, tastet über kalte Stahlringe und findet irgendwann warme Haut. Umsonst! Schreit sein letzter klarer Gedanke - und als ihm einfällt, daß er es dem Nordmann mit seinem zerschlagenen Mund nicht mehr sagen kann, beginnt er hysterisch zu lachen.

Er weiß nicht mehr, ob der Sturmlord noch neben ihm kniet oder nicht. Whytfisk spürt nichts mehr - nicht das wankende Beben, das plötzlich durch die Felswände ringsum läuft, nicht das Zittern der Stufen unter seinem zerschundenen Körper, nicht die Kälte, die in seine Adern kriecht, nicht den Staub und Schutt, die von der Decke herabrieseln - nicht einmal mehr den entsetzlichen Schmerz. Seine letzten Atemzüge gelten Caewlin. Die Schwärze verschwimmt. Noch einmal sieht das Gesicht des Nordlords vor sich, wie an jenem Tag, an dem er ihn in den Tunneln gefangen genommen hatte. Blaugrüne Augen, kalt wie Eiswasser. "Wußte es..." nuschelt er durch das Blut in seinem Mund, immer noch erschüttert von dem heiseren Gelächter, mit dem er einfach nicht aufhören kann. Ein letztes Mal holt er blubbernd Atem. "Umsonst." Schwärze kommt und hüllt ihn ein. "Alles...umsonst. Deine Frau," gurgelt er und spürt sein Herz ein letztes Mal schlagen. "Deine Frau ist tot, Nordmann. Tot."  

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 31. Jan. 2005, 14:50 Uhr
In der Honigwabe


Die Keule in der einen Hand, die andere auf seine schmerzenden Rippen gepresst ist Borgil reichlich kurzatmig und mit lauter unterdrückten Flüchen im Sinn auf dem Weg zurück ins Gemetzel. Er ist noch keine zehn Schritt weit gekommen, als er den Waldläufer durch die rauchgeschwängerte Luft fliegen und dann mit einem Übelkeit erregenden Krachen aufkommen sieht. Borgil bleibt fast das Herz stehen und er taumelt so schnell ihn seine inzwischen sülzenartig wackligen Zwergenbeine nur tragen, brüllend und keulenschwingend auf die letzte verbliebene Werratte zu - und weiß doch, daß er zu spät kommt. Er sieht Phelan sich herumrollen und über den Boden kriechen, sieht, wie der Waldläufer wieder hochgerissen und gegen eine der wuchtigen Säulen geworfen wird wie er liegenbleibt - und dann wie Aurian aus der anderen Richtung heranrennt und das deformierte Monstrum ablenkt. Zehn Schritt weiter hinten macht die Bluthündin ihrem Gegner gerade mit einem wilden Grollen den Garaus und Aurian lockt die letzte Werratte von ihnen fort. Halt durch Mädel, bin gleich bei dir...

Er erreicht Phelan und kniet sich ächzend an seine Seite. Sein Anblick ist wie ein Schlag in den Magen - der Lederwams des Waldläufers ist von tiefen Krallenspuren zerfetzt und völlig blutdurchtränkt, die Schulter darunter sieht eingedrückt aus und ein Stück Knochen ragt durch das zerrissene Leder. Das Handgelenk steht in verrücktem Winkel vom restlichen Arm ab und das, was einmal die Finger gewesen sein müssen, ist grotesk geschwollen. Blut läuft in kleinen Rinnsalen unter dem Lederharnisch hervor und tränkt den Boden, verschmiert das lange Haar des Elben und sammelt sich zu kleinen Pfützen. Er hat die Augen geschlossen und sein Gesicht ist weiß wie Milch, aber noch ist ein wenig Leben zumindest in ihm - seine Brust hebt und senkt sich, flach und schnell... vermutlich haben ihn die infernalistischen Schmerzen der gebrochenen Knochen und inneren Verletzungen einfach ohnmächtig werden lassen. Akira tappt heran, nicht mehr grollend, sondern leise winselnd und bläht die schwarze Nase. Sie schnüffelt in Phelans Richtung und läßt sich dann neben dem Waldläufer nieder - so vorsichtig, als lege sie sich neben eine Statue aus Rauchlas. Die geknickten Ohren und der enervierend wissende Blick verraten, daß die Bluthündin genau weiß, was hier vor sich geht und Borgil nickt nur.

Er öffnet den Mund und klappt ihn wieder zu, weiß, daß er eigentlich Aurian beistehen sollte und kann sich doch kein Stück bewegen. Er ist Wirt und Krieger, kein Heiler - aber man muß nichts von der Heilkunst verstehen, um zu wissen, daß Phelan sterben wird. Er hebt müde den Kopf und blinzelt aus rotgeränderten Augen durch den Rauch, dann streift er mühsam einen der stahlgepanzerten Handschuhe ab, flucht eine Ewigkeit an den Schnallen herum und bekommt seine Finger schließlich doch frei. Obwohl er tief in sich weiß, daß es aussichtslos ist, kramt er hastig in Taschen und Beuteln nach Verbandslinnen, rafft ein paar Handvoll zusammen und stopft alles, was er finden kann, so vorsichtig wie möglich unter den Wams. Das schneeweiße Leinen färbt sich scharlachrot und Borgil wagt nicht, dem Waldläufer die leichte Rüstung abzunehmen... vermutlich ist das verstärkte Leder alles, was den geschundenen Brustkorb überhaupt noch zusammenhält. "Das ist... nicht fair, Spitzohr. Ganz und gar nicht fair. Woher soll ich jetzt wissen, wer unsere Wette gewonnen hat, hä?" Phelans Lider flattern, aber er erwacht nicht aus seiner Bewußtlosigkeit - und plötzlich läßt ein ohrenbetäubendes Krachen erst die Bluthündin aufspringen und dann Borgil herumfahren und hastig auf die Füße krabbeln.

Das Bersten von Fels und ein wütendes Todeskreischen ertönt, gefolgt von einem Schauer herabrieselnder Steine, noch mehr Krachen und jeder Menge Staubregen. Er hört Aurian schreien, kommt auf die Füße, spürt, wie ein Beben durch den Steinboden läuft und ihn fast von den Beinen fegt, hört die restlichen Kanalratten schreiend die Flucht ergreifen und weiß nicht, in welche Richtung er zuerst hetzen soll. Dann läuft er los, herrscht die Bluthündin an, bei dem Waldläufer zu bleiben, brüllt dabei nach Jen und dem Rotzgör, irgendwo hinter sich, findet Aurian schließlich unter einem kleinen Schuttberg begraben und zerrt sie hoch und hinter sich her. "LAUF! DORT HINÜBER!"  Ein Steinbrocken von der Größe eines verfluchten Harfentisches löst sich und poltert mitten in die Feuergrube, während ringsum ein Grummeln und Krachen durch die zitternden Wände der Honigwabe läuft. Sie erreichen Phelan hakenschlagend und Felsbrocken ausweichend und Borgil hebt ihn hoch - auf gar keinen Fall würde er den Halbelben hier unten von Tonnen von Stein begraben werden lassen, keinen Waldläufer der Anukis und Hüter des Waldes - er hatte besseres verdient, als in dieser stinkenden Finsternis zu sterben.

Hastig sieht er sich um, sieht Jen und das Rotzgör, einander festhaltend und mit wachsweißen Gesichtern, sieht die Bluthündin, die sich jaulend über den Waldläufer duckt, sieht Aurian neben sich und siedendheiß fallen ihm Raven und Caewlin ein, noch immer irgendwo mit Whytfisk beschäftigt oder - Sithech sei ihnen gnädig, längst tot. Doch eben in diesem Augenblick stürzt unter ohrenbetäubendem Krachen die ganze westliche Wand der Honigwabe ein und die Säulen im Süden verschwinden in einer gigantischen aufwirbelnden Rauchwolke. "RAUS! Raus, raus, alle! LAUFT! Nach Norden, dort hinauf! LAUFT!" Den Halbelben wie ein Kind in den Armen, die sich immer wieder umblickende und nur widerwillig mitgehende Bluthündin neben sich, scheucht Borgil alle vor sich her, während um sie her die Welt in Staub und Steinregen untergeht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Faraday am 31. Jan. 2005, 15:35 Uhr
Entgeistert starrt Faraday auf das Geschehen vor ihren Augen und kann nicht glauben, was sie dort sieht. Sie hat bereits ein zweites Stück Wurzel in der Hand, aber alles geht so schnell, dass es unmöglich ist zu zielen und zu treffen. Die Bluthündin fällt über einen der Rattenmenschen her, den anderen erledigt der Zwerg im Feuer. Faraday weicht erschrocken zurück, sicher, dass das Monster auch in den Flammen nicht umkommen würde. Aber es stirbt mit grauenhaftem Geschrei und noch schlimmerem Gestank. Um Faradays Fassung ist es geschehen. Sie rennt in wilder Panik zurück zu Jen auf dem Wurzelthron, wo der Junge noch immer versucht mit den Schleudersteinen in den Kampf einzugreifen. Faraday versteckt sich hinter ihm, aber kann genau sehen, was mit dem Heiler passiert und das Brechen seiner Knochen hört sie bis hier herüber. "NEIN! Neeein!" So hat sie noch nie einen Menschen sterben sehen, hilflos gegenüber solchen Monstren. Und dass er tot ist, davon ist sie überzeugt. Tränen rinnen heiß über ihre Wangen, ohne dass sie versucht etwas dagegen zu tun. Er hat uns geholf'n, hat uns're Wunden versorgt und uns zu heilen versucht. Er kann nich' tot sein, er darf es nich'!

Dann bebt der Boden. Aurian hat das getan, das ist ihr klar, sie hat gesehen, wie die junge Frau versucht hat, das Rattenwesen von dem Heiler abzulenken. Und sie hat gesehen, wie die Magierin die Feuerwand hatte entstehen lassen, um sich vor dem Monster zu schützen. Steine lösen sich aus der Decke und fallen zu Boden und auch der Wurzelthron vibriert und bebt, so dass Faraday hilflos von dem Gebilde aus Wurzeln herunterpurzelt und ungeschickt auf Jen landet. Große Felstücke brechen aus der Decke und zerbersten auf dem Boden, begraben Freund und Feind unter sich. Jen rappelt sich auf und Faraday klammert sich an ihm fest, die Augen angstgeweitet zur Decke gerichtet. "Jen, wir müss'n raus hier! Schnell!"

Falls die übriggebliebenen Kanalratten noch immer an den Höhleeingängen gestanden haben, so sind sie nun verschwunden, um ihre eigene Haut zu retten. Und der Nordmann? Sie würden ihm nicht helfen können. Durch den Staub erkennt Faraday den Zwerg, der den Heiler auf seinen Armen trägt, Aurian, strauchelnd und um Gleichgewicht ringend, während ihnen allen der Steinstaub in die Lungen dringt. Faraday hustet und stolpert blind vor Staub und Angst vorwärt, in die Richtung, die sie für Norden hält. Jen zieht sie hinter sich her und verhindert so, dass Faraday stürzt, was unter diesen Umständen ein tödlicher Fehler wäre. Eine Säule bricht rechts vor ihnen zusammen. Steine und Erdreich spritzen ihnen entgegen, treffen die Flüchtenden hart und zwingen sie in die andere Richtung. Es ist ohrenbetäubend laut. Müßte Faraday nicht husten, so würde sie die Angst und das Entsetzen hinausschreien, aber selbst das würde in diesem Getöse niemand hören. Erst im letzten Moment taucht ein Gang vor ihnen auf und Jen und Faraday fallen regelrecht hinein, den Zwerg mit seiner Last, die Hündin und Aurian dicht auf den Fersen. Und hinter ihnen begräbt das Erdreich unzählige Leichen und die toten Kreaturen unter einer dicken Schicht des Vergessens.

Sie laufen und laufen, links herum, rechts herum, den Rufen des Zwergen folgend. Der Gang, aus dem sie ursprünglich gekommen sind, ist längst verschüttet und der Rückweg versperrt. Faraday hat die Orientierung verloren und müht sich nach Kräften ab vorwärts zu kommen. Auch hier, ein gutes Stück von der Honigwabe entfernt, wackelt der Boden, als würde eine Riesenfaust darauf einschlagen. Faradays Atem geht schwer und pfeifend. Ihr Hals fühlt sich an wie zugeschnürt, so dass sie nicht richtig Luft holen kann. Sie wird langsamer, sie muß es, sie kann nicht anders. Der Zwerg kommt mit seiner Last heran und Faraday hält es für ein Wunder, dass er den Waldläufer, der ihn um gut zwei Köpfe überragt, bis hier hin schleppen konnte. Sie alle sind mit grauem Staub bedeckt, sehen aus, als hätten sie sich gerade aus der Erde gewühlt. Das Blut pocht hinter Faradays Stirn und kleine Sternchen tanzen vor ihren Augen, aber die Angst treibt sie noch immer vorwärt. Wenn ich falle, dann steh ich nich mehr auf!

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 31. Jan. 2005, 18:36 Uhr
In der Krypta


Deine Frau ist tot, Nordmann.
Deine Frau.
Tot.
Deine Frau.

Die Worte kommen nur stockend, leise, fast unverständlich, aber sie treffen sein Herz wie Hammerschläge. Cal. Er hat Whytfisk am Kragen gepackt und hochgerissen, noch ehe er die letzte Silbe hervorgewürgt hat. "Was?!" Er schüttelt den knochigen Körper, doch der bekommt keine Antwort. "Sag mir, was mit meiner Frau ist!" brüllt er in einem Ton, der selbst Whytfisk entsetzt hätte, wäre er noch am Leben - doch der Mann ist tot und seine einzige Antwort ist Schweigen. Caewlins Herz krampft sich zusammen, als sich das Begreifen mit der kalten Gewißheit auf seine Schultern senkt - nichts anderes hatte Whytfisk geplant... die ganze Zeit. Die ganze Zeit! Die ganze, verdammte Zeit über! Umsonst. Alles umsonst. Das hier... alles... vergeblich... Calyra! Er schleudert den Leichnam von sich, schießt hoch, rutscht in seinem eigenen Blut aus, fällt, steht wieder auf und tastet sich über die Stufen an die Wand des Treppenschachts. Cal! Ein Grollen läuft durch den Fels und einen Moment lang hat er das Gefühl, der Boden unter seinen Füßen bewege sich, doch ihm ist so schwindlig, daß er nicht sagen kann, ob es an ihm liegt oder ob der Fels tatsächlich bebt. Farbige Blitze zucken durch die Schwärze vor seinen Augen und ihm dreht sich der Magen um. Er schließt die Augen, schluckt mühsam und versucht trotz des einzigen, entsetzlichen Gedankens, der ihm noch durch den Kopf schießt, irgendwie bei Verstand zu bleiben.
Deine Frau ist tot, Nordmann.
Vergessen ist seine Schwäche, seine Schmerzen, die Kälte in seinem Körper. Er muß hinaus, hinauf - nach oben durch die Tunnel... in die Stadt, zu Cal. Und Brynden... Götter, Brynden! Cal. Brynden. Cal. Brynden. Er zwingt seine tauben Beine zu gehen, tastet sich in der Finsternis an der Wand entlang, eine Stufe um die andere, fällt und kriecht weiter. Cal. Brynden. Calyra. Brynden. Calyra. Calyra, hämmert sein Herz. Dann erschüttert ein ohrenbetäubendes Krachen und Donnern die Treppe. Aus der Dunkelheit über ihm regnet es Staub und kleine Steine und Caewlin rutscht zwei, drei Stufen rückwärts wieder hinunter, die glitschig sind von seinem eigenen Blut. Etwas Hartes trifft ihn an Kopf, Schultern und Rücken. CAL... GÖTTER... CALYRA... Dann zieht die Dunkelheit ihn in ein Nirgendwo, in das nicht einmal das Entsetzen ihm folgen kann.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Tiuri am 31. Jan. 2005, 20:03 Uhr
Die Masse an Eindrücken ist zuviel für Tiuris erlahmende Sinne. Er versucht seine Augen überall gleichzeitig zu haben und trotzdem noch Steine abzuschießen, auch wenn das sinnlos ist, da er ja ohnehin nicht mehr trifft. Faraday ruft nach ihm, braucht seine Hilfe um einen Wurzelstrang aus diesem Schlangengebilde zu reißen, aber er ist zu langsam. Ehe er noch die Hand gehoben hat, hat sie es auch schon geschafft.
Alles sinnlos…
Das Feuer macht dem Ungeheuer wenig aus, es stirbt einfach nicht daran und das entsetzt Tiuri noch weiter, so dass er kaum noch weiß ob es sich überhaupt noch lohnt sich zu bewegen. Er ist müde, furchtbar müde und eigentlich möchte er sich nur mehr zum Schlafen zusammen rollen, aber selbst das kann er nicht, denn jede Krümmung seines Körpers schmerzt und macht ihm den Pfeil in seinem Körper wieder bewusst.
Völlig starr und bewegungsunfähig sitzt er auf dem Thron, nicht wie ein König, eher wie ein Narr der zufällig den Platz seines Herren erklommen hat und weiß, dass er dafür gleich fürchterlich bestraft wird. Er sieht aus wie eine Karikatur seiner selbst, das Gesicht bleich wie Kreide, die Augen brennend und tränend von Staub und Hitze, der Mund rot vor Blut und die Haare wirr vor seinem Gesicht.
Obwohl sein ganzer Körper glüht, zittert er am ganzen Leib und sieht machtlos zu wie die drei Monster sich über seine Gefährten her machen. Es fällt ihm schwer alles im Auge zu behalten und seine Gedanken reichen nicht mehr aus um sich zu überlegen selbst etwas zu tun. In einer Hand hält immer noch die Schleuder, der Stein liegt auf seinem Schoß und wartet darauf, dass der Junge wieder zu Besinnung kommt.
Doch nicht einmal als eines der Biester ins Feuer fällt und mit einem Schrei und unerträglichem Gestank verbrennt, kann sich der Junge aufraffen, das Atmen fällt ihm schwer und er glaubt einfach nicht, dass er die Kraft finden kann noch aufzustehen oder davon zu laufen.
Ich bleibe hier und warte, schlafe, ich bin müde… so müde…
Es ist schließlich und endlich Faradays Schrei der ihn aus seiner Starre reißt und zurück in die Realität und die Zeit holt, an einen Ort an dem die Dinge nur so an ihnen vorbei rasen und an dem keine Zeit ist für einen Jungen der sich nicht mehr dafür interessiert was oben und was unten ist. Er hat versucht stark zu sein, die ganze Zeit die er hier unten verbracht hat, aber es fehlt ihm die Luft zum Atmen und die Kraft um weiter zu gehen.
Doch als er Faraday schreien hört und den Waldläufer gegen die Wand knallen sieht fährt ein Ruck durch seinen Körper und er strafft sich noch einmal.
Die Erde bebt und die Decke beginnt in sich zusammen zustürzen. Faraday fällt auf ihn und Tiuri stöhnt unter Schmerzen auf, rappelt sich hoch und stürzt mehr, als dass er springt den Thron hinunter. Als er aufsteht greift er schon nach Faradays Hand. Über und neben ihnen stürzen kleinere und größere Felsbrocken zu Boden und zersprengen in ein Meer von Staub und kleineren Teilen.
Hin und wieder trifft den Jungen ein Stein an der Schulter oder am Kopf, aber keiner davon ist groß genug um ihn zu Fall zu bringen. Woher er die Kräfte nimmt um zu laufen weiß er nicht. Eben ist er noch auf dem Thron gesessen wie eine Tonpuppe und jetzt läuft er um sein Leben. Jeder Schritt und jeder Atemzug schmerzen zwar in seinem Körper, aber er will nicht aufgeben, mobilisiert noch einmal alles was ihm an Leben bleibt. Der Pfeil in seiner Seite tut sein übriges zu den Schmerzen und Tiuri versucht den Schmerz so gut es geht zu ignorieren.
Faraday hält er fest mit seiner rechten Hand, obwohl es gefährlich ist, denn wenn er stürzt würde sie mit ihm fallen, aber auslassen kann er sie einfach nicht, zu groß ist die Angst, dass er sie in der einstürzenden Honigwabe verliert.
Er hat noch das Bild von ihren Tränen im Kopf und am liebsten wäre er stehen geblieben, hätte sie fort gewischt und gesagt, dass alles gut wird, aber er glaubt selbst nicht daran.
Er hat den Waldläufer in den Armen des Zwerges gesehen. Ein groteskes Bild den langen schlanken Mann wie ein Kind am Arm des stämmigen Zwerges, aber nichtsdestotrotz ein Bild der Freundschaft und des Schmerzes gleichermaßen.  
Gerade noch rechtzeitig erreichen sie den Tunnel und fallen praktisch hinein als die Honigwabe hinter ihnen zusammenstürzt und alles begräbt was seinen Weg nicht hinaus gefunden hat. Sterbende, Verletzte und Tote.
Der Nordmann! Zwar hat Tiuri ihn seit einiger Zeit nicht mehr gesehen, aber irgendwo muss er sein und wer weiß hat ihm die eingestürzte Honigwabe den Weg versperrt oder irgendwo ist ein Gang eingestürzt und hat ihn begraben.
Einen Moment lang will Tiuri bremsen und zurück laufen, aber er weiß auch, dass das keinen Sinn hat und so rennt er schließlich weiter, den Blick nach vorne gerichtet, die Anweisungen des Zwerges von hinten in seinen Ohren. Er versucht sie zu verarbeiten, zu verstehen und schließlich auch umzusetzen, aber dass er wirklich in die richtige Richtung läuft ist eher Faraday zu verdanken. Wenn Tiuri mal wieder einfach weiter rennen will ist es ihr Händedruck der ihn zur Besinnung ruft und wieder weiter lenkt.
Der Junge hat nicht die geringste Ahnung wo er sich eigentlich befindet und ob es an ihm liegt, oder ob der Boden tatsächlich immer noch bebt. Die Sicht verschwimmt ihm vor den Augen und taucht die Welt in einen seltsamen dichten Nebel ein.
Nur der Schmerz ist allgegenwärtig und schrecklich real in seinem Körper. Immer wieder hat er das Gefühl einfach keine Luft mehr zu bekommen und setzt schrittweise mit dem Atmen aus. Seine Beine bewegen sich automatisch vorwärts, rennen praktisch ohne den Jungen um ihr Leben. Als er auf eine Seite schwankt hätte er beinahe Faraday von den Beinen gerissen und wäre über die Bluthündin gestolpert die neben ihnen läuft.
„Halt!“
Das Wort kommt wie eine Erlösung von hinten als sie endlich irgendwo ankommen. Wo kann Tiuri nicht sagen und es dauert auch eine Zeit ehe seine Beine reagieren und aufhören zu laufen. Sein Körper wird immer wieder von Schauern geschüttelt und er wartet darauf was jetzt passiert, wo sie sind und wie sie hinaus kommen, denn er kann immer noch kaum etwas sehen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Aurian am 31. Jan. 2005, 20:57 Uhr
Das ist Wahnsinn! Das kann nicht gut gehen, egal, du wolltest doch sowieso sterben, so macht’s wenigstens noch Sinn! Solche und ähnliche Gedanken rasen dem Mädchen durch den Kopf, als rund um sie die Höhle einstürzt. Dennoch kann sie die Augen nicht von dem Monster nehmen, dass im Steinhagel zu Boden geht. Fast schon zu spät läuft sie los und wird dann doch von herabfallenden Trümmern begraben. Aus, alles aus! Sie will sich schon in ihr Schicksal ergeben, ihr Ziel hat sie erreicht, ihr Peiniger ist tot und alles andere zählt nicht mehr, macht keinen Sinn, als sie ziemlich heftig auf die Beine gezogen und in Richtung einer der Tunnel geschubst wird. Borgils roter Bart taucht neben ihr auf. Der Zwerg schaut auch ziemlich mitgenommen aus, doch seine Energie ist ungebrochen. >LAUF! DORT HINÜBER!< Die Eindringlichkeit seiner Stimme treibt sie weiter und beinahe automatisch setzt sie einen Fuß vor den anderen. Immer wieder droht ihr eines Bein nachzugeben und auch ohne hinunterzusehen, weiß sie, das ein feines Blutrinnsal ihren Unterschenkel hinabrinnt. Eine letzte Erinnerung an Blutaxts Messer. Vor ihr rennen Jen und Faraday, zwischen ihnen die Bluthündin, die immer wieder stehen bleiben will, offensichtlich hin und her gerissen zwischen dem Instinkt zu fliehen und dem Wunsch, zu ihrem Herrn zurück zukehren. „Komm, Akira, komm!“ Keuchend lockt die Magierin das Tier und für einen Moment treffen sich ihre Blicke. Du weißt, dass er da unten ist und du spürst was passiert. Aber du kannst nichts tun, so wie wir alle nicht! Nur einen kurzen Augenblick dauert das stumme Zwiegespräch zwischen der riesigen Hündin und dem Mädchen, dann spurten beide weiter, von einem heftig schnaufenden Zwerg angetrieben.

Der Gang wird zusehends breiter und die Mauern immer stabiler, richtig gemauert. Mit einem Mal gibt Borgil das Kommando zum Halten. Erst jetzt spürt Aurian das Brennen in ihren Lungen, den dumpfen Schmerz in ihrer Schulter. Leise stöhnend lehnt sie sich an eine der Wände, schließt die Augen. „Wir müssen da entlang, los kommt!“ Ich kann nicht mehr, lasst mich hier, es ist ... nur kurz! Sie will aufgeben, mit einem Mal fühlt sie sich so leer. Am liebsten wäre sie auf der Stelle zusammengesunken. Doch es sind nicht die drängenden Worte des Zwerges, sondern eine feuchte Schnauze, die sie wieder in die Realität holen. Die Magierin schlägt die Augen auf und blickt in ein Paar dunkler Hundeaugen. Akira reicht ihr beinahe bis an die Hüfte und eben stupst das Tier sie erneut, als wollte es sie so weitertreiben, wie sie es zuvor mit ihr getan hat. Ein müdes Lächeln streicht über ihre Lippen. „Du hast recht, ich komm schon!“ Nur sehr leise verhallen ihre Worte als sie hinter den anderen den Gang entlang humpelt, nun bedeutend langsamer als zuvor. Ganz vorne gehen die beiden Diebe, einander fest an den Händen haltend. Borgil trägt den Heiler, der noch immer bewusstlos ist, auf seinen breiten Schultern und sieht sich immer wieder nach ihr um. Ihre Hand liegt auf dem Kopf der riesigen Hündin, ihre schwarze Mähne hängt ihr in das blut- und dreckverschmierte Gesicht. Doch all das nimmt sie nur sehr am Rande wahr. Der Kampf ist vorbei, sie lebt noch und nun kommt die entsetzliche Leere zurück, die Verzweiflung über das, was geschehen war. Das selbe Gefühl, das sie schon in der Zelle überkommen hat, nur noch etwas stärker, endgültiger. So, mehr in einer Art Trance folgt sie dem Gang immer weiter, sie könnte nicht sagen in welche Richtung und wie lange.

Der Tunnel wird immer breiter und endet an einer Luke. Durch diese zwängen sie sich, besonders Borgil schnauft ob der Enge des Durchstieges. Auf der anderen Seite befinden sie sich in einer verfallenen Baracke in einer heruntergekommenen Gegend. Die Unterstadt, die dunkle Seite Talyras. In einiger Entfernung kommt ein Platz in Sicht und als die Gruppe diesen betritt, weichen selbst einige der hier heimischen zwielichtigen Gestalten zurück. Kein Wunder, sind sie doch alle blutverschmiert und sehen aus, als wären sie in ein Scharmützel mit den Dämonen aller neun Höllen geraten. Einige Huren verschwinden kreischend in eines der windschiefen Häuser und so mancher legt vorsichtshalber die Hand an den Dolch. Doch keiner wagt es, sich der Gruppe zu nähern, die langsam Richtung Talyra wankt.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 31. Jan. 2005, 21:18 Uhr
In der Krypta


Dunkelheit um sie herum. Pechschwarze Finsternis. Geräusche, die wie durch zähen Nebel zu dringen scheinen, unwirklich und weit entfernt. Ein Wispern, ein Klirren wie von eisernen Ketten, über Stein scharrende Stiefelsohlen, die sie ein, zwei Lidschläge lang zurück in die Wirklichkeit rufen, bevor sie wieder taumelnd in Schwärze versinkt. Sie kämpft. Kämpft gegen Schmerz und Dunkelheit und abgrundtiefe Stille, die mit klebrigen Fingern nach ihr greift und ihr Herz zum Flattern bringt, kämpft verbissen und verzweifelt und mit dem letzten bisschen Kraft, das ihr noch geblieben ist. Caewlins Stimme weht in einem heiseren Flüstern durch die Krypta, verliert sich zwischen hohen Säulen und den strengen Grabesmienen der steinernen Wächter, die die Halle säumen, still und ernst und für die Ewigkeit geschaffen. Die leise Stimme klingt fern, kaum hörbar, aber sie ist das einzig Vertraute in einem Meer aus Finsternis und totem Stein. Raven klammert sich daran, hält sich an ihr fest, als könne sie sich an ihr aus der Schwärze ziehen, die sie zu verschlingen droht, als könne sie aus ihr Mut schöpfen und neue Kraft. Und für einen Augenblick gelingt es und sie weiß, dass sie wach und bei Bewusstsein ist, obwohl um sie herum alles in schwindliges Dunkel gehüllt ist. Nur der Schmerz scheint real zu sein. Kalter Schweiß rinnt von ihrer Stirn und versickert irgendwo in ihrem zerzausten Haar. Sie ist müde, so endlos, endlos müde.

Vorsichtig versucht sie, ihr linkes Bein zu bewegen, doch es ist völlig taub und gefühllos. Mit zitternden Fingern tastet Raven nach der Verletzung, aber sie kann nichts sehen, kann nicht spüren, ob die Blutung nachgelassen oder aufgehört hat. Unter ihren Fingern ist alles nass und klebrig und das abgewetzte Leder der Hose fühlt sich an wie ein vollgesogener Schwamm. Sie atmet tief durch, einmal, zweimal, pumpt ihre brennenden Lungen voll Luft, beißt die Zähne zusammen und hält den Atem an, dann zieht sie vorsichtig die lange Klinge aus ihrem Bein, die noch immer in der Wunde steckt. Der Dolch rutscht ihr aus den kraftlosen Fingern, klirrt neben ihr zu Boden und sie kann spüren, wie die Dunkelheit wieder ihre rabenschwarzen Flügel nach ihr ausstreckt. Ihre Rechte tastet nach dem Gürtel, den sie sich um den Oberschenkel geschlungen hat und lockert ihn einen Moment, bis das Blut wieder durch das Bein zirkuliert, dann zurrt sie ihn abermals fest und der letzte Gedanke, der quälend langsam durch ihren Geist kriecht, bevor sie wieder das Bewusstsein verliert, ist die Frage, wieviel Blut ein Mensch verlieren kann, bevor sein Herz einfach aufhört zu schlagen.  

Als sie das zweite Mal aus der Bewusstlosigkeit aufschreckt, die gnädig ihren Mantel über Schmerzen, Angst und Erschöpfung deckt, ist es nicht Caewlins Stimme, die sie in die Realität zurück katapultiert, sondern ein Beben, das den Boden unter ihr durchläuft - so heftig, dass der massive Sarkophag hinter ihr zu zittern beginnt. Ein tiefes Grollen wälzt sich wie ferner Donner durch die Gesteinsmassen hoch über ihr und sie richtet erschreckt den Blick zur Decke, ohne in der Finsternis etwas erkennen zu können. Das Grollen bebt durch Wände und Säulen, löst kleine Felsstücke aus der Decke und lässt sie zu Boden klackern. Es hört sich an, als würde man Steine in einen tiefen, tiefen Brunnenschacht werfen. Dann senkt sich wieder bleierne Stille über die Krypta. Stille. Still, wieso ist es so still....? Wo ist .... wo sind ... Caewlin? Angespannt lauscht sie in die Dunkelheit. Was ist das für ein Geräusch? Ein Pfeifen? Wie atmen ... bin ich das? Es ist so leise, scheint meilenweit entfernt zu sein. Ein ersticktes Gurgeln, ein Rasseln - und das Pfeifen hört plötzlich auf. Sie kennt dieses Geräusch. Der Atem eines sterbenden Menschen. Angst breitet sich in ihr aus, rasend schnell, wuchert wie ein bösartiges Geschwür in ihr empor und schnürt ihr mit kalten Tentakeln die Kehle zu. "Caewlin?" krächzt ihre Stimme durch das Dunkel, viel zu leise, als dass jemand sie verstehen könnte. Ungehört geht sie im Donnern unter, das die Felsmassen ringsum erschüttert "Caewlin? Wo bist du?" Und wo ist .... ER? Nur ein entfernes Grollen ist die Antwort, dann ist es wieder still, grabesstill.

Ihre Stimme zittert vor Angst. "Caewlin, bist du hier? Wo bist du? Sag doch was .... bitte!" Da ist noch ein anderes Geräusch und sie wendet lauschend den Kopf, hört ein Aufkeuchen, hinkende Schritte, ein Fallen, ein Schleifen, als gespenstisch wisperndes Echo von den Säulen und Bogengängen tausendfach zurückgeworfen. Wieder ertönt das Grollen, laut und lauter rollt es durch den Stein, immer näher, als würde sich ein riesiges, schuppiges Tier durch die Felsen schleppen, über ihr, neben ihr, hinter ihr, rundherum, überall. Die ganze Krypta bebt. Steinbrocken lösen sich aus der Decke und prasseln zu Boden wie ein Hagelschauer, überall ist Staub und ein ohrenbetäubendes Knirschen und Krachen fährt durch die Kuppel des Gewölbes. "Caewlin! Caewlin, wo bist du? Wo bist du? Wo?" Ravens Herz hämmert ein wildes Stakkato in ihrer Brust, als sie versucht, sich aufzusetzen. Der Steinboden unter ihr schlägt Wellen und buckelt wie ein närrisch gewordener Geißbock. Panik erfasst sie und schüttelt ihren erschöpften Körper, während sie mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit starrt. Licht! Licht! Ich brauche Licht! "Caewlin?" Raven fasst das Ende des Gürtels, der ihr als Aderpresse für das verletzte Bein dient, und schlingt es so um den Oberschenkel, dass es sich nicht lösen kann, dann hievt sie sich auf die schmerzenden Knie. Eine Fackel .... Whytfisk hatte eine Fackel, als wir hergekommen sind .... wo ist diese götterverdammte Fackel? Verzweifelt versucht sie sich zu erinnern und sich den Weg, den sie zurückgelegt haben, ins Gedächtnis zu rufen. Er hat sie in eine Halterung an eine der Säulen gesteckt, aber welche? Welche? In der Krypta gibt es Dutzende und Aberdutzende der steinernen Säulen und grob behauenen, verwitterten Figuren, die in Reih und Glied entlang der Wände ihre schweigsame Wacht halten ... welche? Welche war es? Er ging hinter den Sarkophag ... hinter den Sarkophag, die Säule dahinter ...

Mit schmerzverzerrtem Gesicht schleift sie sich an dem riesigen, langgestreckten Quaderstein des Grabmals entlang, halb kriechend, halb robbend, das verletzte Bein nutzlos hinter sich her ziehend, tastet sich mit den Händen auf dem rauen Felssockel voran, eine flache Stufe, hinunter, noch eine, wieder hinunter, dann ebener Boden, die Finger tasten Fels und Stein und scharfkantige Geröllbrocken, die noch immer herabregnen. Wieder senkt sich die hohe Decke mit einem bedrohlichen Knirschen. Ihr keuchender Atem bläst Staub vom Gestein, während sie sich Elle für Elle über den Boden vorwärts arbeitet. Dann stoßen die Finger unvermittelt auf eine Senkrechte, eine Säule, einen Fuß aus behauenem Fels, die verwitterten Falten eines steinernen Gewandes. Mit der Rechten krallt sie sich an der Statue empor, tastet durch die Dunkelheit, bis die flatternden Finger das Metall eines Fackelkorbs berühren, zerfressen und schartig zerbröselt es unter ihrer Hand, Rostpartikel rieseln auf sie herab. Aber da ist die Fackel, die erloschene Fackel. Raven zerrt sie aus der Halterung und sinkt stöhnend zu Boden. Feuer .... ich muss sie anzünden .... anzünden... Ihr Atem rasselt so laut, als würde jemand Ketten durch ihre Lungen reißen und der Staub in der Luft bringt sie zum Husten und Würgen. Einen Moment lang lehnt sie sich gegen die Säule, schwindlig und völlig ausgepumpt. Aber sie hat keine Zeit zum Ausruhen, keine Zeit, keine Zeit. Weiter.... weiter... Immer wieder ruft sie Caewlins Namen, aber sie erhält keine Antwort, nur das bedrohliche Grollen und Kreischen über ihr, das sich seinen Weg durch Tonnen von Gestein bahnt und näher und näher kommt.

Irgendwo muss ich etwas finden, womit ich die Fackel entzünden kann, irgendwo muss Caewlin sein, irgendwo .... und bitte, ihr Götter, bitte, lasst ihn noch am Leben sein, bitte... An die andere Möglichkeit will Raven gar nicht denken, weigert sich, sie überhaupt in Betracht zu ziehen. Ihre Lungen fühlen sich an wie ein alter, löchriger Blasebalg und ihr Atem kommt in kurzen, pfeifenden Stößen, als sie umdreht und sich zurück zum Sarkophag schleppt, kriechend, krabbelnd, sich Zoll für Zoll über Stein und Geröll vorwärts schiebend. Knochen knirschen in ihrer verletzten Schulter und der Schmerz in ihrem Bein ist mörderisch und raubt ihr den Atem, aber sie schleppt sich verbissen weiter. Blut und Tränen tropfen auf den staubigen Stein. Die Geräusche, die sie gehört hat, sind aus der anderen Richtung gekommen, nahe beim Ausgang, und sie kriecht darauf zu, zieht sich am Sockel des Sarges entlang, tastet mit blutigen Fingern in der Finsternis herum. Ihre Hand berührt plötzlich etwas Weiches und sie zuckt mit einem keuchenden Entsetzenslaut zurück und glaubt, ihr Herz müsse stehen bleiben. Bei allen Göttern, was war das? Eine Ratte? Oder ein...? Ihre Finger schieben sich wieder nach vorne, zögernd, zitternd, voller Angst. Sie fühlt Stoff, grob gewebten Stoff und Lumpen, abgewetztes Leder, Fetzen, rau wie alte Putzhadern, zu einem unförmigen Haufen zusammengefallen ... Whytfisks Lumpenmantel. Ekel steigt in ihr hoch, als sie das Kleidungsstück berührt und sie fragt sich schaudernd, wo sein Besitzer ist, doch dann wühlt ihre Rechte sich in den Fetzenberg, tastend, suchend, vielleicht hat der Bleiche irgendetwas Nützliches in seinen Taschen, irgend etwas, um die Fackel zu entzünden. Ihre Hand fühlt etwas Vertrautes ... abgegriffenes, speckiges Leder, ein Beutel ... ihr Beutel, den Whytfisk ihr abgenommen hat. Sie schluckt schwer. Götter, lasst die Feuersteine und das Zunderkästchen noch darin sein ...

Mit flatternden Fingern nestelt sie an dem Lederband, das den Beutel verschließt, zupft und zerrt und nimmt die Zähne zu Hilfe, bis sie ihn endlich offen hat und das Gesuchte herauspurzelt. Sie klemmt sich die Fackel unter den gesunden Arm und versucht, mit einem Feuerstein Funken zu schlagen, verliert den Stein, tastet hektisch danach, bis sie ihn wiederfindet, verschüttet den trockenen Zunder, als ein neuerliches Donnern durch den Steinboden rumpelt, wimmert vor Schmerzen, zittert und schlottert, und endlich, endlich, nach einem Dutzend verzweifelter Versuche lodert der pechgetränkte Kopf der Fackel auf. Raven kneift die Augen zusammen, blinzelt gegen das plötzliche helle Licht und hält die Fackel am ausgestreckten Arm von sich weg, um nicht direkt in die Flammen blicken zu müssen. Das erste, was sie sieht, als ihre Augen sich an das Licht gewöhnt haben, ist eine breite Blutspur, die sich quer durch die ganze Krypta zieht. Ihr Blut. Neben sich erkennt sie den Lumpenmantel. Und dahinter, im rotflackernden Schein der Fackel, einen blutigen, völlig zerfleischten Klumpen, der einmal ein Gesicht gewesen ist. Whytfisk. Bittere Galle schießt in ihr hoch und lässt sie würgen und spucken und sie dreht angewidert ihr Gesicht von ihm weg. Was sie dann jedoch sieht, in einer herunterprasselnden Lawine aus Staub und Steinen, lässt ihr Herz einen Schlag aussetzen. Ein zitternder Laut des Entsetzens dringt aus ihrer Kehle. "Caewlin! Nein, oh nein, bitte...."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Borgil am 01. Feb. 2005, 12:13 Uhr
Durch die Unterstadt und die Ruine am Blaupfuhl


Tunnel, Tunnel, noch mehr Tunnel. Gänge, Stollen, Schächte, Treppen - rennend wie die Hasen, weiter, immer weiter, immer nach Norden, immer nach oben, wo es denn nach oben geht. Hinter ihnen Staub und Schutt und Tonnen von Fels und immer noch bebt und donnert es in der Tiefe. Dann kriechen sie alle selbst wie Ratten aus einem Rattenloch und wanken durch die Unterstadt, vorbei an der Orchidee und dem Wolfsmarkt, begafft von einer Menge Halsabschneidern, Bettlern, Hehlern und anderem zwielichtem Gesindel, das ihnen mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen hinterherstarrt. Niemand spricht sie an, niemand hält sie auf - nicht zuletzt mag es an dem riesigen Bluthund liegen, der vor ihnen hertappt und die Menge teilt wie die Heilige Rhiap dereinst das Meer. Vor allem aber liegt es an ihren Gesichtern, die, so verschiedenartig sie auch sein mögen, alle die gleiche Miene tragen: Schmerz, Erleichterung, Schuld, Melancholie, Trauer, Entsetzen... eine zu verworrene Mischung, um sie mit Worten zu beschreiben, aber durchaus geeignet, selbst eine Horde abgefeimtester Unterstädtler auf Abstand zu halten. Sie sind davongekommen - verwundet, verletzt, geschockt und gezeichnet... aber sie haben überlebt. Andere nicht - Raven und Caewlin sind in der Dunkelheit zurückgeblieben, verschüttet von Gesteinsmassen. Wenn sie nicht ohnehin schon tot waren, dann würden sie es sehr bald sein und von dem Halbelben in seinen Armen kann Borgil nicht einmal sagen, ob er noch atmet oder schon in Sithechs Hallen gewandert ist.

Ach Götter, ach heiliges Schmiedefeuer... oh, Sil, daß das mir passieren muß auf meine alten Tage... Es ist eine Schande! Wie soll ich das Calyra erklären? Und... und Morgana...? Oh, hilf mir, Vater aller Zwerge. Laß mich jetzt nicht verzweifeln. Laß mich die rechten Worte finden und stark sein für sie alle. Seine eigene Trauer kann warten, lange warten - hofft er. Sie schleppen sich am Wolfsmarkt vorbei und die breite dunkle Gasse entlang hinauf zum Blaupfuhl und nicht einmal die Wächter dort, wagen es, sie auch nur anzusprechen. Treppen, ein Schacht und ein verfallener Keller und dann, nach einer Ewigkeit und einem ganzen Leben wie es scheint, endlich wieder Luft. Klare, kalte Winterluft und ein Stück schwarzer Nachthimmel, aus dem weiche, weiße Flocken schweben, sanft wie kleine, kalte Küsse auf ihrer rußigen Haut. Der nächtliche Marktplatz liegt völlig verlassen vor ihnen, das bucklige Kopfsteinpflaster von einer weißen Schneeschicht überzogen. Fern an den Straßenmündungen glimmen die Nachtfeuerkörbe, ansonsten ist das schlafende Talyra so still und unbelebt wie ein Mondkrater. Und dort, auf der anderen Seite des weiten Rundes, die hohe, trutzige dreistöckige Fassade der Harfe mit ihrem Fachwerk und dem breitgemauerten Kamin, mit dem festen Tor und den vielen, vielen Fenstern, den Bäumen davor und dem Stall und den Nebengebäuden. Zuhause.

---> Goldene Harfe

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 01. Feb. 2005, 14:18 Uhr
In der Krypta


Ist er .... tot? Wie versteinert kniet Raven auf dem Boden neben Whytfisks zerfetztem Leichnam und starrt zum Ausgang der Krypta hinüber. Starrt auf den reglosen Körper des Nordmanns am Fuß der Treppe. Die Fackel in ihrer Rechten beginnt zu zittern. Eine entsetzliche Angst steigt in ihr empor und schnürt ihr die Luft ab, bringt ihre Zähne zum Klappern. Das Grollen im Fels ist direkt über ihnen, tief und drohend. Einen Moment, einen viel zu langen Moment, angefüllt mit Furcht und nacktem Entsetzen, ist sie wie gelähmt, kann keinen Finger mehr rühren, kann nichts weiter tun, als mit aufgerissenen Augen zuzusehen, wie ein Steinschauer nach dem anderen den steilen Treppenschacht herunterhagelt und Caewlin mit Staub bedeckt. Er liegt mit dem Gesicht nach unten in einer Blutlache, als sei alles Leben aus ihm gewichen. Ist er tot? Tot? Götter .... was soll ich tun? Ihr Gehirn ist wie leergefegt. Eine neuerliche Lawine aus Geröll und Steinbrocken prasselt den Schacht herunter, aber er rührt sich nicht. Er rührt sich einfach nicht.

Bewegung kommt in Raven, als ihre Instinkte wieder einsetzen und ihr Herz mit wuchtigen Schlägen Adrenalin in ihre Adern pumpt. "Neineineineinein, was machst du denn??" schreit sie und ihre Stimme überschlägt sich fast in ihrer Panik. "Caewlin! Steh' auf! Du musst da weg! Hörst du? Du musst da weg!" Die Steine werden dich erschlagen! Sie fängt an zu kriechen, keuchend, hustend, auf den Knien über den staubigen Boden krauchend, den gesunden Arm zu Hilfe nehmend, um sich vorwärts zu ziehen. Die Fackel klemmt sie sich zwischen die Zähne. Steinbrocken, so groß wie Kindsköpfe, poltern aus dem Treppenschacht und kullern in einer Staubwolke über den Boden der Krypta. Nur quälend langsam kommt sie dem Nordmann näher, bleibt schließlich schweratmend an seiner Seite hocken und rammt den Griff der Fackel zwischen zwei herabgefallene Steine. "Caewlin..." Er blutet aus so vielen Wunden, dass Raven sie nicht zählen kann. Unter ihm hat sich eine klebrig rote Lache ausgebreitet, überall ist Blut, auf den ausgetretenen Stufen, auf dem Sockel der Treppe, auf den Steinen. Einen Moment lang muss sie die Augen schließen, weil sie glaubt, bei seinem Anblick den Verstand zu verlieren. "Was hat er dir angetan? Was hat dieses Ungeheuer dir nur angetan?" Sein Gesicht, zur Seite gedreht auf dem geröllbedeckten Boden liegend, ist eiskalt, als sie es mit zitternden Fingern berührt. "Caewlin?" Ein banges Flüstern. Bitte sei am Leben, bitte.... bitte, geh nicht ... fort...Sie lässt die Finger weiterwandern, streicht ihm das blutverkrustete Haar von der Wange. An der Schläfe trägt er eine böse Wunde. Eingetrocknetes und frisches Blut mischen sich dort zu wirren, roten Mustern. Sie tastet weiter über sein kaltes Gesicht, zu seinem Hals hinab. Und da ist ein Flattern unter der Haut, ein Pulsschlag, heftig und flach und schnell wie das Flügelschlagen eines sterbenden Falters. Ein haltloses Schluchzen schüttelt ihren Körper und Tränen fallen auf sein Haar, malen kleine, dunkle Flecken in das staubige Grau. "Götter...."

Über ihr ertönt ein ohrenbetäubendes Krachen, als das obere Ende der Treppe in sich zusammenstürzt und in einer Lawine aus Staub und Steinen den Schacht hinabdonnert. "Wir müssen hier weg!" Atemloses Entsetzen erfasst sie, als der Boden unter ihr erzittert und sich kreischend gewaltige Felsmassen verschieben. "Weg! Hörst du? Das ganze Ding hier wird einstürzen! Caewlin? Mach die Augen auf, mach sie auf! Caewlin! Hörst du mich?" Ihr Herz rast wie verrückt, als sie ihn an den Schultern packt und wie wild schüttelt. "Mach sofort die Augen wieder auf, du blöder, verdammter Nordmann, hörst du! Mach sie auf! Jetzt sofort! Du kannst hier nicht liegen bleiben .... du kannst hier nicht einfach sterben, Caewlin..." Raven spürt keinen Schmerz mehr, sie spürt gar nichts mehr außer dieser rasenden, panischen Angst, die sie erfasst hat. Alles in ihr schreit Weg! Weg! Nur weg! Hektisch zerrt sie an Caewlins Kettenhemd, zieht und schiebt und keucht vor Anstrengung, als sie ihn auf den Rücken rollt. Schweiß läuft ihr übers Gesicht. Er muss hier fort.... ich muss ihn wegschaffen.... ziehen, schieben, tragen, irgendwas.... Götter, helft mir doch!

Ein Felsbrocken, groß wie ein Weinfass löst sich aus der Decke hoch über ihnen und kracht zu Boden, zerbirst in tausend Stücke und lässt einen Splitterhagel auf sie niedergehen. Wie wild zerrt Raven an seinen Beinen, aber Caewlin, zwei Haupteslängen größer als sie und wohl dreimal so schwer, rührt sich keinen Fingerbreit. Die Rechte um die blutigen Stahlringe des Kettenhemds gekrampft, versucht sie, ihn in die andere Richtung zu drehen, schiebt Arme und Beine einzeln, dreht ihn um, Stück für Stück, keucht und stöhnt und dreht ihn, bis die Füße zur Treppe zeigen. Sie versucht, in die Hocke zu kommen, das verwundete Bein knickt ihr weg, sie zieht und zerrt, schweißüberströmt, und kann ihn doch kaum bewegen. "So geht es nicht .... es geht nicht! Scheiße, verdammt!" Ihre Muskeln brüllen vor Schmerz und Anspannung, als sie sich auf den Boden sinken lässt. Hektisch reißt sie die brennende Fackel aus den Steinen und nimmt sie mangels ihrer fehlenden zweiten Hand wieder zwischen die Zähne. Sie setzt sich hinter Caewlin, zieht sich dann ein Stück nach vorne, bis sie mit den Beinen unter seine Schultern kommt, bettet seinen Kopf auf ihren verletzten Oberschenkel, was ihr für einen Moment völlig den Atem raubt vor Schmerz, dann schiebt sie den Unterarm durch das Schulterstück seines Kettenhemds, um ihn zu halten, und robbt rückwärts, indem sie sich mit dem gesunden Bein voranschiebt und Caewlin mit sich schleift, Handbreit um Handbreit über den holprigen Boden. Grelle Sterne tanzen vor ihren Augen und ihr Herzschlag ist nur noch ein panisches Flattern.

Ein gewaltiges Donnern rollt durch das Gestein und lässt die Wände erzittern. Knirschend bricht eine der Statuen vom Sockel und kracht in einer grauen, aufstiebenden Wolke zu Boden. Wir sind tot! Tot! Tot! Tot! Etwas in ihrem Inneren hat schon lange aufgegeben, ohne Hoffnung, kalt und leer. Aber ein anderer Teil von ihr kämpft weiter, ein Teil, der nie gelernt hat, aufzugeben, ein Teil, der gar nicht aufgeben kann, selbst wenn alles schon tausendmal verloren scheint, und so schleppt und zerrt und schleift sie Caewlin weiter, während um sie herum die ganze Krypta ins Wanken gerät und Steine auf sie herabhageln, keuchend und aus kaputten Lungen rasselnd und mit der Sturheit eines bockigen, alten Maulesels, der nicht kapieren will, dass das Schicksal ihn schon lange geschlagen hat. Nur noch ein paar Schritte, nur noch ein paar Ellen...hinter den Sarkophag, schnell, schneller...Mit einem gewaltigen Donnergrollen bricht die Treppe zusammen und eine Lawine aus Geröll und herumfliegenden Trümmern, Steinen, Felsbrocken und flirrendem Staub ergießt sich in den steilen Schacht und in die Krypta. Mannshohe Teile der Decke stürzen krachend herab und die Druckwelle schleudert ihnen Staub und Asche in die Gesichter. An der Stelle, an der Caewlin vor wenigen Augenblicken noch gelegen hat, türmt sich ein rauchender Trümmerberg.

Ich kann nicht mehr .... ich ... kann ... nicht ... mehr ... ich ... kann ... nicht ... mehr .... hämmert ihr Herz, als der leblose Körper des Nordmanns hinter dem Steinsockel des Sarkophags ihren kraftlosen Armen entgleitet. Die Fackel kollert funkenschlagend über den Boden davon. Raven liegt flach auf dem Rücken, ausgezehrt, keuchend, völlig zerschmettert, bekommt keine Luft mehr. Staub verklebt ihr Nase und Mund, sie würgt und spuckt und ihr Brustkorb hebt und senkt sich in heftigen Stößen und versucht verzweifelt, Luft in ihre Lungen zu pumpen. Götter, lasst mich sterben, lasst mich einfach sterben... Aber ihre Gebete werden nicht erhört. Nach einer Weile, die ihr vorkommt wie eine lähmende Ewigkeit, als das Donnern und Krachen im Stein zu einem dumpfen Grollen geworden ist, rollt sie sich herum. Jeder Knochen, jeder Muskel in ihrem Leib schreit vor Schmerz. Doch sie kann nicht einfach liegen bleiben, während Caewlin neben ihr langsam verblutet, und so quält sie sich schweratmend wieder hoch, obwohl sie die Augen am liebsten nie mehr aufgemacht hätte. An unzähligen Stellen unter seinem Kettenhemd rinnt es rot hervor und sie kann beim besten Willen nicht erkennen, wo Whytfisk ihn überall getroffen hat. Es müssen zahllose Wunden und Stiche sein. Auch sein Bein blutet und aus einem Oberarm ragt ein abgebrochener Bolzen.

Sie kann ihre Hand kaum mehr bewegen, so verkrampft sind die Muskeln, als sie die Schnallen seines Rucksacks löst, ihn unter seinem Körper hervorzerrt und darin blind nach irgend etwas Brauchbarem herumwühlt. Schließlich dreht sie das Behältnis auf den Kopf und schüttelt kurzerhand seinen ganzen Inhalt heraus - sie hat gar nicht die Zeit, alles einzeln zu untersuchen. Zusammengerolltes Verbandslinnen purzelt ihr entgegen, kleine Phiolen, ein fest verstöpselter, tönerner Krug, einige kurze Handfackeln und noch etliche andere Ausrüstungsgegenstände, die sie vorerst völlig außer Acht lässt und nur die davonkullernden Leinenrollen an sich rafft. Hastig zieht sie den Korken aus dem Tonkrug, schnuppert argwöhnisch daran und verzieht das Gesicht. Feuerwein... Damit würden sich seine Wunden auswaschen lassen. Wenn sie nur irgendwie an sie heran käme. Das Gesicht vor Schmerz und Erschöpfung verzerrt, starrt sie den Nordmann an, der in Dutzende Pfund Stahl und Kettenringe gepackt ist. Götter... wie soll ich dich da herausschälen? Kraftlos schnallt sie ihm den Waffengurt ab und zerrt an seinem Kettenhemd herum, verzweifelt darum bemüht, es ihm abzustreifen, während sie unablässig mit heiserer Stimme auf ihn einredet, als könnten allein ihre sinnlosen Worte ihn irgendwie am Leben halten. "Caewlin, hilf mir, bitte... mach die Augen auf, mach sie auf..."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 02. Feb. 2005, 12:00 Uhr
In der Krypta


Caewlin kommt nur langsam zu sich in dröhnendem Schmerz und furchtbarer Unruhe. Er hat keine Ahnung, wo er ist und wie er dort hingekommen sein mag, aber er hört Stimmen, ein Gewirr von Stimmen, die in seinem Kopf hallen wie das Echo Tausender Fledermaussschreie, immer scharf am Grat des Wahrnehmbaren entlangbalancierend und dennoch so heftig und schrill, daß sie kleine Explosionen hinter seiner Stirn verursachen. Er versucht, den Kopf zu schütteln, um die Stimmen zu vertreiben und erreicht damit nur, daß er beinahe wieder ohnmächtig wird vor Schmerz. Quer über seinen Schädel verläuft eine Naht aus weißglühendem Feuer, die bei jeder seiner Bewegungen auflodert, bis ihm das Wasser in den Augen steht. Irgendetwas zupft und zerrt an ihm herum, etwas Schweres gleitet über seine Brust nach oben, kalte Metallringe streifen seinen Hals, und er wehrt sich instinktiv, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob es Sinn macht oder nicht. Die Knochen seiner Hand knacken und flüssiges Feuer rollt durch seine geschundenen Muskeln, als er sich bewegt, schwach ins Nichts greift, etwas berührt, trifft, packt und festhält, zudrückt. Ein erstickter Laut ist zu hören und dann sanfte Finger auf seinen, klein und weich. Was immer er im Griff hat, verharrt reglos. Nicht Whytfisk.

Finger auf seinen. Sie streichen so lange über seinen Klammergriff, bis sich seine geschwollene Hand löst und herabfällt und plötzlich hebt sich das schwere Gewicht von seiner Brust und Kehle. Er kämpft darum, die Augen zu öffnen und als es ihm irgendwann tatsächlich gelingt, trifft ihn gleißendes Fackellicht wie ein Schlag. Er zuckt zusammen und hört das Klirren und Rasseln des Kettenhemdes, das ihm abgestreift wird, spürt heulenden Schmerz in seinem Arm und sinkt für endlose Augenblicke wieder ins Nichts. Als er wieder zu sich kommt, ist die Erinnerung an das Geschehene so klar und heftig, daß der Schmerz überall in seinem Körper dagegen zu einem lächerlichen Nichts verblaßt. Calyra. Deine Frau ist tot, Nordmann. Er schießt hoch und spürt im selben Augenblick, wie sich sein Mageninhalt den Weg nach oben bahnt, während er verzweifelt darum kämpft, das Bewußtsein nicht gleich wieder zu verlieren. Er dreht sich auf die Seite und erbricht sich, würgt und hustet, als könne er Whytfisks Versprechen so mit Gewalt loswerden. Vergeblich. Die leisen Stimmen sind immer noch da, irgendwo auf seiner anderen Seite, fließen ineinander, schwirren umher wie hektische, verängstigte Vögel, verschmelzen und werden zu einer einzigen, aber was immer sie sagt, Caewlin kann sie nicht hören.

Er krabbelt auf die Füße oder zumindest versucht er es, schwankt, fällt um und kriecht weiter. Ausgang. Wo? Ausgang. Calyra. Treppe. Muss hinaus. Hinauf. Cal... Verschwommen und vage sieht er etwas in der Düsternis jenseits des Fackelscheins, das Stufen sein könnten und kriecht darauf zu. Tonnen von Stein, Schutt, Felsbrocken und Geröll füllen das, was einmal der Treppenschacht war und Caewlin kann die sich auftürmende Wand vor ihm einen schrecklichen Augenblick lang nur hilflos anstarren, ehe er begreift. Verschüttet. Deine Frau ist tot, Nordmann. Zorn schwappt über ihm zusammen wie eine schwarze Flut. Er weiß nicht, wie er auf die Beine kommt oder ob überhaupt, ob er steht oder kriecht, kniet oder im Staub herumkraucht, aber brüllend vor Schmerz, Wut und Angst beginnt er, im Dunkeln zu graben, als könne er sich mit bloßen Händen den Weg bahnen.... und alles, was er erreicht, ist, daß noch mehr Sand und Steinschotter nachrutschen. Er gräbt und gräbt, er flucht, brüllt, übergibt sich noch einmal und gräbt weiter, rutscht aus und kippt um, fällt auf etwas Weiches, Großes, halb verborgen zwischen kindskopfgroßen Steinen und einer dicken Staubschicht, zerrt es hervor und donnert Whytfisks schlaffen Leichnam dann so lange gegen die unnachgiebigen Felsbrocken vor sich, bis nichts mehr von ihm übrig ist, als ein blutiges Bündel.

Die Stimme ist immer noch bei ihm, neben ihm, um ihn herum, summend wie ein aufgebrachter Bienenschwarm, aber er kann kein einziges Wort verstehen. Caewlin dreht und windet sich, ringt nach Luft, seine Finger kratzen über Fels und Steine, doch es ist zu spät... zu spät. Er kommt kein Stück voran, nichts bewegt sich, kein wundersamer Gang öffnet sich vor ihm und läßt ihn entkommen. Seine Brust ist kurz davor, zu zerspringen und um ihn wird wieder alles dunkel, während kleine bunte Punkte und Kringel in seinen Augenwinkeln herumzucken und ihn verhöhnen, verhöhnen wie der kalte, kalte Stein vor ihm. Tot. Deine Frau ist tot, Nordmann. Dann verlassen ihn seine Kraft und seine Sinne endgültig. Schwärze brennt hinter seinen Augen und das letzte, das er hört, ist tief in sich ein kreischendes NEIN! und den Laut, mit dem sein Herz bricht.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 02. Feb. 2005, 20:50 Uhr
In der Krypta


Erschöpfung und Schmerzen schütteln ihren ganzen Körper und ihre Finger zittern so sehr, dass sie Angst hat, Caewlin damit nur noch mehr zu verletzen, als sie unbeholfen versucht, ihm die Rüstung abzustreifen. Die Kettenringe, rotverkrustet und klebrig von seinem Blut, wiegen so schwer in ihrer Hand, dass Raven sie kaum anheben kann. Guter Stahl. Schwerer Stahl. Und doch hat er Whytfisks Klingen nicht abhalten können... Nur mit Mühe schafft sie es, das Kettenhemd bis zu Caewlins Kinn hinaufzuschieben, wobei sie sorgsam darauf achtet, die offenen Wunden nicht zu berühren, als ein Flattern seine Augenlider streift und er in einer schwachen, instinktiven Bewegung den Arm nach ihr ausstreckt. "Bleib liegen, nicht beweg..." Der Rest ihres angefangenen Satzes geht in einem gurgelnden Laut unter, als seine Hand urplötzlich ihren Hals umschließt und erbarmungslos zudrückt. "Caewl..." dringt es erstickt aus ihrer Kehle und die Augen wollen ihr aus den Höhlen treten, weil sie plötzlich keine Luft mehr bekommt. Der Griff des Nordmanns ist grob und hart und presst ihr schmerzhaft den Kehlkopf zusammen. Er schüttelt sie, als wäre sie ein Katzenjunges und Raven hat das Gefühl, der Kopf müsse ihr gleich von den Schultern brechen. Entsetzt schnappt sie nach Luft. Schmerzen explodieren rund um den gesplitterten Schlüsselbeinknochen wie ein plötzlich aufloderndes Feuer und treiben ihr Tränen in die Augen. Caewlin starrt ihr mitten ins Gesicht, aber er scheint sie überhaupt nicht zu sehen. "Ich bin es doch nur, ich bin es...." Erst ihre sanften Finger beruhigen ihn wieder und die Bewusstlosigkeit, in die er zurücksinkt, die ihn mit gnädiger Dunkelheit vor den Qualen bewahrt, die in ihm toben müssen.

Mit zitternden Fingern reibt Raven sich den schmerzenden Hals und es dauert eine Weile, bis sie wieder zu Atem kommt und das wütende Brüllen in ihrer Schulter zu einem dumpfen Pochen abflaut. Noch einmal lockert sie den Gürtel um ihren Oberschenkel, der die blutende Beinwunde abdrückt, dann zurrt sie ihn wieder fest und macht sich erschöpft weiter an die Arbeit. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelingt es ihr schließlich, Caewlin das Kettenhemd abzustreifen und über den Kopf zu ziehen, doch es kostet sie aufgeschürfte Finger und brennende Lungen vor Anstrengung, bis sie das wattierte Wams und das Hemd darunter freigelegt hat, beides durchlöchert und durch und durch mit Blut getränkt. Ausgepumpt schließt sie für einen Moment die Augen und versucht den Schwindel zurückzudrängen, der sie erfasst und völlig benommen werden lässt. Ein Geräusch schreckt sie jedoch wieder auf, ein heftiges Würgen und Spucken, und gleich darauf schießt Caewlin in die Höhe und versucht wild umhertaumelnd, auf die Füße zu kommen. Seine Beine knicken kraftlos unter ihm weg und er stürzt hart auf den rauen Fels, doch er hält nicht inne, sondern schleppt sich auf den Ausgang der Krypta zu, blutüberströmt, halb kriechend, halb humpelnd, das Gesicht eine bleiche Maske des Schmerzes. "Caewlin, nein, nicht .... was tust du denn? Bleib hier..." Angstvoll klammert sie sich an seinem Arm fest und versucht, ihn zurückzuhalten, doch dreihundert Pfund wild entschlossenen Nordmann würden in diesem Augenblick alle Naturgewalten Rohas nicht aufhalten und er schüttelt sie ab wie eine lästige Fliege.

Verzweifelt kriecht sie hinter ihm her, doch dann kann sie nur erstarrt zusehen, wie Caewlin brüllend auf die tonnenschwere Wand herabgestürzten Gesteins einschlägt, als wolle er die schweren Felsbrocken, die den Ausgang versperren, mit bloßen Fäusten zu Staub pulverisieren. Irgend etwas in Ravens Innerem wird auf einmal kalt, ganz kalt, als sie den rauchenden Schuttberg anstarrt und das Begreifen allmählich in ihr Bewusstsein dringt. Sie hatte die Steine herunterkrachen sehen, sie hatte eine donnernde Lawine aus Fels und Geröll heranbranden sehen, aber ihr einziger Gedanke war gewesen, Caewlin vor den herabstürzenden Felsmassen in Sicherheit zu bringen - dass sie gerade auf den versperrten Rückweg starrt, wird ihr erst in diesem Moment klar. Wo sich ein Treppenschacht befunden hatte, türmen sich nun Tonnen von Felsgestein aufeinander. Eine Welle tiefer Hoffnungslosigkeit schwappt über sie hinweg und hüllt sie in ihr kaltes, bleiches Leichentuch. Wir sind eingesperrt. In einem Grab. Eingesperrt. Wie versteinert sieht sie zu, wie Caewlin den toten Körper des Bleichen aus den Trümmern reißt und ihn gegen die Felsen schmettert, als wolle er ihn wieder und wieder und wieder töten, als sei ein Tod für ihn nicht genug, und in diesem Moment ahnt sie, was Whytfisks letzte Worte gewesen sein mögen, bevor sein schwarzes Herz zu schlagen aufgehört hatte. Er weiß es. In Caewlins Augen, hell und eisig wie ein Wintertag, liegen so viel Schmerz und ungezähmte Wut, dass es Raven bitter die Kehle zuschnürt. Er weiß, dass Calyra tot ist. Er weiß, dass er sie nicht mehr erreichen kann. Nie in ihrem Leben hat sie sich je so hilflos gefühlt und so schuldig und einen Augenblick lang wünscht sie sich, dass sie es wäre und nicht die Steine, auf die er so verzweifelt einprügelt. Du hättest auf mein Herz zielen sollen, Nordmann, nicht auf mein Bein.

Caewlin schleudert Whytfisks völlig zerfetzten Leichnam von sich, der mit absurd verrenkten Gliedern zwischen Schutt und Staub landet wie eine weggeworfene Lumpenpumpe. Wie von Sinnen kriecht er weiter und beginnt erneut in den herabgestürzten Geröllmassen zu graben, keuchend und mit schweißnassem Gesicht, bis er einfach umkippt und auf dem Boden liegen bleibt wie ein gefällter Baum. Mit ernsten, ausdruckslosen Mienen blicken die steinernen Wächter auf ihn herab. Staub rieselt von der Decke. Wir werden hier sterben. Ravens dunkle Augen sind leer wie ein sternloser Nachthimmel, als sie zurück hinter den Sarkophag kriecht, mit mechanischen Bewegungen die Ausrüstung und das Verbandsmaterial in den Rucksack stopft, die Fackel packt und mit all dem beladen wieder zu Caewlin zurückkehrt. Jeder Muskel in ihrem Leib kreischt vor Schmerz, die vielen Wunden, gebrochene Knochen, doch nichts schmerzt so sehr, wie ihn hier liegen zu sehen. Verletzt. Verzweifelt. Sterbend. Denke nicht nach, tu einfach, was du tun kannst und denke nicht nach. Nicht denken ... nicht...

Mit leiser Stimme, ein einsames Flüstern nur in den hohen, leeren Hallen, redet sie auf Caewlin ein, während sie ihn mühsam aus Wams und Hemd schält, einen Streifen Linnen mit dem Feuerwein aus dem Tonkrug tränkt und damit beginnt, seine zahllosen Wunden zu säubern. Sie weiß nicht, ob er sie hört, ob er überhaupt irgend etwas wahrnimmt, aber vielleicht mag eine vertraute Stimme ihm das Gefühl geben, dass er nicht allein ist. Vielleicht versucht sie auch nur, diese lähmenden Gedanken voller Verzweiflung und Entsetzen zu vertreiben, die nach ihr greifen wollen. Vielleicht aber hat sie auch nur Angst vor dieser schrecklichen, allumfassenden Stille. Todesstille. "Ich weiß, wie sehr es schmerzt, einen geliebten Menschen zu verlieren", flüstert sie, während sie vorsichtig den tiefen Stich unter seiner Achsel mit Feuerwein auswäscht und mit sauberen Leinenstreifen einen Verband anlegt. "Und wie schwer es ist, daran nicht den Verstand zu verlieren und zu verzweifeln. Ich weiß es, Caewlin. Auch ich habe solche Menschen verloren. Aber sie sterben nur, wenn wir sie vergessen. Solange wir sie in unseren Herzen tragen, werden sie immer bei uns sein, wo wir auch sind. Auch Calyra wird dich niemals verlassen, selbst wenn sie jenseits der Purpurnen Flüsse ist, niemals." Hilflos lässt Raven die Hände sinken. Sie hätte ihm so gern etwas tröstliches gesagt, irgendetwas, das die brennenden Wunden in seinem Inneren lindern würde, aber sie weiß, dass es in ihrer Sprache keine Worte gibt, die dies vermögen. Nicht jetzt, nicht hier. Es gibt keinen Trost für solchen Schmerz. Alle Sätze, die ihr in den Sinn kommen, alle Worte, die ihr einfallen, alles klingt nur hohl und leer und sie weiß ohnehin nicht, ob er sie versteht. Ab und zu flattern seine Lider und bei der Berührung mit dem feuerweingetränkten Lappen zuckt er gequält von Schmerz zusammen, doch sein Bewusstsein scheint noch nicht wiedergekehrt zu sein. Sie weiß nicht einmal, ob es überhaupt je wiederkehren wird.

Schweigend versorgt sie seine Verletzungen und verbindet die Wunden am Kopf und die Schnitte und Stiche an den Beinen. Zuletzt pult sie ihm mit seinem Dolch den abgebrochenen Bolzen aus dem Arm und schlingt saubere Verbandstreifen darum, bevor sie ihm einige Schlucke aus dem Wasserschlauch einflößt und sich auch selbst die wunde Kehle befeuchtet. Das blutverkrustete Wams und das Hemd packt sie, so gut sie es vermag, um seinen Oberkörper, denn es ist bitterkalt in der Krypta, und auch Whytfisks Lumpenmantel zerrt sie heran und breitet ihn über den Nordmann. Wenigstens würde er ein bisschen wärmen. Die Fackel ist fast schon niedergebrannt und Raven kramt aus dem Rucksack eine neue hervor und entzündet sie an der erlöschenden, bevor sie sich um den tiefen Stich in ihrem Bein kümmert, den ihr Caewlins Klinge zugefügt hat. Und dann gibt es nichts mehr zu tun, als neben dem leblosen Körper des Nordmanns zu sitzen und den quälenden Schmerzen und der erdrückenden Stille zu lauschen. "Es tut mir leid", flüstert sie und ihre Stimme klingt eigentümlich fremd in ihren Ohren. Was sagt man einem Freund, der das Liebste in seinem Leben verloren hat und der weiß, dass er sterben wird?. "Brynden ist noch am Leben. Ich weiß es. Ganz sicher. Ihm wird nichts geschehen." Whytfisk hat Rorge nur nach einer Person geschickt, ich hab's mit eigenen Ohren gehört. "Und vielleicht ... vielleicht ist..." Calyra doch noch am Leben... Es ist eine trügerische Hoffnung, die sich nicht erfüllen wird und sie weiß es auch. Mutlos lässt Raven den Kopf sinken.

Caewlins Augenlider flattern, als sie auf ihn hinabschaut und ihm behutsam eine blutverkrustete Haarsträhne aus der Stirn streicht. "Cal hat dich geliebt, mitsamt deiner Narbe und deiner komischen Eisenschelle, mitsamt deinem Spott und deinem schiefen Grinsen und deinem ganzen verbohrten Normanderstolz ..." Ihr Blick hängt an seinem Gesicht, aschfahl und nass von Schweiß und Blut. Eine seltsam stille Traurigkeit liegt in ihren Augen und einen Moment lang wird ihre flüsternde Stimme ganz dunkel und weich. "Und ich tu das auch, du dummer, großer Nordmann." Als sie sich von ihm wegdreht und sich mühsam auf die Knie stemmt, ist ihr Gesicht so hart und verschlossen wie der verwitterte Stein. Die Schmerzen werden allmählich unerträglich und sie schleift sich zurück zum Sarkophag und noch weiter darüber hinaus, in die Schatten der hohen Säulen, die das schwache Fackellicht nicht mehr erreicht. Dort verkriecht sie sich wie ein verwundetes Tier, das sich zum Sterben zurückzieht. Es ist zu viel geschehen, als dass ihr Geist das alles noch fassen könnte. Zu viel, als dass eine verwundbare Menschenseele das alles unbeschadet überstehen könnte. Zu viel, als dass ein Herz nicht daran zerbrechen würde. Viel zu viel. Die schweigenden Hallen mit ihrer riesigen, gewölbten Kuppeldecke, die steinernen Wächter ringsum, graue verwitterte Gesichter, alles verschwimmt vor ihren Augen zu diffusem Nebel. Salzige Spuren ziehen sich durch die Schicht aus Staub und Blut und Dreck auf ihrem Gesicht. Sie weint. Lautlos und stumm. Weint um einen verlorenen Kampf, weint um vergeudetes Leben, um Caewlins tote Frau, weint um Träume und Freunde und eine Stadt, die nie wieder die gleiche sein wird, weint um alles, was sie verloren hat.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 05. Feb. 2005, 21:05 Uhr
Ein Meer aus Dunkelheit wiegt ihn eine Weile, tröstlich in seiner Unendlichkeit. Caewlin kann nicht sagen, wie lange... er treibt darin ohne Gefühl, ohne Erinnerung, ohne Wissen und ohne Schmerz. Als er das nächste Mal mühsam die Augen aufschlägt, begreift er erst eine lange Zeit nicht, daß er sie überhaupt geöffnet hat - bis sich aus der Dunkelheit um ihn her vage Schemen und Formen lösen. Dann bekommt das sanfte, schwarze Meer eine Küste, die ihn frappierend an die Hölle erinnert. Ich bin tot. Caewlin hat sich die Verdammnis immer als  düsteren Ort vorgestellt - und das flackernde, rote Licht und die zitternden Schatten ringsum scheinen gut dazu zu passen. Die Inseln der Seligen können das hier kaum sein - erstens hatte ein Mann wie er es nicht verdient, mit dem Weißen Schiff zu segeln und zweitens sieht es hier alles andere als danach aus. Warum ihn der Gedanke, tot zu sein, so erleichtert, kann er beim besten Willen nicht sagen... bis die Erinnerung zurückkommt, schlagartig, als hätte jemand einen Vorhang zurückgezogen. Calyra. Ihr Name schneidet durch sein Herz wie ein  weißglühendes Messer, die Wunde in seinem Inneren bricht auf und wächst ins Unermeßliche. Deine Frau ist tot, Nordmann. Whytfisk hatte die Wahrheit gesagt. Calyra. Sie ist tot. Er weiß es. Er weiß es, weil im selben Augenblick etwas in ihm gestorben ist, schnell und für immer. Er kann die kalte Leere fühlen, die ihr Tod in seiner Seele hinterlassen hat und hätte er noch einen Körper besessen, hätte er sich jetzt zusammengekrümmt vor Qual, aber er kann sich nicht bewegen und er kann sich nicht spüren. Zu schwach, um auch nur zu stöhnen, ist er allein und nackt in der Finsternis, also flieht er auf dem einzigen Weg, der ihm bleibt... zurück in die wartende, gnädige Dunkelheit, die ihn alles vergessen läßt.

Das nächste, das ihn in die wache Welt zurückreißt, ist der glühender Schürhaken, der ihm gerade mit Genuß durch den Arm getrieben wird - jedenfalls fühlt es sich so an, was auch immer es sein mag. Zu schwach, um zu schreien oder auch nur zu protestieren, kann er nur keuchen und spürt, wie salzige Tränen in seinen Augen brennen. Rotes Licht tanzt über schwarzen Stein... und da ist noch etwas, ganz am Rand seiner Wahrnehmung, das ihn narrt und das er einfach nicht zu fassen bekommt. Seine Welt ist merkwürdig still, so als tauche er durch tiefes Wasser, alle Geräusche sind weit fort und kaum zu hören, bis auf ein dumpfes, aber penetrantes Summen zwischen seinen Ohren, als dröhne in seinem Schädel das Echo einer hallenden  Glocke. Er kann sich gerade noch fragen, warum er solchen Schmerz verspürt, wenn er doch tot ist, als er schon wieder in die Finsternis kippt. Nach einer Weile schälen sich leise Wortfetzen aus der Dunkelheit, tonloses Gemurmel, aber real - kein summender Bienenschwarm diesmal. Sein Kopf fühlt sich riesig an, aufgebläht wie ein Ballon und viel zu schwer, um ihn zu heben, und seine Sicht verschwimmt ständig zu bruchstückhaften, kreisenden Bildern, die aufschimmern und wieder verblassen. Rotes Licht, dunkler Fels. Das hier ist die Verdammnis.
"... leid."
"Brynden."
"Leben."
"... sicher."
"Vielleicht."
"... geliebt."
"... dummer, großer Nordmann."

Mit den Wortfragmenten taucht ein Gesicht über ihm auf, ein blasses, verschwommenes Oval unter wirren Schleiern dunklen Haares. Er weiß, daß er das Gesicht kennt, aber als er den  Namen dazu sucht, findet er nur Leere. Die Worte ergeben überhaupt keinen Sinn, aber dennoch überkommt ihn ein vages Gefühl von Trost. Er kennt diese Stimme und er kennt auch das Gesicht. Er weiß, daß es wichtig ist, sich zu erinnern, aber es will ihm einfach nicht gelingen. Immer, wenn er versucht, einen klaren Gedanken zu erhaschen, hört er Whytfisks ölige Stimme  in seinem Kopf und mit ihr kommt ein Schmerz, der alles andere auslöscht. Dann wird es still um ihn her. Rotes Licht, dunkler Fels und Schweigen. Nein, will er rufen. Geh nicht  fort! Aber alles, was er erreicht, als er versucht, sich zu bewegen, ist, daß er vor sengendem Schmerz halb ohnmächtig wird. Das Gesicht und die Stimme sind fort. Die Schwärze holt  ihn wieder ein und er läßt sich bereitwillig fortziehen - mit der einzigen Hoffnung, daß es diesmal für immer ist. Als er wieder zu sich kommt, braucht er ebenso lange wie vorher, um vage  Umrisse um sich her zu erkennen, aber dieses Erwachen ist anders. Er muß nicht um Erinnerungen kämpfen oder nachdenken, wer er ist. Caewlin fühlt sich schwach und entsetzlich  benommen, aber seine Gedanken sind klar... viel zu klar. Calyra... Sein Herz schlägt so hart, daß es schmerzt und mit Entsetzen erkennt er, daß er sich geirrt hat: er mag vielleicht in der Hölle gelandet sein, aber tot ist er nicht. Wasser... Er versucht, zu sprechen, aber er bringt keinen Ton aus seiner wunden Kehle oder über die blutrissigen Lippen... und wenn er versucht, sich zu bewegen, schickt ihn reißender Schmerz beinahe wieder über den Rand der Bewußtlosigkeit, also läßt er es sein. Ob er ein Geräusch von sich gegeben oder sich  sonstwie bemerkbar gemacht hat, kann er nicht sagen, aber nach einem Moment taucht das blasse Gesicht wieder über ihm auf - und diesmal erkennt er es. "Ra...ven?" Er will die Hand heben, um die schwarzblaue Prellung in ihrem Gesicht zu berühren, aber es gelingt ihm nicht einmal, den Arm zu bewegen. "Er hat dich geschlagen", raspelt er heiser und hört sein leises Flüstern erschreckend laut in der hallenden Düsternis ringsum. Dann fällt ihm ein, was er getan hat und seine Augen werden dunkel. "Calyra ist tot."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 06. Feb. 2005, 10:19 Uhr
Ein Geräusch weht durch die eisige Leere der Halle und bricht sich an felsrauen Wänden, bis es sich als leises Flüstern zwischen den Säulen verliert und allmählich wieder verstummt. Nur ein stilles Echo sickert noch in Ravens Bewusstsein und es scheint so fern und weit weg zu sein, dass es mehr eine Ahnung als ein hörbarer Laut ist, was sich in die Dunkelheit ihrer Träume schleicht und beharrlich an ihrem Geist zupft. Das Geräusch scheint irgendwie wichtig zu sein, aber ihr umnebelter Verstand braucht eine quälend lange Ewigkeit, bis er es überhaupt zur Kenntnis nehmen will und sie begreift, dass es nicht zu einem Traum gehört. Mühsam versucht Raven, die Augen zu öffnen, aber nur das rechte will ihr gehorchen - das linke ist völlig zugeschwollen und von Blut und salzigen Tränen so verkrustet, dass sie nicht einmal mehr das Lid zum Zucken bringt. Die Tränen sind inzwischen versiegt, sind kalter Hoffnungslosigkeit gewichen und irgendwann haben sich die Lider vor Erschöpfung über ihren leergeweinten Augen geschlossen, ohne dass sie dagegen noch etwas hätte tun können. Reglos lehnt sie an einer der Säulen und lauscht mit angehaltenem Atem in die Düsternis der Krypta, die sich wieder in Stille gehüllt hat. Schwacher rotgoldener Lichtschein huscht über die Steingesichter der Wächter und erinnert sie an eine brennende Fackel am anderen Ende des weiten Gewölbes. Und an Caewlin, der dort im Schatten einer tonnenschweren Mauer aus Felsgestein liegt. "Caewlin?" Ravens angstvolles Flüstern bleibt ohne Antwort.

Erst nach mehreren verzweifelten Versuchen gelingt es ihr, sich umzudrehen und auf die Knie zu kommen. Die schmerzenden Knochen und Muskeln verweigern ihr einfach den Dienst, sind nur mit Anstrengung und eiserner Willenskraft überhaupt noch dazu zu bringen, sich vorwärts zu bewegen und als sie endlich den Lichtkreis der Fackel erreicht, ist sie so erschöpft, dass sie kaum noch atmen kann. Der Geröllstaub, der noch immer in der Luft schwebt und im Fackellicht gespenstisch langsam umhertanzt, legt sich wie Blei auf ihre Lungen und bedeckt wie ein Grabtuch alles mit einer grauen Pulverschicht. Caewlin liegt noch immer so da, wie sie ihn verlassen hat, reglos unter Whytfisks Lumpenmantel, auf einem staubigen Teppich aus Geröll und Stein. "Caewlin?" Eine schwache Bewegung lässt die Finger seiner Linken zittern, als sie sich neben ihn kniet. Seine Lider flattern über dem Blaugrün seiner Augen und was Raven darin lesen kann, lässt sie gegen eine Verzweiflung ankämpfen, die viel tiefer sitzt als alle Tränen. Mühsam quält sich ein Flüstern aus seiner wunden Kehle und sie muss sich über ihn beugen, um seine leisen Worte verstehen zu können. >Er hat dich geschlagen.< Ja. Aber dir hat er das Herz herausgerissen.
"Es tut kaum weh", lügt sie, die Stimme dunkel vor Kummer, und als Caewlin erneut zum Reden ansetzt, schüttelt sie den Kopf und legt ihm sanft die Finger auf die aufgesprungenen Lippen. "Schh, nicht sprechen, nicht..." Ihr Blick löst sich von seinem und wandert suchend über Steine und Geröllbrocken, bis er den ledernen Wasserschlauch erfasst, der ein Stück seitwärts von ihr liegt. Sie greift mit der Rechten hinüber, zerrt ihn zu sich heran und entkorkt ihn mit den Zähnen. Behutsam umfasst sie Caewlins Nacken, um seinen Kopf ein wenig anzuheben, und setzt ihm den ledernen Schlauch an die Lippen. Sogar das Schlucken scheint ihm unsägliche Schmerzen zu bereiten, aber sie lässt so lange Wasser durch seine ausgetrocknete Kehle rinnen, bis sein Durst gestillt ist. Der Schlauch ist beinahe noch voll und wenn sie sparsam sind, wird das Wasser vielleicht einige Tage reichen. Was danach sein wird, verbannt Raven aus ihren Gedanken. Gäbe es einen Ausgang aus diesem Grab, wäre es unser kostbarstes Gut, aber so wird es nur unser Sterben verlängern...

Nachdem sie den Wasserschlauch wieder sorgsam verkorkt hat, schiebt sie vorsichtig den löchrigen Lumpenmantel beiseite, der Caewlin bedeckt, um nach seinen Verletzungen zu sehen. Das einstmals helle Linnen der Verbände ist dunkel vor Blut und ihr Herz krampft sich schmerzhaft zusammen, als sie ihn betrachtet. Sein geschundener Körper ist ein einziges Kraterfeld aus Stichen und blutenden Wunden, tiefen Schnitten, Schrammen und blauschwarzen Prellungen. Der Stich unter seinem Arm scheint am schlimmsten zu sein und sehr tief und das Verbandsleinen ist aufgeweicht und blutdurchtränkt, so dass sie es vorsichtig abnimmt und frisches auf die Wunde legt, bevor sie ihn wieder in den Mantel hüllt. Mit einem kaum hörbaren, heiseren Laut dringt Caewlins Flüstern an ihr Ohr und seine Worte umschließen wie eine eiserne Faust ihr Herz.
>Calyra ist tot.<
In seiner Stimme liegen so viel ungläubiges Entsetzen und kalte Endgültigkeit, dass ihr die Kehle eng wird. Es ist alles nur meine Schuld. Götter, wenn ich ihm nur diesen Schmerz abnehmen könnte, wenn ich ihm nur irgendwie helfen könnte... Aber sie kann es nicht, nichts und niemand kann das, am allerwenigsten leere Worte. Tränen laufen ihr über das Gesicht, als sie sich neben ihn setzt und behutsam, als würde sie etwas Zerbrechliches in Händen halten, Caewlins Kopf und Schultern von den rauen, scharfkantigen Steinen hebt und in ihren Schoß bettet. Hilflos streichelt sie ihm über das staubige Haar. "Du wirst bald wieder bei ihr sein, hab keine Angst", flüstert sie. "Und ich werde mit dir kommen. Ich lass dich nicht allein."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 07. Feb. 2005, 13:45 Uhr
"Du bist eine lausige Lügnerin," keucht er zwischen blubbernden Wasserschlucken. "Warst du schon immer..." er verschluckt sich und erstickt fast und kämpft darum, nicht husten zu müssen. Das Husten würde seinen Kopf erschüttern und er wäre wahrscheinlich sofort wieder bewußtlos. Er kann spüren, wie sie sich an seinen Wunden zu schaffen macht und Verbände wechselt, und obwohl sie dabei so vorsichtig wie möglich ist, möchte er schreien vor Schmerz. Er will ihr die trostlose Sinnlosigkeit ihres Tuns vor Augen führen, will sie wegschieben und ihr sagen, sie soll sich keine Mühe mehr mit ihm machen und ihn in Ruhe sterben lassen, aber er bringt kein Wort heraus, liegt nur still und läßt sie gewähren. Das Leid in seinem Inneren ist nichts im Vergleich mit den Schmerzen seiner Wunden. Dann deckt sie ihn wieder mit dem Wolltuch zu, das weich und kratzig zugleich ist - und was immer es ist, es ist warm. Aber als sie seinen Kopf in ihren Schoß bettet, versucht er schwach und kraftlos, sich zu wehren. "Raven... nicht. Faß mich nicht an." Sie achtet nicht auf seine Worte, sondern schiebt ein Bein unter seine Schultern, bis er nicht mehr auf spitzen Steinen liegt, sondern auf ihrem Knie. Merkwürdigerweise tut es nicht einmal weh, als ihre Finger über sein Haar streichen, aber das hatte er nicht gemeint. "Laß mich los, Raven. Ich bin nicht... nicht sauber." Sie weiß genau, daß er nicht von Blut, Schweiß und Staub spricht.

Statt zu antworten oder ihn loszulassen flüsterst sie: >Du wirst bald wieder bei ihr sein, hab keine Angst. Und ich werde mit dir kommen. Ich lass dich nicht allein.< Er berührt sie nicht, aber er läßt zu, daß sie ihn festhält, bis er aufhört, zu zittern. Als er das nächste Mal die Augen aufschlägt, weiß er nicht, ob er bewußtlos war oder geschlafen hatte, aber die Fackel ist ein ganzes Stück heruntergebrannt. Und ich werde mit dir kommen. Ich lasse dich nicht allein. Sein Kopf liegt noch immer auf ihrem Bein, das mittlerweile völlig taub sein muß und Caewlin tastet im Halbdunkel nach einer Hand, die er drücken kann und findet schließlich staubige Finger auf seiner Brust. "Du gehst." Das Sprechen kostet ihn Mühe und noch mühsamer ist es, einen klaren Gedanken zu fassen und ihn so lange festzuhalten, daß ein Satz aus ihm werden kann. "Du gehst. Wenn du... hier bleibst... und stirbst.... dann war alles umsonst. Luftzug... hier. Irgendwo. Kann ihn spüren. Such... anderen... Ausgang. Whytfisk." Er würgt an dem Namen, aber irgendwann bringt er ihn doch heraus. "Whytfisk... immer... irgendwo... Hintertür." Die paar Worte aus seiner Kehle zu zwingen hat ihn mehr Kraft gekostet, als er hat und er trudelt davon in die Dunkelheit, unfähig, die Augen noch länger offenzuhalten oder die schmerzende Leere in seinem Inneren zu ertragen. Durst und Schmerz treiben ihn irgendwann wieder von dem weichen, warmen Lager aus Vergessen. Zu seinem Entsetzen ist er immer noch am Leben und Raven ist immer noch bei ihm. "Stures Weib. Sollst... gehen..."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 07. Feb. 2005, 22:56 Uhr
Obwohl Caewlin kaum fähig ist, sich zu bewegen, geschweige denn ihren sorgenden Händen wirksamen Protest entgegenzusetzen, kann Raven seine Gegenwehr deutlich spüren. Aber sie lässt sich davon nicht abschrecken und schluckt seinen Widerwillen wortlos hinunter. >Laß mich los, Raven. Ich bin nicht... nicht sauber.< "Rede keinen Unsinn", murmelt sie leise, wohl wissend, was er mit seinen Worten meint. "Das bin ich genauso wenig wie du. Ich trage so viel Schuld in meinen Händen, dass drei Leben nicht ausreichen würden, sie wieder zu begleichen. An ihnen klebt dein Blut und das deiner Frau. Und es lässt sich nie wieder abwaschen, nie wieder." Caewlin gibt keine Antwort mehr und sein gequälter Atem wird ein wenig ruhiger, als er wieder in die tröstliche Dunkelheit hinüberdämmert, die ihn in ihren Armen wiegt. Sachte streicht Raven noch immer über sein staubbedecktes Haar, doch ihre Bewegungen werden allmählich langsamer, bis ihre Hand schließlich reglos liegen bleibt. Den schmerzenden Rücken gegen die Trümmer der eingestürzten Treppe gelehnt, fallen auch ihr die Augen zu, doch es ist kein wohltuender Schlaf, in den sie gleitet, sondern eine kalte, schreckensgleiche Finsternis, die sie hinabzerrt.

Kurz darauf lässt eine Stimme Raven wieder hochschrecken und bringt ihren Herzschlag zum Jagen, ein heiserer, kehliger Laut, der die Flut der entsetzlichen Bilder durchdringt, die in der Dunkelheit ihrer Gedanken toben. Wie ein Leuchtfeuer, das ein hilflos umhertreibendes Boot durch Wellen und Sturm in den sicheren Hafen leitet, so hilft ihr die Stimme, der wirbelnden Schwärze zu entkommen und zieht sie in die Wirklichkeit zurück. Sie fühlt sich schwindlig und schwach und in ihrem Kopf summt es wie Fieber. Kalter Schweiß rinnt ihr über Stirn und Nacken. Die Stimme ist immer noch da. >Du gehst<, flüstert sie und eine große, schwielige Hand tastet nach ihren Fingern. Haltsuchend. Trostspendend. Warm. Sie hält sich daran fest. Und die Hand sich an ihr. >Du gehst. Wenn du... hier bleibst... und stirbst.... dann war alles umsonst.< Benommen öffnet sie die Augen und blinzelt gegen den goldroten Schein der Fackel, und es dauert einen langen Moment, bis sie die letzten Fetzen der schrecklichen Träume abstreifen kann. "Gehen?" Die ganze Hoffnungslosigkeit ihrer Lage zittert in der leisen Stimme mit. "Wohin sollte ich schon gehen? Es gibt keinen Ausgang. Keine Türen, keine geheimen Gänge, keine Mauerfugen, nichts. Der einzige Ausgang liegt jenseits der Purpurnen Flüsse." Raven lehnt den Kopf zurück an den mannshohen Felsbrocken und starrt hinauf in die Finsternis, in der sich die hohe Decke der Krypta verliert. Ein schwarzer Nachhimmel über einem stillen Grab. Sie wünscht sich Sterne dort hinauf, kleine, lichthell schimmernde Punkte. Doch das einzig Schimmernde sind ihre Tränen. Sie blinzelt sie weg und schließt die Augen. "Selbst wenn es einen gäbe ... auf mich wartet dort oben nichts mehr. Es gibt nichts, das mir etwas bedeuten würde. Deswegen bin ich hier. Was glaubst du, warum ich zu Whytfisk gegangen bin? Warum ich allein gegangen bin? Ich dachte, ich könnte dein Leben damit freikaufen, und das deiner Familie. Aber ich hab alles nur vermasselt, nur noch schlimmer gemacht, ich war dumm, so dumm.... und nun ist ... und nun ist Calyra tot und du liegst hier im Sterben und es ist alles nur meine Schuld." Hör auf damit! Hör auf! Was willst du, dein Gewissen reinwaschen? Du Feigling! Die Schuld von dir wälzen? Dafür ist es schon lange zu spät, du Närrin, viel zu spät. Du wirst sie nicht mehr los, egal was du tust. Das Bleigewicht dieser Last will sie schier erdrücken, legt sich wie ein eisernes Band um ihr Herz und macht sie einen endlos währenden Augenblick lang sprachlos, fassungslos. Hoffnungslos.

Ihre Hand zittert so sehr, dass sie sie Caewlins Finger entwinden muss. Sie kann ihm nicht einmal mehr ins Gesicht schauen. Aber sie hört das schmerzvolle Schlucken in seiner rauen Kehle, seinen Atem und sein Flüstern. Wasser. Er braucht Wasser. Ihre Rechte tastet nach dem wassergefüllten Lederschlauch an ihrer Seite. >Stures Weib. Sollst... gehen...<, knurrt er heiser. Vorsichtig hebt Raven seinen Kopf, was ihm einen gequälten Schmerzenslaut entlockt, entkorkt den Wasserschlauch und hält ihn an seine Lippen. "Ohne dich gehe ich keinen Schritt. Nirgendwohin. Trink das." Nachdem sein Durst gestillt ist, legt sie das Behältnis sorgsam zwischen die Steine zurück und schält sich aus ihrem Lederwams, die Zähne vor Schmerzen zusammengebissen, um ein Wimmern zu unterdrücken. Das Wams ist völlig zerfetzt und voll von verkrustetem Blut, aber sie faltet es dennoch säuberlich zusammen und schiebt es unter Caewlins Kopf und Nacken, während sie sich unter ihm hervorzieht und sich bemüht, ihm dabei nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen. Das rechte Bein ist völlig taub und sie muss warten, bis das Blut kribbelnd wieder in den Adern zirkuliert und das Gefühl zurückkehrt, bevor sie sich mühsam auf die Knie hievt. Der Verband an ihrem linken Oberschenkel ist völlig durchgeblutet und sie weiß, dass sie die Wunde nähen müsste, um die Blutung zu stoppen, ebenso wie Caewlins Arm- und Beinwunden. Aber womit? Sie zerrt den Rucksack heran und durchwühlt seinen Inhalt, doch sie kann nichts finden, was sich als Nadel gebrauchen ließe. Dafür fallen ihr einige eingewickelte Päckchen mit Proviant in die Hände und nachdem sie das Wachspapier gelöst hat, entpuppen sich die Bündel als Schwarzbrotkanten und Stücke von Trockenfleisch und geräuchertem Schinken. Kaum dass der Geruch ihre Nase erreicht hat, macht sich ihr Magen knurrend bemerkbar und verlangt nach langen Tagen ohne jegliche Nahrung energisch Futter. Mit den Päckchen auf dem Arm kriecht sie wieder neben Caewlin, säbelt mit dem Dolch dünne Scheiben Fleisch und Brot ab und reicht sie ihm. Selbst begnügt sie sich vorerst mit einem Kanten Brot, obwohl sie hungrig ist wie ein Wolf, aber sie weiß, dass sie das Essen nicht lange im Magen behalten würde, wenn sie zu schlingen anfangen würde. Und es ist schon schmerzhaft genug, ein simples Stück Brot hinunterzuwürgen, denn ihr Gesicht, ihr Hals und ihre Kiefer schmerzen von Whytfisks Schlägen. Es ist eine karge, schweigsame Mahlzeit und im letzten Schein der erlöschenden Fackel, spürt Raven, wie das Schwindelgefühl ihre Sinne erlahmen lässt und ihre Kräfte sie verlassen. "Ich muss schlafen, Caewlin", raunt sie leise, während sie sich nach einem geeigneten Lagerplatz umsieht. "Und du solltest das auch tun. Aber ich bin hier, wenn du etwas brauchst." Zwei Armlängen neben ihm findet sie eine flache Kuhle zwischen den herabgestürzten Felsbrocken, in der sie sich zusammenrollt, nicht mehr als eine kleine schmale Gestalt in einem staubbedeckten Trümmerhaufen.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 09. Feb. 2005, 16:58 Uhr
Seine Welt besteht aus verschwommenen Schatten und riecht nach Tod, Blut und Staub. Caewlin treibt durch die Dunkelheit und nichts ist in ihm außer Schmerz. Es gibt kein Licht, denn die Fackel ist längst heruntergebrannt und keine Wärme, keinen Ausweg und kein Ziel... nur noch die dunkle Endgültigkeit, die hier irgendwo auf ihn wartet - und die ihn weiter warten läßt. Er hatte trotz seiner entsetzlichen Schwäche und Erschöpfung lange keinen wirklichen Schlaf gefunden, selbst nachdem Ravens Atem neben ihm leise und gleichmäßig geworden war, nicht. Stattdessen war er in der Kälte wachgelegen, hatte zugesehen, wie der tanzende Fackelschein schwächer und schwächer geworden und schließlich verloschen war, und auf die tiefe Schwärze in seinem Inneren gewartet. Sie war nicht gekommen, um ihn zu holen. Es ist kalt in der Dunkelheit, aber bald würde das Fieber in ihm lodern und den Rest erledigen. Er war schon oft schwer verwundet worden, aber soviel Blut wie diesmal hatte er nie verloren. Keine seine Verletzungen ist für sich genommen tödlich... irgendwann, während er wachgelegen hatte, hatte er sich an eine Bestandsaufnahme seiner Wunden gemacht, um nicht ständig am Gedanken an Calyra ersticken zu müssen... aber so schwach hat er sich noch nicht einmal damals im Wundfieber nach dem Verlust seiner Hand gefühlt. Wundfieber. Ein Wunder, daß er noch nicht darin glüht, aber es würde bestimmt nicht mehr lange auf sich warten lassen. Gut, dann geht es schnell oder du spürst nichts mehr davon. Ravens Worte geistern durch seine Gedanken, wirr und unzusammenhängend. Sie hatte geredet, mit ihm... bevor sie sich zum Schlafen zusammengerollt hatte, aber er hatte nicht alles verstanden und seine trüben Erinnerungsfetzen wirbeln ohnehin ständig alles durcheinander, so daß keines ihrer Worte mehr einen Sinn ergibt.

Was glaubst du, warum ich zu Whytfisk gegangen bin?...Gehen? Es gibt nichts, das mir etwas bedeuten würde. Rede keinen Unsinn. Ich dachte, ich könnte dein Leben damit freikaufen, und das deiner Familie. Ich muss schlafen, Caewlin. Ohne dich gehe ich keinen Schritt. Der einzige Ausgang liegt jenseits der Purpurnen Flüsse. Rede keinen Unsinn. Rede keinen Unsinn... Sie hatte ihm Wasser gegeben und Essen, einen Brei aus eingeweichtem Brot und zerschabtem Fleisch, damit er es schlucken hatte können. Er hatte gar nichts Essen wollen. Essen bedeutet Leben - wenn er will. Und er wollte nicht - aber was immer sein Kopf sich eingebildet hatte, sein verräterischer Körper war anderer Ansicht gewesen, also hatte er mechanisch alles geschluckt, was sie ihm gereicht hatte. Zu seiner Verwunderung hatte er trotz seiner Übelkeit alles bis auf den letzten Krümel bei sich behalten. >Ohne dich gehe ich keinen Schritt. Rede keinen Unsinn.< Warum sollte er weiterleben? Deine Frau ist tot, Nordmann, wispern die Schatten.  Calyra war mein Leben. Ich habe sie bei Niniane in Sicherheit gelassen, ich habe ihr verboten, mit mir zu gehen. Wie konnte sie vor mir sterben? Calyra ist tot. An sie zu denken erträgt er kaum, aber nicht an sie zu denken ist unmöglich. Ihr Gesicht taucht aus der Schwärze auf, durchscheinend, als sei es aus Glas und seine Augen füllen sich langsam mit Tränen. Ungeachtet seiner Schmerzen rollt er sich auf die Seite und krümmt sich um die Leere in seinem Inneren. Die Schwärze lauert immer noch in seinen Gedanken, bereit, ihn jederzeit wiederzuholen, steigt in ihm auf und zieht sich zurück, narrt ihn mit ihrer Unbeständigkeit... aber irgendwann fordern Erschöpfung, Schmerz und Blutverlust ihren Tribut. Er kann die Augen nicht mehr offenhalten und das letzte, das er sich fragt, ist, ob man eigentlich aufwacht, bevor man stirbt.

Er weiß nicht, wie lange er geschlafen hat - nur wenige Augenblicke? Stunden? Einen Tag? Aber das erste, daß er verbittert feststellt, als er die Augen aufschlägt, ist, daß ihm vom Scheitel bis zur Sohle alles weh tut und sein Körper sich anfühlt, als hätte eine Horde wildgewordener Zwerge ihn mit Vorschlaghämmern bearbeitet. Er ist immer noch in der Hölle und er ist immer noch am Leben. Seine Muskeln schreien, seine Hand pocht, selbst das Atmen ist eine einzige Qual. Und in seinem Kopf dröhnt ein ganzer Hornissenschwarm aufgebracht vor sich hin. Zu allem Überfluß fühlt sich seine Haut zwar warm, aber alles andere als heiß und außerdem staubtrocken an... von Wundfieber bisher keine Spur. Was nicht ist, kann ja noch werden. Etwas Weiches liegt unter seinem Kopf, aber Ravens Bein ist es nicht. Er erinnert sich vage, daß sie etwas ausgezogen und unter seinen Nacken gestopft hatte, und dann ein Stück von ihm fortgekrochen war... aber er kann sie nicht neben sich hören und er kann den Kopf nicht drehen, ohne die glühenden Schürhaken wieder zu riskieren, um nachzusehen, wo sie ist. Abgesehen davon ist um ihn her alles dunkel. Wo ist die Fackel? Wie lange habe ich geschlafen? War ich wieder ohnmächtig? Oder beides? Ihm ist kalt, trotz des Wolltuchs, in das sie ihn gepackt hat. Der Stoff ist weich und rauh, kratzig und fein und fühlt sich an, als bestehe er aus tausend Flicken und noch mehr Nähten... und plötzlich weiß er, was es ist. Whytfisks Mantel. Er schießt wie von der Tarantel gestochen darunter hervor... oder zumindest versucht er, das zu tun, auch wenn er auf allen Vieren eher an eine sturzbetrunkene Schildkröte erinnern dürfte, die verzweifelt versucht, sich aus einem Strauch Giftsumach zu befreien.

Sein dröhnender Schädel quittiert die vehemente Bewegung prompt mit Schwindel, wilden schwarzen Kreisen vor seinen Augen, würgender Übelkeit und stechendem Schmerz... aber immerhin, er kann kriechen und er ist doch tatsächlich einen ganzen Schritt weit gekommen, ehe er, benommen und schwach wie er ist, einfach umkippt. Um ihn her herrscht noch immer tiefe Dunkelheit, aber irgendwo weiter hinten kann er nach einer Weile ein flackerndes, orangerotes Licht sehen. Es schwankt auf und ab, verschwindet, bückt sich, schwankt weiter, dreht sich, hüpft hierhin und dorthin... und es kippt dabei immer, so als hätte sein Träger leichte Schlagseite. Raven. Mit der Fackel. Er will nach ihr rufen, aber in seinem Mund ist nur bittere Asche. Die Kälte in der Krypta läßt ihn schaudern, eine feuchte, schwarze Grabeskälte, aber um nichts in der Welt würde er sich noch einmal in Whytfisks Mantel hüllen. Wenn das Wundfieber mich nicht erwischt, erbarmt sich vielleicht die Kälte... oder, wenn Raven Recht behält und es keinen anderen Ausgang aus diesem Loch gibt, erledigen uns Hunger und Durst. Die Kraft, mit der sein zerschundener Körper sich ans Leben klammert, beunruhigt ihn zutiefst. Er hatte getan, was er konnte, um Raven zu retten. Er hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um sie zu befreien - und er hat versagt. Er hat den tödlichen Fehler begangen, Whytfisk zu unterschätzen und er hat bitter dafür bezahlt... Calyra ist tot. Wie kannst du weiterleben, wenn sie tot ist? Du bist am Ende. Kriech in die Schatten, laß Kälte, Hunger und Durst ihr Werk tun oder schneid dir die Kehle durch, wenn du einen Dolch findest. Gib endlich auf. Gib auf, sei still und stirb.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 10. Feb. 2005, 20:08 Uhr
Als Raven erwacht, herrscht um sie herum undurchdringliche Finsternis und sie fühlt sich so zerschlagen und verbeult, als hätte jemand sie aufs Rad geflochten und hinter einem Ochsenkarren quer durch halb Ildorien geschleift. In ihrem Körper schmerzen Muskeln, von denen sie bislang nicht einmal geahnt hat, dass sie existieren und als sie sich aufzusetzen versucht, muss sie feststellen, dass ihr Kopf sich so schwer anfühlt wie ein riesiger, ausgehöhlter Kürbis, den man mit glühendem Blei ausgegossen hat. Stöhnend zieht sie sich an einem Felsblock in die Höhe und bleibt mit dem Rücken daran gelehnt sitzen, unfähig, ihre vom Schlaf noch umherflatternden Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken. Das einzige, was klar und überdeutlich in ihr Bewusstsein dringt, ist Schmerz. Schmerz, der wie flüssige Lava durch ihr verletztes Bein, die Schultern und die Rippen schießt, die Lungen mit spitzen Nadeln malträtiert und ihr Herz zum Jagen bringt. Ihr Gesicht ist glühend heiß. Der erste wirklich klare Gedanke, den sie fassen kann, ist Caewlin. Der zweite Wasser, der nächste Licht.

Schweratmend plagt sie sich auf die Knie, aber die Wunde an ihrem Oberschenkel ist mittlerweile so verschwollen und fiebrig heiß, dass sie das Bein kaum noch anwinkeln kann. Als sie es dennoch tut, kann sie spüren, wie es unter dem durchweichten Verband wieder zu bluten beginnt. Trotzdem kriecht sie auf Caewlin zu, die Zähne zusammengebissen, um nicht laut aufzuschreien, und tastet sich im Dunkeln um seinen reglosen Körper herum, während sie sich daran zu erinnern versucht, wo der Rucksack und die Fackeln liegen. Ravens Finger gleiten über Steine, Schutt und staubige Trümmer, bis sie schließlich blutstarrendes Leder berühren und solange darin herumwühlen, bis ihre Rechte den Griff einer Fackel umfasst. Den Beutel mit Feuerstein und Zunder, den Whytfisk ihr abgenommen hatte, hatte sie wieder an ihrem Gürtel befestigt und so dauert es nicht lange, bis die Flammen an der pechgetränkten Spitze mit einem dumpfen Fauchen auflodern. Als das wilde Flackern in ein ruhiges, gleichmäßiges Brennen übergeht, verkeilt sie die Fackel zwischen zwei Steinen und wendet sich Caewlin zu, der in eine Art Dämmerzustand gesunken zu sein scheint, nicht richtig wach und doch nicht schlafend. Mitunter zucken seine rissigen Mundwinkel und ein Zittern läuft über seine Lider, doch seine Augen bleiben geschlossen. Wenigstens scheint er gerade einen Moment lang die dringend nötige Ruhe zu finden und so stört Raven ihn weder, noch weckt sie ihn, auch nicht, um ihm zu trinken zu geben. Sie nimmt selbst einen tiefen Schluck aus dem Wasserschlauch und legt ihn anschließend so neben dem Nordmann nieder, dass er ihn erreichen kann, falls er Durst verspüren sollte. Dann widmet sie sich notgedrungen der Wunde in ihrem Bein.

Sie schnürt ihre Hose auf, die nach wissen die Götter wie vielen Tagen ohne Wasser und Nahrung so jämmerlich an ihr schlackert, als würde sie ihr nicht gehören. Das ehemals weiche Hirschleder ist starr und verkrustet von eingetrocknetem Blut. Vorsichtig schiebt Raven das Hosenbein bis zum Knie hinunter und wickelt mit zitternden Fingern den blutdurchtränkten Verband ab. Was darunter zum Vorschein kommt, lässt sie vor Schmerz und Entsetzen das Gesicht verziehen. Der Schnitt, bei dem Caewlins Klinge säuberlich Haut, Fleisch und Muskeln durchtrennt hat, sieht böse entzündet aus, die Haut unter Schorf und schwarzroten Blutkrusten ist glühend heiß und angeschwollen und die Wunde pocht laut und schmerzhaft im gleichen Rhythmus wie ihr Herzschlag. Raven knüllt den durchgebluteten Verband zusammen, wirft ihn beiseite und kramt im Rucksack nach frischem Linnen, doch die Leinenrollen sind inzwischen alle aufgebraucht. Kurzerhand beißt sie mit den Zähnen die Naht an ihrem unteren Hemdsaum auf und reißt ringsum einen breiten Streifen ab, den sie, so fest es die Wunde zulässt, um ihr Bein wickelt. Einen zweiten Streifen ihres Hemdes benutzt sie dazu, sich eine Schlinge für den verletzten Arm zu knoten, die sie sich mühsam und mit den seltsamsten Verrenkungen und schmerzverzerrtem Gesicht über die rechte Schulter und den Rücken schlingt und den linken Arm darin birgt. Dann plagt sie sich zum ersten Mal seit Tagen wieder auf die Füße. Seit Caewlins Dolch sie von den Beinen geholt hatte, hatte sie sich nur noch kriechend und auf allen Vieren fortbewegt und es dauert eine Weile, bis sie sich, haltsuchend an einen herabgestürzten Felsblock geklammert, soweit in die Senkrechte gequält hat, dass sie aufrecht stehen kann, das Gewicht auf das gesunde Bein verlagert, so dass das verletzte ein wenig entlastet wird. Als sie wieder zu Atem gekommen ist, zieht sie die Fackel zwischen den Steinen hervor und leuchtet damit in die Weite der Krypta und zum ersten Mal, seitdem sie hier ist, hat sie Gelegenheit, sich die steinerne Halle genauer anzusehen.

Die massive Wand aus Schutt und Felstrümmern, die den Treppenschacht verschüttet hat und nun wie ein Gebirge hinter Caewlin in die Höhe ragt und ihre holprigen Ausläufer einer Gletscherzunge gleich in die Hallen streckt, macht den Anschein, als könnten jederzeit Tonnen von Gestein nachrutschen, sobald man sie auch nur schief ansehen würde. Raven braucht kein Grubenzwerg zu sein, um zu wissen, dass es völlig sinnlos wäre, sie abtragen oder sich in die Freiheit hinaus graben zu wollen - sie könnten hundert Jahre schaufeln und würden doch nicht nach oben durchdringen. Beim Anblick des Trümmerberges fragt sie sich stirnrunzelnd, was überhaupt diesen gewaltigen Steinschlag ausgelöst haben mag. Und noch mehr Fragen tun sich auf einmal auf, über die sie bisher gar keine Zeit zum nachdenken hatte: Welche Macht kann solche Felsmassen zum Einsturz bringen? Was ist dort oben geschehen? War Caewlin allein oder war jemand bei ihm? Und wer? Was ist mit seinen Gefährten geschehen? Und was ist mit den übrigen Kanalratten? Das Herz wird ihr schwer, als sie an den wogenden kupferroten Bart denkt, den sie dort oben in der großen Halle zu sehen geglaubt hatte. War es wirklich Borgil gewesen oder hatten ihr fiebernder Verstand und die dichten Rauchschwaden sie nur genarrt?

Raven lässt die Fackel am ausgestreckten rechten Arm einen großen Bogen beschreiben. So weit sie sehen kann, ist das hohe Gewölbe in einem Stück aus dem Felsgestein geschlagen worden. Es gibt weder gemauerte Wände, noch Ritzen oder Fugen, weder Gänge noch Nischen noch Türen noch sonst irgend etwas, das die gleichförmig grauen Flächen unterbricht.  Die Halle misst vielleicht dreißig Schritt in der Länge und zwanzig in der Breite, ein langgestreckter Raum mit einem geraden und einem spitz zulaufenden Ende, der sie von der Form her entfernt an den Rumpf eines riesigen, bauchigen Schiffes erinnert. In ein, zwei Schritt Abstand zu den Wänden reiht sich Säule an Säule und Wächter an Wächter, so dass sich zwischen den verwitterten Steinfiguren und den Wänden eine Art Arkadengang um die ganze Krypta zieht. Die Fackel in der Hand humpelt sie an den Felswänden entlang, zieht Kreise um jede einzelne Säule, mustert jeden Quadratzoll Stein, jeden Vorsprung im Fels, betastet unebene Stellen, sucht aufmerksam die Statuen nach versteckten Mechanismen ab und leuchtet in die strengen Gesichter der steinernen Wächter, doch es ist einfach nichts zu finden, so sehr sie auch sucht. Nichts. Kein Ausgang.

Mutlos lehnt sie sich gegen den verwitterten Sarkophag, der in der Mitte der Halle auf seinem Sockel thront, und lässt den Blick durch das stille Halbdunkel schweifen, bis ihre Augen an einem unförmigen, blutigen Bündel hängen bleiben, das völlig verrenkt im Staub liegt. Auf den Überresten dessen, was einmal Whytfisks Gesicht gewesen ist, scheint sogar jetzt nach seinem Tod noch ein gehässiges Grinsen zu liegen und Raven spürt plötzlich eine so blinde, ohnmächtige Wut auf diesen Mann in sich aufsteigen, dass sie bittere Galle auf ihren Lippen schmeckt. Kranker Bastard! Am liebsten hätte sie sich auf ihn gestürzt oder ihm eine Reihe rabiater Tritte verpasst, aber toter, als er ohnehin schon ist, kann er beim besten Willen nicht mehr werden und so spart sie sich ihre Kräfte für wichtigere Dinge auf, schluckt ihren Zorn hinunter und kehrt ihm den Rücken zu. Der Anblick, der sich ihr dort bietet, ist jedoch auch nicht viel besser, denn sie starrt direkt auf Blaerans Grab.

Sonderbare Figuren bedecken die schwere Grabplatte und im schwachen Dämmerlicht hält Raven die Formen zunächst für aufgemalte Vogelschwingen. Erst als sie die Fackel darüber hält und den Stein näher betrachtet, erkennt sie, dass es Handabdrücke sind. Blutige Handabdrücke mit weit gespreizten Fingern, die sich über die ganze Steinplatte verteilen und ihr ein verwirrtes Stirnrunzeln entlocken. Sie hat keine Ahnung, was die Figuren bedeuten könnten. Auch scheinen die Abdrücke keinem bestimmten Muster zu folgen, sondern sind so wirr und wahllos angeordnet, als hätte sich ein Kind nach Herzenslust mit roter Farbe daran ausgetobt. Oder ein kranker Geist. Wessen Fingerabdrücke sind das? Lang und dürr und knochig .... Whytfisk. Wer hätte sich sonst dem Grab überhaupt nähern dürfen und seinem vergötterten Blaeran, diesem arroganten Klugscheißer... aber Whytfisk ist nicht mehr und kann's auch nicht mehr verbieten ... Mit trotziger Genugtuung, so als könne sie ihn damit sogar nach seinem Tod noch ärgern, klemmt sie sich die Fackel unter den Arm, berührt mit ihrer Rechten die Grabplatte und legt ihre Finger auf einen der schwingenförmigen Abdrücke. Ein tiefes Grollen lässt den Steinsockel unter ihr erzittern. Dann ist es wieder still. Aber nicht lange, denn plötzlich beginnt sich der ganze Quaderstein mit einem entsetzlichen Knirschen zu bewegen, das ihr schlagartig das Blut in den Adern gefrieren lässt. Götter...

Zu Tode erschrocken reißt sie die Hand zurück, taumelt hastig nach hinten, stolpert über die Stufen und über ihre eigenen Füße und stürzt rücklings den flachen Sockel hinunter. Die Fackel poltert funkenschlagend davon. Ihr linker Arm rast vor Schmerzen und ihr Herz vor Angst, während sie zusammengekrümmt auf dem Boden liegt und mit aufgerissen Augen zusieht, wie der Quaderstein sich quälend langsam zu drehen beginnt, bis er quer zum Sockel steht und einen schwarzen Schlund im Felsgestein unter dem Grab freigibt. Mit einem Donnern und einem Ruck, der den Boden erbeben lässt, kommt er zum Stillstand. Staub rieselt in die Schwärze hinab. Alles Blut ist aus Ravens Gesicht gewichen und einen Moment lang hat sie das haarsträubende Bild eines halb zum Skelett verfallenen Blaeran vor Augen, der wie ein Zombie aus seinem Grab aufsteigt und mit glühenden Augen auf sie zuwankt. Das Herz hämmert ihr vor Angst bis zum Hals. Wie hypnotisiert starrt sie auf den Sarkophag und ihr Blick klebt wie festgenagelt auf der schwarzen Öffnung, schmerzende Herzschläge lang, die ihr wie Ewigkeiten erscheinen. Doch nichts rührt sich. Weder kommen Skelette noch Geister noch andere üble Gestalten aus der Schwärze gekrochen, so lange sie auch wartet. Die Krypta ist so still wie zuvor.

Mühsam sortiert sie ihre Knochen und hievt sich wieder auf die Beine, versucht, ihren fliegenden Puls zu beruhigen, während sie nach der davongekullerten Fackel tastet und mit ihr am ausgestreckten Arm vorsichtig auf die Öffnung zuhinkt. Ausgetretene, flache Steinstufen erscheinen im Lichtkreis der Pechfackel und verlieren sich tief unter ihr in einem schwarzen Schattentümpel. Mit angehaltenem Atem lauscht Raven in die Tiefe, doch nicht das geringste Geräusch ist dort in der Finsternis zu hören. Sie macht einen vorsichtigen Schritt auf die erste Stufe. Doch schon der zweite Schritt abwärts lässt sie wieder verharren, denn das kaputte Bein will ihr Gewicht nicht tragen und knickt unter ihr weg. Ein Aufschrei entringt sich ihrer Kehle, doch sie beißt die Zähne zusammen und lässt sich auf dem Hosenboden nieder, um auf diese Weise die steinerne Treppe hinabzurutschen, ohne das verletzte Bein dabei zu belasten. Stufe für Stufe quält sie sich hinunter, die Fackel immer weit vor sich gestreckt und die Nerven zum Zerreißen gespannt. Zwei, drei Mal rutscht sie so weiter hinab, dann schälen sich aus der Schwärze unter ihr allmählich zackige, seltsam geformte Silhouetten und als das flackernde Licht der Fackel die Schatten unter ihr endgültig durchdringt und den Fuß der Treppe und alles, was dahinter liegt, in goldrotes Licht taucht, sieht sie, wo sie gelandet ist.

Der Fackelschein bricht sich tausendfach auf blitzenden Klingen und polierten Schilden, in silbernen Kerzenleuchtern und glitzernden Geschmeiden und Raven wollen schier die Augen übergehen vor Verblüffung. Was .... was ist das hier? Whytfisks Schatzkammer? Blaerans Grabbeigaben? Die gesammelten Beutestücke der Kanalratten? Völlig entgeistert starrt sie in die Kammer, die sich zu ihren Füßen auftut. Der Raum misst wohl drei oder vier Schritte im Karree und ist bis unter die Decke vollgestopft mit Schätzen und Kostbarkeiten. Die ganze linke Wand wird eingenommen von hölzernen Stellagen mit schimmernden Streitäxten, Speeren und Hellebarden mit kunstvoll geschmiedeten Klingen, sie sieht schlanke Schwerter elbischer Machart, mit filigran verzierten, edelsteingeschmückten Griffen, prunkvolle Dolche und Säbel, Streitkolben und mannslange, gefährlich aussehende Beidhänder. Auf Holzgestellen ruhen prachtvolle Schilde, Kettenhemden, Helme und Rüstungen, daneben stapeln sich bronzebeschlagene Truhen aus dunklem Zedernholz, Kisten mit allerlei goldenem Zierrat und den verschiedensten Schmuckstücken, geschnitzten Spiegeln, goldenen Leuchtern und kostbarem Geschirr, so zart und durchscheinend wie Schmetterlinsgflügel. Über einer der Truhen liegt ein Berg von Pelzen ausgebreitet, wertvolle Häute und Felle von Eisfuchs und Wolf, Luchs und Braunbär, Hermelinfelle, dicht und weich wie Seide. Die kahlen Felswände sind mit farbenprächtigen Gobelins und prächtigen Teppichen aus Kheyris und anderen fernen Orten drapiert und der ganze Raum verströmt eine solche Pracht und ein Funkeln, dass Raven es einfach für eine Illusion hält, die ein durcheinandergeratener Verstand ihr vorgaukelt.

Mit heruntergeklappter Kinnlade hockt sie auf der untersten Treppenstufe und kann nur völlig fassungslos auf all diese Reichtümer starren. Das glaub' ich nicht ... das glaub' ich einfach nicht.... Fast erwartet sie, dass alles sich in Luft auflöst, sobald sie versuchen würde, es zu berühren, doch ihre ungläubig tastenden Finger fühlen tatsächlich weichen Pelz und kalten Stahl. Eine ganze Weile kann sie nichts anderes tun, als staunend und ehrfürchtig all die kostbaren Dinge zu betrachten, die sich in der Kammer befinden, zu betasten, zu befühlen, doch dann klopft zaghaft ein Gedanke an ihr mentales Hintertürchen und versucht, sich bemerkbar zu machen, zuerst noch verwaschen und unklar, doch bald wird es zur kalten Gewissheit: es ist eine Schatzkammer, aber es ist kein Ausgang. Kein Ausgang. All diese Kostbarkeiten wären dort oben in der Stadt, hoch über ihr in der Freiheit, ein unermessliches Vermögen wert. Hier unten jedoch ist es nichts als wertloser, nutzloser Tand. Nichts davon kann Caewlin und sie am Leben halten, nichts davon kann sie retten. Es sind nur tote, unbrauchbare Dinge, nur Plunder .... Als wäre alles Leben plötzlich aus ihr gewichen, sinkt Raven zu Boden. Was ist das für ein grausames Schicksal, das uns so verspottet...

Sie fühlt sich völlig leer, als sie in die Flammen der Fackel blickt, die ihrer kraftlosen Hand entglitten ist. Minutenlang starrt sie nur in das goldene Licht, als könne sie dort die Antworten auf all ihre Fragen finden. Doch die Flammen lodern ungerührt weiter, einmal schwächer, einmal stärker, bis sie einmal mit einem wilden Aufflackern fast erlöschen, ebenso wie Ravens Hoffnung. Ihre Augen werden plötzlich schmal. Moment mal, wie ... Wieder schlagen die Flammen heftig in ihre Richtung. Luft..... da ist Luft ..... ein Luftzug.... Die Hände zittern ihr plötzlich und ihr Herz beginnt schneller zu pochen, als sie in die Richtung robbt, aus der der vermeintliche Lufthauch kommt. Auf allen Vieren kriecht sie in der Kammer umher, verschiebt Kisten und Schilde, stapelt keuchend Pelze und Felle und Körbe um und ihre Bewegungen werden immer schneller, immer hektischer. Mit flatternden Fingern wühlt sie sich durch all die Schätze, betastet Wände, reißt die Gobelins herunter.... und dann hält sie den Atem an. Hinter einem der deckenhohen Wandteppiche verbirgt sich eine Öffnung. Eine Öffnung im glatten Felsgestein, vielleicht einen Schritt breit und einen Schritt hoch. Und aus ihr weht Raven ein deutlich spürbarer Luftzug ins Gesicht. Das Herz rast in ihrer Brust, als sie wild nach der Fackel tastet, sie zu sich heranreißt und damit in den Schacht leuchtet. Die Flammen beginnen in dem steten, leisen Luftstrom wild zu lodern. Luft! Ein Gang ... ein Tunnel... Sie hat nicht die leiseste Ahnung, wo der Stollen hinführt, der offenbar als Lüftungsschacht dient, aber sie weiß, dass er irgendwohin führen muss. Und wo Luft ist, ist auch Freiheit. "Caewlin!" keucht sie und wühlt sich wild um sich schlagend aus einem Berg von Teppichen und bestickten Wandbehängen. "Caewlin .... oh, Götter..." Sie packt die Fackel und krabbelt vorwärts, kriecht und strauchelt, zieht sich die Stufen hoch, hektisch, keuchend, alle Schmerzen ignorierend, eine unsinnige Hoffnung in ihrem Herzen tragend und Tränen in den Augen, und immer wieder ruft sie seinen Namen, während sie aus dem Sockel des Sarkophags krabbelt und zu ihm hinüber taumelt und humpelt und stolpert und sich völlig atemlos neben ihm auf die Knie sinken lässt. "Caewl .... Caewlin... wach auf! Caewlin! Ich hab einen Ausgang gefunden...."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 10. Feb. 2005, 22:26 Uhr
>Caewl .... Caewlin... wach auf! Caewlin!< Nein, denkt er benommen. Ich wache nicht auf. Wo immer er während seiner Ohnmacht auch gewesen ist, besser als hier ist es in der Schwärze allemal. >Caewlin! Ich hab einen Ausgang gefunden...< Caewlin hört keuchenden Atem neben sich, dann blinzelt er in blendenden Fackelschein und spürt das beruhigende Gewicht von Ravens Hand an seiner Schulter. Gleich darauf treffen ihn schockartig die eisige Grabeskälte der Krypta und die Schmerzen in seinem Körper. Laß mich in Ruhe, will er ihr sagen, denn mit dem Bewußtsein kehrt die Erinnerung zurück und er will sich nicht erinnern. Er will nur noch sterben. Dann sieht er ihr verschwollenes Gesicht, die Tränen auf ihren Wangen, die Hoffnung in ihren Augen. Mit einiger Mühe stemmt er sich ein wenig hoch und hat das Gefühl, sein Kopf rolle ihm gleich von den Schultern. "Ein Ausgang!" Drängt Raven unnachgiebig. Caewlin ist kaum eines klaren Gedankens fähig - es scheint hundert Jahre zu dauern, bis ihre Worte zu ihm durchdringen und er endlich ihre Bedeutung begreift. Ein Ausgang. Leben. Mist verdammt. Ihm dreht sich der Magen um, aber er lächelt schwach. "Dann geh," erwidert er so fest er kann und schließt die Augen wieder. In seiner grauenhaften Schwäche scheint eine Empfindung in die andere überzugehen, aber im Augenblick fühlt er neben Kälte und Schmerz nur vages Entsetzen und keinerlei Erleichterung, von Hoffnung ganz zu schweigen. Im hellen Fackellschein hat er zum ersten Mal einen Blick auf seine zahlreichen Wunden werfen können und jetzt weiß er, daß er nicht mehr lange genug leben wird, um irgendwann jämmerlich an Hunger oder Durst zu krepieren. Das hofft er zumindest. Cal. Bald. Nicht mehr lange und ich bin bei dir.

Er kann Calyras Stimme in seinem Inneren hören und sieht ihr Gesicht vor sich: ihre silbrigblonden Locken, die Linien ihrer Wangen, die schmalen, feingeschwungenen Brauen, ihre klaren, großen Augen, so still, tief und blau wie ein Bergsee. Die Tausend Sommersprossen auf  ihrer Stirn und Nase, die ihn immer gereizt hatten, sie einzeln zu küssen. Ihr weicher, voller Mund und der Geruch und Geschmack ihrer Haut... und das Leben, das sie ihm gegeben hatte. >Du hast ein Leben gesucht nach all dem Sterben, Caewlin. Und du hast mich gefunden.< Jetzt ist in ihm nur noch Leere, so hart wie kalter Stein und Stille, tiefe Stille. Sein Kopf rollt kraftlos nach hinten, als Raven ihn unsanft schüttelt und energisch fordert, er solle endlich aufwachen und ihr zuhören. "Ra... Raven," als er ihren Namen flüstert, liegt darin seine ganze Qual. Er hebt den Arm, um sie von sich wegzuschieben und es endet damit, daß er sich an ihr festhält, um den kreisenden Schwindel in seinem Kopf zu beenden.  "Laß mich," bittet er eindringlich und meint seine Worte vollkommen ernst. "Verschwende keine Zeit mit mir. Geh und rette dich, Raven. Jetzt. Geh und blick nicht zurück. Laß mich hier sterben, Raven. Bitte. Bitte." Er sinkt zurück, aber dann kommt noch einmal Leben ihn ihn und er bringt es sogar fertig, sich halb aufzurichten. "Bevor... du gehst, mußt du... mich töten. Raven. Ich will nicht wahnsinnig vor Hunger, Durst und Schmerzen hier unten verrecken. Calyra wartet auf mich. Bitte. Du weißt, wo das Herz ist. Gib mir die Gnade, Raven. Du mußt mich töten."  Sie starrt ihn an, als hätte er den Verstand verloren und schüttelt entsetzt den Kopf. Seine Finger halten sich noch immer an ihrem Arm fest und jetzt zieht er sie näher, um in ihre Augen zu sehen. "Für jemanden, den du liebst, kannst du das tun."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 11. Feb. 2005, 01:55 Uhr
"Caewlin, hörst du, was ich sage?" Er hat sich ein Stück weit herumgerollt, den Lumpenmantel abgeschüttelt und weit von sich geschleudert, und liegt nun zitternd in der Kälte - aber Raven ist viel zu aufgeregt, um es überhaupt zu bemerken, um überhaupt irgend etwas zu bemerken. Dieser kleine Hoffnungsschimmer, der sich unter dem Sarkophag so plötzlich aufgetan hat, bringt ihre Finger zum Beben und ihr Herz pocht so laut und hart gegen ihre Rippen, dass sie es in der ganzen Krypta zu hören glaubt. Freiheit, hämmert es, Freiheit. Freiheit. Freiheit.
"Caewlin .... ein Ausgang, hörst du? Wir können weg, wir können hier weg!" Raven schüttelt ihn sacht an der Schulter, so lange und so hartnäckig, bis er mühsam die Lider aufschlägt und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Ellbogen hochstemmt. Seine Mundwinkel bewegen sich kaum merklich und zuerst glaubt Raven, er wolle etwas sagen, doch dann erkennt sie, dass er lächelt. Ein kleines, halbes Lächeln unter einer Kruste aus Blut und Schmerz. Caewlins Lächeln. Aber etwas daran ist anders als sonst, etwas ist so beunruhigend anders, dass ein beklemmendes Gefühl der Furcht sich in ihrer Brust ausbreitet. >Dann geh<, hört sie seine Stimme, rau und leise. >Laß mich. Verschwende keine Zeit mit mir. Geh und rette dich, Raven. Jetzt. Geh und blick nicht zurück. Laß mich hier sterben, Raven. Bitte. Bitte.<

"Zeit ... Zeit verschwenden?" wiederholt sie stammelnd und schaut ihm ungläubig ins Gesicht. Sie versteht seine Worte nicht. Will sie nicht verstehen, obwohl ihr Sinn sich wie eine eisige Hand ganz langsam um ihr Herz schließt. "Dich hier sterben lassen? Was ... was ... was redest du denn da? Du ... du bist ... verstehst du denn nicht? Wir können hier fort, da unten ist ein Gang, ein ... ein Tunnel ... Caewlin ..." Sein Blick lässt ihr die Worte im Hals stecken bleiben und bringt sie zum Verstummen. > Bevor... du gehst, mußt du... mich töten. Bitte ... gib mir die Gnade, Raven. Du mußt mich töten.< Die eisige Hand in ihrem Inneren drückt unerbittlich zu und ihr Herzschlag flattert verwirrt wie ein sterbender, kleiner Vogel in einem Käfig. "Nein", haucht sie. "Nein. Hör auf damit, hör auf!"
...mußt du... mich töten ... mich töten .... töten...
Seine Finger klammern sich schmerzhaft an ihren Arm. "Nein!" In Ravens brüchiger Stimme liegen abgrundtiefe Verzweiflung und ihr ganzes hilfloses Entsetzen. "Du bist verrückt geworden, Caewlin, hör auf, so etwas zu sagen! Ich ... ich kann dich nicht töten, ich kann dich doch nicht... du wirst nicht sterben .... nicht..."

Der Blick seiner hellen, eisklaren Augen gräbt sich in den ihrer schattendunklen und der Schmerz, den sie in ihm lesen kann, schnürt ihr die Kehle zu. >Für jemanden, den du liebst, kannst du das tun,< hört sie ihn flüstern und einen Moment glaubt sie, ihr Herz müsse einfach aufhören zu schlagen. "Für jemanden, den ich liebe, würde ich alles tun, um ihn am Leben zu halten", erwidert sie, leise und mit bebender Stimme, und hält sich an seinem Blick fest. "Selbst wenn es mich mein eigenes kosten würde. Alles. Und genau das werde ich auch. Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst. Niemals. Nicht, solange ich bei dir bin. Nicht, solange du noch atmest. Nicht, solange du auch nur die geringste Chance hast, am Leben zu bleiben. Und die hast du jetzt, Caewlin, du hast sie. Du kannst nicht einfach aufgeben. Du wirst nicht einfach aufgeben."

Es macht sie hilflos und traurig, ihn so zu sehen, so mutlos, so zerbrochen, so ohne Hoffnung, verletzt und zerrissen. Verzweifelt forschen ihre Augen in seinem Gesicht, als könne sie unter der Kruste aus Staub und Blut den Caewlin finden, den sie kennt. Den Freund, der sie noch niemals im Stich gelassen hat. Den Mann, der für sie, so lange sie ihn kennt, ein Sinnbild von Ehrlichkeit und Mut und unerschütterlichem Willen gewesen ist, für den sie durchs Feuer und sämtliche neun Höllen gehen würde, dem sie blind ihr Leben in die Hände legen würde. "Wo bist du, Caewlin?" flüstert sie und ihre Finger berühren zitternd seine Wange. "Wo bist du? Es kann nicht alles von dir mit Calyra gestorben sein." Tränen laufen ihr über das schmutzige Gesicht. "Gib dich nicht auf, Caewlin. Bitte. Wir müssen versuchen, zurück in die Stadt zu kommen. Was soll aus Brynden werden, wenn du nicht wiederkehrst? Du hast einen Sohn und er ist dort oben und wartet auf dich. Du bist nicht nur für dein eigenes Leben verantwortlich, sondern auch für seines. Er ist doch auf deinen Schutz angewiesen - sollen Whytfisks Männer nun auch noch ihn in die Finger bekommen, nachdem sie schon seine Mutter getötet haben? Willst du, dass er deine ganze Familie auslöscht, willst du das? Denk an Cal. Was würde sie sagen, wenn sie wüsste, dass du dich hier verkriechst, während euer Sohn in Gefahr ist? Was würde sie sagen, wenn sie wüsste, dass du dich einfach aufgibst? Was, glaubst du, soll ich Brynden erzählen, wenn er mich eines Tages danach fragt, was geschehen ist? Und früher oder später wird er fragen. Soll ich ihm erzählen, dass sein Vater hier liegen geblieben ist und sich einfach aufgegeben hat? Soll ich ihm erzählen, dass du nicht einmal versucht hast, ihn wiederzusehen? Dass es dich nicht interessiert hat, was aus deinem Sohn wird?" Sie zittert am ganzen Körper vor Verzweiflung und Angst, aber sie lässt seinen Blick nicht los. "Willst du das? Er ist dein eigen Fleisch und Blut, und das von Calyra ebenso. Er ist ... er ist ein so kostbares Geschenk, das sie dir gemacht hat. Gib es nicht auf. Nimm ihm nicht auch noch den Vater weg. Bitte."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 11. Feb. 2005, 12:00 Uhr
Raven kennt kein Pardon und hat kein Mitleid. Er starrt sie mit wachsender Verzweiflung an und sieht das entschlossene Nein! in ihren Augen, noch bevor sie ihm bebend erklärt, warum sie seine Bitte auf gar keinen Fall erfüllen wird. >Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst. Niemals. Nicht, solange ich bei dir bin. Nicht, solange du noch atmest. Nicht, solange du auch nur die geringste Chance hast, am Leben zu bleiben. Und die hast du jetzt, Caewlin, du hast sie. Du kannst nicht einfach aufgeben. Du wirst nicht einfach aufgeben.< Er ist viel zu schwach, um zu widersprechen, er ist sogar zu schwach, um seinen Kopf noch länger zu halten, als wäre er ein Neugeborenes mit wackligem Rückgrat, also sinkt er nach hinten auf sein Kissen aus hartem Stein. Einen Moment lang schließt er in ohnmächtiger Verzweiflung die Augen und kämpft gegen seine Benommenheit an. "Meine Sache," flüstert er schließlich, "wann ich aufgebe. Will nicht krepieren wie ein Hund. Nimm deinen Dolch und mach ein Ende... Raven." Als die schwarzen Kringel und flimmernden Lichter, die seinen Blick verschwimmen lassen, endlich verblassen, sucht er wieder ihre Augen und stellt fest, daß er sogar zu schwach ist, um zu betteln. "Bitte." Er sieht sie an, hofft, sie könnte die Leere in seinem Blick sehen und hätte vielleicht Erbarmen...Cal. Bitte. Götter.... aber sie hat keines. Stattdessen spürt er Ravens Finger auf seinem Gesicht und sieht die Tränen, die helle Spuren durch die Schicht aus Blut und Staub auf ihren Wangen ziehen. Das ist... nicht fair. Ihre nächsten Worte treffen ihn wie ein Schwall Eiswasser. >Was soll aus Brynden werden, wenn du nicht wiederkehrst? Du hast einen Sohn und er ist dort oben und wartet auf dich. Du bist nicht nur für dein eigenes Leben verantwortlich, sondern auch für seines.< Brynden. Seit Whytfisks letztes Flüstern sein Herz hatte erstarren lassen, hatte Caewlin jeden Gedanken an seinen Sohn eisern unterdrückt. Brynden ist am Leben und bei Niniane in Sicherheit - hätte Whytfisk ihn auch töten lassen, er hätte es gesagt, nur um seinen Sieg noch endgültiger und Caewlins Niederlage noch bitterer zu machen. Er lebt. Er ist bei Niniane und Cron. Der Tronjer würde seinen Sohn aufziehen, das weiß er.

Caewlin schließt die Augen. Er will das nicht hören, er will die Verzweiflung in Ravens Gesicht nicht sehen, er will sich nicht noch einmal entscheiden müssen, ob er leben oder sterben will - doch sie gibt nicht nach. Raven erinnert ihn, sie beschwört das Gesicht seines Sohnes mit ihren Worten herauf und es läßt sich nicht mehr vertreiben. Hätte ich mir denken können. Wer bei allen Neun Höllen hat diesem Weib eigentlich erlaubt, so stur zu sein. Vor seinen Augen schwirren immer noch schwarze Räder, aber jetzt kreisen sie um Bryndens Augen, um die runden Wangen seines Sohnes, um sein Krokodilsgrinsen, wenn er etwas angestellt hatte, um einen dichten Schopf silberblonden Haares und Sommersprossen auf einer winzigen Nase und um kleine Hände, die sich ihm entgegenstrecken, weil er hochgenommen werden will. >Was, glaubst du, soll ich Brynden erzählen, wenn er mich eines Tages danach fragt, was geschehen ist? Und früher oder später wird er fragen. Soll ich ihm erzählen, dass sein Vater hier liegen geblieben ist und sich einfach aufgegeben hat? Soll ich ihm erzählen, dass du nicht einmal versucht hast, ihn wiederzusehen? Dass es dich nicht interessiert hat, was aus deinem Sohn wird? In seinem Inneren zerreißt etwas. Zu schwach, um zu protestieren, kann er sie nur finster anstarren. Die Entscheidung, hier zu sterben, war einfach gewesen. Er hatte jeden Gedanken an Brynden verdrängt, er hatte nur Erleichterung empfunden und sich an die Gewißheit geklammert, Calyra bald wiederzusehen. Mit seinen Wunden und der nackten Verzweiflung in seinem Inneren und begraben unter Tonnen von Stein, hatte er gar keine andere Wahl gehabt. Jetzt hat er eine - und er will nicht wählen müssen. Wenn es keinen anderen Weg gibt, den man gehen könnte, als einen, braucht es keinen Mut. Aber jetzt gibt es einen.

Er sieht Bryndens Gesicht vor sich und weiß, daß Raven recht hat. Sein Sohn ist am Leben und er braucht ihn. Aber das würde bedeuten, er müßte seinen geschundenen Körper auf die Füße zwingen und sich bewegen. Er müßte hoffen und kämpfen und sich hier herausquälen - in ein Leben voller Leere. Er müßte lernen, den Schmerz zu ertragen, ohne wahnsinnig zu werden, tagein, tagaus. Er müßte mit einem kalten, dunklen Stein in seiner Brust und einem Loch in seiner Seele leben. Die Verlockung, sich angesichts dessen einfach der Schwärze zu ergeben, ist groß. Brynden. Ihm wird schwarz vor Augen, aber diesmal vor Schmerz. Brynden. Er hört das Weinen eines verwaisten Kindes und Ravens beschwörende Worte, nicht aufzugeben. Dann beugt er sich ihr und das ist das schwerste, das er je getan hat. "Schön," krächzt er verzweifelt. "Schön. Hast gewonnen." Schwankend und torkelnd und würgend vor Anstrengung kämpft er sich auf die Knie... irgendwie jedenfalls. Zweimal fällt er um, bis er endlich auf den Beinen ist. Sein verwundetes Bein kann er kaum belasten, sein rasendes Herz droht seine Brust zu sprengen und in ihm dreht sich alles in wilden Kreisen - aber er steht, auch wenn seine Beine sich anfühlen wie zerkochte Sülze. Raven stützt ihn und sorgt keuchend vor Anstrengung dafür, daß er nicht der Länge nach wieder auf den Boden schlägt. Einen Moment lang verharren sie so, aneinandergeklammert wie zwei betrunkene Tänzer, um ihr Gleichgewicht zu finden und den Schwindel abzuwarten. Dann quält er sich Schritt für Schritt in die Richtung, in die sie ihn bugsiert - zu der steinernen Grabblatte, die merkwürdigerweise in einem ganz anderen Winkel steht, als vorher.

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 11. Feb. 2005, 20:38 Uhr
Die Sätze, die Raven mit heiserer Stimme hervorsprudelt, schmerzen sie schlimmer als alles, was jemals über ihre Lippen gekommen ist und mit jedem Wort zerbricht etwas in ihrem Inneren ein Stückchen mehr. In Caewlins Blick kann sie lesen, dass er hin und her gerissen ist zwischen Tod und Leben, zwischen aufkeimender Hoffnung und dem Wunsch, einfach aufzugeben, und dass er einen verzweifelten Kampf mit sich ausficht, der ihn Höllenqualen leiden lässt. All die Wut, die Trauer, die Angst und die unglaubliche Leere seines Verlusts spiegeln sich in der Tiefe seiner Augen und machen Raven das Herz so schwer, dass sie glaubt, es müsse ihr in der Brust zerreißen. Aber sie lässt ihn nicht los und sie gibt nicht nach, und obwohl er sie mit einem so finsteren Blick anstarrt, als würde er sie gleich übers Knie legen wollen, redet sie unerschrocken weiter auf ihn ein, bis ihre Kehle so heiser ist, dass sie kein einziges Wort mehr hervorbringt. Von mir aus kannst du mir ruhig den Hals umdrehen oder mich grün und blau prügeln, aber erst, wenn wir dort oben in Freiheit sind. Und nicht einmal du könntest diesem Körper oder diesem Herz noch mehr weh tun. Die Augen blind vor Tränen lässt Raven den Kopf sinken und den Blick auf ihrem kaputten Bein ruhen. Sie weiß, dass Caewlin dort oben all seinen Mut und seine Kraft brauchen wird, um sich seinen Dämonen zu stellen, Dämonen, die ihm bitteren Verlust bringen werden und finstere Stille. Sie weiß jedoch nicht, ob sie tapfer genug sein wird, ihren eigenen entgegenzutreten, die dort auf sie warten und als sie in ihrem Inneren nach der Antwort auf diese Frage forscht, ist es eine, die sie mutlos macht, als sie sie schließlich findet. Aber sie schiebt den Gedanken weit weg, noch bevor er Besitz von ihr ergreifen kann, und ihr Blick kehrt zurück zu Caewlins Augen, die auf einen Punkt im fernen Nirgendwo gerichtet zu sein scheinen. >Schön<, hört sie seine Stimme krächzen. >Schön. Hast gewonnen.< Eine Welle der Erleichterung durchflutet sie, aber auch eine Spur Traurigkeit. Gewonnen? Es ist kein Kampf, den ich gegen dich führe, ich will dir nur helfen, dich am Leben sehen. Ich weiß, ich bin dir wohl keine Hilfe und irgendwann wirst du mich dafür verfluchen, aber ich kann dich nicht hier zurücklassen, ich kann nicht...

Wortlos drückt sie seine Hand und fühlt sich plötzlich nur noch entsetzlich müde und erschöpft. Aber sie beißt die Zähne zusammen und versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Stattdessen hilft sie Caewlin, auf die Beine zu kommen und schwankend und sich gegenseitig stützend taumeln sie auf den Sarkophag zu, bis sie dessen Sockel und den dunklen Treppenschacht erreicht haben, der unter Blaerans Grabmal hinab in schwarze Tiefen führt. Es ist ein mühseliger, kräfteraubender Abstieg und mehr als einmal hat Raven Angst, Caewlin würde über die glatten, ausgetretenen Stufen hinab in die Finsternis stürzen. Halb rutschend, halb kriechend, unter Flüchen und Schmerzen gelangen sie schließlich hinab in die sonderbare, mit Schätzen angefüllte Kammer. Hastig rafft Raven die herumliegenden Felle zusammen und stapelt sie an der rechten Wand entlang zu einem Haufen, so dass Caewlin sich in dem weichen Berg aus wärmendem Pelz niederlassen kann. Sie selbst zieht sich keuchend über die Stufen noch einmal nach oben und eine ganze Weile ist aus der Krypta nichts weiter zu hören als leises Scharren und Schleifen und ihr hektischer, pfeifender Atem. Dann rasselt ein ganzer Berg blutverkrusteter Kettenstahl die Stufen hinab und bleibt klirrend am Fuß der Treppe liegen, gefolgt von einem Rucksack, einem Wasserschlauch, mehreren Fackeln, Caewlins Kleidungsstücken, seinen Dolchen und seinem Morgenstern, den sie aus den Felstrümmern geborgen hat. Zum Schluss tauchen Ravens Stiefel in der Öffnung auf und gleich darauf ihr blasses, schmerzverzerrtes Gesicht, als sie sich durch den Schacht wieder in die Kammer hinablässt und völlig erschöpft neben dem Haufen aus Ausrüstungsgegenständen sitzen bleibt, unfähig, sich auch nur eine Elle weiterzubewegen.

Nur die Götter wissen, wie viele Tausendschritt sie in dieser Krypta inzwischen schon zurückgelegt hat - Runde um Runde, humpelnd, stolpernd, auf dem Rücken krauchend und auf allen Vieren kriechend, von Whytfisk herumgeschleift, mit einem Dolch im Bein und einem leblosen Nordmann in den Armen, halbtot vor Angst und Sorge, verwundet, blutend, erschöpft und mit gebrochenen Knochen, über Geröll und Treppenstufen, durch bittere Kälte und flirrenden Staub, auf der Suche nach Fackeln und Feuersteinen, Verbandszeug und einem Ausgang, nach Wasser und einem sicheren Ort für Caewlin, sie hat Wunden versorgt, Blut abgewaschen und Verbände gelegt, sich die Kehle heiser geredet und ihre Kräfte weit über ihre Grenzen hinaus strapaziert - sie kann nicht mehr. Sie kann einfach nicht mehr. Nicht schlapp machen, versucht sie sich in Gedanken Mut zuzusprechen. Reiß dich bloß zusammen, du hast noch einen langen, langen Weg vor dir."Lass uns noch einmal ausruhen, bevor wir aufbrechen", keucht sie und mustert Caewlin mit Sorge in den Augen, während sie mit einer kraftlosen Handbewegung auf die Öffnung des Lüftungsschachtes in der hinteren Wand deutet. "Wir müssen da durch. Irgendwie. Aber lass uns vorher noch etwas essen und ein wenig schlafen. Ich bin .... ein bißchen müde."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 12. Feb. 2005, 20:42 Uhr
Die wenigen Schritt zu der Öffnung unter dem Sarkophag und die Treppe in die Tiefe hinabzukommen, geht fast über Caewlins Kräfte - und als er sich endlich auf ein weiches Polster aus  Fellen und Pelzen fallen lassen kann, das Raven hastig für ihn aufschichtet, ist er halb bewußtlos vor Anstrengung. Schwarz vor Augen ist ihm ohnehin schon, seit er wieder auf seinen  Füßen steht - falls er das überhaupt tut, denn sicher ist er sich dessen keineswegs. Raven dagegen verläßt ihn und torkelt noch einmal keuchend in die Krypta zurück. Er weiß nicht, was  sie tut, aber er kann sie durch den Schacht rumoren hören - und dann purzelt seine Ausrüstung in die Schatzkammer herunter, sein Morgenstern, das Kettenhemd, der Rucksack. Hilflos  blinzelt er in den hellen Fackelschein, als sie zurückschwankt, über die abschüssigen Stufen nach unten rutscht und dann einfach sitzen bleibt, wo sie landet. Er hätte ihr gern geholfen,  aber er kann sich beim besten Willen keinen Sekhel breit mehr bewegen und ihm ist so schlecht, daß er sich beinahe auf braungetupften Irbispelz übergeben hätte. Eine ganze Weile sind sie  überhaupt nur damit beschäftigt, Sauerstoff in ihre Lungen zu pumpen und halbwegs bei Sinnen zu bleiben. Wir kommen nie hier heraus. Nie. Wie viele Schritt waren das? Noch nicht einmal ein Dutzend und ich bin am Ende. Und Raven... er beendet den Gedanken nicht - um zu wissen, wie es ihr geht, braucht man sie nur anzusehen. >Lass uns noch einmal  ausruhen, bevor wir aufbrechen,< ihre Stimme klingt mehr als erschöpft und sie deutet auf irgendetwas hinter ihm, aber er kann den Kopf nicht drehen, um ihrer Bewegung zu folgen. "Wir müssen da durch. Irgendwie", verrät zwar nicht direkt etwas über den Ausweg, den sie gefunden hat, klingt in Caewlins Ohren allerdings auch nicht eben nach einem  Spaziergang. Trotzdem nickt er lammfromm, kaum noch in der  Lage, ihren Worten zu folgen oder die Augen offen zu halten. >Aber lass uns vorher noch etwas essen und ein wenig schlafen. Ich bin .... ein bißchen müde.< Caewlin schiebt sich mühsam ein Stück zur Seite und kämpft mit dem Pelz unter sich, ehe er ihn unter seinen Beinen hervorzerren und über sich ziehen  kann. Schlafen klingt gut. Vielleicht muß ich ja nie wieder aufwachen.

"Komm her. Du mußt dich ausruhen. Du hast wirklich genug getan." Sie kriecht wortlos neben ihn auf den Fellstapel, löscht die Fackel und einen Moment später kann er hören, wie sie sich  mit einem unterdrückten Schmerzlaut ausstreckt. Caewlin ist ebenso erschöpft, wie sie und seine Kehle ist trocken. Er hätte gern Wasser gehabt, aber er wird den Teufel tun, und Raven  jetzt noch einmal hochscheuchen, also bleibt er einfach nur neben ihr liegen. Schlafen... Sein Kopf fühlt sich riesig an. Ihm ist trotz des weichen Pelzes noch kalt und er hat das  Gefühl, nie wieder warm zu werden - und eine gewaltige Schwäche erfüllt ihn, jedes Mal wenn er auch nur versucht, sich zu bewegen. Die Minuten verrinnen ungezählt und die Stille fließt  ihn Wellen über ihn hinweg und hüllt ihn ein wie in einen Mantel. Cal. Dann schließt er die Augen und beinahe sofort umfangen ihn Schwärze und Vergessen. Das nächste Erwachen ist weniger angenehm. Bunte Sterne tanzen vor seinen Augen, als seine Lider sich flatternd öffnen, aber sie verschwinden nach einer Weile. Er ist in weiche Pelze eingewickelt und scheint zu  schweben, hat das Gefühl, sich nicht bewegen zu können und anstatt ihn zu beunruhigen, ist ihm das merkwürdig gleichgültig. Dafür hat er jegliches Zeitgefühl verloren... er könnte einen Tag geschlafen haben oder viele. Seinem erbärmlichen Magenknurren nach zu urteilen eher viele. Er hat Hunger und das wertet er als gutes Zeichen... abgesehen davon fühlt er sich zwar  immer noch jämmerlich, aber lange nicht mehr so miserabel wie zuvor. Dann erinnert er sich. Calyra. Brynden. Der Schmerz in seinem Inneren kehrt mit voller Wucht zurück. Raven. Er kann den Kopf nicht drehen, um einen Blick neben sich zu werfen und selbst wenn er es gekonnt hätte, hätte er im Stockfinsteren ohnehin nichts gesehen, aber er kann sie  atmen hören... gleichmäßig und leise. Der feste Verband um seine Stirn scheint das einzige zu sein, das seinen Schädel überhaupt zusammenhält. Sein rechter Arm pocht wie verrückt und  bei jeder Bewegung sticht es darin, als steckten glühende Messer in seinem Fleisch unterhalb der Schulter und direkt über dem Ellenbogen, aber der linke scheint unversehrt und läßt sich  bewegen. Er tastet neben sich und seine Finger finden warme Haut... viel zu warme Haut. Ravens Gesicht fühlt sich heiß und verschwollen an. Wundfieber.

Mit einiger Mühe gelingt es ihm, irgendwie von dem Fellstapel herunterzukriechen, ohne sie dabei aufzuwecken. Vorsichtig und langsam setzt er sich auf und tastet sich an der Wand entlang auf die Füße. Die Finsternis um ihn her beginnt bedenklich zu kreisen und zu schwanken, aber er kippt nicht um und nach einer Weile läßt der Schwindel nach. Mühevoll wie ein  alter, gebrechlicher Mann tastet er im Dunklen nach seinem Gepäck, findet seinen Rucksack und ganz unten darin schließlich einen von Borgils Leuchtsteinen. Zum ersten Mal, seit er seine  Gefährten in der Honigwabe der Kanalratten zurückgelassen hatte, um Raven und Whytfisk nachzujagen, fragt er sich, was aus ihnen geworden sein mag. Konnten sie sich retten oder  wurden sie verschüttet? Haben sie überlebt und die Kanalratten zu den Neun Höllen geschickt oder liegen sie alle tot dort oben irgendwo? Einen Moment hält er inne - aber dann schiebt er jeden Gedanken an sie weit fort. Was immer mit ihnen geschehen sein mag, es ist geschehen und er kann nichts mehr daran ändern. Caewlin wiegt den Zwergenkristall in der Hand - der  Stein ist schwer, kühl und glatt wie Glas und etwa so groß wie ein Gänseei und nach einem Augenblick erhellt sein milchiger Schein die Kammer unter Blaerans Grab. Sein Licht bricht sich auf Gold und Silbergeschmeiden ringsum, auf Klingen und Edelsteinen und glänzenden Rüstungen, doch Caewlin hat keinen Blick für all die Schätze übrig. Seine Augen suchen Ravens Gesicht und er hinkt schweratmend an ihre Seite zurück, den Rucksack an einem Riemen hinter sich herschleifend. Sich schwankend neben ihr auf die Pelze zu setzen, ohne eine freie Hand, um sich abzustützen und mit Beinen weich wie Hafergrütze, endet beinahe damit, daß er sich den Hals bricht. Leise fluchend legt er den Leuchtkristall beiseite, schiebt Raven kurzerhand an  den warmen Platz unter dem Irbisfell, den er vorhin geräumt hat und fischt dann den Wasserschlauch und den Proviantbeutel aus seiner Tasche. Zuunterst findet er auch noch saubere Hosen, aber sie anzuziehen geht beinahe über seine Kräfte, von seiner Geduld ganz zu schweigen.

Einhändig und einarmig, da er den rechten Arm so gut wie nicht mehr bewegen kann, quält er sich knurrend in weiche Lederbeinlinge und müht sich fluchend mit den Schnüren. Ein Hemd hat er nicht mehr, denn sein Ersatzhemd trägt Aurian...oder sie hat es zumindest getragen, wissen die Götter, was aus ihr wurde -  aber mit der verschwollenen Schulter und dem  tauben Arm könnte er ohnehin keines anziehen. Seufzend müht er sich mit nur fünf Fingern anstatt zehn mit den Schnüren des Proviantbeutels, zerrt ihn schließlich mit den Zähnen auf und holt Brot, Dörrfleisch, getrocknete Früchte und geräucherten Schinken heraus. Dann weckt er Raven. Sie blinzelt ihn mit fieberglänzenden Augen an, aber nach einem Moment nickt sie schwach. "Hier. Essen. Und Wasser. Möchtest du? Dann hoch mit dir." Er mag schwach wie ein Hundewelpe sein, aber Raven wiegt fast nichts - so vorsichtig wie möglich fasst er ihren  unverletzten Arm und zieht sie hoch, so daß sie auf dem Fellstapel sitzt. "Du hast Fieber. Noch nicht schlimm vielleicht, aber..." Er verstummt. "Du mußt viel trinken. Hier." Er reicht ihr den Wasserschlauch und läßt sie ihren Durst löschen, dann gibt er ihr Brot, Fleisch und ein paar getrocknete Feigen. Selbst im Sitzen tut ihm immer noch jeder einzelne Muskel seines Körpers  weh, aber bis auf das Brennen der Wunden ist der Schmerz mittlerweile zu ertragen. Eine Weile essen sie schweigend und obwohl Caewlin hungrig ist, verwandelt sich in seinem Mund alles  in Asche. Brynden, hämmert sein Herz. Brynden. Brynden. An Calyra zu denken ist so unerträglich, daß er selbst ihren Namen aus seinen Gedanken verbannt. Caewlin würgt ein Stück Dörrfleisch hinunter und hat das Gefühl, etwas sagen zu sollen, aber die Worte sitzen sperrig wie Balken in seinem Hals und belanglose Plauderei war noch nie seine Art. "Erinnerst du dich an das Rotzgör in deinem Keller? Das dich ausspioniert hat. Sie hat dich gesehen hier unten, wie du zu Whytfisk gegangen bist. Sonst hätten wir nicht einmal gewußt, wo du bist. Nein," er schüttelt den Kopf, als hätte sie etwas gesagt. "Sag nichts. Ich weiß, daß Mottenfaenger fort ist. Niniane hat es uns gesagt... Phelan, Borgil und mir in der Harfe."

Er nimmt ihr den Wasserschlauch ab und trinkt selbst einen langen Schluck. Dann angelt er nach einer Pechfackel und dem Zunderkästchen aus seinem Rucksack, ehe er sich mit einem unterdrückten Stöhnen wieder auf die Füße stemmt. Caewlin entzündet die Fackel, hält sie einen Moment nach unten, bis sie brennt und läßt den leuchtenden Stein bei Raven zurück. Dann macht er sich auf die Suche nach dem Ausweg. Weiter hinten in der Kammer hat Raven wohl schon beim Inspizieren des Raumes eine kleine Gasse durch Kisten und Truhen, Waffenständer und Körbe voller Kostbarkeiten gebahnt, und als er ihrem Pfad folgt, findet er an der rückwärtigen Wand eine quadratische Felsöffnung, die hinter einem heruntergerissenen Seidengobelin verborgen gewesen sein muß. Groß ist sie nicht - höchstens ein Luftschacht, vielleicht einen Schritt hoch und ebenso breit. Er bückt sich unter Schmerzen und leuchtet mit der Fackel so weit hinein, wie sein Arm reicht, kann jedoch kein Ende entdecken. Erst als er halb hineinkriecht und sich dabei schmerzhaft den verletzten Arm stößt, reicht der Fackelschein weit genug in den Schacht, daß er im blendenden Licht blinzelnd ein rostiges Eisengitter an dessen Ende erspähen kann. Dahinter liegt nur Dunkelheit. Er kriecht zurück, richtet sich schwankend wieder auf und lehnt sich einen Moment gegen die Wand, um die wild hämmernden Schmiede hinter seiner Stirn zu beruhigen. Dann kehrt er hinkend zu Raven zurück. "Der Schacht ist breit genug, so daß wir durchkriechen könnten. Aber da ist ein Gitter im Schacht. Vielleicht kann ich es aus der Halterung treten... aber ich kann mich nicht umdrehen in dem Tunnel, er ist zu niedrig... also müßte ich mit den Füßen voran hinein und ich weiß nicht, ob ich das schaffe..." ächzend läßt er sich auf den Pelzen nieder und löscht die Fackel. Dann fällt ihm etwas ein und er kramt hastig in seinem Rucksack herum, wird nicht gleich fündig und fischt schließlich eine kleine Phiole heraus. "Das... hat Borgil mir eingepackt. Er hat irgendeinen zwergischen Namen genannt, ich weiß nicht, welchen. Aber es ist eine Art Säure. Vielleicht geht es damit."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 13. Feb. 2005, 16:27 Uhr
Die Felle riechen ein wenig muffig und nach Moder, aber sie sind warm, sie sind weich und sie vermitteln ein vages Gefühl von Schutz. Caewlins tröstliche Wärme neben sich und seinen vertrauten Geruch in der Nase, fallen Raven augenblicklich die Lider zu, kaum dass ihre Wange die Pelze berührt und ihr zerschundener, fiebernder Körper holt sich mit Macht das zurück, was sie ihm bislang verweigert hat - Stille, Ruhe und Schlaf. Irgendwann später - ihr kommt es vor, als wäre sie gerade erst eingedöst, obwohl sicher Stunden vergangen sind - kann sie eine Hand sachte über ihr Gesicht tasten spüren. "Schlafen ... lassen", murmelt sie undeutlich, versucht, das Gesicht in dem Pelzhaufen unter sich zu vergraben, und will die Hand wegschieben, aber sie hat gar keine Kraft dazu. Ihr Kopf fühlt sich an wie ein glühender Ballon und ihre Kehle so trocken und ausgedörrt wie eine Wüste. Sie will nicht aufwachen. Sie will sich nicht bewegen. Sie will an nichts denken. Sie will nur hier liegen bleiben und nie wieder aufstehen müssen. Caewlin beginnt neben ihr zu rumoren und ihr schlaftrunkener Verstand registriert, dass er sich mühsam von dem provisorischen Lager erhebt, sich leise raschelnd an irgend etwas zu schaffen macht und gleich darauf wieder zurückkehrt. Mit einem Auge blinzelnd erhascht sie einen Blick auf sein Gesicht, das von einem merkwürdig violettschimmernden Licht erhellt wird, aber bevor sie sich darüber wundern kann, wird sie an einen paradiesisch warmen Ort inmitten des Fellberges geschoben, wo sie sich wie ein Eichhörnchen im Winterschlaf zusammenringelt und sofort wieder eindöst.

Die Ruhe dauert jedoch nicht lange, denn sie hört Caewlin neben sich leise ächzen und fluchen und gleich darauf wird sie in die Senkrechte geschoben und der Wasserschlauch taucht vor ihrer Nase auf. >Du hast Fieber .... viel trinken...< Raven nickt schwach und tastet dankbar nach dem ledernen Behälter, obwohl sie Schwierigkeiten hat, ihn zu erreichen und erst einmal daneben greift, bevor sie ihn fassen kann. Ihr ist schwindlig und Caewlins Gestalt kreiselt vor ihren fieberglänzenden Augen herum, als hätte man sie auf die wild rotierenden Flügel einer Windmühle gebunden. Es braucht einen langen Moment mit geschlossenen Lidern und einigen tiefen Atemzügen, bis sie das Schwindelgefühl wieder so weit im Griff hat, dass sich die umherwirbelnden Wände der Kammer vor ihren Augen beruhigen und zum Stillstand kommen. Zumindest beinahe. Nur die Schmerzen bleiben allgegenwärtig und allmählich kann sie sich kaum mehr an Zeiten erinnern, in denen ihr nicht alles wehgetan hat. Die Wunde in ihrem Oberschenkel bereitet ihr Höllenqualen, aber sie hat nicht die Kraft und auch nicht den Mut, den Verband noch einmal abzunehmen, aus Angst, was sie darunter vorfinden wird. Sie teilen sich beide den Wasserschlauch und eine kleine Mahlzeit aus Brot, Trockenfleisch und gedörrten Früchten und obwohl das Fleisch wohlschmeckend und keineswegs zäh ist, hat Raven das Gefühl, sie würde auf einer alten Stiefelsohle herumkauen. Jeder Bissen erinnert sie schmerzhaft an Whytfisks knochige Fäuste, mit denen er sich in ihrem Gesicht ausgetobt hat. Vorsichtig tastet sie mit den Fingern die verschorfte Wange entlang und über ihr blaues Auge und wischt sich ein paar verklebte Haarsträhnen aus der fieberheißen Stirn, wobei sie Caewlins Blick spüren kann, der zu ihr hinüberwandert. Irgend etwas scheint ihm zu schaffen zu machen und er druckst eine Weile herum, bis er die richtigen Worte findet. >Erinnerst du dich an das Rotzgör in deinem Keller? Das dich ausspioniert hat. Sie hat dich gesehen hier unten, wie du zu Whytfisk gegangen bist. Sonst hätten wir nicht einmal gewußt, wo du bist...<

Das Rotzgör....also war sie es, die mich verpfiffen hat. Ist das wirklich kaum erst einen Zehntag her? Raven kommt es vor, als wäre eine halbe Lebensspanne vergangen, seitdem sie an jenem verschneiten Morgen verkatert aus der Harfe gekommen und schnurstracks in ihr Unglück hineingerannt war, so vieles ist seitdem geschehen, unfassliches, unbegreifliches. "Du hättest mir nicht folgen sollen", sagt sie leise, den Blick starr auf die Wand gegenüber gerichtet, die vom Licht des Zwergenkristalls in einen mattglühenden Schimmer getaucht ist. "Vielleicht wäre ich dann schon tot. Und du wärst nicht verletzt und Calyra noch am Leben." Sie will ihm etwas sagen, darüber, was in ihrem Inneren vorgeht, wie sehr sie mitfühlt und trauert, sich schuldig fühlt und tausend andere Dinge, und bringt doch kein einziges Wort über ihre Lippen. "Danke", flüstert sie nur und ihre Finger tasten zaghaft nach seiner Hand. Es ist geschehen, was geschehen ist und keine Macht der Welt kann es wieder rückgängig machen, und wenn sie es noch so verzweifelt wünschen. Und auch keine Macht der Welt wird ihren Gefährten wieder zurückbringen. Sein Name, der über Caewlins Lippen kommt, lässt ihr Gesicht zu Stein werden und sie so heftig die Kiefer aufeinanderpressen, dass die Muskeln in ihren Wangen hervortreten. "Der Spaßmacher", flüstert sie und ihre Stimme klingt bitter wie Galle. "Ja, er ist fort. Und er wird wohl auch nicht zurückkehren. Er hat die Tür hinter sich für immer zugeschlagen und sich für einen anderen Weg entschieden. Er will mich nicht." In der Stille der Kammer kann sie zum ersten Mal spüren, wie tief die Wunde wirklich ist, die Mottenfaenger geschlagen hat. Und sie kann spüren, wie sich die stachlige, abweisende Mauer wieder um ihr Herz schließt, die er vor langer Zeit niedergerissen hatte. In Gedanken wickelt sie noch Stacheldraht drumherum und hängt ein dickes Vorhängeschloss daran, dessen Schlüssel sie in den Tiefen ihrer Seele versenkt, wo keiner ihn jemals mehr finden kann. Nie wieder. Nie wieder in meinem Leben will ich so verletzt werden. Niemals wieder.

Sie schluckt schwer an ihrem Kummer, aber ihrer Miene ist kaum etwas anzumerken, als sie sich zu Caewlin dreht. "Borgil und Phelan waren mit dir?" hakt sie nach und lauscht ihm bedrückt, als er mit kurzen Worten schildert, was geschehen ist und verwirrende Geschichten von einem gefangenen Jungen, einer Magierin, Dutzenden von Kanalratten und einem wilden Ritt in einem Fass preisgibt, während sie auf den getrockneten Feigen herumkaut. "Hoffentlich sind sie heil zurück gekehrt", seufzt sie und sieht ihm zu, wie er aufsteht, die Fackel entzündet und sich mit ihr in der Linken durch Berge von Rüstungen, Waffen und Zierrat zu der Öffnung in der Wand vorschiebt, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Als er mit der Mitteilung zurückkehrt, dass sich am anderen Ende des Stollens ein Eisengitter befindet, sinkt ihre Hoffnung schlagartig auf Halbmast - wie sollen sie ein schweres Gitter aus der Wand schlagen, wenn sie vor Schmerzen kaum in der Lage sind, aufrecht zu stehen? Doch Caewlin scheint noch eine andere Möglichkeit im Sinn zu haben, denn er nimmt ihr den Rucksack aus den Fingern, in dem sie gerade sorgfältig den Proviantbeutel und den Wasserschlauch verstaut hat, und befördert aus seinen Tiefen eine kleine Phiole zu Tage. >Das... hat Borgil mir eingepackt. Er hat irgendeinen zwergischen Namen genannt, ich weiß nicht, welchen. Aber es ist eine Art Säure. Vielleicht geht es damit.< Argwöhnisch betrachtet Raven das kleine Gefäß aus dickwandigem, schwarzem Glas und runzelt unter ihren Blutkrusten die Stirn. "Ich schätze, wir haben gar keine andere Wahl, als es zu versuchen." Ihr Blick huscht zu der Öffnung hinüber, die wie ein finsterer Schlund in der Steinwand gähnt, dann wieder zurück zu Caewlin und der Phiole. "Aber lass mich dir helfen. Du kannst nicht mit dem Fläschchen hantieren und gleichzeitig auch noch die Fackel halten."

Er nickt und kriecht vor ihr her in den grob behauenen Stollen und Raven kann gerade noch einen kurzen Blick auf sein schmerzverzerrtes Profil werfen, bevor sein Kopf, die Schultern und dann auch noch der Rest von ihm in dem engen Gang verschwinden. Bevor sie ihm folgt, schlingt sie ihr Haar, das ihr in wilden Zotteln ins Gesicht hängt, im Nacken zusammen und stopft es sich hinten in den Hemdkragen, um es sich nicht mit der Fackel in dem engen Schacht selbst in Brand zu setzen. Der Zopf hat sich schon vor Tagen völlig aufgelöst und die verfilzten Strähnen fühlen sich inzwischen an wie aufgeweichter Seetang, den man zu lange in der Sonne hat trocknen lassen. Die brennende Fackel in der Rechten schiebt sie sich hinter Caewlin auf Knien den Gang entlang, bis er nach einigen Dutzend Schritten innehält und sie über seine Schulter spähend im Schein der Fackel das Gitter erkennen kann. Es ist alt und rostig, aber seine Stäbe sind dick und stabil und sehen nicht so aus, als würden sie sich einfach mit bloßen Händen herausbrechen lassen. Raven zwängt sich neben ihn und versucht die Fackel so über ihren Köpfen zu halten, dass das Licht das Eisengitter erreicht und die im Luftzug schlagenden Flammen dennoch keinen Schaden anrichten können. Die Phiole mit der Säure hält Caewlin noch immer in der Linken und er schafft es auch ohne zweite Hand, die er zu Hilfe nehmen könnte, den Stöpsel geschickt aus dem Flaschenhals zu ziehen. Feiner Rauch steigt aus dem Glas empor und ein schwacher Geruch nach Salpeter füllt den Gang. "Bist du sicher, dass das Säure ist?" erkundigt Raven sich misstrauisch. "Das riecht wie das Zeug, aus dem Borgil meinen Tee gebraut hat." Caewlin gibt keine Antwort, sondern hat die Augen konzentriert auf das eiserne Gitter gerichtet. Vorsichtig neigt er die schwarze Glasflasche und träufelt etwas von der rötlichen, rauchenden Flüssigkeit auf einen der Gitterstäbe dicht an der Stelle, wo das Eisen in der Felswand verschwinden. Raven hat nicht viel Ahnung von Alchemie und hat auch noch nie Gelegenheit gehabt, zuzusehen, wie Säure sich durch Metall frisst - sie hätte sich eher vorgestellt, dass es lange Zeit dauert, bis überhaupt etwas sichtbares passiert. Aber kaum rieseln die Tropfen auf die rostigen Eisenstäbe, zerfließt an dieser Stelle das Metall in unglaublicher Geschwindigkeit wie Butter an der Sonne und löst sich praktisch in Luft auf. Es hinterlässt nichts weiter als ein paar rauchende Klümpchen auf dem Boden. Beißender Gestank macht sich in dem Stollen breit und als Caewlin schließlich alle Stäbe durchtrennt hat, sind sie halb besinnungslos von den Dämpfen, die um sie herum wabern. Mit einem letzten Schlag seiner Eisenschelle befördert er das Gitter nach außen, das scheppernd auf dem kahlen Steinboden jenseits des Stollens liegenbleibt. Eine ganze Weile lauschen sie mit angehaltenem Atem in die Dunkelheit des Ganges hinaus, darauf hoffend, mit dem Lärm niemanden angelockt zu haben, doch es bleibt still.

Einer nach dem anderen schieben sie sich wieder rückwärts in die Kammer, um sich dort eine letzte Atempause zu gönnen, die herumliegende Ausrüstung einzusammeln und sich für den Aufbruch bereit zu machen. Mit fieberheißen Wangen und einem unbehaglichen Gefühl im Magen betrachtet Raven die dunkle Öffnung im Stein und so schwarz wie der Stollen erscheint ihr mit einem Mal auch die Zukunft, die dahinter liegt. Es ist nicht mehr das Leben, das sie verlassen hat, in das sie nun zurückkehren wird. Nichts wird mehr so sein, wie es war und auf einmal hat sie solche Angst vor dem, was dort oben auf sie wartet, dass ihr der stinkende Kanal und die feuchtkalte Kammer plötzlich wie der anheimelndste Ort im ganzen Universum erscheinen und sie sich am liebsten wieder in dem Haufen aus Fellen verkrochen hätte. Nichts wartet dort oben mehr, außer einem toten, kalten Baum und einem leeren Haus. Und noch etwas bereitet ihr mehr Sorgen, als sie sich eingestehen will: Was ist, wenn mein Bein nicht mehr zu retten ist? Was ist, wenn mein Arm lahm bleibt? Ich werde nie wieder Bögen bauen können. Ich könnte noch nicht einmal mehr als Magd arbeiten oder im Pfirsich... Ihr Blick schweift über die Kostbarkeiten in der Kammer, aber es kostet sie trotz all der Ängste nicht eine Sekunde des Zögerns. Lieber gehe ich betteln, bevor ich auch nur ein Stück von Whytfisks dreckigem Lumpengold anfasse. Lediglich eines der Langschilde zerrt sie von seinem Gestell, packt einen Stapel Felle darauf, Caewlins Kettenzeug und Waffen und ihre ganze Ausrüstung und befestigt das Ganze an einem Waffengurt, den sie als eine Art Geschirr umfunktioniert, so dass sie sich die Lederriemen um Brust und Rücken schlingen und so den provisorischen Schlitten ziehen kann.

Sie halten sich nicht mehr lange in der Kammer auf, sondern kehren ihr bald den Rücken und kriechen bäuchlings durch den freigeätzten Stollen in den offenen Raum dahinter, der sich als weitere Kammer oder eher als ein größerer Durchgangsraum entpuppt. Verrottete Fässer und Kisten stapeln sich entlang der Wände und der einzige Ausgang führt über flache, ausgetretene Stufen nach oben, so dass ihnen keine Wahl bleibt, als der Treppe zu folgen, die nach einer halben Ewigkeit in einen breiten Gang mündet. Der lange Aufstieg hat sie schon wieder bis an ihre Grenzen erschöpft und sie lehnen sich für einen Moment ausgepumpt und keuchend gegen die Wand, damit die schmerzenden Muskeln und Knochen sich beruhigen und die Sternchen, die vor ihren Augen tanzen, wieder verblassen können. Verwirrt leuchtet Raven mit der Fackel in den Gang hinein, der sich gleichförmig nach rechts und links erstreckt, aber sie hat keine Ahnung, wo in diesem Labyrinth aus Gängen, Tunneln und Kammern sie sich befinden und erst recht nicht, welche Richtung sie einschlagen müssen, um einen Ausgang zu finden. Ratlos richtet sich ihr Blick auf Caewlin. "Rechts oder links?"

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Caewlin am 13. Feb. 2005, 21:41 Uhr
"Rechts," erwidert er, aber er hätte ebenso gut Links oder Honigbrei oder Scheißdreck sagen können - er hat jeden Orientierungssinn schon lange verloren und auch Raven wird kaum die Karte der Tunnel auswendig im Kopf haben. Sie wenden sich also nach rechts und torkeln weiter, schlingern und wanken durch Gänge, Stollen und unterirdische Kammern wie zwei betrunkene Tanzbären - wie sie aus der Schatzkammer und dem Stollen vorhin eigentlich entkommen sind, kann er schon nicht einmal mehr wirklich sagen. >Du hättest mir nicht folgen sollen. Vielleicht wäre ich dann schon tot. Und du wärst nicht verletzt und Calyra noch am Leben.< Ihre Worte hat er immer noch im Ohr. "Du hättest nicht gehen sollen", war alles, was er erwidert hatte, mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Es wäre leicht, ihr die Schuld an allem zu geben, aber er macht ihr keinen Vorwurf. Was sie getan hatte, war dumm und leichtsinnig, aber sie hat es letztlich für ihn getan und wie hätte sie ahnen sollen, was daraus entstehen würde? Er trägt ebensoviel Schuld an allem, was geschehen war und während er sich elend vor sich hin durch feuchte Steingänge schleppt, macht er sich bittere Vorwürfe. Er hatte Whytfisk unterschätzt und Cal hatte es mit ihrem Leben bezahlt. Der Gedanke, dass er nie wieder ihre Stimme hören soll, nie wieder seine Finger in ihren silbernen Locken vergraben würde, nie wieder ihren Mund küssen oder das Lachen in ihren Augen sehen soll, schnürt ihm die Luft ab. Brynden.

Noch ein Schritt weiter. Er beschwört das Gesicht seines Sohnes herauf, nur um nicht an Calyra denken zu müssen und würgt den bitteren Gallegeschmack in seinem Mund hinunter. Neben ihm hinkt Raven und hinter ihr scheppert und schleift das sperrige Langschild mit ihren wenigen Habseligkeiten über den kalten, felsigen Boden. Irgendwann nimmt er ihr die Gurte ab und zieht es selbst hinter sich her. Humpelnd und keuchend mühen sie sich Schritt um Schritt voran, stützen sich gegenseitig, wenn Schwindel oder Fieber sie umzuwerfen drohen und müssen immer wieder anhalten, um ihre schmerzenden Beine auszuruhen und wieder zu Atem zu kommen. Caewlin lehnt sich während ihrer Verschnaufpausen nur gegen die Tunnelwand – wenn er sich setzen würde, würde er nie wieder aufstehen. Er weiß nicht, wie viele Stunden vergehen, während sie sich weiter und weiter vorankämpfen und sich immer wieder Gänge und Stollen suchen, die nach rechts und nach Norden führen – oder jedenfalls in die Richtung, die sie für Norden halten, aber irgendwann gelangen sie an einen Durchgang, in dem vor ewigen Zeiten einmal eine Tür gewesen sein mußte, was verbogene, rostige Angeln beweisen. Dahinter liegt ein Gang, der schnurgerade nach Nordosten führt  und sie erkennen ihn beide wieder: der Tunnel, der sie zu dem Großen Wurmnest gebracht hatte. Der Tunnel, der an seinem Ende zu Ninianes Baum führt. Hier rasten sie noch einmal, schlafen für mehrerer Stunden aneinandergelehnt im Sitzen an der kalten Felswand und brechen nach einem hastigen Mahl aus Brot und Fleisch von neuem auf, nur um sich wieder Stück für Stück weiterzuschleppen. Sie sind dem Gang noch keine hundert Schritt weit gefolgt, als sie in einer gigantischen Halle landen, die zur Hälfte eingebrochen und mit Bergen von geschmolzenen Felsbrocken und staubigem Geröll gefüllt ist.

Sich den Weg durch die bizarre Trümmerlandschaft zu bahnen geht beinahe über ihre Kräfte. Klettern kann weder Raven mit ihrem verwundeten und mittlerweile dick geschwollenen Bein, noch er selbst – er kann sich ohnehin kaum noch aufrecht halten. Hier herauszukommen ist der einzige Gedanke, den sie noch haben und so kriechen und krabbeln sie schließlich auf allen Vieren über Steinhaufen und Schuttberge bis sie irgendwann völlig erschöpft liegen bleiben wo sie sind - mitten auf einem der vielen Trümmerberge. Brynden. Brynden. Brynden. Der Name seines Sohnes ist ihm längst zur Beschwörungsformel geworden. Ihrer beider rasselnder Atem ist das einzige Geräusch auf der Welt und füllt den Felsendom ringsum mit hallendem Echo, doch auch wenn sie sich irgendwie bis in die Hallenmitte vorgearbeitet haben, der Ausgang ist noch nicht einmal zu erahnen. "Nicht mehr weit jetzt," keucht er abgehackt. Seine Lungen brennen und sein Herz rast. Raven, einen halben Schritt hinter ihm auf einem kleinen Felsvorsprung unter der Kuppe nickt nur schwach. Sie glüht im Fieber und er streckt die Hand aus, um sie zu sich hochzuziehen. Dann keilt er das Schild fest, so daß es nicht abrutschen kann und rollt sich mühsam auf den Rücken, während er versucht, sich zu erinnern, wie weit es damals von der Halle zu jenem geheimnisvollen Tor unter Ninianes Baum gewesen war.  "Nur einen Moment ausruhen..."

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Raven am 14. Feb. 2005, 13:47 Uhr
Tunnel, Tunnel und nichts als Tunnel, gleichförmig, öde und einer wie der andere. Bald verschwimmen die kahlen Steinwände, die langen Gänge und der staubige, unebene Boden vor Ravens Augen zu einem einzigen grauen Nebel und sie kann nicht mehr sagen, wie viele Abzweigungen sie schon genommen haben, wie viele Biegungen und Kehren sie schon umrundet haben, nur um wieder im nächsten felsigen Gang zu landen. Jegliches Gefühl für Zeit und Richtung ist ihr inzwischen abhanden gekommen. Manchmal hat sie das Gefühl, dass sie nur im Kreis laufen, denn alles sieht gleich aus und sie kann einen Stollen nicht mehr vom anderen unterscheiden, und trotzdem schleppen sie sich hinkend und humpelnd weiter und unterbrechen den langen, schmerzhaften Marsch nur gelegentlich durch eine kurze Rast, wenn einer von ihnen nicht mehr weiterkann. Schließlich, nach Tagen oder Wochen oder Äonen, wer weiß das schon genau, gelangen sie an einen Ort, bei dem sich noch immer Ravens Nackenhaare sträuben, obwohl schon lange zurückliegt, was sich hier zugetragen hat. Kaum, dass sie einen Blick in die riesige Halle geworfen hat, spuckt ihr fieberndes Hirn wie eine unablässig sprudelnde Quelle grauenerregende Bilder der Erinnerung aus. Doch ihnen bleibt kaum etwas anderes übrig, als sich ihren Weg mitten durch das Trümmerfeld der Halle zu suchen, das wie ein zerklüftetes Gebirge vor ihnen aufragt. Der schmale Steinbogen, der einst die Halle überspannt hat, exisitiert nicht mehr, ebenso wenig wie der Sims an deren Rand entlang, und so gibt es kaum etwas zu überlegen, sondern nur den Schritt nach vorne.

Der Weg ist mehr als mühselig und kaum haben sie keuchend und mit schweißnassen Gesichtern einen Schutthügel erklommen, tut sich dahinter schon der nächste auf. Raven ist es, als würden sie sich durch einen endlosen Ozean aus Trümmern kämpfen, durch steile Täler und über turmhohe Wellenkämme aus schwarzem, glasigem Gestein und scharfkantigen Felsbrocken, über denen sich Schaumkronen aus weißflockiger Asche erheben. Als Caewlin auf einem der Felsbuckel erschöpft und mit rasselndem Atem innehält, ist sie schon kaum mehr richtig bei Sinnen. Hinter ihrer glühenden Stirn wirbeln farbige Funken und die Bilder, die ihr fiebernder Verstand ihr vorgaukelt, mischen sich mit denen, die ihre Augen erfassen, zu einem wirren, alptraumhaften Kreiseln. Minutenlang kann sie nur schweratmend und schwankend neben Caewlin sitzen bleiben, der so ausgepumpt auf dem Boden liegt, als würde er nie wieder aufstehen wollen. Ihre aufgeschürften Finger tasten nach dem Schild und dem Rucksack mit dem Wasserschlauch, der sich schon bedenklich leicht anfühlt, und sie reicht ihn an Caewlin weiter. Sie teilen sich die letzten Schlucke, doch es ist kaum genug, um die rissigen Lippen zu befeuchten und den Staub aus den Kehlen zu spülen und als Raven den Schlauch umdreht und schüttelt, rinnt nicht ein einziger Tropfen mehr daraus hervor. Leer. Und es ist noch so weit .... so weit ... Ihre Zunge klebt irgendwo hinten am Gaumen und ihr Mund fühlt sich an, als hätte sie Sägemehl gegessen, so dass ihre Worte kaum lauter als ein heiseres Krächzen sind. "Komm weiter ... bald da."

Irgendwie schaffen sie es schließlich doch, sich wieder auf Knie und Füße zu mühen und sich weiter über die karstige Landschaft aus tonnenschweren Felsblöcken und Geröll zu schleifen, bis sie endlich den Ausgang auf der anderen Seite der Halle erreichen, wo sie über Stunden völlig zerschlagen und mit pfeifenden Lungen liegenbleiben, bevor sie sich an das letzte Wegstück machen. Nur noch der lange, schnurgerade Gang liegt vor ihnen, aber jeder einzelne humpelnde Schritt lässt sie mehr verzweifeln, bis sie kaum noch ein Bein vor das andere setzen können, jeder Atemzug wird zu einer Höllenqual. Die Pausen, in denen sie sich kraftlos und mit schmerzhaft rasenden Herzen völlig erledigt an die Tunnelwände lehnen, um wieder zu Atem zu kommen, werden immer länger und der Gang scheint sich eine endlose Ewigkeit weit in die Finsternis zu erstrecken, bis sich weit vor ihnen eine undeutliche, bleiche Silhouette riesenhaft aus der Schwärze schält. Das Tor. Im flackernden Schein der Pechfackel taucht vor ihnen allmählich ein fahles, von tausenden Runzeln durchfurchtes Gesicht auf, das sich vom Boden bis zur Decke hoch über ihnen spannt, und milchweiß schimmernde Augen leuchten ihnen mit alterslosem Blick aus der Dämmerung entgegen. Das Gesicht ist völlig reglos, als Raven es anstarrt. Irgendwo in ihrem Hinterkopf erinnert sie sich daran, dass sie etwas tun muss, um es zu öffnen, aber sie weiß nicht mehr, was. Worte.... es waren Worte ..., flüstert ihr Geist durch das glühende Fieber, aber sie kann sich nicht mehr erinnern. Nicht mehr als zerrissene Silbenfetzen huschen durch ihre Gedanken. Schwert .... Schwert in der Nacht .... Speer .... ich weiß nicht ... ich weiß es nicht mehr... geh doch auf, du blödes Ding.... Ihre tauben Hände tasten verzweifelt über Furchen und Falten. Geh auf! Glühend heiße Nadeln bohren sich in ihren Kopf, als sie sich mit einem Blick voller Entsetzen und abgrundtiefer Erschöpfung zu Caewlin umwendet. "Ich kann es nicht öffnen... ich kann es nicht ... kann nicht ...." Dann kippt sie einfach um. Bevor das Fieber ihr völlig die Besinnung raubt, schickt sie einen letzten Gedanken auf die Reise. Min ija..

Titel: Re: Die Kanalisation
Beitrag von Atevora am 29. Jan. 2012, 19:05 Uhr
<---- Fliegengrund und Lumpenmarkt

Ende Silberweiß 512
Irgendwo in der Kanalisation am Rande der Unterstadt



Die Magierin hatte Mühe nicht zu erbrechen. Dieser Gestank! Ihr Magen rebellierte so sehr, dass sie sich wünschte, sie hätte das Frühstück nicht zu sich genommen. Zumindest war es eine sehr gute Entscheidung die Teigtasche an den Bengel abzutreten, sonst hätte ihre Überreste nun Vermutlich den Boden geziert. Apropo Boden, was war das bloß für eine schmierige Substanz von dem dieser bedeckt wurde? Wobei, so genau wollte sie es vermutlich gar nicht wissen. Unwissenheit ist manches Mal ein Segen, aber ihr schien es, als würde die Schicht jedes mal wenn sie hier entlang kommt mehr zu werden. Es war wohl eine Mischung aus Urin, Kot und anderen Ablagerungen die der Luftzug von den zerstäubten Dunst aus den Gefällen des modrigen Kanalwassers heer absetzte. Genau der Dunst den sie dort unten einatmete und über den sie ebenfalls nicht näher nachdenken wollte welche Zusammensetzung er hatte.

Sie musste bei jedem Schritt mit ihren Ledersohlen Acht geben nicht auf dem schlitzigen Untergrund auszurutschen. Ein wenig erinnerte sie das Gefühl über diesen feuchten Boden zu laufen an damals zur Nekromantenjadt, auch dort war der Boden von den unzähligen Eingeweiden dieser Pelchviecher schlitzig und rutschig. Sie hätte gerne gewusst welches Schuhwerk die Anderen trugen, dass sie dort keinerlei Probleme hatten gut voranzukommen. Aber sie beschäftigt sich nie lange mit dieser Vergangenheit und würgt die daran aufkommenden Gedanken sofort ab. So auch dort in der Kanalisation. Es galt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
An diesem Tag bestätigte es sich wieder, wie vorteilhaft es war es sich mit den hier lebenden Gesellschaft gut zu stellen, und sie nicht zu ignorieren. Die Fettfischer stießen hier auf jeden Fall wieder auf einen sehr interessanten Fund. Wobei, Fund klingt so Sachlich. Genaugenommen war es eine faulige Ansammlung aus  Lumpen die verwesendes Fleisch umgaben oder sich bis an die Knochen gefressen hatte. Der entstellte Leib wurde mit der Strömung getrieben bis er sich in den Sieben der Fettfischer verfing, und wäre ohne diese vermutlich fast gänzlich verwest auf nie mehr Wiedersehen in den Ildorel gespült worden.
Aufgeschwemmt und stinkend lag der Körper vor ihr. Es war interessant was die Flüssigkeiten die sich hier von der Oberwelt sammlten mit totem Fleisch anstellt, und das binnen kürzester Zeit. Kein Wunder, dass viele unbeliebte Personen hier ihr Ende fanden. Kaum jemand wusste dass die  Fettfischer sie, oder eher ihre kümmerlichen Reste, dann mit etwas Glück aus den stinkenden Fluten siebten. Vermutlich trieb dieser Leib hier nicht länger als zwei Tage im fäuligen Nass, doch die Verwesung war so weit fortgeschritten, dass nur noch wenig wirklich zu erkennen war. Die Unterkleidung, denn das waren die Lumpen, welche die Leiche verhüllten, waren augenscheinlich ehemals von guter Qualität. Nun war sie von den Kräften in der Strömung stark in Mitleidenschaft gezogen, doch sie wieß eindeutig Löcher auf, die nicht der Kanal verursacht hat. Etwas scharfes hatte den Stoff zertrennt, und auch die Todesursache war rasch auszumachen. Ermordet, vermutlich nach einem Kampf. Zweikamp oder Überfall? Die Überkleider fehlten gänzlich, Leichenfledderer hatten sie ihm wohl ausgezogen um sie zu verhökern. Vermutlich würden die Kleidungsstücke am Lumpenmarkt rasch gefunden, wenn sie gezielt danach suchen wollte. So gewisse gestopfte Löcher und Blutflecken an gewissen Stellen sind nicht unauffällig. Doch würde es sich lohnen?
Mit einem unterdrücktem Schmunzeln auf den Lippen denkt Atevora an einige besondere „Angebote“ die von den Marktbesuchern dort am Lumpenmarkt schon begutachtet wurden. Sie erinnert sich an ein edles Rüschenhemd in feinster Machart aus bester Seide. Die neueste Mode aus Laigin, doch wer einen Blick auf den Rücken warf, konnte den rotenbraunen Fleck unter dem markantem Loch nicht übersehen. Die Verkäuferin argumentierte es wäre ein günstiges Prachtstück und mehr als ein lohnender Kauf. Nur ein Dublet darüber, und keiner würde das kleine Manko an dem Kleidungsstück mehr erkennen und der Herr wäre für jeden Anlass bestens gekleidet. Ja, bestens gekleidet war der Mann, dem das Kleidungsstück damals gehörte wirklich, das heißt bevor er, nach einigen Vergnüglichkeiten mit billigen Huren aus dem Löchrigen Eimer, von einigen Straßenräubern hinterrücks erstochen und beraubt wurde. Es war ein Kaufmann, den Erzählungen nach stammend aus Port la, der offenbar zum Schluss hin etwas vom Pech verfolgt war. Da er keine Verwandten, oder Bekannten in der Stadt hatte, gaben die grauen Schwestern die Kleidung an die Händler am Lumpenmarkt weiter, so wie es bei einigen solcher Fälle vorkommt.

Atevora inspiziert die Leiche vor sich weiter und entdeckt einen Ring an dessen Finger. Warum hatte das Opfer noch einen Ring am Finger? Waren die Räuber vollkommene Idioten? Dem Opfer die Kleidung ausziehen aber den Ring nicht mitnehmen? Wurden sie vielleicht gestört? Das würde auch erklären, warum der Mann noch seine Schuhe an hatte. Schuhe brauchbarer Machart erzielten normalerweise gutes Geld. Der Ring kam der Shin zudem seltsam bekannt vor. Die Luft nur noch durch den Mund einatmend, was den Brechreiz aber auch nicht sonderlich abmilderte, schob sie die Kleidung beiseite. Dort wo noch diese Kleidungsfetzen hingen, war die Leiche weniger verwest. Und tatsächlich wird sie fündig: Eingestochene Körperkunst und zwei charakteristische Narben.
Das hier war eindeutig noch vor einigen Tagen Ijur, einer ihrer ehemaligen Klienten.
Sehr interessant, wirklich ausgesprochen interessant. Gut, weniger, dass er nicht mehr am Leben war – es war weithin bekannt, dass er die Auseinandersetzungen im Toten End nicht für sich entschieden hatte, was in der Unterstadt bedeutete das eigentlich schon ohne weitere Worte, soviel,  dass jemand um die Ecke gebracht wurde – nein vielmehr der Ort wo sie ihm, oder eher seinen Überresten wieder begegnet.
Wie es doch vom Sieg des Bestienmeisters, diesem hässlichen pockennabigen Einauges aus Cardossa, und von dessen Großmut durch die Unterstadt tönte. Einer der sich als einer der wenigen Großen aufschwingen könnte, hieß es, Einer zu denen der Abschaum aufblicken kann. Einer der selbst seinen erbittertsten Feinden noch Respekt, sogar nach dessen Tod entgegenbrachte, und sie nicht in Stücke geschnitten im Kanal entsorgte. Der Edelmütige der Unterstadt, der Ijur den schweigenden Schwestern übergab, damit sie diesen am Totenacker beisetzen konnten;  Von wegen!
Nungut, keine voreiligen Schlüsse ziehen. Gerüchte kamen oft nicht von ungefähr, sie hatten meist einen wahren Kern.

Atevora nimmt den Ring und die Fetzen an sich und schneidet die Tätowierung aus dem fauligem Fleisch, konserviert das Ganze in einem Eisblock und verstaut es in einer Leinentasche. Die restlichen Überreste lässt sie von den Fettfischern zurück ins Kanalwasser treten. Dann übergibt sie den Findern eine kleine Summe als Belohnung und verschwindet schließlich auf magischem Wege aus der ekelhaften Umgebung.
Sie wird dem hier nachgehen. Mal sehen wohin ihre Nachforschungen sie führen werden.


---> Atevoras Wohnung



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